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BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Date post: 10-Mar-2016
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Beispiele ökologischer Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg
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Weißbuch Wald – Waldbau und Naturschutz Beispiele ökologischer Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg 4,– EUR werkzeug
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Page 1: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Weißbuch Wald – Waldbau und Naturschutz

Beispiele ökologischer Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg

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Page 2: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

1 Vorwort 3

2 Einleitung 4

3 Erfolge der Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg 7

4 Ökologie im Wald, aber wie? Waldbauliche Möglichkeiten für Forstbetriebe und Waldbesitzer 10

4.1 Waldverjüngung – Verjüngungskur kostenlos 104.1.1 Kahlschlag – schlagkräftig mit Nebenwirkungen 104.1.2 Waldverjüngung - natürlich kommt besser an! 114.2 Baumartenwahl - heimisch bevorzugt 134.3 Vorratshaltung – Nachhaltigkeit ist angesagt 144.4 Stabilität – Garantie für die Zukunft 154.4.1 Struktur im Wald - Abwechslung muss sein! 154.4.2 Vorsichtige Pflegeeingriffe – Gut Ding will Weile haben 164.4.3 Baumartenmischung – Vielfalt gibt den Ton an 164.5 Technik und Wege im Wald – ist weniger mehr? 164.5.1 Technik im Wald - nicht ohne Know-how! 164.5.2 Fahrwege, Maschinenwege und Rückegassen – mobil im Wald ohne Schäden 174.5.3 Ausbildung des Personals – Qualität zahlt sich aus! 184.6 Waldschutz – Prävention statt Nachsehen 184.6.1 Gifte im Wald? Es geht auch ohne! 194.6.2 Wildbestände – tierische Gefahr für junge Bäume 194.7 Artenschutz im Wald – genetisches Fundament für die Zukunft 21

5 Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg 225.1 Privatwaldbetriebe 235.2 Kommunalwälder 355.3 Staatswälder 49

6 Gelungene Naturschutzmaßnahmen im Wald 586.1 Markierung von Habitatbäumen 586.2 Vorkommen und Schutz von Alt- und Totholz 616.3 Wiedervernässung von Mooren und Feuchtbiotopen 646.4 Pflege von Bachläufen im Wald 676.5 Förderung seltener Baumarten 696.6 Förderung der Weißtanne durch die Jagd 726.7 Freiflächenmanagement im Wald und historische Nutzungsformen 736.8 Gezielte Artenschutzmaßnahmen 76

7 Waldnaturschutz in den verschiedenen Waldbesitzarten 80

8 Zusammenfassung 84

9 Voraussetzungen für einen erfolgreichen Waldnaturschutz aus Sicht des BUND Baden-Württemberg 86

10 Literatur 88

11 Adressverzeichnis 90

12 Abkürzungsverzeichnis und Glossar 92

Impressum 94

Inhalt

Page 3: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

D ie Vereinten Nationen haben 2011 zum „InternationalenJahr der Wälder“ erklärt. Auf internationaler Ebene wirdein Konsens über Bewirtschaftung, Erhaltung und nach-

haltige Entwicklung der Wälder angestrebt. Die Fürsorge für un-sere Wälder steht 2011 im Zentrum internationaler und nationa-ler Aktionen. Auch der BUND widmet sich diesem Thema.

Unsere Wälder müssen eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen: Ne-ben der Bereitstellung von Holz, dienen die Wälder nicht nur alsLebensraum für Tiere und Pflanzen, sondern auch dem Klima-,Immissions-, Boden- und dem Wasserschutz sowie den unter-

schiedlichsten Freizeitaktivitäten und der Erholung. Im Rahmen von „Natura 2000” tragen wir inBaden-Württemberg eine besondere Verantwortung für den Schutz der im Wald lebenden Arten.

Die Forstwirtschaft hat die schwierige Aufgabe, diesen unterschiedlichen Ansprüchen an dieWaldbewirtschaftung nachhaltig gerecht zu werden und gleichzeitig die Biodiversität im Wald zuerhalten und zu fördern. Da so viele Interessen aufeinanderprallen, geraten Waldbesitzer schnellin Zielkonflikte und somit immer wieder in die Kritik der Öffentlichkeit. Schließlich bewirtschaf-ten sie ein gutes Drittel unserer Landesfläche. Das geht jeden etwas an.

Derzeit wird in bewirtschafteten Wäldern eine zunehmende Kommerzialisierung beobachtet. Auch imPrivat- und Kommunalwald wächst bei hohem Anspruch an die Multifunktionalität der Wälder undlangfristig mehr oder weniger niedrigen Holzpreisen der finanzielle Druck. Der Klimawandel stellt Förs-ter und Waldbesitzer zusätzlich vor neue Aufgaben. Waldwirtschaft wird noch komplexer und an-spruchsvoller. Um so mehr muss besonders darauf geachtet werden, dass der Naturschutz im Wald nichtaus dem Blickfeld gerät. Ziel muss eine Waldwirtschaft sein, die sowohl Ökonomie und Ökologie, Holz-nutzung und Naturschutz nachhaltig im Gleichgewicht hält. Nur so wird den vielfältigen Ansprüchen anunsere Wälder Genüge getan.

Das Weißbuch Wald soll aufzeigen, dass der Naturschutz nicht zwangsläufig hinter den Interes-sen anderer Waldnutzungen zurückstecken muss. Vielen Forstbetrieben gelingt es, die Interessendes Naturschutzes und der Holzproduktion zu vereinen und Konflikte zu verringern. Das Weiß-buch will diese positiven Entwicklungen in den Wäldern Baden-Württembergs herausstreichenund würdigen. Anhand von gelungenen Beispielen aus Baden-Württemberg will der BUND ver-deutlichen, dass auch unter den heutigen Bedingungen eine Annäherung an dieses Ziel auf ver-schiedenen Wegen möglich ist. Der BUND will außerdem verdeutlichen, dass auch bei wirtschaft-licher Betriebsführung mit Kompetenz, Engagement und Liebe zur Natur viel für den Wald unddie darin lebenden Arten getan werden kann.

Wir bedanken uns bei allen Förstern und Waldbesitzern sowie Ämtern und Behörden, die diesepositiven Beispiele gestalten und leben. Wir bedanken uns ebenso für das große Vertrauen, das sieuns entgegen gebracht haben und dafür, dass sie sich mit ihren guten Beispielen am WeißbuchWald so rege beteiligt haben.

Dr. Brigitte DahlbenderLandesvorsitzende BUND Baden-Württemberg

Vorwort 1

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Baden-Württemberg ist ein waldreichesLand, 38,1 % der Landesfläche sind be-waldet. Die Forstwirtschaft prägt damit

einen Großteil unserer Landesfläche. Die Wald-besitzer und Förster haben die verantwor-tungsvolle und nicht immer einfache Aufgabe,die vielfältigen Ansprüche der Gesellschaft anden Wald langfristig und umsichtig zu erfüllen.Im Wald treffen z.B. die Interessen von Cross-bikern und Schneeschuhwanderern auf die An-liegen der Artenschützer, die Anforderungenzum Erhalt der Biodiversität auf die schwerge-wichtigen Nutzungsinteressen der Holzindus-trie. Die Erfüllung aller Funktionen ist nichtimmer kostenfrei, denn gerade Naturschutzund Erholung im Wald bedingen Investitionenin Projekte. In der seit langem angespanntenfinanziellen Lage sind Waldbesitzer (Privatper-sonen, Kommunen, Kirchen, Körperschaftenund der Staat) meist darauf angewiesen, dasssich ihr Wald zumindest selbst trägt und miteinem günstigen Verhältnis zwischen Aufwandund Ertrag bewirtschaftet werden kann. Der fi-nanzielle Druck auf Förster und Waldbesitzerist in den letzten Jahren angestiegen, zuneh-mend auch im öffentlichen Wald. Der Natur-schutz darf dabei nicht auf der Strecke bleiben.

Die Waldbewirtschaftung unterlag schon in derGeschichte, in Abhängigkeit von der jeweiligvorherrschenden politischen und wirtschaftli-chen Situation im Lande, unterschiedlichsten,stetig wechselnden Zielvorstellungen, Vorga-

ben und Leitgedanken. In massiver Weise grif-fen die Menschen in den Wald ein und be-stimmten damit sein Erscheinungsbild. Auchverschiedene Baumarten wurden, bedingtdurch neue Trends, zu unterschiedlichen Zeitenfavorisiert. Bis in das 19. Jahrhundert hineinwaren Waldgewerbe wie z.B. Köhlerei, Teersie-derei und Pottaschengewinnung weit verbrei-tet. Zusammen mit der Mast, Streu- und Plag-gennutzung fanden so beinahe ausschließlichLaubhölzer Verwendung, hauptsächlich Eicheund Buche. Doch im Zuge technischer Neue-rungen starben die alten Gewerbe aus und alswichtigstes Waldgewerbe blieb schließlich dieProduktion von Bauholz für die sich entwi-ckelnde Wirtschaft. Schlagweise Hochwälderaus Nadelholz, meist Fichte, wurden angelegt.Rechtwinklige, aufgeräumte Altersklassenwäl-der im Kahlschlagbetrieb wurden propagiert.

Sehr unterschiedliche, teils sogar gegensätzli-che Leitbilder ersetzten sich nacheinander undließen den Wald im Wandel der Zeit zu einemrein menschlich geprägten Gebilde werden.Mehrere Förstergenerationen waren somit im-mer wieder vor die Aufgabe gestellt, die vomjeweiligen Zeitgedanken geprägten Taten ihrerVorgänger wieder „gerade zu bügeln“ und demjeweiligem neuen Leitbild anzupassen. Keineleichte Aufgabe, denn die Uhr tickt im Waldein wenig anders – Bäume sind schnell gefällt,brauchen aber Jahrzehnte um wieder zu wach-sen. Jede Wirtschaftsweise hat langfristigeAuswirkungen auf das Erscheinungsbild unddas Ökosystem Wald. Die Auswirkungen vonMaßnahmen im Wald können viel länger als100 Jahre spürbar bleiben, manche auch dau-erhaft, wie z.B. die Ausrottung von verschiede-nen Pflanzen- und Tierarten. Anders herumbetrachtet heißt dies aber auch, dass wir vieleschützenswerte Arten und Strukturen, die heu-te in unseren Wäldern noch zu finden sind,oftmals der Umsicht jener Menschen verdan-ken, die in früheren Generationen im Wald ge-wirtschaftet, den Wert dieser Strukturen er-kannt und diese geschützt haben.

Einleitung2

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Alle im und mit dem Wald agierenden Ent-scheidungsträger tragen die Verantwortung,die Biodiversität in unseren Wäldern zu erhal-ten und möglichst zu verbessern. Die Staatender Europäischen Union haben sich mit demeuropäischen Schutzgebietskonzept „Natura2000“ die Erhaltung der biologischen Vielfaltin Europa zum Ziel gesetzt, welche nun kon-kret auch im Wald umgesetzt werden muss.Gemeinsam soll ein europaweites Netz vonSchutzgebieten geschaffen werden, mit dessenHilfe wildlebende Tiere und Pflanzen und ihrenatürlichen Lebensräume erhalten oder wie-derhergestellt werden sollen. Innerhalb der Na-tura 2000-Gebiete sind zahlreiche Tierartenwie Spechte, Fledermäuse und Holzkäfer sowiePflanzen und ihre jeweiligen Lebensstätten un-ter Schutz gestellt. Es handelt sich um die Ar-ten des Anhangs II der FFH-Richtlinie. VieleWaldarten genießen auch einen flächende-ckenden Schutz; sie gehören zu den im An-hang IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Ar-ten. Lebensraumtypen wie Buchen- und Ei-chenwälder, Fließgewässer und Mähwiesensind nach Anhang I der FFH-Richtlinie unterSchutz gestellt. Die betreffenden Arten und Le-bensraumtypen sind gemäß FFH-Richtlinie ineinem günstigen Zustand zu erhalten (Ver-schlechterungsverbot). Deutschland kommtdabei eine besondere Verantwortung gegen-über den Buchenwäldern und aller darin leben-den Arten zu, weil es im Zentrum des natürli-chen Verbreitungsgebietes der Buche liegt.

Förster und Waldbesitzer müssen bei ihremHandeln in FFH-Gebieten dem Verschlechte-rungsverbot Rechnung tragen. Nach einem Be-schluss der EU-Staats- und Regierungschefssollte bis zum „Internationalen Jahr der Biolo-gischen Vielfalt 2010“ der Rückgang der Artengestoppt werden. Dies ist nicht gelungen. Auchin Deutschland ist die Situation unverändertkritisch: Ein hoher Prozentsatz der Lebensräu-me von Pflanzen und Tieren in Deutschland istgefährdet, auch Waldlebensräume sind davonbetroffen. Der Erhalt und die Schaffung bzw.Wiederherstellung und Entwicklung von Le-bensräumen sind damit neben der Holznut-zung eine der wichtigsten Verantwortungen,denen sich die Waldwirtschaft stellen muss.

Die Interessen am Wald sind heute vielfältigerdenn je. Insbesondere die Holzindustrie hat ei-nen nicht unerheblichen Einfluss auf die Artund Weise des Waldbaus. Als Käufer des Pro-duktes Rundholz prägt sie in starkem Maße dieZielvorgaben zur Baumartenwahl, zum Alterund zur Dimension der Bäume. Durch dieHolzpreise werden Wirtschaftsweisen beein-flusst. Die größten Sägekapazitäten gibt es der-zeit im Bereich des schwachen und mittelstar-ken Fichtenholzes, dessen Produktion leiderhäufig naturferne, schematische Waldbaulö-sungen nach sich zieht bzw. in den vergange-nen Jahrzehnten zu diesen geführt hat. Die In-teressen des Naturschutzes blieben dabei nichtselten auf der Strecke. Auch der Endverbrau-

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cher hat durch seine Nachfrageam Markt einen nicht unerhebli-chen Einfluss auf die Gestaltungdes Waldbaus und den Waldnatur-schutz. Durch den Kauf von rotker-nigem Buchenholz können z.B. alteBuchenbestände länger stehen blei-ben. Buchen erhalten mit zuneh-mendem Alter einen „Rotkern“,eine dekorative Verfärbung imHolz, die beim Kunden lange Zeitunerwünscht war. So mussten Bu-

chen oftmals in relativ jungem Alter geschla-gen werden, damit das Holz noch weiß und gutverkäuflich war. Viele Tierarten benötigen fürihre Entwicklung und Fortpflanzung alte Bu-chen als Lebensraum und sind heute durch denfrühen Hieb in ihrem Fortbestand bedroht.Auch der Kauf von heimischem Tannenholzunterstützt den Markt für dieses Holz und da-mit die Förderung dieser wertvollen Baumartgegenüber der Fichte oder Douglasie.

Die Einflüsse auf die Art der Waldbewirtschaf-tung sind und waren seit jeher vielfältig. Vor-sichtiges, Natur schonendes Handeln im Waldund weniger das Verfolgen aktueller Trends hatsich in der Vergangenheit oft ausgezahlt undzu langfristig guten Ergebnissen geführt. DieAnerkennung dieser Ergebnisse in der Forst-wirtschaft soll Förstern und Waldbesitzern Mutmachen und sie motivieren, diese für sie häufigsteinigen Wege eines naturnahen Waldbausweiterhin zu beschreiten. Das Weißbuch Waldsoll zudem der Öffentlichkeit zeigen, welchevielfältigen Leistungen für den Naturschutzdurch die Forstwirtschaft oftmals vollkommenunbemerkt vollbracht werden. Viele alltägli-che, gemeinnützige Arbeitsleistungen der Förs-ter und Waldbesitzer werden in der Öffentlich-keit kaum erkannt oder thematisiert, geschwei-ge denn gewürdigt. Das Weißbuch Wald willdarauf aufmerksam machen. Vorgestellt wer-den nicht nur außergewöhnlich kostspieligeoder seltene Maßnahmen zum Schutze der Na-tur. Exemplarisch stellen wir auch jene häufi-gen, alltäglichen, kleinen Leistungen vor, die

trotz starker zeitlicher Belastungen „nebenbeimitlaufen müssen“, dem Waldbesitzer und Förs-ter jedoch viel Arbeitszeit, Engagement undGeld kosten. Das Weißbuch kann kein vollstän-diges Bild der Naturschutzleistungen von Förs-tern und Waldbesitzern geben. Auch ist dasWeißbuch nicht als vollumfängliches Kompen-dium für mögliche Naturschutzmaßnahmen imWald zu verstehen. Vielmehr werden aus derVielzahl guter und nachhaltiger Waldnut-zungsformen und Waldnaturschutzmaßnah-men in baden-württembergischen Wäldern ei-nige Beispiele exemplarisch herausgegriffenund vorgestellt, auch, um zur Nachahmunganzuregen. Das Spektrum umfasst sowohl ge-samt- bzw. teilbetriebliche Ansätze als auchEinzelmaßnahmen und dies über alle Waldbe-sitzarten hinweg. Viele der vorgestellten Pro-jekte sind in Zusammenarbeit von Waldbesit-zern und Forstleuten mit dem amtlichen oderehrenamtlichen Naturschutz entstanden. Dieerfreulichen Ergebnisse verdeutlichen, dass dieZusammenführung der verschiedenen Kompe-tenzen überaus fruchtbar ist. Das Weißbuchsoll dazu anregen, Naturschutzprojekte zu-künftig verstärkt in Gemeinschaftsarbeit vonForst und Naturschutz anzugehen.

Wir benötigen den umweltfreundlichen Roh-stoff Holz aus nachhaltiger heimischer Wirt-schaft und nicht das Billigprodukt Holz ausRaubbau in ärmeren Ländern. Seine Produkti-on und seine Entsorgung sind gegenüber kon-kurrierenden Rohstoffen unübertroffen um-weltschonend. Das Einsparen von Transport-wegen und der vergleichsweise niedrige Ener-gieaufwand sowie die Durchsichtigkeit derWirtschaftsweise machen Holz aus Baden-Württemberg zu einem unverzichtbaren um-weltfreundlichen Rohstoff. Wir benötigenHolz. Wir brauchen unsere Wälder aber auchals Lebensraum und zur Erfüllung vielerSchutzfunktionen. Naturschutz im Wald mitder Holzproduktion und anderen Waldfunktio-nen in einen höchstmöglichen Einklang zubringen ist ein Ziel, das nur durch gemeinsameAnstrengungen erreicht werden kann.

Einleitung

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Erfolge der Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg

Die Wälder Baden-Württembergs habennach fast zwei Jahrhunderten Alters-klassenwirtschaft in den letzten Jahr-

zehnten ihr Gesicht verändert. Bereits seit den1950er Jahren gibt es erste Bemühungen, Buchenin Nadelwaldbestände einzubringen. Der Wegvom gleichaltrigen Reinbestand zum vielfältigenMischwald ist lang und steinig - aber fast 30 Jah-re naturnahe Waldwirtschaft haben bereits zuvielen positiven Entwicklungen geführt.

Die Erziehung von gesunden Mischwaldbestän-den in Anpassung an den Standort, die zuneh-mende Vermeidung von Kahlschlägen, die Nut-zung der Naturverjüngung und eine schonende-re und pfleglichere Holzernte haben in einemfür den Wald relativ kurzen Zeitraum in vielenbaden-württembergischen Wäldern Wirkunggezeigt. Wo einst Fichtenreinbestände reihen-weise dem Sturm und dem „Käfer“ zum Opferfielen, wurden vielerorts standortsgerechteLaubbäume gepflanzt – Baumarten, deren öko-logische Ansprüche mit den erfassten Eigen-schaften der jeweiligen Standorte übereinstim-men. Labile Nadelreinbestände wurden mitLaubbäumen unterbaut und somit der Grund-stock für eine langsame Überführung in Laub-oder Mischwälder gelegt. Das Beimischen vonLaubbäumen in Nadelwälder bzw. die Erziehungvon Mischwäldern hat positive Auswirkungenauf die Bodenfruchtbarkeit und Stabilität mitsich gebracht.

Auf diese Weise hat sich der Anteil an Laub-hölzern in Baden-Württemberg in den letztenJahrzehnten stetig vergrößert, nicht zuletztauch wegen mehrerer Sturmereignisse. Seitden 1980er Jahren erfolgte eine langsame, abersehr kontinuierliche Annäherung an das Zielvon ForstBW, 50 % Laubbäume und 50 % Na-delbäume im Wald des Landes zu sichern.

Erfreulich ist auch die Entwicklung einigerBaumarten, die wieder verstärkt zum Zugekommen: Nachdem z.B. die Weißtanne bis indie 1980er Jahre schwere Einbußen hat erlei-den müssen, ist es gelungen, dass sich der An-teil der Tanne in Baden-Württemberg seithernicht weiter verringert hat (siehe Abbildung 1).

Auch die Vorratsentwicklung, also die Mengedes Holzes auf der Fläche, zeigt sich in den1980er und 1990er Jahren tendenziell positiv.Trotz der Stürme Vivian/Wiebke 1990 und Lo-thar 1999 hat sich der durchschnittliche Vorratim Land stetig vergrößert, obwohl sie in einzel-nen Betrieben einen heftigen Vorratsabfall mitsich gebracht haben. Immer mehr Holz stehtund wächst je Hektar Wald, vor allem im Kom-munal- und Privatwald. Erst zu Beginn desneuen Jahrtausends wurde dieser Aufwärts-trend kurzzeitig unterbrochen. Aber auch imStaatswald zeichnet sich seit 2005 wieder einleichter Aufwärtstrend ab. Nun gilt es vor al-lem, das Niveau des Holzvorrats wenigstens zu

Abbildung 1: Baumartenentwick-lung in Baden-Württemberg von 1850 - 2005 (Quelle: MLR Baden-Württemberg 2008)

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3

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halten und die Aufbauarbeit der letzten beidenJahrzehnte nicht wieder zu zerstören. Erreichtwerden kann dies, indem nicht mehr Holz ein-geschlagen wird als jährlich nachwächst. Dasverhältnismäßig langsame Wachstum der eu-ropäischen Baumarten und die dadurch be-dingten langen Zeiträume bis zur Reife einesBaumes bedingen ein besonders umsichtigesHandeln.

Auch die Grundsätze des Waldbaus waren seitden 1980er Jahren zunehmend einem Wandelunterworfen. Der Anteil von Plenterwäldern,Plenterüberführungswäldern und Dauerwäl-dern, also Wälder, bei denen immer Bäume

verschiedener Altersstufen auf der Fläche ste-hen, ohne dass eine vollständige Räumung desAltbestandes erfolgt, steigt in Baden-Württem-berg seit Anfang der 1990er Jahre kontinuier-lich an (siehe Abbildung 3).

Trotz der beschriebenen positiven Tendenzenkann sich die Forstwirtschaft keineswegs be-ruhigt zurücklehnen. Durch jüngste strukturel-le Veränderungen – im letzten Jahrzehnt folg-te eine Verwaltungsreform der anderen – sowiedurch einen erhöhten finanziellen Druck aufdie Betriebswirtschaftlichkeit der Forstverwal-tung, besteht seit einigen Jahren verstärkt dieGefahr, dass Wälder wieder auf reine Holz-

Abbildung 2:

Vorratsentwicklung

(Vfm/ ha HB = Vorrats-

festmeter/ Hektar

Holzboden) in Baden-

Württemberg unter-

teilt nach den

verschiedenen

Waldbesitzarten

(Privatwald > 200 ha)

(Datenquelle: Testbe-

triebsnetz Forstwirt-

schaft BMELV/FVA)

Abbildung 3:

Entwicklung des

Anteils von Dauer- und

Plenterwäldern an der

Holzbodenfläche

(Datenquelle: Testbe-

triebsnetz Forstwirt-

schaft BMELV/FVA)

200220240260280300320340360380

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Staatswald

Kommunalwald

Privatwald > 200 ha

0,00

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3,00

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6,00

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BH

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Staatswald

Kommunalwald

Privatwald > 200 ha

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Erfolge der Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg

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produktionsstätten reduziert werden. Durchhohe Hiebsvorgaben finden sich viele Försterungewollt in waldbaulich oft unerfreulichenZwängen wieder, wie z.B. in Altbestände starkeingreifen zu müssen, um ihr Jahressoll zu er-füllen. Im Jahr 2007 hat der Staatswald mit ei-nem durchschnittlichen Holzvorrat von 332Vfm/ha seine langjährige Vorreiterrolle gegen-über dem Privatwald1 mit 335 Vfm/ha unddem Kommunalwald mit 345 Vfm/ha deutlichverloren, was auch Abbildung 2 zu entnehmenist. Im letzten Jahrzehnt wurde der Hiebssatzfür Buche und sonstige Laubbäume, also der indem Zehnjahresplan festgelegte jährliche Holz-einschlag, nicht nur immer wieder überschrit-ten, sondern zudem kontinuierlich angehoben(siehe Abbildung 4). Auch wenn der Buchen-anteil zugenommen hat, bestehen diese Neu-zugänge vorwiegend aus Jungbeständen, dienoch keine Auswirkung auf die Höhe desHiebssatzes haben dürften. Wahrscheinlicherist hier, dass zunehmend im Altholz abge-schöpft wurde und wird. Auch bei der Nut-zung von Fichte, Tanne und Douglasie wurdehäufig der Hiebssatz überschritten, die hohenZwangsnutzungen nach den Stürmen Vivienund Wiebke und dem Orkan Lothar wurden da-bei nicht ausgeglichen.

Vor allem im Staatswald fehlt zunehmend einausreichendes Budget, um zusätzliche Maß-

nahmen für Naturschutz und Erholung durch-führen zu können, so dass manch ein Försterdarauf angewiesen ist, Drittmittel für solchewünschenswerten Maßnahmen für das Ge-meinwohl zu akquirieren. Da dies kein leichtesund ein sehr zeitaufwändiges Unterfangen ist,darf es keinesfalls als Standard vorausgesetztwerden.

Hinzu kommt, dass durch die mehrfache Ver-größerung der Reviere in den letzten Jahrendie Qualität des Waldbaus zwangsläufig leidenmuss. Eine Waldbewirtschaftung im Sinne desNaturschutzes und in Zeiten des Klimawandelsist jedoch besonders anspruchsvoll. Zum starkreduzierten Personal kommt die Problematikder ständigen örtlichen Verschiebung durchVergrößerung und Umstrukturierung der Re-viere im Rahmen diverser Verwaltungsrefor-men. Gerade im Wald sind Ortskenntnisse füreine qualitativ hochwertige Arbeit unerläss-lich. Auch zum Schutz von Habitaten sind dielangjährigen Ortskenntnisse der Förster überArtenvorkommen wertvoll und dürfen nichtdurch laufende Änderungen von Verwaltungs-strukturen verloren gehen.

Abbildung 4:

Entwicklung von

Hiebssatz und

Einschlag von Buche

und sonstigen Laub-

bäumen (Fm o. R.) im

Staatswald (Daten-

quelle: Testbetriebs-

netz Forstwirtschaft

BMELV/FVA)

0

100.000

200.000

300.000

400.000

500.000

600.000

700.000

800.000

.R.

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Hiebssatz

Einschlag

9

Erfolge der Waldbewirtschaftung in Baden-Württemberg

1Privatwald > 200 ha Größe

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Ökologie im Wald, aber wie? Waldbauliche Möglichkeiten für Forstbe

4

Neben den oben beschriebenen Ent-wicklungen in baden-württembergi-schen Wäldern bedarf es noch vieler

weiterer Faktoren, die bedacht, umgesetzt undeingehalten werden müssen, um das Gleichge-wicht zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozi-alfunktionen im Wald nachhaltig zu gewähr-leisten. Auch Bildung und Erholung in der Na-tur, die Ermöglichung eines intensiven Sinner-lebnisses für Kinder und Erwachsene sowie diekulturelle Identität mit dem Wald müssen beieiner Bewirtschaftung berücksichtigt werden.

Diese Einheit aus scheinbar so unterschiedli-chen Zielsetzungen möglichst weitgehend zuerreichen, war und ist eine schwierige Grat-wanderung und erfordert hohe fachliche Kom-petenz und viel Zeit von den Förstern undWaldbesitzern. Anhand der im Folgenden vor-gestellten Leitgedanken soll dargestellt werden,welche Faktoren hierbei eine wichtige Rollespielen. Viele der aufgeführten Faktoren sindfür den Forstmann nichts Neues, manches da-von ist in der guten fachlichen Praxis durchausüblich oder auch im baden-württembergischenWaldgesetz verankert. Dabei gilt der im Lan-deswaldgesetz in §13 enthaltene Grundsatz:

Die Schwierigkeit besteht gleichwohl darin, diesgegen die häufigen Widerstände finanzieller,ideeller oder natürlicher Art in die Praxis umzu-setzen.

