+ All Categories
Home > Documents > Stelzbockausgabe 4

Stelzbockausgabe 4

Date post: 10-Mar-2016
Category:
Upload: werni-deichsler
View: 215 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
Description:
Stelzbockausgabe 4
20
4. Ausgabe Magazin der United Supporters Luzern gratis Eine eigenartige, sportlich betrachtet gar fragwürdige Partie erwartet uns heute. Pikanterweise könnte ein Erfolg der Gäste nämlich dazu beitragen, dass wir uns – ohne den Cupfinal gewinnen zu «müssen» – auf die langersehnte Eu- ropareise freuen dürften… Trotzdem, ein Auswärts- sieg oder gar eine vorzei- tige Basler Meisterfeier auf der Allmend? Ein un- angenehmer, um nicht zu sagen widerlicher Gedan- ke. Und da Schadenfreude bekanntlich die schönste Freude ist, kann die De- vise für uns nur heissen: Heute versauen wir Rot- Blau die Meisterschaft! Und zur Krönung wird im Cupfinal nachgedoppelt. Aufwärmen für Bern Dazu sind wir auch auf den Rängen aufgefordert, unser Bestes zu geben. Hand aufs blau-weis- se Herz: Gibts eine noch bessere Möglichkeit, um uns für den Ernstfall im Cupfinal warmsingen zu können? Richtig: Auch Feiern will geprobt sein. Niederlage oder Spielabbruch?
Transcript
Page 1: Stelzbockausgabe 4

4. Ausgabe Magazin der United Supporters Luzern gratis

Eine eigenartige, sportlich betrachtet gar fragwürdige Partie erwartet uns heute. Pikanterweise könnte ein Erfolg der Gäste nämlich dazu beitragen, dass wir uns – ohne den Cupfinalgewinnen zu «müssen» – auf die langersehnte Eu-ropareise freuen dürften…Trotzdem, ein Auswärts-sieg oder gar eine vorzei-

tige Basler Meisterfeier auf der Allmend? Ein un-angenehmer, um nicht zu sagen widerlicher Gedan-ke. Und da Schadenfreude bekanntlich die schönste Freude ist, kann die De-vise für uns nur heissen: Heute versauen wir Rot-Blau die Meisterschaft! Und zur Krönung wird im Cupfinal nachgedoppelt.

Aufwärmen für Bern

Dazu sind wir auch auf den Rängen aufgefordert, unser Bestes zu geben. Hand aufs blau-weis-se Herz: Gibts eine noch bessere Möglichkeit, um uns für den Ernstfall im Cupfinal warmsingen zukönnen? Richtig: Auch Feiern will geprobt sein.

Niederlage oder Spielabbruch?

Page 2: Stelzbockausgabe 4

HerausgeberDas vorliegende Magazin ist eine Publikation der United Supporters Luzern, 6000 Luzern. Die United Supporters im Internet: www.us-luzern.ch

RedaktionDaniel Britschgi, Pat-rick Leisibach, DiegoStocker, Gregor Ander-hub (alle Text), Ema-

Impressum

2 Cup-Halbfinale

Zürich: Knocked out!

nuel Thaler (Layout). Choreo-Bilder werden mit freundlicher Genehmigung von footballislife.ch.vu,fcl.schesl.ch und amade.ch abgedruckt.

KontaktWir freuen uns über je-des Feedback! Mit einem E-Mail an unsere [email protected],oder an einem Heimspiel des FC Luzerns am USL-Stand beim Eingang zur Zone 2 kannst du mit uns Kontakt aufnehmen.

SpendenDas Magazin wird in ehren-amtlicher Arbeit produziert und kostenlos verteilt. Bei-träge zur Deckung unserer Aufwendungen sind jeder-zeit herzlich willkommen.Spenden nehmen wir ger-ne am USL-Stand beim Eingang zur Zone 2 oder per Überweisung anUnited Supporters 6000 Luzern, RaiffeisenbankRegion Stans, Konto-nummer 94453.19, Clea-ring 81223, Postkonto60-6536-8, IBAN CH74 8122 3000 0094 4531 9 entgegen.

Page 3: Stelzbockausgabe 4

EditorialLiebe FCL-Fans

Die Saison neigt sich lang-sam dem Ende zu, der Cupfi-nal rückt immer näher.

Auf Seiten der Fans und leider auch auf Seiten der Spieler konnte man gut se-hen, dass die Meisterschaft aufgrund der fehlenden Aus-sichten nach oben und/oder Ängsten nach unten zur Ne-bensache wurde und alle be-reits an den Cupfinal gegenBasel denken.

Wird dieser FC Basel, ge-gen den wir heute antreten, Schweizermeister, wäre der FCL bereits vor dem Cupfinalim internationalen Geschäft. Viele Fans träumen schon länger von einem Ausflugnach Europa - aber dafür dem FC Basel die Daumen drücken oder ihn gar gewin-nen lassen…?

Mit dem Saisonabschluss geht auch meine Amtszeit als Präsident der United Sup-porters zu Ende. Es war eine sehr schöne, zuweilen auch intensive Zeit und es macht Spass zu sehen, wie sich die Kurve in Sachen Choreografi-en entwickelt hat. Ich danke euch allen recht herzlich für die Unterstützung und hoffe, dass mein Nachfolger Orlan-do Willi ebenso auf euch wird zählen dürfen.

Bleibt mir noch, viel Vergnü-gen mit dem letzten Stelzbock dieser Saison zu wünschen.

Jan MüllerPräsident USL

Für immer LuzernDass Kinder trotz Spiel-besuchen in den ach so-berüchtigten Fankurven ganz normal aufwachsen können, mag besorgte Eltern erstaunen. Und: Was Frauen über den Catwalk Allmend denken, erfährst du auf Seite 16.

Die FansichtEine neue Initiative kämpft gegen Willkür und will die Medienberichterstattung über Fussballfans kritisch unter die Lupe nehmen. Welche Ziele das Projekt genau verfolgt und warum USL auch dahinter steht, liest du auf Seite 17.

Gute alte ZeitenMit Wehmut erinnert sich die ältere Luzerner Generation an die gros-sen Duelle der 90er, als sich Luzern und Basel noch auf Augenhöhe ge-genüberstanden. Ab Sei-te 4: Ein Rückblick auf die packendsten Duelle.

Inhaltsverzeichnis 3

Weitere Themen: Was USL von anderen Fankurven fordert Seite 8 Kolumne Oldschool Seite 9 Der USL-Präsident tritt ab Seite 14 Cupfinal-Artikel im USL-Shop Seite 20

BewilligungspflichtAnfangs nächster Saison werden die Vorschriften für Choreos drastisch ver-schärft. Am Schlimmsten: Es droht Vorzensur. Maul-körbe, die USL in dieser Form nicht akzeptiert. Alle Details zu diesenRichtlinien ab Seite 10.

