+ All Categories
Home > Documents > Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip

Date post: 12-Jan-2017
Category:
Upload: hans-moeller
View: 214 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
75
Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip Author(s): Hans Möller Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 3 (1968), pp. 385-458 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40910531 . Accessed: 15/06/2014 04:01 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Transcript

Ursprungs- und BestimmungslandprinzipAuthor(s): Hans MöllerSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 3 (1968), pp. 385-458Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40910531 .

Accessed: 15/06/2014 04:01

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toFinanzArchiv / Public Finance Analysis.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip Ein Beitrag zur Lehre von den Steuerwirkungen auf die internationalen

Wirtschaftsbeziehungen unter Berücksichtigung des Gemeinsamen Marktes

von

Hans Möller

Inhaltsübersicht *

1. Einleitung 387 2. Steuerwirkungen in der geschlossenen Volkswirtschaft 389 3. Wirkungen internationaler Wirtschaftsbeziehungen (ohne Steuern) . 402 4. Steuerwirkungen bei Außenhandel ohne Faktorbewegungen .... 409 5. Steuerwirkungen bei Außenhandel mit Faktorbewegungen 425 6. Schlußfolgerungen hinsichtlich des Ursprungs- und des Bestimmungs-

landprinzips 442

Vorbemerkung des Herausgebers: Die hiermit erstmalig veröffentlichte Untersuchung wurde vom Autor mit dem

Vermerk „Erste Fassung (abgeschlossen Ende März 1962)" der EWG-Kommission vorgelegt und einem engen Kreis von Wissenschaftlern zugänglich gemacht. Eine zweite Fassung ist nicht erarbeitet worden. Nachdem die Thesen der Untersuchung im Jahre 1963 auf der Tagung des Internationalen Finanzinstituts in Luxemburg von Maria- Dolores Schulte, einer Mitarbeiterin des Autors, vorgetragen1 und im Laufe der Zeit in mehreren Veröffentlichungen2 - z. T. sehr ausführlich - diskutiert

* Im Text werden „Abschnitte" unter einstelligen Zahlen, „Paragraphen" unter zweistelligen Zahlen und „Ziffern" unter dreistelligen Zahlen unterschieden. Demgemäß bedeutet z.B. 214: Abschnitt 2, § 21, Ziffer 214.

1 Mana- Dolores ¡Schulte: Die wirtschaftspohtischen Grundlagen des Bestim- mungsland- und des Ursprungslandprinzips; Vortrag vor dem Internationalen Finanzinstitut, Konferenz in Luxemburg, 1963. 2 Gegenwärtig und vermutlich für lange Zeit grundlegend: Carl S.Shoup (Ed.): Fiscal Harmonization in Common Markets, New York and London, 1967, Vol. I: Theory, Vol. II: Practice. - Siehe ferner Olaf Sievert: Außenwirtschaftliche Pro- bleme steuerlicher Ausgleichsmaßnahmen für den internationalen Handel, Schrif- tenreihe Annales Universitatis Saraviensis, Rechts- und Wirtschaftswissenschaft- liche Abteilung, Köln 1964. - Norbert Andel : Zur Harmonisierung öffentlicher Aus- gaben in einem Gemeinsamen Markt, „Finanzarchiv", N.F. Bd. 24, 1965, S. Iff. - Willi Albers: Steuer- und Finanzprobleme in einem Gemeinsamen Markt, in: „Hand- buch der Finanzwissenschaft", 2. Aufl., Bd. IV, Tübingen 1965, S. 341 ff.

25 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 3

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

386 Hans Möller

wurden, halte ich die Publikation der ersten Fassung der Studie von Hans Möller nunmehr für erforderlich, zumal da mit einer zweiten Fassung auf absehbare Zeit wohl leider nicht gerechnet werden kann. Die Veröffentlichung erfolgt ohne sach- liche Änderungen des Textes; lediglich Druckfehler und offenkundige Irrtümer des ursprünglichen Textes wurden korrigiert, und schließlich wurden einige das Ver- ständnis erleichternde Hinweise hinzugefügt.

F.N.

Vorwort des Autors (aus dem Jahr 1962) : Die Studie ist zunächst als interne Diskussionsgrundlage gedacht und ist in

dieser Form nicht für die Veröffentlichung bestimmt, was ich bei der Beurteilung der Formulierungen zu beachten bitte. Im Vordergrund stand der Versuch, bestimmte sachliche Zusammenhänge herauszuarbeiten, von denen ich glaube, daß sie bisher nicht oder nicht genügend gesehen wurden. Der Inhalt der Studie betrifft ein Grenzgebiet der Außenwirtschaftstheorie und Finanzwissenschaft. Auf dem Gebiet der Finanzwissenschaft bin ich kein Spezialist, und ich bitte deshalb, meine Termi- nologie und gegebenenfalls auch Unkenntnis einschlägiger Untersuchungen zu ent- schuldigen.

Der Charakter der Studie ist streng wissenschaftlich, obwohl gewisse wirt- schaftspolitische Schlußfolgerungen gezogen werden, die selbstverständlich Wert- urteile implizieren. Trotz des wissenschaftlichen Charakters der Studie habe ich bewußt bei der Darstellung auf jeglichen wissenschaftlichen Apparat verzichtet. Nur zwei Autoren müssen hier genannt werden: Die Studie gründet sich auf Mus- gravea „Theory of Public Finance" und auf J.E. M eadea „Trade and Welfare" 1 (von dem auch ein Zahlenmodell teilweise übernommen wurde) und versucht eine Syn- these der von beiden Autoren entwickelten Zusammenhänge für die hier interessie- rende Spezialfrage zu entwickeln.

Der Anlaß für die Studie und die Abgrenzung der Fragestellung sind in der Einleitung dargestellt. Meine langjährige Assistentin, Dr. Maria-Dolores Schulte, die über „Den Einfluß unterschiedlicher Steuersysteme auf den Wettbewerb inner- halb eines Gemeinsamen Marktes" promoviert hat, unterstützte mich bei der Ab- fassung der Studie durch ihre sachliche Mitarbeit und technische Hilfe.

H.M.

1 Richard A.Musgrave: The Theory of Public Finance, New York, Toronto, London 1959. - James E.Meade: The Theory of International Economic Policy, Vol. II: Trade and Welfare; London, Toronto, New York 1960 (Reprint).

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 387

1. Einleitung

11. Der Anlaß zu dieser Untersuchung

111. Der Anlaß zu dieser Studie ergab sich aus der Notwendigkeit, für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft unabhängig von den Bestimmungen der Rom-Verträge zu prüfen, welche steuerlichen Kegelungen für außen- wirtschaftliche Transaktionen der Konzeption des Gemeinsamen Marktes ent- sprechen. Selbstverständlich sind mehrere solcher Konzeptionen vorstellbar ; hier wurde diejenige zugrunde gelegt, die für den Gemeinsamen Markt die Herstellung binnenmarktähnlicher Verhältnisse fordert. 112. Die steuerlichen Regelungen für außenwirtschaftliche Transaktionen bilden einen Teil der Steuer- und Finanzpolitik der Mitgliedsländer; inwieweit diese zur Herstellung und Aufrechterhaltung des Gemeinsamen Marktes geändert und auf- einander abgestimmt werden muß, ist eine wichtige und in vielen Punkten unge- klärte Frage. Zu ihrer Untersuchung hat die Kommission der EWG nach Konsul- tation der Mitgliedsländer einen „Wissenschaftlichen Steuer- und Finanzausschuß" eingesetzt, an dessen Sitzungen ich als Berater der Kommission teilgenommen habe. Die letzte Fassung des Berichtes des Ausschusses lag mir bei der Fertigstellung dieser Studie nicht vor. Die Beratungen des Ausschusses haben mir wertvolle Anregungen gegeben. Die sehr viel umfassendere Stellungnahme des Ausschusses zur Steuer- und Finanzpolitik enthält auch einige Paragraphen über das Ursprungs- und Be- stimmungslandprinzip, an deren Diskussion ich mitgewirkt habe. Bedauerlicher- weise habe ich diese Studie erst in den letzten Monaten ausarbeiten können, so daß sie dem Ausschuß vor der Dezembersitzung, auf der die Grundlinien seines Be- richtes verabschiedet wurden, nicht mehr zugeleitet werden konnte. 113. Das Problem der steuerlichen Behandlung des Warenverkehrs in einem gemeinsamen Markt ist nicht neu. Es wurde bereits auf Initiative der deut- schen eisenschaffenden Industrie von den Organen der Europäischen Gemein- schaft für Kohle und Stahl behandelt. Seinerzeit wurde ein Ausschuß von Professoren unter dem Vorsitz von Tinbergen eingesetzt, der ein Gutachten erstattete. Die sich diesem anschließenden Regierungsberatungen innerhalb der EGKS führten u.a. zu einem weiteren Sachverständigengutachten. Die damalige Fragestellung bezog sich nur auf einen Wirtschaftszweig, während nunmehr eine generelle Regelung für die gesamten Volkswirtschaften der Mit- gliedsländer zur Diskussion steht. Die jüngst wieder aufgenommenen Versuche der deutschen eisenschaffenden Industrie zur Durchsetzung des Ursprungs- landprinzips bildeten einen weiteren Anlaß zur Abfassung meiner Studie. 114. An die Ausarbeitung meiner Studie bin ich mit bestimmten Vorstellungen herangegangen, die auf den früheren Diskussionen über die hier interessierende Fragestellung und ihrer Beurteilung auf der Grundlage der traditionellen Wirt- schaftstheorie beruhten. Mein Ergebnis weicht in wichtigen Punkten von diesen Vorstellungen ab. Wenn auch die wirtschaftspolitische Empfehlung, zu der ich hier gelange, im wesentlichen mit meinen früheren Auffassungen übereinstimmt, so hat sich doch deren Begründung im einzelnen und der Gesamtzusammenhang, inner- halb dessen sie abgeleitet wird, erheblich verschoben.

25*

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

388 Hans Möller

12. Die Grenzen der Untersuchung

121. Das Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip bei der Besteuerung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs bildet ein Teilproblem der Steuerwir- kungen überhaupt und dieser Wirkungen auf die außenwirtschaftlichen Be- ziehungen im besonderen. Gerade die zuletzt genannte Problematik ist in der wissenschaftlichen Literatur stark vernachlässigt worden. Die hier interessie- rende Teilfrage sollte im Kahmen der Gesamtproblematik untersucht werden, was aus Zeit- und Raumgründen zunächst unterbleiben mußte. Immerhin hoffe ich, mit meiner Betrachtungsweise auch einige Gesichtspunkte für die Analyse der Gesamtproblematik zu liefern. 122. Der wissenschaftliche Charakter der Studie zeigt sich schon rein äußer- lich in der Tatsache, daß es sich um eine recht abstrakte Modellanalyse han- delt, deren Wert nur darin bestehen kann, die Aufmerksamkeit auf wichtige, sonst nicht erkennbare, innere Zusammenhänge zu lenken, die für die Beur- teilung des Ursprungs- und Bestimmungslandprinzips relevant sind.

Selbstverständlich bedarf eine solche Modellanalyse der schrittweisen Annäherung an die Wirklichkeit und damit auch der Erprobung in der Wirk- lichkeit. Das konnte vorerst nicht geschehen und wird auch längere Zeit er- fordern. In diesem Zusammenhang ist vor allem eine Analyse der wichtigsten in der Empirie vorkommenden Steuern erforderlich. Daß dies nicht einmal andeutungsweise geschieht, ist zweifellos ein Mangel der Studie. Ihre Ergeb- nisse können infolgedessen vorläufig nur als Hypothesen gelten. Trotzdem sind die wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen akzentuiert formuliert worden - nicht um mehr Sicherheit vorzutäuschen als tatsächlich gerechtfertigt ist, sondern um die wesentlichen Punkte der hier angewendeten Betrachtungs- weise auch anhand der wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen möglichst deutlich zu beleuchten. 123. Die Analyse fußt auf der Außenwirtschaftstheorie und deren welfare-theo- retischer Interpretation. Da gerade in der Tagesdiskussion der hier interessierenden Frage diese grundlegenden, von der Nationalökonomie erarbeiteten Zusammen- hänge oft vergessen oder schief gesehen werden, sind einige elementare Zusammen- hänge mit relativer Ausführlichkeit wiedergegeben worden. Die Darstellung erhebt jedoch nicht den Anspruch, den letzten Stand der Wissenschaft widerzuspiegeln oder gar ein vollständiges Bild zu entwerfen. 124. Dem Leser wird im übrigen auffallen, daß die Steuerwirkungen auf den Außen- handel mit Gütern allein und ohne Faktorbewegungen (also unter den Voraus- setzungen der klassischen Nationalökonomie) sachlich mit größerer Vollständigkeit behandelt wurden (Abschnitt 4) als die Steuerwirkungen auf Außenhandel und Fak- torbewegungen (Abschnitt 5). Das liegt daran, daß mit den in Abschnitt 5 gewählten Voraussetzungen Neuland betreten wurde und es zunächst darauf ankam, die prin- zipiellen Fragen aufzuwerfen. Die mit dieser Studie hoffentlich provozierte Dis- kussion wird sicherlich eine Vertiefung der Analyse ermöglichen.

13. Außenhandel mit Faktorleistungen Der in dieser Studie in essentieller Weise berücksichtigte Außenhandel

mit Faktorleistungen (vgl. § 35, Abschnitt 5, und Ziffer 652/3) mag manchem zunächst nur als ein Kandproblem erscheinen, dessen empirische Bedeutung

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 389

zu gering ist, um in der vorgeschlagenen Weise in die Analyse einbezogen zu werden. Darüber kann man sicherlich verschiedener Meinung sein. Aber selbst wenn man sich auf diesen Standpunkt stellt, mag die Analyse der Steuerwirkungen unter Berücksichtigung nicht nur des Außenhandels, son- dern auch der Faktorbewegungen nützlich sein, vermittelt sie doch einige neuartige Einblicke, die auch dann von Wert sind, wenn Faktorbewegungen als ein Randproblem betrachtet werden.

2. Steuerwirkungen in der geschlossenen Volkswirtschaft

21. Steuern und Staatsausgaben

211. Unter den zahlreichen und verschiedenartigen Steuerwirkungen inter- essieren hier in erster Linie diejenigen, die eine Veränderung von Produktion, Handel, Konsumtion und Investition sowie Ein- und Ausfuhr mit sich brin- gen, sich also in den Güter- und Leistungsströmen des volkswirtschaftlichen Kreislaufs niederschlagen. Infolgedessen ist es naheliegend, von den eben- falls sehr verschiedenen Steuerarten zunächst solche herauszugreifen, die ent- weder Leistungen von Produktionsfaktoren oder (erzeugte, verbrauchte, ge- bzw. verkaufte) Güter pro Periode betreffen; denn gerade bei Steuern auf Produktionsfaktoren und auf Produkte wird man eine nachhaltige Wirkung auf Entstehung, Verteilung und Verwendung des Sozialprodukts erwarten können. Mit diesen Steuern sind im übrigen diejenigen erfaßt, denen in den entwickelten Volks wirtschaften die größte Bedeutung für die Staatseinnahmen zukommt.

Die Faktorsteuern sind entweder von den Eigentümern oder Trägern die- ser Produktionsfaktoren oder von den Nachfragern nach Faktorleistungen (Produzenten) an den Staat abzuführen. Die ersteren sollen in dieser Arbeit Faktoreinsatzsteuern, die letzteren Faktorverwendungsteuern genannt wer- den (vgl. Schluß von Ziffer 213).

Ähnliches gilt für Steuern auf Produkte, die entweder die Anbieter (Pro- duzenten) oder die Nachfrager zur Zahlung verpflichten können. In diesem Sinne soll Zwischenverkauf- und Kaufsteuern unterschieden werden. Steuer- bemessungsgrundlage ist entweder der Preis des Produkts1 oder, allerdings nur bei Verkaufs teuern, auch die vom Produzenten im Zusammenhang mit diesem Produkt erstellte „Wertschöpfung" (also die Summe der Werte von Faktorleistungen, die der besteuerte Produzent hinzugefügt hat).

Im ersten Fall wird das vom Produzenten (zu denen selbstverständlich auch Händler und selbständige Anbieter von Diensten wie Rechtsanwalts- leistungen gehören können) verkaufte Produkt und somit die gesamte zu sei- ner Herstellung erforderliche Wertschöpfung auch von Vorlieferanten belastet; im zweiten Fall wird jeweils nur die Wertschöpfung des steuerpflichtigen Pro- duzenten, also gewissermaßen nur sein eigenes Produktionsergebnis, erfaßt. 212. Generelle Steuern liegen vor, wenn einer der vier makroökonomischen

1 „Spezifische" (je Mengeneinheit festgesetzte) Abgaben werden nur bei spe- ziellen Steuern (aus Vereinfachungsgründen) berücksichtigt.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

390 Hans Möller

Vorgänge: Erstellung des Sozialprodukts, dessen Verwendung (Konsum und Investition), Faktoreinsatz zwecks Einkommenserzielung und Faktorver- wendung zur Produktion, für die gesamte Volkswirtschaft bei allen beteiligten Wirtschaftssubjekten steuerlich belastet wird. Von unvollständigen generellen Steuern wird dann gesprochen, wenn einer dieser Vorgänge nur nahezu voll- ständig erfaßt wird. Spezielle Steuern sind alle nicht generellen Steuern, so- weit sie sich nicht gedanklich zu generellen Steuern zusammenfassen lassen. Sie können einzelne Produkte oder bestimmte Gruppen von Wirtschaftssubjek- ten (als Produzenten, Träger von Faktorleistungen und Verbraucher) treffen.

Wird bei einer Steuer der Steuersatz weder nach dem Steuersubjekt (Pro- duzenten, Haushaltungen) noch nach dem Steuerobjekt (Produkte, Faktor- leistungen) noch nach der Höhe der jeweils für ein Steuersubjekt oder -objekt ermittelten Steuerbemessungsgrundlage variiert, so soll die Steuer ,, propor- tional" genannt werden.

Nicht proportionale Steuern werden als differenzierende Steuern be- zeichnet. Eine differenzierende generelle Steuer kann gedanklich in eine pro- portionale Steuer zerlegt werden, die mit speziellen Steuern oder Prämien für diejenigen Steuerobjekte (oder -Subjekte) verbunden ist, für die die Steuer- sätze über oder unter dem zugrunde gelegten proportionalen Satz liegen.

213. Zur Verdeutlichung dieser Einteilung sei auf einige steuertechnische Probleme hingewiesen, zumal hier, um Irrtümer und falsche Assoziationen zu vermeiden, die Bezeichnungen der Steuern in Abweichung von der üblichen Terminologie gewählt werden.

Eine generelle proportionale Verkaufsteuer erfordert, daß alle Endpro- dukte (für Konsum und Investition), und nur diese, einmal mit demselben, auf ihren Preis angewandten Steuersatz belastet werden. Das kann mit einer Einzelhandelsteuer allein nicht erreicht werden. Diese muß ergänzt werden: 1. durch Steuerbefreiungen für von Produzenten beim Einzelhandel gekaufte Produkte, die dann Zwischen- und nicht Endprodukte sind; 2. durch Ergänzungsteuern für alle nicht beim Einzelhandel getätigten Käufe von Konsumenten und Investoren (z.B. beim Produzenten, bei selbständigen Rechtsanwälten, Hausgehilfinnen und ähnliches mehr). Eine Einzelhandels- verkaufsteuer (künftig immer mit diesen Ergänzungen) ist offenbar mit einer Kaufsteuer für Konsumenten und Investoren identisch. Wer auch immer zur Steuerzahlung verpflichtet sein mag, die Abführung der angefallenen Steuer- beträge wird schon aus Zweckmäßigkeitserwägungen in der Regel dem Einzel- händler auferlegt werden.

Obwohl eine generelle Einzelhandelsteuer mit ihren Ergänzungen nur schwer zu realisieren wäre, wird sie hier aus didaktischen Gründen als Modell verwendet. Sie wird dabei sowohl als Verkauf- als auch als Kaufsteuer inter- pretiert. Steuerbemessungsgrundlage ist bei dieser Steuer der Preis der Pro- dukte und damit die gesamte zu ihrer Herstellung auf allen Produktionsstu- fen erforderliche Wertschöpfung. Die Einzelhandelsteuer wird hier also als Typ einer Steuer auf ,, Endprodukte" für Konsum und Investition aufgefaßt.

Eine generelle proportionale Verkaufsteuer kann aber auch als Wert- schöpfungsteuer aller Produzenten (auch der Einmannbetriebe von Rechts-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 391

an walten, Hausgehilfinnen usw.) konstruiert werden. Wird jeder Produzent mit einer proportionalen Wertschöpfungsteuer belastet, so ist damit das ge- samte Sozialprodukt erfaßt, und zwar ohne jegliche Doppelzählung. Die Ent- wicklung der Steuertechnik hat erwiesen, daß eine solche Wertschöpfung- steuer (als „Mehrwertsteuer") durchaus erhoben werden kann. Sie ist tech- nisch offenbar mit einer Faktorverwendungsteuer identisch, ist doch die Wert- schöpfung eines Produzenten immer gleich der Summe aller von ihm gezahl- ten bzw. verdienten Faktoreinkommen. Eine solche Steuer wird hier künftig als „Produktionsteuer" bezeichnet.

Eine Umsatzsteuer deutschen Typs entspricht diesen Erfordernissen nicht, obwohl es sich hierbei auch um eine (unvollständige) generelle Steuer handelt. Denn erstens sind ihre Steuersätze differenziert, und zwar sowohl nach Steuerobjekten als auch nach Steuersubjekten, und zweitens erfaßt sie wegen der Steuerkumulierung die Zwischenprodukte mehrfach. Selbst mit einheitlichem Steuersatz würde sie die Wertschöpfung der Produzenten verschieden, je nach deren Anteil am Umsatz, belasten. Die deutsche Umsatzsteuer wird deshalb nicht als eine generelle propor- tionale Steuer bezeichnet.

Der generellen Faktoreinsatzsteuer entspricht in der geschlossenen Volks- wirtschaft die übliche Einkommensteuer für alle natürlichen Personen, nur daß diese wegen der Steuerprogression differenziert und nicht proportional ist. Sie wird in der geschlossenen Volkswirtschaft und in der offenen Volks- wirtschaft ohne Faktorbewegungen zur generellen Faktorsteuer schlechthin, nachdem die generelle Faktorverwendungsteuer bereits in der Produktion- steuer aufgegangen ist. Die Unterscheidung zwischen Faktoreinsatzsteuer und Faktorverwendungsteuer bekommt bei generellen Steuern eine besondere Bedeutung erst bei Berücksichtigung von Faktorbewegungen über die Lan- desgrenzen und deren Besteuerung, da sonst die Untergliederung nach dem zur Steuerzahlung oder -abführung Verpflichteten keine wirtschaftliche Be- deutung hat (vgl. Tabelle 1). In der geschlossenen Volkswirtschaft sind alle generellen proportionalen Steuern äquivalent; in der offenen Volkswirtschaft unterscheiden sie sich nach ihren Wirkungen auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. 214. Obwohl generelle proportionale Steuern in der Empirie nur selten und auch dann nie in reiner Form vorkommen, sind sie für die leider komplizierten theoretischen Analysen sehr nützlich, ja unerläßlich. Es wird dann allerdings notwendig, die wichtigsten Steuerarten daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie den vorgenannten Steuern entsprechen und welche Wirkungen sich ergeben, wenn sie von ihnen abweichen. Das gilt insbesondere für die Körperschaftsteuer. 215. Bei jeder Analyse von Steuerwirkungen taucht die Schwierigkeit auf, ob und in welcher Form die Verwendung der vom Staat erzielten Steuerein- nahmen zu berücksichtigen ist. Zwei Hauptverwendungszwecke sind zu unter- scheiden: Staatsausgaben für Güter und Faktoren, die dann dem privaten Sektor nicht mehr zur Verfügung stehen, und Transferausgaben, die lediglich eine Redistribution der personellen Einkommen bewirken sollen und den Um- fang des privaten Sektors nicht beeinträchtigen. Bei den Transferausgaben,

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

392 Hans Möller

Tabelle 1

Steuertypen (in der hier verwendeten Steuerterminologie) nach Erfassung der außenwirtschaftlichen Transaktionen1

Generelle Steuern auf

Faktoren (Einkommens- Produkte (Einkommens- erzielung) erhoben bei Verwendung) erhoben bei

inländische inländische inländische inländische Haushaltungen, Produzehten Produzenten Haushaltungen, Faktoren Faktor- Faktor- Verkaufsteuer Kaufsteuer auf einsatzsteuer Verwendung- bezogen auf Produkte =

Steuer Wertschöpfung Einzelhandel- steuer mit Ergänzungen

(Produktionsteuer)

| U-P2 | B-P2

Güter- nicht nicht nein ja ja importe betreffend betreffend Ziffer 413 Ziffer 413

Güter- nicht nicht ja | nein nein exporte betreffend betreffend Ziffer 413 Ziffer 413

Faktor- nein ja nicht nicht importe Ziffer 513 Ziffer 513 betreffend betreffend

Faktor- ja nein nicht nicht exporte Ziffer 513 Ziffer 513 betreffend betreffend

1 Erfassung ist mit „ja", Nichterfassung mit „nein" bezeichnet. 2 Abkürzungen für Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip.

zu denen auch Käufe von Gütern und Diensten gehören mögen, die vom Staat in natura an private Wirtschaftssubjekte weitergeleitet werden (z.B. Schul- bücher, Medikamente), handelt es sich um Geld- (oder geldwerte) -betrage, die den privaten Wirtschaftssubjekten zufließen. Soweit diese nicht echte Ein- kommen (Zinszahlungen auf die Staatsschuld) sind, vermindern sie offenbar die individuelle Steuerbelastung der Empfänger oder bedeuten für sie eine vom Staat gezahlte Prämie (Beihilfe, Subvention). Will man ausschließlich Steuerwirkungen analysieren, so muß angenommen werden, daß Transfer- ausgaben nicht getätigt werden.

Betrachtet man den Staat nicht als Selbstzweck oder als ein übergeord- netes Wirtschaftssubjekt mit originären Zielen und Zwecken, sondern als eine demokratische Vertretung der privaten Wirtschaftssubjekte, so mag die In- anspruchnahme von Gütern und Diensten durch den Staat zwar statistisch als Verbrauch von Endprodukten erfaßt werden; wirtschaftlich gesehen wer- den jedoch damit ,, Staatsleistungen" erstellt, die letztlich den privaten Wirt- schaftssubjekten zugute kommen. Diese können für die privaten Wirtschafts-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 393

Tabelle 2

Arten von nicht-generellen Steuern1

Steuern auf Differenzierung genereller Steuern, (Unterscheidung der spezielle Steuern Steuern nach ihrer Außenwirtschaft- nach Personen- nach Produkten Wirkung) gruppen bzw. Faktoren

Produkte (Einzelhan- Wertschöpfungsteuern Kauf- oder Verkauf- delsteuer, Verkauf- auf Produzenten be- steuern auf den Preis Steuer, Produktion- stimmter Branchen bestimmter Produkte Steuer)

Faktoren (Faktor- Faktorverwendung- Schedulensteuern mit einsatzsteuer, Faktor- Steuer auf Produzenten verschiedenen Sätzen; verwendungsteuer, bestimmter Branchen; spezielle Steuern auf Produktionsteuer) Differenzierung der einzelne Faktoren

Faktoreinsatzsteuer nach Familienstand, Einkommenshöhe usw.

1 Die Unterscheidung der Steuern nach ihrer Außenwirtschaftswirkung ergibt sich aus Tabelle 1.

Subjekte entweder konsumtive Staatsleistungen sein, die an die Stelle eines sonst möglichen oder notwendigen privaten Konsums treten, oder sie sind produktive Staatsleistungen, die die Produktionskraft des privaten Sektors erhöhen. Diese können erstens durch volkswirtschaftlich produktive Investi- tionen erbracht werden, die, gesamtwirtschaftlich betrachtet, einen Kapazi- tätseffekt haben und eine höhere Güterproduktion ermöglichen; zweitens können laufende produktive Staatsleistungen derart bereitgestellt werden, daß privatwirtschaftliche durch niedrigere volkswirtschaftliche Kosten er- setzt werden. In einer sonst stationären Wirtschaft müssen produktive Staats- leistungen entweder zu einer Erhöhung der Faktoreinkommen oder zu einer Senkung der Güterpreise führen. 216. Sowohl konsumtive als auch produktive Staatsleistungen beeinflussen, ähnlich wie Steuern, die Dispositionen der einzelnen Wirtschaftssubjekte. Will man nicht in eine eingehende Analyse der Wirkungen von Staatsausgaben eintreten, so müssen bestimmte Annahmen gemacht werden. Für die Betrach- tung der Steuerwirkungen in der geschlossenen Volkswirtschaft und in der offenen Volkswirtschaft ohne Faktorbewegungen wird von produktiven Staatsleistungen ganz abgesehen, und konsumtive Staatsleistungen werden nur in ganz spezieller Form berücksichtigt, und zwar wird angenommen, daß die Staatsverwaltung so geringe Kosten verursacht, daß die dafür erforder- lichen Dienstleistungen vernachlässigt werden können. Steuern sollen in dem dieser Untersuchung zugrunde liegenden Modell lediglich erhoben werden, um Güter zu erwerben, die als Auslandshilfe dritten Ländern zur Verfügung ge- stellt werden. Das erlaubt die weitere Annahme, daß der Staat jeweils die Güter vom Markt nimmt, die sonst von den privaten Wirtschaftssubjekten

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

394 Hans Möller

nachgefragt worden wären. Die Verwendung der Staatsausgaben verändert dann nicht die Nachfragestruktur in der Volkswirtschaft.

Diese weitreichenden Annahmen erleichtern die Darstellung der reinen Steuer- wirkungen; ihre schrittweise Aufhebung würde die Darstellung sehr komplizieren, ohne die hier wesentlichen Zusammenhänge zu ändern. Allerdings wird sich zeigen, daß bei der Analyse von Steuerwirkungen bei internationalen Faktorbewegungen sowohl konsumtive als auch produktive inlandwirksame Staatsleistungen mit in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Können die Produktionsfaktoren jedoch nicht von Land zu Land wandern, so können sie auf Staatsleistungen offenbar nur durch Veränderung ihres Angebots an Faktorleistungen reagieren. Solche Verände- rungen werden hier jedoch außer acht gelassen.

22. Das Modell: monetäre, güterwirtschaftliche und Welfare-Wirkungen

221. Das Grundmodell für die weiteren Untersuchungen besteht aus zwei Ländern, A und B, in denen mit nur zwei Produktionsfaktoren, Arbeit und Boden, je zwei Waren, nämlich Äpfel (Nr. 1) und Tuche (Nr. 2) hergestellt wer- den. Die Auslandshilfe im Sinne von Ziffer 216 wird dritten Ländern gewährt.

In diesem Abschnitt, in dem lediglich die Steuerwirkungen für eine ge- schlossene Volkswirtschaft betrachtet werden, interessiert nur das Land A. Die verfügbaren Mengen an Produktionsfaktoren sollen unveränderlich sein.