4.1 Waldverjüngung – Verjüngungskur kostenlos

4.1.1 Kahlschlag – schlagkräftig mitNebenwirkungen

Um den Wald zu verjüngen und eine neueWaldgeneration heranzuziehen, wurde langeZeit der Kahlschlag eingesetzt: Alle Bäume derälteren Generation wurden vollständig abge-holzt, um der neuen Waldgeneration Platz zumachen. Der Kahlschlag erwies sich als arbeits-technisch einfach und effizient, zeigte aberhinsichtlich der Bodenökologie, der Waldstruk-tur und der Stabilität der heranwachsenden,meist eintönigen Bestände diverse uner-wünschte „Nebenwirkungen“. Kahlschläge füh-ren zu einer Auswaschung von Nährstoffenund stören das Waldinnenklima (Otto, 1994).So können sie je nach Standort zu einer Bo-denvernässung oder auch zu einer starkenAustrocknung führen. Sie beeinträchtigen dieWasserqualität des Trinkwassers und führendurch das vollständige Abholzen der älterenWaldgeneration zu einem Mangel an Altholzund somit zu Strukturarmut (Burschel undHuss, 1987). In manchen Ländern wie z.B. derSchweiz und in Slowenien, ebenso wie auch ineinigen Bundesländern (z.B. Brandenburg,

„Der Wald ist so zu bewirtschaften, dass die Nutz-,Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes unterBerücksichtigung der langfristigen Erzeugungs-zeiträume stetig und auf Dauer erbracht werden(Nachhaltigkeit).“

Und wenn eine Holzernte nur„beinahe“ aussieht wie einKahlschlag?

Starke Schirmschläge auf großer Fläche, beidenen nur extrem wenige Überhälter-Bäumeder alten Generation auf der Fläche verblei-ben, kommen einem Kahlschlag mit seinenAuswirkungen vor allem auf die Waldstruktursehr nahe und sollten ebenfalls vermiedenwerden. Nur für die Verjüngung von Licht-baumarten sind sie in Ausnahmefällentolerabel. Auch eine „beschleunigte flächigeNutzung“ reduziert die Waldstruktur undzeigt ähnliche Wirkungen wie ein langsamerKahlschlag.

Page 11: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

etriebe und Waldbesitzer

Nordrhein-Westfalen) ist daher der Kahlschlaggesetzlich verboten. In Baden-Württemberg ister ab 1 ha Größe genehmigungspflichtig, nichtaber grundsätzlich untersagt.

Kahlschläge schaffen künstliche Freiflächen imWald, die von einigen lichtliebenden Arten be-siedelt werden. So führt der Kahlschlag trotzaller unerwünschten Folgen auch zu einer Ar-tenvielfalt. Da bei Kahlhieben neben dem Ar-tenschutz die ebenfalls sehr wichtigen Belangevon langfristigem Wasser- und Bodenschutz zubeachten sind, sollte den Bedürfnissen derlichtliebenden Arten auf anderem Wege Rech-nung getragen werden (siehe Kapitel 6.7 und6.8).

Die Verjüngung von Lichtbaumarten wie z.B.von Eiche und Kiefer ist auf einer Kahlflächeam einfachsten durchzuführen und zu gewähr-leisten. Diese Baumarten können im dunklenSchatten der älteren Baumgeneration nicht ge-deihen. Sollten je nach Standort andere Ver-jüngungsmethoden scheitern und keine natür-lich verursachten Kahlflächen vorhanden sein,ist in wenigen Ausnahmefällen ein sehr starkerkleinflächiger Eingriff im Oberbestand in Formeines lichten Femelschlages die letzte Möglich-keit, bestimmte Baumarten auf der Fläche zuhalten. Auch bei dieser kleinflächigen, lücki-gen Baumentnahme (bis max. 0,5 ha) solltenauf der Gesamtfläche des Bestandes immer ei-nige Überhälter der alten Generation stehenbleiben.

Um unerwünschte Nebenwirkungen des Kahl-schlages generell zu vermeiden und alle Wald-funktionen langfristig aufrecht zu erhalten,sieht der BUND den Kahlschlag im Grundsatznicht als geeignete Methode an, den Wald zuverjüngen. Dies steht jedoch nicht im Wider-spruch zur Schaffung von Lichträumen imWald. Im Wald lebende, lichtbedürftige Artenfinden in der Regel ausreichend Lebensraumauf „Störflächen“, die auf natürliche Weisedurch Stürme, Insekten, Schneebruch und an-dere Eingriffe entstehen. Bei einer kahlschlags-

freien Wirtschaftsweise können daher in be-sonderen Fällen gezielte Maßnahmen für licht-bedürftige Arten notwendig sein (siehe hierzuauch Kapitel 6.7.).

In Baden-Württemberg ist der Kahlschlag alsreguläre Verjüngungsmethode erfreulicherwei-se etwas „aus der Mode gekommen“. Eine „ver-steckte Renaissance“ von Kahlhieben in Formvon beschleunigten flächigen Nutzungen desAltbestandes sollte unbedingt vermieden wer-den (siehe Kasten auf Seite 10).

4.1.2 Waldverjüngung - natürlich kommtbesser an!

Naturverjüngung

In Abhängigkeit von der Baumart und demStandort sind langsame, stetige Waldverjün-gungen durch den natürlichen Samenwurf derElternbäume und unter dem schützendenSchirm der älteren Baumgeneration (Natur-verjüngung) einer künstlichen Verjüngungs-form vorzuziehen. Bei sehr langen Waldver-jüngungszeiträumen von schattentolerantenBaumarten wie z.B. der Tanne bleibt das Wald-innenklima weitgehend erhalten und die nega-tiven Begleiterscheinungen des Kahlschlageswerden vermieden. Vorsichtige, über mehrereJahrzehnte verteilte regelmäßige Eingriffe inden Kronenschirm eines Bestandes führen zueiner besseren Stabilität des Waldes, denn beieiner geglückten Naturverjüngung gibt eskaum Störungen im Ökosystem. Die meistreichlich aufkommenden Samen bieten ein

Kein Kahlschlag!

Nur in sehr wenigen Ausnahmesituationen, z.B. bei der Verjüngung von Lichtbaumartenoder der Schaffung von Ausblicken inErholungswäldern, ist eine kleinflächigeEntnahme (unter 0,5 ha) des Altbestandes zuvertreten!

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Ökologie im Wald, aber wie? Waldbauliche Möglichkeiten für Forstbetriebe und Waldbesitzer

großes genetisches Potential. Durch natürlicheSelektion wachsen nur die stärksten, demStandort am besten angepassten Bäumchenheran und auch im späteren Alter gibt es einegute Auslesemöglichkeit. Zudem wachsen diedicht aufwachsenden Bäume feinastig heranund haben meist eine hohe Werterwartung(Burschel und Huss, 1987). Die eingespartenKosten einer Pflanzung und deren Pflege undSchutz gegen die Konkurrenzflora sind erheb-lich, ein Pflanzschock bleibt aus. Die Jungbe-standspflege (siehe Glossar) ist bei der Natur-verjüngung jedoch aufwändiger als bei derPflanzung. Naturverjüngung wirkt sich somitnicht nur positiv auf die Gesundheit und Stabi-lität des Endbestandes aus, sondern auch aufdie Wertleistung der Bestände und den Geld-beutel des Waldbesitzers. Eine langsame Natur-verjüngung ist mit Schattbaumarten leichterumzusetzen als mit Lichtbaumarten. JungeLichtbaumarten wie z.B. die Eiche benötigeneine schnellere und großzügigere Freistellung(Burschel und Huss, 1996).

Für das Gelingen einer Waldverjüngung isteine der wichtigsten Voraussetzungen eine an-gepasste Wilddichte. Darauf wird in Kapitel

4.6.2 näher eingegangen. Die Naturverjüngungwird heute in ganz Baden-Württemberg flächiggenutzt und ist zum gängigsten Verjüngungs-system geworden.

Pflanzung

Eine Pflanzung von Bäumen ist heute nur nochsinnvoll, wenn die gewünschte Baumart nichtim Vorbestand vorhanden ist und wenn einBaumartenwechsel ansteht, um die nächsteWaldgeneration auf stabilere und naturnähereFüße zu stellen. In Baden-Württemberg wurdein den letzten Jahrzehnten vielfach Buche oderauch Tanne unter labile, standortsfremde Fich-tenreinbestände gepflanzt, um langfristig ei-nen Baumartenwechsel zu vollziehen. Diesesogenannten „Vorbauten“ waren unter ande-rem aufgrund von starkem Wildverbiss nichtimmer überall erfolgreich und vor allem kost-spielig. Deshalb wird diese Pflanzung heutenicht mehr so häufig angewendet, auch wennimmer noch ein Baumartenwechsel an vielenStellen in Baden-Württemberg dringend nötigwäre und der Vorbau eine gute und schonendeMöglichkeit hierfür bietet.

Auch eine Baumartenanreicherung macht Pflan-zungen notwendig. Gruppen- und truppweisesEinbringen von seltenen oder kleinstandörtlichangepassten Baumarten in einen ansonsten ar-tenarmen Wald ist eine positive Maßnahme zurErhöhung der Strukturvielfalt und zur Artenan-reicherung (siehe auch Kapitel 4.4.3 und 4.4.1).

Verjüngung

• prinzipiell ist der Naturverjüngung derVorzug zu geben

• langsames, kontinuierliches Lichtgebendurch Entnahme im Schirm ergibt langeVerjüngungszeiträume

• vorzugsweise häufige aber schwacheEingriffe durchführen

• vorsichtige Förderungen der gewünschtenBaumarten durch gezielte Lichtregulierungund gegebenenfalls Entnahme der Bedränger

• Ausnahme: Bei der Verjüngung vonLichtbaumarten müssen schnellere undstärkere Schirmöffnungen erfolgen.

Pflanzung kann notwendigwerden

• bei einer erwünschten Anreicherung vonbestimmten Baumarten

• bei einem notwendigen Wechsel derBaumart, am besten als Vorbau unter demKronendach alter Bäume (Schirm)

• beim Misslingen der Naturverjüngung

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4.2 Baumartenwahl - heimisch bevorzugt

Die richtige und wohl überlegte Baumarten-wahl in Abwägung mit den gegebenen klein-räumigen Standortsunterschieden ist in Zeitendes Klimawandels und der zunehmenden Ex-tremereignisse bedeutender denn je und füreine naturnahe Waldbewirtschaftung unerläss-lich.

Heimische, standortgerechte Baumarten sindaus ökologischer Sicht die beste Wahl. Sie ver-fügen über eine optimale Anpassung an dienatürlichen Gegebenheiten und gewährleistensomit die bestmögliche Vitalität des einzelnenBaumes (Leibundgut, 1991). Je höher die Vita-lität ist, desto geringer ist auch das Risiko desErtragsausfalles durch Windwurf und Forst-schädlinge. Dies bedeutet eine bessere Be-

standsstabilität und einen hohen ökologischenWert als Lebensraum für heimische Tier- undPflanzenarten (siehe Kapitel 4.4). Je angepass-ter eine Baumart an den Standort ist, desto hö-her ist auch ihre Wuchsleistung. Dies wirkt sichpositiv auf den Holzerlös aus - Waldwirtschaftwird mittel- und langfristig rentabel.

Auf einer begrenzten Zahl von Waldstandortenist aus Sicht des BUND auch eine Einzelmi-schung heimischer Baumarten mit zwar stand-ortgerechten, aber nicht heimischen Baumartendenkbar und zu verantworten. Vor allem die inden meisten Teilen des Landes nicht standortge-mäße Fichte und die nicht heimische Douglasielassen das Geld in den Kassen der Waldbesitzerklingeln. Da oftmals auf den finanziellen Er-trag durch Fichte und Douglasie nicht verzich-tet werden kann, ist eine Beimischung alsKompromiss in begrenztem Umfang akzepta-bel. Wichtig dabei ist, dass nicht heimischeBaumarten nur in Mischung angebaut werden.In bereits bestehende Reinbestände nicht hei-mischer Baumarten sollten Mischbaumarteneingebracht oder gezielt gefördert werden.

Die Douglasie als nicht heimische Baumartkann auf geeigneten Standorten toleriert wer-den, grundsätzlich sollten jedoch Bestände mitder Douglasie als führende Baumart nicht mehrangestrebt werden. Beimischungen der Dou-glasie in Mischbeständen sollten 20 % nichtüberschreiten (bezogen auf ein Alter von > 60Jahre), um Risiken aller Art zu mindern. Beste-hende Douglasienbestände sollten einer stren-gen Kontrolle der weiteren Entwicklung unter-liegen. Insbesondere bei der Verjüngung dieserBestände sollte die Douglasie wieder zu einerMischbaumart werden.

In Zeiten des Klimawandels herrscht eine gro-ße Unsicherheit bei der Baumartenwahl, dasich voraussichtlich viele Standorte zu den Ex-tremen hin verändern werden und nicht abseh-bar ist, welche Baumarten in Zukunft mit demStandort zurechtkommen werden. Blinder Ak-tionismus ist hier fehl am Platz. Der Klima-

Standortheimisch:

Eine Baumart ist standortheimisch, wenn derjeweilige Wuchsstandort im natürlichen Ver-breitungsgebiet der Art liegt. Diese Baumar-ten sind unter den gegebenen Standortbedin-gungen langfristig die konkurrenzkräftigsten.Konkurrenzkraft heißt gleichzeitig auch gutesWachstum und hohe Widerstandskraft gegenStörungen.

Standortgerecht/standortgemäß:

Die ökologischen Ansprüche der Baumartenstimmen mit den erfassten Standorts-eigenschaften überein, die Bäume sind vitalund bei angemessener Pflege ausreichendstabil. Sie haben keine nachteiligen Einflüsseauf den Standort. Die Baumart erreicht aufdem Standort das natürliche Lebensalter,ohne frühzeitig durch Standortmängel oderKrankheit auszufallen. Die Baumartenverjüngen sich natürlich und weisen einstandortgemäßes Wachstum auf.

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wandel darf nicht als Vorwand für den Anbaunicht heimischer oder gar exotischer Baumar-ten dienen. Hingegen gilt ein großer geneti-scher Reichtum an heimischen Baumarten aufder Fläche, sowohl in Hinsicht auf die Baumar-tenvielfalt als auch auf die innerartliche gene-tische Vielfalt, als die beste Vorbereitung aufdie sich ändernden Klimaverhältnisse. Je grö-ßer das genetische Potential ist, desto größer istdie Chance, dass sich gut angepasste Individu-en entwickeln können. Trockenheits- und wär-metolerante heimische Arten können z.B. inwarmen Lagen eingebracht werden. Die Fichtehingegen wird auf die höchsten Mittelgebirgs-lagen zurückgedrängt und selbst dort bestehtein hohes Betriebsrisiko.

Seit kurzem stehen „Baumarteneignungskarten“digital zur Verfügung, dies für die beiden wich-tigsten Arten in Baden-Württemberg, die Fichteund die Buche (siehe unter: www.fva-bw.de).

Für die Erziehung von artenreichen Beständenbedarf es einer rechtzeitigen Waldpflege. Umauch weniger wuchskräftigen Baumarten eineChance zu geben, muss frühzeitig eine zielori-entierte Mischwuchsregulierung vorgenom-men werden: Weniger wuchskräftige er-wünschte oder seltene Baumarten werden ge-pflegt, indem sie von wuchskräftigen Konkur-renten freigestellt werden. Erfolgt dieser Pfle-geeingriff nicht, kann sich eine einzige, imschlimmsten Fall unerwünschte Baumart durchihre große Konkurrenzkraft im Endbestanddurchsetzten. Eine Mischwuchsregulierung istaufwändig und i. d. R. teuer. Hier sollte jedochkeinesfalls gespart werden!

4.3 Vorratshaltung – Nachhaltig-keit ist angesagt

Ein wichtiger Aspekt in der Waldbewirtschaf-tung ist der Vorrat an Holz, der in einem Waldsteht. Der Begriff Nachhaltigkeit kommt ur-sprünglich aus der Forstwirtschaft und bedeu-tet, dass nur so viel Holz eingeschlagen wirdwie nachwächst. Nachhaltigkeit heißt auch, inder Gegenwart Verzicht zu üben für zukünftigeGenerationen: Heute pflanzen, jedoch nichtmehr selbst ernten oder heute einen schönenBaum stehen lassen für die nächste Generation.Eine nachhaltige Vorratshaltung ist in derForstwirtschaft die Grundlage allen Handelns.In der Forsteinrichtung, dem Zehnjahresplander Waldbewirtschaftung, wird mit dem Hiebs-satz festgelegt, wie viel Holz im Jahr geschlagenwerden kann, ohne die Nachhaltigkeit zu ge-fährden. Hohe Holzpreise und leere Kassen füh-ren jedoch dazu, dass der festgelegte Hiebssatznicht immer eingehalten wird. ErfolgreichesWirtschaften sollte nicht schematisch gesehenund durchaus in Anpassung an den Holzmarktsinnvoll gestaltet werden. Die Nachhaltigkeitder anderen Waldfunktionen wie z.B. der Wald-naturschutz muss dabei in diese Überlegungenmiteinbezogen werden. Derzeit wird eine hoheVorratshaltung im Wald konträr diskutiert. Mitfinanziell begründeten Argumenten wird instark ökonomisch ausgerichteten Forstkreisenzunehmend eine geringere Vorratshaltung fürsinnvoll erachtet. So wird nicht nur der Klima-wandel aufgrund der zukünftigen Unsicherhei-ten im Waldbau gerne als Grund für eine gerin-gere Vorratshaltung vorgeschoben. Es wird z.B.auch mit einem erhöhten Risiko des Vorratsver-lustes durch Stürme oder mit einer zu geringenVerzinsung des (Holzvorrats-) Kapitals argu-mentiert mit der Begründung, dass sich mit kur-zen Produktionszeiträumen und dadurch gerin-gen Vorräten ein besserer Cashflow einstellenwürde. Diese an die Forstgeschichte der letztenbeiden Jahrhunderte erinnernde Argumentationlässt leider die Schutz- und Erholungsfunktio-nen des Waldes außer Acht und orientiert sichausschließlich am finanziellen Ertrag. Von Sei-

Baumartenwahl

• standortheimische Baumarten bevorzugen• der Anteil nicht standortheimischer

Baumarten soll nicht ansteigen• nicht heimische, aber standortgerechte

Baumarten sind in begrenztem Umfang inMischung tolerierbar

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ten des Naturschutzes kann dieser Sichtweisekeinesfalls zugestimmt werden.

Zusätzlich anfallende große Holzmengen (zufäl-lige „Nutzungen“) durch Sturm oder Kalamitä-ten, also Massenvermehrungen von Forstschäd-lingen wie dem Borkenkäfer, sollten in denHiebssatz der Folgejahre mit eingerechnet undnicht einfach übergangen werden. Nach einergrößeren Katastrophe wie z.B. 1999 bei OrkanLothar, lag in manchem Wald ein Mehrfachesdes jährlichen Hiebssatzes am Boden. Hier soll-ten einerseits die Maßnahmen zunächst auf dienotwendigen Pflegeeingriffe beschränkt blei-ben. Andererseits müssen fortführende Wirt-schaftspläne erarbeitet und neue nachhaltigeHiebssätze festgelegt werden, um die Schädenwieder auszugleichen. Dies ist in Baden-Würt-temberg leider nicht immer gängige Praxis.

4.4 Stabilität – Garantie für dieZukunft

Ein Wald muss im Laufe seines Lebens vielenNaturphänomenen trotzen: Wind, Sturm, Eis-anhang, Nassschnee, starke Bodenfeuchtigkeitsowie Trockenheit, Verletzungen der Rinde,Schädlingen und Baumkrankheiten. Hinzukommen die anthropogen verursachten Belas-tungen und Veränderungen wie Luftver-schmutzung, saurer Regen, Stickstoffeinträge,chemische Gifte oder Bodenverdichtung durchMaschinen. Können Wälder den vielfältigenBelastungen nicht standhalten, kann es zugroßflächigen Ausfällen und damit zu uner-

wünschten, ungeplanten Nutzungen mit dendaran gekoppelten Mindereinnahmen und Le-bensraumzerstörungen kommen.

Die vielfältigen Waldfunktionen können nurdann erfüllt werden, wenn der Wald dauerhaftund stabil ist. Nur ein widerstandsfähiger,resistenter und belastbarer Wald ist dauerhaft.Ein gesunder und stabiler Wald kann auseigener Kraft Schäden regulieren und Risikenmindern, was zugleich die Bewirtschaftungs-kosten senkt. Zum Beispiel wird der uner-wünschte Einsatz von teuren Pflanzenschutz-mitteln überflüssig.

Mit fortschreitender Klimaerwärmung werdenExtremereignisse immer häufiger auftreten.Umso wichtiger ist dann die Stabilität der Wäl-der.

4.4.1 Struktur im Wald - Abwechslungmuss sein!

Kleinflächigkeit und Abwechslung der Wald-bilder sind nicht nur ein Genuss für dasmenschliche Auge, sondern bereichern auchdie Artenvielfalt und Waldstrukturen. Das un-mittelbare horizontale Nebeneinander ver-schiedener Altersstufen und Baumarten führtzu mehrschichtigen Beständen, in denen auchin der Vertikale die einzelnen Altersstufen ne-beneinander verschiedene Baumhöhen haben.Dies führt zu besserem Deckungsschutz undweniger Angriffsfläche für den Wind. Das Be-standesinnenklima ist konstanter, der Bestandsomit weniger Extremen wie Spätfrösten odergroßer Trockenheit ausgesetzt.

Stabilität

• Erziehung einer horizontalen und vertika-len Struktur

• vorsichtige, rechtzeitige und regelmäßigePflegeeingriffe

• Erziehung von kleinflächig standortange-passten Mischwäldern

Eine Mischung aus verschiedenen Baumar-ten, eine vertikale und horizontale reichhalti-ge Struktur und eine dauerhafte Bestockungder Fläche verbessern die Stabilität einesWaldes erheblich.

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4.4.2 Vorsichtige Pflegeeingriffe – GutDing will Weile haben

Jeder menschliche Eingriff in den Waldbestandbeeinflusst dessen Stabilität. In dichten Wald-beständen geben die Bäume einander Halt,aber die Stabilität des Einzelbaumes leidetdurch die Konkurrenz. Wird dieses Gefüge zurasant aufgebrochen, kommt die Stabilität desgesamten Bestandes ins Wanken. Pflege- undErnteeingriffe sind daher immer vorsichtig, da-für aber stetig zu führen, um jeden einzelnenBaum langsam zu einer gewissen Eigenstabili-tät heranzuziehen. Freistehende Bäume sindzwar hochgradig stabil, dafür aber durch einetiefe Beastung qualitativ minderwertig. DieGratwanderung zwischen Stabilität und Quali-tät bedarf einer hohen Fachkompetenz desFörsters. Das „Spiel mit dem Licht“ erfordertviel Fingerspitzengefühl und Erfahrung.

4.4.3 Baumartenmischung – Vielfalt gibtden Ton an

Je vielfältiger die Baumartenzusammensetzungin einem Wald ist, desto stabiler und wider-standsfähiger ist in der Regel der Bestand.Auch kann bei einer größeren Baumartenaus-wahl flexibler und schneller auf einen sich ver-ändernden Holzmarkt reagiert werden.

Jede Baumart hat andere Eigenschaften undAnsprüche an den Standort. Zum Beispiel ver-fügen die Baumarten über eine unterschiedli-che Trockenresistenz. Eine Beimischung vonLaubbäumen in Nadelbaumbeständen erhöhtdie Bodenfruchtbarkeit und Stabilität. Stehenverschiedene Baumarten in einem Waldbe-stand, verringert sich das Risiko, dass ein gan-zer Bestand aufgrund von Schadereignissenzerstört wird. Bei einer guten Baumartenmi-schung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit,dass bei einem Schadereignis nicht der gesam-te Waldbestand betroffen ist und immer einausreichender Restbestand übrig bleibt. Dies istbesonders unter dem Aspekt des Klimawandelsvon großer Wichtigkeit (Hanke, 2005).

4.5 Technik und Wege im Wald –ist weniger mehr?

Aus der modernen Forstwirtschaft sind Ma-schinen nicht mehr wegzudenken. Die Bewirt-schaftungsform und der Umgang mit Technikspielen daher eine bedeutende Rolle für einenaturverträgliche Waldbehandlung. In einerzeitgemäßen Forstwirtschaft sollten die einzu-setzenden Mittel der Walderschließung und derTechnisierungsgrad der Bewirtschaftungs- undErntemethoden möglichst naturschonend aus-gewählt werden. Nicht für jeden Bestand eig-nen sich alle Methoden gleichermaßen. Fürjede Holzernte ist vom Rückepferd bis zumVollernter, der Bäume fällt, entastet, vermisstund in Sortimente ablängt, die richtige Wahlzu treffen.

4.5.1 Technik im Wald - nicht ohneKnow-how!

Der Einsatz von schweren Großmaschinen undflächiges Befahren führen zu einer starken Bo-denverdichtung und zu irreparablen Schädenwie z.B. zur Reduktion der Grobporen im Bo-den (Verdichtung). Dies vermindert die Durch-lässigkeit und die Wasserleitfähigkeit. Eskommt zu Staunässe und in Hanglagen zu Ero-sion. Das Befahren des Waldbodens mit schwe-

Eine vielfältigeMischung der Baumar-

ten bringt Stabilitätund Widerstandsfähig-

keit der Bestände.

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ren Maschinen kann auch zu Schäden an denWurzeln führen; diese gelten als eine Hauptur-sache für Stammfäule (Fritz, 2004).

Ziel sollte immer eine Vermeidung von Schä-den am Boden und auch am verbleibenden Be-stand sein. Die befahrene Fläche muss so kleinwie möglich sein. Die Holzernte sollte mög-lichst in Zeiten der Vegetationsruhe stattfin-den, also im Herbst und Winter. Die winterkah-len Bäume stehen nicht im vollen Saft undAstabbrüche und Rückeschäden wirken sichnicht so stark aus. Empfindliche Böden sollten,wenn möglich, nur bei Bodenfrost oder starkerTrockenheit mit Maschinen befahren werden.In vielen schneereichen Gebieten ist dies je-doch nicht immer möglich.

Großmaschinen sind heute vielseitig einsetz-bar. Auch eine hochmechanisierte Starkholz-ernte im flächig verjüngten Erntebestand istdurchaus ohne große Schäden möglich. Sie er-fordert jedoch eine gründliche Planung zumSchutz der Verjüngung und viel Kompetenz derdurchführenden Arbeitskräfte. An Hängen sindSeilkräne eine äußerst schonende und sinnvol-le Alternative, solange sie durch ihre hoheRentabilitätsschwelle nicht zu überhöhten Ein-griffen verleiten.

4.5.2 Fahrwege, Maschinenwege undRückegassen – mobil im Wald ohneSchäden

Waldwirtschaft ohne Forstwegebau ist nichtmöglich – Forstwege sind eine wichtige Vor-aussetzung für die kleinflächige und naturnaheWaldwirtschaft. Nur so kann das Holz auf kur-zem Weg boden- und baumschonend abtrans-portiert werden.

Waldwege jeder Art bedeuten zugleich einenVerlust an Produktions- und Lebensraumflä-che. Zudem haben sie einen negativen Zer-schneidungs- und Störungseffekt für die Fauna(z.B. bei Bachläufen) und bergen in steilem Ge-lände auch eine erhöhte Erosionsgefahr. DasNetz von LKW-befahrbaren Fahrwegen undMaschinenwegen (mit Schleppern befahrbareangelegte Wege am Hang für die Holzernte)sollte unbedingt auf ein für die Waldnutzungerforderliches Minimum beschränkt sein. Diesbetrifft sowohl die Wegedichte als auch dieBreite und den Belag der Erschließungswege.Die wenigsten Hauptabfuhrwege benötigeneine Schwarzdecke. Waldwege sollten fürBachläufe und deren Fauna kein Hindernissein. Entsprechende Brückenbauten und Maß-nahmen ermöglichen die Durchlässigkeit derBachläufe für Tiere und reduzieren Wanderhin-dernisse (Schaber-Schoor, 2007; siehe auchKapitel 6.4). Prinzipiell ist das Wegenetz in denWäldern Baden-Württembergs sehr gut ausge-baut, es bedarf in der Regel keiner neuen Wege.Neue Forstmaschinen sind jedoch häufig brei-ter als alte Modelle, was mitunter eine Verbrei-terung der Wege notwendig macht.

Rückegassen dienen dem Heranrücken desHolzes durch Maschinen vom Hiebsort zumAufbereitungs- und Verladeplatz an einem be-festigten Hauptweg. Mit der konsequentenNutzung von festgelegten Rückegassen wirddas flächige Befahren der Waldbestände mitMaschinen vermieden. Maschinen dürfen da-her die Gassen auf keinen Fall verlassen und inden Bestand hineinfahren. Um bei jedem ma-schinellen Eingriff genau dieselben Rückegas-

Technik im Wald

Vom Traktor bis zum Harvester - Waldarbeit

ohne Technik ist nicht mehr vorstellbar.

