Date post: | 16-Mar-2016 |
Category: |
Documents |
Upload: | romanshorn-brueggli |
View: | 217 times |
Download: | 2 times |
Vom Praktikanten mit Rückenschmerzen zum Teamleiter mit Perspektiven
Toni Albertin
Das ist die Geschichte von Toni Albertin aus Widnau. Er kam als Praktikant in die Logistik von Brüggli. Heute arbeitet er als Teamleiter.
3
Inhaltsverzeichnis
Der Zwischenfall 4
Die Therapie 6
Die Neuorientierung 9
Die SAA-Ausbildung 11
Der zweite Anlauf 12
Der Brüggli-Alltag 14
Die Zukunft 17
4
Toni Albertin über den Logistiker-Beruf:
Der Zwischenfall
Es fühlte sich an wie ein Schlag in den Rücken, wie ein Dolchstoss zwischen die Schulterblätter, der die Nervenbahnen zum Glühen bringt. Noch gut erinnert sich Toni Albertin an den Spaziergang an einem milden Sommerabend im Jahr 2007. Das Leben blühte und der damals 28Jährige stand mittendrin. Völ lig unerwartet traf ihn der Schmerz im Rücken – heftig, aber kurz. Der Schmerz klang nach wenigen Minuten wieder ab. Toni Albertin, der alles andere als einen Hang zur Dramatik hat, konnte damals nicht ahnen, dass es sich um einen Moment für die Ewigkeit handeln sollte.
Am nächsten Tag ging er wie gewohnt zur Arbeit. Als LogistikAllrounder bei der Firma Forster in Arbon war er sich den Umgang mit dem Stapler ebenso gewohnt wie mit dem Schwebekran. Wareneingangskontrolle, Kleinteilelager, Kommissionierung und Verlad waren sein täglich Brot. Und der Transport von Paletten war beileibe nichts, was ihn sonderlich gefordert hätte. Bis auf eben
diesen Tag: «Ich musste Paletten von Hand transportieren», erinnert er sich. «Eins ging noch. Und dann konnte ich meinen linken Arm nicht mehr bewegen.» Nur noch in einem Winkel von etwa 30 ° konnte er den Arm vom Körper abheben. Und die Lähmungserscheinungen gingen weiter und wirkten sich auch in der Brust und im Rücken aus.
Also sofort zum Arzt. Dort gabs Schmerztabletten und den Weiterverweis an einen Spezialisten. «Er wusste nicht, was los war», sagt Toni Albertin.
«Die Logistik ist das Herz einer Firma. Ich glaube, das sagt alles.»
6
Toni Albertin über Fitnesscenter:
Die Therapie
Ein gebrochenes Bein ist als solches präzis zu diagnostizieren. Mit Lähmungserscheinungen und Rückenproblemen ist das schwieriger. Toni Albertin weiss bis heute nicht genau, was ihn ereilt hat. Eine Anfrage beim Arzt gibt Aufschluss: «Rechtsseitig verschmälerte Lendenwirbelsäule im Bandscheibenfach beim Wirbelkanal 7/8 mit Mehrsklerose der Endplatten, generativ bedingt.» Der Fachmann spricht vom «zervikoradikulären Schmerzsyndrom mit einer fortgeschrittenen generativen Veränderung C5C6». Für Toni Albertin sind es in einfache Worte gefasst: Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule – «Abnutzungserscheinungen». Insgesamt wurde er für sechs Monate krankgeschrieben. Der Arzt riet ihm, Belastungen zu vermeiden und nicht mehr 100 %, sondern 50 % im gewohnten Berufsumfeld zu arbeiten.
«Therapeut ist nicht gleich Therapeut», blickt Toni Albertin auf seine PhysioBehandlungen zurück. Er war verspannt – «wie ein Brett». Drei Therapeuten, erzählt er, hätten ihm nichts gebracht. Erst mit dem vierten Versuch kam Hoffnung auf. Toni Albertin attestiert der Therapeutin, dass sie ihm nicht mit Übungen kam, «die ich ohnehin nicht gemacht hätte», sondern mit schmerzlindernden Massagen und Tipps zu einer gesunden Schlafhaltung.
Zugleich begann er, die Rückenmuskulatur zu trainieren. Das Fitnessstudio verlangt ihm noch heute Überwindung ab. Das Treten auf der Stelle, das Sehen und Gesehenwerden, die kollektiv gesuchte Einzigartigkeit sind nicht seine Sache. Und doch sind Fitnessgeräte seine stetigen Begleiter. Denn das Training hilft. Toni Albertin hat eine einfache Wahl: «Migräne oder Training.» Wenn er nicht trainiere, habe er oft ab 18 Uhr Migräne. An einen gemütlichen Kinoabend mit der Freundin, ans SalsaTanzen oder ans Gitarrespielen in seiner Band «Contra» ist dann nicht mehr zu denken.