Gäbe es im Lande A keine Steuern, so ließe sich auf Grund der Nachfrage- bedingungen (Präferenzen) der Bevölkerung und der Produktionsbedingun- gen und unter Annahme von Vollbeschäftigung und vollständiger Konkurrenz ein Gleichgewichtszustand ableiten, in dem sowohl ein Handelsoptimum als auch ein Produktionsmaximum verwirklicht ist. 222. In der beschriebenen Situation würden zunächst für alle Konsumenten derselbe Apfel- und derselbe Tuchpreis und damit auch dieselbe Kelation zwi- schen beiden Preisen gelten. Der Quotient ,, Apfelpreis dividiert durch Tuch-

preis" (^) bedeutet nun nichts anderes als die Tuchmenge, die für einen Apfel im Tausch gegeben und genommen wird oder, mit anderen Worten, den realen Apfelpreis ausgedrückt in Tucheinheiten. Der reziproke Wert ergäbe den rea-

■p len Preis des Tuches in Äpfeln (^). " Wären die realen Preise nicht für alle Kon- "

i

sumenten gleich, so ließe sich deren Wohlfahrt durch weitere Tauschakte offenbar erhöhen. Wenn der reale Apfelpreis für einige 0,80, für andere da- gegen 0,85 betrüge, so könnten die ersten die für sie vergleichsweise weniger wertvollen Äpfel weggeben und sich dafür Tuch verschaffen, das für sie ver- gleichsweise wertvoller ist, während die zweiten die für sie wertvolleren Äpfel erhielten und das weniger wertvolle Tuch opferten. Dadurch würde sich die Preisrelation für beide Konsumentengruppen verschieben und im Gleich- gewicht einheitlich, z. B. auf 0,83 Tucheinheiten für einen Apfel, einspielen. Dieses Tauschgleichgewicht für die Konsumenten nennt man das Handels- optimum. Der Wohlfahrtsgewinn durch Angleichung der Preise entsteht schon bei unveränderlichen Gutsmengen, ebenso wie sich während der Konsum- güterrationierung im Krieg für die Wirtschaftssubjekte durch Tausch von zugeteilten Kationen ein Vorteil ergab.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 395

223. Auch für die Produzenten besteht, wenn das Handelsoptimum ver- wirklicht ist, eine einheitliche Kelation zwischen den Preisen beider Güter. Rechnet man die Gewinne der Produzenten mit zu ihren Kosten, was man für einen gedachten langfristigen Gleichgewichtszustand tun kann, so geben die realen Grenzkosten1 für Äpfel die Tuchmenge an, die mehr erzeugt werden könnte, wenn etwas weniger Äpfel hergestellt und die dadurch frei werdenden Produktionsfaktoren der Tuchproduktion zugeführt würden. Dieses reale Transformationsverhältnis von Äpfeln in Tuche ändert sich mit der Produk- tionszusammensetzung. Je größer die Apfelproduktion, desto größer werden offenbar die realen Grenzkosten der Äpfel (in Tucheinheiten).

Solange die realen Grenzkosten der Äpfelproduktion mit dem realen Apfelpreis für die Konsumenten nicht übereinstimmen und ihn z.B. über- steigen, lohnt es sich, die Äpfelproduktion einzuschränken und dafür Tuch zu produzieren, bis sich realer Preis und reale Grenzkosten für Äpfel (und damit auch für Tuch) angeglichen haben. Wenn durch den Wettbewerb die reale Austauschrelation für die Konsumenten und das reale Transformations- verhältnis in Übereinstimmung gebracht worden sind, ist die Produktion im Hinblick auf die Verbraucherwünsche maximiert. Im Produktionsmaximum kostet es gerade soviel Tuch, um einen zusätzlichen Apfel herzustellen, wie die Konsumenten herzugeben bereit wären, um einen zusätzlichen Apfel zu erlangen. Soweit das nicht zuträfe, lohnte es sich noch immer, die Produktion weiter an die Verbraucherwünsche anzupassen. 224. Diese Zusammenhänge gelten, gleichviel, ob man sich eine reine Tausch- wirtschaft (mit intensivem Wettbewerb) oder eine Geldwirtschaft mit Preisen in Währungseinheiten (oí für Land A) vorstellt. Bestehen Geldpreise, so be- deuten die eben abgeleiteten Gleichgewichtsbedingungen für das Handels- optimum und das Produktionsmaximum, daß auch die Geldpreise der Güter mit ihren Grenzkosten in Geld (einschließlich normaler Gewinne) überein- stimmen.

Die Produktionsfaktoren Boden und Arbeit erhalten dann Geldlöhne, die für gleiche Faktoren in beiden Branchen übereinstimmen. Sonst würden Arbeits- oder Bodenleistungen von der Branche mit niedrigerem Lohn in die Branche mit höherem Lohn gelenkt werden, bis sich die Preise der Produk- tionsfaktoren angeglichen haben. Die Faktoren werden mit dem Wert bezahlt, der ihnen für den Produktionsprozess zukommt und der sich aus dem Grenz- produkt (der zusätzlichen mit einer Faktoreinheit erzielbaren Gutsmenge) multipliziert mit dem Preis des hergestellten Produkts ergibt. Wäre der Wert des Grenzprodukts z. B. höher als der Lohn, so würden zusätzliche Faktoren nachgefragt und eingesetzt, bis der Lohn dem Wert des Grenzprodukts ent- spricht. 225. Für die Wohlfahrt der Volkswirtschaft entscheidend sind die Menge und die Art der hergestellten Güter und ihre Verteilung auf die Wirtschaftssub- jekte. Daß die Steuer den privaten Wirtschaftssubjekten reale Güter und Dienste entzieht, ergibt sich aus ihrem Zweck. Ob und inwieweit sie darüber hinaus das Handelsoptimum und das Produktionsmaximum stört, ist die hier

1 Es handelt sich um Opportunitätskosten.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

396 Hans Möller

allein interessierende Frage. Die Kriterien für das Zustandekommen eines Handelsoptimums und Produktionsmaximums ergeben sich ausschließlich aus den Preis-, Grenzkosten- und Lohnrelationen für die Güter und Faktoren, während das Niveau der Preise, Kosten und Löhne lediglich den Wert der Zahlungsmitteleinheit zum Ausdruck bringt. Dieser ist zwar für die außen- wirtschaftlichen Beziehungen und den Wechselkurs wichtig; für eine im Gleichgewicht befindliche geschlossene Volkswirtschaft ist jedoch der reale Wert der Zahlungsmitteleinheit nicht relevant. Allerdings ist zu beachten, daß die Veränderung des (realen) Geldwertes im Zeitablauf, also eine Inflation oder eine Deflation, erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben kann, die hier als bekannt vorausgesetzt werden.

Soweit die Besteuerung den Geldwert verändert, soll von ,, monetären Wirkungen" gesprochen werden. Dagegen wird die Veränderung von Produk- tion, Konsum und Wohlfahrt der Konsumenten als ,, güterwirtschaftliche Wirkung" bezeichnet. Sie umfaßt den mit der Steuer bezweckten Entzug von Gütern und Diensten aus dem privaten Sektor sowie etwaige Abweichungen vom sonst möglichen Handelsoptimum und Produktionsmaximum, auf die es in dieser Studie besonders ankommt. Da dann eine Verletzung der soge- nannten ,, Welfare-Bedingungen" vorliegt, soll dieser zweite Aspekt der güter- wirtschaftlichen Wirkung als „Welfare-Wirkung" bezeichnet werden. Daß monetäre Wirkungen weitere Folgen haben, die wiederum die güterwirtschaft- lichen Beziehungen zwischen den Wirtschaftssubjekten beeinflussen können, wird hier nur am Rande berücksichtigt. Im allgemeinen wird vorausgesetzt, daß die wirtschaftspolitischen Instanzen eine Stabilisierung des Wirtschafts- prozesses im Zeitablauf anstreben und herbeiführen, und die monetären Wir- kungen interessieren deshalb vor allem nur insoweit, als dadurch die Stabi- lisierungspolitik erleichtert oder erschwert werden könnte.

Wenn Außenhandel mit Gütern und Faktorbewegungen in die Betrach- tung mit einbezogen wird, muß erneut geprüft werden, ob Änderungen des Preis- und Lohnniveaus nur monetäre und keine güterwirtschaftlichen Wir- kungen verursachen (vgl. Ziffer 423 und Ziffer 523). 226. Rein monetäre Wirkungen einer staatlichen Maßnahme (z.B. einer Steuer) beeinflussen in unserem Modell nicht das Handelsoptimum und das Produktionsmaximum. Sie mögen Anpassungsvorgänge auslösen, die jedoch schließlich wieder die vordem verwirklichten güterwirtschaftlichen Verhält- nisse einer Volkswirtschaft zustande kommen lassen. In diesem Sinne sind die monetären Wirkungen einmalig.

Die monetären Wirkungen einer Steuer werden nicht durch deren Exi- stenz, sondern durch ihre Einführung hervorgerufen. Dagegen haben güter- wirtschaftliche Wirkungen der Steuer die Eigenschaft, daß sie auf die Dauer erhalten bleiben.

Wird z. B. durch eine Steuer das Handelsoptimum nicht erreicht (Welfare-Wir- kung), so ergibt sich der daraus resultierende Wohlfahrtsverlust für die Konsumenten, solange diese Steuer überhaupt besteht. Die von der Steuer vielleicht ausgelöste Er- höhung des Preisniveaus ist demgegenüber ein einmaliger Vorgang.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 397

23. Wirkungen genereller proportionaler Steuern

231. Generelle proportionale Produktsteuern haben keine unmittelbaren Welfare-Wirkungen. Gleichviel, ob eine Einzelhandelsteuer oder eine Pro- duktionsteuer erhoben wird, bleiben die Preis- und Kostenrelationen sowohl für Konsumenten als auch für Produzenten unberührt. Das Kealeinkommen der Faktoren vermindert sich (güterwirtschaftliche Wirkung), und der reale Gegenwert der Steuererträge steht für die Auslandshilfe (Ziffer 216) zur Ver- fügung.

Eine generelle proportionale Produktsteuer muß dagegen monetäre Wir- kungen haben. In welchem Ausmaß diese bei einer Produktionsteuer ein- treten, hängt von der Flexibilität der Preise und Löhne und ferner davon ab, inwieweit die allgemeine staatliche Wirtschaftspolitik die Preisniveaustabili- sierung anstrebt und über Instrumente verfügt, sie zu verwirklichen. Bei elastischer Geld- und Kreditversorgung des Landes und relativer Starrheit der Löhne nach unten ist mit einer vollen Überwälzung der Steuer auf die Preise (das Preisniveau) der Endprodukte zu rechnen. Umgekehrt wird bei Flexibilität der Löhne auch nach unten und einer wirksamen Politik der Preis- niveaustabilisierung das Preisniveau kaum steigen. Dann sinken selbstver- ständlich die Lohnsätze, so daß die Produzenten die Steuer statt aus erhöhten Preisen nun auf Grund gesunkener Kosten bezahlen können. Dagegen führt eine Einzelhandelsteuer zu einer Erhöhung der Preise für Endprodukte beim Absatz an Konsumenten und Investoren, während die Preise im Bereich der vorgelagerten Produktions- und Handelsstufen steuerlich nicht belastet werden1.

Gleichviel, ob und inwieweit das Preisniveau steigt, immer enthalten die nominellen Produktpreise die auf sie entfallenden Steuerbeträge. Bei der Pro- duktionsteuer gilt dies für alle Güterpreise, bei der Einzelhandelsteuer nur für Preise von Endprodukten. Die Steuer treibt je nach ihrer Interpretation als Kauf- oder Verkaufsteuer einen Keil zwischen Faktorlöhne und Einkaufs- preise der Faktoren oder zwischen Grenzkosten und Verkaufspreise der Pro- duzenten von Endprodukten, ohne jedoch die für die Wirtschaftssubjekte entscheidenden Preisrelationen für Güter und Faktoren zu verändern.

Der Vorgang der Absorption der Steuer durch Preiserhöhungen oder Lohn- senkungen mag einige Zeit dauern, und während dieser Übergangszeit mögen auch vorübergehende Welfare-Wirkungen eintreten; für das gedanklich ableitbare Gleichgewicht gilt trotzdem die Aussage, daß keine Welfare-Wirkungen zu verzeich- nen sind.

232. Güterwirtschaftlich besteht eine vollständige Äquivalenz zwischen einer generellen proportionalen Produkt- und einer Faktorsteuer mit gleichem Steuersatz. Für die Produktionsteuer ist dies ohnehin evident, da diese so- wohl als Wertschöpfung- als auch als Faktorverwendungsteuer interpretiert werden kann. Für die Faktoren ist es irrelevant, ob bei gleichen nominellen Faktorlöhnen die nominellen Preise steigen, wie bei der Einzelhandel-2 und

1 Erzwänge man die Konstanz des Preisniveaus, so ergäbe sich auch hier eine Senkung der Lohn- und Einkommenssätze.

2 Die Einzelhandelsteuer ist bei nur einstufiger Produktion, wie sie dem

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

398 Hans Möller

möglicherweise auch bei der Produktionsteuer, oder ob bei gleichen nominel- len Güterpreisen die für Ausgaben verfügbaren Einkommensbeträge sinken, sei es, weil die nominellen Löhne wegen einer Produktionsteuer herabgedrückt werden, sei es, weil ein Teil der verdienten Löhne als Faktoreinsatzsteuer abgeführt werden muß.

Auch die monetären Unterschiede zwischen Produkt- und Faktorsteuern sind nicht prinzipieller Natur. Zwar wird bei einer Faktoreinsatzsteuer immer davon ausgegangen, daß sie nicht zu nominellen Änderungen der Güterpreise und verdienten Faktoreinkommen führe. Das hängt jedoch von der Einsicht der Faktoren ab. Versuchen sie, etwa gewerkschaftlich organisiert, die nach Steuerabzug verbleibenden Nominallöhne aufrechtzuerhalten, so kann es zu einer nominellen Erhöhung der verdienten Löhne kommen, die dann zwangs- läufig eine Erhöhung der Güterpreise mit sich bringt. Ob dies eintritt, hängt wiederum von der Flexibilität der Preise und Löhne sowie von den Zielsetzun- gen und dem Erfolg der staatlichen Wirtschaftspolitik ab.

233. Zwischen beiden Arten von generellen proportionalen Produktsteuern sowie zwischen diesen und einer generellen proportionalen Faktoreinsatz- steuer besteht bei gleichen Steuersätzen eine vollständige Kongruenz in bezug auf die güterwirtschaftlichen Wirkungen und eine weitgehende Parallelität in bezug auf monetäre Wirkungen.

Im übrigen ist auch der reale Steuerertrag und seine Zusammensetzung bei allen diesen Steuern bei gleichem Steuersatz gleich groß. Es ist gleich- gültig, ob mit einer Faktorsteuer das Volkseinkommen Y oder mit einer Pro- duktsteuer Verbrauch plus Investition (C -f- 1) belastet wird, da in der ge- schlossenen Volkswirtschaft Y = C + I ist. In unserem Modell bewirkt die Steuer, daß ein Teil des realen Sozialprodukts, der dem Steuersatz, angewandt auf das Volkseinkommen, entspricht, für die Auslandshilfe verfügbar wird und daß Handelsoptimum und Produktionsmaximum bei gleichbleibenden Preis-, Lohn- und Kostenrelationen erhalten bleiben.

24. Wirkungen spezieller Steuern

241. Im Gegensatz zu generellen proportionalen Produktsteuern haben spe- zielle Produktsteuern Welfare-Wirkungen, die es nunmehr zu untersuchen gilt. Werden im Land A nur die Äpfel besteuert, so kann die Austauschrela- tion zwischen Äpfeln und Tuchen für die Konsumenten nicht mehr mit dem Transformationsverhältnis übereinstimmen, und infolgedessen kann das Pro- duktionsmaximum nicht verwirklicht werden. Die Anpassung der Produk- tion an die Konsumentenwünsche wird gestört.

In A liegt bei einer Äpfelproduktionsteuer der reale Apfelpreis in Tuch- einheiten nunmehr um die Steuer über den realen Grenzkosten der Apfelpro- duktion.

Modell zugrunde liegt, ohnehin mit der Produktionsteuer (als Verkaufsteuer inter* pretiert) identisch.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 399

Tabelle 3

Ergebnisse bei

Volkswirtschaftliche Größen ~

T~7TT genereller Apfelsteuer

Produktsteuer

Ãpfelproduktion und Konsum (priv.) Qi Qi - A Qi

Tuchproduktion und Konsum (priv.) Q2 Q2 + A Q2

Reale Grenzkosten für Äpfel ^ Kt - A Kx

Realer Konsumentenpreis für Äpfel1 K! K! - A Kx +T

Reale Grenzkosten für Tuch -==r- -^=? r==r- iVi Kx - A -Im

1 T = Steuerbetrag pro Produkteinheit

Der reale Konsumentenpreis für Äpfel kann nach erfolgten Anpassungen entweder wieder Kx betragen (wenn A Ka = T) oder er kann auf E^ -j- T steigen (wenn A Kx = 0). Der zweite Fall kann in einer nur aus zwei Waren bestehenden Volkswirtschaft ausgeschaltet werden, denn er impliziert kon- stante reale Grenzkosten, also die Möglichkeit, mit Kx sowohl die Äpfelmen- gen Qx - A Qi als auch Qx zu produzieren. Hier gilt also A Kx > 0. Die Alternative AKj= T setzt voraus, daß die Nachfrager die geringere Menge Qj - A Qi und die höhere Menge Qx zu einem gleichbleibenden Preis abneh- men, was bei nur zwei Gütern ebenfalls nicht in Betracht kommt.

Der neue reale Konsumentenpreis für Äpfel liegt also zwischen Kx und Kx -f- T, und zwar je nach den Produktions- und Nachfragebedingungen näher an der Unter- oder Obergrenze. Die reale Verminderung der Grenz- kosten der Apfelproduktion um A Kx bedeutet eine reale Erhöhung der Grenzkosten der Tucherzeugung. Gleichwohl ist für die Konsumenten der reale Tuchpreis durch die Apfelsteuer künstlich unter die realen Grenzkosten

der Tuchproduktion herabgedrückt (da - - - < - - ), so K-L - A Kx -f- T Kx - A Kx

daß ein Produktionsmaximum nicht besteht.

242. Mit der Verschiebung der Grenzkostenrelation für Äpfel und Tuche ändern sich auch die Lohnsätze für die Produktionsfaktoren. Da die Apfel- produktion zurückgeht, wird der Boden weniger knapp, und sein physisches Grenzprodukt fällt sowohl in der Apfel- als auch in der Tuchproduktion. Um- gekehrt wird Arbeit knapper, so daß deren Grenzprodukt in beiden Branchen zunimmt. Die realen Lohnsätze der Arbeit steigen, und die der Bodenleistun- gen fallen (vgl. Tabelle 4).

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

400 Hans Möller

Tabelle 4

Ergebnisse bei Volkswirtschaftliche Größen ~

T~7T1 genereller Apfelsteuer Steuer

Grenzprod. der Arbeit in Apfelprod. qn qn + A Qn Grenzprod. des Bodens in Apfelprod. q21 q2i - A <Ì2i Grenzprod. der Arbeit in Tuchprod. q12 qi2 + A Pii 2 Grenzprod. des Bodens in Tuchprod. q22 q22 - A ^22 Reale Grenzkosten des Apfels in Tuchen Kx Kx - A Ki

Grenzkosten des Tuches ■==- - Kx iVi - A *m

Realer Lohnsatz der Arbeit in Tuchen q12 = Kx . qn q12 + A Pii 2 = (Kt - A K,)

. (qn + A qn) Realer Lohnsatz des Bodens in Tuchen q22 = K^ . q21 q22 - A CU2 =

(K, - A K,) • (q2i - A 21)

243. Handelt es sich um eine Volkswirtschaft mit vielen Produkten und wird die spezielle Produktsteuer auf ein Gut gelegt, dessen volkswirtschaftliche Bedeutung sehr gering ist, so kann das Niveau der übrigen Güterpreise als konstant bleibend gedacht werden. Der Preis des besteuerten Produktes steigt dann um einen Betrag, der um so mehr hinter der Steuerbelastung zurückbleibt, je elastischer die Nach- frage nach diesem Gut und je unelastischer das Angebot ist.

Werden bei der Produktion dieses Erzeugnisses keine spezifischen Produktions- faktoren verwendet, die in anderen Branchen schwer beschäftigt werden können, so sind die Änderungen der Lohnsätze für die Produktionsfaktoren so gering, daß sie vernachlässigt werden können.

244. Spezielle Faktorsteuern haben gleichartige Weif are-Wirkungen wie spe- zielle Produktsteuern und verhindern ebenfalls das Produktionsmaximum. Für eine Faktorverwendungsteuer auf Äpfelproduzenten ist dies wegen ihrer Identität mit der Äpfelverkaufsteuer evident. Eine entsprechende Faktor- einsatzsteuer auf Arbeit und Boden in der Äpfelproduktion allein muß dann offenbar die gleiche Wirkung haben. Sie vermindert das Faktorangebot für die Äpfelproduktion und erhöht es in der Tuchproduktion, bis die verdienten Nominallöhne in der Äpfelproduktion so weit gestiegen und in der Tuchpro- duktion so weit gefallen sind, daß die Nominallöhne nach Steuerabzug für beide Branchen übereinstimmen. Das, was die Äpfelproduzenten bei einer Äpfelproduktionsteuer an den Staat abzuführen haben, müssen sie nun in Form von (verglichen mit der Tuchproduktion) höheren Nominaleinkommen für die Faktoren aufwenden, die den Betrag ihrerseits als Faktoreinsatzsteuer an den Staat zahlen. Dagegen hätte eine spezielle proportionale Steuer auf Arbeitseinkommen in unserem Modell keine Wirkung, weil das Arbeitsangebot als starr angenommen ist und die Wahl der Arbeiter zwischen Äpfel- und Tuch-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 401

Produktion nicht beeinflußt würde. Bei einer Differenzierung der Steuersätze nach Branchen ergäben sich dagegen die vorstehend abgeleiteten Wirkungen. 245. Die monetären Wirkungen einer speziellen Apfelsteuer in dem analy- sierten Modell unterscheiden sich nicht prinzipiell, sondern nur in ihrer Inten- sität von den Wirkungen einer generellen Produktsteuer mit ungefähr glei- chem Steuerertrag. Das ist deshalb zu erwarten, weil es sich hier um eine Volkswirtschaft mit nur zwei Waren handelt und die Apfelsteuer etwa die Hälfte des Sozialproduktes mit einem etwa doppelt so hohen Satz1 wie die generelle Steuer trifft.

Ist die Lohn- und Preisflexibilität nach oben und unten groß, so können sich die Anpassungen ohne große Änderungen des Lohnniveaus vollziehen, da sich die nominellen und realen Lohnanpassungen entweder für die beiden Branchen (vor allem bei der Faktoreinsatzsteuer) oder für Arbeits- und Bodenleistungen (vor allem bei der Produktionsteuer) in entgegengesetzten Richtungen vollziehen. Die Belastung der Apfelbranche führt zu einer Er- höhung des realen und nominellen Tuchpreises und - wegen der Apfelsteuer - auch zu einer Erhöhung des Apfelpreises.

In einer Volkswirtschaft mit vielen Gütern würde eine spezielle Steuer auf eines der Güter allein um so geringere monetäre Wirkungen auslösen, je kleiner der Anteil dieses Gutes am Sozialprodukt und je niedriger der Steuer- satz ist. 246. Makroökonomisch betrachtet, läßt sich ohne Schwierigkeiten eine spezielle Steuer konstruieren, die denselben nominellen Steuerertrag mit etwa gleichem Realwert wie eine generelle proportionale Steuer erbringt. Während jedoch die generelle proportionale Steuer von allen ziemlich gleichmäßig ge- tragen wird, bewirkt eine spezielle Steuer eine ganz andersartige Verteilung der Steuerlast. Die disponiblen Einkommen der Arbeiter nehmen im Falle der Apfelsteuer zu, und die der Bodenbesitzer nehmen ab. Damit verändert sich auch die Nachfragestruktur. Im übrigen werden alle diejenigen stärker von der Steuer betroffen, die eine besondere Vorliebe für Äpfel haben.

25. Zur Frage der Steuerüberwälzung 251. In der öffentlichen Diskussion über die Wirkungen der steuerlichen Behandlung des Warenverkehrs an der Grenze spielt häufig das Argument eine Rolle, daß gewisse Steuern überwälzt würden, während dies bei anderen Steuern nicht möglich sei. Da die Frage der Steuerüberwälzung in der Wissen- schaft unter sehr verschiedenen Aspekten und nicht immer mit einheitlicher Terminologie erörtert wird, soll dieser Begriff hier ganz vermieden werden. Es ist wichtig, folgende Tatbestände sorgfältig auseinanderzuhalten: 1. Unter bestimmten Bedingungen verursachen bestimmte Steuern bei ihrer

Einführung eine Veränderung des Preis- und Lohnniveaus, und zwar in der 1 Für den Vergleich zwischen einer generellen gleichmäßigen Produktsteuer

und einer speziellen Apfelsteuer muß deren Satz etwa als doppelt so hoch angenom- men werden, weil sonst die gesamten Steuererträge nicht ausreichen würden, um die Auslandshilfe zu finanzieren.

26 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 3

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

402 Hans Möller

Eegei eine Erhöhung des Preisniveaus (Ziffer 231 und 245) oder eine Ver- minderung des Lohnniveaus (Ziffer 231) und in gewissen Situationen eine Erhöhung des Preis- und des Lohnniveaus (Ziffer 232).

2. Bestimmte Steuern verursachen ganz unabhängig von 1. eine Veränderung der Preis- und Lohnrelationen (§ 24).

3. Produktsteuern lassen sich dem Produkt eindeutig zurechnen, so daß man sagen kann, sie seien entsprechend ihrem Steuersatz im nominellen Preis des Produktes enthalten.

4. Bei Faktor einsatzsteuern ist eine Aussage, daß sie in einem bestimmten Prozentsatz in den Preisen der Produkte enthalten seien, nur dann mög- lich, wenn für die betreffende Steuer eine kongruente Produktsteuer (mit den gleichen Wirkungen) gedanklich substituiert werden kann. Das ist nur für generelle proportionale Steuern auf Produktionsfaktoren (Ziffer 233) und für auf Produzenten bestimmter Produkte spezialisierte Faktoreinsatz- steuern (Ziffer 244) vollziehbar. In allen übrigen Fällen läßt sich weder für gleiche noch für unterschiedliche Produkte sagen, wieviel Steuern in ihren Preisen enthalten sind, weil dies von Produzent zu Produzent wechselt. Trotzdem wirken sich solche Steuern, allerdings in unterschiedlichem Aus- maß, auf die nominellen und realen Preise der mit den Produktionsfakto- ren in den einzelnen Unternehmen erzeugten Güter aus.

252. Bei den monetären Steuerwirkungen auf Preise und Löhne ist im übri- gen zu beachten, daß wesentliche Unterschiede zwischen stationären und wachsenden Volkswirtschaften bestehen. Bei der heute gegebenen Starrheit der Preise und Löhne nach unten läßt sich für stationäre Wirtschaften nur sehr schwer vorstellen, daß monetäre Wirkungen nicht in einer Erhöhung der Preise und Löhne bestehen. In der wachsenden Wirtschaft müssen dagegen wegen der zunehmenden Ergiebigkeit der Produktion entweder die Lohnsätze für die Produktionsfaktoren steigen (bei konstantem Preisniveau) oder die Güterpreise müssen sinken (bei konstantem Lohnniveau). Die neu auferlegte Steuerbelastung kann dann dadurch absorbiert werden, daß Preissenkungen oder Lohnerhöhungen geringer bleiben als im Falle ohne Steuer.

3. Wirkungen internationaler Wirtschaftsbeziehungen (ohne Steuern)

31. Das Modell

Um die ökonomischen Wirkungen des internationalen Handels zu de- monstrieren, führen wir neben Land A noch ein zweites Land B ein. Dieses möge sich von Land A (mit je 200 Einheiten von Arbeit und Boden) vor allem dadurch unterscheiden, daß die doppelte Arbeitsmenge bei gleicher Boden- menge verfügbar ist. Die technischen Produktionsbedingungen seien in beiden Ländern gleich. Von Transportkosten und anderen Handelshemmnissen wird zur Vereinfachung in der Regel vollständig abgesehen.

Ausgangslage ist der Zustand beider Länder vor Eröffnung des inter- nationalen Handels. Beide Länder sind in der Ausgangslage also Selbstver-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 403

sorger. Das volkswirtschaftliche Gleichgewicht in jedem der beiden Länder ist offenbar durch die technischen Produktionsmöglichkeiten, die Konsumen- tenwünsche nach Äpfeln und Tuchen sowie durch die vorhandene Ausstattung mit Produktionsfaktoren bestimmt (vgl. Ziffer 221-224). Im Gleichgewicht ohne internationalen Handel betragen in B der Preis für Äpfel 2 ß, der für Tuch 1 ,76 ß, wobei ß dieWährungseinheit des Landes B bezeichnet. Im Land A werden dagegen Äpfel zu einem Preis von 1 a produziert, während die Tuche 1,2 a kosten, wobei a die Währung des Landes A ist. Vergleicht man die rela- tiven Preise in A und B, so ergibt sich, daß in A für 1 Tuch 1,2 Äpfel, in B dagegen nur 0,88 Äpfel erhältlich sind. In B sind Äpfel relativ wertvoller und Tuche relativ billiger als in A, weil B mit sehr viel mehr Arbeit ausgestattet ist und Arbeit insbesondere in der Tuchproduktion Verwendung findet.

32. Das Handelsoptimum

Da die Wirtschaftssubjekte in A bereit sind, für eine Einheit Tuch maxi- mal 1,2 Äpfel herzugeben, während die Wirtschaftssubjekte in B schon zu- frieden wären, wenn sie mehr als 0,88 Äpfel für eine Einheit Tuch erhielten, würde die Öffnung der Landesgrenzen für den internationalen Handel sofort zu einem Güteraustausch zwischen A und B führen. A würde an B Äpfel lie- fern, und B würde an A Tuche verkaufen. Ein solcher Handel wäre schon dann vorteilhaft, wenn die Produktion von Äpfeln und Tuchen in A und B unverändert bliebe. Die Wirtschaftssubjekte in A würden auf so viel Äpfel verzichten und dafür so viel Tuch eintauschen, bis die Preisrelation in A mit der Preisrelation in B übereinstimmt. Durch die Ausfuhr von Äpfeln würde der Grenzwert der Äpfel in A steigen, während der Grenzwert der Tuche in A durch die Importe sinkt. Umgekehrt würde in B der Grenzwert für Tuche zunehmen, weil diese durch den Export knapper werden, und der Grenzwert der Äpfel würde abnehmen, da diese durch die Einfuhr reichlicher werden. Der internationale Handel bewirkt also eine Angleichung der Preisrelationen (Handelsoptimum), wobei die Wohlfahrt in beiden Ländern steigt, weil die vorher besonders knappen Güter nunmehr in verhältnismäßig größerer Menge zur Verfügung stehen.