Wichtig ist die richtige Auswahl der Technik

für den jeweiligen Baumbestand und

Standort, eine umfassende Planung zum

Schutze der nachwachsenden Baumgenerati-

on sowie ein sorgsamer, pfleglicher Umgang

mit dem Waldbestand.

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sen zu verwenden, ist eine dauerhafte, gutsichtbare Markierung unabdingbar. Die Mar-kierung erleichtert bei der Holzernte außerdemdas fachgerechte Fällen zur Gasse hin, da dieWaldarbeiter von jedem Standort aus erkennenkönnen, wo die nächste Gasse liegt. Um einWiederfinden der Gasse auch nach Schadereig-nissen zu garantieren, müssen die Gassen GPS-erfasst und/ oder kartiert sein. Nur so ist dasbisher übliche Verfahren, die Rückegassen voreinem Eingriff mit Farbe neu zu markieren,langfristig praktikabel.

Der Abstand zwischen den Gassen muss in Ab-hängigkeit vom Gelände ausgewählt werden;eine rein schematische Gassenlegung ist beivielen Geländetypen weder sinnvoll nochmachbar. Vorzuziehen ist ein möglichst großerGassenabstand von ca. 40 m. Ein für die voll-mechanisierte Holzernte angestrebter Abstandvon nur 20 m ist nicht vertretbar, da er mehrals ein Viertel des wertvollen Waldbodens fürlange Zeit, oft sogar irreparabel schädigt. Labi-le Standorte, wie z.B. feuchte Böden und Steil-hänge, sollten nicht befahren werden. Hier istder Einsatz eines Seilkrans notwendig oder dieFläche ist stillzulegen.

Selbstverständlich dürfen Rückegassen und Ma-schinenwege nicht durch Waldbiotope führen.

4.5.3 Ausbildung des Personals –Qualität zahlt sich aus!

Wichtig für eine naturverträgliche Waldarbeitist eine ausreichende Zahl gut ausgebildeter

Waldarbeiter und Unternehmer. Qualifikatio-nen und Ortskenntnis sind wichtige Vorausset-zungen für einen effektiven und schadarmenArbeitsablauf und einen ökologisch verträgli-chen Einsatz von Forsttechnik. Es gibt Sicher-heitsvorgaben, die auch für den Naturschutzvon großer Bedeutung sind und über die dasPersonal in Kenntnis gesetzt sein muss und de-ren Umsetzung auch überprüft werden sollte.Es besteht z.B. die Vorgabe, dass Ölbindemittelanstelle im Auto der Waldarbeiter direkt imSchlepper aufbewahrt werden müssen. Nur soist es sofort zur Hand, wenn es benötigt wird.

Insbesondere ist eine umfassende Ausbildungder Maschinenführer notwendig (NFP, 2000).Vor allem die fachliche Vorbereitung vonHiebsmaßnahmen und das aufmerksame Be-achten von Habitatbäumen und Totholz setztfachliche Kenntnis und Zuverlässigkeit voraus.Auch das Fahren auf den Gassen und das Ver-meiden von Schäden am verbleibenden Be-stand ist keine Selbstverständlichkeit und mussfür das Personal verpflichtend sein.

In manchen, meist wetterbedingten, Situationenmüssen auch Mut und Verantwortungsbewusst-sein bei allen Beteiligten vorhanden sein, denEinsatz bei ungünstigen Verhältnissen notfallszu unterbrechen, wenn ein naturverträglichesArbeiten nicht mehr möglich ist. Auch faireArbeits- und Vergütungsbedingungen gehörendazu, denn Qualität hat auch ihren Preis!

4.6 Waldschutz – Präventionstatt Nachsehen

Unter Waldschutz werden in der Forstwirtschaftalle Maßnahmen zusammengefasst, die demSchutz der Wälder und Baumbestände vor Schä-den jeglicher Art dienen. Wälder werden vonbiotischen, also belebten Interaktionspartnernwie Insekten, Wild und Pilzen sowie von abioti-schen, also nichtbelebten Faktoren wie Klima-veränderungen, Sturm, Schnee, Eis, Trockenheit,Waldbrand oder Schadstoffeintrag bedroht.

Waldwege und Rückegassen

• Waldwegebau auf ein nötiges Minimumbeschränken, sowohl in Zahl und Breite alsauch in Bezug auf den Belag

• Gassen dauerhaft markieren und kartieren• kein Verlassen der Gassen• gute Ausbildung der Maschinenführer und

Waldarbeiter

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Waldschutz sollte zunächst auf Schadensvor-beugung beruhen. Eine naturnahe Wirtschafts-weise mit gemischten, reich strukturierten Be-ständen bietet hierfür beste Voraussetzungen(siehe Kapitel 4.4). Zusätzlich ist eine aufmerk-same Überwachung und eine damit einherge-hende Früherkennung von Kalamitäten hilf-reich, um Großeinsätze vermeiden zu können.

4.6.1 Gifte im Wald?Es geht auch ohne!

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln imWald führt zu langfristig negativen Einflüssenauf das Grundwasser und zu einem Rückgangder Artenvielfalt. Daher soll auf den Einsatzsolcher Mittel im Wald konsequent verzichtetwerden, auch wenn das im Einzelfall zu gewis-sen Mehrkosten führen kann. Bei vorausschau-endem Handeln mit guter Planung, Einfalls-reichtum und Flexibilität geht Waldwirtschaftganz ohne Gift! Viele Betriebe beweisen dies inder täglichen Praxis. Werden bei KalamitätenGegenmaßnahmen notwendig, so sind vor-zugsweise mechanische und biotechnischeWaldschutzverfahren, wie z.B. die rechtzeitigeEntrindung, der Einsatz von Mikroorganismenund die Förderung von Schädlingsfeinden, an-zuwenden. Geschlagenes Holz, welches vomBorkenkäfer befallen ist, muss schnell aus demWald gebracht werden. Ein Nasslager kann diesin vielen Fällen ermöglichen. Polterspritzun-gen sind zu vermeiden. In Baden-Württembergist seit einigen Jahren ein zunehmend vorsich-tiger Umgang mit Pflanzenschutzmitteln imWald zu beobachten.

4.6.2 Wildbestände – tierische Gefahr fürjunge Bäume

Jeder Waldbesucher erfreut sich daran, wenn erin der Natur wildlebenden Tieren begegnet. Zuviel Wild kann jedoch zu großen Schäden imWald führen. Vor allem durch die hervorragen-de Ernährungssituation auf landwirtschaftli-chen Flächen, durch unsinnige Fütterung undzu geringen Abschuss, aber auch durch dasFehlen der natürlichen Fressfeinde wie Luchs,Wolf und Bär sind die Wildbestände in Baden-

Württemberg sehr hoch. Alle hier heimischenSchalenwildarten leben in der Regel in stabilenoder zunehmenden Beständen und gehörenkeinesfalls zu den gefährdeten Arten. Eine in-tensive Bejagung der Schalenwildarten ist da-her populationsökologisch unproblematisch,waldbaulich jedoch absolut notwendig. Insbe-sondere das Rehwild beißt von forstlich wich-tigen Jungpflanzen die Knospen und Haupt-triebe ab, so dass die Pflanzen nicht ungestörtwachsen können. Dabei bevorzugt das wähle-rische Rehwild meist jene Baumarten, die sel-ten zu haben sind. Bei wiederholtem Verbissunterliegt die Pflanze schnell konkurrenzstär-keren Nachbarpflanzen und stirbt ab. Dieser

Wild darf nicht den Waldbaubestimmen!

Um alle Baumarten verjüngen zu können, ist

ein angepasster Wildbestand unerlässlich.

Vor allem seltene Baumarten sind für das

Wild besonders attraktiv und werden ver-

bissen. Eine effektive Jagd und angepasste

Wildbestände sind daher dringende Voraus-

setzung für eine gelungene Waldverjüngung.

Eine stark verbissene Tanne hat keine Chance auf ein erfolgreiches

Baumleben.

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Ökologie im Wald, aber wie? Waldbauliche Möglichkeiten für Forstbetriebe und Waldbesitzer

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selektive Verbiss führt vielerorts zur Reduzie-rung der Baumartenvielfalt und damit auch zueiner Beeinträchtigung des Lebensraums fürweitere Arten. Strukturreiche Mischwälder zuerhalten bzw. zu schaffen wird durch denWildverbiss erschwert oder oft sogar vollstän-dig verhindert. Wild wird so zu einem ent-scheidenden Kriterium für den Erfolg vonWaldbau. Dies macht zusätzliche Maßnahmenwie Zaunbau oder Einzelschutzmaßnahmenfür die Aufzucht von seltenen Baumarten not-wendig, die unnötige Kosten und Arbeitszeitverursachen und zudem nicht immer pro-blemlos funktionieren. Die beste Maßnahmezur Regulierung der Wildbestände ist einekonsequente Bejagung. Lassen sich Schutz-maßnahmen an einzelnen Bäumen nicht ver-meiden, so sollte ohne chemische Verbiss-schutzmittel vorgegangen werden wie z.B. mitWolle oder Hanf. Plastikschutz beeinträchtigtdas Landschaftsbild und muss wieder aus demWald entfernt werden, wenn die Pflanzen sogroß geworden sind, dass das Wild sie nichtmehr erreichen kann. Dies bedingt zusätzlicheArbeitszeit und erscheint somit nicht sinnvoll.

RobA – Rehwildbewirtschaftungohne behördlichen Abschussplan

Im Jagdjahr 2007/08 beauftragte das Ministeri-

um für Ernährung und Ländlichen Raum die

Wildforschungsstelle Aulendorf mit der

Umsetzung des Modellprojektes RobA, welches

weniger Bürokratie und mehr Eigenverantwor-

tung der Beteiligten bewirken soll. Bisher legt

die Untere Jagdbehörde im Landratsamt auf der

Basis eines forstlichen Gutachtens und im

Benehmen mit der örtlichen Jagdgenossen-

schaft und den betroffenen Jagdpächtern die

Abschusszahlen für das Rehwild für einen

jeweils dreijährigen Zeitraum fest. Im Modell-

projekt wird auf diesen bürokratischen Vorgang

verzichtet und der Rehwildabschuss wird in

einem engen Dialog zwischen Jagdrechtsinha-

bern (Waldbesitzer) und den Jagdausübungsbe-

rechtigten (Jäger) flexibler und den örtlichen

Gegebenheiten angepasst entschieden. Es wird

eine gemeinsame Zielvereinbarung zur

Rehwildbewirtschaftung getroffen. Das Projekt

war zunächst auf eine dreijährige Dauer

ausgelegt. Daran beteiligt waren 840 Reviere in

30 Landkreisen Baden-Württembergs. Auf-

grund der überwiegend positiven Erfahrungen

der bisherigen Versuchsteilnehmer wurde eine

Projektverlängerung um weitere drei Jahre bei

gleichzeitiger Ausdehnung der Gebietskulisse

beschlossen. Die bisher aus dem Projekt

gesammelten Erfahrungen waren überwiegend

positiv. Bei rechtzeitiger und guter Kommuni-

kation zwischen Jägern und Land- und

Forstwirten können oftmals Probleme frühzeitig

erkannt und rasch gelöst werden. Der Rehwild-

abschuss kann den aktuellen Gegebenheiten

flexibel angepasst werden. RobA fördert vom

Ansatz her eine gute Kommunikation unter den

Beteiligten und kann damit ein wichtiges

Instrument sein, um die teilweise nicht mehr

zeitgemäßen Traditionen im Jagdwesen

aufzubrechen und zukunftsorientiert neue

Wege zu beschreiten – und um einen gesunden

Mischwald zu erziehen.

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Ökologie im Wald, aber wie? Waldbauliche Möglichkeiten für Forstbetriebe und Waldbesitzer

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4.7 Artenschutz im Wald – genetisches Fundament fürdie Zukunft

Die Vielfalt der heutigen Arten hat sich überJahrmillionen entwickelt. Der Mensch hat indiesem Prozess in den letzten Jahrhunderteneine ganz entscheidende Rolle gespielt und dieEntwicklung der Biodiversität bedeutend ge-prägt, nicht durchweg zum Guten. Die ver-schiedenen Landnutzungsformen wie Acker-bau, Wald- und Wiesenbewirtschaftung hattenfrüher wie heute immense Auswirkungen aufdie Artenzusammensetzung eines Gebietes.Durch die Veränderungen der Nutzungsformenänderten sich auch die Lebensräume für diedort lebenden Arten oder wurden zerstört. Hin-zu kommt eine zunehmende Bebauung undZerschneidung der Landschaft, so dass immermehr Arten in Gefahr geraten. In der 2009 ver-öffentlichten „Rote Liste der gefährdeten Ar-ten“ wurde fast ein Drittel der untersuchtenArten als „bestandsgefährdet“ eingestuft, neunProzent stehen kurz davor, diesen Status zu er-halten und weitere sieben Prozent sind bereitsverschwunden (Haupt et al., 2009). Arten-schutz erfolgt in den meisten Fällen und am ef-

fektivsten indirekt über den Lebensraum-schutz. Wald ist ein bedeutender Lebensraumund damit ist die Verantwortung der Forstwirt-schaft für den Artenschutz sehr groß. Naturna-her Waldbau allein reicht oft nicht aus, um al-len vorkommenden Arten den nötigen Lebens-raum zu garantieren. Eine naturnahe Wald-wirtschaft muss daher immer durch Einzel-maßnahmen ergänzt werden, die konkret aufdie jeweilige Art und ihre Bedürfnisse abge-stimmt sind. Verschiedene Artenschutzmaß-nahmen im Wald werden in Kapitel 6 vorge-stellt.

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Ökologie im Wald, aber wie? Waldbauliche Möglichkeiten für Forstbetriebe und Waldbesitzer

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Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg5

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Die Vielfalt der aufgeführten Faktorenzeigt, dass die Gratwanderung zwi-schen Ökologie und Ökonomie im Wald

keineswegs einfach ist. Die in Kapitel 4 erläu-terten Faktoren erscheinen zunächst leicht um-setzbar, unter dem allgegenwärtigen finanziel-len Druck in der Forstwirtschaft ist dies jedochnicht so einfach. Nachhaltigkeit wird zuneh-mend erschwert. Sehr viele Waldbesitzer oderFörster sind dem Nachhaltigkeitsprinzip abereng verbunden und bewirtschaften ihren Waldvorausschauend für die nächsten Generationenund im Einklang mit der Natur. Im Rahmen deroftmals engen finanziellen Vorgaben bestehtfür die Bewirtschafter, je nach Zielsetzungdes Waldbesitzers, ein unterschiedlich großerSpielraum, in dem sich die Art der Wirtschafts-weise und die Möglichkeiten für zusätzlicheNaturschutzprojekte lenken lassen. So gibt esviele positive Beispiele in der Waldbewirt-

schaftung einzelner Forstbetriebe, in denen mitviel Engagement, Geduld und einer großenPortion Entschlussfreude dem Naturschutz imWald neben der Holzproduktion eine bedeu-tende Rolle zugemessen wird. Einige dieser ge-lungenen Beispiele werden im Folgenden vor-gestellt. Diese aufgeführten Betriebe sind nichtdie einzigen im Lande, die den Ausgleich zwi-schen Holzproduktion und Ökologie im Waldwagen und anstreben. Viele weitere Betriebekönnen gleiche oder ähnliche Erfolge vorzei-gen. Es würde jedoch den Rahmen dieser Bro-schüre sprengen, ein vollständiges Bild ausganz Baden-Württemberg zu geben. Die folgen-den Betriebe stehen daher mit ihren Betriebs-formen und Maßnahmen für viele andere, dievergleichbare Lösungen gefunden und eben-falls ein großes Engagement zeigen und gezeigthaben.

Page 23: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

5.1 Privatwaldbetriebe

Im Privatwald besteht häufig ein besonders ho-her finanzieller Druck, da viele Besitzer vonmittlerem und größerem Privatwald und ihreFamilien von den Einkünften aus ihrem Waldleben müssen. Eine Vorbildfunktion wie im öf-fentlichen Wald muss nicht zwingend erfülltwerden. In Privatwäldern herrscht meist eingeringerer Spielraum als im öffentlichen Wald,finanzielle Einbußen wie zum Beispiel durchdas Belassen von größeren Mengen Totholz ab-zupuffern oder hohe Kosten für Naturschutz-maßnahmen zu tragen. Anhand von gelunge-nen Beispielen aus dem Privatwald kann sehrgut gezeigt werden, dass auch eine anspruchs-volle Waldbewirtschaftung durchaus zum ge-wünschten finanziellen Ziel führen kann, ohnedabei die Natur außer Acht zu lassen.

Die Besitzer von Kleinprivatwald mit nur weni-gen Hektar Größe haben häufig wenig bis garkein Interesse an ihrem Wald und an der Holz-nutzung. Es besteht meist keine Abhängigkeitvon den Einkünften aus dem kleinen Wald.Kleinprivatwald wird meist im Auftrag undnach Anforderung durch die staatlichen Förs-ter nach den Grundsätzen der ForstBW mitbe-wirtschaftet und ist daher differenziert vongrößeren Privatwaldbetrieben zu betrachten.

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Beschreibung:

Die Fürstliche Forstverwaltung Hohenlohe-Waldenburg kann auf eine lange Tradition zu-rückschauen. Bis etwa 1750 waren die Wäldervon sehr starker Weidenutzung geprägt, diesewurde dann von Streunutzung abgelöst. SeitMitte des 19. Jahrhunderts wurden die Wälderdurch umfangreiche Pflanzungen und Saatvon verschiedenen Baumarten wie Kiefer, Tan-ne und Fichte, aber auch von Laubhölzern neuaufgebaut. Die guten Ansätze zum Mischwaldwurden jedoch von der „großen Fichtenwelle“überrannt, so dass Anfang des 20. Jahrhun-derts der Wald von Fichtenreinbeständen ge-prägt war, auch dort, wo sie standörtlich nichthingehörten: Auf staunassen und wechsel-feuchten Hochebenen ebenso wie auf trocke-

nen Hanglagen. So musste die Fürstliche Forst-verwaltung die bittere Erfahrung machen, dassauf ihren stark vernässenden wechselfeuchtenStandorten des Keuperberglandes, wo submon-tane Buchen-Eichen-Wälder die natürlicheWaldgesellschaft bilden, die im letzten Jahr-hundert favorisierten Fichtenwälder immerwieder dem Sturm und anderen Schäden zumOpfer fielen.

Das zwangsläufig geerntete Holz fiel dadurchgehäuft in Zeiten an, in denen der Holzpreismeist sehr niedrig war. Dies entsprach nichtder vom Besitzer gewünschten Nachhaltigkeit,gleichmäßige Rendite zu erzielen. Der Vorratsank rapide ab und ist bis heute nicht sehrhoch (siehe oben). Daraufhin wurden die Wäl-der konsequent zu naturgemäßen Dauer-Mischwäldern umgebaut. Der Betrieb befindetsich nun im Aufbau, eine Nutzung kann der-

Naturraum

Wuchsgebiet: Neckarland, Hohenlohe

Geologie: Mittlerer Keuper

Jährlicher Niederschlag: 850 mm

Höhe: 300 – 520 m ü. NN

Fürstliche Forstverwaltung Hohenlohe-Waldenburg

Steckbrief

Ort: Waldenburg

Größe: 2205 ha

Besitzart: Großprivatwald

Vorrat: 169 Vfm/ ha

JährlicherHolzeinschlag: 4,3 Efm/ Jahr/ ha

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Page 25: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

zeit nur sehr bescheiden durchgeführt werden.Mit Hilfe von Vorbau und Naturverjüngung so-wie dem Einbringen von seltenen Baumartendurch Pflanzung und mit viel waldbaulicherKompetenz und Geduld konnte in relativkurzer Zeit ein kleinstrukturierter, stufiger,stabiler Mischwald erzogen werden. Tannewurde gruppenweise eingebracht. Nach einerIntensivierung der Jagd können sich nunnahezu alle Baumarten ohne Schutzmaßnah-men natürlich verjüngen, auch die Tanne. DasErgebnis kann sich sehen lassen!

Was zeichnet den Betrieb aus?

Die Nutzfunktion steht für den Betrieb an er-ster Stelle. Im Forstbetrieb Hohenlohe-Walden-burg wurde die Ökonomie in Einklang mit derÖkologie gebracht, indem eine Abkehr von der„Brotbaumart“ Fichte zu Mischwäldern miteiner hohen Artenvielfalt stattgefunden hat.Reich strukturierte Wälder haben sich als sta-biler und somit auch rentabler erwiesen. Auchdie Ausweisung von Habitatbäumen kommt imfürstlichen Betrieb nicht zu kurz. Der Betriebschützt alte, skurrile Baumformen und hat vie-le „Biotop-Bäume“ mit Schildern markiert.

Kontakt: F.K. Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg, 74638 Waldenburg

Ähnlich wie die fürstlichen Wälder zu Hohenlohe-

Waldenburg werden auch die Wälder der Fürst

Bentheimschen Domäne als Dauerwald bewirt-

schaftet! Dort gibt es eine hervorragende Tannen-

Bewirtschaftung!

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturgemäße Waldwirtschaftumgesetzt

� Abkehr von der Fichte

� Große Baumartenvielfalt mit seltenenBaumarten

� Markierung von Biotop-Bäumen

� Hoher Laubholzanteil

Baumartenverteilung in den Fürstlichen WäldernHohenlohe-Waldenburg

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Beschreibung:

Die Wälder des Freiherrn von Bodman befin-den sich seit vielen Generationen im Familien-besitz der von Bodmans. Der PEFC-zertifizierteWald ist der größte und wichtigste Betriebsteildes Familienunternehmens und trägt entschei-dend zum Familienunterhalt bei. Ca. 80 % dernaturnah bewirtschafteten Wälder wurden alsFFH-Gebiet ausgewiesen, vornehmlich als Le-bensraumtyp Buchen- und Hangschluchtwäl-der. Auf einem Großteil der Wälder liegenmehrere Schutzfunktionen. Vor ca. 25 Jahrenstand die Familie vor der Frage, wie mit derschwierigen Bewirtschaftung und der Erschlie-ßung an den steilen, häufig abrutschendenHängen umgegangen werden kann. Damalsverabschiedete man sich dann vollständig vomWegebau am Hang. Ein Teil der Hangwälder

wird seither äußerst extensiv bewirtschaftet.Wo eine Holzernte möglich erscheint, wirdvornehmlich mit dem Seilkran gearbeitet.

Das Holz wird mehr oder weniger halbschwe-bend an die Abfuhrwege gebracht und verur-sacht dabei relativ wenige Schäden am verblei-benden Bestand. Die Hochebene des Betriebeswird forstlich intensiv genutzt. Das Waldgebietum das idyllische Bodman wird durch die Nähezum Bodensee touristisch stark besucht. Damitobliegt der Familie von Bodman eine hohe Ver-antwortung gegenüber der Gemeinde und de-ren Fremdenverkehrszielen. Die bekannte Ma-rienschlucht sowie vielfältige Aussichtspunkteliegen im Bodmanschen Waldgebiet. Hierfürwurden sinnvolle Übereinkünfte mit der Ge-meinde getroffen, um eine touristische Er-

Naturraum

Wuchsgebiet: Alpenvorland

Geologie: Untere Süßwassermolasse

Jährlicher Niederschlag: 897 mm /Jahr

Höhe: 400 – 690 m ü. NN

Gräflich von Bodmansches Rentamt

Steckbrief

Ort: Bodman, Bodensee

Größe: >1000 ha

Besitzart: Großprivatwald

Waldgesellschaft: Waldmeister-Buchen-Wald

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Page 27: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

schließung ohne Mehrkosten für die Familievon Bodman gewährleisten zu können. DieBodmanschen Wälder verfügen an den zurück-haltend bewirtschafteten Hängen über großeMengen Totholz und diverse Kleinstbiotope,die viel Lebensraum für Höhlenbrüter bieten.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Der Bodmansche Wald zeichnet sich durchgroße, für den Naturschutz bedeutende Hang-schluchtwälder mit extensiver forstlicher Nut-zung aus. Das autochthone Eibenvorkommenist eine botanische Rarität und wird von derFamilie von Bodman geschützt. Vor zwei Jah-ren wurde eine Standortskartierung durchge-führt, um zukünftig bei der Baumartenwahlnoch besser auf die Standortsangepasstheit zuachten. Der horizontal kleinstrukturierte Waldzeigt einen Laubholzanteil von 50 %, der auchin der Zukunft beibehalten werden soll.

Kontakt: Johannes Frhr. von und zu Bodman,Schloßstr. 11, 78351 Bodman-Ludwigshafen

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Zurückhaltende und differenzierteNutzung der naturnahen Hang-schluchtwälder

� Hohe Totholzvorräte

� Kleinstrukturierte Waldbestände

� Seltene Baumarten geschützt

Baumartenverteilung in den Gräflich von Bodmanschen Wäldern

Page 28: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Der Forstbetrieb wurde 1994 vom heutigen Be-sitzer übernommen. Seither wird eine langfris-tige Überführung der Altersklassenbestände inmöglichst stabile, standortgemäße, ungleich-altrige Mischwälder angestrebt. Die Haupt-ziele des Forstbetriebs Großer Grassert sind„Schwarze Zahlen“ und umfassende Nachhal-tigkeit, auch in Bezug auf eine Risikominimie-rung angesichts des Klimawandels. Der Vermö-genswert soll sukzessive gesteigert werden.Seit 1994 wird dieses Ziel nunmehr konsequentverfolgt. Natürliche Prozesse, wie z.B. Natur-verjüngung, sollen genutzt werden, um Kosteneinzusparen. Der mittlere Hiebsturnus wurdeauf fünf Jahre festgelegt. Die Weißtanne undMischbaumarten werden gefördert, großflächigvorhandene Buchen-Altbestände werden er-

halten und im Dauerwald-Prinzip bewirtschaf-tet, um möglichst mehrschichtige Bestände zuerziehen. Auf diese Weise werden standörtlichdifferenzierte, naturnahe und produktiveMischwälder erzogen.

Die Wälder liefern wertvolles Starkholz (keineMassenware!) und eine Vielfalt an Holzsorti-menten, was große Flexibilität angesichts un-steter Holzmärkte mit sich bringt. Die Beja-gung wird seit 1994 in Regiejagd betriebenund wurde umgehend intensiviert, um waldan-gepasste Rehwilddichten zu gewährleisten.Seither verjüngen sich alle Baumarten über-wiegend problemlos. Auf eine pflegliche Holz-ernte wird besonders viel Wert gelegt. Durchhohe Qualitätsstandards kann eine moderneHolzernte waldschonend umgesetzt werden.

Naturraum

Wuchsgebiet: Schwarzwaldvorland

Geologie: Buntsandstein

Jährlicher Niederschlag: 1000 mm

Höhe: 320 – 531 m ü. NN

Forstbetrieb Großer Grassert

Steckbrief

Ort: Seelbach

Größe: 228 ha

Besitzart: Privatwald

Vorrat: 415 Vfm/ ha

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Page 29: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Die Einsätze werden mit großer fachlicherKompetenz des Waldbesitzers kontrolliert.Auch für die Artenvielfalt wird einiges geleis-tet: Mischbaumarten werden bewusst einge-bracht und gefördert, eine „Lothar“-Sturmflä-che von 2,5 Hektar aus dem Jahr 1999 wurdeder Sukzession überlassen. Auch Totholz ist imWald zu finden. Habitatbäume werden vomEigentümer und Revierleiter, Schwarzspecht-Großhöhlenbäume durch Spezialisten markiert.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Der Betrieb zeigt einen besonders schonendenUmgang mit dem Standortpotential: Alle Rü-ckegassen sind mit dem GPS-Gerät vermessen,dauerhaft markiert und kartiert. Eine Vollbaum-ernte findet nicht statt. Die Schlagraumnut-zung wurde stark eingeschränkt. KleinflächigeStandortsunterschiede werden durch die För-derung passender Baumarten berücksichtigt.Im Rahmen periodischer Betriebsinventurenmit festgelegten Stichprobenflächen wird auchdie Humusform kontrolliert.

