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Stelzbockausgabe 11

Date post: 28-Mar-2016
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Stelzbockausgabe 11
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11. Ausgabe Magazin der United Supporters Luzern 6. Dezember 2009 Der Duft nach frischem Rasen beim Betreten des Stadions, die dreckigen Trikots nach einem Regenspiel, die Furchen auf dem Platz nach einem Tackling – das alles gehört für uns genau so zum Fussball wie das runde Leder und die 22 Spieler. Fuss- ball bedeutet Leidenschaft, At- mosphäre und Emotionen. Und nicht eine Plastikunterlage die sich in fünfzehn Jahren einmal amortisieren soll. Ein Pass kann auf Naturrasen in einer Pfütze hängenbleiben und ein Fünf- meterraum auch einmal wie ein Kartoffelacker aussehen. Aber sind es nicht gerade diese Bilder, die ein letztes Stück Au- thentizität im kommerzialisierten Profifussball bieten? Kampf für Naturrasen Deswegen kämpfen die United Supporters auch für Naturrasen im neuen Luzerner Stadion. Mit der Abstimmungsaktion beim Heimspiel gegen Basel konnten wir ein klares Zeichen gegen den Kunstrasen setzen, wenn auch leider nur in der Zone 2 und nicht wie geplant im gan- zen Stadion. Wir danken allen Luzerner Fans für ihre Unter- stützung. Beim Referendum gegen Po- lizeiwillkür hat die Luzerner Fanszene in diesem Jahr be- wiesen, dass wir zusammen etwas erreichen können. Ge- meinsam sind wir stark und können unseren Anliegen eine Stimme verleihen. Wir sind die Kurve – wir sind Luzern. Rote Karte für den Kunstrasen
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Page 1: Stelzbockausgabe 11

11. Ausgabe Magazin der United Supporters Luzern 6. Dezember 2009

Der Duft nach frischem Rasen beim Betreten des Stadions, die dreckigen Trikots nach einem Regenspiel, die Furchen auf dem Platz nach einem Tackling – das alles gehört für uns genau so zum Fussball wie das runde Leder und die 22 Spieler. Fuss-ball bedeutet Leidenschaft, At-mosphäre und Emotionen. Und nicht eine Plastikunterlage die sich in fünfzehn Jahren einmal amortisieren soll. Ein Pass kann auf Naturrasen in einer Pfütze hängenbleiben und ein Fünf-

meterraum auch einmal wie ein Kartoffelacker aussehen. Aber sind es nicht gerade diese Bilder, die ein letztes Stück Au-thentizität im kommerzialisierten Profifussball bieten?

Kampf für Naturrasen

Deswegen kämpfen die United Supporters auch für Naturrasen im neuen Luzerner Stadion. Mit der Abstimmungsaktion beim Heimspiel gegen Basel konnten wir ein klares Zeichen gegen

den Kunstrasen setzen, wenn auch leider nur in der Zone 2 und nicht wie geplant im gan-zen Stadion. Wir danken allen Luzerner Fans für ihre Unter-stützung.Beim Referendum gegen Po-lizeiwillkür hat die Luzerner Fanszene in diesem Jahr be-wiesen, dass wir zusammen etwas erreichen können. Ge-meinsam sind wir stark und können unseren Anliegen eine Stimme verleihen. Wir sind die Kurve – wir sind Luzern.

Rote Karte für den Kunstrasen

Page 2: Stelzbockausgabe 11

HerausgeberDas vorliegende Magazin ist eine Publikation der United Supporters Luzern, 6000 Lu-zern. Online: www.us-luzern.ch

BildnachweisBilder werden mit freundlicher Genehmigung von footbal-lislife.ch.vu, amade.ch und fcl.fan-fotos.ch abgedruckt.

DruckAuchli DruckRomantica6106 WerthensteinTel: 041 490 20 83Fax: 041 490 22 83

[email protected]

KontaktWir freuen uns über je-des Feedback! Mit einem E-Mail an unsere [email protected] oder in unserem Fanlokal «Zone 5» am Bundesplatz kannst du mit uns Kontakt aufnehmen.

SpendenDas Magazin wird in eh-renamtlicher Arbeit pro-duziert und kostenlos ver-teilt. Beiträge zur Deckung unserer Aufwendungen sind jederzeit herzlich willkommen.Spenden nehmen wir ger-ne per Überweisung mit Stichwort «Stelzbock« anUnited Supporters 6000 Luzern, RaiffeisenbankRegion Stans, Konto-nummer 94453.59, Clea-ring 81223, Postkonto60-7178-4, IBAN CH61 8122 3000 0094 4535 9 entgegen.

Impressum Bilder von der ersten Saisonhälfte

2 Stimmung auf den Rängen

«Luzern City»: Für unsere Stadt in der Ostschweiz unterwegs.

«Die Hierarchie ist wieder hergestellt!» Aarau unten, wir oben.

Heimspiel gegen St. Gallen: Das Gersag in blau-weisser Hand.

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EditorialLiebe FCL-Fans,

Ho, ho, ho – pünktlich mit dem Samichlaus wollen auch wir euch nochmals beschenken. Und zwar mit dem letzten Stelz-bock in diesem Jahr.

Wir können auf ein ereignisrei-ches Fussballjahr zurückschau-en. Den legendären Cuphalbfinal gegen Sion, den Allmend-Ab-schied, das erste halbe Jahr im Exil in Emmenbrücke. Und auch auf den Rängen und in der Zone 5 war immer etwas los. Im Namen der USL möch-te ich mich bei allen Luzerner Fans für eure Unterstützung in einem tollen Fussballjahr 2009 bedanken. Besonders mit der Anti-Kunstrasen-Aktion gegen Basel, die leider nur in der Zone 2 durchgeführt werden durfte, konnten wir nochmals ein ein-drückliches Zeichen setzen und unsere Meinung kund tun.

In der heutigen Ausgabe erwar-tet euch zudem eine neue Rub-rik. In Zukunft werden Luzerner Groundhopper von ihren Reisen rund um den Globus berichten und für einen erweiterten Blick auf die Geschehnisse rund um die schönste Nebensache der Welt sorgen.

Jetzt heisst es nochmals zwei Spiele Vollgas geben für unsere Farben und dann dürfen auch wir Fans uns in die wohlverdien-te Winterpause verabschieden. Nun wünsche ich euch viel Spass mit dem letzten Stelz-bock dieses Jahres.

René SchwarzentruberPräsident USL

Zwei Jahre Fanarbeit

Vor mehr als zwei Jahren nah-men Christian Wandeler und Stefan Parpan ihre Arbeit beim FCL auf. Höchste Zeit eine Bi-lanz zu ziehen und einen Blick in die Zukunft zu werfen.Auf Seite 4 geht es los.

Zone 5 Jubiläum

Im November bekamen die Betreiber der Zone 5 die erste Geburtstagstorte überreicht. Es wurde viel getrunken, viel geliirt und noch viel mehr gefei-ert. Ein kurzer Rückblick gibts auf Seite 17.

Stelzbock-Awards

In unserer Rubrik ehren wir Leute, die sich rund um den FC Luzern mit ihrem Handeln einen Namen gemacht haben. Wer in diesem Jahr einen der belieb-ten Stelzböcke erhält, steht auf den Seiten 14 bis 16.

Sicherheitsrisiko Sitzplätze?

Viel wurde geschrieben und in den Medien berichtet, Stehplätze seien ein Sicherheitsrisiko. Wir haben mit jemandem gespro-chen, der ganz anderer Meinung ist. Das Gespräch mit Ueli Mäder auf den Seiten 10 und 11.

Inhaltsverzeichnis 3

Weitere Themen:

Oldschool mit Maré: René van Ecks erstes Spiel Seite 8Stadion Allmend: Ein Buch erinnert an die schöne Zeit Seite 9Ausgesperrt: Eine fast ganz normale Auswärtsfahrt Seite 12Im Block: SU TOWN stellt sich vor Seite 13Groundhopping: Zu Gast beim Superclasico Seite 18

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4 Zwei Jahre Fanarbeit

Seit nun schon mehr als zwei Jahren begleitet die Fanarbeit Luzern die Lu-zerner Fanszene. Höchs-te Zeit also, dass die bei-den Fanarbeiter Stefan Parpan und Christian Wandeler und die Fans ein erstes Mal zurückbli-cken.

Sommer 2007: Unser Fussball-club Luzern hat gerade die ers-te Saison nach dem Wiederauf-stieg in die Nationalliga A hinter sich gebracht und mit dem achten Platz abgeschlossen. Derweil sich die Mannschaft auf die neue Saison vorberei-tet, befindet sich im Umfeld ein neues Projekt in den Start-löchern: die Fanarbeit Luzern. Die brenzligen Situationen am Luzerner Bahnhof im Anschluss an Heimspiele hatten sich in der vorangehenden Saison gehäuft, und auch von Randaleakten in Bussen vernahm man in den Medien mehr als auch schon. Dies veranlasste Verein, Stadt und Kanton, per August 2007 gemeinsam die Fanarbeit ins Leben zu rufen.Schon ein paar wenige Tage nach dem Startschuss wurde in einem Interview für den Stelz-bock (Ausgabe Nummer 5) den beiden Fanarbeitern auf den Zahn gefühlt und ihre Kenntnis-se rund um den Luzerner Fuss-ball schonungslos aufgedeckt. Der ein oder andere mag wohl nicht schlecht gestaunt haben, als Christian Wandeler vom 400-köpfigen ultraorientierten Kern der Fanszene gesprochen hatte. Doch auch heute mag

er keine komplett andere Zahl nennen - «denn wer definiert, was Ultras, Ultraorientierte, oder ‹normale› Fans sind und wo die Grenzen dazwischen verlaufen?», sagt Wandeler. So oder so hat sich in der Zwi-schenzeit einiges rund um die Luzerner Fanszene getan.