Page 4: Stelzbockausgabe 4

Die harten Jungs der 90er prägten die stets heissen Duelle zwischen Luzern und Basel.

4 Hintergrund FCL - Basel

Die Lunte brennt wieder!

Gleich zweimal trifft der FC Luzern zum Saisonen-de auf den FC Basel. In beiden Partien geht es um viel. Meistertitel, Cupsieg und Europacupteilnahme stehen auf dem Spiel. Für sportlichen Zündstoff ist also gesorgt. Ob der Funke auch auf die Ränge über-springt?

Noch vor zehn Jahren hätte sich diese Frage von selbst beantwortet. In den 90er-Jahren waren die Spiele zwischen Lu-zern und Basel Garanten

Spiel-Doubletten gegenden FC Basel haben Tra-dition. In Erinnerung bleiben packende Spiele, überschäumende Emoti-onen und tief empfunde-ne Gefühle gegenseitiger Abneigung.

für eine höchst explosive Stimmung. Keine ande-re Begegnung vermochte damals mehr Emotionen freizusetzen, bei keiner anderen Begegnung ging es auf den Rängen ähnlich fanatisch zur Sache. Denn ohne zu übertreiben darf man behaupten: Zu jener Zeit hassten sich Luzerner und Basler Fans abgrund-tief. Wie kam es dazu?

Die Ursprünge der Riva-lität reichen zurück in die späten 80er-Jahre. Vorher waren Begegnungen zwi-schen den beiden Vereinen nichts Besonderes. Im Ge-genteil: Viele Basler be-gegneten Luzern mit Sym-pathie, spielten Anfang der 80er doch zahlreiche Bebbies in den Reihen der Blauweissen. Am Rhein-knie nannte man den FCL

liebevoll «Basler Filiale». Mitte der 80ger stürzte der FCB in eine sportliche Krise gewaltigen Ausmasses. Die beschämende Talfahrt des Traditionsvereins führte auf direktem Weg in die NLB. Zur gleichen Zeit begannen die goldenen Jahre von Lu-zern. Der FCL machte sich daran, Schweizer Meister zu werden und auch auf den Rängen war Luzern unbestritten die Nummer 1. Luzern war zu Hause eine Macht, die Heimstär-ke war legendär. Luzern war in aller Munde, selbst internationale Medien be-richteten über das Phä-nomen Allmend. Was für eine Demütigung für den schlafenden Riesen Basel und seine stolzen Fans, die sich zur gleichen Zeit ab-seits des öffentlichen Inte-resses zu Châtel St. Denis

Page 5: Stelzbockausgabe 4

Hintergrund FCL - Basel 5

Käfighaltung: Eingepfercht im Gästesektor stauten sich1995 die Aggressionen auf - um sich dann voll zu entladen.

oder Urania Genf quälen mussten. Die geschunde-ne Basler Seele, die gegen aussen gern vorgibt, dass sie das Urteil anderer nicht kümmert, die aber wie kei-ne zweite empfindlich aufKritik reagiert, sehnte sich den Tag der Rache her-bei. Den Tag, an dem sich Basel den Platz zurück-erobern würde, der von den «Bauern aus der Zen-tralschweiz» unverschäm-terweise okkupiert wurde: Der Platz an der Spitze!

Luzern musste abstei-gen, damit es endlich zum lang ersehnten direkten Duell kam. In der legen-dären Auf-/Abstiegsrunde 92/93, spielten nicht nur Luzern und Basel in der gleichen Gruppe, sondern auch das verhasste GC. Was für eine dramatische Konstellation! In Luzerner Fankreisen war die Aufre-gung vor den Spielen ge-gen Basel mit den Händen greifbar. Schliesslich galt es die Krone der besten Fans zu verteidigen. Aus Erzählungen wusste man von der Euphorie, die in Basel möglich ist, hatte sie aber noch nie selbst erlebt. Man ahnte, dass in Basel Zuschauerzahlen möglich sein würden, welche die Luzerner Zahlen weit hin-ter sich lassen würden. Das wurde dann auch ein-drücklich bestätigt. 34’000 Zuschauer bildeten die grandiose Kulisse für das Hinspiel in Basel. Noch nie wurde ein Spiel zweier B-Mannschaften von so vie-len Zuschauern besucht. Gleichzeitig vermochte

Bulle in der NLA 450 Zu-schauer zu mobilisieren, Chiasso schaffte es auf 1200. Verkehrte Schweizer Fussballwelt!

Mit mehreren Extrazü-gen fuhren die Luzerner in Basel ein. Selbstverständ-lich liess man es sich nicht nehmen, geschlossen und lautstark durch die Stadt zum Joggeli zu marschie-ren. Man dachte damals nicht im Traum daran, sich zu verstecken. Wie sich die Zeiten doch ändern! Am Schluss fanden sich gegen 10’000 Luzerner im Joggeli ein. Grosse Teile des Bahn-

damms waren in Blauweiss gehüllt. Das Spiel war wie eine Offenbarung. Vor der prall gefüllten und absolut feindlich gestimmten Mut-tenzer Kurve hing ein rie-siges schwarzes Transpa-rent: «Willkommen in der Hölle!» So etwas kannte man aus anderen Schwei-zer Stadien nicht. Endlich hatte man einen Feind ge-funden, der einem würdig war. Das Spiel endete 1:1. Das Rückspiel zwei Wochen später gewann Luzern vor 26’200 Zuschauern 4:1. Nie sollten auf der Allmend mehr Fans gezählt werden. Möglicherweise war auch

Page 6: Stelzbockausgabe 4

Basler Zuschauer ver-teilten vor den Eingän-gen Läggerli, Luzern gewann, Basel lag am Boden und die Welt für Blauweiss war wieder einigermassen im Lot.

6 Hintergrund FCL - Basel

Es geht auch friedlich: Längst nicht alle Kontakte zwischen Luzern und Basel sind von Gewalt geprägt.

die Stimmung die beste, die man je in Luzern er-lebte. Am Ende der Sai-son stieg Luzern auf. Ba-sel musste noch ein Jahr nachsitzen, bevor man sich ebenfalls im Kreis der Elite zurückmeldete.