33. Das Produktionsmaximum ohne Faktorbewegungen

Tatsächlich bleibt die Produktion von Äpfeln und Tuchen in A und B jedoch nicht unverändert. Der internationale Handel führt nämlich gleich- zeitig zu einer Anpassung der Produktion an die neuen Preisrelationen, die durch diese Produktionsanpassung wiederum mit beeinflußt werden. Das Land A wird, da dort reichlich Boden vorhanden, die Arbeit aber knapp ist, mehr Äpfel produzieren und stattdessen die Produktion von Tuchen ein- schränken. Das Land B wird sich umgekehrt mehr auf die Produktion von Tuchen spezialisieren, die es auf Grund seiner Ausstattung mit Produktions- faktoren besser erzeugen kann als Äpfel. Der internationale Handel hat also nicht nur zur Folge, daß die Wohlfahrt steigt, weil vorhandene Gütermengen besser zwischen den Wirtschaftssubjekten beider Länder verteilt werden, son-

26*

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

404 Hans Möller

dem darüber hinaus den Vorteil, daß die vorhandenen Produktionsfaktoren in beiden Ländern zusammengenommen für die Produktion zweckmäßiger eingesetzt werden können, so daß für beide Länder zusammen insgesamt mehr Äpfel und mehr Tuche erzeugt werden können als vor Eröffnung des inter- nationalen Handels. Mit der Produktionsumstellung ist zugleich eine Ände- rung der Preise für die Produktionsfaktoren verbunden. War die Entlohnung der Arbeitsleistung in A vor Eröffnung des internationalen Handels wesent- lich höher als die Entlohnung der Bodenleistung, so führt der internationale Handel zu einer Angleichung der Lohnsätze für die Leistungen beider Pro- duktionsfaktoren. Die gleiche Bewegung vollzieht sich in B, wo in der Aus- gangslage die Bodenleistung einen relativ höheren Preis als die Arbeitslei- stung hatte, weil das Land B mit Arbeit reichlicher ausgestattet ist.

34. Zahlungsbilanz und Wechselkurs ohne Faktorbewegungen

341. Der Gleichgewichtszustand für beide Länder A und B und damit zu- gleich auch für unsere gesamte Weltwirtschaft erfordert, bei Unbeweglichkeit der Faktoren (auch des Kapitals) von Land zu Land, daß die Handelsbilanz jedes der beiden Länder auf die Dauer ausgeglichen ist. Kommt im Gleich- gewicht die Preisrelation von Äpfeln zu Tuchen in Höhe von 1 : 1 in beiden Ländern zustande und betragen die Preise für Äpfel in Land Ala und in Land B 2/?, so muß offenbar der Wechselkurs in A, also der Preis einer ß-Ein- heit, 0,50 oc betragen.

Der Wechselkurs für A in Höhe von 1/2 ist dann der Gleichgewichtswech- selkurs, der Einfuhren und Ausfuhren für beide Länder ins Gleichgewicht bringt und zugleich denjenigen Umrechnungsschlüssel darstellt, durch den die nominellen Preise für Äpfel in beiden Ländern gleich hoch werden (was erforderlich ist, wenn Transportkosten nicht anfallen). Entsprechendes gilt selbstverständlich für die Preise von Tuchen, da die Preisrelation in beiden Ländern übereinstimmt.

Damit sich der Gleichgewichtswechselkurs im internationalen Handel bildet, muß der Wechselkurs keineswegs flexibel gehalten werden. Unter- stellen wir beispielsweise, daß schon vor Eröffnung des Handels der Wechsel- kurs in A in Höhe von 1/z festgelegt worden wäre. Bei Öffnung der Grenzen wären dann in A importierte Äpfel und Tuche wesentlich preiswerter als Äpfel und Tuche aus der eigenen Produktion. Als Folge würden sich ein Zah- lungsbilanzdefizit für A und ein Zahlungsbilanzüberschuß für B ergeben. Die damit verbundene Expansion der Wirtschaft in B und die Stagnation und Kontraktion der Wirtschaft in A müßten dann sehr bald zu einer nominellen Erhöhung der Preise und Löhne in B und zu einer nominellen Senkung der Preise und Löhne in A führen, bis schließlich der festgesetzte Wechselkurs von x/8 zum Gleichgewichtswechselkurs geworden ist. Solche Anpassungen sind für wachsende Volkswirtschaften sehr viel leichter vorstellbar als für statio- näre Wirtschaften (vgl. Ziffer 252).

Entscheidend für den internationalen Handel, den mit dem Handels- optimum und dem Produktionsmaximum erzielbaren Wohlfahrtsgewinn und die dazu erforderlichen güterwirtschaftlichen Änderungen sind die realen

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 405

Preise (also die Preisrelationen). Nur wenn diese ohne Handel in beiden Län- dern verschieden wären, entsteht ein andauernder internationaler Warenver- kehr1. Dieser führt zu einer Angleichung der Preisrelationen, gleichviel, ob das Zahlungsbilanzgleichgewicht dadurch zustande kommt, daß sich der Wechselkurs an die Preis- und Lohnniveaus der Länder oder diese sich an jenen anpassen. 342. Bei fixierten Wechselkursen und starren Preisen und Löhnen mag es länger dauern, bis das außenwirtschaftliche Gleichgewicht hergestellt werden kann. Sollte sich selbst als Folge eines nicht im Gleichgewicht befindlichen Wechselkurses in den beteiligten Ländern keine Angleichung der Preis- und Lohnniveaus an die fixierten Paritäten ergeben, so bleibt offenbar nur der Ausweg der Paritätsänderung.

Solange kein Gleichgewicht besteht, ist in unserem Modell ein Land im internationalen Handel begünstigt. Diese Begünstigung betrifft alle Bran- chen und unterscheidet sich also von der Begünstigung nur einer Branche infolge von relativen Kostenvorteilen. Denn die relative Begünstigung nur eines Sektors impliziert eine relative Benachteiligung zumindest eines (in unserem Fall „des") anderen Sektors. Der Begünstigung eines Landes für eines der Produkte entspricht eine Begünstigung des anderen Landes für das zweite Produkt. Da sich der Handel aber in erster Linie an den absoluten Geldpreisen orientiert, hat ein für längere Zeit nicht im Gleichgewicht befind- licher Wechselkurs zur Folge, daß die relativen Kostennachteile des Landes mit unterbewerteter Währung überlagert werden und sich nicht auswirken können; analog gilt, daß der Wettbewerbsvorsprung der begünstigten Sekto- ren künstlich vergrößert wird. Für das Land mit überbewerteter Währung liegen die Dinge umgekehrt. Relative Kostenvorteile kommen nicht zum Zuge, und relative Kostennachteile werden künstlich verstärkt. 343. Aus den vorstehenden Überlegungen folgt unmittelbar, daß Änderun- gen des Gleichgewichts Wechselkurses nicht als güterwirtschaftliche, sondern als monetäre Wirkungen anzusehen sind, während Abweichungen vom Gleichgewichts Wechselkurs auch Welfare-Konsequenzen haben.

35. Faktorbewegungen 351. Die übliche Annahme, daß die Faktoren von Land zu Land unbeweg- lich seien, ermöglicht eine übersichtliche Modellanalyse. Angesichts der zu- nehmenden empirischen Bedeutung von Faktorbewegungen müssen diese aber ebenfalls in die Untersuchung einbezogen werden. In der Regel wird für ökonomische Überlegungen unterstellt, daß der Einsatzort der Faktorleistung und der Wohnsitz ihres Anbieters zusammenfallen. Eine Wohnorts Verlegung bedeutet dann dieselbe Verlegung des Einsatzortes der Faktorleistung. Dieser Vorgang wird als „Wanderung" bezeichnet. Bei Wanderungen in diesem Sinne

1 Würde vor Zulassung des Handels die Preisrelation in A und B übereinstim- men und lediglich kein Gleichgewichtswechselkurs fixiert sein, so würden sich zwar auch die oben behandelten Güterbewegungen und monetären Anpassungen ergeben. Nach Erreichung des Gleichgewichts würde dann jedoch kein Handel mehr statt- finden.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

406 Hans Möller

verlagert sich sowohl ,, Wertschöpfungskapazität" als auch ,, Verbrauchs- (und Investitions-)kapazität" von einem Land ins andere.

Die Erfahrung lehrt, daß Wohnsitz des Trägers der Faktorleistung und deren Einsatzort nicht übereinzustimmen brauchen. Besonders deutlich und auch empirisch besonders wichtig ist dies für Kapitalbesitzer, deren Kapital sehr häufig weitab von ihrem Wohnsitz arbeitet. Auch Bodenbesitzer sind nach Verpachtung ihres Bodens frei, ihren Wohnsitz in großer Entfernung von ihrem Grund und Boden zu wählen, und sie haben das insbesondere früher häufig genug getan. Beim Anbieter von Arbeit ist man dagegen eher geneigt, das Zusammenfallen von Wohnsitz und Einsatzort ihrer Leistung als normal zu unterstellen. Denkt man an die Massen von un- oder angelernten Fabrik- arbeitern, so war und ist das sicherlich zutreffend. Für spezielle Arbeitskate- gorien war jedoch auch früher schon ein zumindest zeitweiliges Auseinander- fallen von Wohnsitz und Einsatzort üblich (Handwerkerwanderung), das heute mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hat. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Integration, aber auch aus anderen Gründen, wird man mit einer Verstärkung dieser Tendenzen rechnen müssen. 352. Im folgenden soll jede Wohnsitz Verlegung von einem Land ins andere als Wanderung bezeichnet werden. Dabei ist es gleichgültig, ob der Einsatzort der Faktorleistung mit oder woandershin verlegt wird oder gar unverändert bleibt. Wählt ein Wirtschaftssubjekt Wohnsitz und Einsatzort seiner Faktor- leistung in verschiedenen Ländern, so liegt ein Außenhandel mit Faktor- leistungen vor, wobei das Wohnsitzland das leistungexportierende Land ist. Hat also der Eigentümer eines Grundstücks im Land B seinen Wohnsitz in Land A, so liegt ein Faktorleistungsexport von A nach B vor. Wanderungen und Außenhandel mit Faktorleistungen zusammen werden als Faktorbewe- gungen bezeichnet.

Vereinfachend wird angenommen, daß bei Außenhandel mit Faktorlei- stungen das Faktoreinkommen am Einsatzort verdient und am Wohnsitz verausgabt wird. Der Außenhandel mit Faktorleistungen impliziert demnach, daß Faktoreinkommen von einem Land an das andere überwiesen werden. In der Zahlungsbilanz wird deshalb neben der Waren(handels)bilanz eine Faktorbilanz unterschieden1.

In diesem ZnHaTYiTYiP.TiTifl.Tig ergibt sich die Besonderheit, daß der Außen- handel mit Kapitalleistungen nicht nur wie bei Arbeits- und Bodenleistungen den Transfer des Faktoreinkommens selbst mit sich bringt, sondern darüber hinaus auch die internationale Umverteilung eines vorhandenen Kapital- bestandes erforderlich machen kann, deren Einfluß auf die Zahlungsbilanz von weit größerer Bedeutung sein mag als die des Transfers der Faktorein- kommen selbst. Nicht jede internationale Kapitalbewegung erfolgt mittels einer solchen Bestandsverschiebung. Ein Exportüberschuß in Gütern und Faktorleistungen kann ebenfalls eine Verbindlichkeit von Ausländern gegen- über Inländern begründen.

1 Wann eine z. B. nur kurzfristige Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland und damit eine Wanderung (mit darauffolgender Rückwanderung) angenommen wird, bleibt immer eine willkürliche Konvention.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 407

Weiter werden die in einem Land vorhandenen Produktionswirtschaften gedanklich institutionalisiert und als Wirtschaftseinheiten in diesem Land betrachtet, selbst wenn in ihnen vom Unternehmer bis zum letzten Arbeiter nur Ausländer beschäftigt sind. Im Inland als Selbständige tätige Ausländer bilden ebenfalls eine inländische Produktionswirtschaft. Gleichwohl werden solche Produktionswirtschaften nicht als Träger von Faktorleistungen ange- sehen, die etwa ein selbständiges Einkommen erzielen könnten. 353. Die Gründe, die ein Wirtschaftssubjekt veranlassen, den Einsatzort seiner Faktorleistung in einem anderen Land zu wählen, mögen zahlreich und verschiedenartig sein. In der Eegel wird aber unter diesen Gründen eine Rolle spielen, daß im Ausland ein höheres Faktoreinkommen erzielt werden kann. Verglichen wird in diesem Fall das nominelle Einkommen im In- und Ausland (dieses über den Wechselkurs in inländische Währung umgerechnet). Da das Einkommen in jedem Fall im Inland verausgabt wird, spielen die Güterpreise für einen solchen Vergleich keine Rolle1.

Die so ermittelte Einkommensdifferenz muß offenbar größer sein als die Translokationskosten für den Einsatz der Faktorleistung im Ausland und das Wirtschaftssubjekt auch für die sonstigen Nachteile einer Trennung von Wohnsitz und Einsatzort der Faktorleistung entschädigen. Beim Kapital- besitzer sind die Translokationskosten und auch die sonstigen Nachteile sehr gering, so daß schon relativ kleine Einkommensdifferenzen genügen können, um einen Außenhandel mit Kapitalleistungen auszulösen. Bei normalen Arbeitsleistungen ist zunächst an die Pendelwanderung zu denken, die dank der Verminderung der Transportkosten immer größere Entfernungen über- brückt und an den Landesgrenzen eine große Rolle spielen kann. Die Begriffe Tages-, Wochen-, Monats- und Saisonpendler zeigen, daß auch längere Ab- wesenheit vom Wohnsitz hingenommen wird, was wiederum auch mit der Ver- besserung der Verkehrsverbindungen (z.B. Auto, Telefon) zusammenhängt. Weit unabhängiger in bezug auf einen Außenhandel mit Faktorleistungen sind Anbieter von besonders qualifizierter Arbeit, und zwar vor allem dann, wenn es sich um Dienste selbständiger Erwerbstätiger handelt. Da diese Kate- gorie von Leistungen ständig wächst, wird auch der Außenhandel mit solchen Leistungen zunehmen.

Eine besondere Arbeitsart ist die Unternehmerleistung. In unserem Modell stellt sich z.B. der Export von Unternehmerleistungen in der Form dar, daß Unternehmer mit Wohnsitz im Inland an die Spitze einer im Ausland gelegenen Produktionswirtschaft treten, die sie vielleicht als Zweigunterneh- men errichtet haben. 354. Der Außenhandel mit Faktorleistungen ist heute mehr und mehr teil- weise eine Vorbereitung, teilweise ein Ersatz von Wanderungen. Das erste er- leichtert Wanderungen, das zweite macht sie überflüssig. Ob Wanderungen auf die Dauer zu- oder abnehmen werden, ist schwer zu prognostizieren. Zwei

1 Bei vielen Arten von Faktorbewegungen wird ein mehr oder weniger großer Teil des im Ausland verdienten Einkommens auch im Ausland ausgegeben. Dies wäre bei den hier zugrunde gelegten Definitionen als (durch Faktorbewegungen induzierter) Export des Auslandes anzusehen.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

408 Hans Möller

Formen von Wanderungen scheinen sich stärker zu verbreiten: die vorüber- gehende Wanderung für ein bis drei Jahre und die Errichtung mehrerer Wohn- sitze, die in unserem Modell nicht beachtet wird, weil ihre Einbeziehung in die Analyse zu viele Komplikationen hervorrufen würde.

Die individuelle Entscheidung zur Wanderung kann zugleich die Ent- scheidung über Faktoraußenhandel bedeuten, wenn der Einsatzort der Fak- torleistung nicht zusammen mit dem Wohnsitz verlegt wird (etwa unverändert bleibt). Für eine solche Entscheidung wird das Wirtschaftssubjekt die allge- meinen Lebensverhältnisse an den zur Wahl stehenden Wohnsitzen vergleichen, wobei das Faktoreinkommen am bisherigen Einsatzort als bekannt voraus- gesetzt werden kann. Für diese Dispositionen spielt der Realwert des Geldes, also das Preisniveau, an den verschiedenen Wohnsitzen eine Rolle, ferner selbstverständlich die immer anfallenden Translokationskosten für die Wohn- sitzverlegung und den Faktorexport.

Bei gleichzeitiger Entscheidung über die Verlegung von Wohnsitz und Einsatzort in ein anderes Land müssen die für die Verlegung des Einsatzorts und des Wohnsitzes erforderlichen Vergleiche kombiniert werden, wobei zu beachten ist, daß die Translokationskosten für den Faktorexport wegfallen.

36. Weltwirtschaftliches Gleichgewicht bei Faktorbewegungen 361. Der internationale Handel mit Gütern allein verändert die Produk- tionsstruktur derart, daß unter bestimmten - in der Wirklichkeit zwar nie erfüllten, aber immerhin denkbaren - Bedingungen eine völlige Überein- stimmung der Lohnsätze gleicher Faktoren im In- und Ausland verwirklicht wäre (Theorem vom Faktorpreisausgleich). Damit entfiele jeder Anreiz für einen Außenhandel mit Faktorleistungen, und Wanderungen würden nur Zu- standekommen, wenn ein Wirtschaftssubjekt die allgemeinen (nicht die wirt- schaftlichen) Lebensverhältnisse in einem anderen Land vorzöge.

Tatsächlich wird der internationale Handel mit Gütern aus vielerlei Gründen nur eine Angleichung und nie eine völlige Übereinstimmung der Faktorpreise bewirken, so daß, je nach der Mobilität der Faktoren, Faktor- bewegungen eine weitergehende Annäherung der Faktoreinkommen herbei- führen können, womit eine weitere Verbesserung des Produktionsergebnisses und eine Erhöhung der Wohlfahrt verbunden sind.

Obwohl Faktorbewegungen zweifellos heute schon eine beachtliche Rolle spielen und infolgedessen in unserer Betrachtung nicht einfach vernachlässigt werden können, muß man sich darüber im klaren sein, daß die Mobilität der Faktoren relativ gering ist. Dies gilt schon innerhalb eines Landes und in stärkerem Maße für Faktorbewegungen über die Landesgrenzen. 362. Die exakte Formulierung der Gleichgewichtsbedingungen für zwei Volkswirtschaften mit Güterhandel und Faktorbewegungen bereitet so große Schwierigkeiten, daß hier mit sehr vereinfachenden Zusammenhängen ge- arbeitet werden muß. Diese Schwierigkeiten ergeben sich vor allem aus der Tatsache, daß ein solches weltwirtschaftliches Gleichgewicht nur unter Be- rücksichtigung der Transportkosten sinnvoll abgeleitet werden kann. Für die Analyse der Steuerwirkungen bei Faktorbewegungen werden folgende An- nahmen gemacht:

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 409

a) Alle Güter werden international gehandelt, und ihre nominellen und realen Preise gleichen sich vollständig an, weil Transportkosten nach wie vor aus- geschaltet bleiben.

b) Die Preise der Produktionsfaktoren werden durch den internationalen Handel mit Gütern nicht in Übereinstimmung gebracht.

c) Bei voller Mobilität der Faktoren haben Faktorbewegungen die Wirkung, auch eine Übereinstimmung der Faktorpreise herbeizuführen. Diese von den wirklichen Verhältnissen stark abweichenden Modell-

annahmen erlauben, die bei Faktorbewegungen auftauchenden Probleme und Anpassungs Vorgänge besonders scharf herauszuarbeiten. Um zu wirklich- keitsnäheren Aussagen zu kommen, wird zuweilen von einer vollen Mobilität aller Faktoren abgesehen und ein unterschiedlicher Mobilitätsgrad der Fak- toren unterstellt. 363. Geht man von einem Gleichgewichtszustand der Länder A und B ohne Faktorbewegungen aus (Ziffer 32-34), bei dem noch Unterschiede zwischen den Faktoreinkommen bestanden, so führt die Öffnung der Grenze auch für Faktorbewegungen zu einem Außenhandel mit Faktorleistungen und zu Wanderungen. Dabei muß beachtet werden, daß in einem Land nie alle Fak- toreinkommen höher oder niedriger als im anderen Land sein können, weil sonst die Übereinstimmung der realen Preise beider Länder nicht möglich wäre. Die Faktorbewegungen verändern selbstverständlich auch die Produk- tionszusammensetzung in beiden Ländern und beeinflussen somit den Güter- handel.

Auf die Dauer muß die Zahlungsbilanz eines jeden Landes ausgeglichen sein. Diese besteht aus der Warenhandels-, Faktor-, Kapital- und Devisen- bilanz. Das Zahlungsbilanzgleichgewicht erfordert, daß die Devisenbilanz auf längere Sicht ausgeglichen ist, oder mit anderen Worten, daß die Salden der drei anderen Bilanzen zusammen Null ergeben.

4. Steuerwirklingen bei Außenhandel ohne Faktorbewegungen

41. Steuerliche Regelungen für den zwischenstaatlichen Handel

411. Finden keine Faktorbewegungen statt, so ergeben sich für Faktor- steuern keine Besonderheiten; Faktoreinsatzsteuern und die als Faktorver- wendungsteuer interpretierte Produktionsteuer erfassen die inländische Wert- schöpfung von Inländern. Dagegen ist bei den Produktsteuern bei internatio- nalem Warenverkehr die unterschiedliche Wirkung der Einzelhandelsteuer (mit den erforderlichen Ergänzungen) und der als Produktsteuer interpretier- ten Produktionsteuer zu beachten.

Die Einzelhandelsteuer (mit den erforderlichen Ergänzungen) erfaßt im Prinzip offensichtlich auch importierte Produkte, sie läßt dagegen exportierte Produkte steuerfrei. Für Direktimporte der inländischen Konsumenten und Investoren (und nur dieser) unter Umgehung des inländischen Einzelhandels müssen dann logischerweise ergänzende steuerliche Maßnahmen getroffen werden, wenn die Steuer eine generelle Produktsteuer bleiben und die direkte

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

410 Hans Möller

Einfuhr nicht künstlich gefördert werden soll. Dagegen belastet eine Produk- tionsteuer (als Verkaufsteuer interpretiert) den Absatz sowohl an Inländer als auch an Ausländer, während Importe steuerfrei bleiben. Jede andere steuerliche Regelung für Importe und Exporte läuft auf eine Diskriminierung zwischen In- und Ausländern, also auf Einfuhr- und Ausfuhrzölle, hinaus, die hier nicht zur Diskussion stehen.

Die Einzelhandelsteuer belastet somit Verbrauch und Investition der In- länder, während die Produktionsteuer die gesamte Produktion, und nur diese, erfaßt. Beides ist in der offenen Volkswirtschaft nicht notwendigerweise iden- tisch. Je nachdem, ob ein Ausfuhr- oder Einfuhrüberschuß vorliegt, ist die makroökonomische Steuerbemessungsgrundlage einer Produktionsteuer grö- ßer oder kleiner als die einer Einzelhandelsteuer. 412. Schon in der geschlossenen Volkswirtschaft bringt eine Kaufsteuer, insbesondere eine Einzelhandelsteuer, erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Diese nehmen noch beträchtlich zu, sobald Außenhandelsbeziehungen berück- sichtigt werden müssen. Da im Verkehr zwischen Inländern eine Einzelhan- del- und eine Produktionsteuer ohnehin die gleichen Vorgänge erfassen, bietet sich für die Besteuerung von Verbrauch und Investition die Produktionsteuer an, allerdings mit der Maßgabe, daß dann Einfuhren einer Ausgleichsteuer unterliegen müssen und Exporte von der Steuer zu befreien sind, was gegebe- nenfalls eine Rückvergütung der für die betreffenden Güter auf einer früheren Verarbeitungsstufe gezahlten Produktsteuern erfordert. Eine solche Regelung für den grenzüberschreitenden Warenverkehr wird als Anwendung des Be- stimmungsland-Prinzips (B-Prinzip) bezeichnet. Es erlaubt, die Eigenschaf- ten einer Verbrauchsbesteuerung mit den technischen Vorzügen einer Be- steuerung der Produzenten zu verbinden.

Analog spricht man von der Anwendung des Ursprungslandprinzips (U-Prinzip), wenn die Einfuhr nicht mit einer Steuer belegt und die Ausfuhr nicht entlastet wird. 413. Anwendung des B- oder U-Prinzips kann erstens einfach dasselbe be- deuten wie steuerliche Belastung von Verbrauch und Investition einerseits oder der Produktion andererseits. Dann wäre auch der Übergang zu einer Einzelhandelsteuer eine „Anwendung des B-Prinzipsi£, obwohl hier keine ge- sonderte steuerliche Belastung der Einfuhr und keine Entlastung der Aus- fuhr erforderlich wird1. Ebenso wäre dann eine reine Produktionsteuer ein Beispiel für die Anwendung des U-Prinzips.

Man kann zweitens vom B-Prinzip nur dann sprechen, wenn eine als Produzentensteuer konstruierte Steuer an der Grenze durch Ent- und Be- lastungen in eine Steuer auf Konsum und Investition verwandelt wird. Dann läge die Anwendung des U-Prinzips analog nur dann vor, wenn eine als Kauf- steuer konstruierte Steuer an der Grenze durch Be- und Entlastungen in eine Produktionsteuer verwandelt würde, was jedoch praktisch kaum vorkommt2.

1 Weil die Einfuhren in der Regel ebenfalls über den Einzelhandel verkauft werden und der Einzelhandel nicht unmittelbar exportiert. 2 Als zwar unrealistisches, aber anschauliches Beispiel kann man sich eine Kraftfahrzeug-,,Kaufsteuer" vorstellen, die einmalig bei der Zulassung von Kraft- fahrzeugen erhoben wird und dann durch eine Kraftfahrzeugexportsteuer der

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 411

Obwohl die Logik der Begriffsbildung für die zweite Alternative sprä- che, die die Besonderheit des B- und U-Prinzips im Vergleich zur Besteue- rung von Konsum und Investition (Verbrauchsbesteuerung) einerseits und zur Produktionsbesteuerung andererseits gerade zutreffend zum Ausdruck bringt, wird hier in Anlehnung an den Sprachgebrauch eine Kompromiß- lösung (für die Benutzung beider Begriffe) zugrunde gelegt. Unter Anwendung des B -Prinzips werden im Sinne der zweiten Alternative steuerliche Kegelun- gen für den internationalen Warenverkehr verstanden, die einer im Inland als Produktion- und Produzentensteuer konstruierten Steuer die Wirkung einer Verbrauchsbesteuerung verleihen. Als Anwendung des U-Prinzips gilt der Verzicht auf solche Kegelungen und damit auch die Besteuerung der Produk- tion mit Hilfe einer Produzentensteuer.

Bei dieser Terminologie sind nunmehr (bei Berücksichtigung des inter- nationalen Warenverkehrs) drei Fälle zu unterscheiden: Verbrauchsbesteuerung (= steuerliche Belastung auch der Einfuhr, aber

nicht der Ausfuhr): 1. Einzelhandelsteuer mit den erforderlichen Ergänzungen, 2. Produktionsteuer mit B-Prinzip (oder Anwendung des B-Prinzips schlecht-

hin); Produktionsbesteuerung (= steuerliche Belastung auch der Ausfuhr, aber

nicht der Einfuhr): 3. Produktionsteuer ohne B-Prinzip (oder Anwendung des U-Prinzips). 414. In der öffentlichen Diskussion wird häufig behauptet, daß bei Ein- kommensteuern automatisch das U-Prinzip gelte und das B-Prinzip aus tech- nischen Gründen keine Anwendung finden könne, und zwar wird gesagt, die exportierten Güter enthielten die Einkommensteuern, während die impor- tierten Güter nicht mit einer Ausgleichsteuer belastet würden. Diese Argu- mentation verkennt die grundsätzlich verschiedenartige Wirkungsweise von Steuern auf Produktionsfaktoren und solchen auf Produkte. Nur in den Fäl- len, in denen zu Steuern auf Produktionsfaktoren äquivalente Steuern auf Produkte gedanklich konstruiert werden können, läßt sich den Produkten auch bei Steuern auf die Produktionsfaktoren ein bestimmter Steuerbetrag zurechnen (Ziff. 233). Ist das dagegen nicht möglich, so ist der in den Produk- ten enthaltene Steuerbetrag nicht produktbestimmt, sondern er ist von Be- trieb zu Betrieb je nach dem Verhältnis, in dem die Produktionsfaktoren ein- gesetzt werden, verschieden. Eine gleichmäßige Belastung der Einfuhr und ebenso hohe Entlastung der Ausfuhr für Faktorsteuern würde dann eine wei- tere Abweichung von Handelsoptimum und Produktionsmaximum bewirken. 415. Im folgenden werden die Wirkungen des B- und U-Prinzips anhand unseres Modells erörtert. Güterwirtschaftliche Wirkungen implizieren in unse- rem weltwirtschaftlichen Modell eine wesentliche Verschiebung der Relationen zwischen den Güterpreisen, verbunden mit einer Veränderung der Produk- tions- und Verbrauchsmengen. Unterschiede in den für Konsumenten und Produzenten im In- und Ausland wirksamen Preisrelationen rufen Welfare-

Exporteure verbunden mit einer Steuerbefreiung für importierte Kraftfahrzeuge in eine Produktionsteuer „verwandelt" wird.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

412 Hans Möller

Wirkungen hervor, die ein Handelsoptimum und/oder Produktionsmaximum nicht zustande kommen lassen. Monetäre Wirkungen bedeuten in unserem Modell Veränderungen der Preisniveaus und damit verbunden auch Änderun- gen des Wechselkurses zwischen den Währungen von A und B.

Das Gleichgewicht der Weltwirtschaft, das hier vor allem betrachtet wird, erfordert eine ausgeglichene Zahlungsbilanz, die ohne Faktorbewegungen lediglich aus der Waren- und Devisenbilanz besteht. Da ein andauernder Zu- oder Abfluß von Währungsreserven nicht denkbar ist, muß die Devisenbilanz - und damit auch die Warenbilanz - auf lange Sicht ausgeglichen sein.

Stimmen Ein- und Ausfuhr überein, so ist die Wertschöpfung eines jeden Landes (das Volkseinkommen Y) gleich der Summe aus Verbrauch und In- vestition (C +1). Makroökonomisch gesehen ist also im Gleichgewicht die Steuerbemessungsgrundlage für B- und U-Prinzip dieselbe. Während der An- passungsprozesse mag jedoch durchaus ein Einfuhr- oder Ausfuhrüberschuß vorhanden sein. Die Anwendung des B-Prinzips erbringt bei einem Einfuhr- überschuß (Ex-Im < 0) einen höheren Steuerertrag als die Anwendung des U-Prinzips. Ist der erforderliche Steuerertrag fixiert, so können im Zuge der Anpassungsprozesse kassenmäßige Budgetüberschüsse oder -defizite entste- hen, deren Wirkungen auf das Tempo der Anpassung in Betracht zu ziehen sind.