Gelungener Einstand

In den ersten Monaten ging es vor allem darum, die Anlaufzeit schnell über die Runden zu bringen und das Vertrauen der Fans zu gewinnen. Mit einer ge-wissen Skepsis ihnen gegenü-ber hatten sie gerechnet, doch

ein gutes Verhältnis zu den Fans ist schon bald einmal entstan-den: «Ich hätte nicht erwartet, dass es gleich so schnell gehen würde», so Christian Wandeler. Einige hätten bereits früh den Kontakt zu ihnen gesucht, bei anderen Leuten und Gruppie-rungen habe es ein bisschen länger gedauert, aber alles in allem sei der Einstand gut ge-lungen. Auch René Schwarzen-truber sieht das ähnlich: «Klar war anfänglich eine Skepsis vorhanden, aber diese habe ich relativ rasch überwunden. Als USL-Präsident bin ich mit den Fanarbeitern schnell in Kontakt

gekommen und habe sie schät-zen gelernt». Dies nicht zuletzt auch dank eines Vorfalls, bei dem die Fanarbeit den Capo unterstützte: «Bei einem Aus-wärtsmatch in Basel musste der Capo vor dem Spiel das Megaphon abgeben, doch die Fanarbeiter schritten als Ver-mittler ein, so dass er schlus-sendlich im Stadion mithilfe des Megaphons die Kurve dirigieren konnte.»Geht es nach Wandeler, sind es zwei Punkte, die die breite Akzeptanz der Fanarbeit inner-halb der Fanszene massgeblich förderten. Zum einen ist das die Zone 5, das von allen lange ersehnte, eigene Fanlokal am Bundesplatz, das gemeinsam mit aktiven Fans, dem Verein und der Stadt auf die Beine gestellt werden konnte. «Als schwierigste Aufgabe erwies es sich, den Trägerverein um Jörg Häfeli von der Wichtigkeit eines Luzerner Fanlokals zu über-zeugen.» Zudem musste der zentrale Standort den Sicher-heitsbedenken der Polizei und der Stadt standhalten. Aber es sei sicher zu einem grossen Teil auch der Verdienst der Bar-betreiber, dass die Zone 5 so zügig realisiert und anfangs No-vember 2008 eröffnet werden konnte.

Verteidigung der Fans

Zum anderen sind es die Ge-schehnisse, die sich während und in den Tagen nach dem Auswärtsmatch bei den Young Boys abspielten. Nur gut eine Woche nach der Eröffnung der Zone 5 kam eine weitere grosse Aufgabe auf die Fanszene und im Besonderen auf die Fan-

Zwischen Büro und Gästeblock

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Zwei Jahre Fanarbeit 5

arbeiter zu. Gegen Ende der ersten Halbzeit stürmten die Protectas, die privaten Sicher-heitskräfte des Berner Stadi-onbetreibers Stade de Suisse, den Gästeblock und versuch-ten in Vollmontur und mit Knüp-peln das aufgehängte Banner gegen Polizeiwillkür zu entwen-den. Dass die Aktion gründlich misslang, wurde zur Nebensa-che. Es gab mehrere Fans, die dermassen attackiert wurden, dass sie wegen ihrer Verlet-zungen mehrere Tage arbeits-unfähig waren. Die Geschichte wurde darauf in den Medien breitgetreten, bis schlussend-lich von verschiedenen Sei-ten das völlig deplatzierte und absolut unverhältnismässige Vorgehen der Protectas arg kritisiert wurde. Die Fanarbeit nahm mittels Medienmitteilung als erste Partei öffentlich Stel-lung zu den Vorfällen und ver-trat daraufhin die Fans in einer Art Anwaltsrolle gegenüber den Medien und dem Stade de Su-isse. In Zusammenarbeit mit den USL und den betroffenen Fans setzten sie sich erfolgreich dafür ein, die fehlbaren Berner Parteien zu einem Eingeständ-nis zu bringen und sich bei den geschädigten Fans offiziell zu entschuldigen.Ein weiteres Ziel der Fanarbeit war, sich als unabhängige Par-

tei in Diskussionen rund um Fanangelegenheiten zu etablie-ren. Dieser Status ist bereits er-reicht worden, «wir sind grund-sätzlich unabhängig. Es kommt aber vor, dass die Politik, der Verein und vor allem die Fans versuchen, uns für ihre Anliegen zu gewinnen», sagt Wandeler. Erfreulich sei auch, dass ihre Meinung schnell bei allen Be-teiligten Gewicht erhalten habe und auch oft eingeholt werde. Trugen sie zu Beginn ihre Anlie-gen noch zögerlich zum Verein, könnten sie in der heutigen Po-sition Forderungen offen darle-gen und darüber verhandeln. Wandeler: «Zum Verein haben wir vor allem dank Mike Hau-ser (Sicherheitsverantwortlicher im Vorstand des FCL, Anm. d. Red.) einen guten Draht. Da-von profitieren auch die Fans, denn ohne Mike Hauser wäre beispielsweise das Fanlokal si-cher nicht so schnell zustande gekommen.»

Seit gut einem Jahr kümmert sich die Fanarbeit im Rahmen von «Ragazzi Lucerna» speziell um jugendliche Fans, die in der Fanszene aktiv tätig sein wol-len. Jeweils am Mittwochnach-mittag bietet sie den Jungen die Möglichkeit, im Fanlokal Fa-nutensilien zu basteln, sich auf andere Arten mit dem Thema Fussball zu beschäftigen oder gar mit Gleichgesinnten eine Gruppierung zu gründen. Dank dieser Unterstützung sind zum Beispiel die Addicts Blue-White (ABW) vor gut einem Jahr ent-standen, die heute bereits zum aktiven Teil der Kurve zählen. «Wir sind froh darüber, dass es die Fanarbeit gibt», erzählen zwei Mitglieder der ABW. «Sie halfen uns beim Beschaffen des Materials für den Support im

Stadion und stellten uns für die Gestaltung die Räumlichkeiten zur Verfügung. Zudem konnten wir zu günstigen Preisen an den Auswärtsfahrten dabei sein.» Und erst kürzlich wäre drei Mit-gliedern der ABW wegen eines Missverständnisses fast ein Stadionverbot aufgebrummt worden. Dank intensiver Bemü-hungen der Fanarbeiter und der objektiven Einschätzung durch den Verein konnte dieses aber glücklicherweise aus der Welt geschafft werden. Dazu die Addicts: «Wir haben bereits ein Transparent mit der Aufschrift Danke Fanarbeit! gemalt.»

Die Einführung der Fanarbeit Luzern war seitens der öffentli-chen Instanzen sicher auch mit der Erwartung verbunden, dass sich langfristig das Gewaltpo-tenzial der Fans verringert. «Wir wollen und können den Fans, weder den jungen noch den älteren, nicht vorschreiben, was sie tun sollen und was nicht. Aber wir können ihnen aufzei-gen, welches Verhalten welche Konsequenzen nach sich zieht. Es ist also schon so, dass den Jugendlichen etwas auf den Weg mitgegeben werden kann. Wir versuchen vor allem, ihre Energien auf eine aktiv-krea-tive Ebene umzuleiten», sagt Stefan Parpan. Im ersten In-terview sprach er davon, dass

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Gewaltvorkommnisse unter Fussballfans als ein messbares Ziel ihrer Arbeit herhalten kön-nen. «Wenn man gerade die aktuelle Vorrunde anschaut, hat sich die Situation dank den Ex-trazügen der SBB und vor al-lem den FCL-Fans selber sehr verbessert.»

Pyro als Gratwanderung

Neben Gewalt ist auch Pyro ein alltägliches Thema für die Fanarbeiter. «Das ist für uns die grösste Gratwanderung zwi-schen Fans und ihrem Vertrauen einerseits und der Öffentlichkeit und dem Gesetz andererseits. Momentan ist die Diskussion festgefahren, und nach einem

konstruktiveren Dialog sieht es nicht aus. Ein grosses Problem dabei ist, dass sich die Positi-onen beidseitig radikalisieren», sagt Christian Wandeler. Und wenn es am Wochenende im Stadion wieder mal gebrannt hat, bekämen sie in der Woche danach gelegentlich zu hören, dass sie wieder versagt hätten.Die Fanarbeit nimmt sich seit Beginn der Thematik Stadion-verbot an. Das damals durch USL-Vertreter bereits aufge-gleiste Projekt «Gelbe Karte» gibt Fans mit ungerechtfertigten und fraglichen Stadionverboten die Möglichkeit, per Abma-chung mit Fanarbeit und Verein die Heimspiele im Stadion zu schauen. Dazu Wandeler: «Ob-

wohl dieses Projekt gut läuft, wünschen wir uns vom Verein eine grössere Offenheit, was die Auswahl der aufnehmbaren Fälle betrifft. Auf der anderen Seite gibt es auch Fans, die die Toleranz schon überstrapaziert haben. Wir mussten klarstellen, dass wir auch nicht einfach nur die sind, die dafür schauen, dass sie unter allen Umständen im Stadion sein können.»