Und dann kam der 8. April 1995. Der Tag, an dem aus Rivalität grenzen-loser Hass wurde. Der FC Basel war auf der Luzerner Allmend zu Gast. Während des hitzigen Spiels in einer höchst aggressiven At-mosphäre sollte es zu Kra-wallen kommen, wie sie die Fussballschweiz bisher noch nicht erlebte. Leucht-stifte, Knallpetarden, Me-tallstangen und Steine flogen vom Basler Sektorin den Luzerner Block und wieder zurück. Es gab Ver-

letzte, die vor laufender TV-Kamera auf Bahren ab-transportiert werden muss-ten. Damals befanden sich sowohl Heim- wie auch Gästesektor auf der über-dachten Stehplatztribüne,

ein riesiges Polizeiaufge-bot konnte die beiden Fan-lager nur mit äusserster Not voneinander trennen. Die «Krawallnacht von Lu-zern» sollte nicht nur ein riesiges Medienecho aus-

lösen (vergleichbar mit der Berichterstattung nach dem 13. Mai 2007), son-dern auch indirekt zu einer Zäsur innerhalb der Basler Fanszene führen. Wichtige Mitglieder des damals in der Muttenzer Kurve füh-renden «Commando Ultra» büssten für die Gewaltorgie mit einem Stadionverbot. Es wurde Platz geschaffen für neue Leaderfiguren.

Der Zufall wollte es, dass die beiden Vereine nur eine Woche später im Cup auf der Allmend erneut aufein-ander trafen. Über 20’000 Zuschauer wollten sich das Spektakel nicht ent-gehen lassen. Entgegen vieler Befürchtungen blieb jedoch alles ruhig. Basler Zuschauer verteilten vor den Eingängen Läggerli,

Page 7: Stelzbockausgabe 4

Hintergrund FCL - Basel 7

Luzern gewann, Basel lag am Boden und die Welt für Blauweiss war wieder ei-nigermassen im Lot. Der Hass zwischen den beiden Fanszenen wurde danach noch ein paar Jahre leiden-schaftlich gepflegt. In bes-ter Erinnerung bleibt die legendäre «NO LUZERN»-Website, auf welcher fein-fühlige Basler Fussball-Poeten in philosophischer Manier ihrer glühenden Antipathie gegenüber «Ju-den-Luzern» Ausdruck verliehen.

In den späten 90ern entwickelten sich die bei-den Vereine immer mehr auseinander. Gigi Oeris

Millionen machten den FCB zum finanziellen Krö-sus der Liga und mit der Eröffnung des schicken St. Jakob Parks hielt der

moderne Fussball endgül-tig in Basel Einzug. Tolle Champions League Erfol-ge führten dazu, dass aus

den ehemals bösen Buben plötzlich die Liebkinder der Fussballnation wurden. Die Schweizer Cervelat-prominenz hielt sich in den Logen des St. Jakob Parks am Cüpli fest und drückte den Mannen in Rotblau die Daumen. Parallel dazu kam es in der Basler Fanszene zu massiven Umwälzun-gen. Während den Exiljah-ren auf der Schützenmatte und erst Recht mit dem Umzug ins neue Stadion übernahmen junge ultra-orientierte Gruppierungen in der Kurve das Komman-do, die mit ihrem leiden-schaftlichen Support und einer notorischen Schwä-che für pyromanische Ein-

Die Schweizer Cer-velatprominenz hielt sich in den Logen des St. Jakob Parks am Cüpli fest und drück-te den Mannen in Rotblau die Daumen.

Auch auf fremden Plätzen ganz schön zahlreich: Die Basler Fans beim Spiel in Luzern.

Page 8: Stelzbockausgabe 4

8 Appell an andere Fanszenen

Übernehmt endlich Verantwortung!Eigentlich sollte an die-ser Stelle die Sicht aus dem Gästeblock stehen, geschrieben - natürlich - von einem Basler. “Die Muttenzerkurve spricht nicht mit Medien”, “Basel schreibt nichts öffentlich”. Solche Sätze kriegte unser Redaktionsteam nicht nur einmal zu hören. Wir sind deswegen nicht beleidigt: Die Geschichte der Bezie-hung zwischen uns und Rot-Blau können wir auch selbst aufrollen (Seite 4). Uns geht es um anderes, wichtigeres.

Bestens vertraut mit solchen Aus- respektive Absagen sind auch Voll-zeit-Journalisten: Die Mut-tenzerkurve äussert sich

nicht - und ist damit in guter Gesellschaft, denn auch die Zürcher Südkurve hält dicht. Die zwei gröss-ten und bedeutendsten Vertreter der Schweizer Fankultur bleiben stumm in der öffentlich stattfin-denden Fan-Debatte. Und spielen damit denjenigen in die Hände, die unsere Fankultur auslöschen und begraben wollen (Seite 10). Denn wo erst gar kein Gegenwind vorhanden ist und niemand widerspricht, entstehen weder ausgewo-gene Medienberichte noch brauchbare Lösungen.

Ein kleiner Lichtblick ist die frisch ins Leben geru-fene Organisation fansicht.ch (Seite 17). Sie hat sich

zum Ziel gesetzt, gegen Repression anzukämpfen, Aufklärungsarbeit zu leis-ten und oftmals pauschale Medienberichterstattung zu hinterfragen. Neben USL und anderen Dachor-ganisationen stehen auch die Basler Muttenzerkurve und die Zürcher Südkur-ve hinter diesem Projekt. Doch dies alleine reicht noch nicht: Die grossen Kurven dieses Landes müssen auch ausserhalb der Stadien eine führen-de Rolle spielen, wenn die unabhängige Fankultur auf lange Sicht eine Chance haben und nicht von der Event- und Marketingma-schinerie des Schweizer Fussballs an die Wand ge-fahren werden soll!

lagen so gar nicht in die neue heile Basler Fussball-Entertainment-Welt passen wollten.

Während Basel zum Hö-henflug ansetzte, stürzteLuzern ins Bodenlose. Der Verein wurde von unfähi-gen Clubfunktionären an den Rand des Ruins miss-gewirtschaftet. Ein Skan-dal jagte den andern, was dazu führte, dass der FCL in der Bevölkerung sämtli-chen Goodwill verlor. Eine ganze Fan-Generation brach weg, die praktisch nicht ersetzt wurde. Le-diglich ein kleines Grüpp-chen ultraorientierter Fans versuchte den Widerwär-tigkeiten zu trotzen und dem Support im Stadion

neue Impulse zu verleihen, biss mit ihren innovativen Ideen auf den steinigen Stufen der altehrwürdigen Allmend jedoch auf Granit.