Kontakt: Prof. Dr. Hermann Rodenkirchen, Lautenbachstr. 25, 77955 Ettenheim-Ettenheimmünster

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturgemäße Waldwirtschaft umgesetzt

� Kartierte und GPS-vermesseneRückegassen

� Förderung und Erhalt der Standorts-qualität

� Erfolgskontrolle durch umfassendeBetriebsinventuren

Baumartenverteilung im ForstbetriebGroßer Grassert

Page 30: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Seit ca. 15 Generationen wird der Wald vomWalterhof durch Familie Walter im Plenter-waldprinzip bewirtschaftet. Zum Hof gehörenneben dem Wald noch 10,1 Hektar Wiesen undWeiden im Biolandbetrieb. Die Familie lebt u.a.von den Erträgen des PEFC-zertifizierten Wal-des, so dass die Rentabilität der Waldbewirt-schaftung als maßgebendes Ziel zu sehen ist.Die Nutzung erfolgt in einzelstammweiser Ent-nahme des starken und schlechteren oder kran-ken Stamms, mit Berücksichtigung der Haupt-windrichtung in den Kammlagen. So entstandim Laufe der Jahrzehnte ein altholzreicher,stark strukturierter Plenterwald. Durch diekonsequente Eigenjagd verjüngen sich alleBaumarten problemlos, auch die Tanne wächst

gut heran. Die Holzernte erfolgt hauptsächlichin Eigenarbeit mit Traktor und Rückeschleppermit Seil. Vollerntemaschinen finden hier kei-nen Einsatz.

Die Rückegassen liegen in Anpassung an dasGelände in unregelmäßigen Abständen. Einebesondere Verantwortung gegenüber der Tan-ne zeigt sich, indem diese konsequent gefördertwird. Prinzipiell wird bei allen Eingriffen dasMotto „Tanne vor Fichte“ berücksichtigt. Eini-ge dicke Tannen sind dem Sturm Lothar 1999zum Opfer gefallen (siehe Foto). Früher war derWald die „Sparkasse“ der Familie. Bei den heu-tigen Preisen in der Primärproduktion kanndavon keine Rede mehr sein. Für eine Bauern-familie im Schwarzwald ist es kaum nochmöglich, vom Wald zu leben, obwohl dies 15

Naturraum

Wuchsgebiet: Schwarzwald

Geologie: Oberer und MittlererBuntsandstein

Jährlicher Niederschlag: 1500 mm

Höhe: 530 – 760 m ü. NN

Walterhof Loßburg

Steckbrief

Ort: Loßburg

Größe: 94,8 ha

Besitzart: Privatwald

Vorrat: ca. 400 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 7,4 Efm/ Jahr/ ha

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Page 31: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Generationen vor ihnen konnten. Jeder wert-volle Stamm ist also wichtig für das Familien-einkommen. Nur ein finanzieller Ausgleich füreinen Ertragsverlust würde ermöglichen, Alt-hölzer stehen zu lassen und auch mehr Totholzim Wald zu belassen.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Durch die waldbauliche Herangehensweise„das Schlechte fällt zuerst“ wird der nächstenGeneration ein qualitativ hochwertiger undstabiler Bestand übergeben. Der Verzicht in derGegenwart zum Wohle für die kommenden Ge-nerationen ist eine gelebte forstliche Nachhal-tigkeit. Der reich strukturierte und tannenrei-che Wald ist seinem Standort gut angepasstund zeigt, dass die kleinprivate Waldwirtschaftnicht aus Fichtenstangenhölzern bestehenmuss, um rentabel zu sein.

Ähnlich wie Wilhelm Walter wirtschaften auchandere Waldbauern im Schwarzwald, so z.B. GeorgBohnet aus Freudenstadt-Musbach.

Kontakt: Wilhelm Walter,Hinterrötenberg 3, 72290 Loßburg-Schömberg

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Hoher Anteil von Althölzern

� Hoher Tannen-Anteil

� Reich strukturierte Bestände

� Pflegliche Waldarbeit

� Angepasste Wilddichten

Baumartenverteilung im Wald des Walterhofs

Page 32: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Zur 1832 gegründeten Osterwaldgenossen-schaft Eglofs, der ältesten Genossenschaft Ba-den-Württembergs, gehören gegenwärtig 90Mitglieder. Auf mittelalterlichen Holznut-zungsrechten der „freien Bauern zu Eglofs“ fu-ßend, ist die Mitgliedschaft bis heute an denBesitz festgelegter Haus- und Hofstellen ge-bunden und als „Anteile“ nur intern veräußer-bar. Einzelne Genossen, waldfremde Interessenoder forstliche Modewellen hatten keinen di-rekten Zugriff auf den Wald. Dies hatte zurFolge, dass der Wald in der Geschichte kaumkurzfristigen oder individuellen wirtschaftli-chen Interessen preisgegeben war, sonderneine besonnene, langfristige Bewirtschaftung

erfuhr. Die forstliche Betreuung erfolgt heutedurch das Forstamt des Landkreises Ravens-burg. Der Gewinn wird jährlich, den unter-schiedlichen Anteilen entsprechend, an die Ge-nossen ausgeschüttet.

Der Osterwald ist auf seiner ganzen Fläche so-wohl als Erholungswald (Stufe 2) als auch alsFFH-Gebiet ausgewiesen. Die naturnahe Wald-wirtschaft mit femel- und plenterartiger Be-wirtschaftung auf der gesamten Waldflächewird der Schutz- und Erholungsfunktion ge-recht, unterstützt durch 44 ha Bodenschutz-wald, ein Naturschutzgebiet und 20 ha Wald-biotopfläche. Die Nutzfunktion ist jedoch ausder Sicht der Osterwaldgenossen die wichtigsteFunktion, die der Wald zu erfüllen hat. Der

Naturraum

Wuchsgebiet: Südwestliches Alpenvorland

Geologie: WürmeiszeitlicheGrundmoräne

JährlicherNiederschlag: 1400 mm

Höhe: 720 – 770 m ü. NN

Osterwald

Steckbrief

Ort: Argenbühl-Eglofs

Größe: 261 ha

Besitzart: Genossenschaftswald

Vorrat: 542 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 11,5 Efm/ Jahr/ ha

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Page 33: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

heutige Osterwald ist hauptsächlich von Nadel-holz geprägt. Die Tanne spielte dabei schonimmer eine bedeutende Rolle. Seit Jahrhunder-ten wird hier auf Naturverjüngung gesetzt, seiteinigen Jahrzehnten wird auf eine Räumungvollkommen verzichtet und ein Großteil desWaldes wird als Dauerwald bewirtschaftet. Inden letzten Jahren hat der Laubholzanteil ste-tig zugenommen. Ziel sind 20 % Laubholz.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Besonnene Waldbewirtschaftung über Jahr-zehnte hinweg zahlt sich langfristig aus. ImOsterwald wird dies besonders deutlich. Dieüppige Tannenverjüngung wurde ohne Schutznur durch angepasste Wildbestände in dieserArt möglich gemacht. Stufige, naturnahe undökologisch stabile Mischbestände versprechendurch die naturnahe Bewirtschaftungsform beiguter Bodenertragsleistung auch für die Zu-kunft dauerhaft einen hohen volks- und be-triebswirtschaftlichen Nutzen.

Kontakt: Ulrich Herkle, Am Bocksbühl 6, 88260 Argenbühl

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturnahe Waldwirtschaft umgesetzt

� Üppige gesunde Tannenverjüngungspricht für eine effektive Bejagung

� Pfleglicher Umgang mit ehemaligenErstaufforstungsbeständen

� Beispielhafte Nachhaltigkeit imEinklang von Ökonomie und Ökologie

Baumartenverteilung im Osterwald

Page 34: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

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Page 35: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

5.2 Kommunalwälder

Die Zielsetzung der Waldbewirtschaftung inKommunalwäldern unterscheidet sich grundle-gend von jener in Privatwäldern. Da die Bevöl-kerung mit einem kritischen Auge auf den ei-genen Naherholungswald blickt und deren An-sprüchen Rechnung getragen werden soll, stehtdie Holzproduktion nicht immer allein an er-ster Stelle. Vielmehr liegt häufig ein Schwer-punkt in der Erholungsfunktion des Waldesund ein nicht unbedeutender Anteil des Haus-haltes wird in die Schaffung und den Erhaltvon Erholungs- und Freizeiteinrichtungen in-vestiert. Erholung und Naturschutz lassen sichdabei häufig gut miteinander kombinieren, sodass auf die Belange des Naturschutzes in vie-lerlei Hinsicht eingegangen werden kann. Da-raus entstehende Kosten können in vielenKommunen nicht dauerhaft, jedoch gelegent-

lich abgepuffert werden, zahlen sie sich dochoft durch die Zufriedenheit der Bürger oderbestenfalls sogar durch den Tourismus aus. DieVerbuchung von Naturschutzmaßnahmen imWald auf das Ökokonto als Ausgleichsmaßnah-me für Eingriffe in den Naturhaushalt, zumBeispiel durch Erschließungs- und Baumaß-nahmen, kann in Zukunft Entlastung bringen.Manche Gemeinden und Städte verlangen,dass sich die Waldbewirtschaftung finanziellselbst trägt, erwarten darüber hinaus jedochnicht regel-mäßig größere Gewinne. Im Fol-genden werden sehr unterschiedliche Kommu-nalwälder und verschiedene Bewirtschaftun-gen und Naturschutzmaßnahmen vorgestellt.

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Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

Page 36: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Die Stadt Heidelberg hat sich zu einer naturna-hen Waldwirtschaft bekannt und setzt dieskonsequent um. Es werden mehrschichtigeMischwälder erzogen, die aus standortsge-mäßen und weitgehend standortsheimischenBaumarten bestehen. Nadelbaumreinbeständekommen nur zu 3 % vor. Der HeidelbergerStadtwald grenzt direkt an den Stadtkern, sodass ein sehr hoher Erholungsdruck auf demWald liegt. Die Forstbehörde ist daher in denBereichen Umweltbildung und Öffentlichkeits-arbeit sehr aktiv und hat ein eigenes Veranstal-tungs- und Umweltbildungsprogramm unterdem Motto „Wald erleben und Natur erfahren“entwickelt („Natürlich Heidelberg“). Neben derAnlage von Waldbildungspfaden, der Pflege

von alten Pflanzungen exotischer Baumarten(Arboreten) und der Besucherlenkung ist dieForstbehörde auch im Naturschutz engagiert.Der nach den Standards von PEFC und FSCzertifizierte Wald zeigt auf 9 % der Betriebs-fläche verschiedene Wald- und Feuchtbiotope,48 % der Fläche wurde als FFH-Gebiet ausge-wiesen. Zudem gibt es 171 ha Schonwald.

Für den Biotop- und Artenschutz wird viel ge-macht. Im Wald erfolgen eine Fledermauskar-tierung und diverse Hilfsmaßnahmen für denSchutz von Fledermäusen. Auch Amphibienund Reptilien kommen nicht zu kurz; Lebens-raum fördernde Maßnahmen stabilisieren diePopulationen. Die Biotoppflege orientiert sichin Heidelberg am Leitbild der traditionellenKulturlandschaft und an Nutzungsformen, wie

Naturraum

Wuchsgebiet: OberrheinischesTiefland/ Odenwald

Geologie: Mittlerer Buntsandstein

Jährlicher Niederschlag: 670 mm - 920 mm

Höhe: 100 - 568 m ü. NN

Stadtwald Heidelberg

Steckbrief

Größe: 3329 ha

Besitzart: Kommunalwald

Vorrat: 366 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 7,3 Efm/ Jahr/ ha

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Page 37: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

sie vor Beginn der landwirtschaftlichen Inten-sivierung existierten. Ziele der Biotoppflegesind die Erhaltung von Lebensräumen fürPflanzen und Tiere, die Bewahrung offenerLandschaften und die Sicherung des Struktur-reichtums. Die Maßnahmen fördern verschie-dene Vegetationsformen und ihre Begleitfaunasowie den Erhalt einer abwechslungsreichenund auch der Erholung dienenden Kulturland-schaft, z.B. Pflege von Trockenrasen, Trocken-mauern und Hecken.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Die Stadt Heidelberg hat klare schriftlicheLeitlinien für die Waldbewirtschaftung festge-legt. Waldrefugien (185 ha) werden nicht be-wirtschaftet und ebenso wie Biotopbäume imKataster erfasst. Es gibt eine große Baumarten-vielfalt, wobei das Laubholz dominiert. Brenn-holzselbstwerber erhalten mit Hilfe einesMerkblattes konkrete Anweisungen, wie dieHolzwerbung naturschonend zu erfolgen hat.

Kontakt: Friedrich Kilian, Stadt Heidelberg, Landschafts- und Forstamt, Abteilung Forst, Weberstr. 7, 69120 Heidelberg

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturnahe Waldwirtschaft umgesetzt

� Eigene Totholzstrategie seit 2005

� Intensive Zusammenarbeit mitBevölkerung und Naturschutzorts-gruppen

� Umfangreiche Artenschutzmaßnahmendurch Biotoppflege

Baumartenverteilung im Stadtwald Heidelberg

Page 38: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Der Stadtwald Baden-Baden ist der größteKommunalwald Baden-Württembergs. Im Jahr2006 hat der Gemeinderat ein Zielsystem fürden Wald beschlossen, um zu gewährleisten,dass sich die Waldbewirtschaftung langfristigan den kommunalen Zielsetzungen ausrichtet.Dabei wurden die ökologischen Wirkungen so-wie die Schutz- und die Erholungsfunktionwichtiger eingestuft als die Rohstofferzeugung.Vom Stieleichen-Mischwald in der Rheinebenebis hin zum montanen Buchen-Tannenwaldsind viele verschiedene Waldgesellschaftenvertreten. Ein Drittel der Fläche wird durch denBergmischwald mit einem Anteil von mehr als20 % Tanne geprägt. Die PEFC-zertifiziertenWälder werden naturnah bewirtschaftet. DerStadtwald hat im Jahr 1999 große Vorratsver-luste durch Sturm „Lothar“ erlitten. Es wird an-

gestrebt, den Vorrat langfristig wieder zu erhö-hen. Ein Großteil der 2000 Hektar großen ge-worfenen Flächen wurde mit Laubbäumen auf-geforstet, was den Laubholzanteil stark erhöhthat. Auch die Weißtanne wird im Stadtwaldsehr stark gefördert, ihr Anteil soll langfristigerhöht werden. Mit einer konsequenten Eigen-jagd und der Beteiligung an RobA, einem Pro-jekt zur Rehwildbewirtschaftung (siehe Kapitel4.6.2), wird dies auch gelingen.

Es bestehen große Bemühungen, alte Fichten-reinbestände umzuwandeln und in stabileMischwälder zu überführen. So wird noch im-mer intensiv Tannen- und Buchenvorbau be-trieben. Die Stadt unterhält eine eigene Pflanz-schule, in der dafür autochthone Tannen nach-

Naturraum

Wuchsgebiet: Rheinebene bis Schwarzwald

Geologie: Granit, Buntsandstein, Rotliegendes, Porphyr,

Lößlehm und mehr

Jährlicher Niederschlag: 1100 – 1693 mm

Höhe: 110 – 1003 m ü. NN

Stadtwald Baden-Baden

Steckbrief

Größe: 7378 ha

Besitzart: Kommunalwald

Vorrat: 224 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 5,8 Efm/ Jahr/ ha

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Page 39: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

gezogen werden. Die derzeit noch bestehendenDouglasien-Reinbestände werden langfristigumgebaut. Zukünftig soll die Douglasie nurnoch in Mischbeständen vorkommen. Auf Na-turschutz wird im Stadtwald Baden-Badengroßer Wert gelegt: Von der Offenhaltung undPflege von 120 ha Waldwiesen und ca. 300 haAuerwildhabitaten, der Freistellung von Fels-biotopen und Trockenmauern, bis hin zur Re-naturierung von Bächen. Die Vielfalt und Qua-lität der Naturschutzprojekte ist beachtlich. DieStadt hat nach dem Sturm „Lothar“ im Jahr1999 auf die Aufarbeitung von Sturmflächenauf ca. 190 ha verzichtet. Auf diesen Flächenfinden keine Maßnahmen mehr statt, sie kön-nen sich in natürlicher Sukzession entwickelnZudem wurde ein 8 ha großer, alter Eichen-Bu-chen-Tannen-Mischwald bannwaldartig still-gelegt. Auf 5 % der Waldfläche wird nur nochdie Verkehrssicherung durchgeführt (WET y,siehe Glossar).

Was zeichnet den Betrieb aus?

Die Eigentümerzielsetzung, welche durch denGemeinderat verabschiedet wurde, sichert inBaden-Baden eine nachhaltige, schonendeWirtschaftsform. 51 % des Waldes sind als ge-

setzlicher Erholungswald ausgewiesen. Waldäs-thetik spielt traditionell eine sehr große Rolle.Das Forstamt verfügt über Naturschutzpersonalmit zwei hauptamtlichen Naturschutzfachkräf-ten und weiteren Hilfskräften, die sich aus-schließlich um Naturschutzprojekte kümmern.

Kontakt: Thomas Hauck, Städtisches Forstamt Baden-Baden, Rheinstr. 111, 76532 Baden-Baden

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Eigentümerzielsetzung: Ökologie undErholung vor Holzproduktion!

� Zunahme von Tanne und Laubholz

� Naturschutzfachpersonal im Forstamt

� Viele Naturschutzprojekte

Baumartenverteilung im Stadtwald Baden-Baden

Page 40: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Im Stadtwald Pforzheim hat die Förderung derBaumartenvielfalt und die Entwicklung mög-lichst gemischter, naturnaher Wälder Traditi-on. Bis Ende der 1980er Jahre wurde etwa dieHälfte der Waldflächen noch durch Pflanzungbegründet. Ab 1994 erfolgte eine konsequenteUmstellung der Bewirtschaftung in RichtungDauerwald. Ziel ist es, möglichst stufige undabwechslungsreiche Mischwälder zu entwi-ckeln, welche mittlerweile nahezu ausschließ-lich durch Naturverjüngung begründet wer-den. Seither besteht ein völliger Verzicht aufdie flächige Räumung von Altholzpartien, einezurückhaltende Nutzung im stärkeren Holzund eine lange Überschirmung der aufkom-menden Verjüngung. Pflanzungen wurdensukzessive eingestellt, die Jagd wurde intensi-viert. Unterdessen sind die Ergebnisse dieser

Bemühungen sehr gut zu sehen: StrukturierteMischwälder mit hohem Altholzanteil bietenLebensraum und Waldästhetik. Der PEFC-zerti-fizierte Wald wird von der städtischen Forst-verwaltung mit einem Revierleiter und vier ei-genen Waldarbeitern betreut.

Der Stadtwald hat unter Orkan „Lothar“ großeVerluste erlitten. Dadurch fiel der Vorrat starkzurück. Auch der Klimawandel machte sichin den vergangenen Jahrzehnten bemerkbar.Sommerliche Trockenperioden haben durchdas Absterben vieler Bäume unfreiwillige Nut-zungen nach sich gezogen. Daher wird beimWaldbau dem Bestandesinnenklima eine großeBedeutung beigemessen. Relativ geschlossene,reich strukturierte Bestände puffern Sommer-trockenheit und Hitze in Pforzheim wesentlich

Naturraum

Wuchsgebiet: SchwarzwaldNeckarland

Geologie: Buntsandstein (> 80 %),Muschelkalk

Jährlicher Niederschlag: 800 mm

Höhe: 280 – 600 m ü. NN

Stadtwald Pforzheim

Steckbrief

Größe: 1700 ha

Besitzart: Kommunalwald

Vorrat: 300 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 5,3 Efm/ Jahr/ ha

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besser ab, als einschichtige Bestände. DerStadtwald hat eine große Bedeutung für dieNaherholung der Pforzheimer Bevölkerung.Markante Baumgruppen und Einzelbäumewerden erhalten und gepflegt. Als Waldrefu-gien bleiben Walddistrikte von 1-5 ha Größesich selbst überlassen. Hier erfolgt außer derVerkehrssicherungspflicht keine weitere Nut-zung mehr. Im Naturschutzgebiet Felsenmeerwurde die Nutzung ebenfalls eingestellt. AuchTotholz wird durch die städtische Forstverwal-tung planmäßig geschont und erhalten. Enga-gement im Naturschutz hat sich bereits ausge-zahlt: Insgesamt 15 Feuchtbiotope sind imStadtwald angelegt worden und bieten nun mitFFH-Flächen, Altholzinseln und Waldrefugienwertvolle Lebensräume u.a. für Schwarzspecht,Hohltaube und Fledermausarten.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Strukturreiche Mischbestände vereinen imStadtwald Pforzheim die Erholungsfunktionmit den Belangen des Naturschutzes und derHolzproduktion. Nadelreinbestände sind ei-gentlich nicht mehr vorhanden, der Anteil ist< 0,5 %. Mit 52 % ist der Laubholzanteil be-sonders groß.

Kontakt: Markus Haller, Forstverwaltung, Amt für Umweltschutz, Östliche Karl-Friedrich-Str. 9, 75175 Pforzheim

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Chemiefreie Waldwirtschaft, keinePestizide und Herbizide!

� Naturnahe Waldbewirtschaftungumgesetzt

� Reich strukturierte Mischwälder

� Nutzungsfreie Waldrefugien mit vielTotholz

Baumartenverteilung im Stadtwald Pforzheim

Page 42: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Der Freiburger Stadtwald teilt sich in zwei ge-trennte Gebiete, den Bergwald im Schwarzwaldund den Auewald in der Rheinebene. Im Berg-wald wird durch einzel- bis gruppenweiseBaumentnahme ein Bergmisch-Dauerwald an-gestrebt. Im Auewald ist das Forstamt in einerPhase der Erprobung kleinflächiger Naturver-jüngung und ergänzender Pflanzungen. DemAnteil der Douglasie von 20 % im Bergwaldbegegnet die Stadt mit Umsicht. Grundsätzlichgilt die Orientierung an der Naturwaldgesell-schaft. Die Buche und sonstige Laubbäume alsMischbaumarten sollen grundsätzlich geför-dert werden, so dass der Douglasienanteil zu-künftig den derzeitigen Flächenanteil nichtüberschreiten soll. Seit 1998 wird im Stadtwaldauf den Einsatz von Pestiziden vollkommen

verzichtet. Die Jagdausübung erfolgt auf ca.80 % der Fläche in Regie, eine wichtige Vor-aussetzung für einen erfolgreichen, anspruchs-vollen Waldbau.

Im Naturschutz ist das städtische Forstamt sehraktiv: Diverse Naturschutzmaßnahmen wieGewässerrandpflege, Offenhaltung von Wald-lichtungen, Habitatpflege in Auerhuhnlebens-räumen, Waldbiotoppflege usw. stehen aufdem normalen Programm. Die Stadt verfügtaußerdem seit 1994 über einen 36 ha großenBannwald. Hinzu kommen diverse Flächen mitNutzungsverzicht wie z.B. stillgelegte Eichen-Altbestände (8 ha) oder verschiedene Flächen,die aus der regulären Bewirtschaftung heraus-

Naturraum

Wuchsgebiet: Schwarzwald und

Oberrheinische Tiefebene

Geologie: Paragneise, Metatextite,

Diatextite

Kalkfreie Schotter

Jährlicher Niederschlag: 950 – 1800 mm

Höhe: 200 – 1280 m ü. NN

Stadtwald Freiburg

Steckbrief

Größe: 5140 ha

Besitzart: Kommunalwald

Vorrat: 364 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 6,7 Efm/ Jahr/ ha

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genommen wurden, sogenannte arB-Bestände(siehe Glossar, 45 ha). Insgesamt sind über 5 %der Waldfläche unbewirtschaftet. 16,4 % derWaldfläche wurden als Biotope ausgewiesen,was weit über dem Landesdurchschnitt von6 % liegt. Seit 1996 wird im Stadtwald Frei-burg durch ein Maßnahmenbündel die Anrei-cherung von Totholz aktiv vorgenommen. Ins-gesamt sind 2,7 % der Waldfläche durch Mar-kierung von Totholzinseln und Trittsteinen alsTotholzflächen ausgewiesen und somit aus-schließlich den Schutzzielen gewidmet. Insge-samt sind knapp 40 % des Stadtwaldes als„Natura 2000-Fläche“ ausgewiesen worden.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Die Stadt Freiburg hat ihre Ziele und Grundsät-ze in einer Waldkonvention schriftlich fixiert.So werden alle wichtigen Errungenschaften imWaldbau, im Naturschutz und in der Erho-lungsvorsorge auch bei wechselndem Personalsichergestellt. Bei der Waldbewirtschaftungwerden Teilziele wie z.B. Biotopschutz, Ökolo-gie, Holzerzeugung und Sozialfunktion sorg-fältig untereinander abgewogen, um zu einemhöchstmöglichen Gesamtnutzen zu kommen.

Kontakt: Andreas Schäfer,Städtisches Forstamt Freiburg, Günterstalstr. 71, 79100 Freiburg

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Multifunktionalität der Wälder durchklare Zielsetzung gewährleistet

� Bannwald mit einer Größe von 36 ha

� Keine Bewirtschaftung auf > 5 % derForstbetriebsfläche

� Alt- und Totholzkonzept seit 1995

� Viele Naturschutzmaßnahmen imStadtwald

Baumartenverteilung im Stadtwald Freiburg

Page 44: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Im Stadtwald Rosenfeld wendete man sich1985 vom Altersklassenwald ab, hin zu einerÜberführung in Femel- oder Plenterwald. Seitmehr als 25 Jahren wird der Stadtwald nunkonsequent als Dauerwald bewirtschaftet. 1990wurden Umtriebszeiten abgeschafft und derBestandestyp Plenterüberführung von derForsteinrichtung in vielen Beständen ausge-wiesen. Schon seit 1980 wurden sämtlicheSaumkahlschläge gestoppt, ursprünglich mitder Absicht, die bis dahin fehlenden Verjün-gungsvorräte an Weißtanne unter den nochvorhandenen Althölzern zu schaffen. Tannen-verjüngung konnte sich seinerzeit nicht ohneSchutz etablieren. Die Jagdpachtverträge wur-den überarbeitet, so dass die Jäger bis zu 70 %der Wildschutzkosten zu bezahlen hatten.

Wenn die Tannen trotz Einzelschutz noch ver-bissen wurden, wurden die Wildschäden ge-schätzt und den Jagdpächtern in Rechnung ge-stellt.

Wesentliches Erfolgselement war die Anpas-sung der Wildbestände auf ein Niveau, welchesdie Tannen-Naturverjüngung zulässt. Die Ab-schussplanvorgaben wurden angehoben. Da-raufhin setzte bald wieder die Naturverjün-gung von Tanne, Buche und den übrigen Laub-bäumen ein. Heute sind Vorbauten und Pflan-zungen nur noch in wenigen Sondersituatio-nen, wie etwa auf unzureichend verjüngtenSturmwurfflächen, notwendig. Für die Holz-ernteeingriffe gilt: „Wenig aber oft“. In der Re-gel wird zwei Mal im Jahrzehnt in die Bestän-de pflegend und erntend eingegriffen. In Ab-hängigkeit vom Gelände liegen die Rückegas-

Naturraum

Wuchsgebiet: Albvorland

Geologie: Mittlerer Keuper

Jährlicher Niederschlag: 700 – 900 mm

Höhe: 500 – 650 m ü. NN

Stadtwald Rosenfeld

Steckbrief

Größe: 1100 ha

Besitzart: Kommunalwald

Vorrat: 335 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 8,1 Efm/ Jahr/ ha

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Page 45: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

sen in einem Abstand von 30 - 60 Metern. Ins-gesamt 6 % der Waldfläche des Stadtwaldeswurden aus der regulären Holznutzung heraus-genommen (WET y, siehe Glossar). In diesenBuchen- und Eichenalthölzern erfolgt nahezukeine Nutzung und so hat sich hier ein hoherTotholzanteil entwickelt. Der Stadtwald Rosen-feld wird vom Forstamt des Landratsamtes Zol-lernalbkreis als Betriebsteil von ForstBW be-wirtschaftet. 2008 wurde der Wald mit der Pro-Silva-Medaille ausgezeichnet.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Die Stadt Rosenfeld hat sich bewusst für einenaturgemäße Waldwirtschaft entschieden undwar damit ein Vorreiter und Impulsgeber zurReetablierung der Tanne. 30 Jahre lang einzel-stammweise Bewirtschaftung hat zu einem sta-bilen und strukturierten Mischwald und wun-derschönen Waldbildern geführt. Die Laubhöl-zer und die Tanne sind in der Verjüngung starkvertreten, so dass zukünftig ein höherer Laub-holzanteil und viel Tanne zu erwarten sind.

Kontakt: Michael Kauffmann, Landratsamt Zollernalbkreis, Forstamt,Hirschbergstr. 29, 72336 Balingen

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturgemäße Waldwirtschaftumgesetzt

� Reich strukturierte Bestände

� Zunahme von Tanne und Laubholz

� Angepasste Wilddichten

Baumartenverteilung im Stadtwald Rosenfeld

Page 46: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Der Stadtwald von Emmendingen wird seit1985 im Dauerwaldprinzip bewirtschaftet.Kahlschläge und Saumschläge (siehe Glossar)wurden eingestellt und durch die einzelstamm-weise Nutzung ersetzt. Die gleichförmigen Be-stände wurden umstrukturiert, indem einigevorherrschende Bäume entnommen wurden.Auf diese Weise konnten die durch große Bäu-me bedrängten kleineren Bäume als Struktur-elemente erhalten bleiben. Durch eine Entnah-me in allen Dimensionen konnten aus den Al-tersklassenwäldern plenterartige Strukturenentstehen (Strukturdurchforstung). Dadurchkam flächig die Naturverjüngung auf und einZwischenstand konnte sich entwickeln. Inzwi-schen gibt es Naturverjüngung auf 50 % derFläche.