Vertrauen ist vorhanden

Auf Seite der Stadionverbötler wird dieses Projekt ebenfalls geschätzt. «Ich bin froh, dass ich trotz dem ungerechtferti-gen Stadionverbot wenigstens zuhause mit dabei sein kann»,

6 Zwei Jahre Fanarbeit

Stefan Parpan (links) und Christian Wandeler werfen sich für spezielle Anlässe auch mal in Schale.

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meint ein Ausgesperrter. «Und bei den Auswärtsspielen im Cup, die nicht im Fernsehen übertragen wurden, ermöglich-ten uns die Fanarbeiter in Ab-sprache mit der örtlichen Poli-zei und den Sicherheitskräften, dass wir das Spiel als Zaungäs-te mitverfolgen konnten.» Ein anderer Unerwünschter erzählt, dass die Fanarbeit in seinem Fall nichts gegen sein Stadion-verbot hat unternehmen kön-nen. Das beeinträchtigt sein Verhältnis zu den beiden Fan-arbeitern aber nicht: «Sie sind Vertrauenspersonen geworden, mit denen ich über vieles offen sprechen kann. Und sie haben mir in Aussicht gestellt, dass ich nach Ablauf des ersten SV-Jahres ins Gelbe-Karte-Projekt einsteigen kann.»Liest man heute das Interview von damals noch einmal durch, stolpert man unweigerlich über die Frage, ob denn ein Stadion-verbot für einen Bierbecherwurf eine verhältnismässige Strafe

darstellt. Parpan und Wandeler waren sich damals einig, dass man damit sicher grob über das Ziel hinausschiessen wür-de. Wir erinnern uns an den 26. Juli 2009: Beim Heimspiel gegen GC ging der Zürcher Enzo Ruiz zu Boden, schwer

getroffen von einem halbvollen Bierbecher aus den Zuschau-erreihen. Gleich nach dem Spiel wurde der Becherschütze gebüsst und mit einem zwei-jährigen Stadionverbot belegt. «Vor ein paar Jahren wäre der Werfer sicher nicht gleich so drastisch sanktioniert worden, obwohl man sagen muss, dass der Spieler tatsächlich getroffen worden ist.» Wandeler sieht da-rin ein Resultat aus dem stark gewachsenen Druck der Öf-fentlichkeit und der voreinge-nommenen Berichterstattung der Medien. «Die Allmend war früher die Becherwurfstätte Nummer 1, trotzdem hat man von Stadionverboten für Be-cherwürfe nie etwas gehört.»

Arbeit wird nicht ausgehen

Der erst gerade von neuem ent-fachte Wirbel um die Erstellung von neuen Massnahmenpake-ten zwecks Verbesserung der Sicherheit rund um Sportanläs-se ist auch ein Verdienst der Me-dien. «Das Schüren von Angst und das undifferenzierte Infor-mieren der Öffentlichkeit zeigt sich zum Beispiel wunderbar daran, dass immer wieder von ‹Gewalt im Stadion› berichtet wird. Dabei haben wir im Sta-dion nur wenig Gewalt! Wenn, dann spielt sie sich davor oder abseits ab», sagt Wandeler. Da seien die Fanarbeiter aller Vereine zukünftig immer mehr gefordert, wenn es ums Aus-handeln und Durchsetzen sol-cher Massnahmenpakete und die gleichzeitige Wahrung der Faninteressen gehe. Und auch sonst werde ihnen die Arbeit in Zukunft nicht ausgehen, denn in allen Bereichen «kann man immer noch mehr machen», so Parpan. Er spricht das neue

Stadion an: «Es wird sicher eine gewisse Zeit brauchen, bis sich alle Parteien im neuen Stadion eingelebt und zurechtgefunden haben.»

Angesprochen auf allfällige Fehler, die in den ersten zwei Jahren Fanarbeit passiert sein könnten, fällt weder den Fans noch den Fanarbeitern selbst etwas ein. Im Gegenteil: «Die Fanarbeit nimmt als Bindeglied zwischen uns und dem Verein eine wichtige Rolle ein - das ist uns mehrere Male zu Gute ge-kommen», sagt René Schwar-zentruber. «Sei es das Ermög-lichen vom Stelzbock-Verteilen in allen Zonen, die Vermittlung bei Schwierigkeiten mit dem Einlass von Choreo- und an-deren Supportmaterialien oder das Organisieren von Gratis-Mineral bei saharaähnlichen Temperaturen in Bellinzona, die Fanarbeiter haben uns schon ein paar Mal unter die Arme gegriffen.» Dem stimmt Chris-tian Wandeler zu: «Hätten wir etwas Grobes verbockt, würde es uns schon unter die Nase gerieben werden, die Fans sind da nicht so vergesslich.» Aber etwas gibts dann doch noch auszusetzen: «Das erste Inter-view wäre das einzige, das ich rückgängig machen würde», schmunzelt Parpan.

Zwei Jahre Fanarbeit 7

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8 Oldschool mit Maré

René van Ecks erstes FCL-SpielIn dieser Kolumne erin-nern sich Zeitzeugen, wie es in den goldenen Jah-ren wirklich war. Diesmal mit einer Geschichte aus dem Sommer 1990.

Bevor der geneigte Old-school-Kolumnenleser be-reits wieder den Kopf schüt-telt, weil Maré ausgerechnet Verwandte in St. Gallen und in Sion hat: Ich habe in der halben Schweiz Verwandte! Aber drehen wir das Rad der Zeit rund 20 Jahre zurück. 1990 war das Fussballjahr, als Deutschland (BRD) nach der Wende Weltmeister wurde. Die Schweiz war meilenweit von einer WM-Qualifikation entfernt und an der Weltmeisterschaft in Italien wurde zum ersten Mal in der WM-Geschichte ein Alkoholverbot verordnet, da mit England, Holland und Ir-land drei berüchtigte Fangrup-pen in der gleichen Gruppe waren. Spielort war übrigens Palermo, Sizilien, auch das eine heisse Angelegenheit.

Berüchtigte blonde Mähne

Der FCL spielte eine ordentliche Saison als Titelverteidiger und qualifizierte sich schon vor der letzten Spielrunde für den Uefa-Cup, verlor aber mit Sigi Gre-tarsson, Roger Wehrli und Mar-tin Müller drei wichtige Spieler auf die neue Saison. Es wurde ein neuer, ausländischer Spieler für die Verteidigung verpflichtet, dieser kam aus den Nieder-landen, genauer vom FC Den Bosch, sein Name: René van Eck. Ein kräftiger Spieler mit ei-

ner blonden Mähne, der schon im Training gerne mal einen Mit-spieler ummähte. Gute Stürmer gab es ja immer noch reich-lich zu dieser Zeit beim FCL: Johnny Eriksen, Atze Knup, Peter Nadig und Semir Tuce.

1000 FCL-Fans im Wallis

Das erste Spiel der neuen Sai-son 1990/91 fand also im Wallis statt. Es war ein wunderbarer, sonniger Sommertag im Unter-wallis, die Fahrt mit dem Vater und der Grossmutter (!) war kurzweilig, aber meine Nervo-sität von Minute zu Minute im Steigflug, war es doch mein erster Besuch im Tourbillion. Vor dem Spiel stand ein Be-such der Grossonkels auf dem Programm, diese konnten wir dann aber nicht besuchen, weil eine Tochter der alten Onkels behauptete, die lägen schon mit einer Vollrakete im Bett. Es war gerade 15.00 Uhr und ich konnte mir damals noch nicht vorstellen, wie man um diese Zeit schon weissweintrunken im Bett liegen konnte. Egal, so konnte man wenigstens ohne Hast zum Stadion spazieren. Es herrschte eine wunderbare At-mosphäre, denn damals reisten noch viele Oberwalliser zum FC Sitten, was ja heutzutage nur noch am Cupfinal der Fall ist. Rund 1‘000 FCL-Fans waren wie immer mit viel Schlagwerk zugegen und feuerten den FCL an. Wir sassen auf der Vortribü-ne mit den damals schon alten Holzbänken. Kaum war René van Eck entdeckt von den Ein-heimischen, wurde er mit Ma-demoiselle betitelt. Er spielte gut, hatte seinen Gegenspieler

im Griff, ehrlich, ich kann mich nicht mehr erinnern wer es war, eventuell sogar Jean Paul Brig-ger, der spätere FCL-Trainer. Es war klar zu erkennen, dass René kein Kind von Traurigkeit war und auch schon mal rich-tig kräftig austeilte. In einem Spiel danach gegen Aarau soll-te der Stürmer Wassmer nach einem René-Tackling mit der Bahre weggetragen werden.

Das Spiel endete mit einer 0:1-Niederlage, wieder mal hatte der FCL den Saisonstart gründlich verschlafen. Klop-pereien gab es aus meiner Sicht keine. Erst später wurde mir mal im Vertrauen erzählt, dass eine Beiz in Sion von ein paar Luzernern übernommen wurde. Damals warteten die Medienschaffenden nicht hin-ter dem Polizeiauto, sondern konzentrierten sich auf das Ge-schehen im und ums Stadion.