Diese Entwicklungen führten dazu, dass die Du-elle zwischen Luzern und Basel mehr und mehr an Brisanz verloren. Einer-seits kannten die treiben-

den Kräfte in den Kurven die Ereignisse aus den 90er-Jahren zum Teil nur noch vom Hörensagen, an-dererseits war das schwä-chelnde Luzern für Basel kein ernstzunehmender Gegner mehr.So bitter der Abstieg im Jahr 2003 aus sportlicher Hinsicht war, für die Luzer-ner Fanszene erwies er sich als Segen. Motivierte Leute wagten in den Niederungen der NLB den Neuanfang, die zerstrittene Anhänger-schaft wurde wieder zur Einheit. Die Kräfte wurden gebündelt und es wurden wirkungsvolle Strukturen geschaffen, die es der Sze-ne Luzern erlaubten, in nur wenigen Jahren zu neuer Stärke zurück zu finden.

Der Verein wurde von unfähigen Clubfunk-tionären an den Rand des Ruins missgewirt-schaftet. Ein Skandal jagte den andern.

Page 9: Stelzbockausgabe 4

Oldschool 9

Oldschool: Mit Wiesel am Hallenturnier in Hamburg

gen St.Pauli zu pöbeln.

Aus Luzern waren von der aktiven Fanszene neben unserem kleinen Reis-grüppchen von fünf Per-sonen noch drei etwas ältere Fans angereist. Sie waren mit einer Kuhglocke unterwegs... Dies blieb auch dem Kicker-Reporter nicht verborgen. So stand in der darauffolgenden Woche im Kicker: Vom

Vierwaldstättersee waren auch 10 Leute angereist, die mit Kuhglocken Stim-mung machten.... Da das ganze schon relativ lange zurückliegt weiss ich die Resultate natürlich nicht mehr genau, aber der FCL war schon relativ früh aus-geschieden. Man machte sich auch ein paar Mal mit «Hopp Lozärn»-Rufen be-merkbar, aber ob das die Spieler auch gehört ha-ben?

Während des ganzen Tur-niers bepöbelten sich die Osnabrücker und St.Paulianer. Nach etwas Rabatz stellte sich eine Polizistenkette zwischen die Fangruppen. Am zwei-ten Spieltag waren dann keine Osnabrücker mehr in der Halle und die Braun Weissen hatten die Halle wieder mehr oder weniger für sich. Der Abend wur-de dann natürlich auf der Reeperbahn begossen.

Ich denke, wenn in der heutigen Zeit so ein Tur-nier stattfinden würde,hätte es sicher einiges mehr an Luzernern ge-habt. Aber früher war man halt in der Fanszene noch nicht so reisefreudig und zudem hielten die meisten das Teilnehmerfeld als we-nig attraktiv. Für mich sind solche Spiele seit jeher ein Anreiz wo man sicher ge-hen kann dass nicht Hinz und Kunz anreisen.»

Wiesel war langjähriger FCL-Fan. Heute besucht er regelmässig Spiele im Ausland, beim FCL trifft man ihn nur noch ab und zu. Dafür schreibt er jetzt exklusiv Kolumnen im Stelzbock.

Früher war alles bes-ser, wollen uns Nos-talgiker oft weisma-chen. Aber wieviel davon stimmt? In die-ser Kolumne erinnert sich ein Zeitzeuge, wie es wirklich war in den goldenen Jahren.

«Wir schreiben das Jahr 1989. Der FCL wurde erst-mals Schweizermeister und erhielt eine Einladung ans Hamburger Hallenturnier. Das Teilnehmerfeld war mit mit St.Pauli, Osnabrück, Lok Leipzig und Widzew Lodz eher zweitklassig. Da der eiserne Vorhang noch nicht offen war konnten auch keine Fans aus der damaligen DDR und Polen anreisen. Der Grossteil der Zuschauer hielt natürlich dem Heimclub St.Pauli die Stange.

Angereist waren auch etwa 50 Fans aus Osnabrück und mit ihnen etliche Kra-wallmacher die sonst dem HSV die Daumen drücken. Zu dieser Zeit bestand zwi-schen den HSV-Fans und zumindest Teilen von Os-nabrück eine Freundschaft. So ging es den HSV-ern auch vor allem darum ge-

Mittlerweile hat sich in der Leuchtenstadt eine der en-gagiertesten, lebendigsten und kreativsten Fanszenen

des Landes etabliert. Die Zeit ist gekommen, um den Erzfeinden aus der Chemiestadt erneut auf

Augenhöhe gegenüber zu treten. Gute Vorausset-zungen für zwei explosive Spiele!

Für mich sind solche Spiele seit jeher ein Anreiz wo man sicher gehen kann dass nicht Hinz und Kunz anreisen.

Page 10: Stelzbockausgabe 4

10 Choreo-Bewilligungen

Das Ende aller Choreos? Ab nächster Saison will die Swiss Football League ein neues, in-akzeptables Choreo-Bewilligungsverfahren einführen. Ob in Zukunft eine Choreo durchge-führt werden darf, soll nicht zuletzt von de-ren Inhalt abhängen.Alle Jahre wieder fühlt sich die übereifrige Sicher-heitskommission der Swiss Football League berufen, zu Saisonbeginn den akti-ven Fans vors Schienbein zu treten. Im letzten Jahr schaufelte sich Thomas

Helbling mit der geplan-ten Registrationspflicht fürAuswärtsfans das eigene Grab. Dieses Jahr nehmen Peter Landolt, Christian Schöttli und Co die Cho-reos ins Visier und lassen dabei das Rohr krepieren.

Wer in Zukunft eine Cho-reo durchführen will, muss auf der Website der Swiss Football League ein neu geschaffenes Bewil-ligungsformular runterla-den und wahrheitsgetreu ausfüllen. Verlangt werden nicht nur Angaben zu den verwendeten Materialien, sondern auch zu Motiv und Botschaft der geplanten

Kurvenshow. Das Formu-lar soll zwingend bei allen Heim- und Auswärtscho-reos zum Einsatz kommen. Es muss von einem Chore-overantwortlichen aus der Fanszene unterzeichnet werden, nicht nur mit Na-men und Adresse, son-dern auch mit Angabe von Pass- oder ID-Nummer. Der Choreoverantwortliche riskiert bei unvollständigen oder unkorrekten Angaben nicht nur Stadionverbot, er wird auch für alle von der Choreo direkt oder indi-rekt verursachten Schäden haftbar gemacht.