Die Ausgangslage sei dadurch gekennzeichnet, daß sich ein außenwirt- schaftliches Gleichgewicht unserer Weltwirtschaft ohne Steuern herausgebil- det hat und nunmehr zunächst A mit der Erhebung von Produktsteuern be- ginnt und B folgt. Nachdem gezeigt worden ist, daß generelle proportionale Produktsteuern in der geschlossenen Volkswirtschaft weder das Handelsopti- mum noch das Produktmaximum stören, ist die Vermutung gerechtfertigt, daß auch bei außenwirtschaftlichen Beziehungen keine güterwirtschaftlichen Wirkungen zu erwarten sind. Dagegen sind monetäre Wirkungen möglich, und mit ihnen müssen wir uns eingehender befassen.

42. Güterwirtschaftlicke Wirkungen genereller proportionaler Produktsteuern

421 . Eine generelle proportionale Einzelhandelsteuer (und/oder Produktion- steuer) verändert die Preisrelationen (realen Preise) nicht; deren Unterschiede von Land zu Land bewirken die zwischenstaatlichen Güterströme und be- stimmen ihre Richtung und ihr Ausmaß so, daß die Realpreisunterschiede ver- schwinden. Generelle proportionale Produktsteuern in reiner Form haben keine Welfare-Wirkungen und sind also außenhandelsneutral. Dies gilt auch für Produktionsteuern bei Anwendung des B-Prinzips.

Betrachtet man die Weltwirtschaft aus A und B in ihrem Gleichgewicht, so gilt für beide Länder ein und dieselbe Preisrelation, bei der bestimmte Men- gen Äpfel von A nach B und bestimmte Mengen Tuch (mit gleichem Real- wert) von B nach A geliefert werden. In A werden weniger Äpfel und mehr Tuche konsumiert als produziert, und in B liegen die Dinge umgekehrt.

Schreibt man die Gleichgewichtsbedingungen für A in der Form

b?2 aK2 a^2

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 413

so erkennt man, daß eine generelle proportionale Verbrauchsbesteuerung (die auch die importierten Güter erfassen muß) Zähler und Nenner des letzten Gliedes um den gleichen Prozentsatz steigen läßt und dessen Wert nicht ver- ändert; bei einer Produktionsteuer (die auch die exportierten Waren erfaßt) erhöhen sich dagegen Zähler und Nenner des zweiten Gliedes um den gleichen Prozentsatz. Infolgedessen ist es für den internationalen Handel bei Unbe- weglichkeit der Produktionsfaktoren gleichgültig, ob in A eine Verbrauchs- oder eine Produktionsbesteuerung angewendet wird, sofern diese nur generell und proportional ist. Damit ist auch ohne Belang, welche Form der Produkt- steuer in B erhoben wird, und es spielt keine Kolle, wenn in einem der beiden Länder eine generelle proportionale Produktion-, im anderen dagegen eine entsprechende Steuer auf Konsum und Investition erhoben wird.

Die Produktionsteuer mit B-Prinzip unterscheidet sich in unserem Modell von der Einzelhandelsteuer nicht, weil die Produktion einstufig ist. Kommen dagegen Zwischenprodukte vor, so verändert eine Einzelhandelsteuer die Preise nur dann, wenn sie an den letzten Konsumenten oder Investor ver- kauft werden. Andernfalls bleiben die Preise der Zwischenprodukte unver- ändert, und in- und ausländische Zwischenprodukte konkurrieren ohne jeg- liche Steuerbelastung. Bei der Produktionsteuer werden alle in A erzeugten Zwischenprodukte gleichmäßig von der Steuer getroffen, so daß auch hier die Preisrelationen unberührt bleiben. Wird nun das B-Prinzip angewendet, so wird das gleiche Resultat in der Weise erzielt, daß alle in A gekauften End- und Zwischenprodukte gleichmäßig besteuert werden, während die Ausfuhr steuerfrei bleibt.

422. Daraus folgt unmittelbar, daß generelle proportionale Faktorsteuern bei Außenhandel ohne Faktorbewegungen ebenfalls güterwirtschaftlich außenhandelsneutral sind, weil sie sich gedanklich in äquivalente generelle proportionale Produktsteuern transformieren lassen. Dabei bewirkt die Fak- toreinsatzsteuer die Verbrauchsbesteuerung; bei der Faktorverwendung- steuer besteht ohnehin auch eine steuertechnische Identität mit der Wert- schöpfung-(Produktion-)steuer. 423. Das bedeutet, daß für sonst gleiche generelle proportionale Produkt- steuern das U- und B-Prinzip güterwirtschaftlich zu den gleichen Ergebnissen führen.

Die grundlegende Aussage, daß die Umgestaltung einer Produktion- steuer in eine Steuer auf Konsum und Investition durch die steuerliche Be- handlung von Exporten und Importen an Handelsoptimum und Produktions- maximum im internationalen Warenverkehr bei Unbeweglichkeit der Pro- duktionsfaktoren nichts ändert, läßt sich auch unmittelbar beweisen. Deutet man die steuerliche Entlastung der Exporte als Ausfuhrprämie und die steuer- liche Belastung der Einfuhren als Zoll, so erkennt man sofort, daß gleich hohe generelle Ausfuhrprämien und Einfuhrzölle auf den Warenverkehr nur mone- täre Wirkungen haben können. Sie sind einer Wechselkursänderung äquiva- lent, wenn Faktorbewegungen über die Landesgrenze ausgeschlossen bleiben. Eine Prämie und ein Zoll von 10 v. H. bedeuten, daß Exporteure für ihre er- lösten Devisen einen um 10 v. H. höheren Preis erhalten und Importeure für

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

414 Hans Möller

ihre benötigten Devisen einen um 10 v. H. höheren Preis zu zahlen haben. Eine steuerliche Behandlung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs ent- sprechend dem B-Prinzip läuft also auf eine Devisenpreiserhöhung (Abwer- tung der eigenen Währung) hinaus. Wie oben gezeigt, ist aber die Höhe des Wechselkurses für die güterwirtschaftlichen Beziehungen im Gleichgewicht irrelevant (vgl. § 34).

Aus diesen Zusammenhängen folgt wiederum unmittelbar, daß man bei generellen proportionalen Steuern auf Produkte oder auf Produktionsfakto- ren Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung der Exporte und zur Belastung der Importe gedanklich von der binnenwirtschaftlichen Besteuerung trennen und als monetären Eingriff werten kann. Für das Handelsoptimum und das Produktionsmaximum ist es offenbar auch gleichgültig, ob die steuerlichen Be- und Entlastungsmaßnahmen an der Grenze in ihrer Höhe mit den Steuer- sätzen für die Binnenwirtschaft übereinstimmen oder diese beliebig über- schreiten oder unterschreiten. Wichtig ist nur, daß alle Importe mit einem Zoll und alle Exporte mit einer Prämie belegt werden und alle Zölle und Prä- mien gleich hoch sind. 424. Zusammenfassend läßt sich also bei Unbeweglichkeit der Faktoren über die Landesgrenzen folgendes feststellen: Da generelle proportionale Pro- duktsteuern die Preisrelationen nicht verändern, lösen sie keine Welfare-Wir- kungen aus, die das außenwirtschaftliche Gleichgewicht von A und B modi- fizieren. Dasselbe gilt im übrigen für generelle proportionale Steuern auf Pro- duktionsfaktoren, die bei Unbeweglichkeit der Produktionsfaktoren ebenfalls güterwirtschaftlich neutral sind. Sieht man von den monetären Wirkungen und ihren Folgen ab, so spielt es für die außenwirtschaftlichen Beziehungen keine Eolie, ob nur in A oder auch in B generelle proportionale Produkt- steuern erhoben werden, und wegen der Äquivalenz zwischen generellen pro- portionalen Produktsteuern und generellen proportionalen Steuern auf Pro- duktionsfaktoren ist es sogar gleichgültig, ob in einem oder in beiden Län- dern beliebige Kombinationen von Produkt- und Produktionsfaktoren- steuern angewendet werden. Ebensowenig ist es von Belang, ob die Belastung mit Produktsteuern allein oder mit Steuern überhaupt in A und B differiert.

43. Monetäre Wirkungen der Einführung genereller proportionaler Produktsteuern

431. Die (schon behandelten) monetären Wirkungen von Produktsteuern (Ziff. 231) sind für die Wechselkursbildung und die Verwirklichung des Zah- lungsbilanzgleichgewichts von großer Bedeutung. Andererseits beeinflußt der durch einen fixierten Wechselkurs hergestellte Zusammenhang zwischen den Preisniveaus der verschiedenen Länder auch das Ausmaß der monetären Wir- kungen von Produktsteuern.

Eine Einzelhandelsteuer beeinflußt nur die Preisbildung auf der letzten Handelsstufe; alle anderen Preise und damit auch der internationale Preis- zusammenhang bleiben unberührt. Eine generelle proportionale Produktion- steuer mag dagegen alle Preise im Inland gleichmäßig erhöhen. Ist jedoch der Wechselkurs fixiert, so werden solche Preiserhöhungen durch die Konkurrenz mit dem Ausland sehr erschwert. Soweit sie trotzdem zustande kommen, ver-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 415

schüchtert sich die Warenhandelsbilanz, und die dadurch ausgelösten kon- traktiven Wirkungen bedeuten ein weiteres Hindernis für Preiserhöhungen. Die außenwirtschaftlichen Beziehungen stellen also bei fixiertem Wechselkurs einen Stabilisierungsfaktor für das inländische Preisniveau dar.

Dieser Stabilisierungsfaktor wird abgeschwächt, wenn der Wechselkurs frei beweglich ist, es sei denn, die zuständigen Stellen verhindern ein Abglei- ten des Kurses mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschaftspolitik (was bei erfolgreicher Wirtschaftspolitik auf eine de-facto-Stabilisierung hinausliefe). Bei frei beweglichen Wechselkursen stiege der Devisenpreis in A in dem Maße, wie sich das Preisniveau erhöht. Wenn z. B. eine Produktionsteuer von 20 v. H. nur zu einem Anstieg des Preisniveaus von rd. 10 v. H. führt, so wird auch der Devisenpreis nur um 10 v. H. steigen.

432. Da bei einer Produktionsteuer die Anwendung des B-Prinzips einer Abwertung (Erhöhung des Devisenpreises) äquivalent ist (Ziff. 423), führt dieses zwangsläufig zu einer Preiserhöhung in A, und zwar genau im Ausmaß der Produktsteuer. Diese Wirkung träte selbst dann ein, wenn die allgemeine Datenkonstellation in A eine Preisniveauerhöhung in diesem Ausmaß nicht begünstigt oder gar erschwert.

433. Wird das U-Prinzip angewendet (also eine reine Produktionsteuer er- hoben) und wirken sich die preisniveaustabilisierenden Wirkungen der außen- wirtschaftlichen Beziehungen voll aus, so sind offenbar Anpassungsvorgänge erforderlich, die eine Absorption der neuen Produktsteuer durch Kostensen- kungen ermöglichen. In einer stationären Wirtschaft müssen also die Ein- kommen der Produktionsfaktoren sinken (Lohnniveausenkung). In einer fort- schreitenden Wirtschaft mit technischem Fortschritt sind dagegen auch andere Anpassungsvorgänge denkbar, die sich wie folgt skizzieren lassen: Zunächst werden durch die Produktionsteuer die Ausfuhren gehemmt und die Einfuhren gefördert. Damit wird ein Druck auf das inländische Preis- niveau ausgelöst. Die Zahlungsbilanz verschlechtert sich. Die Konjunktur wird gedämpft. Gleichzeitig nimmt im Zuge des wirtschaftlichen Wachstums die Produktivität zu. Die (bei stabilem Preisniveau) erforderlichen und mög- lichen Lohnerhöhungen werden infolge der gedämpften Konjunkturlage zu- rückgehalten. Die damit verbundenen Kostenvorteile erlauben es den Pro- duzenten, wieder mit den ausländischen Wettbewerbern zu konkurrieren. Die Einfuhr geht zurück, und die Ausfuhr nimmt zu, bis ein neues Gleichgewicht beim alten Wechselkurs und unverändertem Preisniveau erreicht ist. Güter- wirtschaftlich sind die Produktionsfaktoren durch die unterbliebenen Lohn- erhöhungen nicht geschädigt. Das, was sie hinnehmen müssen, ist lediglich die Steuerwirkung, die statt durch Preiserhöhung hier durch Verzicht auf Lohnerhöhungen erzielt wird.

434. Die Beurteilung einer steuerlichen Behandlung des Außenhandels im Sinne des B-Prinzips im Vergleich zum U-Prinzip unter monetären Aspekten wird demnach in erster Linie davon abhängen, ob die Wirkung der außen- wirtschaftlichen Beziehungen als Stabilisierungsfaktor für das Preisniveau erwünscht ist. Das läßt sich generell nicht entscheiden.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

416 Hans Möller

Da diese Wirkung der außenwirtschaftlichen Beziehungen bei frei beweg- lichen Wechselkursen ohnehin stark eingeschränkt ist und frei bewegliche Wechselkurse auch eine zu weitgehende de-facto-Abwertung als Folge des B-Prinzips ausgleichen würden, läßt sich lediglich sagen, daß bei Wechselkurs- flexibilität beide Prinzipien ziemlich gleichwertig sind.

Sind die Wechselkurse dagegen fixiert, so kann die Wirkung der Preis- niveaustabilisierung durch das U-Prinzip ausgelöst oder durch die steuerliche Behandlung des Warenverkehrs im Sinne des B-Prinzips ausgeschaltet wer- den. Als Kegel kann formuliert werden: Immer dann, wenn sich bei generellen Preisauftriebstendenzen (hier infolge der neuen Produktsteuer) auf Grund allgemeiner wirtschaftspolitischer Erwägungen eine Abwertung empfehlen würde, ist die Anwendung des B-Prinzips vorteilhaft, es sei denn, man zieht eine formelle Paritätsänderung vor, die die Anwendung des U-Prinzips er- möglichen würde. Wenn jedoch in einer solchen Situation eine Abwertung nicht zweckmäßig erscheint, so wäre das U-Prinzip vorteilhaft, es sei denn, man zieht eine Aufwertung vor, die dann die Anwendung des B-Prinzips ge- statten würde.

Die Beurteilung des U- und B-Prinzips bei generellen proportionalen Produktionsteuern ist also eine Angelegenheit der Wechselkurspolitik. Neben den Wirkungen beider Kegelungen auf das Preisniveau sind die Wirkungen auf die konjunkturelle Lage (Vollbeschäftigungszielsetzung) und auf die Zah- lungsbilanz zu beachten.

Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß das U-Prinzip zwar zur Preis- niveaustabilisierung beitragen kann, dann jedoch relativ langwierige An- passungsprozesse erforderlich werden, die mit Zahlungsbilanzdefiziten ver- bunden sein können. Umgekehrt kann die steuerliche Behandlung des Waren- verkehrs im Sinne des B-Prinzips bei starken Widerständen gegen Preisauf- triebstendenzen wie eine wettbewerbsorientierte Abwertung wirken und Zah- lungsbilanzüberschüsse hervorrufen.

Während der Übergangszeit erbringt im ersten Fall eine Wertschöpfung- (Produktion-)steuer, im zweiten Fall dagegen eine Produktionsteuer mit B-Prinzip den geringeren Steuerertrag, so daß in beiden Fällen - bei fixierter Auslandshilfe, die mit dem Steuerertrag finanziert werden soll - Budgetdefi- zite möglich sind. Während dies im ersten Fall den kontraktiven Tendenzen entgegenwirkt, werden im zweiten Fall die eintretenden expansiven Tenden- zen noch unterstützt.

435. Bei all diesen Überlegungen ist zu beachten, daß die aufgezeigten monetären Wirkungen als Folge der Einführung der Steuer eintreten und nach Anpassung der Preis- oder Lohnniveaus oder der Wechselkurse endgültig ab- geschlossen sind. Der Einführung einer neuen Steuer entspricht im übrigen der Übergang vom U- zum B-Prinzip und ebenso die Ersetzung des B-Prin- zips durch das U-Prinzip. Solche Maßnahmen haben den Charakter einer Wechselkursänderung und erfordern ebenso wie die Einführung einer neuen Steuer oder einer Wechselkursänderung monetäre Anpassungen, deren Art und Verlauf bereits angedeutet wurden.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 417

44. Wirkungen spezieller Produktsteuern im Grundmodell

441. Während generelle proportionale Produktsteuern die Anwendung so- wohl des U- als auch des B-Prinzips erlauben, ohne daß dadurch Welfare- Wirkungen hervorgerufen würden1, ist von vorneherein zu vermuten, daß bei speziellen Produktsteuern solcheWirkungen eintreten und durch die steuerliche Behandlung desWarenverkehrs an der Grenze beeinflußt werden. Denn spezielle Produktsteuern lassen bereits in der geschlossenen Volkswirtschaft kein Pro- duktionsmaximum zustande kommen (§ 24), und es ist deshalb anzunehmen, daß sich dieser Tatbestand auch auf den internationalen Handel auswirkt.

Ob spezielle Produktsteuern und ihre Behandlung beim grenzüberschrei- tenden Warenverkehr auch monetäre Wirkungen ähnlich wie generelle pro- portionale Steuern hervorrufen, hängt von der Bedeutung der besteuerten Waren für das Sozialprodukt und den Außenhandel (Ziff. 245) ab. Ein Bündel spezieller Produktsteuern, das die Mehrzahl der Produkte einer Volkswirt- schaft erfaßt, oder gar eine differenzierende Steuer auf alle Produkte wird ähnliche monetäre Wirkungen wie eine generelle proportionale Produktsteuer haben. In unserem Modell einer Volkswirtschaf t mit nur zwei Waren sind sol- che monetären Wirkungen zu erwarten, da die Besteuerung einer der beiden Waren einen beträchtlichen Teil des Sozialprodukts trifft. Im folgenden wer- den die monetären Wirkungen zunächst weitgehend außer acht gelassen.

Um die Problematik einer speziellen Produktsteuer zu erörtern, gehen wir von unserer Modellwirtschaft mit zwei Ländern und zwei Waren aus. Während in B generelle proportionale Steuern erhoben werden und das B- Prinzip angewendet wird, hat A lediglich eine Apfelsteuer, deren Wirkung für eine geschlossene Volkswirtschaft in § 24 erörtert wurde. Zur Klarstellung sei noch angemerkt, daß in unserer Modellwirtschaft eine Einzelhandelsteuer nicht denkbar ist. Deren Wirkung wird in § 45 behandelt. 442. Wenn die relativen Preise für Äpfel (in Tucheinheiten) in A (mit der Apfelsteuer) und B nicht zufällig übereinstimmen, besteht auch in dieser Konstellation ein Anreiz für den internationalen Handel. Wird in A das U- Prinzip angewendet, so konkurrieren die Produzenten in A zu der die Apfel- steuer enthaltenden Preisrelation2 mit den Produzenten in B.

Ist der reale Apfelpreis (in Tucheinheiten) in A infolge der Steuer höher als in B, so können die B-Produzenten Äpfel in A verkaufen, und es lohnt sich für Wirtschaftssubjekte in B, das dort relativ billigere Tuch in A einzukaufen.

Während bei genereller proportionaler Besteuerung beider Produkte in beiden Ländern Äpfel von A nach B und Tuch von B nach A geliefert wurden, fließt nunmehr ein Warenstrom in entgegengesetzter Richtung. Für A bedeu- tet das, daß die durch die Steuer hervorgerufene Knappheit an Äpfeln für die Konsumenten gemildert wird ; der Äpfelpreis sinkt, und die Produzenten in A müssen ihre Äpfelproduktion weiter einschränken, um die realen Produktions- kosten in Tucheinheiten senken und dadurch konkurrenzfähig bleiben zu

1 Lediglich monetäre Wirkungen können bei Änderungen in den Steuer- sätzen oder in der steuerlichen Behandlung des Außenhandels eintreten (vgl. § 43). 2 Wie sie auch für Konsumenten in A gilt.

27 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 3

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

418 Hans Möller

können. Für sie verstärkt der Handel die Abweichung von der optimalen Ver- wendung der Produktionsfaktoren.

In B führt der Handel dagegen zu einer durch die Apfelsteuer in A ver- ursachten Verknappung der Äpfel, deren Preis steigt, während ihr Konsum zurückgeht. Andererseits steigt der Tuchkonsum wegen der Einfuhr aus A. Die Apfelproduktion nimmt auf Kosten der Tuchproduktion zu, obwohl B gerade für die Tuchproduktion besonders gut mit Produktionsfaktoren aus- gestattet wäre.

Ist der reale Apfelpreis in A in der Ausgangslage noch immer niedriger als in B, so exportiert A ebenso wie bei generellen proportionalen Steuern Äpfel nach B und importiert dafür Tuche. Die Äpfelproduktion nimmt in A auf Kosten der Tuchproduktion zu, während sich die Produktion in B in ent- gegengesetzter Richtung verändert. Der Apfelpreis steigt in A und fällt in B. Das Produktionsmaximum in A und B, das sich ergäbe, wenn A keine Steuern oder nur generelle proportionale Steuern erhöbe, wird jedoch nicht verwirk- licht. In A ist das Verhältnis der Grenzkosten zwischen Äpfel- und Tuchpro- duktion auch im Gleichgewicht noch immer kleiner als in B, und es werden somit zu wenig Äpfel erzeugt. Davon wird auch B betroffen, weil seine Ge- samtversorgung geringer bleibt als bei proportionalen Steuern in A. Aller- dings kommt eine einheitliche Preisrelation für die Konsumenten in A und B zustande, so daß ein Handelsoptimum erreicht wird.

443. Wird durch Anwendung des B-Prinzips der Export von Äpfeln aus A nach B an der Grenze von der speziellen Produktsteuer in A befreit und wird ein eventueller Import von Äpfeln aus B nach A an der Grenze mit einer Aus- gleichsabgabe in Höhe der speziellen Steuer in A belegt, so kann keine ein- heitliche Preisrelation für die Konsumenten in A und B Zustandekommen. Die Äpfel bleiben in A immer um die spezielle Produktsteuer teurer als in B. Diese Wirkung kann zwar dahingehend interpretiert werden, daß die Steuer in A nur die Konsumenten in A trifft, jedoch hat sie auch eine Veränderung für B zur Folge, wie gleich noch zu zeigen sein wird. Im übrigen kommt gerade wegen dieser Wirkung ein Handelsoptimum nicht zustande. Wenn es nicht wichtige Gründe gibt, gerade den Apfelkonsum in A einzuschränken, ist nicht einzusehen, warum die Vorteile des Handels nicht ausgenutzt werden.

Um die Wirkungen des B-Prinzips auf die internationale Arbeitsteilung abschätzen zu können, muß wieder unterschieden werden, ob der reale Apfel- preis in A für die Konsumenten höher oder niedriger als in B ist. Falls er höher ist, hätte die Anwendung des U-Prinzips zur Folge, daß A Äpfel aus B impor- tiert. Bei Geltung des B-Prinzips käme ein solcher Import aber offenbar nur dann in Frage, wenn der Apfelpreis (in Tucheinheiten) in B um mehr als die spezielle Apfelsteuer des Landes A unter dem Apfelpreis in A läge (was in unserem Modell wegen der angenommenen Ausstattung beider Länder mit Produktionsfaktoren kaum denkbar ist). Denn die Apfelproduzenten in B können in A nur unter Zahlung der dortigen Apfelsteuer verkaufen.

Dagegen können die Apfelproduzenten in A nunmehr in B konkurrieren, ohne mit der Apfelsteuer belastet zu sein. Während die Konsumenten in A ein Apfel vielleicht 0,95 Tucheinheiten kostet, können die Produzenten in A einen

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 419

zusätzlichen Apfel erzeugen, indem sie die Tuchproduktion nur um 0,75 Ein- heiten vermindern; m.a.W. ,, kostet" sie der Apfel nur 0,75 Tucheinheiten. Durch den internationalen Handel wird nun ein neues Gleichgewicht herbei- geführt, in dem die realen Grenzkosten der Apfelproduktion in beiden Län- dern übereinstimmen und sich z.B. bei 0,93 Tucheinheiten einspielen. Be- trachtet man die Differenz der für die Konsumenten in A und B geltenden Konsumentenpreise als gewollt und gerecht, so erlaubt das B-Prinzip die Maximierung der Produktion. Verglichen mit dem Zustand bei generellen pro- portionalen Steuern ist der Apfelpreis und die Apfelproduktion in B jedoch niedriger und der Apfelkonsum in B höher. Die Apfelsteuer in A macht Äpfel für B weniger knapp und Tuche entsprechend knapper.

444. Nunmehr mag nicht nur in A, sondern auch in B eine spezielle Apfel- steuer gelten. Gegenüber der Ausgangslage ohne Handel sind dann in beiden Ländern die realen Apfelpreise für die Konsumenten höher als die realen Grenzkosten der Apfelproduktion in Tucheinheiten. Wenden beide Länder das U-Prinzip an, so bildet sich wiederum ein einheitlicher Verbraucherpreis in A und B, und das Handelsoptimum wird verwirklicht. Die Produzenten in A und B konkurrieren untereinander auf der Grundlage von Grenzkosten, die die jeweiligen Apfelsteuern enthalten. Ein Produktionsmaximum kann nur erreicht werden, wenn die Apfelsteuern in A und B genau gleich hoch sind. Andernfalls ist das Land mit höherer Apfelsteuer im Vergleich zum Land mit niedrigerer Apfelsteuer in der gleichen Lage wie das Land A mit spezieller Apfelsteuer zum Land B mit generellen proportionalen Produktsteuern (Ziff. 442).

Wenden beide Länder das B-Prinzip an, so wird zwar das Produktions- maximum verwirklicht, nicht aber das Handelsoptimum - es sei denn, die Steuersätze seien in A und B gleich. Auch hier gilt, daß das Land mit höherer Apfelsteuer im Verhältnis zum Land mit niedrigerer Apfelsteuer sich in der gleichen Lage befindet wie das Land mit spezieller Apfelsteuer gegenüber dem Land mit generellen proportionalen Steuern (Ziff. 443).

Stimmen die Sätze für die Apfelsteuer in A und B überein, so ergibt sich unmittelbar, daß es güterwirtschaftlich gleichgültig ist, ob das U- oder das B-Prinzip angewendet wird. Denn bei gleichen Steuersätzen ist die Belastung mit der Ausgleichsteuer im Importland gleich der Entlastung von der speziel- len Produktsteuer im Exportland. Das dann zustandekommende Gleichge- wicht weicht selbstverständlich vom Gleichgewicht bei generellen proportio- nalen Steuern in beiden Ländern ab. In beiden Ländern werden weniger Äpfel und mehr Tuche produziert und konsumiert.

Schließlich wäre denkbar, daß A das U-Prinzip und B das B-Prinzip an- wendet. Die daraus resultierenden Wirkungen setzen sich aus den bereits ab- geleiteten Wirkungen zusammen. Während A zu dem für die Konsumenten geltenden realen Preis mit B konkurriert (der ungünstiger ist als derjenige bei generellen proportionalen Produktsteuern), konkurriert B mit dem Grenz- kostenpreis, der unter dem Grenzkostenpreis bei generellen proportionalen Steuern liegt. Das bedeutet, daß die Apfelproduktion in B gefördert und in A gehemmt wird. Sind die Steuersätze genügend hoch, so können auch in diesem

27*

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

420 Hans Möller

Fall Handelsströme in umgekehrter Kichtung ausgelöst werden (vgl. Ziff. 442), d.h. es könnten Apfellieferungen von B nach A und Tuchexporte von A nach B zustande kommen.

Der Vollständigkeit halber müßte nun noch untersucht werden, welche Wir- kungen vom U- und B-Prinzip zu erwarten wären, wenn im Land A eine Apfel- steuer und im Land B eine Tuchsteuer angewendet wird. Darauf soll hier verzichtet werden, weil in unseren Volkswirtschaften mit nur zwei Waren eine solche Besteue- rung gerade darauf hinauslaufen würde, daß jedes Land sein potentielles Export- produkt belastet mit der Folge, daß dessen Grenzkosten heruntergedrückt und dessen Konsumentenpreis erhöht würden und sich die Grenzkosten und Preise der Importprodukte in umgekehrter Richtung ändern müssen. In der Wirklichkeit dürften diese Fälle sehr selten vorkommen. Zwar ist es durchaus möglich, daß die Länder gerade Exportprodukte besteuern. Aber wenn es sich nur um einzelne Exportprodukte handelt, wird diese Besteuerung nicht zugleich die Preise und Grenzkosten der Importprodukte in so starkem Maße verändern, wie dies in einer Volkswirtschaft mit zwei Waren zwangsläufig der Fall ist (vgl. im übrigen § 45).

45. Wirkungen spezieller Produktsteuern auf einzelne unter vielen Waren

451. Die eben für eine Volkswirtschaft mit nur zwei Gütern abgeleiteten Wirkungen gelten im Prinzip auch für Volkswirtschaften mit vielen Gütern. Die Zusammenhänge vereinfachen sich, da die Wirkung der speziellen Be- steuerung nur einer Ware auf deren nominellen Preis zugleich die Wirkung auf den realen Preis bedeutet. Denn wenn die Ware für Produktion und Konsum- tion in der ganzen Volkswirtschaft keine große Rolle spielt, kann näherungs- weise unterstellt werden, daß sich die Preise und Produktionsmengen aller übrigen Güter nur unmerklich verändern.

Ob der Preis der nunmehr besteuerten Ware gleich bleibt oder wie stark er steigt, hängt dann erstens von der Art der Steuer und zweitens von den Angebots- und Nachfrageverhältnissen für diese Ware im In- und Ausland ab. Diese können unter den hier angenommenen Bedingungen als konstant ge- dacht werden. Das impliziert, daß die Preise der Produktionsfaktoren eben- falls gegebene Größen sind, denn andernfalls würden sich die Angebotskurven verschieben.