Budapest gebodigt

Trotz des eher miesen Sai-sonstarts sollte aber die Saison 1990/91 in die Geschichte ein-gehen, schliesslich überstand der FCL zum ersten mal die 1. Runde im Uefa-Cup. Auswärts holte man dank einem Tor von Atze Knup ein gutes 1:1 ge-gen MTK Budapest, zu Hau-se siegte man unter anderem dank einem Weitschusstreffer von... ja von wem wohl, René van Eck mit 2:1. Der andere Torschütze hiess Peter Nadig vor über 10‘000 Fans auf der Allmend. Leider war etwas spä-ter gegen das doch eher bie-dere Team von Admira Wacker Wien Endstation in Runde 2.

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Buch über das Stadion Allmend 9

Im August dieses Som-mers fuhren auf der Lu-zerner Allmend die Ab-rissbagger auf, eine Ära ging zu Ende. Ein soeben erschienenes Buch lässt die Erinnerung an die Heimat des FC Luzern und seiner Fans wieder lebendig werden.

Das Buch zeichnet ein umfas-sendes, facettenreiches Bild einer geschichtsträchtigen Sportstätte. Es erzählt anekdo-tenreich vom Werden, Wachsen und Vergehen eines Kultstadi-ons. Und irgendwie ist es auch eine Liebeserklärung.

Amüsant bis pikant

Der grossformatige, 312 Seiten starke, fotografisch toll illustrier-te Bildband ist jedoch mehr als ein melancholischer Nachruf auf ein dahingeschiedenes Sta-dion, mehr als ein nostalgischer Abgesang auf die wichtigste Bühne des Zentralschweizer

Sports. Es ist eine Hommage an eine Fussball-Ära, in der ein Fussballspiel noch nicht ein durch und durch kommerzieller Event war, sondern ein ehrli-ches Spektakel, dessen unbän-dige Kraft bisweilen kaum zu kontrollieren war. Der Inhalt des Buches präsen-tiert sich abwechslungsreich und spannend: Da wäre einmal die detaillierte, süffig geschil-derte Chronologie der Ereig-nisse rund um das Stadion und den FCL: herrliche Reminiszen-zen aus den Gründerjahren im letzten Jahrhundert, das Dasein zwischen Himmel und Hölle mit seltsamen Machenschaften in Verein und Umfeld aus der jüngeren Geschichte, die neue Aufbruchstimmung.

Emotionale Achterbahnfahrten

Darüber hinaus bietet das All-mend-Buch spannende Einbli-cke in eine faszinierende, aber auch umstrittene, sich stetig wandelnde Fankultur. Es schil-dert ihre schüchternen Gehver-suche in längst vergangenen Tagen und beleuchtet die heuti-

ge Szene mit ihren Choreogra-fien und den brisanten Themen rund um Feuerwerk und Stadi-onverbote.Persönliche Erinnerungen von Allmend-Legenden wie Paul Wolfisberg, Kudi Müller, Roma-no Simioni, Friedel Rausch, Ju-les Häfliger, René van Eck und Walter Stierli lassen emotionale Achterbahnfahrten noch einmal Wirklichkeit werden.

Jetzt kaufen!

Und schliesslich zieht die zum Buch gehörende DVD in beweg-ten und bewegenden Bildern in ihren Bann: Cuptriumphe, den Meistertitel, das dramatische letzte Spiel und über einein-halb Stunden packende Extras. «Stadion Allmend – Trutzburg, Hexenkessel, Lotterbude»: ei-gentlich ein Buch, das in keinem (fussballinteressierten) Luzerner Haushalt fehlen sollte. Kaufen kann man das Allmend-Buch im Internet auf www.allmend-buch.ch, im Kudi Müller Sport, bei der Fanarbeit, auf der FCL-Geschäftsstelle und in ausge-wählten Buchhhandlungen.

Trutzburg, Hexenkessel, Lotterbude...

Während 75 Jahren die Heimat des FC Luzern: Das Stadion Allmend.

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10 Ueli Mäder im Gespräch

«Aggressionen stauen sich in gebückter Haltung»Der Soziolge Ueli Mäder erklärt, warum die Ab-schaffung der Stehplät-ze keine Konflikte löst und wie er sich zukünf-tige Stadien vorstellt.

Seit Jahren wird in der Schweiz immer wieder über ein Ver-bot von Stehplätzen in den Fussballstadien der höchsten Liga diskutiert. Nun fordert die KKJPD (Konferenz der kan-tonalen Justiz- und Polizeidi-rektorinnen und –Direktoren) in einem Massnahmenkatalog gegen Gewalt im Sport erneut die konsequente Abschaf-fung von Stehplätzen um die Stadionsicherheit zu erhöhen. Wir sprachen mit Ueli Mäder, Soziologieprofessor an der Uni-versität Basel und der Hoch-schule für Sozialarbeit über das Sicherheitsrisiko Stehplätze. Mäder ist selber begeisterter Fussballer und kennt sich als Experte für Konfliktanalysen und Konfliktbewältigung mit der Thematik bestens aus.

«Sitzplätze sind nicht sicherer»

Das oft zitierte Argument, dass Stehplätze grundsätzlich gefähr-licher seien, vertritt Mäder nicht: «Sitzplätze sind nicht prinzipiell sicherer als Stehplätze. Weitere Faktoren kommen hinzu. Wich-tig ist zum Beispiel, ob ein Sta-dion als kesselartige Arena an-gelegt ist, in der sich Emotionen stauen. Auch der Kommerz und die forcierte Konkurrenz spielen mit. Stehplätze fördern die Be-weglichkeit. Das hat sich früher meistens positiv ausgewirkt.»Durch die Umfunktionierung

von Fankurven zu Hochsicher-heitstrakten hat sich die Situa-tion in den letzten Jahren aber auch ins Negative gewandelt: «Heute reizt dieser Freiraum mehr dazu, sich auszutoben. Das ist auch deshalb der Fall, weil er so eingepfercht ist.»

«Geschütze Plätze für Pyro»

Aus soziologischer Sicht liesse sich keine konkrete Aussage über das Aggressionspoten-tial ausmachen, meint Mäder. «Wer sitzt, ruht. Wer steht, geht schon fast. Also stimmt das Argument. Aber umge-kehrt gibt es auch Gefahren. Denn in gebückter Haltung stauen sich eher Aggressionen an als beim aufrechten Gang.»Eine stimmige Vergleichssitu-ation ist für den ehemaligen Nationalliga-Handballer aber ohnehin nicht konstruierbar. Denn es müsse zwischen den verschiedenen Fancharak-

teren auf Steh- und Sitzplät-zen unterschieden werden: «Der konkrete Vergleich im Stadion hinkt. Auch deshalb, weil die Stehenden und Sit-zenden andere Typen sind.»

Mit Sitzplätzen will die Polizei durch eine bessere Übersicht des Geschehens auf den Rän-gen auch dem Abbrennen von Pyrotechnik Einhalt gebieten, das von Medien, Politikern und Funktionären oft als Gewalt-delikt dargestellt wird. Für den Basler Soziologen ist diese Ar-gumentation unbrauchbar und striktes Pyroverbot kein geeig-neter Lösungsansatz. «Ich bin kein Pyrofan. Aber offenbar ist diese fetischisierte Show für Einzelne sehr wichtig. Auch als Spiel mit dem Glühenden und Verbotenen. Drum wür-de ich das offiziell zulassen und im Stadion geschütz-te Plätze dafür einrichten.»

Ueli Mäder: «Stehende und Sitzende sind andere Typen.» Bild Ruedi Suter, OnlineReports.ch

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Ueli Mäder im Gespräch 11

«Bin für Stadien ohne Sektoren»

Mäder kritisiert zudem die heu-tige Baustruktur der Stadien mit vielen Zäunen und der straf-fen Unterteilung in Heim- und Gästesektoren. «Die Sektoren bilden eine Kampfformation ab. Sie schüren räumlich die Zwietracht. Und die hoch ge-rüstete Polizei provoziert in dieser Montur. Sie wirkt auch wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Ich bin für offe-ne Stadien, ohne Sektoren und Zäune, mit gut durchmischten Rängen, freiem Zugang aufs Feld und gemütlich herum spa-zierenden Ordnungskräften - im Polohemd und ohne Knüppel.» Tatsächlich erinnern besonders die Gästesektoren immer mehr an Hochsicherheitstrakte, Aus-wärtsfans beklagen sich über aggressive Ordnungsdienste und übertriebene Polizeieinsät-ze, voyeuristische Massenme-dien heizen die Stimmung zu-sätzlich an und als Spiegel der Gesellschaft zeigt sich schon bei ganz jungen Auswärtsfahrern

oft ein starker Alkoholkonsum. In diesem aufgeheizten und aggressiven Klima werden auch immer wieder Plastik-klappsitze von Gästefans de-moliert und als Wurfgeschosse zweckentfremdet, so letztens geschehen beim Cup-Achtelfi-nal zwischen Basel und Zürich. Können Plastikklappsitze ge-radezu als eine Einladung für Vandalismus dienen, wenn die Fans im Gästesektor ohnehin ein Ventil für Spannungsabbau suchen? «Das kann situativ so sein», antwortet Mäder, «ist für mich aber ein heikles Ar-gument. Denn wenn wir alle möglichen Ventile und Stol-persteine ausräumen, führt das zu einer klinisch rigiden Ordnung. Und dann stolpern wir über immer kleinere Stei-ne. Dann wird jede Nagel-schere zu einer Mordwaffe.»