In der Baumartenzusammensetzung dominie-ren eindeutig die Laubbaumarten. Buche, Ei-che, Esche, Ahorn sowie sonstige Laubbäumemachen 88 % der Bestockung aus. Auf die Na-delbaumarten entfallen nur 12 %. Im Stadt-wald Emmendingen haben der Naturschutz,(FFH-Gebiet zu 100 %), die Naherholung (95 %Erholungswald), der allgemeine Schutz (77 %Klimaschutzwald) und das finanzielle Ergebniseinen gleich hohen Stellenwert. Ein Natur-denkmal von 5 Hektar Größe wird seit ca. 30Jahren nicht mehr bewirtschaftet und kannsich natürlich entwickeln. Gemeinsam mit ört-lichen Schulen hat das Forstamt ein Wildbie-nenprojekt ins Leben gerufen und pflegt meh-rere Völker verschiedener Wildbienenarten.Auch für Amphibien wie z.B. die Gelbbauch-

Naturraum

Wuchsgebiet: Südwestliche Vorbergzonedes Schwarzwaldes

Geologie: Mittlerer Buntsandstein,Mittlerer und Oberer Muschelkalk

mit Löß oder Feinlehm

Jährlicher Niederschlag: 880 mm

Höhe: 200 – 380 m ü. NN

Stadtwald Emmendingen

Steckbrief

Größe: 595 ha

Besitzart: Kommunalwald

Vorrat: 389 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 7,5 Efm/ Jahr/ ha

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Page 47: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

unke wurde viel getan. Mehrere Feuchtbiotopewurden renaturiert oder neu geschaffen undwerden nun regelmäßig gepflegt.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Der FSC-zertifizierte Stadtwald Emmendingenbietet herausragend schöne Waldbilder. Einumsichtiger Waldbau wurde durch Natur-schutzmaßnahmen ergänzt, was über die Jahr-zehnte struktur- und laubholzreiche Mischwäl-der zur Folge hat, die eine hohe Biodiversitätaufweisen. Seit 2007 ist der Stadtwald vonANW und PRO SILVA EUROPA (siehe Glossar)als Beispielbetrieb für naturgemäße Waldwirt-schaft anerkannt.

Kontakt: Stephan Schweiger, Landvogtei 10, 79312 Emmendingen

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturgemäße Waldwirtschaftumgesetzt

� Reich strukturierte Bestände

� Hoher Laubholzanteil

Baumartenverteilung im Stadtwald Emmendingen

Page 48: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

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Page 49: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

5.3 Staatswälder

Die Zielsetzungen der Waldbewirtschaftung inStaatswäldern sind so vielfältig wie die Wäl-der selbst. Der Wald soll „Holz liefern, demWild sowie seltenen Tieren und Pflanzen ei-nen Lebensraum bieten, zu Spaziergängeneinladen, für saubere Luft, ausgeglichenes Kli-ma sowie frisches Wasser sorgen und den Bo-den schützen“, so das Ministerium für Ländli-chen Raum, Ernährung und Verbraucher-schutz auf seiner Homepage. Den Staatswäl-dern obliegt eine besondere Aufgabe: In Hin-blick auf die Gemeinnützigkeit der staatlichenWälder sollen diese eine Vorbildfunktion fürdie Bewirtschaftung der Privat- und auchKommunalwälder bieten. Viele Impulse derWaldbewirtschaftung in Baden-Württemberggehen von der staatlichen ForstverwaltungForstBW aus. Im Rahmen eines umfangrei-

chen Fortbildungsprogrammes werden kom-munales und privates Forstpersonal sowieWaldbesitzer geschult.

Auch wenn heute der Ertragsdruck auf derstaatlichen Forstwirtschaft genauso hoch oderteils sogar höher ist als bei den anderen Wald-besitzarten, hat der Staatswald doch die wich-tige Aufgabe, dem Anliegen des Naturschutzesam ehesten gerecht zu werden und entspre-chende Kosten hierfür zu tragen. Nutzungsver-zicht (Totholz, Bannwald o. ä.) ist im Staats-wald eher zu verwirklichen als in den anderenEigentumsarten. Tatsächlich befanden sich2008 insgesamt 89 % aller Bannwälder imStaatswald (Späth und Stübner, 2009). Im Lau-fe der Jahrzehnte wurden vom Staatsforst zu-dem häufig Wälder aufgekauft, die einen ho-hen Wert für den Naturschutz haben.

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Page 50: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Der Landkreis Heilbronn hat sich zu einer na-turnahen Waldwirtschaft verpflichtet. Nebender Nutzfunktion werden Schutz- und Erho-lungsfunktionen des Waldes gleich gewichtet.Die FFH-Gebiete (30 % der Waldfläche) sowiedie Erholungswaldfunktion (30 % der Waldflä-che) stellen eine große waldbauliche Heraus-forderung und Verpflichtung dar. In der Praxiswerden Wälder seit einigen Jahren in struktur-reiche Mischwälder überführt (Dauerwald). Diein Waldökosystemen natürlich ablaufendenProzesse werden für die Bewirtschaftung ge-zielt genutzt (biologische Automation). Daszentrale Nutzungskriterium ist die Erziehungmöglichst wertvollen Holzes aller vorkommen-

den Baumarten. Im ökologischen Bereich wer-den reife Waldökosysteme mit einem hohenAnteil an Biotop- und Totholzstrukturen ange-strebt. Die für den gesamten öffentlichen Waldim Landkreis Heilbronn charakteristischeWaldbehandlung wird exemplarisch am RevierUntergruppenbach (Staatswald) beschrieben.

Im Revier Untergruppenbach wird der Wald alsdauerhaftes, vielgestaltiges und dynamischesÖkosystem bewirtschaftet. Natürlich vorkom-mende Mischbaumarten werden kontinuier-lich gefördert, insbesondere die Eiche. HäufigePflegeeingriffe von mäßiger Intensität fördernnicht nur die Qualität des verbleibenden Be-standes, sondern auch den Baumarten- undStrukturreichtum. Eine extensive Pflege in derJugendphase nutzt natürliche Prozessabläufe

Naturraum

Wuchsgebiet: Neckarland

Geologie: Mittlerer Keuper(Schilfsandstein, Gipskeuper)

Jährlicher Niederschlag: 750 - 850 mm

Höhe: 350 - 400 m ü. NN

Staatswald Heilbronn

Steckbrief

Betrieb: ForstrevierUntergruppenbach

Größe: 800 ha

Besitzart: Staatswald

Vorrat: 415 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 7,2 Efm/ Jahr/ ha

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Page 51: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

und geht fließend in eine permanente Ausleseund Veredelung aller Bestandesteile über. AlteWälder werden unter gezielter Anreicherungvon Totholzstrukturen sukzessive in Dauer-wald überführt. Kahl- oder Räumungshiebewerden aus Prinzip nicht durchgeführt. Auf-grund der zu erwartenden Klimaverschiebungwird insbesondere auf Störungsflächen ein be-sonderes Augenmerk auf die Anreicherung kli-matoleranter Mischbaumarten gelegt. Auch imSinne einer hohen Biodiversität konzentriertsich die Waldpflege auf die konsequente Förde-rung von Mischbaumarten.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Der Staatswald in Untergruppenbach verfügtmit 68 % über einen hohen Anteil an Laubbäu-men und über einen ebenfalls hohen Anteilreifer Bäume mit über 120 Jahren, insbesonde-re alte Eichen. Der Landkreis verfügt über eineigenes Alt- und Totholzkonzept. Ergänzendzum landesweiten AuT- Konzept, werdenschon in jungen Beständen Habitatbaumgrup-pen ausgewählt und frühe Totholzstrukturenin Jungbeständen geschaffen (siehe hierzuKapitel 6.2).

Kontakt: Karl-Heinz Lieber, Landratsamt Heilbronn, Kreisforstamt, Lerchenstr. 40, 74072 Heilbronn

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Hoher Anteil an reifen Wäldern (Altholz)

� Verzicht auf die Anwendung von Bioziden

� Keine Kahl- und Räumungshiebe

� Differenzierte lichtökologischeVerhältnisse

� Strukturierte Mischwälder auf ganzerFläche (Dauerwald)

� Alt- und Totholzkonzept auf ganzer Flächemit Integration von Weichlaubhölzern

Baumartenverteilung im Staatswald Heilbronn

Page 52: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Im Landkreis Breisgau Hochschwarzwald wirdnaturnaher Waldbau nach den Vorgabender Landesforstverwaltung durchgeführt. DiePEFC-zertifizierten Wälder des Prälatenwaldesim Münstertal wurden erst nach dem ZweitenWeltkrieg intensiv erschlossen. 89 % der Wäl-der liegen am Hang, was waldbauliches Arbei-ten erschwert und Herausforderungen für Förs-ter und Waldarbeiter mit sich bringt. Durch dieNeigung und den rutschigen Untergrund ist einBefahren der meisten Standorte nur schwermöglich. Auf Feinerschließungswege am Hangwird im Prälatenwald daher häufig verzichtet.Mit Rücksichtnahme auf die Standorte ist hieroft der Seilkran im Einsatz. Der horizontalstark strukturierte Wald ist kleinstandörtlich

angepasst und bietet daher ein sehr abwechs-lungsreiches Bild mit großer Biodiversität.

Ein waldbauliches Highlight stellen die Eichen-Tannenwälder in den unteren Lagen des Re-viers dar. Über der aufkommenden Tannen-und Buchenverjüngung werden die hiebsreifenBestände von der Mitte heraus feinfühlig undlangsam einzelstammweise geöffnet. So wirddie sehr lange Verjüngungsphase eingeleitet.Die teils als Waldbiotop kartierten und exten-siv bewirtschafteten lockereren Eichen-Misch-bestände auf den trockenen Kuppen bieten vie-len wärme- und lichtliebenden Arten einen Le-bensraum. Die lichten Eichen-Tannenwälderwerden regelmäßig von der sich natürlich ver-jüngenden Douglasie befreit. Seltene Baumar-ten werden im Prälatenwald konsequent durcheine Markierung der Bäume geschützt. Auch

Naturraum

Wuchsgebiet: Westschwarzwald

Geologie: Gneis, Granit, Porphyr

Jährlicher Niederschlag: 800 – 1800 mm

Höhe: 300 – 1150 m ü. NN

Staatswald Breisgau-Hochschwarzwald

Steckbrief

Betrieb: Forstrevier Prälatenwald

Größe: 1265 ha

Besitzart: Staatswald

Vorrat: 401 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 8,9 Efm/ Jahr/ ha

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Page 53: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

auf Naturschutzprojekte wird großer Wertgelegt. Zum Beispiel wurden mit Hilfe vonÖkosponsoring und Schulklassen Felsforma-tionen wieder freigestellt und dadurch einautochthones Vorkommen der Felsenbirne ge-fördert. Außerdem findet man im Prälatenwaldreichlich Totholz.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Ein umsichtiger und dem jeweiligen Standortangepasster Waldbau führte im Prälatenwaldzu einem stabilen Mischwald. Auf örtliche Ge-gebenheiten wird hier viel Rücksicht genom-men. Zum Beispiel wird in den vom Nass-schnee gefährdeten unteren Lagen bei derJungbestandspflege der Stabilität der jungenBäume Vorrang vor der Qualität gegeben, in-dem die Pflegeeingriffe stärker als üblich aus-fallen. So werden stabile, dafür aber astigereEinzelbäume erzogen.

Kontakt: Herbert Stiefvater, Forstbezirk Staufen,Hauptstr. 11, 79219 Staufen

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturnaher Waldbau umgesetzt

� Rücksichtnahme auf Standort undKlima

� Pflege der Tanne

� Schonende Holzernteverfahren amHang

Baumartenverteilung im Prälatenwald

Page 54: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Der Staatsforstbetrieb wurde bei der Verwal-tungsreform 2005 aus den ehemaligen Staatli-chen Forstämtern Bad Waldsee, Leutkirch, Ra-vensburg und Wangen gebildet. Das Forstamtpraktiziert seit etwa 30 Jahren die klassische„naturnahe Waldwirtschaft“ nach den in derFED 2000 niedergelegten Grundsätzen (siehehierzu auch Kapitel 7). Es wird dabei auf einekahlschlagfreie Naturverjüngungswirtschaftgesetzt, wobei bei allen Baumarten mit langenVerjüngungs-Zeiträumen bis zu 50 Jahren ge-arbeitet wird. Durch einzelstammweise Auf-lichtung wird die Verjüngung in der Regelstark ausdifferenziert, so dass sie feinästig undbis zu 15 m hoch ist, wenn die letzten Schirm-bäume geräumt werden oder einwachsen dür-

fen. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeitliegt im Umbau von standortswidrigen und ri-sikoreichen Fichten-Beständen zu stabilenLaub- und Laubmisch-Beständen.

Seltene Baumarten werden bei der Pflegegrundsätzlich gefördert. Die vorbildliche Re-giejagd ermöglicht eine Verjüngung allerBaumarten. Das Forstamt ist im Naturschutzbesonders aktiv. Neben Wiedervernässungs-maßnahmen von Mooren, werden zum BeispielBachläufe entfichtet, Waldwiesen offen gehal-ten, Gewässer extensiv und schonend bewirt-schaftet oder Waldschmetterlings-Biotope auf-gelichtet und wieder hergestellt. Im Forstamtgibt es neben einem Schwarzstorch-Vorkom-men, dessen Horste streng geschützt werden,auch stabile Populationen von Pirol und Mit-

Naturraum

Wuchsgebiet: SüdwestdeutschesAlpenvorland

Geologie: Jungmoräne

Jährlicher Niederschlag: 950 mm

Höhe: 440 – 700 m ü. NN

Staatswald Ravensburg

Steckbrief

Betrieb: Forstrevier Blitzenreute

Größe: 907 ha

Besitzart: Staatswald

Vorrat: 424 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 12,2 Efm/ Jahr/ ha

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Page 55: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

tel- und Kleinspecht. Altholz-Inseln werdenseit langem auf Dauer dem natürlichen Zerfallüberlassen. Das Forstamt betreibt zwei großeHolzberegnungs-Plätze, um den Einsatz vonPestiziden so weit wie irgend möglich zu ver-meiden (Beregnung anstatt Polterspritzung).

Was zeichnet den Betrieb aus?

Neben einer schonenden, naturnahen Waldbe-wirtschaftung mit langen Verjüngungszeiträu-men und einer Vermeidung von frühzeitigenRäumungen der Altbestände, zeigt sich dasForstamt sehr naturschutznah. Schon seitJahrzehnten wird eine langfristige und ziel-strebige Ankaufs- und Unterschutzstellungs-strategie betrieben, um wertvolle Biotope zusichern und so die Biodiversität zu erhaltenund zu stärken. 5,7 % der Waldfläche sind alsBannwald ausgewiesen, ein Wert, der weit überdem Landesdurchschnitt von 0,6 % liegt! Hin-zu kommen weitere Schutzgebiete und 9 % ex-tensiv bewirtschaftete Bestände.

Kontakt: Dr. Rolf Bosch, Landratsamt Ravensburg, Kreisforstamt, Gartenstr. 107, 88212 Ravensburg

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Hoher Bannwald-Anteil von 5,7 %

� Naturnaher Waldbau umgesetzt

� Ankauf von schützenswerten Flächen

� Umsetzung vieler Naturschutzprojekte

Baumartenverteilung im Staatswald Ravensburg

Page 56: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Beschreibung:

Der Staatswald „Bodanrück“ liegt auf dem Hö-henrücken, der den Überlinger See vom Unter-see trennt. Der blühende Tourismus rund umden Bodensee hat einen großen Einfluss auf dieBewirtschaftung der PEFC-zertifizierten Wäl-der und stellt hohe Anforderungen an denForstbetrieb. Waldästhetik und Naturschutz ge-hen hier Hand in Hand. Der Bewaldungsanteilim Landkreis Konstanz liegt bei 36 %. Die Wäl-der weisen einen hohen Anteil an Laubhölzernvon 60 % und intensive Mischungsformen auf.Nadelreinbestände gibt es nur noch auf weni-ger als 0,5 % der Waldfläche. Seit 20 Jahrenwird eine naturnahe Waldwirtschaft betrieben.Die üppige Naturverjüngung aller Baumartenermöglicht in Kombination mit einer effekti-

ven Regiejagd eine langsame und vorsichtigeBestandesverjüngung.

Die rücksichtsvolle und pflegliche Bewirtschaf-tung trägt den naturräumlichen und sozialenGegebenheiten der Region Rechnung. Die Holz-ernte erfolgt auf dem Bodanrück so schonendwie möglich. Die Rückegassen liegen im Ab-stand von 40 Meter und sind fest markiert, sodass bei der Ernte möglichst wenig Waldflächemit Maschinen befahren wird. Die naturnaheWaldwirtschaft auf dem Bodanrück hat für dieBiodiversität der Region bereits Früchte ge-tragen: Es gibt gesicherte Vorkommen vonSchwarzspecht, Hohltaube und Pirol. Höhlen-und Horstbäume werden markiert und ge-schützt, das AuT-Konzept des Landes (sieheKapitel 6.2) ist bereits in Umsetzung. In den

Naturraum

Wuchsgebiet: Westliches Bodenseegebiet

Geologie: Tertiär, Drumlins,

Molasse

Jährlicher Niederschlag: 750 – 880 mm

Höhe: 400 – 550 m ü. NN

Staatswald Konstanz

Steckbrief

Betrieb: Staatswald Bodanrück

Größe: 905,9 ha

Besitzart: Staatswald

Vorrat: 399 Vfm/ ha

Jährlicher Holzeinschlag: 8,7 Efm/ Jahr/ ha

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Page 57: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

letzten Jahren wurde im gesamten Forstreviereine flächendeckende Vernetzung von Feucht-biotopen geschaffen, in denen viele Amphibienund Reptilien und seltene Wasserpflanzen wiezum Beispiel das Bunte Laichkraut (Potamoge-ton coloratus) einen Lebensraum gefunden ha-ben.

Was zeichnet den Betrieb aus?

Die artenreichen und von Laubhölzern gepräg-ten Wälder des Reviers bieten durch viel Alt-und Totholz eine schöne Waldästhetik. Natur-schutz und intensiver Tourismus werden hiermit den Ansprüchen an eine nachhaltige Holz-nutzung in Einklang gebracht. Die naturnahenWälder mit einer großen Artenvielfalt werdenschonend bewirtschaftet und bieten so ein ho-hes Potential, die derzeitige Biodiversität zu er-halten und zukünftig zu vergrößern.

Kontakt: Hans-Michael Peisert, Landratsamt Konstanz, Kreisforstamt, Waldstr. 30, 78315 Radolfzell

Beispielhafte Forstbetriebe in Baden-Württemberg

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Toll gemacht!

� Naturnahe Waldbewirtschaftungumgesetzt

� Hoher Laubholzanteil

� Viel Totholz

� Multifunktionalität im Wald realisiert

Baumartenverteilung im Staatswald Bodanrück

Page 58: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Gelungene Naturschutzmaßnahmen im Wald6

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Neben einer gesamt- bzw. teilbetriebli-chen Strategie haben auch viele zu-sätzliche Einzelmaßnahmen eine gro-

ße Wirkung auf die Biodiversität und Schutz-funktionen im Wald. Die Schaffung und diePflege von vielfältigen Strukturen ist hierfüreine Grundvoraussetzung. Eine abwechslungs-reiche Waldlandschaft aus sowohl dichtem alsauch lichtem Wald, verschiedenen Baumartenund Altersstufen ist dabei die Grundlage. Wer-den weitere Strukturen ergänzt, wie zum Bei-spiel Waldwiesen, Waldinnen- und Waldaußen-ränder, kleine Feuchtbiotope, Felsformationenoder naturnahe Bachläufe, so sind die bestenVoraussetzungen für einen Reichtum an Pflan-zen-, Pilz- und Tierarten geschaffen. Der Wald-besitzer kann selbst viel dazu beitragen, dieseStrukturvielfalt naturnah zu gestalten und zupflegen und dabei die Verantwortung für eingesundes Naturerbe in unserem Land zu tragen.

Naturschutz im Wald muss nicht immer auf-wändig sein. Waldbesitzer können auch ohnegrößere Anstrengungen und finanzielle Auf-wendungen sehr viel für den Naturschutz tun,zum Beispiel Bäume alt werden lassen und ste-hendes Totholz erhalten. Schon allein mit et-was Alt- und Totholz im Wald wird für vieleArten ein wertvoller Lebensraum geschaffen.Aber auch etwas aufwändigere Maßnahmenlassen sich oftmals mit Unterstützung durchörtliche Naturschutzgruppen, Schulklassenund Vereine projektweise umsetzen.

6.1 Markierung von Habitat-bäumen

Habitatbäume, auch Biotopbäume genannt,sind schützenswerte Lebensräume für vieleverschiedene Arten. Um zu gewährleisten, dass

Page 59: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

diese Bäume nicht - versehentlich - umgesägtoder bei der Holzernte beschädigt werden,müssen sie durch eine dauerhafte Markierungerkennbar gemacht und damit geschützt wer-den. Aufgrund von wechselndem Fachpersonalauf der Fläche sowie wechselnden Unterneh-mereinsätzen und Brennholzwerbern ist es zu-nehmend wichtig, dass Habitatbäume für alle,die im Wald arbeiten, deutlich erkennbar sind.

In vielen Betrieben in Baden-Württembergwerden Habitatbäume bereits seit längeremmarkiert. Besonders effektiv ist die Markierungdurch einen Spezialisten. Revierförster kennenzwar ihren Wald am besten, verfügen jedochselten über die notwendige Zeit, die Beständeintensiv nach Höhlen abzusuchen. Hinzukommt, dass der Spezialist durch seine Kompe-tenz Höhlen besser erkennen kann und effekti-ver arbeitet. Er weiß, wo nach Höhlen und

Horsten gezielt gesucht werden muss. Im Fol-genden finden Sie einige Beispiele.

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Habitatbäume - Hochhäuser für viele Arten

Habitatbäume bzw. Biotopbäume bieten vielen Tier- und Pilzarten

Unterschlupf und Nahrung. Vor allem Bäume mit Rindenverletzungen,

Astabbrüchen, Blitzrissen oder anderen Verletzungen bieten sich als

schützenswerte Habitatbäume an, denn durch die Verletzungen dringen

Pilze in das Holz ein. Durch die Einwirkung dieser Pilze wird das Holz als

Nahrungsquelle für eine Vielzahl von Tierarten erschlossen. Das leicht

marode Holz wird gerne von Höhlenbrütern bearbeitet und von Insekten

besiedelt. Da ein Pilzbefall das Holz entwertet, werden beschädigte

Bäume häufig leider viel zu früh gefällt. Als Habitatbäume eignen sich

also Bäume mit Stammverletzungen, Kronentotholz oder Pilzbefall.

Außerdem sind Bäume mit Höhlen oder Horsten, uralte Bäume und auch

Totholz schützenswert.

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Habitatbaummarkierung im Land-kreis Reutlingen

Im Landkreis Reutlingen werden seit 2004 aufinsgesamt ca. 35 000 Hektar Wald durch einenOrnithologen in Zusammenarbeit mit denForstbetrieben in Altbuchenbeständen Schwarz-specht-Höhlenbäume und Greifvogel-Horst-bäume einheitlich markiert und mit GPS-Datenerfasst und kartiert. Schon seit 1988 wurdenim Landkreis Spechtbäume markiert, zunächstjedoch ohne schriftliches Konzept. Insgesamt werden 310 Großhöhlenbäume und49 Horstbäume geschützt, die mit einem blau-en Hirschhorn markiert sind, welches zur dau-erhafteren Haltbarkeit vorher in die Buchen-rinde eingeritzt wird. Die blaue Farbe ist vonweitem zu sehen und hilft bei den Fällarbeiten,die entsprechend markierten Bäume besondersgut zu erkennen und damit zu schützen. NebenSchwarzspechten wurden in den Höhlenbäu-men auch andere bedrohte Vogelarten wieDohle, Hohltaube und Rauhfußkauz entdeckt.

Der Schutz der Habitatbäume ist ein wichtigerBestandteil der Erzeugerkriterien für Buchen-holz im Landkreis Reutlingen und damit auchein wichtiges Marketing- und Verkaufsargu-

ment für Produkte aus rotkernigem Buchen-holz. Die über PLENUM-Projekte geförderte Ini-tiative zum Schutz von Habitatbäumen konntein der IG Rotkern Neckar-Alb e.V., dem NABUund der Deutschen Wildtierstiftung weitereKomplementärfinanzierer gewinnen (siehehierzu: www.plenum-alb.de). Ziel ist es in Reutlingen, die Markierungen zu-künftig permanent fortzuführen, stetig zu ak-tualisieren und aus Habitatbäumen auch Tot-holz werden zu lassen. Die dabei entstehendeDynamik soll beobachtet und erfasst werden.

Habitatbaummarkierungen in anderen Wäldern

Auch in anderen Landkreisen werden Habitat-bäume ähnlich wie in Reutlingen vorbildlichmarkiert. Mit Hilfe von Spezialisten werdenzum Beispiel im Landkreis Heilbronn sowie imStadtwald Esslingen und im GemeindewaldEbringen Habitatbäume markiert und erfasst.In Ebringen konnte so ein stabiles Vorkommender Hohltaube (Columba oenas) gesichert wer-den, eine Rote-Liste-Art der gefährdeten Vo-gelarten Baden-Württembergs.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

60

Markierungen helfen,Habitatbäume vor

versehentlichenFällungen und

Beschädigungen zuschützen.

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In vielen Wäldern Baden-Württembergs über-nehmen die Revierleiter die verantwortungs-volle Aufgabe, Höhlen- und Horstbäume zuschützen. Die Markierungen sehen daher sehrunterschiedlich aus. In der nebenstehenden Ta-belle sind einige Betriebe aus Baden-Württem-berg aufgelistet, die selbst Habitatbäume mar-kieren.

6.2 Vorkommen und Schutz vonAlt- und Totholz

Ein charakteristisches Merkmal natürlicherWälder ist das reichliche Vorkommen von lie-gendem bzw. stehendem, totem, teils auch ver-moderndem Holz – kurz Totholz. Im ÖkosystemWald wird Totholz eine große Bedeutung bei-gemessen. Es spielt nicht nur eine wichtigeRolle im Stoffkreislauf, ist Nährstoffspeicherund Humusbildner, es beeinflusst auch das Be-standsklima und kann in Gebirgswäldern sogarvorübergehend eine gute Schutzwirkung ge-genüber Lawinen und Steinschlag haben. Tot-holz bietet Unterschlupf, Deckung, Schlafplatz,Überwinterungs- und Brutmöglichkeiten fürzahlreiche Tierarten: Säugetiere wie der Sie-benschläfer, höhlenbrütende Vögel oder wär-

meliebende Reptilien. Einige Tierarten sind aufTotholz gar angewiesen, andere profitieren da-von. Im Totholz leben auch Arten, die im Falleeiner Massenvermehrung von Forstschädlin-gen die Rolle des Gegenspielers übernehmenkönnen. Totholzarme Wälder sind deswegenhäufiger und heftiger von Massenvermehrun-gen einzelner Arten betroffen als totholzreicheWälder (Schiegg-Pasinelli und Suter, 2002).

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

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Beispiele von Wäldern, in denen Habitatbaummarkierungen durchgeführt werden

Forstbetrieb Markierung durch

Landkreis Heilbronn SpezialistenGemeindewald Ebringen SpezialistenStadtwald Esslingen SpezialistenStadtwald Eberbach ehrenamtliche Spezialisten Landkreis Ravensburg RevierleiterStadtwald Heidelberg RevierleiterUnternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern RevierleiterFürst zu Bentheimsche Domänenkammer, Forstbetrieb Gaildorf RevierleiterFürstliche Forstverwaltung Hohenlohe-Waldenburg Revierleiter/EigentümerForstbetrieb Großer Grassert Eigentümer

Habitatbaummarkierungen sehen überall etwas anders aus; wichtig ist, dass die Markierung von weitem gut zuerkennen ist.