Die USL wehren sich mit

Page 11: Stelzbockausgabe 4

Choreo-Bewilligungen 11

aller Kraft gegen dieses unsinnige neue Verfahren. Vor allem die Tatsache, dass der Inhalt einer Cho-reo entscheidend für de-ren Bewilligung sein wird, ist unzumutbar. Durch das völlige Fehlen verbindli-cher Richtlinien scheint uns in Zukunft einer will-kürlichen Zensur Tür und Tor geöffnet. Wenn man bedenkt, dass uns bei-spielsweise in Basel bei der Aktion für den aussor-tierten FCL-Spieler Genc Mehmeti bereits das harm-lose Spruchband «Weiter-kämpfen Hooligenc» we-gen Gewaltverherrlichung zensiert wurde, kann man sich vorstellen, mit was für hanebüchenen und welt-

fremden Entscheiden sich die aktiven Fanszenen in Zukunft konfrontiert sehen werden.

Die USL betrachten Stadi-on-Choreografien als eineForm von Kunst, mit wel-cher wir unser kreatives Selbstverständnis zum Ausdruck bringen. Eine Einmischung Dritter in Mo-tivwahl und Art der Gestal-tung kann nicht akzeptiert werden. Hinter dem neuen Bewilligungsverfahren er-kennen wir den gezielten Versuch der SFL, die Fans-zenen in der Schweiz zu domestizieren und hand-zahm zu machen. Man will auf Choreografien zwarnicht verzichten, weil man

weiss, dass sie wichtig für die Stimmung in den Stadien sind und von den übrigen Zuschauern gern gesehen werden. Auch potente Geldgeber auf den Logenplätzen findenGefallen daran. Gleichzei-tig will man die farbigen Aktionen aber unter Kon-trolle kriegen. Das wird nicht funktionieren, denn Choreomacher sind keine Pausenclowns.

Choreografien motivierendie Spieler zu Höchstleis-tungen und heizen die At-mosphäre im Stadion an. Gleichzeitig geben sie den Fanszenen Gelegenheit, sich miteinander zu mes-sen. Nicht auf der Strasse

Page 12: Stelzbockausgabe 4

12 Choreo-Bewilligungenmit den Fäusten, sondern auf den Rängen mit fanta-sievollen Aktionen. Die USL halten es für höchst bedau-erlich, dass nun auch diese faszinierende und durch und durch positive Ausprä-gung lebendiger Fankultur der blind um sich greifen-den Repressions-Maschi-nerie zum Opfer fällt.

Warum muss beim Bewil-ligungsverfahren die ID-Nummer angegeben wer-den, fragt man sich. Weil man sonst einen falschen Namen angeben könnte, kriegt man zur Antwort. Diese Argumentation scheint uns exemplarisch für die Denkweise der Ver-bandsoberen zu sein. Man sieht in aktiven Fans im-mer zuerst einen potenti-ellen Übeltäter und nicht einen Partner, der Positives im Stadion bewirken will und dem man vertrauen kann. Ein weiteres Detail

zeigt, wie realitätsfern die neue Regelung ist: So ist es die Pflicht der Klubs biszwei Tage vor dem Spiel positiven oder negativen Bescheid zu geben. Als ob man nicht genau wüsste, dass Choreos einen wo-chenlangen Vorlauf brau-chen und es unmöglich ist, in nur zwei Tagen noch Entscheidendes an den geplanten Aktionen zu än-dern.

Die USL erachten es als Skandal, dass die Sicher-heitskommission der SFL mutwillig und grob fahrläs-sig in die erfolgreiche Fan-arbeit der einzelnen Klubs eingreift. In Luzern hat man in den letzten beiden Jahren in Sachen Choreo einen viel versprechenden Weg einer für Fans und Verein gleichermassen zufriedenstellenden Zu-sammenarbeit gefunden, dessen Erfolgsrezept ge-

genseitiges Vertrauen ist. Diese Errungenschaft wird durch die von oben dik-tierte neue Regelung mit einem Schlag zunichte ge-macht.

Triebfedern hinter dem neuen Bewilligungsver-fahren sind Peter Landolt und Christian Schöttli, die ihre Idee gegen den Willen einzelner Klubvertreter in der Sicherheitskommission durchboxten. Dass unab-hängigen Fanarbeitern, die sich während der Sitzung kritisch zur neuen Rege-lung äusserten, beschieden wurde, ihre Anwesenheit sei an zukünftigen Mee-tings unerwünscht, spricht Bände.

Auslöser für das neue Be-willigungsverfahren war die Feuer-Choreo der Basler im Hardturm, die für die bei-den Zürcher Sicherheits-«Experten» eine persönli-che Niederlage darstellte. Jetzt mögen Landolt und Schöttli einen kurzfristi-gen Sieg davon getragen haben. Am Schluss aber werden alle verlieren, die an einer farbigen Fankultur interessiert sind. Für die USL ist deshalb klar, dass sie sich den neuen Bestim-mungen nicht beugen wer-den. Ohne kreativen Frei-raum keine Choreos – alles andere wäre ein Verrat an unseren Überzeugungen!

Dieses Spruchband ist beim Auswärtsspiel im März vom Sicherheitsdienst gekürzt worden.

Page 13: Stelzbockausgabe 4

Choreo-Bewilligungen 13

Wunderwaffe Choreo Dienen Choreos nur der Selbstinszenierung selbst-verliebter Fans? Mitnich-ten! Die folgende kleine Statistik zeigt, wer tat-sächlich für den zeitwei-ligen Höhenflug des FCLuzerns in der Rückrunde verantwortlich ist. Verstär-kungen, die in der Win-terpause geholt wurden? Unwichtig! Ciriaco Sfor-zas ausgeklügelte Taktik? Vergesst es! Die wahren Erfolgsgaranten sind an ganz anderer Stelle zu su-chen...

Choreospiele:FC Luzern - Sion 2:0FC Luzern - Zürich 2:0

(Fahnenmeer)St.Gallen - FC Luzern 0:0 FC Luzern - Young Boys 1:1FC Luzern - Grasshoppers 3:1FC Luzern - Aarau 1:0 Zürich - FC Luzern 2:3

Partien ohne Choreo:Basel - FC Luzern 1:0 (Spruchband-Zensur)Grasshoppers - FC Luzern 5:0FC Luzern - Schaffhausen 0:0Aarau - FC Luzern 4:1FC Luzern - Thun 1:2Thun - FC Luzern 2:1Schaffhausen - FC Luzern 0:0

FC Luzern - Grasshoppers 1:6FC Luzern - St. Gallen 1:1

Das Auswärtsspiel gegen den FC Zürich hat nach Redaktionsschluss statt-gefunden.

Augenfällig ist: Nie hat der FC Luzern verloren, wenn eine Choreografie plange-mäss und ohne Einschrän-kungen durchgeführt wer-den konnte. Nie ging der FC Luzern als Sieger vom Platz, wenn die Fans kei-ne Choreografie gezeigthaben.

Alles Zufall? Mitnichten!