Selbstkontrolle fördern

Viele Fans beklagen neben dem Problem des Stehplatz-abbaus zudem mangelndes

Mitbestimmungsrecht, wenn es um fanrelevante Themen geht. Könnte durch den bes-seren Einbezug der meist ju-gendlichen Fans in solchen Fragen das Verantwortungsbe-wusstsein und die Selbstkon-trolle innerhalb der Fankurve gefördert werden? «Ja, ganz klar. Die Selbstorganisation ist eine grosse Chance. Sie wird fahrlässig vertan. Nicht nur im Fussball. Auch in der Wirtschaft und Gesellschaft. Wer gewohnt ist, Verantwortung zu überneh-men, handelt verantwortlicher.» Neben den Veränderungen bei den Stadien selber, wünscht sich Mäder auf den Rängen witzige Fankulturen, «wohl wissend, dass wir auch beim Verlieren gewinnen können.»

Ueli Mäder ist Professor für So-ziologie an der Universität Basel und der Hochschule für Sozia-le Arbeit. Er leitet das Nachdi-plomstudium in Konfliktanaly-sen und Konfliktbewältigung.

Werden wir FCL-Fans im neuen Stadion in den Genuss von Stehplätzen kommen?

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12 Ausgesperrt!

Ein fast ganz normales AuswärtsspielEin Ausgesperrter be-richtet, wie er ein Auswärtsspiel erlebt.

«Nach dem Spiel ist vor dem Spiel», meinte bereits Sepp Herberger. Das stimmt für Spieler wie Fans gleicher-massen. Bereits am Morgen nach dem vergangenen Spiel-tag wacht man auf und einer der ersten Gedanken, welcher einem durch den Kopf schiesst, ist, wie geil oder scheisse der gestrige Spieltag war. Die gan-ze Woche hindurch sucht man die Sportrubriken der Tages-zeitungen nach Berichten über die eigene Mannschaft ab, um, wenn wir mal ehrlich sind, ei-gentlich immer wieder das Glei-che zu lesen. Das Ganze hat eher rituellen als informativen Charakter. Man durchläuft die-sen Prozess immer wieder, um mit dem letzten Abschneiden seines Teams abzuschliessen und sich auf die anstehende Partie vorzubereiten. Je näher das Spiel rückt, um so eupho-rischer wird man. Den Höhe-punkt durchläuft diese Euphorie am Spieltag selbst. Meist trifft man sich lange vor dem Anpfiff irgendwo mit Freunden, mit de-nen man dann zusammen ans Spiel geht. Man lacht, die Stim-men werden lauter und man kann es kaum erwarten, bis der grelle Pfeifton aus der Schieds-richterpfeife endlich ertönt. Irgendwann macht man sich also auf, um sich auf dem Perron zu versammeln. Früher oder später erfährt man von ir-gendjemandem, dass der Zug bald in den Bahnhof einfährt. Fast zeitgleich bereiten sich die

Leute im Zug vor, um aus dem Zug auszusteigen. Gemeinsam läuft die Meute in Richtung Sta-dion, und mit jedem Schritt, dem man ihm näherkommt, wirkt die Atmosphäre, die ein solches ausübt, immer mehr. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um eine Hy-per-Multifunktionalarena oder eine einzelne Holztribüne han-delt. Es ist einfach überwälti-gend und mit nichts anderem auf dieser Welt vergleichbar. Doch mit jedem Schritt, mit dem ich näher komme, weicht ein kleines Stück Lächeln aus mei-nem Gesicht. Der Platz vor dem Stadion wird unmerklich leerer und hilflos muss ich zusehen, wie sich die Matchbesucher durch die Eingänge schleppen. Denn ich habe Stadionverbot!

Bittere Minuten vor dem Spiel

Selbst an Testspielen, bei ir-gendwelchen Dorfvereinen tür-men sich simple Zäune zu riesi-gen unüberwindbaren Mauern auf. Denn auch dort wird man wie ein Verbrecher behan-delt, als hätte man die «Dorf-Kuh» auf dem Gewissen oder die Kirche in Brand gesteckt. Bevor die Letzten im Stadion sind, teilen wir Stadionverböt-ler uns auf, um keinen Ärger zu kriegen. Weder mit der Po-lizei, die meist versucht uns ir-gendwo hin zu drängen, noch mit Fans des Heimklubs. Kurz vor Spielbeginn trifft man sich dann in einem Spunten, um sich das Spiel im Fernsehen anzuschauen. An dieser Stelle ein «Hoch» auf den modernen Fussball! Früher hätte man ganz aufs Spiel verzichten müssen.

Auch wenn es oftmals laut zu und her geht, hat man meist nichts gegen unsere Anwe-senheit. Manchmal werden wir beim Eintreten darauf aufmerk-sam gemacht, dass wir keinen Ärger machen sollen. Dies ist eigentlich auch immer der Fall. Die Minuten, die wir alleine ver-bringen müssen bis zum Spiel-beginn, sind die schlimmsten und gleichzeitig die längsten. Oft kehre ich in dieser Zeit in mich und denke nach. Da überlege ich mir, ob es das wert war und ich durchlaufe Gefühlsschwan-kungen. Zuerst traurig, dass es überhaupt so weit gekommen ist und später wütend darüber, dass man von der Gesellschaft nicht verstanden wird, aber auch deswegen, weil im Re-staurant meist andere Fussball-begeisterte sind, die eigentlich ins Stadion dürften. Wenn das Spiel dann endlich losgeht, sind all diese Sorgen vergessen.Minuten vor Spielende gehen wir dann alle gemeinsam vor den Gästesektor und warten auf unseren Haufen, der ins Stadion durfte. Mit Umarmun-gen und Handschlägen heisst man uns zurück. Kurz zuvor gings einem noch miserabel und auf einen Augenblick kehrt das Lachen zurück. Zweifels-ohne ist das das Schönste für uns Unerwünschte. Es gibt dir eine Bestätigung dessen, worüber du dir vorhin noch den Kopf zerbrochen hast, ob man damals richtig gehandelt hat. Denn was man nur als Fussballfan findet, nebst Stolz und gelebten Emotionen, sind Freunde, die immer für dich da sind und dich unterstützen, auch wenn es dir mies geht!

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Im Block 13

Von der Provinz in die Hauptstadt

In dieser Rubrik stellen sich abwechselnd Grup-pen aus dem Luzerner Fanblock selbst vor.

«Seit beinahe zwei Jahren hängt bei jedem Pflicht-Aus-wärtsspiel die Zaunfahne mit den Lettern «SU TOWN» im Gästeblock. Nicht zuletzt auf-grund ihrer stolzen Grösse ist sie bestimmt schon jedem FCL-Supporter aufgefallen. Mancher wird sich gefragt ha-ben, welche Köpfe denn dahin-ter stecken. Die fehlende Be-kanntheit unserer Gruppierung liegt wohl hauptsächlich daran, dass wir nicht aus der Stadt oder Agglo Luzern stammen. Da unser Beitrag zur farbigen Fankultur in Luzern jedoch nicht mehr wegzudenken ist, ist es nun vielleicht doch mal an der Zeit, uns einmal vorzustellen. Nun, um zuerst mal das Ge-heimnis des Namens «SU TOWN» zu lüften: Natürlich gibt es in unserem Kanton nur eine City und für diese stehen unsere Farben. Etwas nörd-licher der Hauptstadt befin-det sich aber bekanntlich die zweitschönste Stadt des Kan-tons. Sursee hat uns unseren Namen gegeben, denn unsere Mitglieder stammen aus die-ser Region. Die Silhouette von Sursee zeigt sich auf unserer Fahne und im gemütlichen «Städtli» trifft man uns meis-tens am Wochenende auch an.