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Mit der Intensivierung der Forstwirtschaftwurde Totholz weitgehend aus dem Wald ver-bannt und der Lebensraum für totholzbewoh-nende Organismen wurde stark eingeschränkt.Aus diesen Gründen stehen einige totholzbe-wohnende Käfer, die vor 30 Jahren noch alsForstschädlinge bezeichnet wurden, mittler-weile auf der Roten Liste der bedrohten Tierar-ten, wie zum Beispiel der Große Wespenbock(Necydalis major), der Körnerbock (Aegosomascabricorne), der Alpenbock (Rosalia alpina)sowie einige seltene Bohr-, Pracht- und Bast-käferarten. Auch Fledermausarten, die hohleBäume bewohnen, müssen heute zum Teil inVogelnistkästen Unterschlupf finden (Mehrani-Mylany und Hauk, 2004).

Neben einer ausreichenden Menge von totemHolz sind auch die Baumart, die Dicke desStammes und der Zersetzungsgrad entschei-dend für eine große Artenvielfalt im Wald. Dastote Holz verändert sich stetig durch den na-türlichen Zersetzungsprozess. In den verschie-denen Zerfallsphasen treten unterschiedlicheArten auf. Holz bewohnende (xylobionte) Or-ganismen sind darauf angewiesen, dass immerwieder neues Totholz zur Verfügung steht. Somuss Totholz im richtigen Zersetzungsstadium,

zu jeder Zeit und in erreichbarer Distanz ver-fügbar sein (Bütler und Schlaepfer, 2004).

Das Belassen von Totholz im Wald ist auch einfinanzieller Aspekt, da es häufig einen Verzichtauf Holznutzung bedeutet. Gerade bei der ak-tuell hohen Brennholznachfrage muss Totholzdurch den Revierleiter regelrecht verteidigtwerden. Totholz zu schützen ist daher ein lo-benswerter Verzicht auf Einkommen. Nicht im-mer kommt es bei der Bevölkerung gut an,wenn wertvolles Holz im Wald „verkommt“.Viele Revierleiter leisten hier oftmals nichtganz einfache Überzeugungsarbeit.

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Totholz ist voller Leben!

Das Belassen von Totholz schafft wertvollen

Lebensraum für viele Arten. Die Verkehrssi-

cherungspflicht steht dem Erhalt von Totholz

oftmals im Wege und zwingt viele Förster und

Waldbesitzer, wertvolles Totholz in Wegesnä-

he zu entfernen. Eine hohe Wegedichte,

kombiniert mit der Verkehrssicherungspflicht,

bedingt wenig Raum für Totholz.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Totes Holz im Wald

ist Lebensraum für

viele Arten.

Page 63: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Die Verkehrssicherungspflicht, die jedem Wald-besitzer an seinen Waldwegen per Gesetz ob-liegt, ist in stark frequentierten Waldgebietenein weiteres Hindernis für das Belassen vonTotholz. Viele alte und morsche Bäume undderen Bewohner müssen aus diesem Grundeleider all zu oft weichen.

Trotz zahlreicher Unwägbarkeiten und Proble-me gibt es etliche Beispiele, bei denen der Um-gang mit dem Totholz gut gelungen ist.

Beispiele von Wäldern, bei denengroßer Wert auf das Belassen vonTotholz gelegt wird

Stadtwald Heidelberg Für den Stadtwald Heidelberg gibt es seitJanuar 2005 eine eigene Totholzstrategie, dienachhaltiges Totholzmanagement gewährleis-ten soll.

Landkreis HeilbronnDer Landkreis Heilbronn verfügt über ein eige-nes Alt- und Totholzkonzept, das die sukzessiveErhöhung des Habitatbaum- und Totholzanteilsauf der gesamten Waldfläche zum Ziel hat.Schon in jungen Beständen werden Habitat-

baumgruppen ausgewählt und durch die Inte-gration von Weichlaubholz frühe Totholzstruk-turen in Jungbeständen geschaffen.

Gemeindewald Ebringen Im Ebringer Gemeindewald haben es holzbe-wohnende Tierarten gut. Ein reiches Angebotan stehendem und liegendem Totholz sorgthier für eine große Artenvielfalt.

Stadtwald EsslingenAuch im Stadtwald Esslingen gibt es viele Be-mühungen, große Totholzvorräte langfristig zusichern. Nicht bewirtschaftete Flächen undTotholzpyramiden sind über die städtischenWälder verteilt.

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Diese dicke, tote Buche im Ebringer

Gemeindewald bietet vielen Tieren ein

Zuhause.

Tot(holz) und Leben liegen eng beieinander. Während des langsamen Vermoderungs-

prozesses besiedeln viele Arten einen

umgefallenen Baumstamm.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

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6.3 Wiedervernässung vonMooren und Feuchtbiotopen

Moore sind beeindruckende Multitalente: Siebieten wertvollen Lebensraum für bedrohteTiere und Pflanzen und sie sind ein Auffang-

becken für Schadstoffe und Kohlendioxid. DieTorfböden von Mooren sind üppige CO2-Spei-cher. Leider wurden und werden viele Mooreschon seit dem 18. Jahrhundert entwässert, ab-getorft und als Acker und Grünland kultiviert.Trockengelegte Moore bedeuten nicht nur we-

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Alt- und Totholz-Konzept (AuT-Konzept)

Der Landesforstbetrieb ForstBW hat im Oktober 2009 sein Alt- und Totholz-Konzept für Baden-Württem-

berg vorgestellt. In den baden-württembergischen Staatswäldern sollen ab sofort Waldrefugien und

Habitatbaumgruppen im Rahmen der Forsteinrichtung ausgewiesen werden.

Waldrefugien sind auf Dauer eingerichtete Bestände ab einem Hektar Größe, die langfristig ihrer

natürlichen Entwicklung und dem Zerfall überlassen werden. Rund 5 % der Waldfläche sollen als

Waldrefugien geschützt werden.

Habitatbaumgruppen bestehen aus Baumgruppen mit besonderen Habitatstrukturen (ca. 15 Bäume).

Die Baumgruppen werden ebenfalls dem natürlichen Alterungs- und Zerfallsprozess überlassen. Im

Unterschied zu den Waldrefugien kann nach dem vollendeten Zerfall einer Gruppe eine neue Baum-

gruppe an einem anderen Ort ausgewiesen werden. Die Fläche der zerfallenen Baumgruppe geht in die

Nutzung zurück. Je drei Hektar Waldfläche soll eine Habitatbaumgruppe ausgewiesen werden.

Das neue AuT-Konzept der ForstBW ist ein notwendiger und richtiger Schritt für den Artenschutz in

Baden-Württemberg und trägt den Forderungen des EU-Leitfadens für Waldbewirtschaftung, den

Natura 2000-Richtlinien und dem Bundesnaturschutzgesetz Rechnung. Wenn auch nicht alle in

unseren Wäldern lebenden und bedrohten Arten vom AuT-Konzept profitieren, so wird doch vielen

Arten dadurch ihr Lebensraum gesichert und entwickelt. Wichtig ist nun eine konsequente und zügige

Umsetzung des Konzeptes in der Praxis.

Durch die Wiederver-

nässung sind im

Wettenberger Ried die

ehemaligen, natur-

fernen Nadelbestände

abgestorben und

bieten nun einen

geradezu skandinavi-

schen Anblick.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 65: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

niger Lebensraum für die dort lebenden undmitunter seltenen und gefährdeten Arten, siesind zudem große Klimasünder: Durch die Ent-wässerung dringt Sauerstoff in das Moor, waszu einem schnellen Abbau der großen Kohlen-stoff- und Stickstoffvorräte führt. „Was in biszu hundert Jahren in einem intakten Moor anKohlenstoff gespeichert wurde, kann schonnach einem einzigen Jahr mit Entwässerung inForm von emittiertem CO2 wieder verloren sein“(Zitat: Ministerialdirektor B. Bauer, Ministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Verkehr; Moor-und Klimaschutztagung, 23.06.2010.).Für eine Renaturierung der beschädigten Moorelässt man diese wieder „baden gehen“- trocken-gelegte Flächen werden durch den Verschlussder alten Entwässerungsgräben wieder vernässt.Renaturierte Moore können wieder Torf bilden,vielen seltenen Arten einen wertvollen Lebens-raum bieten und auch noch Kohlendioxid ausder Atmosphäre einlagern. Vorteilhaft ist es,wenn zugleich Gehölze beseitigt werden, denndiese nehmen den Mooren Licht, tragen zur Ver-dunstung und damit zum Verlust großer Men-gen an Wasser bei (Lugon et al., 1998).In Baden-Württemberg wurden in den letztenJahren mehrere Moore renaturiert, nicht seltenaufgrund der Initiative von Forstleuten.

Wiedervernässung des WettenbergerRieds im Landkreis Biberach

Das Wettenberger Ried hat eine Gesamtflächevon 66 ha und ist im Besitz der Landesforstver-waltung. Ein Teil der Fläche war in bäuerlichemPrivatbesitz und wurde über eine langfristigeAnkaufspolitik zugekauft. Das Ried umfasstzwei Hochmoorkomplexe und wurde von 1820bis 1960 zur Torfgewinnung genutzt und ent-wässert. 1995 wurde auf Eigeninitiative desdamaligen Staatlichen Forstamts Biberach mitder Planung einer Wiedervernässung derMoore begonnen. Die Finanzierung der Ein-staumaßnahmen erfolgte durch das Regie-rungspräsidium Tübingen, die Baudurchfüh-rung durch das Forstamt. Vor der Wiederver-nässung wurden durch den Vorbesitzer ange-legte Fichtenerstaufforstungen aus den 1950erJahren in einer Größenordnung von 6 ha ent-nommen und die Flächen der Sukzession über-lassen. Ziel der Maßnahme war es, naturferneVegetationstypen zu entfernen. Eine vomSturm 1990 geworfene Fläche von 1 ha wurdedamals schon der Sukzession überlassen. Ins-gesamt wurden 20 Sperren zur Wasserrückhal-tung gesetzt sowohl in zwei Hauptabflussgrä-ben als auch in einigen Nebengräben. Das ist

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Das Waltere Moor im Fürstlich Hohen-zollern’schen Wald soll wieder in seinennatürlichen Zustand überführt werden.

Bau der Spundwand im Dornacher Ried,Landkreis Ravensburg.

Die Sperrung des alten Entwässerungsgrabens im Wettenberger Ried führt zur Überfutung des trockengelegten Moores.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 66: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Ergebnis der Wiedervernässung ist eine Über-stauung von ca. 9 ha Fläche im gesamten Ge-biet. Dabei sind etwa 5 ha Sukzessionswald ab-gestorben und stehen jetzt als Totholz der Flo-ra und Fauna zur Verfügung. Ein großer Erfolgist auch, dass das Gebiet 2003 durch die Aus-weisung als Bannwald unter Totalschutz ge-stellt wurde und somit vollständig der Naturüberlassen wird.

Weitere Wiedervernässungsmaßnah-men von Mooren

In Baden-Württemberg gibt es weitere erfolgrei-che Wiedervernässungsmaßnahmen in Mooren.In jedem Fall ist es gelungen, die Artenvielfaltzu erhöhen und Lebensraum für Pflanzen, Vö-gel, Amphibien und Fische wiederherzustellenund die Artenvielfalt zu erhöhen. Im Folgen-den sind einige Beispiele beschrieben.

Unternehmensgruppe Fürst vonHohenzollern In Zusammenarbeit mit der Oberen Natur-schutzbehörde wurde 2006 im Fürstlich Ho-henzollern´schen Wald eine Wiedervernässungdes 95 ha großen Naturschutzgebietes „Walte-re Moor“ initiiert. Durch Aufstauung mittels

Holzbohlen soll eine Rückentwicklung zur na-türlichen Moorstruktur und Flora eingeleitetwerden. Das Waltere Moor ist das wertvollsteNaturschutzgebiet der Region. Ohne die Zu-stimmung der fürstlichen Forstverwaltung hät-te die Maßnahme nicht durchgeführt werdenkönnen. Dem Forstbetrieb wird für den Nut-zungsausfall im Rahmen des Vertragsnatur-schutzes ein finanzieller Ausgleich gewährt.

Landkreis RavensburgIm Rahmen eines EU-LIFE-Natur-Projektes(mit 60 % Zuschuss aus Brüssel) wurden imJahr 2006 auf der Blitzenreuter Seenplatte ins-gesamt rund 150 ha entwässerte Moorflächenwiedervernässt. Dazu war auch der Ankauf vonrund 30 ha kleinparzelliertem Privatwald (ehe-malige Torfstiche) notwendig. Danach warenalle Flächen im Eigentum des Forstamts(Staatswald). 18 Eichenholz-Spundwände, biszu 120 m breit und 6 m tief, sorgen nun dafür,dass das Wasser im Moor bleibt und die natür-liche Moorentwicklung wieder einsetzen kann.Schon vor dem Projekt hatte das Forstamt dieumgebenden Staatswälder zum ersten „Regio-nalen Waldschutzgebiet“ Baden-Württembergserklären lassen mit 200 ha Bannwald und 300 haSchonwaldflächen. Dort stehen nun unter

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In einem ansonsten

wenig naturnahen

Wald im Landkreis

Schwarzwald-Baar bei

Triberg werden kleine

Moore renaturiert, um

unter anderem auch

dem Auerwild wieder

Lebensraum zu bieten.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 67: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

anderem auch größere Flächen mit hochpro-duktiven Standorten und alten Buchen- undMischwald-Beständen unter Totalschutz.

Landkreis Schwarzwald-BaarIm Jahr 2009 wurden im Bereich des Kreis-forstamtes des Schwarzwald-Baar-Kreisesmehrere Wiedervernässungen von einigen grö-ßeren und kleineren Moorflächen durchge-führt. In dieser stark von der Fichte geprägtenRegion sind gerade solche Maßnahmen für dieBiodiversität von großem Wert (siehe hierzuFotos).

6.4 Pflege von Bachläufen imWald

Fließgewässer im Wald sind wertvolle Lebens-räume für viele heimische Arten, vor allem fürFische und Krebse. Anthropogene Einflüssewie Wegebau, Verdolungen und forstliche Nut-zung wirken sich direkt auf die Gewässerstruk-tur und auf Lebensgemeinschaften in Fließge-wässern aus. Die Lage im Wald allein ist leiderkeine Garantie für Naturnähe. Wo Betonröhrenohne die nötige Sedimentauflage das natürli-che Gewässerbett unterbrechen, werden sie zu

einem Wanderungshindernis für Kleinlebewe-sen. Verdolungen, aber auch Schwellen undWeiher behindern die Wanderung von Fischenund anderen im Gewässer lebenden Tieren undschränken die Laich- und Reproduktionsgebie-te ein. Hohe Nadelholzanteile im Gewässerum-feld haben ebenfalls einen negativen Einflussauf das Leben im Bach. Die starke Beschattungder Wasseroberfläche wirkt sich zum Beispielauf die Wassertemperatur und auf die Löslich-keit von Sauerstoff sowie die Selbstreinigungdes Baches aus (Schaber-Schoor, 2007). Auchder höhere pH-Wert in Boden und Wasser wirktsich auf die Artenzusammensetzung vonKleinlebewesen aus (Rinderspacher und Scha-ber-Schoor, 2004). Fließgewässer sollten daherimmer durchgängig, nicht zu stark beschattetund die Waldzusammensetzung im Gewässer-umfeld naturnahe sein. Totholz im Gewässerund im Gewässerumfeld wirkt sich ebenfallspositiv aus. Die gewässertypspezifische Linien-führung und Bachbettform sollten möglichsterhalten bleiben. Sind all diese Faktoren ge-währleistet, können gefährdete Arten wie Mu-scheln, heimische Krebse und die an Waldbä-chen vorkommenden Quelljungfern (Libellen-arten) überleben.

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Die bachbegleitende Flora, ein wichtiger

Aspekt der Naturnähe von Fließgewässern.

Totholz am und im Bach wirkt sich positiv

auf die Biodiversität aus.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Sumpfdotterblumen gedeihen an natür-

lichen Bachläufen.

Page 68: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

In Baden-Württemberg ist es in vielen Forstbe-trieben üblich, Bachläufe zu pflegen und zu re-naturieren. Obwohl dies noch nicht überalleine Selbstverständlichkeit ist, gehören im ei-nen oder anderen Kreisforstamt bzw. städti-schen Forstamt Fließgewässer verbesserndeMaßnahmen erfreulicherweise bereits zumStandard. Im Folgenden werden anhand vondrei Beispielen solche Maßnahmen vorgestellt.

Stadtwald Esslingen - Herstellung derDurchlässigkeit von Waldbächen inVerbindung mit der Wiederherstellungder natürlichen Begleitvegetation

Im Stadtwald Esslingen wurden in den letztenJahren im Bereich des „Stettener Baches“ unddes „Hainbaches“ röhrenförmige Durchlässeund ähnliche Bauwerke durch nach unten offe-ne U-Profile mit einer Sohle aus Bruchsteinenoder durch eine Furt ersetzt. Diese Maßnahmenermöglichen Fischen (zum Beispiel Groppe) wieauch dem Steinkrebs und den Kleinlebewesendas Gewässer barrierefrei zu durchwandern.Der Oberlauf des Stettener Baches ist nun wie-der auf einer Länge von ca. zwei Kilometer undder Oberlauf des Hainbaches auf ca. einem Ki-lometer Länge durchgängig. Dem Hainbach

wurde durch die Anlage von Kurven und ge-wässertypischen Schlingen (Mäandern) seinenatürliche Form und so auch seine natürlicheDynamik zurückgegeben. An beiden Bächenwurden großflächig nicht hiebsreife Fichten-reinbestände auf besten Standorten entferntund durch Neuanpflanzungen mit den Baum-und Straucharten des ursprünglich vorhande-nen Erlen-Eschen-Waldes ersetzt.

Landkreis Schwarzwald-Baar –Entwicklung der natürlichen Waldge-sellschaft entlang von Fließgewäs-sern wie dem Oberlauf der Elz

Im Bereich des Rohrhardsberg-Massives befin-det sich der Oberlauf der Elz mit einer Vielzahlvon naturnahen Seitenbächen. Das Forstamthat hier eine gezielte Gewässerrandpflege be-trieben, um die Entwicklung einer naturnahenBegleitflora des Baches zu ermöglichen. DieFichte wurde auf sieben Kilometer Bachlängemassiv zurückgenommen, Laubbäume wurdenbelassen. Dies führt zu einer Verbesserungder bachbegleitenden Baumartenzusammenset-zung. Gleichzeitig verbessern die Maßnahmenden Biotopverbund für Amphibien- und Insek-tenarten entlang der Fließgewässer, so dass ein

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GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Im Sensbachtal imStadtwald Eberbach

hat sich nach derEntfernung des

Fichtenreinbestandesschnell eine bunte

Flora entwickelt.

Page 69: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

besserer Individuenaustausch möglich gewor-den ist. Die Förderung der Zitterpappel entlangdes Bachlaufes ist eine Lebensraumverbesserungfür den Großen Eisvogel (Limenitis populi), des-sen Raupen an Zitterpappeln fressen.

Stadtwald Eberbach

Die Zurücknahme der Fichte und eine Förde-rung der natürlichen bachbegleitenden Florahat Auswirkungen auf den Lebensraum in undan Fließgewässern. So wurde im StadtwaldEberbach das badische Sensbachtal von derFichte befreit mit dem Ziel, wieder eine natür-liche bachbegleitende Flora zu entwickeln. ZurUmsetzung dieser Maßnahme mussten zu-nächst verschiedene Kleinstwaldbesitzer mitins Boot geholt werden, was einen hohen Ar-beitsaufwand bedeutete. Schließlich wurde imJahr 2005 der ca. 1950 als Erstaufforstung ent-standene Fichtensaum entlang des Baches aufein Kilometer Länge zurückgenommen.

Das Landschaftsbild hat sich durch die Entfich-tung erheblich verbessert. Bereits nach wenigenJahren entwickelte sich aus dem anfänglich ar-tenarmen Bachrand ein sehr buntes und artenrei-ches Bild. Trotz 50 Jahren Fichtenreinbestand

hat sich innerhalb kurzer Zeit auf der neuenWiese eine bunte Flora mit Margerite, Kratzdis-tel, Flockenblume und Fingerhut eingestellt(siehe Foto links).

6.5 Förderung seltener Baumarten

Forstliche Modewellen haben in der Vergan-genheit häufig zu Nadelbaum-Einheitswälderngeführt. Vor allem die Laubbäume, allen voranaber die Edellaubbaumarten wie zum BeispielElsbeere (Sorbus torminalis), Mehlbeere (Sor-bus aria) oder Speierling (Sorbus domestica),waren dabei die Verlierer. Trotz der teils her-vorragenden Holzeigenschaften, gibt es für dassehr wertvolle Holz dieser seltenen Baumartenkeinen großen Absatzmarkt. Dennoch werdenEdellaubhölzer zur Bereicherung der Biodiver-sität heute in vielen Wäldern durch Pflanzungwieder in die Bestände eingebracht. Bereitsvorhandene Exemplare werden vielerortsdurch besondere waldbauliche Pflege intensivgefördert. In Bezug auf den Klimawandel isteine Biodiversifizierung der Baumarten ele-mentar wichtig (Hanke, 2005). Gerade dentrockenheitstoleranten und wärmeliebendenEdellaubholzarten wie der Elsbeere spricht mandabei eine wichtige Rolle zu (Stübner, 2007).

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Pflanzungen aus Stieleiche und Pappel imStadtwald Rastatt sind erste Schritte, umdie Hartholzaue wieder herzustellen.

Pflege von Fließgewässern im Schwarz-wald-Baar-Kreis.

Die Maßnahmen im Esslinger Stadtwaldhaben den Stettener Bach für Fischewieder durchwanderbar gemacht.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

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Förderung der Hartholzaue im Stadtwald Rastatt

Der Stadtwald Rastatt liegt im Überflutungsge-biet des Rheins und steht periodisch unterWasser. Ziel ist es hier, einen Eichen-Hartholz-Auewald zu erziehen. Die erschwerten Bedin-gungen für eine Naturverjüngung haben esnotwendig gemacht, die alten Pappelbeständedurch Pflanzung zu verjüngen. So wurden gro-ße Anstrengungen unternommen, die heimi-schen Hartholz-Auebaumarten einzubringen.Stieleichen wurden zeitgleich mit Pappeln ge-pflanzt, um eine höchstmögliche Sicherheit beieventuellen Ausfällen durch Hochwasser zugewährleisten. Die Pappeln werden mit zuneh-mendem Alter entnommen. Mischbaumartenwie Esche, Nussbaum, Ahorn und Wildobstwerden zusätzlich durch Pflanzung einge-bracht.

Erhalt und Förderung der Elsbeere

Die Elsbeere ist eine seltene und in vielerleiHinsicht wertvolle Baumart. Sie liebt warmeLagen (Wohlgemut, 1993) und gedeiht beson-ders gut an Hängen und auf trockenen oderauch wechseltrockenen Böden (Schmitt, 2001).

Die einseitige Förderung anderer Baumartenhat dazu geführt, dass die Bestände der Elsbee-re in der Vergangenheit abgenommen haben(Barengo et al., 2001). Aus diesem Grund ist eswichtig, die Baumart auf eine breite genetischeBasis zu stellen, die besonderen genetischenEigenschaften lokaler Populationen zu sichernund ihre evolutionäre Anpassungsfähigkeitüber Generationen hinweg zu erhalten und zufördern. Insbesondere Kernpopulationen derseltenen Baumarten wie der Elsbeere müssendaher langfristig erhalten und ausgebaut wer-den (Studhalter et al., 2001). Im Folgendenwerden einige Beispiele zur Förderung der Els-beere vorgestellt.

Pflanzung seltener Baumarten amStollenberg im Landkreis Konstanz

Nach einem Hagelsturm in einem qualitativschlechten Kiefernstangenholz am Stollenbergwurde eine Umwandlung des Bestandes be-schlossen. Im Jahr 2004 wurde auf 7 ha daszerstörte Kiefernstangenholz am Südhang desStollenbergs geräumt und extensiv mit einerBuntlaubmischung aus einheimischen Laub-hölzern, unter anderem auch Kirsche und Els-beere, bepflanzt. Angestrebt wird ein trockener

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Die Elsbeerebraucht Licht und verträgt Wärme.

Im Überschwem-mungsgebiet „Rastat-ter Rheinauen“ sollen

anstatt Pappelplanta-gen wieder naturnahe

Hartholzauewälderentstehen.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 71: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

bunter Laubmischwald. Auf gemulchten Strei-fen wurden insgesamt 3 000 Pflanzen gesetzt.In den ca. 7 m breiten Zwischenstreifen ent-wickelt sich langsam eine Sukzession aus Ei-chen, Buchen und Weichlaubhölzern.

Förderung seltener Laubbaumartenim Stadtwald Esslingen

Im Stadtwald Esslingen wurden in den Forst-wirtschaftsjahren 2005 - 2009 über 800 Pflan-zen von seltenen Baumarten wie zum BeispielElsbeere in die Bestände eingebracht. Die fürdas Wild besonders schmackhaften Pflanzenmüssen teils mit Einzelschutz vor Verbiss ge-schützt werden. Auch in der Vergangenheitwurden im Esslinger Stadtwald immer wiederElsbeeren gepflanzt. Ältere Bäume werdenmarkiert, damit sie bei Waldarbeiten nicht ausVersehen beschädigt werden.

Förderung von seltenen Laubbäumenin den Gemeindewäldern vonLaudenbach und Hemsbach (Landkreis Rhein-Neckar)

Die artenreichen Mischwälder der Gemeinde-wälder Laudenbach und Hemsbach am Randedes Odenwaldes sind vielfach aus alten Eichen-Gerbrindenwäldern entstanden. Die Vielfaltder Baumarten liegt in der Geschichte der Wäl-der begründet. Sie wurde aber auch in denjüngsten Jahrzehnten in enger Anlehnung andas sehr bunte Mosaik der Standorte an derBergstraße durch Naturverjüngung und Pflan-zung gefördert und ist somit auch in den jun-gen Beständen vertreten. Die kleinräumig denjeweiligen Standorten angepasste Baumarten-zusammensetzung und die konsequente Förde-rung von seltenen Baumarten wie zum Beispielauch der Elsbeere hat viel waldbauliches Ein-fühlungsvermögen und Geschick erfordert.Seltene Baumarten wie die Elsbeere werdenbewusst im Bestand gefördert.

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Eine ca. 20 Jahre alte Elsbeerenpflanzungim Esslinger Stadtwald.

Streifenweises Einbringen von Edellaub-hölzern am Stollenberg im LandkreisKonstanz.

In den Gemeindewäldern von Laudenbachund Hemsbach werden seltene Baumartengefördert.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

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6.6 Förderung der Weißtannedurch die Jagd

Eine nachhaltige Entwicklung aller Baumartenkann ohne effektive Schalenwildbejagung nichtgewährleistet werden (siehe Kapitel 4.6.2). Vorallem die Weißtanne (Abies alba; kurz: Tanne)steht unter einem hohen Verbissdruck und istseit vielen Jahren in Baden-Württemberg mitam stärksten betroffen. Die Weißtanne findet imWestschwarzwald ihren optimalen Lebensraum.Damit kommt Baden-Württemberg gegenüberder Tanne eine besondere Verantwortung zu:Sie ist die Charakterbaumart des Schwarzwaldsund steht für die Ziele und Leitsätze des natur-nahen Waldbaus. Zudem gilt sie als große Hoff-nungsträgerin beim Klimawandel, da sie durchihr tiefgreifendes Wurzelsystem einerseitsschwere und vernässte Waldböden aufschließenkann, andererseits die Wasserspeicherung ver-bessert und mit Trockenphasen besser zurechtkommt als die Fichte. Leider sind Tannenvor-kommen heute selbst im Schwarzwald keineSelbstverständlichkeit mehr. Beim sogenannten„Waldsterben“ vor rund 30 Jahren wurde dieTanne stark in Mitleidenschaft gezogen; damalswurden ihr kaum Zukunftschancen zugespro-chen. Lange Zeit wurde sie durch die Fichte er-

setzt. Der Gesundheitszustand der Tanne hatsich durch die verringerte Luftverschmutzungjedoch verhältnismäßig rasch verbessert. Ihreaufkommende Verjüngung ist ein Leckerbissenfür das Rehwild. Heute hat die Tannenverjün-gung in vielen Gebieten Baden-Württembergskaum eine Chance „aus dem Äser zu wachsen“,das heißt, groß zu werden.

Baden-Württembergische Forstbetriebe habenunterschiedliche Wege gefunden, die ihnen dieVerjüngung der Weißtanne in ihren Wäldernproblemlos ermöglichen.

So setzt zum Beispiel der Forstbetrieb des Fürs-tenhauses Hohenzollern bei einem jüngst be-gonnenen Waldumbau auf Naturverjüngung.Um Tanne und Laubholz erfolgreich zu verjün-gen, bedurfte es einer neuen jagdlichen Rege-lung. Es wurden strenge, von der üblichen Normstark abweichende Jagdpacht- und Jagderlaub-nisverträge eingeführt. So konnten waldver-trägliche Wilddichten erzielt werden, die zu Er-folgen bei der Naturverjüngung aller Baumar-ten führten (siehe Foto). Ist hier und da doch einSchutz für die Naturverjüngungen notwendig,tragen die Jagdpächter die Verantwortung undübernehmen die Kosten für die Umsetzung.