Ebenso können für diese Analyse die Wechselkurse als konstant ange- nommen werden, selbst wenn sie nicht fixiert sein sollten. DennVeränderungen auf dem Markt einzelner Waren beeinflussen das Devisenangebot nur unmerk- lich. 452. Zur Darstellung der Wirkungen des U- und B-Prinzips bei Besteuerung eines einzelnen Gutes wird eine graphische Darstellung benutzt, wie sie sonst für die Ableitung der Zollwirkungen verwendet wird (Abb. 1). Aus den Abbil- dungen wird deutlich, daß die Einführung einer reinen Produktionsteuer (also die Anwendung des U-Prinzips) nach wie vor einen einheitlichen, aber nun- mehr höheren Konsumentenpreis für die Ware zur Folge hat. Die Preiserhö- hung im In- und Ausland bleibt in der Regel hinter der auferlegten Produkt- steuer T zurück (Pu - Po < T), und zwar um so mehr, a) je elastischer das ausländische Exportangebot oder die ausländische Im-

portnachfrage ist, b) je elastischer die Nachfrage und das Angebot im Inland sind.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 421

r- I

Q. ■*-• Ci. 3 s ! « I ! *

'' á * ' S z,

I / x Lui. ê FT ' ^ cl x Lui. ^ yt^ o i- - t •

•° M M £^(f if A A Ji

Das U-Prinzip bringt dem Steuer erhebenden Land A immer einen Rück- gang des Exports (aXu < aX0 in Abb. 1 a) und eine Zunahme des Imports (aXu > aX0 in Abb. lb), so daß die im Inland entstehende produktionshem- mende Wirkung der Steuer durch die Auslandsbeziehungen verstärkt wird. 453. Bei Anwendung des B-Prinzips ergibt sich dagegen für die Konsumen- ten des In- und Auslandes eine Preisdifferenz in Höhe des Steuersatzes, die ein Handelsoptimum nicht zuläßt (aPß 4=bPß). Da auch hier der Inlandspreis in der Eegel weniger steigt als der Steuersatz, sinkt der Auslandspreis der im Inland besteuerten Ware, der immer um den Steuersatz unter dem Inlands- preis liegt. Ein Export der Ware des Landes A nimmt zu, und ein Import der Ware nimmt ab. Die Versorgung des Auslandes wird durch das B-Prinzip

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

422 Hans Möller

Tabelle 5

Übersicht über die Wirkungen des U~ und B-Prinzips bei einer speziellen Produktsteuer auf Preise, Produktion, Ein- und Ausfuhr sowie Versorgung

Wirtschaft. Größen Ausgangslage Veränderungen

aPo = bPo Po > bPß > Po - T Preise Po < aPu = dPu < Po + T

bPB + T = aPß

Produktion _ ____== in A aXo aXo > aXß > a^u

in B bXo bXß < bXo < bXu

Einfuhr aus B aXo aXß < aX0 < aXu oder Ausfuhr nach B aX0 aXs > aX0 > aXu

Inlandsversorgung in A aX0 aX0 > aXu > aXß

in B bXo 1)Xb > t>X0 > bXu

Vorgestellter Index (a, b) bezeichnet die Länder, nachgestellter Index (o, U, B) die Ausgangslage bzw. das Ergebnis bei U- und B-Prinzip; T ist die absolute Produkt- steuer.

künstlich verbessert (was der heimischen Produktion zugute kommt), wäh- rend beim U-Prinzip die Versorgung des Auslandes verschlechtert wird (was dem heimischen Verbrauch zugute kommt). Ebenso wie beim U-Prinzip be- stimmen auch hier die Elastizitätsverhältnisse von Angebot und Nachfrage im In- und Ausland die Preissteigerung im Inland und die Preissenkung im Ausland. Diese ist um so stärker, je geringer die inländische Preissteigerung, die ihrerseits die Preissteigerung bei Anwendung des U-Prinzips übertreffen muß.

46. Zusammenfassende Würdigung der Wirkungen des U- und B-Prinzips bei speziellen Produktsteuern (ohne Faktorbewegungen)

461. Die Unterscheidung zwischen B-Prinzip und U-Prinzip ist nur bei speziellen Produktsteuern, nicht dagegen bei generellen proportionalen Pro- duktsteuern für die güterwirtschaftlichen Beziehungen von Bedeutung. U-Prinzip und B-Prinzip haben bei generellen proportionalen Steuern ledig- lich einen Einfluß auf die Zahlungsbilanz und den Wechselkurs, und die An- wendung beider Prinzipien ist letztlich eine Frage der Wechselkurspolitik. 462. Indem die Produktsteuer auf ein einzelnes Produkt (dessen Produktion und Verbrauch die gesamte Volkswirtschaft nicht merklich beeinflussen) dessen

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 423

Konsum und damit auch dessen Erzeugung drosselt, ermöglicht sie einen niedrigeren Kostenpreis (ohne Steuern) für dieses Produkt. Beim U-Prinzip erhöht sich dieser Kostenpreis für die Konsumenten im In- und Ausland um die Steuer und liegt über dem Preis vor der Besteuerung. Beim B-Prinzip liegt nur der Inlandspreis um die Steuer über dem niedrigeren Kostenpreis; der Auslandspreis bildet sich dagegen auf Grund des niedrigeren Kostenpreises und bleibt geringer als der Preis ohne Besteuerung. Während das B-Prinzip wie eine Art Einfuhrbremse und Ausfuhrförderung wirkt, bedeutet das U- Prinzip eine Einfuhrförderung und Ausfuhrbremse. 463. Das B-Prinzip hat zur Folge, daß die Vorteile des Handelsoptimums im internationalen Handel verlorengehen; es ermöglicht jedoch die Verwirk- lichung eines Produktionsmaximums. Beim U-Prinzip liegen die Dinge um- gekehrt: das Handelsoptimum wird realisiert, während das Produktions- maximum nicht realisierbar ist. Beide Prinzipien bewirken eine Abweichung vom gleichzeitigen Handelsoptimum und Produktionsmaximum, was ohne spezielle Produktsteuer und insbesondere auch bei generellen proportionalen Produktsteuern erreichbar wäre. 464. Beeinflußt das besteuerte Produkt die Produktion und den Konsum der gesamten Volkswirtschaft in stärkerem Maße, so sind außerdem die Kück- wirkungen auf andere Produktionszweige zu beachten. Die Nachfrage nach dem besteuerten Produkt wird auf bestimmte andere Güter abgelenkt, die entsprechend mehr und mit steigenden Kosten erzeugt werden. Während der reale Konsumentenpreis für das besteuerte Produkt künstlich vermindert wird, ergibt sich im Produktionssektor eine reale Kostensenkung für das be- steuerte Produkt und eine reale Kostenerhöhung für konkurrierende Güter. Die spezielle Produktsteuer kann dann auch einen Einfluß auf die Preise (Löhne) der Produktionsfaktoren ausüben, wenn die Faktorkombinationen in den betroffenen Branchen sehr unterschiedlich sind. 465. Diese Wirkungen mögen für das wirtschaftliche Wachstum von Bedeu- tung sein. Handelt es sich bei dem besteuerten Produkt um ein ,, altes" Er- zeugnis, bei dem die Einkommenselastizität der Nachfrage gering ist und dessen Produktion langsamer wächst als das Sozialprodukt, so kann die Be- steuerung den gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprozeß fördern. Sie hemmt Produktion und Verbrauch in der ohnehin zurückbleibenden Branche und regt Produktion und Verbrauch in anderen, für das Wachstum vielleicht wich- tigeren Branchen an.

Ob im Einzelfall das B- oder das U-Prinzip das Wachstum stärker fördert, läßt sich generell nicht entscheiden. Es kommt darauf an, ob für das Wachs- tum der nicht besteuerten, aber betroffenen Branchen die Freisetzung von Produktivkräften oder die Stimulierung der Nachfrage von größerer Bedeu- tung sind. Im ersten Fall wäre das U-Prinzip wirksamer, im zweiten Fall da- gegen das B-Prinzip. 466. Im übrigen ist zu beachten, daß die spezielle Besteuerung einzelner, aber für die Gesamtwirtschaft wichtiger Waren auch monetäre Wirkungen auslöst, die bei der Beurteilung des U- und B-Prinzips zu berücksichtigen wären.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

424 Hans Möller

47. Produktsteuern auf Zwischenprodukte und Produktionsmittel

471. Das den theoretischen Ableitungen bisher zugrunde liegende Modell berück- sichtigte nur zwei Produktionsfaktoren und zwei in Einproduktunternehmen her- gestellte Fertigerzeugnisse. Nunmehr ist zu prüfen, ob sich wesentliche Änderungen ergeben, wenn außerdem noch Zwischenprodukte und Produktionsmittel vorhanden sind und international gehandelt werden. Wird als „Produkt" einer Unternehmung immer nur dessen Wertschöpfung verstanden, so ändert sich an den bisherigen Überlegungen zunächst nichts. Bei generellen proportionalen Produktionsteuern wird die Erzeugung von Zwischenprodukten und Produktionsmitteln ebenso be- lastet wie die Herstellung der Endprodukte. Von der Einzelhandelsteuer werden dagegen nur die Produkte erfaßt, die zum Konsum oder zur Investition bestimmt, also im volkswirtschaftlichen Sinne keine Zwischenprodukte sind.

Zusätzliche Probleme tauchen infolgedessen nur bei speziellen Produktsteuern auf Zwischenprodukte auf. 472. Wird z.B. lediglich ein Zwischenprodukt mit einer Produktsteuer belegt, so gelten für die Wirkungen auf Erzeugung und Verbrauch gerade dieses Zwischen- produkts die Ableitungen für eine spezielle Verbrauchsteuer unmittelbar. Zugleich werden die Produktionsbedingungen für alle Erzeugnisse, in die das Zwischen- produkt eingeht, verschlechtert.

Handelt es sich um eine reine Produktionsteuer (gilt also das U-Prinzip) und kommt infolgedessen für das Zwischenprodukt im In- und Ausland derselbe Ver- braucherpreis (für die Weiterverarbeiter) zustande, so ändern sich die Wettbewerbs- bedingungen für die Weiterverarbeitung im In- und Ausland in gleicher Weise. Die Steuer im Land A schränkt die inländische Produktion des Zwischenprodukts ein, trifft aber dessen weitere Verwendung im Inland nur in geringerem Maße, weil dessen Ausfuhr zurückgeht oder dessen Einfuhr zunimmt.

Handelt es sich um eine reine Steuer auf den Verbrauch (gilt also das B -Prin- zip), so liegt der inländische Verbraucherpreis um die Steuer über dem ausländischen Verbraucherpreis. Damit verschieben sich die Wettbewerbsbedingungen für die Weiterverarbeitung, die nun im Inland künstliche Kostennachteile zu tragen hat. Zwar wird die Erzeugung der Zwischenprodukte weniger hart getroffen als beim U-Prinzip, jedoch wird der inländische Verbrauch für die Weiterverarbeitung ent- sprechend schwerer belastet, während die ausländischen Weiterverarbeiter den Vor- teil einer Preissenkung genießen.

Ist das Zwischenprodukt ein dauerhaftes Produktionsmittel, so ergeben sich die gleichen Wirkungen. Bei Zwischenprodukten und Produktionsmitteln besteht also eine ziemlich eindeutige Präferenz zugunsten des U-Prinzips. Das Motiv für eine solche Steuer ist im allgemeinen der Wunsch, die Produktionstätigkeit in der besteuerten Branche zu beschränken. Das wird gerade durch eine Produktionsteuer erreicht, die die Weiterverarbeitung weniger als das B-Prinzip belastet. Diese Schlußfolgerung gilt nur für eine spezielle Steuer auf Zwischenprodukte, nicht dagegen für eine generelle proportionale Produktionsteuer. 473. Bei Berücksichtigung von Zwischenprodukten sind weitere Fern Wirkungen möglich. Um nur ein Beispiel zu geben, ergänzen wir unser Modell dahingehend, daß für die Tuchproduktion in A und B das gleiche Vorprodukt produziert und von A auch exportiert wird. B erhebt eine reine Produktionsteuer (U-Prinzip) und A wende das B-Prinzip auf die Zwischenproduktsteuer an. Aus den früheren Ableitungen folgt, daß die Produktion des Zwischenproduktes in B stärker als in A zurückgeht, daß dessen Preis in B weniger steigt als in A, daß die Versorgung der Tuchproduk- tion in B günstiger ist als in A und daß deren Lieferungen von A nach B gefördert werden. Die Tuchproduktion in B wird durch diese Veränderungen mehrfach be- günstigt. In B werden mehr Produktionsfaktoren aus der Erzeugung von Zwischen- produkten freigesetzt, und der Preis der Zwischenprodukte steigt weniger als in A. Die Ausweitung der Tucherzeugung und des Tuchexports von B verstärkt die ohne- hin zu erwartende Einschränkung der Tuchproduktion in A und begünstigt dort die Erzeugung und den Export von Zwischenprodukten.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 425

474. Bestehen für ein Konsum- oder ein Investitionsgut viele Zwischenstufen der Produktion und sind die Zwischenprodukte vielseitig verwendbar, so taucht die steuertechnische Frage auf, wie eine spezielle Produktbesteuerung (oder eine Differen- zierung der Steuersätze nach Produkten) erreicht werden kann. Bei einer Einzel- handelsteuer ergeben sich keine Schwierigkeiten, weil hier die Besteuerung un- mittelbar beim Übergang der Ware an den Konsumenten oder Investor ansetzt. Soll die Produktion selbst besteuert werden, so versagt offenbar die Wertschöpfung- steuer, weil deren Anwendung auf die Vorstufen der Produktion keine Differen- zierung nach Produkten erlaubt. Gibt es eindeutig definierbare und erfaßbare Pro- duzenten der letzten Stufe, so kann die Besteuerung dort ansetzen, darf dann aber offenbar keine Wertschöpfungsteuer sein, sondern muß den gesamten Umsatz des betreffenden Gutes belasten. Eine solche Produktionsteuer würde aber eindeutig nur den Produktionsvorgang auf dieser Stufe erschweren und vor- und nach- gelagerte Stufen indirekt begünstigen. Wendet man das B-Prinzip an, so fallen diese Wirkungen weg, und es wird der Zustand erreicht, wie er bei reiner Besteuerung des Verbrauchs bestünde. Hier ist also das B-Prinzip vorteilhafter als das U- Prinzip. 475. Ähnliche Schwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten ergeben sich für Mehr- produktunternehmen; auch hier ist auf der Grundlage der ,, Wertschöpfung" keine Differenzierung der Produktsteuern möglich, weil sich die Wertschöpfung innerhalb eines Unternehmens nicht eindeutig auf die von ihm erzeugten Produkte aufteilen läßt. Es bestehen hier dieselben Schwierigkeiten wie bei der Verteilung der Kosten auf verschiedene Produkte eines Betriebes, die ohne eine gewisse Willkür nicht möglich ist. Auch in diesem Fall bleibt nur die Möglichkeit, Produkte an Stelle der Wertschöpfung zu besteuern. 476. In diesem Zusammenhang sei schließlich noch auf die Schwierigkeit der steuerlichen Sonderbehandlung des Verbrauchs für Investitionszwecke hingewiesen. Zwischen der Verwendung eines Zwischenproduktes für Investitionszwecke und der für die laufende Produktion kann häufig nicht unterschieden werden. Ferner mag es technische Schwierigkeiten bereiten, die Verwendung von Gütern für Investitions- zwecke von der Besteuerung zu befreien.

5. Steuerwirkungen bei Außenhandel mit Faktorbewegungen 51. Vorbemerkungen

511. Der Außenhandel mit Gütern, verbunden mit der Möglichkeit von Faktorbewegungen, führt, solange keine Steuern erhoben werden, zu einer weitgehenden Angleichung sowohl der Produktpreise (bis auf die Transport- kosten) als auch der Faktoreinkommen (§36). Soweit zwischen den Ländern Differenzen in den Einkommen derselben Faktoren erhalten bleiben, sind sie Ausdruck und Maß der für Faktorbewegungen bestehenden ,, Kosten", zu denen nicht nur die reinen Geldkosten, sondern auch die psychischen und sonstigen Hemmungen gegenüber Faktorbewegungen gehören. Sieht man von den transportkostenbedingten Unterschieden der Produktpreise ganz ab und stellt sich vollständig übereinstimmende Produktpreise vor, so ist der Real- wert einer Geldsumme für die Wirtschaftssubjekte in A und B (umgerechnet über den Wechselkurs) gleich. Nominelle Unterschiede in den Einkommen eines Faktors von Land zu Land können sich dann nur im Rahmen der Fak- torbewegungskosten ergeben. Je niedriger diese sind, desto höher ist der Mobilitätsgrad der Faktoren. 512. Steuern verändern die Nominal- und Realeinkommen der Faktoren, gleichviel, ob es sich um Produkt- oder Faktorsteuern handelt. Ohne Faktor-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

426 Hans Möller

bewegungen können generelle proportionale Produktsteuern die Nominal- einkommen der Faktoren unverändert lassen, erhöhen oder senken; das Real- einkommen jedoch vermindern sie auf jeden Fall, wenn man die in Anspruch genommenen Staatsleistungen - in unserem Modell also die psychische Be- friedigung der Gewährung von Auslandshilfe - nicht zum Kealeinkommen rechnet. Gleiches gilt für generelle proportionale Faktorsteuern, die den Pro- duktsteuern weitgehend kongruent sind.

Spezielle Produktsteuern tendieren ebenfalls dahin, die Realeinkommen zu vermindern. Aber sie können darüber hinaus auch die nominelle Einkom- mensverteilung zwischen den Faktoren beeinflussen. Spezielle Faktorsteuern führen sogar notwendigerweise zu einer Änderung der Faktorpreisrelationen (nach Steuerabzug). Begünstigte Faktoren können, im Endergebnis bei spe- ziellen Steuern eine Realeinkommenserhöhung zu verzeichnen haben.

513. Bei Faktorsteuern bedarf, sofern Faktorbewegungen in Betracht kom- men, der Außenhandel mit Faktorleistungen einer steuerlichen Regelung. Zunächst wird man davon auszugehen haben, daß eine Faktorverwendung- (Wertschöpfung-)steuer den inländischen Faktorverbrauch trifft, auch wenn er ausländische Faktoren enthält. Wird darüber hinaus noch allein der Einsatz ausländischer Faktoren im Inland oder inländischer Faktoren im Ausland besteuert, so handelt es sich offenbar um spezielle Belastungen des Außenhandels mit Faktorleistungen. Wird dagegen der Faktoreinsatz von Inländern besteuert, so wird man erwarten können, daß dann auch das im Ausland verdiente Einkommen erfaßt ist. Wird darüber hinaus noch das im Inland verdiente Einkommen von Ausländern gesondert erfaßt, so liegt wie- derum eine steuerliche Belastung des Faktoraußenhandels vor.

Die möglichen Regelungen lassen sich in folgender Weise übersichtlich zusammenstellen :

Zusätzlich werden erfaßt

Steuer grundsätzlich _, , , ~~

Z"7T ! "7 erfaßt Faktorexport _, , , Faktorimport

von Inländern von Ausländern

Faktorverwen- im Inland einge- versteckter Zoll eindeutiger1 Zoll dung- = Wert- setzte Leistungen auf Faktorexporte auf Faktorimporte schöpfungsteuer in- und ausländi-

scher Faktoren

Faktoreinsatz- im In- und Aus- eindeutiger1 Zoll versteckter Zoll Steuer land eingesetzte auf Faktorexporte auf Faktorimporte

Faktorleistungen von Inländern aus dem Ausland von Inländern

1 „Eindeutig", weil eine echte Doppelbelastung vorliegt; vgl. Ziff. 543.

514. Generelle proportionale Steuern auf die Produktion sind mit generellen proportionalen Faktorverwendungsteuern identisch. Bei generellen propor- tionalen Faktoreinsatzsteuern werden Verbrauch und Investition in gleicher Weise erfaßt wie bei einer generellen proportionalen Einzelhandelsteuer (mit

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 427

den notwendigen Ergänzungen). Infolgedessen kann man sagen, daß bei gene- rellen proportionalen Faktorverwendungsteuern das U-Prinzip und bei gene- rellen proportionalen Faktoreinsatzsteuern das B-Prinzip wirksam werden. Eine solche Entsprechung kann zwar bei generellen proportionalen Steuern, jedoch nicht - von Ausnahmefällen abgesehen - bei speziellen Steuern auf Produkte und Faktoren gedanklich hergestellt werden. Die Wirkungsweise spezieller Produkt- und Faktorsteuern ist in der Regel prinzipiell verschieden. Deshalb sollten die Begriffe U- und B-Prinzip besser überhaupt nicht im Zusammenhang mit Faktorsteuern verwendet werden. 515. Die Steuerwirkungen auf die internationalen Güter- und Faktorlei- stungsströme können auch in dem bisher betrachteten Modell analysiert wer- den, also ohne Berücksichtigung der Wirkungen von Staatsleistungen. Es sei daran erinnert, daß in diesem Modell die Steuererträge dazu dienen, um Güter zu erwerben, die dritten Ländern als Auslandshilfe zur Verfügung gestellt werden (Ziffer 216).

Eine genauere Analyse zeigt jedoch, daß wesentliche Probleme aus der Betrachtung ausgeschaltet werden, wenn die Wirkungen von Staatsleistungen auch dann außer acht gelassen werden, wenn Faktorbewegungen stattfinden (Ziffer 524). Deshalb wird an späterer Stelle ein neues Modell eingeführt, in dem die Steuererträge dazu dienen, Staatsleistungen zu finanzieren, die dem Inland zugute kommen (§53).

Zur Vereinfachung untersuchen wir in diesem Abschnitt lediglich eine Besteuerung in A. Die Ergebnisse lassen sich auf den Normalfall mit Steuern in A und B entsprechend anwenden.

52. Produkt- und Faktor steuern bei Vernachlässigung von Staatsleistungen zugunsten des Inlandes

521. Die Untersuchungen in diesem Abschnitt gehen von dem bisher verwendeten Modell aus, wobei das Gefühl der Befriedigung, das die Auslandshilfe den inländi- schen Wirtschaftssubjekten verschafft, nicht als Teil ihres Realeinkommens ange- sehen wird und ihre wirtschaftlichen Dispositionen somit nicht beeinflußt.

Es werden zunächst generelle proportionale Produkt- und Faktorsteuern in A betrachtet, die ausnahmslos das Realeinkommen der Wirtschaftssubjekte in A vermindern. Vereinfachend wird unterstellt, daß das Preisniveau in A und B und damit auch das internationale Preisniveau konstant bleiben (dagegen nicht die Letzt- verbraucherpreise bei der Einzelhandelsteuer). Die Verminderung des Realeinkom- mens in A führt bei entsprechend hohem Mobilitätsgrad der Faktoren zu einer Aus- wanderung nach B. Soweit die Realeinkommensminderung in A durch Senkung der Nominaleinkommen herbeigeführt wird (z. B. bei einer Produktionsteuer), entsteht zugleich ein Anreiz zum Faktorexport nach B und zur Beendigung eines Faktor- imports aus B. Infolgedessen sinken die nominellen (und realen) Faktoreinkommen in B, während die Faktoreinkommen in A steigen. Dadurch etwa ausgelöste Ände- rungen des Preisniveaus in A und B, etwaige Wechselkursverschiebungen und son- stige Anpassungen führen zu keinem neuen stabilen Gleichgewicht, es sei denn, der Mobilitätsgrad der Faktoren ist so niedrig, daß die Steuerbelastung in A hinter den realen Kosten der Faktorbewegungen zurückbleibt. 522. Ist der Mobilitätsgrad der Faktoren hoch, so bleibt zur Beseitigung der Instabilität unter den hier zugrunde gelegten Bedingungen lediglich eine künstliche Verminderung des Mobilitätsgrades durch zusätzliche Steuern auf den Außenhandel mit Faktorleistungen, der hier das destabilisierende Element darstellt. Bei allen

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

428 Hans Möller

generellen proportionalen Produkt- und Faktorsteuern wird nämlich das Inland nicht vollständig vom Ausland abgeschlossen, so daß mit Hilfe des Faktoraußen- handels die inländische Steuer vermieden werden kann. Bei der Einzelhandelsteuer und bei der Faktoreinsatzsteuer geschieht dies durch Wanderung ins Ausland und Faktorexport ins Inland. Bei der Produktionsteuer hingegen wird der Faktor- export von Inländern steuerlich nicht erfaßt.

Wird dieses Loch verstopft, indem etwa bei der Produktionsteuer auch die im Ausland verdienten Einkommen von Inländern oder bei den beiden anderen Steuern auch die im Inland verdienten Einkommen von Ausländern zusätzlich besteuert werden, so bleibt nur die reine Wanderung, bei der sehr bald Gegenkräfte ausgelöst werden, weil die Faktoreinkommen im Auswanderungsland (A) steigen und im Einwanderungsland fallen. Die steuerliche Belastung im Land A bekommt dann den Charakter einer endgültigen Verschlechterung der Produktionsbedingungen, die international dadurch ausgeglichen wird, daß Land B als wirtschaftlicher Standort stärker genutzt wird1. 523. Diese Zusammenhänge lassen sich auch an der Preis-Lohn-Relation ver- deutlichen, die, wenn keine Steuern erhoben werden, bei Faktormobilität zwischen den Ländern übereinstimmen muß. Jede generelle proportionale Steuer in Land A treibt jedoch einen Keil zwischen Preise und Löhne, der zwar nicht unmittelbar den Warenhandel (der nur von den Güterpreisrelationen bestimmt wird), aber doch die Faktorbewegungen berührt. Ein Produktionsmaximum ist unter diesen Bedingungen nicht realisierbar. 524. Der tiefere Grund für dieses Dilemma, das nur und in unbefriedigender Weise durch zusätzliche Abschirmung gegenüber dem Ausland gelöst werden kann, liegt in der Vernachlässigung der Staatsausgaben und ihrer Wirkungen auf das Realein- kommen der Inländer. Das bisher betrachtete Modell muß also realistischer ge- staltet werden, indem die mit den Steuererträgen finanzierten Staatsleistungen in die Überlegung einbezogen werden. Soweit die Besteuerung im Land A die Preis- Lohn-Relation verändert, wird dies dann im Prinzip durch unentgeltliche Staats- leistungen an die Wirtschaftssubjekte in A ausgeglichen.

Anders ausgedrückt: In demokratischen Gemeinwesen, deren Wirtschaft überwiegend individualistisch orientiert und marktwirtschaftlich organisiert ist, muß bei globalen volkswirtschaftlichen Betrachtungen die Steuer als Gegenwert für empfangene Staatsleistungen angesehen werden, weil nur dann widersinnige Ergebnisse vermieden werden können. Die Steuern stellen somit prinzipiell auch keine Belastung dar, was nicht ausschließt, daß sie es unter ganz bestimmten Be- dingungen in begrenztem Umfang sein können.

53. Die Wirkungen von Staatsausgaben und ihre Bedeutung für das hier interessierende Problem

531. Auf Grund der Überlegungen des § 52 müssen wir davon ausgehen, daß mit der Steuererhebung des Staates zugleich auch Leistungen des Staates verbunden sind, die der Steuerzahler beachtet und berücksichtigt. Zwar weiß der Steuerzahler nur selten, welche Staatsleistungen bei einer Steuererhöhung zusätzlich erbracht werden und welche wegfallen würden, wenn die Steuern geringer wären, aber allein die Tatsache, daß er in demokratischen Gemein- wesen mitwirkt, um die Zusammensetzung der Regierung und deren Tätigkeit zu bestimmen, bringt es mit sich, daß er die von den Regierungen erbrachten Staatsleistungen bewertet. Der Steuerzahlung steht eine Gegenleistung des Staates gegenüber, und beides wird das Wirtschaftssubjekt wertend veran-

1 Diese Überlegungen zeigen im übrigen, welche Wirkungen Tributleistungen haben können, die einem Land auferlegt werden. Der Grad der Faktormobilität ist für die „Belastungsgrenze" von Bedeutung.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 429

schlagen. Dafür spricht im übrigen die Erfahrung, daß selbst hohe interregio- nale Unterschiede der Besteuerung relativ wenig "Wanderungen auslösen.

Nachdem wir die Differenz der Einkommen an verschiedenen Orten, die gerade Faktorbewegungen bewirkt oder sie gerade noch verhindert, als Aus- druck und Maß der psychischen und wirtschaftlichen ,, Kosten" der Faktor- bewegungen definiert haben, könnten wir den Wert der Staatsleistungen für die Wirtschaftssubjekte einfach als Erhöhung dieser Kosten deuten. Für eine Untersuchung der Steuerwirkungen auf die Faktorbewegungen ist dies jedoch unzweckmäßig. Infolgedessen wird davon ausgegangen, daß einerseits die Steuern das Realeinkommen der betroffenen Wirtschaftssubjekte mindern und daß andererseits die mit den Steuern finanzierten Staatsleistungen einen positiven Wert haben, der in das Realeinkommen der Wirtschaftssubjekte eingeht oder neben ihm zu berücksichtigen ist.

532. Zunächst sei unterstellt, daß die Steuern so auf die Wirtschaftssubjekte verteilt werden könnten, daß für jedes einzelne Wirtschaftssubjekt eine Äqui- valenz zwischen Steuerleistung und objektivem Wert der empfangenen Staats- leistungen gegeben wäre. Obwohl dann scheinbar kein Anlaß für Faktor- bewegungen von Land zu Land bestünde, zeigt eine genaue Überlegung, daß auch unter solchen Bedingungen Wanderungen für die Wirtschaftssubjekte vorteilhaft sein können. Wenn nämlich Wanderungen dazu führen, daß sich in einem Land diejenigen Wirtschaftssubjekte zusammenfinden, die eine hohe Präferenz für Staatsleistungen haben, und im anderen Land sich alle Wirt- schaftssubjekte ansiedeln, die den Wert der Staatsleistungen gering ein- schätzen, so wird die Wohlfahrt aller Wirtschaftssubjekte in beiden Ländern erhöht. Das ist darauf zurückzuführen, daß Staatsleistungen nicht handelbar und transportabel sind. Anderenfalls würden die unterschiedlichen Präferen- zen der Wirtschaftssubjekte für Staatsleistungen durch den internationalen Handel ausgeglichen. 533. Daraus ergibt sich unmittelbar, daß eine ungleichmäßige Verteilung von Steuern und Staatsleistungen zwischen den Wirtschaftssubjekten (hier als ,,Einkommensredistribution im weiteren Sinne" bezeichnet) zusätzliche Wan- derungsimpulse auslösen muß. Tragen bestimmte Kategorien von Wirt- schaftssubjekten wenig Steuerlasten, obwohl sie viel Staatsleistungen erhal- ten, so muß es andere Kategorien geben, für die das Umgekehrte gilt. Soweit nicht die Abgrenzung und Behandlung dieser Kategorien im In- und Ausland übereinstimmen, besteht ein Anreiz für Wirtschaftssubjekte der ersten Kate- gorie, aus dem Ausland zuzuwandern, und ein Anreiz für Wirtschaftssubjekte der zweiten Kategorie, ins Ausland abzuwandern. Während die zuerst (Ziffer 532) erörterte Wanderung ein von allen vorgezogenes Gleichgewicht ermög- licht, gilt das für die hier betrachteten Wanderungen nicht. Sie schränken die Möglichkeiten der Einkorn mensredistribution im weiteren Sinne mehr und mehr ein, da die Zahl der durch sie begünstigten Wirtschaftssubjekte der ersten Kategorie im Inland zunimmt, während die Wirtschaftssubjekte der zweiten Kategorie zahlenmäßig abnehmen, so daß immer höhere Steuern er- forderlich würden, um die Einkommensredistribution weiter zu ermöglichen.

Hier handelt es sich um destabilisierende Wanderungen, die auch dann in

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

430 Hans Möller

Betracht gezogen werden müssen, wenn sich die Steuerlast einerseits und die Staatsleistungen andererseits in dem Sinne entsprechen, daß die Staatslei- stungen in ihrer Gesamtheit den vollen Gegenwert für die auf die aufgebrach- ten Steuern bilden. 534. Mit beiden Arten von Wanderungen (Ziffer 532/33) werden wir uns nicht im einzelnen beschäftigen, weil sie für die Beurteilung des Ursprungs- und Bestimmungslandprinzips ohne große Bedeutung sind. Die unterschied- liche Verteilung der Steuerlast und der positiven Wirkungen der Staatsaus- gaben zwischen den Wirtschaftssubjekten eines Landes, die einen besonders wichtigen Anlaß für Faktorbewegungen bildet, interessiert uns in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Außenhandels mit Faktorleistungen. Dann kommt es offenbar vor allem darauf an, wie die Steuerlast und die positiven Wirkungen der Staatsleistungen zwischen den inländischen im Inland einge- setzten, den inländischen im Ausland beschäftigten und den ausländischen im Inland tätigen Faktoren verteilt sind. Eine Verletzung des Äquivalenz- prinzips hinsichtlich der Verteilung der Steuerlast und der Staatsleistungen zwischen diesen Faktoren muß nämlich zu künstlichen Faktorbewegungen führen, die vermutlich destabilisierend wirken.