Okay, der Verdacht liegt nicht fern, da «kommt nun schon wieder so ne neue Gruppie-rung mit jungen pubertieren-den Schnöseln, die auftauchen und nach Kürze auch wieder verschwinden.» Da können wir Euch aber beruhigen, denn «SU TOWN» ist eine etwas aty-pische Gruppierung und doch wahrscheinlich gerade typisch für die gesamte Luzerner Fan-gemeinde: Wir sind weder eine «Ultra»-Gruppierung (obwohl sich unser optische Auftritt ab-solut sehen lässt), noch sind wir Hüetlis (obwohl wir es im Stöbli locker mit Ihnen aufnehmen konnten) und ganz bestimmt werden wir nie dem VFFC bei-treten. Und trotzdem sind wir wohl von allen ein wenig und wird unsere Einstellung zum Fussball von der Grossmehrheit in Luzern geteilt. Der harte Kern von «SU TOWN» setzt sich aus gut 10 Leuten zusammen, die dafür sorgen, dass die Leute in den Stadien dieser Schweiz un-sere schönen Fahnen zu sehen und unseren Support zu hören bekommen. Darunter gibt es gut ein halbes Dutzend Leute, die bereits seit Mitte der 90er Jahre jedes Wochenende das Kleingeld zusammen kratzten und per Zug an die Enden der Schweiz fuhren. Man wurde belächelt, für nicht ganz be-kloppt erklärt, aber die Liebe zu Luzern war trotz aller Misser-folge und Konkursgeschichten nicht zu erlöschen. Der opti-

sche Support war damals noch eher Nebensache und für den akustischen Support brauchten wir keinen Namen. So kam es, dass auch die aufkommende Ultra-Mentalität langsam aber sicher zu uns rüber schwappte und Ideen ausgetauscht wur-den, sich selber ein bisschen zu formieren und den optischen Support mit zu gestalten. Mit der jüngeren Generation kam dann auch noch die bastleri-sche Komponente hinzu und nachdem man geschlossen mit Fahnen durch die Berns und Güllens dieser Schweiz zog, war auch der Schritt zum ei-genen Namen nicht mehr weit. Im April 2008 wars dann so-weit: Welcher Ort hätte sich besser geeignet als wochen-tags den dürftigen Aufmarsch im Wallis ein wenig aufzupep-pen und «SU TOWN» offiziell dieser Fussballwelt zu offenba-ren? Inzwischen besteht «SU TOWN» aus mehr oder weniger 50 FCL-Supportern aus der Region Sursee, welche alle im Besitz unseres Woll- und Sei-denschals – natürlich in unseren Farben blau-weiss-gelb - sind. Ob jünger oder älter, LUMAG oder Zone 2, Studi(abgänger), Bürolist oder Handwerker, bei uns kommt alles zusammen und kann sich jeder einbrin-gen, wies ihm gefällt. Im Vor-dergrund steht dabei immer unser FCL, obwohl viele un-serer Aktivsten weiterhin auch selber dem Ball nachrennen.»

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14 Stelzbock-Verleihung

And the Stelzbock goes to...Willkommen zur dritten Stelzbock-Verleihung. Zum Ende des Jahres wollen wir Persönlichkeiten, die sich in besonderem Ausmass um die Luzerner Fussballszene verdient gemacht haben, mit einem Stelzbock-Award ehren. Nominierte gab es zur Genüge, doch nur wenige kommen in den illustren Kreis der diesjährigen Gewinner.

«3 Wetter Taft»-Awardan

Michel Renggli

Eigentlich müssten wir Michel ja gar keinen Award mehr verlei-hen, nachdem er diese Saison bereits mit einer viel wichtigeren Auszeichnung versehen wurde: Der Dritte Platz bei den «Mister Axpo Super League»-Wahlen 2009! Doch wir kommen ein-fach nicht umher, den Hunde-liebhaber auch noch mit einem Stelzbock Award zu beglücken. Denn gleich konstant wie der Innerschweizer seine Eckbäl-le jeweils gezielt dem Geg-ner halbhoch auf den ersten Pfosten serviert, so konstant hält sich seine blonde Föhnfri-sur bei jeder Witterung in den Schweizer Fussballstadien. Ob Schneetreiben, Wind oder Regen, Michels Frisur hält. Je-derzeit perfekt gestylt schafft es der Frauenschwarm so auch von technischen Unzulänglich-keiten auf dem Rasen abzulen-ken. Denn solange seine stolze Haarpracht von seinen Gegnern nicht zerstört werden kann, wird auch der FCL nicht bezwingbar sein. Es sei denn Renggli be-nutzt Alpecin Coffein Shampoo und gerät deswegen ins Faden-kreuz der Dopingkontrolleure, auch wenn die Alpecin-Wer-bung klar verspricht: Doping: Nur für die Haare. So hoffen wir, dass auch heute gilt: Ger-sag, 16.00 Uhr, die Frisur hält.

«Fredy Hunkeler Gedächt-nis»-Award anRadio 3fach

Nachdem die Zone 5 ursprüng-lich für den Toro Embolado-Award 2008 des Luzerner Schülerradios 3fach nominiert werden sollte, können wir gar nicht anders als die auf den Spuren von Radiolegende Fre-dy Hunkeler wandelnden Jung-spunde ebenfalls mit einer Aus-zeichnung zu beglücken und uns für die Nomination zu re-vanchieren und erachten es als Ehre, dass die Zone 5, obwohl sie erst im November 2008 er-öffnet wurde, bereits für das-selbe Jahr eine Nomination für den ruhmreichen Toro Rosso, eh, Lamborgini-Embolo-Irgend-was Award erhielt. Die Redakti-on erkannte sofort, dass sich hinter den Milchglasscheiben des neuen Chaotentreffpunktes gewalttätige Nazihorden und traktorfahrendes Bauerngesin-del versteckt, die ein solches Lokal in bester Lage nicht ver-dient haben. Wir können die Hobby-Radio-Truppe indes beruhigen, dass von der „visu-ell beleidigenden Einrichtung“ zumindest der alte Teppich schon einmal weichen musste. Warum die Moderatoren am Schluss andere Kandidaten no-minierten ist uns bis heute ein Rätsel. War die Angst am Ende zu gross, dass ein vermumm-ter Schlägertrupp persönlich

den Preis abholen kommen könnte? Wir wollen uns indes nicht nur mit einer Nominati-on begnügen und überreichen Radio 3fach stolz ihren wohl verdienten Stelzbock-Award. Schliesslich haben wir ja Humor.

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Stelzbock-Verleihung 1514 Stelzbock-Verleihung

Friedensnobelpreis an

Dani Ryter«Der wahre Krieger sucht den Frieden» – mit diesen Worten stellte sich der damals neue Luzerner Sicherheitschef Dani Ryter in der ersten Stelzbock-ausgabe vor. Der Berner Sa-murai konnte sich zu Beginn seiner Amtszeit mit seinem Einsatz auch Respekt bei den Fans erarbeiten. Wie bei vielen Hollywood-Grössen stieg aber auch Dänu der Erfolg zu Kopf. Von Paranoia heimgesucht glaubte Ryter schon von harm-losen Fans mit Flaschen ange-griffen zu werden. «Der Krieger» scheute zunehmend die Öffent-lichkeit und war an den Spielen teilweise sogar für die Fanarbeit unauffindbar. Auch mit den Ehrbekundungen der Fans auf Doppelhaltern konnte er kaum mehr umgehen und liess diese deshalb wortlos verschwinden. Aber auch sein Selbstvertrauen scheint Dani zum Glück nicht verloren zu haben, denn wenn es um die Sicherheit der von Papierfötzeli bedrohten Zu-schauermengen geht, scheut er auch nicht davor zurück, Initiative zu übernehmen und sich notfalls über seinen Chef hinwegzusetzen: «Esch mer glich was de Mike seit!» Und auch beim schönen Geschlecht versucht Dani wieder zu punk-ten und nimmt deswegen junge weibliche Fans gerne mal nach Spielende zum Fotoshooting mit hinter die Sichtschutzpla-nen. Auch übt er bereits im Alltag für seine nächste Rolle und gibt sich deswegen ger-ne bei Fans als Polizist aus. Der wahre Krieger sucht eben doch immer den Frieden, wes-wegen Dani sich den Friedens-nobelpreis redlich verdient hat.

«Günther Jauch»-Anerken-nungspreis an Daniel Frank

Daniel Frank hat es mit ei-ner beeindruckend virtuosen Formulierkunst geschafft, die Webseite des FC Luzern in einen literarischen Lustgarten zu verwandeln. Dem Gross-meister der Interpunktion und Grammatik gelingt es durch die simple Aneinanderreihung ein-zelner Buchstaben Wirkungen zu erzielen, von denen selbst Al-Kaida-Kämpfer in einem ge-kidnappten Jumbojet nur träu-men können. Im Prinzip wäre Daniel Frank schon jetzt reif für sein Lebenswerk geadelt zu werden. Wenn da nur nicht die frohe Gewissheit wäre, dass seine bedeutendsten Werke noch nicht geschrieben sind, dass seine Schaffens-kraft den Zenit ihrer Genialität noch lange nicht erreicht hat. Darf man einen Künstler ehren, dessen literarische Sackhaare – metaphorisch gesprochen – noch am spriessen sind? Nein, man darf nicht! Das wäre ein Verrat an seinen künftigen Werken, eine Beschmutzung des Ruhms, der mit Sicherheit noch kommen wird. Deshalb gibt’s vorerst «nur» den «Gün-ther Jauch»-Anerkennungs-preis für die höchst amüsante und unlösbare Quizfrage auf der FCL-Homepage: «Wer hol-te Natistar Diego Benaglio in die Bundesliga: Schiriakko Unfairza oder Felix Magath?» Wie sich hier feingeistige Wortspielerei mit lässigem Humor verbin-det ist in der Schweizerischen Fussballlandschaft einzigartig und zeugt eindrucksvoll von dem, was die FCL-Homepage dank Daniel Franks herausra-gendem Wirken auszeichnet:Professionalität und Klasse!