«Muss nicht sein. Oder eben doch. Mir bleibt keine andere Wahl: Training oder Migräne.»
9
Toni Albertin über Schicksal:
Die Neuorientierung
Toni Albertin war seit dem Jahr 2000 bei der Firma Forster in Arbon tätig. Zuvor, von 1998 bis 2000, stand er bei der Swarovski AG in Triesen (Fürstentum Liechtenstein) im Dienst, ebenfalls als Logistiker. Ursprünglich hatte er den Beruf des Dachdeckers erlernt. Schon damals hatte er Rücken sowie Knieprobleme. Diese bewogen ihn dazu, von der Baubranche in die Logistik zu wechseln. Aus Sicht des Laien sind das zwei ähnlich strenge Berufsfelder. Toni Albertin aber relativiert: «Für mich war der Beruf des Logistikers weniger streng.»
Rund zehn Jahre wuchs er also im Beruf des Logistikers. «Ich kam voran», sagt er, «wurde gefördert, hatte gute Kollegen und einen guten Chef.» Ein grosser Hunger nach Erfahrungen und Eindrücken trieb ihn an. Umso schwerer fiel es ihm, als er 2007 die Kündigung erhielt. Das verordnete kleinere Arbeitspensum und die Sorge um den Rücken führten zum Stellenverlust – man trennte sich im guten Einvernehmen, wie es so schön heisst.
Wie weiter? Die IV stellte ihm eine Rente in Aussicht – zu Toni Albertins Überraschung sehr rasch. Aber er wollte keine Rente, nie habe er darauf spekuliert. «Ich kann arbeiten. Und ich will arbeiten.»
Die IV bot dann Hand zu einer Umschulung. Etwas Kaufmännisches, Büroarbeit, stand zur Diskussion. «Auf keinen Fall.» Die Jazzschule und die Ausbildung zum Tontechniker erschienen den Leistungsträgern als zu abenteuerlich oder zu sehr dem Hobby Zugewandten. Der IVBerufsberater führte Toni Albertin letztlich an den Beruf des Arbeitsagogen heran. «Ich war unsicher, ob das etwas für mich ist.» Eine Abklärung im Brüggli sollte Klarheit bringen.
«Annehmen, wie es ist und damit umgehen lernen.»
11
Die SAA-Ausbildung
Und so führte Toni Albertins Weg in die LogistikAbteilung von Brüggli. Nach einem Vorstellungsgespräch wurde ein dreimonatiges Praktikum vereinbart. Nach eineinhalb Monaten musste er sich entscheiden: entweder einsteigen und die Ausbildung zum Systemischen Arbeitsagogen (SAA) angehen oder aussteigen. Er entschied sich für den zweijährigen berufsbegleitenden Lehrgang und für Brüggli. Eine spannende Zeit begann.
Von anderen hatte Toni Albertin gehört, dass man in der SAAAusbildung auch persönlich weiterkomme. «Nur wie und in welchem Rahmen, das war mir unklar.» Denn jeder erlebe die Ausbildung anders. Seinen Gewinn sieht er vor allem im geschärften Blick für die Details und die grossen Zusammenhänge. «Der Blickwinkel hat sich geöffnet.» Und das zähle ja auch in der Arbeit mit den Klienten: den Fokus weiten und das individuelle Können in die richtigen Bahnen lenken. Toni Albertins wichtigste Erkenntnis: «Sei dir bewusst, was du tust und wie du es tust. Sei mit dir selbst im Reinen.»
Systemischer Arbeitsagoge
Der Systemische Arbeitsagoge arbeitet mit Menschen zusammen, die einen erschwerten Zugang zur Arbeitswelt haben – wegen körperlichem, psychischem oder geistigem Handicap, wegen Suchterkrankung, Krankheit und Unfall, wegen wirtschaftlich bedingter Arbeitslosigkeit, im Rahmen eines Straf und Massnahmenvollzugs oder im Zusammenhang mit einer Migration.
Ein sehr vielfältiges Tätigkeitsgebiet also, in dem eines im Vordergrund steht: die Hilfe zur Selbsthilfe. Der Arbeitsagoge unterstützt die Klienten bei einer möglichst selbstbestimmenden Lebensgestaltung sowie auf dem Weg zur beruflichen und gesellschaftlichen Rehabilitation.