Wie generelle Steuern auf die eben unterschiedenen Kategorien von Fak- toren wirken, kann aus den bisherigen Überlegungen unmittelbar geschlossen werden. Die generelle Einzelhandelsteuer (mit Ergänzungen), die proportio- nale Produktionsteuer mit B-Prinzip und die Faktoreinsatzsteuer belasten die Wirtschaftssubjekte bei der Einkommens Verwendung, von der verein- fachend unterstellt wird, daß sie am Wohnsitz konzentriert ist. Durch diese Steuern werden also die inländischen Wirtschaftssubjekte betroffen, gleich- viel, ob sie ihre Leistungen im Inland oder Ausland einsetzen. Die reine gene- relle proportionale Produktionsteuer (also mit Ursprungslandprinzip) belastet dagegen die im Inland tätigen in- und ausländischen Faktoren. 535. Vergegenwärtigt man sich diese Steuerwirkungen, so entscheidet sich die Frage nach der Äquivalenz von Steuerzahlung und Staatsleistungen offen- bar daran, ob die positiven Wirkungen der Staatsleistungen den Wohnsitz (Standort) oder den Einsatzort der Faktorleistung attraktiver machen. Diese Unterscheidung deckt sich mit derjenigen zwischen „konsumtiven" und „pro- duktiven" Wirkungen von Staatsausgaben.

Eine solche Unterscheidung wird zwar in der Finanzwissenschaft zuweilen getroffen. Aus Gründen, die hier nicht interessieren, werden jedoch die Wirkungen der Staatsausgaben in der Finanzwissenschaft weit weniger behandelt als die Steuerwirkungen. Infolgedessen gibt es keine gängige Lehre, auf die hier zurück- gegriffen werden könnte. Da aber die skizzierte Aufteilung der Wirkungen von Staatsausgaben für die hier zu untersuchende Problematik essentiell ist, kann diese Frage nicht umgangen werden.

Ob die staatlichen Leistungen mehr den Standorten oder mehr den Ein- satzorten zugute kommen, ob sie also mehr konsumtiven oder produktiven Charakter haben, ist eine Tatfrage, die sich gleichwohl empirisch vorläufig nicht entscheiden läßt und die auch von der Wissenschaft verschieden beant- wortet wird. Reine Einkommensübertragungen können hier außer acht blei- ben. Sie lassen sich, zumindest gedanklich, in Geld ausgedrückt den Faktoren

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 431

zurechnen, denen sie zufließen. Sozialversicherungen können ähnlich behan- delt werden. Auf solche Transferzahlungen entfallen heute 30-40 v.H. der Staatsausgaben. Sie binden keine Produktionsfaktoren. Auf die eigentlichen Staatsausgaben für Güter und Dienste entfallen 40-60 v. H. der Staatsaus- gaben oder 12-18 v.H. des Bruttosozialproduktes. Das ist ein sehr hoher Be- trag, dessen Wirkung keinesfalls vernachlässigt werden kann.

Eine empirische Untersuchung der Schwierigkeiten, die Wirkungen der Staatsausgaben zu beurteilen, ist hier nicht beabsichtigt. Um die weiteren Überlegungen trotzdem konkret zu gestalten, soll angenommen werden, daß sich die Staatsleistungen je zur Hälfte auf konsumtive und produktive Zwecke verteilen - eine Annahme, die die weiteren Überlegungen erleichtert und als mittlere Lösung richtiger sein dürfte als jede extreme Aufteilung. 536. Wie schlagen sich konsumtive und produktive Staatsleistungen im ge- samtwirtschaftlichen Kreislauf nieder? Konsumtive Staatsleistungen erhöhen die Vorzüge der Wohnorte der Wirtschaftssubjekte. Um keine begriffliche Ver- wirrung zu stiften, soll der Ausdruck ,, Realeinkommen" für den Realwert des nominellen Einkommens in marktgängigen Gütern und Diensten reserviert werden. Obwohl schwerfälliger, soll künftig von „Realeinkommen einschließ- lich Staatsdienste" gesprochen werden, wenn die positiven Wirkungen der Staatsausgaben für die Konsumenten und ihre Standorte mit berücksichtigt werden.

Die produktiv wirkenden Staatsausgaben verbessern die Qualität der Einsatzorte der Faktorleistungen, also der Produktionsstandorte. Das bedeu- tet, daß die Produktionsmöglichkeiten an diesen Orten günstiger werden, oder anders ausgedrückt: Die Produktion erfordert weniger Kosten, weil das physische Grenzprodukt der Faktoren steigt. Die Faktoren erzielen deshalb bei gleichen Preisen für die erzeugten Güter höhere Einkommen, oder die Güterpreise sinken bei gleichen Nominaleinkommen der Faktoren. Welche von beiden möglichenWirkungen eintritt, ist eine Frage der monetären Anpassung. 537. Für die weiteren Erwägungen ist es zweckmäßig, die Bestimmungs- gründe für die Faktorbewegungen genauer zu fassen.

Ein Wirtschaftssubjekt mit Standort im Land A vergleicht zwecks Ent- scheidung über eine mögliche Auswanderung nach B die in A und B erziel- baren Faktoreinkommen (vom Produzenten gezahlt) abzüglich etwa zu zah- lender Steuern (= Nettoeinkommen) und die in A und B geltenden Preise (das ermöglicht die Kalkulation des Nettorealeinkommens) sowie die an den Standorten in A und B erhältlichen Staatsdienste. Wenn das Nettorealein- kommen einschließlich Staatsdienste in B um so viel höher als in A bewertet wird, daß die Differenz die Translokationskosten zuzüglich einer relativ hohen Risikospanne deckt, so findet die Wanderung von A nach B statt.

Für den Faktorexport aus A kommt es dagegen im Grenzfall (wenn das Einkommen vollständig in A ausgegeben wird) auf den Vergleich der nomi- nellen Faktoreinkommen in A und B sowie auf die Steuern an, die einerseits in A und B bei einer Tätigkeit in B und Beibehaltung des Wohnsitzes in A und andererseits bei einer Tätigkeit in A zu zahlen sind. Übersteigt die nominelle Differenz der nominellen Nettoeinkommen die anfallenden Translokations-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

432 Hans Möller

hosten (einschließlich etwaiger Mühen und Nachteile infolge der Verschieden- keit von Wohn- und Einsatzort), so ist ein Faktorexport lohnend. Das im Aus- land erzielbare Faktoreinkommen wird bei Konvertierbarkeit zum offiziellen Wechselkurs umgerechnet.

Für den Faktorleistungen nachfragenden Produzenten kommt es auf das von ihm zu zahlende Faktoreinkommen zuzüglich etwaiger Steuern an. Wenn dieses Bruttoeinkommen für ausländische Faktoren niedriger liegt, wird er gerade ausländische Faktoren nachfragen. Allerdings muß das Bruttoein- kommen auf die Leistung bezogen werden. Wenn die Grenzproduktivität eines Ausländers um 10 v. H. unter der eines Inländers bleibt, so ist dieser für den Produzenten selbst dann teurer, wenn dessen Bruttoeinkommen um 5 v. H. niedriger als das eines Inländers ist. 538. Die Berücksichtigung der Staatsleistungen bei der Analyse von Steuer- wirkungen wirft weiter die Frage auf, wie die volkswirtschaftliche Zielsetzung der „Preisniveau- oder Geldwertstabilität" zu interpretieren ist. Wenn Staats- leistungen zumindest teilweise die Standorte qualitativ verbessern, so wäre eine Güterpreiserhöhung als Folge einer gleichzeitigen Ausdehnung der Staats- leistungen nicht notwendigerweise eine Geldwertverschlechterung, da die Wirtschaftssubjekte an ihren Standorten ja in den Genuß unentgeltlicher Staatsleistungen gelangen. Die Sicherung der Stabilität der Güterpreise allein würde in diesem Fall vielleicht eine allzu strenge Interpretation der Geld- wertstabilität sein. Dieser zusätzliche Aspekt muß jedenfalls beachtet werden, wenn etwa Präferenzen für bestimmte steuerliche Eegelungen damit begrün- det werden sollen, daß sie der Preisniveaustabilität förderlich seien.

54. Generelle proportionale Produktsteuern bei Beweglichheit der Produktionsfaktoren

541. Wir betrachten unsere Weltwirtschaft mit zwei Ländern und unter- stellen, daß Land A eine alleinige generelle proportionale Produktsteuer ein- führt. Entsprechend den neuen Modellannahmen haben wir die Staatslei- stungen, die in Land A mit den Steuererträgen finanziert werden, zu berück- sichtigen. Ferner wird freier Außenhandel mit Faktorleistungen unterstellt, und die Transportkosten bleiben außer acht. Im Gleichgewicht, vor Einfüh- rung der Produktsteuer in A, bestand vollständige Übereinstimmung zwischen den nominellen und realen Preisen und Einkommen in beiden Ländern. 542. Zunächst wird unterstellt (abweichend von der für die wirtschafts- politischen Schlußfolgerungen zugrunde gelegten Annahme), daß die Staats- leistungen den Faktoren vollständig bei der überwiegend am Standort kon- zentrierten Einkommens Verwendung zugute kommen, also die Vorzüge allein der Standorte (und nicht der Einsatzorte) der Faktoren erhöhen. Äquivalenz zwischen Steuerbelastung und empfangenen Staatsleistungen würde dann eine Besteuerung der Einkommen am Wohnsitz der Träger von Produktionsfakto- ren oder eine Besteuerung der von ihnen gekauften Güter notwendig machen. Mit anderen Worten: aus der Unterstellung über die Wirkung der Staatslei-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 433

stungen folgt unmittelbar eine Vorzugstellung der Besteuerung des Faktor- einsatzes oder des Verbrauches.

Bei einer generellen proportionalen Produktionsteuer mit Ursprungs- landprinzip ergäbe sich, daß die im Ausland eingesetzten inländischen Fak- toren Staatsdienste an ihrem Standort erhielten, ohne zu deren Finanzierung beizutragen. Umgekehrt wären die im Inland eingesetzten ausländischen Fak- toren steuerlich belastet, ohne dafür Staatsdienste zu erhalten, die voraus- setzungsgemäß nur den Standorten und nicht den Einsatzorten zugute kom- men.

Die Vorzugstellung der Einzelhandelsteuer (und auch der Faktoreinsatz- steuer) folgt einzig und allein aus der Unterstellung, daß die Staatsleistungen den Standorten und nicht den Einsatzorten zugute kommen. Nimmt man umgekehrt an, daß alle Staatsleistungen den Einsatz der Faktoren am Ein- satzort begünstigen, also eine allgemeine produktionsfördernde Wirkung haben, so ergibt sich eine Vorzugsstellung der reinen Produktionsteuer (im Sinne des U-Prinzips), was besonders deutlich wird, wenn man bei gleichem Preisniveau eine Erhöhung der Nominaleinkommen als Folge der Staatsaus- gaben betrachtet. Diese Erhöhung der Nominaleinkommen wird dann gerade durch die Senkung der Nominaleinkommen als Folge der Produktionsteuer kompensiert, so daß im Endeffekt die Preis- und Lohnniveaus in A und B gleichbleiben. Bei einer Einzelhandelsteuer in A würden die Nominalein- kommen der Faktoren in A als Folge der Staatsausgaben ebenfalls steigen. Die ausländischen im Inland tätigen Faktoren wären begünstigt, und die im Ausland beschäftigten inländischen Faktoren wären benachteiligt.

Verteilen sich die positiven Wirkungen der Staatsausgaben je zur Hälfte auf die Standorte und Einsatzorte der Faktoren, bestünde die ideale Lösung offenbar in einer Kombination von generellen proportionalen Einzelhandel- und reinen Produktionsteuern.

543. Betrachten wir nunmehr eine generelle proportionale Einzelhandel- steuer, die ohne Faktorbewegungen lediglich die Endpreise der Güter in A erhöhen und die übrigen Preise und Einkommen in A und B nicht berühren würde.

Sofern die Vorteile aus den mit den Steuererträgen finanzierten Staats- leistungen im Land A auch den Einsatzorten der Faktoren zugute kommen, profitieren dadurch die in A eingesetzten ausländischen Faktoren, während die im Ausland eingesetzten Faktoren aus A benachteiligt werden. Soll trotz- dem ein Gleichgewicht ermöglicht werden, so müßten die Einkommen der ausländischen Faktoren im Inland einer Ausgleichsteuer unterworfen werden, und auf die im Ausland verdienten Einkommen inländischer Faktoren wären Prämien zu zahlen. Ausgleichsteuer und Prämien müßten gleich hoch sein und dem Umfang der Vorteile aus Staatsleistungen für Einsatzorte entspre- chen. Hier ergibt sich also eine Berechtigung für die (ausgleichende) Besteue- rung der Inlandseinkommen ausländischer Faktoren. Die Wirkung der Aus- gleichsteuer und der Prämie kann aber sehr viel einfacher und sachgerechter durch Umwandlung von entsprechenden Teilen der Einzelhandelsteuer in eine Produktionsteuer erzielt werden (vgl. Ziffer 542).

28 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 3

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

434 Hans Möller

544. Betrachten wir nunmehr eine als Produktionsteuer erhobene und durch Anwendung des B-Prinzips wirtschaftlich in eine Steuer auf Konsum und Investition verwandelte Produktsteuer. Berücksichtigt man wiederum, daß die Staatsleistungen zur Hälfte den Einsatzorten der Faktoren zugute kom- men, so zeigt sich, daß auch hier eine Ausgleichsteuer auf Faktorimporte und eine Prämie für Faktorexporte erforderlich wäre. Die gleiche Wirkung könnte dadurch erzielt werden, daß die Einfuhrausgleichsteuer und die Steuerbefrei- ungen und -rückvergütungen auf Exporte entsprechend unter den im Inland geltenden Steuersatz reduziert werden, so daß teilweise das U-Prinzip gilt. Ein nicht vollständiger Ausgleich der inneren Besteuerung an der Grenze be- kommt also einen bisher nicht beachteten ökonomischen Sinn. Wie wirkt eine solche Regelung im einzelnen? Eine 20prozentige Produktionsteuer in A mit lOprozentiger Einfuhrausgleichsteuer und Steuerbefreiung beim Export würde bei Konstanz des ausländischen Preisniveaus zu einer Erhöhung der Güterpreise in A um 10 v. H. führen. Der restliche Teil der Produktionsteuer kann ohne Preissteigerung aufgefangen werden, denn die Hälfte der Staats- ausgaben wirkt produktionsfördernd und würde an sich eine Einkommens- steigerung ermöglichen, die als Folge der Produktionsteuer unterbleibt. Die ausländischen im Inland eingesetzten Faktoren werden also durch die Steuer nicht betroffen, während die im Ausland eingesetzten inländischen Faktoren eine Realeinkommensminderung von 10 v.H. hinnehmen müssen, die ebenso wie bei den übrigen Inländern durch zusätzliche Staatsdienste am Wohnort ausgeglichen wird.

545. Die Betrachtung einer reinen Produktionsteuer erübrigt sich, da sie zu keinen neuen Erkenntnissen führt. Als Ergebnis ist demnach folgendes fest- zuhalten:

Bei Faktorbewegungen und genügend hohem Mobilitätsgrad der Fakto- ren und unter der Voraussetzung, daß die mit den Steuern finanzierten Staats- leistungen teils den Wohnorten, teils den Einsatzorten der Faktoren zugute kommen, führen generelle proportionale Produktsteuern nur dann zu einem Gleichgewicht (und damit zu einem Handelsoptimum), wenn die Produktion- steuern teils den Konsum und die Investitionen und teils die Produktion be- lasten. Die anteilige Belastung von Verbrauch und Produktion kann entweder durch die Kombination einer Einzelhandelsteuer mit einer reinen Produktion- steuer (U-Prinzip) oder durch eine Produktionsteuer mit unvollständiger An- wendung des B-Prinzips erreicht werden. Andernfalls müßten die Produkt- steuern bei Geltung des B-Prinzips durch eine Ausgleichsteuer auf im Inland erzielte Einkommen ausländischer Faktoren und eine Prämie auf im Ausland verdiente Einkommen inländischer Faktoren ergänzt werden. Bei Geltung des U-Prinzips müßte umgekehrt der Faktorimport durch eine Prämie be- günstigt und der Faktorexport durch eine Ausgleichsteuer gehemmt werden.

Die Unterscheidung zwischen Produktion- und Einzelhandelsteuern, die bei Unbeweglichkeit der Produktionsfaktoren und genereller proportionaler Besteuerung keine güterwirtschaftliche Bedeutung besaß, erhält bei Beweg- lichkeit der Faktoren einen ganz bestimmten Sinn. Die Staatsleistungen kön- nen entweder den Konsum (genauer: die Wohlfahrt der Konsumenten) oder

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 435

die Produktion begünstigen. Eine Produktionsteuer bei Produktionsbegün- stigung ist neutral, während sie bei Konsumbegünstigung die Inlandproduk- tion durch Förderung der Faktorexporte und Hemmung des Faktorimports erschwert. Eine Einzelhandelsteuer oder Anwendung des B-Prinzips ist bei Konsumbegünstigung neutral, während sie bei Produktionsbegünstigung den Faktorimport fördert und den Faktorexport hindert, so daß die inländische Produktion gefördert wird. 546. Vorstehende Ergebnisse gelten unabhängig davon, ob die Wechselkurse fixiert sind oder frei fluktuieren. Die Wechselkursregelung beeinflußt lediglich die monetären Anpassungen. Anders als im Modell ohne Faktorbewegungen kann dagegen das B-Prinzip nicht mehr durch eine Abwertung ersetzt wer- den, weil dies das Gleichgewicht der Faktormärkte stören würde. In A werde eine 20prozentige generelle proportionale Produktionsteuer erhoben und zur Hälfte, also mit einer lOprozentigen Einfuhrausgleichsteuer nebst Steuer- befreiung und -rückvergütung auf Exporte, das B-Prinzip angewendet; auf diese Weise sei ein Gleichgewicht beider Länder zustande gekommen. Ersetzt man unter diesen Bedingungen das B -Prinzip durch eine Abwertung der oc- Währung, wie dies bei Außenhandel allein mit Gütern ohne güterwirtschaft- liche Wirkungen möglich ist, so ergäbe sich bei gleichbleibenden Nominal- löhnen in A und B eine nominelle und reale Einkommensminderung für in A eingesetzte Faktoren aus B und eine entsprechende Einkommenserhöhung für die in B tätigen Faktoren aus A. Das Gleichgewicht auf den Faktormärk- ten wäre gestört. Die ohne Faktorbewegungen gegebene Äquivalenz zwischen Anwendung des B-Prinzips und Abwertung besteht bei Außenhandel mit Faktorleistungen also nicht mehr. Die Anwendung des B-Prinzips hat den Vorzug, daß sie das internationale Gleichgewicht auf den Faktormärkten (und nicht nur auf den Gütermärkten) unberührt läßt. 547. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß bei Besteuerung in A und B die produktionsfördernden Wirkungen der Staatsleistungen in v. H. des Sozialproduktes möglicherweise annähernd gleich (z.B. 5 v.H.) sein könnten. Wenn das der Fall sein sollte, ließen sich die gesamten Staatsleistungen so behandeln, als ob sie nur konsumtive Wirkungen hätten. Belaufen sich die gesamten Staatsleistungen in A auf 10 v. H. und in B auf 15 v. H. des Sozial- produktes und werden sie durch eine generelle proportionale Faktoreinsatz- steuer finanziert, so entspricht die Belastungsdifferenz für die Einkommens- bezieher an ihren Standorten in A und B (= 5 v. H.) genau der Differenz zwi- schen den effektiv empfangenen Staatsleistungen zugunsten von Standorten. Die Abweichung vom Äquivalenzprinzip ist in beiden Ländern gleich, so daß sich die daraus resultierenden Wirkungen kompensieren.

55. Generelle Faktorsteuern bei Faktorbewegungen, Steuerprogression und Doppelbesteuerung

551. Die Ergebnisse der Analyse von Produktsteuern können insoweit un- mittelbar auf Faktorsteuern angewendet werden, als die Produktionsteuer (= Wertschöpfungsteuer) zugleich eine Faktor verwendungsteuer darstellt und

28*

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

436 Hans Möller

die Faktoreinsatzsteuer den Konsum und die Investition der inländischen Faktoren ebenso wie eine Einzelhandelsteuer oder die Anwendung des B- Prinzips belastet. Insbesondere gilt auch hier, daß eine Kombination von Faktoreinsatzsteuer und Produktionsteuer notwendig ist, wenn die Staats- leistungen sowohl den Standorten als auch den Einsatzorten der Faktoren zugute kommen.

Die Einkommen der inländischen Faktoren aus inländischer Tätigkeit werden dann z. B. mit je 10 v. H. bei den Produzenten (durch die Produktion- steuer) und den Einkommensbeziehern (durch die Faktoreinsatzsteuer) be- steuert. Die Einkommen inländischer Faktoren im Ausland werden nur mit 10 v. H. erfaßt, und ebenso werden die Einkommen von Ausländern im Inland mit 10 v.H. belastet. Die Staatsausgaben in Höhe von 20 v.H. des Volksein- kommens werden zur Hälfte konsumtiv verwendet und insoweit von den in- ländischen Einkommensbeziehern finanziert. Die andere Hälfte wirkt pro- duktionsfördernd und mag eine Güterpreissenkung zur Folge haben, die eine Aufwertung bedingt. Dadurch erhalten importierte Faktoren, obwohl der Inlandspreis der Faktoren wegen der Steuer sinkt, in ausländischer Währung das gleiche Faktoreinkommen wie zuvor. Der Faktorexport von Inländern andererseits wird nicht künstlich gefördert, weil die Inländer entsprechend der Faktorpreissenkung im Inland (als Folge der Faktorverwendungsteuer) auch eine Faktorpreissenkung im Ausland wegen der Aufwertung hinnehmen müssen. Für die Faktorpreissenkung werden sie durch die Güterpreissenkung im Inland entschädigt, während sie für die Einkommensteuer sonstige Vor- teile ihres Standortes als Folge der Staatsleistungen genießen. Die produk- tionsfördernde Wirkung der Staatsausgaben kann sich selbstverständlich auch in steigendem Nominaleinkommen bei konstanten Güterpreisen niederschla- gen. Die Faktorbewegungen werden dadurch nicht anders betroffen als im erstgenannten Fall.

552. Vorstehende Aussagen beziehen sich vorerst nur auf generelle propor- tionale Faktorsteuern. Bei generellen Produktionsteuern ist die Vorstellung einer gleichmäßigen Besteuerung üblich, obwohl theoretisch auch bei solchen Steuern eine Progression (etwa zur Höherbelastung von Großbetrieben) denk- bar wäre. Bei generellen Faktoreinsatzsteuern ist dagegen eine gleichmäßige proportionale Besteuerung aller Einkommen sehr selten. Bei Schedulen- steuern, die die einzelnen Einkommensarten gesondert erfassen, besteht die Tendenz, den Steuersatz nach Einkommensarten zu differenzieren und etwa Einkommen aus Kapitalvermögen stärker zu besteuern als Arbeitseinkom- men. Mit derartigen Differenzierungen der Besteuerung werden wir uns in § 57 befassen. Bei der heute mehr und mehr üblichen synthetischen Einkommens- besteuerung tritt aber noch eine weitere Differenzierungsmöglichkeit auf, die hier berücksichtigt werden muß: die Steuerprogression. 553. Die progressive Faktoreinsatzsteuer hebt zunächst die Gleichmäßigkeit der Besteuerung für jede einzelne Einkommensart auf (wenn man sich etwa vorstellt, daß alle Einkommensbezieher jeweils nur eine Art von Faktorein- kommen haben). Sie besteuert höherwertige Faktorleistungen höher als solche, die einen niedrigeren Wert haben. Das würde unsere Überlegungen nicht stö-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 437

ren, wenn wir unterstellen könnten, daß sich die konsumtive Inanspruch- nahme von Staatsleistungen an den Standorten nach der Höhe des Einkom- mens richtet (in dem Sinne, daß sie mit der Höhe des Einkommens im gleichen Maße wie der Steuersatz wächst), so daß die Äquivalenz zwischen gezahlter Steuer und empfangener Staatsleistung durch die Progression gerade herge- stellt wird.

Die Steuerprogression hebt aber auch die Gleichmäßigkeit der Besteue- rung zwischen verschiedenen Arten von Faktoreinkommen auf. Nimmt man jedoch an, daß sich die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen nach der Höhe des Gesamteinkommens des Einkommensbeziehers richtet, so bewirkt die Zusammenfassung der verschiedenen Einkünfte für die Ermittlung des Progressionssatzes ebenfalls keine Komplikationen. Zwar ist es dann unmög- lich, das Nettoeinkommen (nach Steuerabzug) zu ermitteln, das der Ein- kommensbezieher auf verschiedenen Faktormärkten erzielt; denn der gesamte Steuerbetrag läßt sich nicht auf die einzelnen Arten von Faktoreinkommen aufteilen. Aber für die hier allein relevanten wirtschaftlichen Dispositionen des Einkommensbeziehers auf den Faktormärkten ist das unerheblich. Diese richten sich nämlich nach den marginalen Nettoeinkommen (nach Steuer- abzug), die bei Einsatz verschiedener Faktorleistungen verdient werden kön- nen. Die Relationen zwischen den verschiedenen Faktoreinkommen werden nicht davon berührt, ob der auf sie anzuwendende Steuersatz wegen der Pro- gression höher oder niedriger ist.

554. Die Einkommensteuerprogression ist hier also nur insoweit von Bedeu- tung, als sie - was sie in der Regel gerade bezweckt - die Äquivalenz zwischen bezahlter Steuer und empfangener Staatsleistung beseitigt, so daß sie eine Redistributionswirkung hat. Es handelt sich in diesem Zusammenhang um eine binnenwirtschaftliche Redistribution der Nominaleinkommen nach Steuerabzug, die allein zwischen den inländischen Faktoren und unabhängig von der in- oder ausländischen Herkunft ihrer Einkommen vorgenommen wird. Das wird deshalb betont, weil selbst bei einer proportionalen Einkom- mensteuer Redistributionswirkungen auftreten, sofern die entsprechenden Staatsleistungen nicht nur den Standorten, sondern auch den Einsatzorten der Faktoren zugute kommen. Dann werden nämlich die ausländischen Fak- toren zu Lasten der inländischen Faktoren begünstigt. Wie wir gesehen haben, stört eine solche außenwirtschaftliche Redistribution das internationale Gleichgewicht, wenn die Mobilität der Faktoren groß ist; sie führt zu wirt- schaftlich unzweckmäßigem Außenhandel mit Faktorleistungen.

Liegt nur eine binnenwirtschaftliche Redistribution vor, so entstehen bei Mobilität der Faktoren nur Anreize zu Wanderungen, aber keine spezifischen Anreize zu zusätzlichem Außenhandel mit Faktorleistungen. Auf die Proble- matik von Wanderungen aus solchen Anlässen ist bereits hingewiesen worden (Ziffer 533). Für die weiteren Überlegungen reicht es aus, auch bei Steuer- progression eine Äquivalenz zwischen Steuerzahlungen und Wert der empfan- genen Staatsleistungen zu unterstellen. Generelle und gleichmäßige Faktor- einsatzsteuer bedeutet also nicht mehr notwendigerweise eine einheitliche proportionale Steuer, sondern schließt auch eine Steuerprogression ein, soweit

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

438 Hans Möller

sich der Empfang von Staatsleistungen nach der Höhe des Einkommens rich- tet, die eine Person erzielt.

Der gleiche Grundsatz könnte offenbar auch für Faktorverwendung- steuern in Form von Produktionsteuern gelten. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß die Annahme, die Produktionsvorteile auf Grund staatlicher Leistungen nähmen mit steigender Wertschöpfung des Unternehmers progressiv zu, weni- ger wahrscheinlich ist als die Annahme progressiv zunehmender Konsum- tionsvorteile (aus Staatsleistungen) bei steigendem Individualeinkommen. Es ist naheliegend, hier eine proportionale Beziehung zu unterstellen und die Äquivalenz zwischen Steuer und Staatsleistung bei einer gleichmäßigen pro- portionalen Faktor verbrauchsteuer als gegeben anzusehen.

555. Als weiteres Problem der Faktorbesteuerung ist die internationale Doppelbesteuerung zu erörtern. Da hier von der Existenz juristischer Perso- nen abgesehen wird, entsteht eine Doppelbesteuerung nur dadurch, daß die Steuerbehörde den vom Standort verschiedenen Einsatzort der Faktoren gleichwohl als Standort behandelt. Ein in A tätiger Arbeiter aus B muß z.B. in A ebenso wie ein Arbeiter aus A eine Faktoreinsatzsteuer zahlen.

Ebenso wie je nach der produktiven oder konsumtiven Wirkung der Staatsleistungen Einzelhandel- bzw. Faktoreinsatzsteuern oder Produktion- steuern die Äquivalenz zwischen Steuer und empfangener Staatsleistung auf- heben können, kann auch die Doppelbesteuerung diese Äquivalenz stören. Das wäre nur dann nicht der Fall, wenn keine Äquivalenz bestünde und die Doppelbesteuerung gerade diese Äquivalenz herbeiführte. Wie bereits dar- gelegt, ist bei einer reinen Produktionsbesteuerung (U-Prinzip) eine Aus- gleichsteuer für den Faktorexport und eine Prämie für den Faktorimport erforderlich (Ziffer 544), um unerwünschte Faktorbewegungen als Folge mangelnder Äquivalenz zwischen Steuer und Staatsleistung auszugleichen. Bei reiner Besteuerung des Verbrauchs (B-Prinzip) oder des Faktoreinsatzes wäre dagegen eine Prämie auf den Faktorexport und eine Ausgleichsteuer auf Faktorimporte notwendig (Ziffer 543).

Diese Wirkung kann bei einer 20prozentigen Faktoreinsatzsteuer offen- bar durch eine geringere Besteuerung (von z. B. 10 v. H.) der im Ausland ver- dienten Einkommen von Inländern und einer Ausgleichsteuer von 10 v.H. auf ausländischen Faktoreinkommen im Inland herbeigeführt werden. Die Belastung der ausländischen Einkommen im Inland stellt also insoweit keine Doppelbesteuerung dar, als ihr eine dem ausländischen Steuerpflichtigen zugute kommende positive Wirkung inländischer Staatsausgaben gegenüber- steht. Gleiches würde bei reiner Produktionsbesteuerung für eine Ausgleich- steuer für im Ausland verdiente Einkommen von Inländern gelten, zu der dann eine partielle Rückvergütung von Faktorverwendungsteuern für inlän- dische Faktoreinkommen von Ausländern hinzutreten müßte.