«Demokratie-Award»an

Walter Stierli Wie kein zweiter Präsident im Schweizer Fussball versteht es FCL-Patron Walter Stierli den Puls des Volkes zu spüren. Das zeigt sich besonders ein-drücklich in seinem jahrelangen Kampf für ein modernes Stadi-on. Es ist bewundernswert, wie der Vater der Swisspor-Are-na bei der Ausgestaltung des neuen Stadions die Interessen der FCL-Anhänger nie aus den Augen verlor. Wie sehr er sich immer bewusst war, dass es letztlich die Fans sind, die dem zukunftsweisenden Sta-dion-Schmuckkästchen Leben einhauchen werden. So war Walter Stierli denn auch hoch erfreut, als er erfuhr, dass die Fans anlässlich eines FCL-Heimspiels eine Abstimmung über die Frage «Kunstrasen oder nicht?» planten. Der kurs-sichere, allseits beliebte FCL-Steuermann versprach sich davon eine wertvolle Orientie-rungshilfe. Doch dann erfuhr er, dass die Abstimmung mittels Hochhalten eines roten Blattes (aus gefährlichem Papier!) hät-te stattfinden sollen. Wie gross muss der Schock für den ver-antwortungsbewussten FCL-Oberhirten gewesen sein, dem nichts so wichtig ist, wie die Sicherheit seiner Schäfchen. Die grossen Luzerner Brand-katastrophen vor Augen (Bahn-hof 1971, Kapellbrücke 1993) musste Walter Stierli die ge-plante Abstimmung schweren Herzens verbieten. «Die Brand-gefahr wäre einfach zu gross gewesen», erklärte der sicht-lich geknickte FCL-Präsident den anwesenden Medien. Als Trost gibt’s einen garantiert feu-ersicheren Stelzbock-Award.

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16 Stelzbock-Verleihung

«Anarchie-Award» an

Reto Mattmann Als der Auswärtssektor des Gersag-Stadions (wie schon derjenige auf der Allmend) mit einem imposanten Guantána-mo-Stacheldraht verschönert werden sollte, obwohl die Swiss Football League solche Mass-nahmen verbietet, hatte man beim FCL eine Erklärung für das nicht ganz reglementskonforme Vorgehen schnell parat. Reto Mattmann, Projektleiter des Gersag-Umbaus, fasste in we-nigen starken Worten zusam-men, worüber Anarchie-Theo-retiker ganze Bücher schreiben und erklärte kühn: «Manchmal muss man halt auch eigene Wege gehen, vor allem wenn Reglementstheorie und Realität weit auseinander liegen!» Ein Satz, so wuchtig wie ein Pflas-terstein an einer 1.Mai-Demo, der seine Wirkung prompt nicht verfehlte. Nicht nur Feuerwerks-liebende Ultras identifizierten sich mit Mattmanns revolutio-närer Losung, sondern auch FCL-Sicherheitschef Dani Ry-ter, der sich bei Personenkon-trollen im Stadion fortan frech als Polizist ausgab. Mattmanns erfrischend lockerer Umgang mit verbindlichen Reglementen machte auch verdientermassen ausserhalb Luzerns Schule. Als FCZ-Boss Ancillo Canepa kürzlich in bester Schildbürger-Manier beschloss, in Zukunft bei Hochrisiko-Spielen keine Tickets mehr an Auswärtsfans zu verkaufen, kümmerte es ihn wenig, dass ihn die SFL-Reglemente ausdrücklich dazu verpflichten. Mit einem Lächeln prostete er in Gedanken Reto «Che Guevara» Mattmann zu: «Manchmal muss man halt auch eigene Wege gehen...»

«Knigge-Award» an

Beat Hensler Dass sich knallharte, investi-gative Polizeiarbeit und höfli-cher Anstand gegenseitig nicht ausschliessen, beweist Beat Hensler auf bewundernswer-te Art und Weise. Als Luzerns höchster Polizist von seinen szenenkundigen Beamten er-muntert wurde, sich zwecks gut getarnter V-Mann-Tätigkeit den USL-Newsletter zu abonnieren, war der smarte Polizeiluchs, ähm pardon: Polizeifuchs hel-lauf begeistert. Endlich sah der hochintelligente Voralpen-Sher-lock-Holmes eine Möglichkeit, ins Innere dieser halbkriminel-len «Fan»-Organisation einzu-dringen und in den Besitz von brisanten, streng geheimen In-formationen zu gelangen. Wo und wann sich auch immer in Zukunft marodierende Hooli-ganbanden zu gewalttätigen Saubanner-Zügen verabreden sollten – Luzerns Polizeikom-mandant wäre ihnen einen Schritt voraus. Bei aller (berech-tigter!) Begeisterung über die eigene Genialität vergass Lu-zerns wohlerzogenster Freund und Helfer die Grundprinzipien menschlichen Anstands nicht und aktivierte vorbildlich in sei-nem Mail-Programm die auto-matische Abwesenheitsnotiz. So werden die United Sup-porters nun freundlicherweise regelmässig informiert, wenn Luzerns Polizeikommandant gerade wieder einmal «ferien-halber abwesend ist und das eingegangene Schreiben erst in ein paar Tagen beantwortet werden kann.» Als Dank dafür überreicht die Redaktion Beat Hensler in aller Höflichkeit ei-nen der begehehrten Awards. Herzlichen Glückwunsch!

«Präventions-Award» an

Willy Eicher Ein blutiger Amoklauf an einer Schule – kaum etwas schreckt mehr auf, als wenn dieser zivi-lisatorische Albtraum Wirklich-keit wird. Wenn marginale Ver-haltensauffälligkeiten plötzlich in blinde, zerstörerische Wut umschlagen, stösst unsere Gesellschaft an ihre Grenzen. So komplex sich das Thema in seiner ganzen tödlichen Trag-weite präsentiert, so schwierig ist eine wirkungsvolle Präventi-on. Im ehrlichen Bemühen, das Bestmögliche zur Verhinderung einer solchen Tragödie zu tun, lud das BBZN Sursee diesen Herbst zu einer internen Info-veranstaltung. Als Gastreferent wurde Willy Eicher eingeladen, ohne zu übertreiben DIE Inner-schweizer Koryphäe in Sachen professioneller «Amok-Präven-tion». Der Hauptmann der Lu-zerner Polizei kennt sich durch seine jahrelange Front-Erfah-rung an FCL-Spielen bestens aus mit (fremd-)zerstörerischem Verhalten, mit psychosozialen Aussenseitern und von Ge-waltfantasien heimgesuchten, zu zwischenmenschlichen Bindungen unfähigen, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung schwer retardierten, krankhaft narzistischen Borderlinern. Auf die besorgte Frage nach einer möglichen Früherkennung po-tentieller Täter wusste Eicher denn auch beruhigenden Rat: Auf junge Leute mit 1901-Uten-silien sei besonderes Augen-merk zu legen. Wir sind froh, dass unsere Sicherheit (und die Sicherheit der Luzerner Schul-kinder) in derart kompeten-ten Händen liegt und wissen, dass ein Stelzbock-Award als Dank dafür viel zu wenig ist.

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1 Jahr Zone 5 17

Jassobig, Bingo und Party, Party, Party

Im November konnte die Zone 5 die erste Ge-burtstagstorte anschnei-den. Einer der Barbe-treiber zieht ein Fazit nach dem ersten Jahr.

«Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich noch bestens an diesen kalten 7. November im Jahr 2008. Nachdem wir die letzten Tage praktisch Tag und Nacht gewerkelt haben, gelang es uns praktisch in letz-ter Sekunde, das Lokal für die grosse Eröffnungsparty einiger-massen fertigzustellen. Erst als der überwältigende Ansturm unter Kontrolle gebracht wer-den konnte und Friedli & Fränz zum ersten Mal tüchtig in die Saiten griffen, realisierten wir, mit welchem Kraftakt wir da innert kürzester Zeit alles auf die Beine gestellt hatten. Eine grosse Befriedigung machte sich breit und das so langer-sehnte Fanlokal wurde mit ei-ner geilen Party eingeweiht. Neben unzähligen Kleinigkeiten mussten im ersten Betriebsjahr

auch diverse grössere Investi-tionen gestemmt werden. So kostete uns zum Beispiel alleine der gesetzeskonforme Notaus-gang annähernd 10‘000 Fran-ken. Ebenso durfte im Herbst der stinkige, abgelebte Teppich einer schmucken Kunststoff-unterlage weichen. Ganz ohne Proteste der Fanszene übri-gens. Obwohl aus dem alten, verstaubten Gourmet-Tempel mittlerweile ein gemütliches Fanlokal entstanden ist, wird uns auch im zweiten Betriebs-jahr die Arbeit nicht ausgehen. So ist neben dem Austausch der Bestuhlung auch ein er-neuertes Lichtkonzept Thema.

Namhafte Gäste

Obwohl mit dem Eröffnungs-event die Latte bedrohlich hoch gesetzt wurde, folgten viele weitere legendäre Anlässe unter der genialen Anleitung unserer Kreativabteilung um LUzifer und SBS. Unvergessen bleiben das urige Oktoberfest mit der schril-len Band aus Ost-St.Gallen, die fetten Hip-Hop-Konzerte, die extasischen Technopartys mit

DJ Don Casual und die diver-sen Live-Acts mit so namhaften Akteueren wie Mothers Pride, Henrik Belden, Johnny Burn oder dem Lokalmatador EMM. Es gab aber durchaus auch etwas gemächlichere Anlässe, welche auf grosses Echo sties-sen. So etwa das Bingo mit den etwas aussergewöhnlichen Preisen rund um den FCL und anderen Millieus, der Jassobig mit dem Ländlerduo Britschgi oder die kultigen Auftritte von Pascal Claude. Das aktuells-te Highlight war nun, genau ein Jahr nach der Eröffnung, die grosse Geburtstagsparty mit dem DJ-Battle um Wiesel, Frizzel, SBS und Don Casual.