2:0-Heimsieg in der Vorrunde gegen den FC Basel - auch dank dieser Choreo?

Page 14: Stelzbockausgabe 4

Jan Müller: «Lucerne till I die»

Viel hat sich rund um den FCL und die Fans-zene Luzern getan. Was war dein persönliches Highlight als USL-Ober-haupt?Sportlich bleiben vor allem der Aufstieg und der kürz-lich gewonnene Cuphalbfi-nal in Zürich positiv in Er-innerung.

Aus Sicht der USL denke ich gerne an das Cupspiel in Chiasso zurück, wo wir mit 10 Cars eingefahren sind. Die grösste Freude bereitet mir aber die Ent-wicklung unserer Choreo-graphien. Quasi von Null auf Hundert realisierten wir 2005 die Cupfinalcho-

reo. Seither haben wir uns stetig weiterentwickelt. Die Details wurden von mal zu mal verbessert und mittlerweile dürfen wir si-cher von uns behaupten, regelmässig Akzente in den Schweizer Stadien zu setzen.

Das klingt ganz nach Friede, Freude, Eierku-chen. Was waren die negativen Höhepunkte?Die 0:3-Niederlage in Kri-ens war sicherlich einer der ganz tristen Momente.

Im ersten Jahr meiner Amtszeit mussten die USL leider häufig dagegen an-kämpfen, als Fanvertreter nicht ernst genommen zu werden. Sowohl der FC Luzern wie auch die wei-teren Parteien haben uns erst nicht als seriösen Ge-sprächspartner betrachtet. Die mittlerweile gewonne-ne Akzeptanz mussten wir uns hart erarbeiten.

Nach eineinhalb Jahren als USL-Präsident hat Jan Müller seinen Rück-tritt bekanntgegeben. Im Stelzbock zieht der 25-Jährige seine ganz persönliche Bilanz.

Jan Müller im Berner Wankdorf.

Wurdest Du auch per-sönlich enttäuscht?Ja. Wir mussten wochen-lang negative, undifferen-zierte Berichterstattung in der Öffentlichkeit über die Ausschreitungen über uns ergehen lassen. Wann auch immer ich in Inter-views explizit auf gewisse Schwerpunkte hingewie-sen habe, am Ende wurde es doch nur so zurechtge-legt, wie es den Medien-leuten gerade passte. Das war oftmals frustrierend.

Du sprichst die Öffent-lichkeitsarbeit an. In jüngster Zeit war sehr viel über dich zu lesen und hören. Macht es dir nicht auch durchaus Spass, im Rampenlicht zu stehen?Man muss einfach sehen, wie sich das ganze entwi-ckelt hat. Anfangs Saison führten wir 43 Mitglieder, mittlerweile aber sind es 238! Das bedeutet eine Menge Verantwortung, ei-nerseits gegenüber den Mitgliedern und der Fan-szene, aber auch gegen aussen. Als grösste Fanor-ganisation und Sprachrohr für die aktiven FCL-Fans kann man nicht einfach schweigen, wenn man gerade keine Lust hat zu reden. Äussern wir uns nicht, werden irgendwel-che andere gefragt. Und das hat auch schon genug für Ärger gesorgt... Wir wollen transparent und of-fen informieren. Das heisst allerdings nicht, dass wir

14 In eigener Sache

Page 15: Stelzbockausgabe 4

zu jedem Käse Stellung nehmen. Wir melden uns immer dann, wenn wich-tige Anliegen von uns im Spiel sind.

Wie hoch ist der Auf-wand für den Mann an der USL-Spitze? Ist der überhaupt zu beziffern?Nicht wirklich, das ist total unterschiedlich. Manch-mal kann das ein Telefon pro Tag sein, manchmal zwanzig. Dann gibt es die eine oder andere abendli-che Sitzung, Round Table usw. Es ist mir aber wich-

tig, klarzustellen, dass ich sicher nicht mehr Freizeit opfere, als die Leute, die sich um die Choreografienkümmern!

Bleibst Du dem FCL und der Fanszene erhalten? Und wenn ja: In wel-cher Form?Soviel ändert sich gar nicht, wenn man mal von der Öf-fentlichkeitsarbeit, die nun dem nachfolgenden Prä-sidenten übergeben wird, absieht. Stellvertretend für USL werde ich den uns zustehenden Sitz im Trä-

gerverein des Fanprojekts Luzern einnehmen.

Du bleibst also Luzer-ner...…‘till we die. Oder ‘till I die… Darf ich noch ein paar Worte an die Luzerner Fans richten?

Selbstverständlich...Ich hoffe, dass alle Leute ihre Kräfte ins Stadion le-gen und nicht ausserhalb. Und ich möchte mich bei der gesamten Szene be-danken für die Unterstüt-zung!

„Lozärn för emmer“

Auch die Tatsache, als 12-Jährige keine Kollegin zu haben, die mich an Aus-wärtsfahrten begleiten würde, hielt mich nicht davon ab, durch die Sta-dien der Schweiz zu hop-pen. Dazumal wurden die Carfahrten noch vom FCL selber organisiert und hochoffiziell per Brief be-stätigt!

Heute, einige Jahre älter geworden, ist bereits die eigene nächste Generation am Start. Seit dem zwei-ten Auswärtsspiel der Vor-runde im Berner Wankdorf ist meine Tochter – um-gangssprachlich Maus ge-nannt – regelmässig mit von der Partie. Lieber Fan-

gesänge als Kinderlieder singend hat nun auch sie bereits fast jeden Ground der aktuellen Super Lea-gue besucht.

Sich als Frau in die Sze-ne einzubringen und da-

bei ernst genommen zu werden, braucht viel In-teresse an der Sache. Je medienpräsenter der Geg-ner, umso mehr wird das Stadion zum Catwalk des weiblichen Geschlechts. Sich jedoch nur durch Auf-fallen oder Trunkenheit zu

profilieren, wird von derMännerwelt fei belächelt und von den Szenenken-nerinnen verachtet.

Daher sind gute Freund-schaften und gegensei-tiger Respekt wichtig. Diesen verdient man sich unter anderem durch Mit-hilfe beim Erstellen der Choreos. Da geht es nicht darum, sich selber zu pro-filieren, sondern darum,mit Willen und viel Arbeit und Zeitaufwand gemein-sam etwas Grossartiges zu schaffen. So wird schon mal die Tochter ins «Ma-lergwändli» gesteckt, um die Choreos mit ihren Ei-genkreationen unsicher zu machen.

Kreativität sei Dank ist auch meine Tochter zu ei-nem entsprechendem opti-schen Auftritt gekommen. Angefangen mit einem

«Mit zwölf wurde ich vom FCL-Fieber angesteckt, bis heu-te bin ich infiziert.