556. Besteht dagegen ohne Ausgleichsteuer eine volle Äquivalenz zwischen generellen Steuern und empfangenen Staatsleistungen und geht man gleich- zeitig davon aus, daß die Staatsleistungen sowohl konsumtive als auch pro- duktive Wirkung haben, so muß eine Kombination von generellen proportio- nalen Faktoreinsatz- (bzw. Einzelhandel-) und reinen Produktionsteuern an-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 439

gewendet werden. Eine solche Kombination möge in A und B verwirklicht sein, und es möge ein internationales Gleichgewicht existieren.

Besteuert nun A mit seiner Faktoreinsatzsteuer auch die in A von Fak- toren aus B verdienten Einkommen, als ob die Faktoren aus B ihren Standort in A hätten, so wirkt diese Doppelbesteuerung offenbar wie ein Zoll auf Fak- torimporte. Geht B ebenso vor, so ergibt sich eine beträchtliche Einschrän- kung des Außenhandels mit Faktorleistungen. Unter den hier gemachten Annahmen bedeutet die Gleichbehandlung der in- und ausländischen Fakto- ren im Land A nur eine scheinbare Gleichbehandlung und eine materielle Differenzierung, die die Äquivalenz von Staatsleistungen und Steuerzahlung aufhebt.

Die zur Vermeidung der Doppelbesteuerung getroffenen internationalen Vereinbarungen dürften in der Kegel an dieser ungünstigen Wirkung wenig ändern1. Die Ausschließung der Einkommen aus Faktorexport bei Ermitt- lung der heimischen Steuer (Ausschließungsmethode) widerspricht dem Grundsatz, daß der Umfang der empfangenen Staatsleistungen vom Ein- kommen am Standort abhängig ist; das gleiche gilt für die Anrechnungs- methode, bei der das Einkommen aus Faktorexport bei der Steuerermittlung berücksichtigt, aber die im Ausland abgeführte Steuer auf die im Inland fällige Steuer angerechnet wird.

56. Unterschiedliche Beweglichkeit der Produktionsfaktoren 561. Bisher wurde eine unterschiedliche Beweglichkeit der Produktions- faktoren nicht berücksichtigt, obwohl sie tatsächlich besteht. Unterscheidet man die Faktoren: Kapital, Unternehmer, Spezialisten, Arbeit und Boden, so gibt die vorstehende Keihenfolge, ausgehend von der jeweils stärksten Mobi- lität, die ungefähre Rangordnung nach dem Grade der Mobilität der Faktor- leistungen im Außenhandel an.

Die Wirkungen unterschiedlicher Mobilität von Produktionsfaktoren sollen am Beispiel des Kapitals demonstriert werden, für das volle Mobilität unterstellt wird, während alle anderen Faktoren vereinfachend als unbeweg- lich angesehen werden. Dann ergibt sich zunächst unmittelbar, daß das Nominaleinkommen und Realeinkommen der unbeweglichen Faktoren von Land zu Land differieren können und daß insoweit die zwischen den Ländern bestehenden Abweichungen vom Prinzip der Äquivalenz zwischen Steuer- belastung und empfangenen Staatsleistungen irrelevant werden. Das bedeutet jedoch keineswegs, daß sich die Preise (Einkommen) für diese unbeweglichen Faktoren willkürlich bilden und daß Abweichungen vom Äquivalenzprinzip innerhalb eines jeden Landes die Einkommensbildung und die Produktions- zusammensetzung nicht beeinflussen.

Für den beweglichen Faktor Kapital gilt dagegen, daß ohne Besteuerung das Nominaleinkommen in A und B und damit auch das Realeinkommen (da die Güterpreise in A und B übereinstimmen) gleich hoch sein müssen, wenn ein Gleichgewicht Zustandekommen soll

1 Das mag für die (hier nicht untersuchten) juristischen Personen nicht gelten.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

440 Hans Möller

562. Wird nun das Äquivalenzprinzip in A verletzt, indem z. B. für die pro- duktiv wirkenden Staatsleistungen keine kompensierende Produktionsteuer bestellt, und werden dadurch Faktorbewegungen von B nach A induziert und solche von A nach B gehemmt, so können sich diese offenbar nur in Kapital- bewegungen zeigen. Der Produktionsfaktor Kapital wird in A weniger knapp, und alle kapitalintensiven Produktionszweige werden in A begünstigt und in B benachteiligt.

Die beschriebene Regelung impliziert offensichtlich eine indirekte Prämie auf den Kapitalimport nach A, der dort das Einkommen des Kapitals senkt, aber gleichwohl die Produktionsmöglichkeiten infolge eines reichlicheren Kapitalangebots verbessert. Die mit einer generellen proportionalen Faktor- einsatzsteuer belasteten inländischen Kapitalbesitzer müssen infolgedessen eine unangemessen hohe „Steuerlast" (trotz proportionaler Sätze) tragen, vermindert sich doch ihr Einkommen als Folge der Steuerregelung, während die Einkommen der anderen Faktoren sogar steigen. 563. Als allgemeines Ergebnis ist festzuhalten: Bei sehr unterschiedlichem Mobilitätsgrad der Faktoren werden die besonders mobilen inländischen Fak- toren benachteiligt, wenn die Besteuerung das Äquivalenzprinzip zugunsten ausländischer Faktoren verletzt, und begünstigt, wenn dies zugunsten der inländischen Faktoren geschieht (wie z.B. bei einer generellen Produktion- steuer ohne steuerliche Belastung des Faktorexports, obwohl konsumtiv wir- kende Staatsausgaben getätigt werden). Das bedeutet zugleich, daß sich die relative Lage der weniger mobilen Faktoren in umgekehrter Richtung ändert. Ein sehr unterschiedlicher Mobilitätsgrad der Faktoren hat bei Verletzung des Prinzips der Äquivalenz zwischen Steuer und Staatsleistung die Wirkung, daß selbst generelle proportionale Steuern den Charakter spezieller Faktoren- steuern bekommen.

57. Spezielle Steuern bei Beweglichkeit der Produktionsfaktoren

571. Ob und inwieweit die Besteuerung eines bestimmten Produkts die Ein- kommen der Produktionsfaktoren verändert, hängt wesentlich davon ab, welcher Teil des Gesamtangebotes der verschiedenen Faktoren zur Erzeugung dieses Produktes benötigt wird und welche Substitutionsmöglichkeiten zwi- schen den Faktoren bestehen (Ziffer 241). Zweifellos ist die Unternehmerlei- stung für die Herstellung eines bestimmten Produktes ein spezifischer Faktor, dessen Einkommen sinken wird. Aber auch die Einkommenssätze anderer Produktionsfaktoren mögen fallen.

Werden nur Güter international gehandelt, so ist der Rückgang der Pro- duktion und damit auch die Einkommensminderung für spezifische Produk- tionsfaktoren, die zur Herstellung eines besteuerten Produktes benötigt wer- den, beim U-Prinzip größer als beim B-Prinzip. Da keine Faktorbewegungen über die Grenze vorkommen, können sich die Lohnsätze der Produktions- faktoren im In- und Ausland verschieden gestalten.

Finden dagegen Faktorbewegungen statt, so wird die mögliche Differenz zwischen in- und ausländischen Lohnsätzen durch Wanderungen und Außen-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 441

handel mit Faktorleistungen eingeschränkt. Im Grenzfall, bei vollständiger Mobilität der spezifischen Faktoren und Vernachlässigung jeglicher Trans- portkosten, müssen die Lohnsätze im In- und Ausland sogar übereinstimmen und können sich als Folge einer speziellen, in A erhobenen Produktsteuer nur in A und B zugleich und im gleichen Ausmaß vermindern. Damit wird die Erzeugung des besteuerten Produktes in B stärker gefördert und in A mehr gehemmt, als es bei Außenhandel allein mit Waren der Fall wäre. Das gilt unabhängig davon, ob für die Produktsteuer in A das U-Prinzip oder das B-Prinzip gilt.

In der Wirklichkeit spielen die hier dargelegten Zusammenhänge keine allzu große Eolie, obwohl sie in Einzelfällen Bedeutung erlangen können. Meist sind Produktion und Verbrauch des besteuerten Gutes im Vergleich zum Sozialprodukt relativ gering. Ferner ist die Mobilität der Produktionsfaktoren häufig beschränkt und gerade Faktoren, die verhältnismäßig beweglich sind (z.B. Kapital), gehören selten zu den spezifischen Faktoren. 572. Spezielle Faktorsteuern können entweder die Faktoren treffen, die zur Herstellung eines bestimmten Produktes bzw. in einer bestimmten Branche eingesetzt sind, oder sie können bestimmte Faktoren belasten, unabhängig davon, wo sie eingesetzt werden. Im ersten Fall sind die Wirkungen offenbar die gleichen wie bei der korrespondierenden speziellen Produktsteuer. Im zweiten Fall, also z.B. bei einer speziellen Faktorsteuer auf Zinseinkommen in A, treten neuartige Wirkungen auf, die genauer betrachtet werden müssen. 573. Belastet in A eine Faktoreinsatzsteuer alle Zinseinkommen, die von Inländern in A und B verdient werden, so wird das Kapitalangebot in A zu- rückgehen, weil Kapitalbesitzer nach B wandern. Der Zinssatz wird in A steigen und in B fallen. Die Produzenten in A werden ausländisches Kapital importieren, dessen Zinserträge in A nicht besteuert werden. Bei voller Mobi- lität der Kapitalbesitzer würde der Zinssatz in A und B schließlich nahezu unverändert bleiben, und alle Kapitalbesitzer würden ihren Wohnsitz nach B verlegt haben, um auf diese Weise der speziellen Faktorsteuer in A zu ent- gehen. Ist dagegen die Mobilität des Kapitals sowohl in A als auch in B gewissen Beschränkungen unterworfen, so werden die nichtbeweglichen Kapi- talbesitzer in A eine Senkung des Nettoeinkommens nach Steuerabzug hin- nehmen müssen, denn der Zinssatz in A wird nicht wesentlich steigen können, weil sonst Kapitalimport aus B (der ohne Wohnsitzverlegung möglich ist) einsetzen würde.

Allerdings wird die spezielle Faktoreinsatzsteuer in der Regel durch eine Sondersteuer auf Einkommen aus Faktoreinsatz von Ausländern im Inland ergänzt. Eine solche Ergänzungsteuer wirkt wie ein Zoll, da der inländische Zinssatz entsprechend der Verminderung des inländischen Kapitalangebots über den ausländischen Zinssatz steigt und durch Kapitalimport aus dem Ausland nicht heruntergedrückt werden kann. Das hat zur Folge, daß im Inland alle Produkte, deren Erzeugung kapitalintensiv ist, mit vergleichs- weise höheren Kosten belastet werden. 574. Wird die spezielle Faktorsteuer als Faktorverwendungsteuer erhoben, so daß alle im Inland verdienten Zinseinkommen von In- und Ausländern

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

442 Hans Möller

erfaßt werden, so wird zwar ein Druck auf die inländischen Zinssätze unver- meidlich, der jedoch den Kapitalexport anregt und ein stärkeres Sinken der Zinssätze verhindert. Hier werden die inländischen Produzenten durch die Steuern unmittelbar belastet, während sie bei der Faktoreinsatz- und Ergän- zungsteuer gegebenenfalls höhere Faktorlöhne zu zahlen haben. Würde die Faktorverwendungsteuer auf Faktoreinkommen von Inländern aus Kapital- export ergänzt, so besteht offenbar kein wesentlicher Unterschied zu einer Faktoreinsatzsteuer mit Ergänzungsteuer.

6. Schlußfolgerungen hinsichtlich des Ursprungs- und des Bestimmungslandprinzips

61. Allgemeine Ergebnisse

611. Die Bedeutung des Ursprungs- und die des Bestimmungslandprinzips sind grundverschieden, je nachdem, ob es sich um spezielle Steuern auf ein- zelne unter vielen Waren oder um generelle Steuern handelt. Die Beurteilung beider Prinzipien allein anhand von Beispielen aus dem Bereich spezieller Steuern muß infolgedessen zu falschen, zumindest aber unvollständigen Er- gebnissen führen. Das ist besonders gefährlich, wenn auf Grund einer solchen Beurteilung wirtschaftspolitische Empfehlungen ausgesprochen werden (§§ 42, 44, 45). 612. Die Bedeutung des Ursprungs- und des Bestimmungslandprinzips für generelle Steuern läßt sich nur im Gesamtsystem der generellen Steuern er- fassen. Eine isolierte Behandlung beider Prinzipien allein anhand von gene- rellen Produktsteuern führt immer dann zu irreführenden und unvollständi- gen Ergebnissen, wenn Faktorbewegungen eine größere Bedeutung haben (§ 54). 613. Sofern Außenhandel mit Faktorbewegungen eine Eolie spielt, kann die Bedeutung des Ursprungs- und des Bestimmungslandprinzips für generelle Steuern nicht zutreffend dargestellt werden, wenn nicht auch die Wirkungen der Staatsausgaben auf die Wohlfahrt und die Produktionsmöglichkeiten der Wirtschaftssubjekte in die Betrachtung einbezogen werden (Ziffer 524, § 53). 614. Die Beurteilung des Ursprungs- und des Bestimmungslandprinzips für generelle Steuern erfordert also eine totale Analyse des gesamtwirtschaft- lichen Kreislaufes unter Einschluß der Einnahmen und Ausgaben des Staates. Dagegen ist für die Beurteilung beider Prinzipien für spezielle Steuern eine partielle Analyse ausreichend, deren Ergebnisse allerdings nicht für generelle Steuern verallgemeinert werden dürfen (§64).

62. Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip bei speziellen Steuern

621. Bestanden in der Ausgangslage ein Handelsoptimum und ein Produk- tionsmaximum, so hat die Einführung jeder speziellen Steuer zur Folge, daß in den internationalen Beziehungen entweder das Handelsoptimum (beim

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 443

Bestimmungslandprinzip) oder das Produktionsmaximum (beim Ursprungs- landprinzip) nicht mehr verwirklicht wird (§44, 45). Die Wirkungen beider Prinzipien sind im übrigen innerhalb eines jeden Landes und zwischen In- und Ausland symmetrisch (siehe Tabelle 6, unten). 622. Für einen „Gemeinsamen Markt" ergibt sich aus diesen Zusammen- hängen, daß die Einführung oder die Erhebung von speziellen Steuern durch ein Land des Gemeinsamen Marktes die Belange des Gesamtmarktes und damit der anderen Mitgliedsländer unmittelbar berühren kann. Infolgedessen wäre eine Konsultationsverpflichtung zwischen den Mitgliedern eines Gemein- samen Marktes erwünscht, damit sichergestellt wird, daß spezielle Steuern eines Landes den Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigen. 623. Die Frage, ob für spezielle Steuern unter den Aspekten des Gemein-

Tabelle 6

Eine spezielle Produktionsteuer in A

beim begünstigt benachteiligt

Urspr.- Prinz. Einfuhr und Inlandsver- Einfuhr und Inlandsver- sorgung in A, sorgung in B, Ausfuhr und Produktion Ausfuhr und Produktion in B in A

Best.- Prinz. Ausfuhr und Produktion Ausfuhr und Produktion in A, in B, Einfuhr und Inlandsver- Einfuhr und Inlandsver- sorgung in B Versorgung in A

samen Marktes das U- oder das B-Prinzip angewendet werden sollte, läßt sich nicht generell beantworten. In diesem Zusammenhang ist vielmehr zu beach- ten, daß spezielle Steuern sehr verschiedenen Zwecken dienen können. 624. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß vor Einführung einer speziellen Steuer möglicherweise keineswegs ein Handelsoptimum oder Produktions- maximum bestand, und daß die spezielle Steuer das Ziel verfolgen kann, die Volkswirtschaft näher an ein Handelsoptimum oder Produktionsmaximum heranzuführen. Es würde hier zu weit führen, alle theoretisch denkbaren Fälle abzuhandeln, in denen spezielle Steuern dieses Ziel verwirklichen könn- ten. Lediglich an spezielle Steuern zur Beeinflussung der Marktpolitik von Monopolen oder zur Angleichung privatwirtschaftlicher an volkswirtschaft- liche Kosten sei erinnert. In diesen Zusammenhang gehören auch spezielle Steuern als Gegenposten für Staatsleistungen, die nur bestimmten Gruppen von Wirtschaftssubjekten zugute kommen.

Soweit spezielle Steuern solchen Zwecken dienen sollen, muß ohnehin geprüft worden sein, ob der Steuerzweck besser mit Hilfe des U- oder des B-Prinzips erreicht werden kann. Wollte man in solchen Fällen aus irgend- welchen grundsätzlichen, mit dem Steuerzweck nicht zusammenhängenden Erwägungen das eine oder das andere Prinzip für verbindlich erklären, so

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

444 Hans Möller

liefe dies möglicherweise auf die nicht vertretbare Forderung hinaus, das In- strument der Besteuerung für die hier genannten wirtschaftspolitischen Ziele nicht mehr einzusetzen. 625. Spezielle Steuern können ferner den Zweck haben, eine von den indivi- duellen Wertschätzungen abweichende gesellschaftliche Präferenzskala (z. B. Eindämmung des Alkoholkonsums) oder eine bestimmte Einkommensver- teilung (z.B. Einkommensminderung für erwerbstätige Hausfrauen, etwa um diese der Familie zu erhalten) durchzusetzen. Auch hier wird sich aus der wirtschaftspolitischen Zielsetzung, zu deren Verwirklichung das Instrument der speziellen Steuer verwendet werden soll, eindeutig ergeben, ob das U- oder das B-Prinzip erforderlich ist. Ebenso wie im vorgenannten Fall muß es gegebenenfalls den Konsultationen zwischen den Mitgliedsländern eines Ge- meinsamen Marktes überlassen bleiben, im Einzelfall festzustellen, ob die spezielle Steuer, gleichviel, ob das U- oder das B-Prinzip angewandt werden soll, die Herstellung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes be- einträchtigt. 626. Lediglich wenn die spezielle Steuer keinen der eben erwähnten wirt- schaftspolitischen Zwecke verfolgt, sondern allein der Beschaffung von Mit- teln zur Bestreitung von allgemeinen Staatsausgaben dienen soll, läßt sich die allgemeine Vermutung begründen, daß sie unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten (und zwar sowohl unter nationalen als auch unter weltwirt- schaftlichen Aspekten) abzulehnen ist. Zwar wird man davon ausgehen kön- nen, daß die ausgewählte spezielle Steuer zumindest den Vorzug relativ ge- ringer Erhebungskosten aufweist und daß ihre Nebenwirkungen relativ gering sind; jedoch dürfte nur selten eine wohlabgewogene und umfassende wirtschaftspolitische Würdigung aller Steuerwirkungen vorliegen.

Bei derartigen speziellen Steuern ist im allgemeinen nur das B-Prinzip anwendbar. Wird die betreffende Ware im Inland nicht oder nur in geringer Menge erzeugt, so würde die Anwendung des U-Prinzips einen zu geringen Steuerertrag abwerfen. Wird die Ware dagegen in großer Menge im Inland produziert und exportiert, so würde das U-Prinzip im Vergleich zum steuer- losen Zustand den Import fördern und den Export hemmen, wozu keinerlei Anlaß besteht. In einem aus mehreren bisher autonomen Volkswirtschaften neu aufzubauenden „Gemeinsamen Markt" sollten spezielle Produktsteuern allein zur Beschaffung von Finanzierungsmitteln für Staatsausgaben ganz abgeschafft und durch generelle Steuern ersetzt werden. Eine Entscheidung für oder gegen das U- oder das B-Prinzip würde sich dann erübrigen. 627. Sofern in einem Gemeinsamen Markt im gegenseitigen Einvernehmen der Mitgliedsländer in einzelnen dieser Länder spezielle Steuern nach dem B-Prinzip erhoben werden sollen, entsteht das Problem der technischen Durchführung, die sicherstellen muß, daß die Steuererhebung die Verwirk- lichung des Produktionsmaximums nicht behindert. Eine Einzelhandelsteuer, die zur Verwirklichung des B-Prinzips zunächst in Betracht kommt, ist nur dann anwendbar, wenn keine große Gefahr der Steuervermeidung durch Direktbezug im Ausland besteht. Ist diese Gefahr beträchtlich oder wird gar einer Produktionsteuer mit Einfuhrausgleichsteuer und Steuerbefreiungen

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 445

bzw. -rückvergütungen beim Export der Vorzug gegeben, so erfordert das B-Prinzip eine eigene Grenzkontrolle, während die Zollkontrolle mit dem Abbau der Zölle innerhalb des Gemeinsamen Marktes überflüssig wird. Die mit einer besonderen Grenzkontrolle verbundenen beträchtlichen Kosten werden auf lange Sicht die Neigung einzelner Länder verringern, spezielle Steuern mit B-Prinzip einzuführen.

Damit müssen nicht notwendigerweise die speziellen Steuern ganz abge- schafft werden. Vielmehr sind auch Kompromisse etwa der Art zu erwarten, daß sich die Länder eines Gemeinsamen Marktes darauf einigen, gewisse spe- zielle Steuern in jedem Land mit annähernd gleichen Sätzen zu erheben. In solchen Fällen erübrigen sich Einfuhr- Ausgleichsteuern sowie Steuerbefrei- ungen und -rückvergütungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes, so daß auf eine Grenzkontrolle ganz verzichtet werden kann. Lediglich gegenüber dritten Ländern außerhalb des Gemeinsamen Marktes wäre dann das B-Prinzip bei- zubehalten, dessen technische Durchführung hier ohnehin keine besonderen Probleme aufwirft.

63. U- und B-Prinzip bei generellen proportionalen Steuern

631. Wenn Faktorbewegungen nicht in Betracht gezogen werden müssen, wäre die wirtschaftspolitische Stellungnahme zur Frage des U- und B-Prin- zips bei generellen proportionalen Steuern relativ einfach.

Im Abschnitt 4 ist gezeigt worden: a) daß generelle proportionale Steuern mit gleichen Sätzen unmittelbar auf

Verbrauch und Investition (Einzelhandelsteuer) oder unmittelbar auf die Produk- tion (Produktionsteuer mit U-Prinzip) oder mittelbar auf Verbrauch und Investition (Produktionsteuer mit B-Prinzip) letztlich die gleichen güterwirtschaftlichen Wir- kungen haben und sich nur in ihren monetären Wirkungen unterscheiden (§42);

b) daß die monetären Wirkungen einer Produktionsteuer mit B-Prinzip einer- seits und einer Produktionsteuer mit U-Prinzip bei gleichzeitiger Abwertung der Währung andererseits übereinstimmen und auf eine nominelle Erhöhung der Güter- preise bei Konstanz der Preisrelationen und der nominellen Faktoreinkommen hinauslaufen (§43);

c) daß bei fixiertem Wechselkurs eine Produktionsteuer mit U-Prinzip im Grenzfall bei Konstanz der nominellen und realen Güterpreise nur die nominellen Faktoreinkommen sinken läßt, während eine Einzelhandelsteuer lediglich die nominellen Güterpreise beim Endabsatz an Verbraucher (Konsumenten und In- vestoren) erhöht (Ziffer 434);

d) daß bei flexiblen Wechselkursen jede Lösung zwischen den Grenzfällen der Abs. b) und c) möglich ist und das Ausmaß der Abwertung von der Stärke der Preis- auftriebstendenzen im In- und Ausland abhängt.

Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß bei Außenhandel nur mit Gütern und nicht mit Faktorleistungen die Anwendung des U- oder des B- Prinzips auf generelle proportionale Steuern eine Angelegenheit der monetä- ren Politik darstellt und auch in einem Gemeinsamen Markt allein im Hin- blick auf die Ziele, Möglichkeiten und Grenzen einer gemeinsamen Konjunk- tur- und Wechselkurspolitik zu beurteilen wäre (Ziffer 434). 632. Angesichts der Bedeutung, die der Außenhandel mit Faktorleistungen heute schon erlangt hat und künftig gerade in einem Gemeinsamen Markt bei

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

446 Hans Möller

schrittweiser Erweiterung der Freizügigkeit für Menschen und Kapital er- langen wird, dürfen Faktorbewegungen bei der Beurteilung des U- und des B-Prinzips nicht einfach vernachlässigt werden. Bezieht man Faktorbewe- gungen in die Überlegung ein, so entfällt schon bei generellen proportionalen Steuern die Möglichkeit, die Anwendung des U- und des B-Prinzips als In- strument einer Art indirekter Wechselkurspolitik zu interpretieren und zu behandeln. Das folgt allein aus der Tatsache, daß eine Wechselkursänderung das Niveau der Güterpreise und Faktoreinkommen gegenüber dem Ausland verändert, während die Ersetzung des U-Prinzips durch das B-Prinzips bei einer Produktionsteuer lediglich das Niveau der Güterpreise im Verhältnis zum Ausland erhöht und das Faktoreinkommensniveau zunächst unberührt läßt (Ziffer 546).

Die Aussage, daß U- und B-Prinzip bei Beachtung von Faktorbewegun- gen nicht allein unter monetären Aspekten beurteilt werden können, schließt jedoch keinesfalls aus, daß beide Prinzipien unterschiedliche monetäre Wir- kungen haben. Die Einführung einer Produktionsteuer mit U-Prinzip wird immer (mit und ohne Faktorbewegungen) die Stabilität der Preise und Wech- selkurse weniger und das konjunkturelle Klima und Wachstumstempo mehr gefährden als eine Produktionsteuer mit B-Prinzip. 633. Zu den monetären Wirkungen des U- und des B-Prinzips treten, wenn Faktorenbewegungen in die Betrachtung einbezogen werden, noch weitere Wirkungen, die mit der unterschiedlichen Bedeutung von inländischen Staats- leistungen für im In- und Ausland tätige Inländer und im Inland tätige Aus- länder zusammenhängen. Diese können nur dann vernachlässigt werden, wenn man unterschiedlichen Staatsleistungen überhaupt keine Bedeutung für die wirtschaftlichen Dispositionen der Wirtschaftssubjekte über ihren Wohnort und den Einsatzort ihrer Faktorleistung zubilligen würde oder wenn der Mobilitätsgrad der Faktoren so gering wäre, daß Unterschiede in der Be- steuerung und in den empfangenen Staatsleistungen ohnehin keine Faktor- bewegungen auslösen. Beides widerspricht schon heute der täglichen Erfah- rung; also erscheint es angebracht, Faktorbewegungen zu berücksichtigen und dabei den Einfluß von Steuern und Staatsleistungen auf Faktorbewegun- gen in Rechnung zu stellen, zumal erwartet werden muß, daß sie künftig an Bedeutung gewinnen werden.

Faktorbewegungen werden offenbar dann ausgelöst, wenn die Steuer- belastung und die ihnen entsprechenden Vorteile aus Staatsleistungen für die je nach Standort und Einsatzort ihrer Faktorleistung unterschiedlichen Grup- pen von Wirtschaftssubjekten nicht äquivalent sind (Ziffer 536, 537). Solche Faktorbewegungen sind nachteilig, da sie durch staatliche Eingriffe hervor- gerufen werden.

Für die Äquivalenz zwischen Steuerbelastung und Vorteilen aus empfan- genen Staatsleistungen ist vor allem bedeutsam, wie sich die Vorteile der letz- teren auf die verschiedenen, hier interessierenden Gruppen von Wirtschafts- subjekten (im In- und Ausland tätige Inländer, im Inland tätige Ausländer) verteilen. 634. Bei annähernd gleichem Mobilitätsgrad der Faktoren und bei gleich-

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 447

mäßiger Verteilung der Vorteile aus allgemeinen Staatsleistungen auf die Ein- satzorte der Faktoren (Produktion) und ihre Wohnorte (Konsumtion) erfor- dert das Äquivalenzprinzip eine gleichmäßige Besteuerung des Konsums und der Investition einerseits (etwa mit Hilfe einer Einzelhandelsteuer oder einer Produktionsteuer mit B-Prinzip oder mit einer Faktoreinsatzsteuer) und der Produktion andererseits (Produktionsteuer mit U-Prinzip). Die wichtigste Schlußfolgerung aus dieser Erkenntnis läßt sich so formulieren: Bei Faktor- bewegungen und bei Verteilung der Vorteile aus Staatsleistungen sowohl auf Einsatzorte als auch Standorte der Faktoren ist jede generelle Entscheidung zugunsten nur des U-Prinzips oder nur des B-Prinzips nicht zu begründen; vielmehr kommt es gerade auf eine vernünftige Kombination beider Prinzi- pien an (§§ 54, 55). 635. Allerdings ist zu beachten, daß sich diese Aussage nicht mehr allein auf Produktsteuern, sondern auf alle generellen (hier und vorläufig noch pro- portionalen) Produkt- und Faktorsteuern bezieht. Da die Produktsteuer mit B-Prinzip durch eine äquivalente Faktoreinsatzsteuer (Belastung der im In- und Ausland erzielten Einkommen inländischer Faktoren) ersetzt werden kann und da viele andere Gründe für ein gemischtes Steuersystem sprechen, läßt sich folgende Empfehlung begründen: In einem annähernd gleichmäßig gemischten System genereller proportionaler Faktor- und Produktsteuern sollte die Produktsteuer mit U-Prinzip angewendet werden, da die erforder- liche Wirkung des B-Prinzips in einem solchen System am einfachsten durch die Faktoreinsatzsteuer herbeigeführt wird. 636. Aus diesen Überlegungen folgt im übrigen, daß das Mischungsverhält- nis direkter und indirekter genereller und proportionaler Steuern wirtschaft- liche Eelevanz besitzt, wobei allerdings die Produktsteuern mit B-Prinzip zu den direkten Steuern gerechnet werden müssen und der Faktorimport nicht etwa durch gesonderte Besteuerung der inländischen Einkommen von Aus- ländern diskriminiert sein darf. Unter diesen Bedingungen gilt, daß der Fak- torimport um so stärker gehemmt und der Faktorexport um so stärker geför- dert wird, je mehr der Anteil der indirekten Steuern mit U-Prinzip an den Gesamtsteuern den Anteil der produktionsfördernden Staatsausgaben an den Gesamtausgaben übersteigt.

64. Differenzierende generelle Produkt- und Faktorsteuern und unterschiedlicher Mobilitätsgrad der Faktoren

641 . Die Entscheidung zugunsten des U-Prinzips für Produktsteuern beruht auf folgenden drei Voraussetzungen:

1. daß die im In- und Ausland verdienten Einkommen inländischer Wirt- schaftssubjekte durch eine generelle Faktoreinsatzsteuer besteuert werden;

2. daß die Produkt- und Faktoreinsatzsteuern generell und proportional sind und

3. daß der Mobilitätsgrad der Faktoren annähernd gleich ist. Während die erste Voraussetzung in der Empirie meist erfüllt ist, gilt

dies für die beiden anderen Voraussetzungen nicht.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

448 Hans Möller

Der unterschiedliche Mobilitätsgrad der Faktoren hat zur Folge, daß sich generelle Verletzungen der Äquivalenz von Steuern und Vorteilen aus Staats- leistungen gerade bei den mobilen Faktoren auswirken und daß sich die realen Faktoreinkommen mobiler Faktoren nach Steuerabzug international stärker angleichen als die übrigen Faktoreinkommen. Generelle proportionale Faktor- und Produktsteuern wirken dann wie spezielle Faktorsteuern - ein Beispiel für die auch sonst geltende Erfahrung, daß generelle wirtschaftspolitische Maßnahmen als Folge unterschiedlicher Keaktionen der davon betroffenen Wirtschaftssubjekte den Charakter spezieller und differenzierender Maßnah- men haben (§ 56).