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GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Im Schwarzwalddominiert heute die

Fichte, die heimischeWeißtanne benötigt

eine besondereFörderung.

Page 73: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Auch in den Wäldern der Fürst zu Bentheim-schen Domänenkammer war nicht immer eineTannenverjüngung möglich. Bei Einführung derDauerwaldbewirtschaftung wurde bei der Jagdkonsequent umgesteuert. In Eigenjagd sowie inenger Zusammenarbeit mit den benachbartenJägern wurden die Wildbestände stark redu-ziert. Im Privatwald der Fürst zu BentheimschenDomänenkammer gedeihen nun auch Tanneund Eiche aus Naturverjüngung ohne Verbiss-schutz und wachsen rasch in die Höhe.

6.7 Freiflächenmanagement im Wald und historischeNutzungsformen

Die heutige Artenvielfalt in den Wäldern Ba-den-Württembergs hat sich im Laufe der Jahr-hunderte durch verschiedene anthropogeneNutzungsformen entwickelt. Streunutzung,Waldweide, Gerbrinde, intensive Holznutzungund weitere historische Nutzungsformen imWald haben das Waldbild und damit die Le-bensräume entscheidend geprägt. Die Wälderwurden mittlerweile allerdings aus wirtschaft-lichen Erwägungen überwiegend in Hochwäl-der umgewandelt, die das heutige Waldbild be-

stimmen. Die typische Pflanzen- und Tierweltder einst weit verbreiteten Niederwälder wurdeauf kleine und schmale Randbereiche zurück-gedrängt. Die Aufgabe historischer Waldnut-zungen bzw. die Einschränkung von in natürli-cher Sukzession ablaufenden Prozessen führ-ten zu Verschiebungen der Artenzusammenset-zung und zu Artenverlusten. Trotz vieler Be-mühungen um eine nachhaltige Nutzung voll-ziehen sich heute in mitteleuropäischen Wäl-dern drastische Änderungen der Artenzusam-mensetzung (Schön, 1996). Diese sind als Hin-weise auf gravierende Veränderungen der Um-weltbedingungen und direkte menschliche Ein-griffe zu werten. Die heutigen Waldlebensräu-me sind im Umbruch. Eine Waldbewirtschaf-tung zum Beispiel, die zu einer Vereinheitli-chung der Bestände führt oder auch das Ein-schleppen fremder Arten (Neophyten) habeneinen negativen Einfluss auf die heimische Ar-tenvielfalt. Eine flächendeckende, einheitlicheDauerbestockung mit Einzelstammnutzungkann beispielsweise dazu führen, dass dieLichtarten aus dem Wald verdrängt werden.Hierbei handelt es sich nicht nur um lichtlie-bende Baumarten, sondern auch um krautigePflanzen und Tierarten, wie Schmetterlinge,Käfer oder Vögel.

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Eine gesunde, üppige Tannenverjüngung

wie in den Wäldern des Fürsten von

Hohenzollern ist leider nicht überall eine

Selbstverständlichkeit. GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Auch in den Fürstlich Bentheimschen

Wäldern wird viel für die Tanne getan;

die üppige Verjüngung ist eine Freude

für den Förster.

Die Tanne eignet sich besonders gut für

die Erziehung von stufigen Wäldern.

Page 74: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Zum effektiven Schutz von lichtliebenden Ar-ten muss die Betriebsform örtlich differenziertwerden. Natürliche Sukzessionsprozesse soll-ten in die Nutzungsabläufe einbezogen wer-den, beispielsweise bei der Entstehung vonPionierwäldern auf Sturmschadensflächen undihrer waldbaulichen Steuerung (Weidenbach,1991). Das Aufgreifen von historischen Nut-zungsformen wie die Mittelwaldbewirtschaf-tung oder die Waldweide ist ein wichtiger Bei-trag für den Erhalt vieler bedrohter lichtbe-dürftiger Arten. Historische Nutzungen ergän-zen die naturnahe Forstwirtschaft. Auch Nie-derwälder haben aufgrund ihrer hohen Arten-vielfalt und ihrem abwechslungsreichen Le-bensraummosaik auf vergleichsweise kleinerFläche eine große Bedeutung für den Waldna-turschutz (Conrady, 2007).

Freiflächenmanagement ist in vielen Forstäm-tern eine Selbstverständlichkeit. Aufgrund ihrergroßen Bedeutung für die Arten- und Lebens-raumvielfalt im Wald ist es sehr erfreulich, dassdie Offenhaltung von Magerrasen, Waldwiesen,Felsformationen und Bachtälern heute in denmeisten Betrieben zum Standardprogramm ge-hört. Anhand einiger Beispiele werden im Fol-genden verschiedene Maßnahmen vorgestellt.

Hutewald „Neuweiler Viehweide“im Landkreis Böblingen, StadtWaldenbuch

Die Neuweiler Viehweide war jahrhunderte-lang ein Eichen-Hutewald. Zu Beginn des letz-ten Jahrhunderts wurde die Nutzung als Vieh-weide aufgegeben. Die alten Hutewald-Eichenwurden hauptsächlich von Buchen unterwan-dert, so dass langsam ein dichter und geschlos-sener Wald entstand. Ziel ist es, die ehemaligeNutzungsform der Waldweide wieder auflebenzu lassen und damit jene Arten zu fördern, dielichte Wälder lieben. Die Buchen drängten zu-nehmend in den alten Eichenschirm hoch undbedrohten damit die Existenz der lichtlieben-den jahrhundertealten Bäume. Das ForstamtBöblingen leitete deswegen 2008 die Freistel-lung der 350 Jahre alten Hutewald-Eichen unddie Reaktivierung der Viehweide durch Som-merbeweidung mit Pferden ein. Der dichte jün-gere Unterstand aus Buche wurde flächig ge-mulcht, der Buchenbestand im Herrschendenstark genutzt sowie einzelne stärkere Buchen-kronen mechanisch gebrochen, damit die lang-sam absterbenden Bäume neuen Lebensraumfür Höhlenbrüter bieten können. Durch den Er-halt der Hutewald-Eichen bis zu ihrer physio-

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Alte Eichen und einlichter Boden – die

Neuweiler Viehweidebietet lichtliebenden

Arten wertvollenLebensraum.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 75: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

logischen Altersgrenze wird das Brutbiotopan-gebot für lichtliebende Höhlenbrüter wie zumBeispiel den Mittelspecht stark erhöht. Die neuentstandene Weide wurde mit einem robustenElektrozaun eingefriedet und wird periodischmit Island-Pferden beweidet.

Mittelwald Opfingen im Stadtwald Freiburg

Im Stadtwald Freiburg wurde 1999 die Wieder-aufnahme der historischen Mittelwald-Bewirt-schaftung auf 24 ha begonnen. Ziel ist es, diehistorische Nutzungsform wieder aufleben zulassen und damit lichtliebende Arten zu för-dern. In einem Mittelwald bleiben nur einzelnegroße Bäume stehen, die jüngeren Gehölze inden lichten Zwischenräumen werden alle 20bis 25 Jahre als Brennholz geschlagen. Vor 200Jahren war der Mittelwald noch eine der domi-nierenden Bewirtschaftungsformen. Im Opfin-ger Mittelwald wurden die älteren Eichen imOberstand freigestellt. Für eine nachhaltigeEntwicklung des Oberstandes werden zusätz-lich Eichen aus Naturverjüngung im Einzel-schutz herausgepflegt und als zukünftige Ge-neration der Überhälter herangezogen. Auf denFlächen wird ein dauerhaftes Monitoring in

Bezug auf die Artenzusammensetzung durch-geführt. Vor allem werden hierbei Tagfalterund Fledermausarten erfasst.

Waldweide und Offenhaltungspro-jekte von Magerrasen, Sanddünenund lichten Wäldern im StadtwaldBaden-Baden

Im Stadtwald Baden-Baden werden seit demJahr 2005 ca. 30 ha Magerrasen mit lichtemWald durch die Beweidung mit Ziegen offengehalten. Ziel ist es, typische Arten von lichtenWäldern auf trockenen, armen Sandstandortenzu fördern, wie zum Beispiel den Ziegenmelker,die Heidelerche und verschiedene Pflanzenar-ten von Magerrasen. Für die Pflege dieser Hei-delandschaft wurde die Robinie konsequentherausgehauen und eine regelmäßige Boden-verwundung zur Förderung verschiedener Ar-ten durchgeführt. Ein ehemaliger Eichen-Hute-wald wurde mit Ziegen wieder beweidet, derUnterwuchs aus Hainbuche und Birke musstehierfür zunächst herausgenommen werden.Dickes Totholz wurde hier in größerem Umfangauf dem trockenen und lichten Standort belas-sen, wo es sehr lange brauchen wird, um voll-ständig zu zerfallen.

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Der wiederhergestellteHutewald bei Waldenbuchwird im Sommer vonPferden beweidet.

Für eine nachhaltige Entwicklung desMittelwalds in Freiburg wird im Einzel-schutz für Eichen-Nachwuchs gesorgt.

Ziegen sorgen dafür, dass die lichten Waldstrukturen imStadtwald Baden-Baden erhalten bleiben.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 76: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Offenhaltung von Weiden und Biotopen im Landkreis Schwarzwald-Baar, Rohrhardsberg

Im Kreisforstamt des Schwarzwald-Baar-Kreisesgehört die Offenhaltung der Landschaft zumalltäglichen Geschäft. Hier werden nicht nurehemalige, von Landwirten aufgegebene Berg-wiesen durch die Sommerweide mit Rindern ineinem sonst stark bewaldeten Gebiet offen ge-halten (Verpachtung der Sommerweide), son-dern auch zugewachsene Bachtäler großflächigfreigestellt (siehe Kapitel 6.4). Auch Felsforma-tionen werden immer wieder freigestellt, umlichtliebenden Arten Lebensraum zu garantie-ren und die Strukturvielfalt zu erhöhen.

Erhaltung von lichten Wäldern in der Oberrheinischen Trockenaue imLandkreis Breisgau Hochschwarzwald

In der sogenannten „Trockenaue“ der südli-chen Oberrheinebene existieren noch relativgroßflächige lichte Laubwälder auf trockenenKies-Standorten mit einem großen Artenreich-tum. Eine der charakteristischen Arten diesesLebensraums ist zum Beispiel der vom Ausster-ben bedrohte Gelbringfalter (Lopinga achine).

Im Rahmen des Artenschutzprogramms Baden-Württemberg wurden mit Hilfe des ForstamtsStaufen und in enger Zusammenarbeit mit denNaturschutzbehörden auf insgesamt ca. 25 haWaldfläche wieder geeignete Mittelwald-Strukturen hergestellt, um diesen Lebensraumlangfristig zu erhalten. Dies erfolgte durch Zu-rückdrängung der dichten Strauchschicht undAuslichtung des Altholzbestandes. Auf dieseWeise konnte erreicht werden, dass die Popula-tionen des Gelbringfalters und ähnlich starkgefährdeter Begleitarten sich deutlich vergrö-ßerten und inzwischen zumindest mittelfristigals gesichert gelten können.

6.8 Gezielte Artenschutzmaß-nahmen

Jede Tier- und Pflanzenart hat spezielle An-sprüche an ihren Lebensraum. Schutzmaßnah-men für bedrohte Arten müssen daher konkretauf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmtwerden. Viele erfolgreiche Artenschutzprojektewurden in den letzten Jahren in Baden-Würt-temberg durchgeführt. Im Folgenden werdenexemplarisch einige Schutzmaßnahmen für be-drohte Arten vorgestellt.

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Ehemalige, fast 200Jahre alte Huteeichen

in Baden-Badenwurden wieder frei-

gestellt und eineheideartige Landschaftfür lichtliebende Arten

wird geschaffen.

Weiden eines verlassenen Bauernhofswerden vom Forstamt durch Beweidung frei-

gehalten (Landkreis Schwarzwald-Baar).

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 77: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Pilzschutzflächen im Ebringer Gemeindewald

Im Ebringer Gemeindewald gibt es insgesamt600 verschiedene Pilzarten, viele davon sind inBaden-Württemberg und Deutschland seltengeworden, wie zum Beispiel verschiedene Ar-ten der Schleierlinge (Cortinarius). Bedingtdurch die besonderen standörtlichen Gegeben-heiten, den Kalkstein, die Höhenlage zwischen300 m und 500 m und das warme Klima kom-men hier viele Rote-Liste-Arten vor. Für dieSicherung der Pilzvorkommen wurden 17 Pilz-schutzflächen mit einer Größe bis zu 0,3 haeingerichtet. Auf diesen Flächen ist die Holz-nutzung stark eingeschränkt oder wurde voll-kommen aufgegeben. Die Altholzbeständewerden so lange erhalten wie möglich. EineAuflichtung des Altbestandes erfolgt nur sehrvorsichtig, einzelstammweise und über sehrlange Zeiträume. Nicht einheimische Baumar-ten dürfen auf den Schutzflächen nicht einge-bracht werden. Mit der Ausweisung der Pilz-schutzflächen wurden neue Wege zum Schutzvon Pilzen beschritten.

Schutzmaßnahmen für das Auerwild(Tetrao urogallus) im Schwarzwald

Das Auerhuhn ist ein Standvogel der großenlichten Waldgebiete Europas und Nordasiens.Der Schwarzwald beheimatet die größte Auer-huhn-Population Zentraleuropas außerhalbdes Alpenraums. Das Auerhuhn genießt auf-grund seiner akuten Gefährdung in Zentraleu-ropa den Schutz der Europäischen Vogel-schutzrichtlinie. Es ist an seinen Lebensraum –nadelbaumreiche, lichte, stufige Wälder derHochlagen mit reicher Bodenvegetation, über-wiegend bestehend aus Heidelbeerkraut – her-vorragend angepasst. Fast zu gut angepasst,denn in anderen Waldaufbauformen kann eskaum überleben (Bergmann et al., 2003). Be-richten der Forstlichen Versuchs- und For-schungsanstalt Baden-Württemberg zufolge,ist die Zahl der Auerhühner im Nordschwarz-wald erfreulicherweise angestiegen. Die Situa-tion des Auerhuhns hat sich jedoch nicht zu-letzt auch durch die Sturmereignisse Vivian/Wiebke (1990) und Lothar (1999) im Schwarz-wald etwas stabilisiert. Grund dafür ist, dassdie durch die Stürme entstandenen Waldstruk-turen wie Freiflächen oder durchbrochene Alt-holzbestände wichtige Habitatstrukturen des

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Kleinere und größere Felsformationenwurden freigestellt und bieten wertvol-len Lebensraum.

Optimaler Lebensraum des Gelbringfal-ters sind lichte Wälder.

In der Pilzschutzfläche in Ebringen bleibtdas Altholz erhalten.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 78: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Habitatstrukturen des Auerwilds darstellen. DieVerbesserung der Lebensraumqualität bedeuteteine Aufwertung der Hochlagen des Schwarz-waldes für das Auerwild.

Zehn Jahre nach Orkan Lothar ist nun der Zeit-punkt gekommen, an dem sich die vorüberge-hende Stabilisierung der Auerhuhnbeständedurch die voranschreitende Waldentwicklungin eine Abnahme umkehren wird. Waldbauli-che Maßnahmen sind notwendig, um dem Au-erhuhn weiterhin ausreichend Lebensräumeanbieten zu können und hierdurch die Vor-kommen zu sichern und zu fördern. Da das Au-erwild alte Kiefern zum Aufbaumen bevorzugt,ist die Förderung der Kiefer besonders wichtig.Wichtig sind aber auch die Förderung der Ar-tenvielfalt und lichter Waldgesellschaften mitnaturnaher Artenzusammensetzung und Hei-delbeere im Unterwuchs. Da die Henne bei derAufzucht der Jungen Ameisenpuppen verfüt-tert, sollten Ameisenvorkommen ebenfalls ge-fördert werden. Wildschutzzäune können sichfür Auerwild verheerend auswirken. In demfast nicht sichtbaren Draht können sich dieTiere verfangen und umkommen. Auerwild istäußerst scheu und muss vor der Beunruhigungdurch Menschen und Hunde geschützt werden.

Anhand von zwei Beispielen aus demSchwarzwald werden Schutzmaßnahmen fürdas stark gefährdete Auerwild vorgestellt.

Stadtwald Baden-Baden

Die Stadt Baden-Baden hat 2008 ein „Auer-wildkonzept für den Stadtwald“ vom städti-schen Forstamt erstellen lassen. Mit der Umset-zung der Konzeption wurde 2009 begonnen. Indiesem Zusammenhang wurde die Waldbewirt-schaftung entlang der Höhenrücken unter dasPrimärziel „Auerwildschutz“ gestellt. Die Be-stände werden mit starker Förderung der Kieferund der Bodenvegetation durchforstet; der Be-stockungsgrad, also die Dichte der Bestände,wurde über das übliche Maß hinaus stark redu-ziert. Zur Artenanreicherung wurden Buchen,Vogelbeeren und Kiefern gepflanzt, Fichtenwerden hingegen stark entnommen. Auf dieseWeise entsteht langfristig ein sehr lockerer Na-delmischwald, in dem sich dichte und lichteBereiche abwechseln. Die Heidelbeere gedeihtin den lichten Bereichen und bietet dem Auer-wild ausreichend Nahrung.

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Ein typisches Auerwildhabitat wie

hier im StadtwaldBaden-Baden benötigtoftmals eine besondere

Pflege.

Kiefern sind für das Auerwild sehr wichtig.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 79: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

Wälder im Mittleren Schwarzwald,Landkreis Schwarzwald-Baar

Auch im Mittleren Schwarzwald laufen um-fangreiche Maßnahmen zur Gestaltung vonAuerwildlebensräumen. Von der BetriebsstelleSchwarzwald des Kreisforstamtes Schwarz-wald-Baar-Kreis werden auf über 20 ha die fol-genden waldbaulichen Maßnahmen durchge-führt, um den Lebensraum für das Auerwild zuverbessern:

• Auflockerung gedrängter Bestände: Reduzie-rung des Bestockungsgrades und Schaffungvon kleineren Lichtungen im Bestand (sieheFoto)

• Förderung der beeren- und kätzchentragen-den Pionierbaumarten v. a. durch Freistel-lung und Pflege von Heidelbeerflächen

• Schaffung von Strukturen für die Baum- undBodenbalz

• Schaffung von Randlinien

Zudem wurde im Auerwildgebiet eine strengeBesucherlenkung sowohl der Winter- als auchder Sommergäste durchgeführt, wie zum Beispieldie Verlegung eines Jugendzeltplatzes und dieBündelung des Loipen- und Wanderwegenetzes.

Parallel dazu wurden durch gezielte BiotoppflegeRückzugsräume geschaffen (siehe auch Kapitel6.4.). Im Forstamt werden außerdem Schulungs-programme für Förster, Waldarbeiter und Wald-besitzer abgehalten, die für Baden-Württemberggleichzeitig eine Multiplikatorenfunktion haben.

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In Baden-Baden werden Jungbeständeder Hochlagen besonders stark durch-forstet, um lichte Wälder für dasAuerwild zu entwickeln.

Im Landkreis Schwarzwald-Baar werden einzelne Bestände für das Auerwild aufgelich-tet und die Heidelbeere gepflegt.

GelungeneNaturschutzmaßnahmen im Wald

Page 80: BUND Baden-Württemberg: Weißbuch Wald - Waldbau und Naturschutz

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Waldnaturschutz in den verschiedenen Waldbesitzarten

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Naturschutz im Privatwald

Bei Privatwaldbesitzern, die von ihremWald leben müssen, ist die Zielsetzungstärker auf den finanziellen Ertrag aus-

gerichtet als im öffentlichen Wald. In vielenBetrieben wird daher der Waldbau und dasEndprodukt Holz nur an die aktuelle Marktsi-tuation angepasst. Eine offenbar zunehmendeAnzahl vor allem kleiner und mittelgroßer Pri-vatwaldbetriebe handelt jedoch ganz anders:Sie setzen nicht auf kurzfristigen finanziellenGewinn, sondern auf langfristige Stabilität undnachhaltig sichere Ertragsmöglichkeiten ausihrem Wald. Nicht selten sind solche BetriebeMitglied der Arbeitsgemeinschaft Naturgemä-ße Waldwirtschaft (ANW), die sich das Wirt-schaften mit der Natur und nicht gegen sie aufdie Fahnen geschrieben hat – „Die Natur nut-zend begleiten“. Das ist eine gute Basis für denWaldnaturschutz im ganzen Betrieb.

Gezielte Einzelmaßnahmen für den Natur- undArtenschutz und größere Projekte findet mandagegen in Privatwaldbetrieben eher seltener.Das könnte daran liegen, dass die Kenntnisseüber die Möglichkeiten staatlicher Förderungfehlen, zu lückenhaft sind, die Bedingungenfür eine solche Förderung als zu kompliziert

empfunden werden oder der zu tragende Ei-genanteil (meist 30 %) als zu hoch und nichtleistbar angesehen wird. In vielen Fällen zei-gen die Förderrichtlinien auch Möglichkeitenauf, die es real gar nicht gibt. Dies heißt, in denRichtlinien sind Maßnahmen als grundsätzlichförderfähig aufgeführt, immer jedoch unterden sogenannten „Haushaltsvorbehalt“ ge-stellt. Dies bedeutet, sie wären eigentlich för-derfähig, jedoch nur dann, wenn dafür auchGeld im aktuellen Haushalt bereitgestellt ist.Für manche „Fördertatbestände“ war dies aberschon viele Jahre lang nicht mehr der Fall.

Naturschutz in Kommunalwäldern

In den Städten und Gemeinden unseres Landeswerden alle wesentlichen Beschlüsse über Artund Umfang der Bewirtschaftung des Gemein-dewaldes im Gemeinderat gefällt. Er nimmt dieEigentümerrechte wahr. Entsprechend groß istdie Bandbreite der möglichen Zielsetzungenund Wirtschaftsformen, die das Landeswaldge-setz auch zulässt. Erfreulich groß ist die Anzahlder Kommunen, die sich ganz bewusst undteils mit schriftlichen Festlegungen einer na-turnahen Waldwirtschaft verpflichten und da-rüber hinaus ein Zielsystem beschließen, indem Erholung, Natur- und Umweltschutz aus-drücklich der Vorrang vor der Einkommens-funktion des Waldes eingeräumt wird. Offen-bar erleben diese Gemeinden „hautnah“, wiewichtig ihren Bürgern diese Funktionen sind.Auch der persönliche Bezug von Gemeinderä-ten und Bürgern zu „ihrem“ Wald spielt hiersicher eine Rolle.

Die Gemeinden nutzen in der Regel auch dieFördermöglichkeiten, die ihnen Land, Bundund EU beim Waldnaturschutz bieten. Sie ver-fügen meist über Personal, das sich bei denFördermöglichkeiten auskennt und entspre-chende Anträge stellen kann. In manchen Fäl-len werden auch Ausgleichsmaßnahmen fürEingriffe in den Naturhaushalt über das bau-rechtliche Ökokonto im Waldnaturschutz reali-siert. Wenn das Land die Richtlinien für das

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naturschutzrechtliche Ökokonto erlässt, ist zuerwarten, dass die Ausgleichsmaßnahmen we-sentlich häufiger werden.

Naturschutz im Staatswald

Gemäß den Bestimmungen des Landeswaldge-setzes soll der Staatswald dem Allgemeinwohlin besonderem Maße dienen. Daraus abgeleitethat sich der Staatswald in der „Dienstanwei-sung für die Forsteinrichtung im öffentlichenWald Baden-Württembergs“ (FED 2000) vom1. Januar 2002 ausdrücklich zu einer „naturna-hen Waldwirtschaft“ mit ganz konkreten Ziel-setzungen verpflichtet – für den Körperschafts-wald wird diese empfohlen. Das hat zur Folge,dass in vielen Naturschutzbelangen der Staats-wald an der Spitze steht und eine gewisse Vor-bildfunktion wahrnimmt.

Bei den Ergebnissen der Waldbiotopkartierungund bei den Natura 2000-Gebieten weist derStaatswald prozentual die größten Flächenan-teile auf. Was die Ausweisung von Bann- undSchonwäldern betrifft, liegt der Staatswaldweit an der Spitze. Dies ist verständlich, da Pri-vat- und Kommunalwälder entsprechende Nut-zungs- und Einnahmeverzichte hinnehmenmüssen. Auch bei den Bundeswaldinventuren,

die eine, - wenn auch großzügige, - Aussageüber die Naturnähe der Waldbestände machen,schneidet der Staatswald in Baden-Württem-berg im Vergleich zu den anderen Waldbesitz-arten am besten ab. Dort ist bei der Wiederho-lungsinventur auch sichtbar geworden, dassder Staatswald am aktivsten ist beim weiterenUmbau seiner Bestände zu mehr Naturnähe.Allerdings wird in den im September 2010 ver-öffentlichten konkreten Nachhaltigkeitszielenvon ForstBW eine Naturnähe der Verjüngungbis 2020 mit der Klassifizierung „naturnah“und „sehr naturnah“ mit einem Prozentsatzvon nur 70 % angestrebt. Dies entspricht nichtder FED 2000 und den Zielen der naturnahenWaldwirtschaft.

Das im Oktober 2009 vorgestellte Alt- und Tot-holz-Konzept (AuT-Konzept) sieht vor, soge-nannte „Waldrefugien“, „Habitatbaumgrup-pen“ und „Besondere Einzelbäume“ aus derNutzung zu nehmen. Diese sind rasterartigüber die Gesamtfläche des Staatswaldes ver-teilte kleine Trittsteine mit einer vernetzendenFunktion und zum Schutz von seltenen undgefährdeten Arten, die an Alt- und Totholz ge-bunden sind. Das Konzept von ForstBW ist einweiterer Schritt in die richtige Richtung, auchwenn die Umsetzung nach Ansicht des BUND

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Waldnaturschutz in den verschiedenen Waldbesitzarten

deutlich schneller gehen müsste. Bei den grö-ßeren Flächen zum Beispiel, den Waldrefugien,ist die Ausweisung an den Zehn-Jahres-Taktder Forsteinrichtung gekoppelt, ein langerZeitraum. Das neue Konzept integriert erstmalsauch das wichtige Problem der Arbeitssicher-heit für die Waldarbeiter und hält dafür Lösun-gen bereit. Mit Hilfe des AuT-Konzepts, denausgewiesenen Bannwäldern und den Kernzo-nen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb sol-len rund 7 % der Staatswaldfläche auf Dauereiner natürlichen Entwicklung ohne menschli-che Eingriffe überlassen werden, was knapp2 % der Landeswaldfläche entspricht. Das istlobenswert, liegt aber weit hinter den Forde-rungen der „Nationalen Strategie zur biologi-schen Vielfalt“ des Bundesamtes für Natur-schutz (BfN) aus dem Jahr 2007, zum Schutzund zur Sicherung der Biodiversität inDeutschlands Wäldern mindestens 5 % der Flä-che aus der Nutzung zu nehmen. Selbst das ei-gens gesteckte Ziel der Landesforstverwaltung,

großflächigen Prozessschutz (Bannwälder undKernzonen) auf mindestens 1 % der Landes-waldfläche zu ermöglichen, ist mit derzeitknapp 0,7 % nach bald 20 Jahren bei weitemnicht erreicht. Aus Sicht des BUND sind min-destens 10 % der Staatswaldfläche zukünftigaus der Nutzung zu nehmen, um die verständ-licherweise geringeren Anteile von „Wildnis-flächen“ in Privat- und Kommunalwäldernauszugleichen. ForstBW hat zugleich berech-net, was mit dem AuT-Konzept und den weite-ren still gelegten Flächen im Wald an Einnah-meverlusten für den Staatsforstbetrieb verbun-den ist, ein Indiz für die Überbetonung deswirtschaftlichen Denkens, die zunehmend imStaatswald um sich greift und die Arbeit derFörster zugunsten der Naturschutzbelange er-schwert.