Ebenfalls möchten wir von der Betriebsgruppe den Anlass nut-zen um unseren Gästen zu dan-ken. Neben kleineren, vor allem alkoholbedingten Auswüchsen hatten wir dank dem disziplinier-ten Verhalten der Szene keiner-lei nennenswerte Zwischenfälle und bekommen von der Ver-mieterin, den Anwohnern und der Polizei durchwegs gute bis sehr gute Noten ausgestellt.»

Für das erfolgreiche erste Jahr durfte die Crew der Zone 5 eine Torte entgegen nehmen.

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18 Groundhopping-Bericht

Gefälschte Tickets und brennende Schals

Matula kennt die schöns-ten Stadien der Welt, be-suchte die faszinierends-ten Derbys und schreibt exklusiv für den Stelzbock.

RIVER PLATE - BOCA JUNI-ORS 1:4

30.1.1997, Estadio Mundi-alista Malvinas, Mendoza/ARG

Wenn River Plate und die Boca Juniors aufeinander treffen, herrscht in Argentinien jeweils so etwas wie Ausnahmezu-stand, denn das Spiel der ewigen Rivalen ist nicht nur

eines der grössten Derbys, das der Fussball weltweit zu bieten hat, sondern auch ein Kampf zwischen arm und reich. Auf der einen Seite die Juniors aus dem eher ärmlichen Ha-fenviertel La Boca gegen die sogenannten Millionarios von River Plate, welche vor allem Leute aus der Mittel- und Ober-schicht zu ihren Fans zählen dürfen. Leider kommt es beim Superclasico, wie das Derby von den Argentiniern respekt-voll genannt wird, auch immer wieder zu Gewaltexzessen. Trauriger Höhepunkt sicherlich der 23. Juni 1968, als Boca-Fans brennende Zeitungen in den River-Block warfen und bei der anschliessenden Massen-

panik 74 Menschen ums Le-ben kamen. Auch danach kam es immer wieder zu Mor-den zwischen den verfeinde-ten Banden. Zuletzt im Jahr 2002, als ein 14-Jähriger am Rande eines Derbys erschos-sen wurde. Obwohl es sich bei der diesmal anstehenden Begegnung nur um ein Spiel des Copa del Verano, einem prestigeträchtigen Vorberei-tungsturnier auf die bald be- ginnende Meisterschaft han-delte, waren Tickets natürlich längst vergriffen und auch die Zeitungen berichteten schon Tage im Voraus auf bis zu zehn Seiten über den bevor-stehenden Superklassiker. Am Spieltag machten wir uns dann

Statt der zugelassenen 42‘000 verfolgten mehr als 60‘000 das «Superclasico» im Stadion.

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Groundhopping-Bericht 19

schon früh los Richtung Zen-trum der Weinmetropole Men-doza, welche am Fuss der An-den und etwa 14 Busstunden von der Hauptstadt Buenos Ai-res entfernt liegt, um doch noch irgendwo eines der begehrten Tickets zu ergattern. Relativ schnell wurden wir dann auch fündig und erhielten auf der Strasse Karten zu einem fairen Preis. Ein Zivilpolizist, der unse-ren Deal mit dem zwielichtigen Strassenhändlern mitverfolgte, wollte dann mal unsere soeben erstandenen Karten sehen und meinte nach kurzem Betrach-ten, dass wir uns gefälschte Bil-letos haben andrehen lassen. Da wurde uns natürlich auch klar, weshalb wir für die Tickets «nur» knapp mehr als den Ori-ginalpreis zahlen mussten. Auf dem Weg zum Stadion die Karten noch dem Taxifahrer gezeigt und als auch dieser zu Fälschungen tendierte, kam doch langsam ein mulmi-ges Gefühl auf. Trotz des eher peinlichen Anfängerfehlers ver-suchten wir mit unseren Karten das Stadion zu betreten, was dann auch problemlos klappte.

Lieder mit mehreren Strophen

Das Stadion, welches bis 1982 noch Estadio Ciudad de Men-doza hiess und extra für die Weltmeisterschaft 1978 er-baut wurde, war dann schon eine Stunde vor Anpfiff mass-los überfüllt. Auch wir standen pünktlich zum Ankick in der Kurve, wo sich auch die An-hänger von River Plate befan-den und das Stadion mit ihren Gesängen von der ersten Minu-te an in einen wahren Hexen-kessel verwandelten. Kannte man aus europäischen Ligen vor allem kurze Schlachtru-

fe, so waren es hier Lieder über mehrere Strophen die, begleitet von Pauken, Trom-peten und allen möglichen Instrumenten, teilweise bis zu zehn Minuten lauthals von der ganzen Kurve intoniert wurden. Ziemlich beeindruckend das Ganze, auch weil man sich zu jener Zeit die Stimmung aus den argentinischen Kurven noch nicht per YouTube in die heimische Stube holen konn-te. Auch die schwache Vor-stellung ihres Teams sowie die glühende Sonne, die direkt über dem ausser der Haupt-tribüne undedeckten Runds stand, taten der fanatischen Stimmung keinen Abbruch.

Chipspackung als Pissoir

Weil der Block dermassen überfüllt war, war es praktisch unmöglich, nicht mitzuhüpfen wenn der ganze Mob im Kol-lektiv durchdrehte. Sowas hatte man noch nie erlebt, aber leider hat auch alles seine Schatten-seite und so war ein Gang auf die Toilette oder zu den klei-nen Getränkestand im Bauch der Tribüne ein Ding der Un-möglichkeit. Wie die Einheimi-schen das handhaben, erfuhr ich, als einer neben mir in eine leere Chipspackung urinierte und diese mit einer gekonnten Wurfbewegung über die Köpfe hinweg in den Hintertorbereich beförderte. In der zweiten Halb-zeit konnte es dann auch mal vorkommen, dass sich eine solche Packung samt Inhalt in den Strafraum des Boca-Tor-hüters verirrte. Nicht gerade die feine Art. Trotz der sich anbah-nenden Niederlage blieb das Stimmungsbarometer bis zum Schluss konstant hoch, aber zu mehr als einem Ehrentreffer

reichte es gegen ein diesmal zu starkes Boca nicht. Als dann der Ref das Spiel abpfiff, ging es möglichst schnell raus aus dieser Sardinendose, um ir-gendwo das Erlebte bei einem kühlen Quilmes zu verarbeiten. Dazu hätten wir aber besser unsere neu erstandenen River-Schals abgezogen, denn die Strassen waren jetzt nur noch gefüllt mit feiernden Boca-Bar-ras und ehe wir uns versahen tanzte auch schon ein recht üb-ler Haufen um uns drei Gringos und entledigte uns sofort dieser Schals. Diese haben dann auch relativ gut gebrannt, während die johlende Meute um das Feuer-chen hüpfte und uns ein paar Hassgesänge entgegenbrach-te. Eine Gruppe Polizisten, die an fast jeder Ecke standen und das Ganze zuerst noch desinter-essiert mitverfolgte, befreite uns dann schliesslich aus unserer misslichen Lage. Denn als einer der Bocas auch noch mit einem Messer rumfuchtelte, wurde es schon langsam ungemütlich, aber die gut bewaffneten Ord-nungshüter vertrieben dann die Pöbler und wir verzogen uns dann auch mal in das siche-re Hotel. Das war dann wohl Anfängerfehler Nummer zwei.

Fantastische Atmosphäre

Tags darauf war dann noch zu erfahren, dass statt der zuge-lassenen 42‘000 Zuschauer fast 60‘000 im Stadion gewesen sein sollen. Da haben sich wohl noch andere gefälschte Karten andrehen lassen. Dies war mein bislang einziger Superclasico, doch habe ich viele Spiele in Argentinien gesehen, die es in Sachen Atmosphäre und Bri-sanz locker mit der Mutter aller Derbys aufnehmen können.

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20 Postkarte aus Como

Stelzbock-Bar am Barstreet-Festival 2009Auch an der diesjährigen Ausgabe sind die USL mit der Stelzbock-Bar wiederum prominent ver-treten. Du findest uns am altbewährten Standplatz im hinteren Teil der Halle. Auch bei der vier-ten Teilnahme verkaufen wir verbilligte Tickets à 16 Franken an unsere Mitglieder. Die Ti-ckets erhältst Du wie gewohnt am Tresen der Zone 5 sowie an der Stelzbock-Bar direkt.

Komm vorbei und gönn Dir einen kühlen Drink, denn wiederum fliesst jeder verdiente Fran-ken direkt in die USL-Kasse. Das detaillierte Programm findest Du unter www.barstreet.ch.

Un grande saluto aus Como

Die Como-Kolumne ist wieder auferstanden. Nachdem wir längere Zeit nichts mehr von unseren Freunden aus Italien ge-hört haben, hat uns Ricky eine Postkarte gesendet.

«Un grande saluto an un-sere Freunde aus Luzern. Ihr seid diese Saison sehr stark gestartet und das freut mich sehr.

Unser Team hat im Mo-ment noch etwas Mühe, aber ich hoffe, dass wir bald den Anschluss finden können.

Sehr bald kommen wir euch wieder besuchen. Denn bei euch herrscht immer gute Stimmung und eureFreundschaft ist uns sehr wich-tig.

Bis bald,Ricky»


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