Je medienpräsenter der Gegner, umso mehr wird das Sta-dion zum Catwalk des weiblichen Ge-schlechts.

Fan-Kurven 15

Page 16: Stelzbockausgabe 4

«Aufsteigerjungs»-Shirt hängen nun bereits einige selbstgenähte 1901-Uni-kate in ihrem Kasten. Die werden nicht nur zu den jeweiligen Auswärtspie-len, sondern auch stolz im Kindergarten getragen.

Zu den Auswärtsspie-len geht’s wenn immer möglich zu zweit. Kommt meine Tochter mal nicht mit, werde ich sofort mit Fragen überhäuft, WO sie denn bleibe. Die Fahrten an die Spiele sind zum Kult geworden und erzäh-len jedes Mal eine eigene Geschichte. So kommt es vor, dass Maus regelrecht mit Süssigkeiten über-häuft wird und der eine oder andere Mitreisen-de wurde schon mal zum spontanen Reise-Spielge-fährten.

Ob ich nicht Angst habe, mit einem Kind die Spiele zu besuchen, wurde ich schon oft gefragt. Ich gehe an jedes Spiel mit dem nö-tigen Respekt, aber Angst hatte ich bis heute noch nie. Durch das Besuchen der Spiele kennt man sich in der Kurve und somit auch meine Tochter. Sup-portet wird immer ganz vorne, und so wird schon mal, ohne grosse Worte, der Tochter Platz gemacht.

Bei gewissen Partien mit grossen Emotionen ist vor allem an die Vernunft der Eltern zu appellieren. Bis heute wurden wir in keine Ausschreitung involviert, obwohl wir an den be-sagten Spieltagen immer anwesend waren. Jeder, der Gewalt sucht, wird sie finden. Aus meinen Erleb-nissen her kann ich jedoch

berichten, dass man nicht Teil des gewalt-tätigen Geschehens wird, wenn man nicht schaulus-tig stehen bleibt oder mit Sprüchen provoziert.

«Lozärn för emmer», dieses Motto wird sich nun wohl auch durch das Leben meiner Tochter ziehen. In einigen Jahren wird klein Maus von ihren unvergesslichen Erlebnis-sen und den unzähligen (Cup)-Siegen zu erzählen wissen. Wie bei mir dazu-mal die Meisterfeier, das Spiel anno 93, als Basel zuhause 4:1 geschlagen wurde oder das sicher-heitsmässig beeindru-ckende Spiel 1992 auf der Allmend gegen Feyenoord im UEFA Cup, das 1:0 ge-wonnen wurde.

Lunic & Maus

16 Fan-Kurven

Page 17: Stelzbockausgabe 4

Spätestens seit der Ver-gabe der EURO 08 an die Schweiz und Österreich hat sich der Fussball zu ei-nem hochkommerziell ver-marktbaren Produkt ge-wandelt. Gespielt soll nicht mehr in zwar veralteten, dafür umso charmanteren Stadien werden, sondern in hoch modernen, nach Marketingstrategien kon-zipierten Arenen, wo sich plötzlich auch Bankmana-ger und andere langjäh-rige, treue Fussballfans zum Business-Lunch in den Businesslounges tref-fen. Der Vorbildfan von

heute ist nicht mehr laut, wild und positiv fanatisch, sondern ein sitzender, brav klatschender, Sponsoren-Fähnchen schwingender Kunde eines Fussballun-ternehmens. Für die Stim-mung sorgt nach den Vor-stellungen der Eventplaner mittlerweile die wunder-bar laute Stadionmusik.

Pauschalisierung

Durch diese negative Ent-wicklung des modernen Fussballs verwundert es nicht, dass von Verband, Vereinen und Medien ein bis dato unbekanntes Feindbild geschaffen wur-de: «Hooligans. Ultras. Gewalttäter. Chaoten.» Oder einfach Fussballfans. In der Wahl der Bezeich-nung ist man hier völlig frei, für viele Medien und deren Leser sind diese frei austauschbar. Denn schliesslich ist eh alles dasselbe. Aktive, kritische

Fussballfans, die an einer lautstarken, kreativen und unabhängigen Kurve inte-ressiert sind, werden aus-gesperrt. Stadionverbote, egal ob in Zürich, Basel, St. Gallen oder - allerdings deutlich seltener - bei uns in Luzern. Teils geringe Regelverstösse werden zum Anlass genommen, die Repressionsschraube anzuziehen, die Stadion-verbotspraxis noch härter anzuwenden. Viele mit Stadionverbot belegte Fans wurden Opfer einer Ver-wechslung, einem kollektiv oder willkürlich verhängten Verbot. Ein Stadionverbot, gestützt auf das Hausrecht ausgesprochen von einem privaten Veranstalter, wird von keiner juristischen Stelle überprüft. Wer zu Unrecht ausgesperrt wird, kann dagegen kaum vor-gehen.

Die von Pascal Claude* anfangs Jahr ins Leben ge-

Fansicht deckt auf

Den Medien auf die Finger schauen und willkürlichen Stadi-onverboten auf den Grund gehen - das will fansicht. ch. Doch wie sieht sie aus, die Fan-Sicht? Und wer steht hinter dieser Aktion?

«Ohne ID in der Hauptstadt - König Helbling steht Schachmatt!»

Fansicht 17

Page 18: Stelzbockausgabe 4

rufene Initiative Fansicht hat zum Hauptziel, offen-sichtlich willkürliche Sta-dionverbote aufzudecken und zu veröffentlichen, eine faire Anhörung und natürlich eine Auflösungdes Stadionverbotes zu er-zielen. Auch sammelt Fan-sicht Presseartikel und hin-terfragt die von (fast) allen Medien pauschal transpor-tierte Meinung «Fussball-fans = Verbrecher» sehr kritisch. Dass Fansicht eine in den Szenen breit abge-stütze Plattform ist, zeigt die Tatsache, dass neben den United Supporters auch die Dachverbände 1879 (FC St. Gallen), Ost-kurve (Young Boys), Mut-tenzerkurve (FC Basel), Südkurve (FC Zürich) und Blue Side (Grasshoppers) sowie seit kurzem auch die Winterthurer Bierkurve als Träger auftreten und der

Initiative dadurch Gewicht verleihen. Der direkte Kon-takt in die Kurven ist ein für Pascal Claude sehr wich-tiger Punkt: «Bei Willkür und Repression, aber auch bei undifferenzierten Pres-seberichten ist Fansicht für eine Veröffentlichung oder Richtigstellung zur Stelle.» Ganz wichtig sei aber, dass Betroffene immer zuerst eine vereinsinterne Lö-sung suchen. «Sucht das Gespräch mit den Sicher-heitsverantwortlichen, holt euch Hilfe und Tipps bei der lokalen Dachorganisa-tion USL.» Erst wenn man auf taube Ohren stosse, sei der Kontakt mit Fan-sicht angezeigt, «Denn man kann viele kommuni-kationswillige Sicherheits-chefs verärgern, wenn ein Fall voreilig publik ge-macht wird», warnt Pascal Claude. Den Mut haben,

sich gegen ein willkürlich ausgesprochenes Stadion-verbot oder übertriebene Polizeigewalt zu wehren, sei wichtig. Sich nicht ein-schüchtern zu lassen durch den für viele Fans unbe-kannten Umgang mit der Polizei. Wer sich über die Rechte eines Fussballfans informieren will, findet de-tailierte Informationen auf www.fansicht.ch.