Mit großer Sorge muss festgestellt werden,dass es in den letzten Jahren einen Paradig-menwechsel gegeben hat, verstärkt nach der

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Waldnaturschutz in den verschiedenen Waldbesitzarten

Verwaltungsreform 2005, und die Bestrebun-gen immer stärker werden, den Staatswald vor-rangig unter der Zielsetzung des höchst mögli-chen finanziellen Reinertrags zu bewirtschaf-ten. Die Holzeinschlagsvorgaben gingen nachoben und besonders Altbestände fast allerBaumarten wurden und werden, - soweit es derHolzmarkt zulässt, - bevorzugt und beschleu-nigt abgeräumt. Leider bleibt in der „Zielhie-rarchie“, so wie sie im Landeswaldgesetz fürden Staatswald geregelt ist, alles offen: DieRohstofffunktion wird hier als gleichrangig mitden Schutz- und Erholungsfunktionen desWaldes eingeordnet, und der Staatsforstbetriebist im Produktions- und Dienstleistungsbereichnach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führenund zu verwalten. Das heißt nicht, dass der an-zustrebende finanzielle Reinertrag möglichstgroß sein muss, sondern dass das Verhältnisvon Aufwand und Ergebnis bei der Verfolgungbestimmter Ziele möglichst günstig sein sollte,was etwas ganz anderes ist. Auch Erholung,

Klima-, Boden-, Wasser- und Naturschutz sindwertvolle „Produkte“ einer guten Waldbewirt-schaftung für die Gesellschaft, deren Wert istjedoch nicht in Euro messbar. So tauchen dieseerbrachten Leistungen in einer wirtschaftlichenKalkulation nicht auf.

Dass unter diesen Umständen trotzdem nochNaturschutz im Staatswald stattfindet, ist inerster Linie dem Engagement, der Hartnäckig-keit und der Findigkeit der Förster auf Land-kreisebene zu verdanken. Sie schaffen es of-fenbar, die Kluft zwischen der „finanziellenOptimierung“ des Staatsforstbetriebes und derFörderung des Naturschutzes und einer nach-haltigen Waldbewirtschaftung zu schließen.Dabei nehmen sie auch häufig Partner aus an-deren Verwaltungen, Sponsoren aller Art undFörderungen aus Berlin und Brüssel mit insBoot und beziehen sie bei Projekten mit ein.Ganz offensichtlich wird bei ForstBW die Ar-beit für Naturschutzziele aber immer schwieri-ger. Der verpflichtende Leitsatz bei Zielkonflik-ten im Staatswald steht ebenfalls in der FED2000: „Bei Zielkonflikten treten in der Regelmonetäre Belange hinter die auf Gemeinnüt-zigkeit ausgerichteten Ziele, unbeschadet derbesonderen Zweckbestimmung des Körper-schaftswaldes.“

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Zusammenfassung8

Der Wald bedeckt mehr als ein Drittel derFläche unseres Landes. Baden-Würt-temberg gehört somit zu den wald-

reichsten Bundesländern und trägt im europä-ischen Kontext eine besondere Verantwortungfür den Erhalt und den Schutz von Buchenwäl-dern. Die Forstwirtschaft prägt damit ganz we-sentlich das Bild unserer Landschaft. Jahrhun-dertelang war der Wald in erster Linie Holzlie-ferant, musste allerdings schon immer vielerleiAnsprüche gleichzeitig erfüllen. So vielfältigund teilweise auch widersprüchlich wie heutewaren die Anforderungen an ihn aber nochnie. Er soll

• unsere natürlichen Lebensgrundlagen – Bo-den, Wasser und Luft – rein halten undschützen

• zahlreichen und teilweise gefährdeten Pflan-zen- und Tierarten Schutz, Lebens- undRückzugsraum bieten

• den umweltfreundlichen und vielseitig ver-wendbaren Rohstoff Holz liefern, und dasmöglichst viel und möglichst preiswert

• zukünftig verstärkt Energieholz liefern• überall und zu jeder Zeit von Erholungssu-

chenden und Freizeitsportlern betreten wer-den dürfen.

Und erst in allerjüngster Zeit wurde festge-stellt, wie wichtig Wälder für den weltweitenSchutz des Klimas sind und dass sie in der Lagesind, vieles von dem abzupuffern, was dierasch wachsende Menschheit an schädlichenEmissionen in die Atmosphäre verfrachtet.

Waldbesitzer und Förster müssen alle dieseAnforderungen unter einen Hut bringen, diesunter den kritischen Blicken der Öffentlichkeit,der Medien und natürlich auch des Naturschut-zes! Für diese komplexe Aufgabe ist ein breitangelegtes Wissen vieler Fachrichtungen not-wendig, ist gleichzeitig auch Erfahrung, Ge-duld und Gespür für natürliche Abläufe ge-fragt, gerade vor dem Hintergrund der sichrasch verändernden klimatischen Bedingun-gen. Erfolge von Maßnahmen werden zudemin dem langlebigen Ökosystem Wald meist erstnach langer Zeit sichtbar. Sie erscheinen demLaien oft als selbstverständlich und „natür-lich“, weil sie bestenfalls völlig im Einklangmit der Natur stehen.

Wieso ein „Weißbuch Wald“ ?

Die schwierige Lage der Waldbesitzer und Förs-ter ist dem BUND bewusst. Das darf jedochnicht dazu führen, dass von einer im Grund-satz nachhaltigen Waldbewirtschaftung abge-

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rückt wird. Rasch und oft gedankenlos werdenGrundsätze aus der gerade aktuellen Tages-und Wirtschaftspolitik auch auf die Forstwirt-schaft übertragen. Angemessene Renditeerwar-tungen der Eigentümer sollen befriedigt unddie überlasteten öffentlichen Haushalte ge-stützt werden, zumindest aber soll eine„Schwarze Null“ erwirtschaftet werden. Dabeidürfen die Schutz- und Erholungsfunktionennichts oder höchstens fast nichts kosten undteures fachkundiges Personal wird seit vielenJahren reduziert. Mit wie wenig Finanz- undPersonalmitteln es geht, wird so lange auspro-biert, bis die Folgen im Wald offenkundig wer-den, und das kann lange dauern. Offenkundigist aber, dass drastische Einschnitte beim Fach-personal zu Vergrößerungen der Reviere undÜberlastungen der Mitarbeiter der Forstämtergeführt haben. Offenkundig ist auch, dass zuwenige Fördermittel vorhanden sind, um Maß-nahmen zum Artenschutz und im Rahmen desVertragsnaturschutzes in ausreichendem Maßumzusetzen.

Der BUND hat sich das Ziel gesteckt, Waldbe-sitzer und Förster zu finden, die trotz schwieri-ger Rahmenbedingungen Gutes und Beispiel-haftes für den Schutz von Lebensräumen undden Erhalt der Biodiversität geleistet habenund leisten. Mit einem Schreiben wurdenWaldbesitzer und Waldbewirtschafter in Ba-den-Württemberg dazu ermuntert, ihre gutenBeispiele der Waldbewirtschaftung zu melden.Es gab kein Beurteilungs- und Bewertungs-Punktesystem, um „die Besten“ auszuwählen.Vielmehr wurden Waldbesitzer und Förster ge-sucht, die zeigen, dass sich Ökonomie undÖkologie in der Waldwirtschaft nicht zwangs-läufig ausschließen müssen und dass es oftsinnvolle und verantwortungsbewusste Kom-promisslinien und -wege gibt. Es wurden auchBeispiele gesucht die zeigen, dass es in derForstwirtschaft langfristig erfolgreiche Lösun-gen und Strategien gibt, die sich auf den erstenBlick nicht rechnen. Diese Betriebe und Wald-besitzer hat der BUND ganz bewusst in allenWaldbesitzarten gesucht und auch gefunden.

Darüber hinaus wurden für das Weißbuch auchbeispielhafte Lösungen für einzelne Natur-schutzprobleme gesucht. Dabei erscheint esdem BUND nicht notwendig, dass es sich umvollkommen neue Ansätze handelt, gerade vie-le alltägliche Aufgaben sind wertvoll für denNaturschutz. Wenn diese Beispiele zeigen, dasskonkret eine Verbesserung für den Naturschutzbewirkt wird und wenn sie auf andere Betriebeübertragbar sind, dann wurden auch solcheLösungen ins Weißbuch aufgenommen.

Das Weißbuch bestätigt uns: Viele Waldbesit-zer und Förster – nicht nur die aufgeführtenBetriebe – leisten oft weder erkannt noch ho-noriert, sehr vieles für Natur und Umwelt. Un-ser Weißbuch Wald soll auch dazu dienen, die-sen Waldbesitzern und Förstern die verdienteöffentliche Anerkennung zu zollen. Wir wollenaber auch zeigen, dass Ökonomie und nachhal-tige Waldbewirtschaftung und Leistungen fürden Naturschutz unter heutigen Bedingungenumsetzbar sind und dadurch zum Nachdenkenanregen und zur Nachahmung in vielen Betrie-ben animieren.

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Voraussetzungen für einen erfolgreichen Waldnaturschutz aus Sicht

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Naturverträgliche Waldwirtschaft

Die Basis für einen erfolgreichen Wald-naturschutz muss eine Waldwirtschaftsein, die auf die natürlichen Abläufe

Rücksicht nimmt, die sich ihrer sogar bedient,die die klimatischen Veränderungen in ihreÜberlegungen mit einbezieht und die auf eineschonende und naturverträgliche Art und Wei-se den Wald nutzt. Nicht gegen die Natur zuwirtschaften sondern mit ihr, muss der Leitsatzsein. Waldwirtschaft soll die Natur nutzend be-gleiten. Dies soll auf der gesamten bewirt-schafteten Waldfläche geschehen und im Waldaller Besitzarten. Die Grundsätze einer natur-verträglichen Waldwirtschaft, die unsere na-türlichen Lebensgrundlagen Boden, Wasser,Klima und Luft schützt und bewahrt und dabeiPflanzen, Tieren und Menschen Lebens-, Ruhe-und Rückzugsraum bietet, müssen für alle gel-ten und bedürfen deshalb dringend einer kla-ren gesetzlichen Definition und Festlegung(„Gute forstliche Praxis“).

Schutz und Hilfe für bedrohte Arten

Unsere vielfach rücksichtslose Art der Nutzungnatürlicher Ressourcen hat weltweit in den un-terschiedlichsten Lebensräumen zahlreiche Ar-ten ausgerottet oder an den Rand der Ausrot-tung gebracht, auch im Lebensraum Wald.

Manche der bedrohten Arten haben so speziel-le Ansprüche an ihren Lebensraum, dass aucheine rücksichtsvolle und ansonsten naturver-trägliche Waldbewirtschaftung ihnen nicht(mehr) wirksam helfen kann. Diesen Artenmüssen spezielle Maßnahmen das Überlebensichern, womit unter Umständen auch Nut-zungsverzichte oder zusätzliche Aufwendun-gen verbunden sein können. Vor allem hiersind häufig spezielle Kenntnisse über die Le-bensweise und die Ansprüche dieser Arten not-wendig, die über das forstliche Wissen hinausgehen können und von „externen“ Fachleutengeliefert werden müssen. Meistens werdenWaldbesitzer auch nur dann bereit sein solche„Überlebens-Programme“ durchzuführen oderzu dulden, wenn ihnen dazu finanzielle Unter-stützung gewährt wird.

Wildnis zulassen

Auch in unserer dicht besiedelten und intensivgenutzten Landschaft muss es möglich sein,dass auf nennenswerten und großflächig zu-sammenhängenden Flächen Natur Natur seindarf, ohne dass der Mensch die natürlichenAbläufe stört. Das Bundesamt für Naturschutzhat deshalb vorgeschlagen und gefordert, dasszum Schutz der natürlichen Biodiversität 5 %der Waldfläche Deutschlands – über alle Be-sitzarten hinweg – aus der Nutzung genommenwerden sollen, eine wirklich maßvolle Forde-rung aus Sicht des BUND. Wir brauchen beides.Schutz der Biodiversität und unserer natürli-chen Lebensgrundlagen auf der ganzen Flächeund den Schutz natürlicher Abläufe in Groß-schutzgebieten ohne menschliche Eingriffe.

Finanzielle Rahmenbedingungenverbessern

Unser Gemeinwesen hat das grundgesetzlichgarantierte Recht und die Pflicht, die Nutzungdes Eigentums so zu regeln, dass sein Gebrauchzugleich dem Wohl der Allgemeinheit dient.Dazu gehört das Setzen entsprechender gesetz-licher Regelungen, aber auch das Bereitstellen

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des BUND Baden-Württemberg

finanzieller Mittel für alle Waldbesitzarten, umbesondere Anforderungen, beispielsweise desNaturschutzes und der Waldpädagogik, bewäl-tigen zu können. Dem Staatswald sind daherentsprechende finanzielle Spielräume zu ge-währen, und die Fördermaßnahmen für denKörperschafts- und Privatwald sind ebenfallsausreichend mit Fördermitteln auszustatten.Die Förderrichtlinien sind dahingehend weiterzu entwickeln, dass nicht nur waldbaulicheFehlentwicklungen der Vergangenheit beho-ben, sondern gerade auch Nutzungs- bzw. Ein-nahmensverzichte für mehr Naturschutz imWald durch Zuschüsse und Vertragsnatur-schutz gezielt gefördert werden. Auch Investi-tionen in die Zukunft von weitblickendenWaldbesitzern sollten gebührend gefördertwerden. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.Waldbesitzer, die jahrzehntelang Fichten-Rein-bestände auf völlig ungeeigneten Standortenangebaut haben, kommen in den Genuss vonFördergeldern, zum Beispiel für den Vorbauvon Buche und Tanne in diesen Beständen.Keine Fördergelder bekommen dagegen dieje-nigen Waldbesitzer, die bewusst auf die Um-wandlung von natürlichen Buchen- und Tan-nen-Beständen in Fichten-Bestände verzichtetund vielleicht mühsam gegen ständigen Wild-verbiss natürlich verjüngt haben, auch wenndiese geeignete Standorte für die Fichte wären.

Sach- und Fachkompetenz stärken

Eine kurzsichtige Personalpolitik ist in allenWaldbesitzarten dabei, einer angemessenenund fachlich einwandfreien Bewirtschaftungdes außerordentlich langlebigen ÖkosystemsWald dadurch den Boden zu entziehen, dassnicht mehr genug umfassend ausgebildetesPersonal zur Verfügung gestellt wird. Um einenWald unter Beachtung aller Funktionen natur-verträglich und, wenn möglich, auch langfris-tig wirtschaftlich erfolgreich zu bewirtschaf-ten, bedarf es nicht nur einer gründlichen undumfassend vielfältigen Ausbildung, sondernauch laufender intensiver Fortbildung. GroßesGespür für natürliche Abläufe und lange Er-

fahrung mit solchen Abläufen sowie Geduld,Zeit und Durchsetzungskraft sind ebenfallsnotwendig. Erfolgreicher Waldnaturschutzmuss scheitern, wenn entsprechendes Personalfehlt bzw. Personal häufig örtlich wechselt, sodass die langfristige Erfahrung mit der Flächeund ihren Standorten fehlt! Er muss auch dannscheitern, wenn nicht genügend Mittel bereit-gestellt werden, um externen Sachverstandzum Beispiel bei schwierigen Artenschutzfra-gen herbeiziehen zu können.

Personalbestand aufstocken

Die Reviere und Zuständigkeitsfelder sind überdas waldverträgliche Maß hinaus vergrößertworden. Wenn vor allem den Förstern vor Ort,den Revierleitern, durch die Vergrößerung ihrerReviere bei gleichzeitigem Abbau der Zahl derqualifizierten Waldarbeiter und bei gleichzeitiglaufender Erhöhung der Hiebssätze (Holzein-schlags-Soll) jeglicher Spielraum genommenwird, dann werden sie zu „Holzknechten“ degra-diert, die vielleicht noch das Schlimmste verhin-dern, aber nicht mehr eine naturverträglicheWaldwirtschaft gestalten können. Es ist bereitsheute zu beobachten, dass dann zuerst die Ar-beitsfelder Waldnaturschutz und Waldpädagogiksowie die Beratung und Betreuung des Klein-waldbesitzes unter dem allgemeinen Zeit- undKostendruck leiden. Diese ausgesprochene Fehl-entwicklung muss unbedingt rasch korrigiertwerden, wenn wir wollen, dass auch in Zukunftdiese Arbeitsfelder noch mit Leben gefüllt sind!

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Adressverzeichnis

Kontakte zu den Projektverantwortlichen der aufgeführten Naturschutzmaßnahmen von Kapitel 6

(Kontakte zu den Projektverantwortlichen der Forstbetriebe von Kapitel 5sind dort angeführt)

Forstbetrieb Großer Grassert GbR: Prof. Dr. Hermann Rodenkirchen, Lautenbachstr. 25, 77955 Ettenheim-Ettenheimmünster

Fürst zu Bentheimsche Domänenkammer: Ulrich Stahl, Reutfelderstr. 25, 74405 Gaildorf

Fürstliche Forstverwaltung Hohenlohe-Waldenburg: F.K. Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg, Forstverwaltung Hohenlohe-W. GbR, Schloßstr. 16, 74638

Waldenburg

Gemeindewald Ebringen: Herbert Stiefvater, Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, Fachbereich Forst, Hauptstr. 11, 79219

Staufen

Gräflich von Bodmansches Rentamt: Johannes Frhr. von und zu Bodman, Schloßstr. 11, 78351 Bodman-Ludwigshafen

Landkreis Biberach: Albrecht Moser, Landratsamt Biberach, Kreisforstamt, Wetterkreuzstr. 33, 88400 Biberach

Landkreis Böblingen: Helmut Weishaar, Landratsamt Böblingen, Kreisforstamt, Parkstr. 16, 71034 Böblingen

Landkreis Breisgau Hochschwarzwald: Herbert Stiefvater, Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, Fachbereich Forst, Hauptstr. 11,

79219 Staufen

Landkreis Heilbronn: Karl-Heinz Lieber, Landratsamt Heilbronn, Kreisforstamt, Lerchenstr. 40, 74072 Heilbronn

Landkreis Konstanz: Hans-Michael Peisert , Landratsamt Konstanz, Kreisforstamt, Waldstr. 30-34, 78315 Radolfzell

Landkreis Ravensburg: Dr. Rolf Bosch, Landratsamt Ravensburg, Kreisforstamt, Gartenstr. 107, 88212 Ravensburg

Landkreis Reutlingen: Landratsamt Reutlingen, Kreisforstamt, Schlosshof 4, 72525 Münsingen

Landkreis Rhein-Neckar: Dr. Ulrich Wilhelm, Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, Kreisforstamt, Langenbachweg 9 , 69151

Neckargemünd

Landkreis Schwarzwald-Baar: Johannes von Stemm, Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Forstamt Betriebsstelle Schwarzwald,

Amtshausweg 2, 78098 Triberg

Osterwaldgenossenschaft Eglofs eG: Ulrich Herkle, Am Bocksbühl 6, 88260 Argenbühl

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Stadtwald Baden-Baden: Thomas Hauck, Städtisches Forstamt Baden-Baden, Rheinstr. 111, 76532 Baden-Baden

Stadtwald Eberbach: Siegfried Riedl, Stadtförsterei Eberbach, Neuer Weg 2, 69412 Eberbach

Stadtwald Emmendingen: Stephan Schweiger, Landvogtei 10, 79312 Emmendingen

Stadtwald Esslingen: Henry Wolter, Stadt Esslingen, Grünflächenamt, Abt. 1, Ritterstr. 17, 73728 Esslingen a. N.

Stadtwald Freiburg: Andreas Schäfer, Städtisches Forstamt Freiburg, Günterstalstr. 71, 79100 Freiburg

Stadtwald Heidelberg: Friedrich Kilian, Stadt Heidelberg, Landschafts- und Forstamt, Abteilung Forst, Weberstr. 7,

69120 Heidelberg

Stadtwald Pforzheim: Markus Haller, Forstverwaltung, Amt für Umweltschutz, Östliche Karl-Friedrich-Str. 9, 75175 Pforzheim

Stadtwald Rastatt: Martin Koch, Stadt Rastatt, Fachbereich 6, Kundenbereich Forst, Platanenstr. 7, 76437 Rastatt

Stadtwald Rosenfeld: Michael Kauffmann, Landratsamt Zollernalbkreis, Forstamt, Hirschbergstr. 29, 72336 Balingen

Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern: Raimund Friderichs, Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern , Karl-Anton-Platz 2,

72488 Sigmaringen

Walterhof: Wilhelm Walter, Hinterrötenberg 3, 72290 Loßburg-Schömberg

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Abkürzungsverzeichnis und Glossar

Altersklassenwald Im Altersklassenwald stehen die verschieden alten Bäume nicht innig ge-

mischt auf einer Fläche, sondern räumlich voneinander getrennt in etwa

gleich alten Waldbeständen, die zu unterschiedlichen Zeiten genutzt wer-

den (vgl. auch Plenterwald).

ANW Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, gegründet im Jahr

1950. Sie ist ein unabhängiger Zusammenschluss von Forstleuten, Wald-

besitzern, Wissenschaftlern und Waldinteressierten, die durch das Stre-

ben nach einer besonders verantwortungsbewussten, an dem umfassen-

den Nachhaltigkeitsbegriff orientierten und daher einer naturgemäßen

Waldpflege verbunden sind.

a. r. B. Waldbestände außer regelmäßiger Bewirtschaftung, ehemalige Bezeich-

nung für heutige WET y-Bestände (siehe unten).

AuT-Konzept Alt- und Totholzkonzept der ForstBW (nähere Erläuterung siehe Kapitel 6.2)

Baumarten: Fi = Fichte

Ta = Tanne

Kie = Kiefer

Lä = Lärche

Dgl = Douglasie

sNb = sonstige Nadelbäume

Bu = Buche

Ei = Eiche

BAh = Bergahorn

Es = Esche

REi = Roteiche

Ki = Kirsche

Er = Erle

Bi = Birke

EKa = Edelkastanie

HBu = Hainbuche

sLb = sonstige Laubbäume

Bestand Der Bestand ist ein Kollektiv an Bäumen auf einer zusammenhängenden

Fläche, das eine einheitliche Behandlung erfährt.

Dauerwald Bezeichnet die Variante einer forstwirtschaftlichen Nutzungsform, bei

der ohne festgelegte Produktionszeiträume die Holznutzung auf Dauer

einzelbaum- bzw. gruppenweise oder kleinflächig erfolgt. Der Waldcha-

rakter bleibt als „umlaufendes System“ erhalten. Der Plenterwald ist eine

mögliche Form des Dauerwaldes.

Efm/ a/ ha Erntefestmeter / Jahr / Hektar, Raummaß für Holz, das pro Hektar und

Jahr geernet wird; entspricht einem Vorratsfestmeter (siehe Vfm/ ha) ab-

züglich Rindenverluste und Verluste bei der Holzernte.

Einzelstammweise Nutzung Die Holznutzung erfolgt durch das gezielte Entfernen einzelner Stämme in

einem Waldbestand und nicht durch ein flächiges Entnehmen aller hiebs-

reifen Bäume.

Femelschlag Forstwirtschaftliche Betriebsart, bei welcher hiebsreife Bäume in kleinen

Gruppen entnommen werden. Die Einschlagstellen werden durch sog.

Rändelungshiebe nach und nach erweitert, und dem Wald werden über

längere Zeiträume wiederholt kleine Gruppen von Bäumen entnommen.

Gewöhnlich sind Femelschläge nicht umfangreicher als 1 ha. Durch den

neu geschaffenen Lichteinfall unter dem bestehenden Kronendach wird

eine natürliche Verjüngung ermöglicht.

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FFH-Richtlinie Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie, ist eine Natur-

schutz-Richtlinie der Europäischen Union, die von den Mitgliedstaaten der

EU 1992 einstimmig beschlossen wurde. Sie dient gemeinsam mit der

Vogelschutzrichtlinie im Wesentlichen der Umsetzung der Berner Konven-

tion zum Schutz europäischer wildlebender Tiere und Pflanzen. Eines der

wesentlichen Instrumente ist, ein zusammenhängendes Netz von Schutz-

gebieten zu schaffen, das Natura 2000 genannt wird.

Fm o. R. Festmeter ohne Rinde, Raummaß für Holz, entspricht einem Kubikmeter

fester Holzmasse ohne Zwischenräume.

FSC Forest Stewardship Council, ein internationales Waldzertifizierungssys-

tem. Das Ziel ist die Förderung einer umweltfreundlichen, sozialförderli-

chen und ökonomisch tragfähigen Bewirtschaftung von Wäldern.

HB Holzbodenfläche: Alle bestockten Waldflächen, die unmittelbar der Er-

zeugung von Holz dienen.

Hiebssatz Der Hiebssatz ist die im Forsteinrichtungswerk festgesetzte jährliche

planmäßige Holznutzung in Ernte- oder Vorratsfestmetern für den Forst-

einrichtungszeitraum von zehn Jahren.

Jungbestandspflege Pflege von gesicherten Kulturen und Dickungen bis zum Eintritt ins Stan-

genholzalter. In der ersten Phase geht es vor allem darum, verdämmende

Konkurrenzpflanzen zurückzudrängen. Später muss bereits eine Stand-

raumregulierung durch Aushieb schlechtwüchsiger oder kranker Bäume

erfolgen.

Mischwuchsregulierung Pflegeeingriff zur Förderung von erwünschten bzw. weniger wuchskräfti-

gen Baumarten. Die bedrängten Baumarten werden durch Aushieb oder

Köpfen der Konkurrenzbäume begünstigt.

PEFC Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes, ein in-

ternationales Waldzertifizierungssystem. Deutsch: Zertifizierungssystem

für nachhaltige Waldbewirtschaftung.

Plenterwald Im Gegensatz zum Altersklassenwald, in dem die einzelnen Altersstufen

räumlich getrennt sind, stehen in einem Plenterwald Bäume aller Ent-

wicklungsstufen auf kleinster Fläche nebeneinander. Die Verjüngung fin-

det permanent statt. Eingriffe dienen zugleich der Verjüngung, Erziehung

und Ernte. Der Plenterwald ist eine Dauerwaldform.

Pro Silva Pro Silva ist eine Vereinigung naturnah denkender sowie handelnder

Waldeigentümer und Forstleute in Europa, die den Wald als ganzheit-

liches Ökosystem sehen. Ziel ist es, den Wald als Kulturlandschaft zu er-

halten und naturnahe Lebens- und Erholungsräume zu schaffen.

Saumschlag Streifenweiser schmaler Kahlschlag mit nachfolgender Naturverjüngung

oder Pflanzung, gegen die Hauptwindrichtung fortschreitend.

Verjüngung Ablösung des alten Baumbestandes durch junge Nachkommen.

Vfm/ ha Vorratsfestmeter / Hektar, Maß für den stehenden Holzvorrat einschließ-

lich der Rinde.

Vorbau Der Vorbau ist die künstliche Vorausverjüngung eines Bestandes durch

Anbau von Schattbaumarten unter dem Kronenschirm. Dadurch sollen

Baumarten eingebracht werden, die aufgrund fehlender Samenbäume

nicht natürlich zu verjüngen sind.

Vorrat Der Vorrat ist das stehende Holzvolumen. Er wird in Vorratsfestmetern

Derbholz mit Rinde (Vfm D. m.R.) ausgedrückt.

WET y Waldentwicklungstyp y: Waldbestände mit überwiegend besonderen

ökologischen Funktionen, in denen die Biotoppflege im Vordergrund steht

und die eigentliche Nutzung in den Hintergrund tritt.

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Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)Landesverband Baden-Württemberg e.V.Paulinenstraße 47 70178 StuttgartTelefon: 0711 620306-0 E-Mail: [email protected] www.bund-bawue.de

Text:Dr. Simone Stübner

Fachliche Mitarbeit:Gerhard Maluck

Redaktion:Kai-Steffen Frank, Projektleiter BUND

Bildnachweis: Clemens Bernecker (59 Mitte, 68 links) BUND Gottmadingen (82) BUND Landesverband (21 links)BUND Ulm (85) Birgit Eschenlohr (21 links) Christine Fabricius (80, 81 li. und Mitte, 83 links u., 84 li.) Gudrun Frank (84 rechts) Stefan Hafner (77 Mitte) Stefan Heitz † (81 rechts) Karl-Heinz Lieber (83 rechts) Gerhard Maluck (55, 65 Mitte) Dirk Mertens (6, 83 links o.)

Roman Müller (5 rechts, 84 Mitte, 96 rechts) Simon Ringwald (86, 94) Thomas Stephan (87, 96 Mitte) Christian Stauch (20) Hartmut Weinrebe (48) Viele Bilder sind von Simone Stübner sowie denForstämtern und Waldbesitzern (Kap. 5, 6) zur Verfügunggestellt worden.

Titelfoto:Michael Sauer, Schwanau

V.i.S.d.P.: Dr. Brigitte Dahlbender, Vorsitzende

Druck: Woge Druck GmbH, Karlsbad-LangensteinbachGedruckt auf Recymago matt, Blauer Umweltengel,klimaneutral hergestellt durch Print-CO2-Kompensation.

Gestaltung:Mediengestaltung Marianne Otte, Konstanz

Bestellung weiterer Broschüren:BUND-Service GmbH, Mühlbachstraße 278315 Radolfzell Telefon: 07732 1507-0 oder E-Mail: [email protected]: 4,- Euro/Exemplar, zzgl. Versandkosten

Radolfzell, Januar 2011

Impressum

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Ident-Nr. 118408

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