Arbeitsagogen sind in Sozialunternehmen wie Brüggli sowie in anderen Integrationseinrichtungen verschiedener Grössen und Ausrichtung tätig. Ausserdem ist der Arbeitsagoge auch als individueller Coach (dann mit einer Zusatzqualifikation im entsprechenden Beratungsbereich) gefragt.
12
Toni Albertin über Veränderungen:
Der zweite Anlauf
Toni Albertin konnte also profitieren in der Aus bildung zum Systemischen Arbeits agogen – für sich selbst und ebenso zugunsten der Klienten in der BrüggliLogistik, die er auf dem Integrationsweg im engen Kontakt mit den Vorgesetzten und den Zuweisenden begleitet. Trotzdem kam es nach dem Ausbildungsabschluss 2009 zu einer erneuten Veränderung. Toni Albertin hatte eine Festanstellung als Teamleiter in der Logistik von Brüggli angeboten bekommen, diese aber abgelehnt, weil er mit den Rahmenbedingungen nicht einverstanden war.
Da stand er wieder am Scheideweg. Zwei Monate tat er «nichts». Nichts heisst: Gitarre spielen, Tanzen – «das Leben geniessen». Dann führte sein Weg zur Stiftung Kompass in Bischofszell. Und damit zurück zur Tätigkeit des Arbeitsagogen. Toni Albertin betreute Klienten am Computer, bei der Stellenbewerbung und in der DeutschNachhilfe.
Im Spätsommer 2010 kam der Anruf von Brüggli. Toni Albertin bekam die Anfrage, ob er temporär in der BrüggliLogistik aushelfen würde. Dieses Mal stimmte alles. Toni Albertin stieg ein und blieb. Aus der TemporärAnstellung wurde eine feste.
«Das Leben besteht aus Veränderungen. Und aus Entscheiden.»
14
Toni Albertin über Salsa:
Der Brüggli-Alltag
Die BrüggliLogistik steuert den Warenfluss fürs ganze Unternehmen. Da gehen viele Waren ein und aus. Und noch mehr Teile, die an die richtigen Stellen weitergeleitet werden müssen, damit sie dort zu einem Veloanhänger oder einer Hundebox oder einem anderen Produkt werden können.
Gerne erinnert sich Toni Albertin daran, wie er mit den Lernenden der Logistik das Lager «hammermässig frisch gemacht» hat. «Ich liebe es, Ordnung zu schaffen», sagt er, um schelmisch anzufügen, «auch wenn mein Bürotisch ein anderes Bild vermitteln mag.» In der Arbeit mit den Lernenden und Mitarbeitenden versucht er auch, auf anderer Ebene aufzuräumen – nämlich so, dass Menschen sich entfalten und weiterentwickeln können. Ein offenes Ohr, ein wacher Blick und das nötige Mass für Nähe und Distanz sind unerlässlich, wenn Toni Albertin sich mit seinen Leuten mit Alltagssorgen befasst, die zum Beispiel durch eine BorderlineProblematik oder ein ADHSSyndrom begünstigt worden waren. «Wenn’s immer reibungslos laufen würde», sagt er, «wäre es langweilig.»
Einer, der Toni Albertin von Anfang an begleitet hat, ist Daniel Billeter, Teamleiter in der Logistik. Er hebt die guten Umgangsformen und die Hilfsbereitschaft seines Kollegen hervor. «Man kann gut mit ihm zusammenarbeiten.»
«Salsa muss man erleben. Salsa ist ein Lebensgefühl. Ich liebe es.»
17
Die Zukunft
Toni Albertin hat eine berufsbegleitende Weiterbildung zum LogistikFachmann begonnen. Was danach kommen mag? Da will sich Toni Albertin nicht festlegen. Es gefalle ihm im Brüggli. «Klar ist mir aber auch, dass ich nicht 20 Jahre in derselben Firma sein kann.» Sein Blick gleitet durchs Fenster in die Weite. «Gitarrenlehrer, das wäre auch mal was», sagt er, und man neigt gerne dazu, ihm das zuzutrauen. Ist er ein nimmermüder Sucher? Toni Albertin überlegt drei Herzschläge lang: «Ich bin einer, der spürt, wann es Zeit ist weiterzugehen.»
Toni Albertin über Gitarre spielen:
«Meine Töne, mein Rhythmus, meine Gefühle. Mit Musik kann ich mich wunderbar ausdrücken.»
19
Herausgeber: Brüggli Hofstrasse 3 + 5 8590 Romanshorn www.brueggli.ch Text: Michael Haller, Unternehmenskommunikation Grafik / Layout: Lukas Schiltknecht, Polygraf im 3. Lehrjahr Druck: Printagentur by Brüggli, www.printagentur.ch