Besserer Umgang

Seit die Initiative im Inter-net der Öffentlichkeit zu-gänglich gemacht wurde, habe sich der Umgang mit Sicherheitsverantwortli-chen der Vereine positiv verändert, bemerkt Pas-cal Claude. Die Kommuni-kation sei «anständiger» geworden, Anfragen wür-den schneller und weniger schoddrig beantwortet.

Konfliktpotenzial schon vor dem Anpfiff: Die Vorschriften, was ins Sta-dion darf und was draussen bleiben muss, sind äusserst rigide.

18 Fansicht

Page 19: Stelzbockausgabe 4

Deshalb existiert berech-tigte Hoffnung, dass in Zukunft Fanangelegenhei-ten sauberer und ernster bearbeitet werden. Leider ist speziell von Seiten der Medien das Interesse, die Entwicklungen des moder-nen Fussballs kritisch zu hinterfragen und Meldun-gen über angebliche «Ge-waltexzesse» differenziert zu betrachten, immer noch sehr minim.

Lobby fehlt

Diese Umstände prangert Pascal Claude stark an: «Aktiven Fussballfans fehlt die Lobby. Es wird ver-sucht, eine EM-Euphorie zu initiieren, alle in die-selbe Richtung zu lenken und stellt dabei Fussball-fans, die an einer „wilden“ Kurve interessiert sind, durch Pauschalisierungen und Gewalterfindung insAbseits.» Gerade mit dem neuen Hooligangesetz «Hoogan» und den Bau-projekten wird die Repres-sionswelle auch in Zukunft, über den von aktiven Fans mittlerweile fast schon ver-hassten Grossevent vom nächsten Sommer hinaus nicht abnehmen. Die gros-se Chance aktiver Fuss-ballfans liegt darin, dass der Fussball in der Schweiz zu wenig Bedeutung hat. Es gibt keine grossen Spieler, die Eventfans und Fussballkonsumenten ins Stadion zu locken vermö-gen. Bei gross angelegten Boykottaktionen bleiben Kurven und damit auch die Stadien leer, wie im letzten Sommer bewiesen

wurde, als alle Szenen schweizweit gegen die un-durchdachte und praxis-ferne Auswärtsregistration protestierten und damit im Herbst 2006 «König» Helblings Kopf ins Rollen brachten. Darum heisst es, kämpfen für eine Fankul-tur, die nicht sterben darf. Für Pascal Claude ist der Weg, der in Zukunft ein-geschlagen werden muss, klar: «Der Knüppel, sprich

Null-Toleranz-Strategien haben nichts gebracht. Deshalb geht es in Zukunft nur über verstärkte Fanar-beit. Die Vereine müssen einen grossen Schritt auf die Kurven zumachen, in die Fanarbeit investieren, damit sich Kurven mit dem Verein voll und ganz iden-tifizieren können.»

* Pascal Claude ist der Mann, der fansicht.ch koordiniert und ins Leben gerufen hat. Er schreibt zudem die lesenswerte Fussball-Kolumne «Knapp daneben». Diese erscheint wöchentlich in der WoZ.

Fansicht 19

Dafür steht fansicht.chDie Aktion Fansicht ver-langt ein Schiedsgericht für Stadionverbote. Die-ses stellt sicher, dass bei der Erteilung von Stadion-verboten sorgfältig vorge-gangen wird und Willkür keine Chance mehr hat. Fansicht sammelt zudem Beispielfälle, macht diese öffentlich und vermittelt zwischen den beteiligten Parteien. Das Endziel ist dabei immer, eine faire Neubeurteilung der Ange-legenheit zu erwirken.

Fansicht informiert auf ihrer Website zudem aus-führlich und kompetent über die Rechte der Fuss-ballfans. Erläutert wird, wie ein Stadionverbot rechtlich zu qualifizierenist und wofür welche Stel-len von Vereinen und Liga zuständig sind. Der ge-samte Ablauf ist so trans-parent und leicht nachzu-vollziehen.

Weiter hat Fansicht den ganzen Themenkomplex «Datenschutz» übersicht-lich aufbereitet.

Fansicht versteht sich je-doch klar nicht als Organi-sation, welche Stadionver-bote pauschal bekämpfen oder die Sicherheit in den Fussballstadien untergra-ben will. Deshalb lehnt das Projekt Gewalt, Ras-sismus und Vandalismus entschieden ab.Weitere Infos: www.fansicht.ch

«Der Knüppel, sprich Null-Toleranz-Stra-tegien haben nichts gebracht. Die Vereine müssen einen grossen Schritt auf die Kurven zumachen, in die Fan-arbeit investieren.»

Page 20: Stelzbockausgabe 4

20 Shopinfos

Cupfinal: Schal und Shirt

Cupfinal-Schal mit Choreomotiven, CHF 20 (CHF 5 Rabatt für Mitglieder).

Cupfinal-Shirt mit Choreomotiven, CHF 25 (CHF 5 Rabatt für Mitglieder).

Weitere Artikel Normal- / Memberpreis

NEU: Baseball-Caps CHF 30 / CHF 25T-Shirt «Zibung - Luzern lebenslänglich» CHF 25 / CHF 20Seidenschal «Luzern 1901» CHF 20 / CHF 15Oldschool-Shirt CHF 60 / CHF 50 Alle Artikel sind erhältlich im USL-Shop beim Stadioneingang zur Zone 2.

Anzeige

Du hast Video- oder Bildmaterial von den FCL-Spielen? Du filmst Choreografien, Ambiance und unsere Fans? Dann meldedich bitte! Der User «Filmcrew» im FCL-Forum (erreichbar un-ter www.fclforum.ch) freut sich auf deine Privatnachricht.


Recommended