Das ist von um so geringerer Bedeutung, je weniger das Äquivalenzprin- zip verletzt wird und je weniger der Außenhandel mit Faktorleistungen als An- passungsmechanismus dienen muß. Wenn etwa die Einführung neuer Steuern oder die Änderung bestehender Steuern das Gleichgewicht der Preis- und Lohnniveaus zwischen den Ländern stört, werden zum Teil vorübergehende Güter- und Faktorbewegungen zur Wiederherstellung eines Gleichgewichts ausgelöst. Bei solchen Anpassungsvorgängen kann die unterschiedliche Mobi- lität einzelner Faktoren ungünstige Folgen haben.

642. Im übrigen stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die unterschiedliche internationale Mobilität der Faktoren in einem Gemeinsamen Markt als un- vermeidliches Datum aufgefaßt und die daraus resultierenden Abweichungen vom Handelsoptimum und Produktionsmaximum als unvermeidliche Folge einer liberalen Wirtschaftsverfassung im genannten Gemeinsamen Markt hin- genommen werden sollen. Für diese Betrachtungsweise spricht die Tatsache, daß innerhalb der bestehenden Volkswirtschaften der Mobilitätsgrad der Fak- toren ebenfalls sehr unterschiedlich ist und keine generellen wirtschaftspoli- tischen Maßnahmen getroffen werden, um solche Unterschiede zu neutrali- sieren (mit der Folge, daß die Wirtschaft sich regional sehr unterschiedlich entwickeln kann). Vertritt man diesen Standpunkt, so ergibt sich daraus - ebenso wie für nationale Wirtschaftsräume - auch für den Gemeinsamen Markt als Ganzes die Notwendigkeit, allzu unerwünschten unterschiedlichen Entwicklungen einzelner Kegionen durch eine zielbewußte regionale Wirt- schaftspolitik entgegenzuwirken.

Auf der Grundlage einer solchen Konzeption kann die unterschiedliche Mobilität der einzelnen Faktoren vernachlässigt werden. Im übrigen sprechen auch andere Erwägungen dafür, die Äquivalenz zwischen Steuerbelastung und Vorteilen aus Staatsleistungen möglichst weitgehend zu verwirklichen und aus der Besteuerung folgende monetäre Störungen zu vermeiden, womit zugleich die Nachteile unterschiedlicher Faktormobilität auf ein Minimum begrenzt würden.

643. Besondere Schwierigkeiten der Analyse und Beurteilung entstehen dadurch, daß in der Empirie generelle proportionale Steuern nur selten anzutreffen sind und die speziellen Steuern sehr zahlreich, gewichtig und in ihren Wirkungen von- einander abhängig sein können. Dann aber kommen alle abgeleiteten und relativ leicht erfaßbaren Wirkungen genereller proportionaler Steuern nicht zustande; unter solchen Bedingungen entfällt auch die Möglichkeit, die generellen differen- zierenden und die speziellen Steuern partiell zu analysieren. Vielmehr wird eine

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 449

totale Analyse der gesamten Volkswirtschaft erforderlich, bei der sich vielleicht noch die eine oder andere „größere" spezielle Steuer auf ein Produkt oder einen Faktor berücksichtigen läßt, bei der aber die vielen Einflüsse der zahlreichen ,, kleineren" speziellen Steuern gedanklich nicht mehr bewältigt werden können. (Als spezielle Steuern gelten im folgenden auch nach Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz unterschiedliche Steuern auf Produkte und Faktoren, die administrativ und steuer- technisch Bestandteil einer generellen differenzierenden Steuer sind.)

Als einziger Ausweg bietet sich der Versuch, die bestehenden verschieden- artigen Steuern wenigstens näherungsweise gedanklich so zusammenzufassen, daß sie der Analyse zugänglich werden. Dabei wird man selbstverständlich auch andere Steuern und sogar Zölle und ähnliche Angaben mit berücksichtigen. Bestünden in der Empirie generelle proportionale Steuern und dazu einige spezielle Steuern auf Faktoren und Produkte, so ließen sich deren Wirkungen (und nur deren Wirkungen) in der Art untersuchen, wie es in den Abschnitten 4 und 5 getan wurde, und die Wirkungen anderer Steuern (und zwar sowohl von Produkt- und Faktorsteuern als auch von nicht unmittelbar produkt- und faktorbezogenen Steuern) könnten gesondert betrachtet werden. Muß man jedoch die bestehenden Steuern zunächst gedanklich umformen und zusammenfassen, um überhaupt mit einer erfolgreichen Analyse ansetzen zu können, liegt es nahe, alle einigermaßen wichtigen Steuern und eventuell auch Zölle einzubeziehen, weil gerade das die notwendige Umformung und Zusammenfassung erleichtern könnte. Lediglich Steuern für spezielle Ausgaben und Steuern mit dem Zweck, eine Annäherung an das Handelsoptimum und Pro- duktionsmaximum zu erleichtern, werden aus der Überlegung ausgeschaltet.

Das Ziel der Umformung und Zusammenfassung besteht darin, aus den vor- handenen Steuern gedanklich ein Steuersystem zu konstruieren, in dem näherungs- weise nur noch generelle proportionale Produkt- und Faktorsteuern sowie einige spezielle Steuern auf Produkte und Faktoren vorkommen. Eine solche Trans- formation kann nur dann als gelungen gelten, wenn Zahl und Bedeutung der noch „übrigbleibenden" speziellen Steuern so gering sind, daß sie partiell untersucht werden können.

644. Gelingt die eben beschriebene Transformation der bestehenden Steuern, so lassen sich die Wirkungen des Steuersystems so erfassen, wie es in den Abschnit- ten 4 und 5 beschrieben wurde. Im einzelnen ergibt sich dann (§§ 54, 55):

a) Generelle proportionale Steuern vermindern das reale Nettoeinkommen der Wirtschaftssubjekte aus der privaten Güterproduktion und aus Dienstleistungen, soweit nicht produktionsfördernde Wirkungen der allgemeinen Staatsausgaben kompensatorisch wirken; sie haben ferner monetäre Wirkungen.

b) Ob generelle proportionale Steuern Weifare- Wirkungen haben, hängt davon ab, ob die Äquivalenz zwischen Steuern und empfangenen Staatsleistungen für die drei Gruppen von Faktoren (im Inland tätige Inländer, im Inland tätige Ausländer und im Ausland tätige Inländer) verletzt wird. Dafür ist die Mischung von Steuern auf Faktoreinsatz und Einkommensverwendung einerseits und Produktion (mit U-Prinzip) andererseits maßgebend; diese Mischung muß der Verteilung der Wir- kungen allgemeiner staatlicher Ausgaben auf konsumtive und produktive Wirkun- gen ungefähr entsprechen. Eine zuverlässige Schätzung dieser Aufteilung ist nicht möglich, so daß ohne stichhaltige Begründung des Gegenteils eine gleichmäßige Aufteilung unterstellt werden kann.

c) Spezielle Steuern haben im allgemeinen keine monetären, wohl aber Welfare- Wirkungen; bei ihnen läßt sich in der Regel begründen, ob das U- oder das B-Prin- zip angemessen ist (§ 57).

Gelingt die vorstehend beschriebene Transformation der bestehenden Steuern dagegen nicht, so sind allgemeine Aussagen über das U- und B-Prinzip nur in be- grenztem Umfang möglich. Unter solchen Bedingungen bliebe lediglich die Emp- fehlung, das ganze Steuersystem in bezug auf die bestehende Differenzierung und Spezialisierung zu überprüfen und zu reformieren.

29 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 3

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

450 Hans Möller

645. Nachdem der Zweck der Transformation begründet wurde, sollen nun einige technische Probleme erläutert werden, die den Charakter einer solchen Operation verdeutlichen.

Bei generellen differenzierenden Produktsteuern werden in der Regel einige Warengruppen von der Steuer befreit und für bestimmte Gruppen von Produkten besondere Steuersätze angewendet. Unter solchen Bedingungen bleibt nichts anderes übrig, als alle Güter und Dienste gedanklich zusammenzufassen und den am häufigsten vorkommenden und den größten Teilbereich des Sozialprodukts be- treffenden Steuersatz als generellen proportionalen Produktionsteuersatz zu unter- stellen. Selbstverständlich muß gleichzeitig gedanklich in Rechnung gestellt werden, daß die überhaupt nicht oder niedriger besteuerten Produkte eine entsprechende (und umgekehrt wie eine spezielle Steuer wirkende) Prämie erhalten und daß die im Vergleich zum unterstellten Proportionalsatz höher besteuerten Produkte mit einer speziellen Produktionsteuer belastet sind.

Bestehen neben der generellen differenzierenden Produktsteuer noch einzelne spezielle Steuern, so sind sie in diese Betrachtung einzubeziehen, können sie doch aus technischen oder historischen Gründen eine von der generellen Steuer ausge- nommene Ware belasten und somit zur Vervollständigung der generellen Besteuerung dienen.

Daß die kumulative Umsatzsteuer (deutschen Typs) nicht als eine generelle proportionale Produktsteuer zu bezeichnen ist, wurde bereits erläutert (Ziffer 213). Ihre Steuersätze differieren einmal nach großen Produktgruppen (Landwirtschaft, Handel, Industrie). Innerhalb jeder Gruppe mit einheitlichem Steuersatz auf den Preis des Produktes wird die Wertschöpfung bei der Produktion (Durchschnitts- preis abzüglich Vorlieferungen) um so stärker besteuert, je größer die Vorlieferungen sind, deren Wert teils technisch (nämlich von der Art des Produktionsvorganges) und teils gesellschaftlich (nämlich von der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung) bestimmt wird. Je weiter die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung geht, desto höher ist die steuerliche Belastung der Wertschöpfung, weil dann die Vorlieferungen noch durch die häufiger einsetzende Umsatzsteuer wertmäßig erhöht werden. Da diese auch bei gleichartigen Produkten differieren kann, handelt es sich bei der Umsatz- steuer insoweit gar nicht um eine Produkt-, sondern um eine Produzentensteuer, die gewissermaßen den Produktionsfaktor „Dezentralisierung" besteuert.

Will man die Umsatzsteuer deutschen Typs trotz dieser Besonderheiten als Produktsteuer behandeln, so müssen die einzelnen Produkte nach dem Anteil der Vorlieferungen in Gruppen zusammengefaßt und die durchschnittlichen Wert- schöpfungsbelastungen für die einzelnen Gruppen geschätzt werden, wobei noch die Wirkung der Steuerkumulierung näherungsweise veranschlagt werden muß.

646. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Beurteilung, ob auf die gedank- lich kalkulierte generelle proportionale Produktsteuer und die dadurch entstehenden speziellen Steuern und Prämien das U- oder das B-Prinzip angewendet wird. Prinzipiell hat man dabei ebenso vorzugehen wie bei der gedanklichen Trans- formation der Gesamtheit der Produktsteuern in eine generelle proportionale Steuer und dazugehörige spezielle Steuern und Prämien. Wird überwiegend das B-Prinzip angewendet, so wird man den am häufigsten vorkommenden und den größten Teil der Produkte betreffenden Satz der Einfuhrausgleichsteuer und der Steuerbefreiung nebst -rückvergütung auf Exporte der generellen proportionalen Steuer zuordnen und für diese insoweit das B-Prinzip unterstellen. Hinter diesem Satz zurückbleibende oder über ihn hinausgehende Sätze des B-Prinzips sind dann entweder den etwa vorhandenen speziellen Steuern zuzuordnen oder als Einfuhr- zölle und Exportprämien zu behandeln.

647. Zur Verdeutlichung dieser Transformationen, die zur Beurteilung der steuer- lichen Belastungen unerläßlich sind, sei folgendes Zahlenbeispiel betrachtet:

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 451

Bestehende Besteuerung

Ware Steuertyp Proz. Bei. d. Einfuhr- Export- Zeichen Wertschöpfg. ausgl.-St. Vergütung

1 WST lOv.H. lOv.H. lOv.H. WST = Wert- 2 WST 15v.H. lOv.H. lOv.H. schöpfung- 3 WST 25V.H. - 25V.H. Steuer 4 WST 15V.H. lOv.H. 8v.H. SpSt = spe- 5 WST + SpSt 5 + 10 v. H. 5 v. H. 5 v. H. zielle Steuer 6 SpSt lõv.H. 15v.H. 15 v. H. 7 Steuerfrei - - -

Transformierte Besteuerung

Ware Gen. prop. B-Prinzip Spez. St. + Einf. Zoll + Ausf. Zoll + Steuer od. Präm. - od. Präm. - od. Präm. -

1 15 v. H. 10 v H. - 5 v. H. 2 lõv.H. lOv.H. 3 15v.H. lOv.H. -flOv.H. - lOv.H. - löv.H. 4 15 v. H. lOv.H. - - + 2v.H. 5 15V.H. lOv.H. - - 5v.H. + 5 v. H. 6 15v.H. 10 v. H. - + 5v.H. - 5 v. H. 7 15v.H. 10 v. H. - 15 v. H. - lOv.H. - 10 v. H.

Für die Analyse kann man also von einer generellen proportionalen Steuer mit unvollständiger Anwendung des B-Prinzips (zu 2/3) bzw. einer Kombination von Produktionsteuern mit U-Prinzip (zu 1/3) und B-Prinzip (zu 2/3) ausgehen. Dazu kommen dann noch Spezialsteuern auf die Ware Nr. 3 und Prämien auf die Waren Nr. 1 und 7. Aus der tatsächlichen Anwendung von Ausgleichsabgaben bei der Einfuhr und Exportvergütungen bei der Ausfuhr resultieren dann recht differen- zierte Zölle und Prämien auf Ein- und Ausfuhr der Waren Nr. 3-7.

Diese Überlegung zeigt im übrigen, weshalb im Grunde genommen auch die Einfuhr- und Ausfuhrzölle in die Steueranalyse einbezogen werden müssen, weil z.B. Importzölle teilweise als Ersatz für fehlende Einfuhrausgleichsabgaben be- trachtet werden können. 648. Ebenso wie Produktsteuern müssen auch generelle differenzierende und spezielle Faktorsteuern in ein gedankliches System genereller proportionaler Fak- torsteuern und spezieller Faktorsteuern unter Unterscheidung zwischen Einsatz- und Verwendungsteuer transformiert werden. Dabei ist für die zuletzt genannte Unterscheidung unerheblich, ob die Steuer beim Produzenten oder Einkommens- bezieher erhoben wird; vielmehr kommt es darauf an, ob der Faktorexport von Inländern (Faktoreinsatzsteuer) oder der Faktorimport von Ausländern (Faktor- verwendungsteuer) mit erfaßt wird.

Schedulensteuern für die verschiedenen Einkommenskategorien sind als Be- standteile einer generellen proportionalen Faktoreinsatzsteuer zu interpretieren, und Abweichungen in den effektiven Steuersätzen (die sich auch aus unterschied- lichen Freibeträgen usw. ergeben können) sind je nach Lage als spezielle Faktor- steuer oder als spezielle Prämie zu behandeln. Analog ist bei Faktorsteuern zu ver- fahren, die bei den Produzenten erhoben werden.

29*

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

452 Hans Möller

Die Steuerprogression bei der synthetischen Einkommensteuer kann in diesem Zusammenhang außer acht bleiben (vgl. Ziffer 554). Für die generelle Faktorsteuer kann infolgedessen ein durchschnittlicher proportionaler Steuersatz unterstellt werden, sofern nicht einzelne Arten von Faktoreinkommen unterschiedlich belastet werden. Zwar wird eine in den beteiligten Ländern sehr unterschiedlich steile Steuerprogression bei der synthetischen Einkommensteuer ebenfalls Faktorbewe- gungen auslösen; aber diese hängen nicht unmittelbar mit U- und B-Prinzip zusammen und sollen hier vernachlässigt werden.

Besondere Schwierigkeiten bereitet das Problem der Doppelbesteuerung. Schon bei Produkten kann von einer Doppelbesteuerung dann gesprochen werden, wenn dasselbe Produkt von mehreren generellen oder speziellen Steuern erfaßt wird. Für die gedankliche Konstruktion eines Steuersystems, das einer totalen Analyse zugänglich ist, müssen offenbar alle Produktsteuern, die eine Ware be- treffen, zusammengefaßt werden, so als handele es sich um nur eine Steuer. Gleicher- maßen ist bei Faktorsteuern zu verfahren. Dabei müssen die bei den Faktoren selbst und die bei den Produzenten erhobenen Faktorsteuern zusammengefaßt werden, weil sie letztlich denselben Faktor belasten. Ebenso wie bei Produkten ist sorgfältig zu prüfen, ob und inwieweit die aus- und eingeführten Faktorleistungen anders besteuert würden als die im Inland eingesetzten inländischen Faktorleistun- gen. Erst auf Grund einer solchen Prüfung kann entschieden werden, inwieweit güterwirtschaftlich gesehen der Faktoreinsatz oder die Faktorverwendung be- steuert wird. Im Einklang mit der hier gewählten Terminologie wäre eine generelle proportionale Faktorverwendungsteuer zu den Produktionsteuern zu rechnen. Probleme der internationalen Doppelbesteuerung scheiden bei dieser Betrachtung ganz aus. Ob eine solche vorliegt, ist letztlich immer eine Frage der Verletzung des Aquivalenzprinzips zwischen Steuerbelastung und empfangenen Staatsleistungen. 649. Vorstehend ist lediglich die Transformation empirisch gegebener genereller proportionaler und differenzierender sowie spezieller Produkt- und Faktorsteuern in ein der weiteren Analyse zugängliches gedankliches Steuersystem beschrieben worden. In dieses System müssen jedoch auch die sonstigen Steuern eingeordnet werden, die bisher noch nicht erörtert wurden - jedenfalls sofern diesen Steuern eine größere Bedeutung zukommt, so daß sie in einer totalen Analyse der gesamten Volkswirtschaft nicht vernachlässigt werden können. Für diese Steuern erhebt sich somit die Frage, ob und wie sie ihrerseits in eine Besteuerung von Produkten oder Faktoren, gegebenenfalls auch zusätzlicher Tatbestände und Vorgänge, aufgelöst werden können. Von den bisher nicht erfaßten Steuern spielt offenbar die Körper- schaftsteuer eine wichtige Rolle, deren Analyse in dem eben angedeuteten Sinn unerläßlich ist. Eine solche Analyse wird hier jedoch nicht vorgenommen.

65. Allgemeine Würdigung

651. Aus den modelltheoretischen Untersuchungen folgt die auch mit ande- ren Argumenten zu begründende Empfehlung:

Die allgemeinen Staatsausgaben sollten durch eine Mischung von Fak- toreinsatzsteuer (Besteuerung der im In- und Ausland verdienten Einkommen von Inländern) und Produktion- (Wertschöpfung-)steuer gedeckt werden.

Unter welfare-theoretischen Aspekten ergibt sich die weitere Empfeh- lung:

Die Faktoreinsatz- und die Produktionsteuer sollten generell und pro- portional sein, wobei jedoch für die Faktoreinsatzsteuer in Form einer syn- thetischen Einkommensbesteuerung die Progression zuzulassen und deren besondere mit der Einkommensredistribution zusammenhängenden Pro- bleme noch zu untersuchen wären.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 453

Schließlich führten die Überlegungen zu der Forderung: Für die Produktionsbesteuerung ist das B-Prinzip grundsätzlich abzu-

lehnen; vielmehr sollte das U-Prinzip Anwendung finden, das nur insoweit durch eine partielle Anwendung des B-Prinzips zu modifizieren wäre, als der Anteil der konsumtiven Staatsleistungen an den gesamten Staats- leistungen das relative Gewicht der Faktoreinsatzsteuer im Verhältnis zur Produktionsteuer weit übersteigt und eine entsprechende Ausdehnung der Besteuerung der Einkommensverwendung mit Hilfe einer Faktoreinsatz- steuer nicht möglich ist.

Gegen die letzte Schlußfolgerung kann der schwerwiegende Einwand erhoben werden, daß der Außenhandel mit Faktorleistungen keinen so ent- scheidenden Einfluß auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen habe, wie es in den modelltheoretischen Untersuchungen unterstellt wurde, daß überdies die Staatsleistungen nicht quantitativ in konsumtiv und produktiv wirkende Staatsleistungen aufteilbar seien und daß daher die Empfehlung praktisch nicht anwendbar sei.

652. Über den Umfang des Außenhandels mit Faktorleistungen läßt sich streiten, zumal er statistisch nicht einwandfrei erfaßt wird. Unbestritten ist, daß der Mobilitätsgrad der Faktoren und insbesondere der Binnenhandel mit Faktorleistungen je nach Art der Faktorleistung sehr unterschiedlich ist. Großer Beweglichkeit des Kapitals und gewisser Dienstleistungen steht eine relativ geringe Beweglichkeit der Arbeitsleistungen gegenüber. Wenn die Landesgrenzen weiterhin an wirtschaftlicher Bedeutung verlieren, ist nicht einzusehen, weshalb die Mobilität der Faktoren im Binnen- und Außenhandel sich grundsätzlich und erheblich unterscheiden sollte. Ferner hat der Mobili- tätsgrad der Faktoren für den Handel mit Faktorleistungen (also ein Aus- einanderfallen von Wohnort und Einsatzort des Faktors) beträchtlich zuge- nommen und wird weiter zunehmen, wenn die Translokationskosten für Menschen, Güter und Nachrichten weiter sinken, die Arbeitszeit abnimmt und die gesellschaftlichen Lebensformen sich in der bisher beobachteten Richtung weiter ändern.

Insbesondere muß für einen im Entstehen begriffenen Gemeinsamen Markt erwartet werden, daß der Außenhandel mit Faktorleistungen zumindest innerhalb dieses Marktes zunimmt.

Nicht nur über den bestehenden und den zu erwartenden Umfang des Außenhandels mit Faktorleistungen, sondern auch über seine wirtschaftliche Auswirkung auf die internationale Interdependenz der Faktormärkte kann man streiten. Eine Angleichung der Preise auf zwei getrennten Märkten setzt keinesfalls die vollständige Mobilität des gesamten Angebots oder der gesamten Nachfrage auf jedem der beiden Märkte voraus. Vielmehr genügt es, wenn ein Teil des Angebots oder der Nachfrage auf beiden Märkten mobil ist und den Markt mit dem günstigsten Preis aufsucht.

Aus all diesen Erwägungen erscheint es gerechtfertigt, die Problematik des U- und des B-Prinzips unter der Annahme einer größeren Faktormobilität zu betrachten, selbst wenn damit zum Teil eine erst künftig zu erwartende Entwicklung vorweggenommen werden sollte. Im übrigen enthalten unsere

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

454 Hans Möller

Ableitungen auch die sehr viel einfacheren Ergebnisse bei Außenhandel nur mit Gütern (also ohne Faktorbewegungen). 653. Hinsichtlich der Aufteilung der Wirkungen von Staatsleistungen in konsumtive und produktive Wirkungen ist zuzugeben, daß hier ein nur schwer lösbares und deshalb wohl auch von der Finanzwissenschaft ver- nachlässigtes Problem vorliegt. Sicher ist die Annahme ihrer Verteilung je zur Hälfte auf konsumtive und produktive Wirkungen willkürlich. So un- sicher diese Annahme jedoch auch sein mag, sie erlaubt, die logischen Zu- sammenhänge zwischen Steuern auf Einkommen oder Verbrauch und In- vestition oder Produktionsteuern mit B-Prinzip einerseits und Produktion- steuern mit U-Prinzip andererseits herauszuarbeiten. Jedenfalls ist es klarer und richtiger, irgendeine Aufteilung der Wirkungen von Staatsleistungen zu unterstellen, als mit der weit extremeren Annahme zu arbeiten, die Staats- leistungen kämen allen Staatsbürgern oder gar noch allen im Inland tätigen Ausländern gleichmäßig zugute.

Die Willkür der hier gemachten Unterstellung ist im übrigen dadurch bedingt, daß diese Frage bisher nicht untersucht wurde und in dieser Studie nicht untersucht werden kann. Es ist keineswegs ausgeschlossen, mit Hilfe einer detaillierten Untersuchung gewisse Aussagen über die Verteilung der Wirkungen von Staatsleistungen auf Standorte und Einsatzorte zu machen. Insbesondere könnten vergleichende Länderuntersuchungen Anhaltspunkte dafür geben, ob in einem Land die produktiven Wirkungen der Staats- leistungen absolut oder relativ größer oder kleiner sind. Damit wären auch wichtige Anhaltspunkte für die Beurteilung der Steuersysteme gegeben. 654. Selbstverständlich können gegen die hier vorgenommenen Modell- untersuchungen weitere Einwendungen erhoben werden. Sie setzen voll- ständige Konkurrenz voraus, die eine notwendige Bedingung für das Zu- standekommen des Handelsoptimums und Produktionsmaximums darstellt; sie sind ferner im wesentlichen statisch und beziehen sich auf stationäre Volkswirtschaften, und sie machen eine Reihe weiterer restriktiver An tí ahmen.

Bei der hier zu diskutierenden Frage handelt es sich jedoch um die Be- urteilung eines ordnungspolitischen Problems, also einer auf die Dauer zu treffenden wirtschaftspolitischen Maßnahme. Es gilt zu entscheiden, welche steuerlichen Regelungen für den Außenhandel mit Gütern und Faktor- bewegungen überhaupt und in einem Gemeinsamen Markt wirtschafts- politisch zweckmäßig sind. Die Heranziehung der Welfare-Theorie ist für solche Fragestellungen, zumindest als Grundlage, gerechtfertigt und schließt Modifikationen der so gefundenen Lösung nicht aus - zumal es sich um ein generelles Problem handelt, bei dem spezifische Kriterien, wie sie bei Be- trachtung einzelner Branchen erforderlich sein mögen, nicht auftauchen. Die Anwendung der Welfare-Theorie erfordert die Voraussetzung der voll- ständigen Konkurrenz, und diese Voraussetzung schließt erfahrungsgemäß empirisch relevante Schlußfolgerungen nicht aus - so wirklichkeitsfremd sie auch sein mag.

Ähnliches gilt für die statische Gleichgewichtsbetrachtung einer an sich fortschreitenden Wirtschaft, die gerade für ordnungspolitische Überlegungen

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 455

sehr nützlich ist. Die statische Gleichgewichtsbetrachtung wäre nur dann nicht anwendbar, wenn in der sich entwickelnden Volkswirtschaft die Zu- sammenhänge, wie sie diese Betrachtung sichtbar macht, nicht gälten. Selbstverständlich muß die Frage geprüft werden, ob nicht in einer sich ent- wickelnden Volkswirtschaft weitere Zusammenhänge auftauchen, die be- rücksichtigt werden sollten. Diese Frage kann jedoch hier nicht weiter ver- tieft werden.

"Weitere restriktive Annahmen, wie etwa die Unterstellung, daß das Einkommen vollständig am Standort und nicht am Einsatzort der Faktor- leistung ausgegeben (verwendet) wird, oder die Unterstellung sehr geringer und deshalb zu vernachlässigender Transportkosten, schränken zwar die Aussagekraft der Ergebnisse ein, ändern aber nichts an den prinzipiellen Zusammenhängen, auf die es hier ankommt.

66. U- und B-Prinzip im Binnen- und Außenhandel des Gemeinsamen Marktes

661. Die hier abgeleitete und begründete Empfehlung läuft auf eine Ab- lehnung des B-Prinzips hinaus. Würde sie angenommen, so entfiele die Not- wendigkeit, generelle Steuern auf die Produktion an den Binnengrenzen des Gemeinsamen Marktes mit Hilfe des B-Prinzips in Steuern auf Verbrauch und Investition umzuwandeln. Eine Grenzkontrolle des Warenverkehrs für diese Zwecke wäre dann nicht mehr erforderlich. Daß die Beibehaltung einer solchen Grenzkontrolle den Gemeinsamen Markt von einem Binnenmarkt wesentlich unterscheiden und das Zusammenwachsen der Volkswirtschaften der Mitgliedsländer zu einer einzigen Volkswirtschaft nicht unerheblich erschweren würde, bedarf keiner Erklärung. Für die hier begründete Lösung ist von Bedeutung, daß sie die Beseitigung der Grenzkontrolle ermöglicht, ohne die Mitgliedsländer zu zwingen, die technischen Unbequemlichkeiten einer Einzelhandelsteuer in Kauf zu nehmen und ohne die physische Kon- trolle an der Landesgrenze in die Steuerverwaltung und die Buchhaltung der Firmen (so daß inländische und ausländische Transaktionen unterschiedlich behandelt werden können) zurückzuverlegen. Die Steuergrenze zwischen den Ländern des Gemeinsamen Marktes kann fallen und sie muß fallen, wenn eine langfristig zweckmäßige, das Handelsoptimum und Produktionsmaximum zumindest nicht von vornherein unmöglich machende Regelung getroffen werden soll. 662. Der hier begründete Vorschlag hat weiter den Vorzug, daß er im Prin- zip eine einheitliche Regelung im Gemeinsamen Markt und gegenüber dritten Ländern ermöglicht, ja sogar erfordert. Die Beseitigung der Steuergrenzen innerhalb des Gemeinsamen Marktes durch Anwendung des U-Prinzips und die Beibehaltung oder gar Vervollständigung des B-Prinzips im Verkehr mit der Außenwelt ließe sich zwar begründen und verteidigen; gleichwohl würde eine solche Regelung vermutlich lebhaften Protest dritter Länder hervor- rufen und unter den Ländern des Gemeinsamen Marktes die schwierige Frage aufwerfen, wie die Einnahmen und Ausgaben an Ausgleichsteuern und

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

456 Hans Möller

Steuerrückvergütungen für den Export zwischen den Ländern zu verteilen sind.

Der Übergang zum U-Prinzip stellt zunächst eine generelle finanz- politische Maßnahme dar, die unter außenwirtschaftspolitischen Aspekten vorteilhaft und zweckmäßig ist und die jedes Land von sich aus treffen kann und sollte. Vorbehaltlich gewisser Sonderbestimmungen für unterentwickelte Länder, für die die wirtschaftlichen Konsequenzen aus einer solchen Kegelung noch genauer zu prüfen wären, bietet sich das U-Prinzip grundsätzlich als ein ordnungspolitischer Grundsatz für die Weltwirtschaft als Ganzes an.

Lediglich die sehr unterschiedliche Mobilität einzelner Faktoren könnte Sonderbestimmungen erforderlich machen. Diese Frage bedarf noch genauerer Prüfung. 663. Wenn auch die Verwirklichung des U-Prinzips auf lange Sicht die grundsätzlich beste Lösung darstellt, ergeben sich doch schwierige Probleme des Übergangs vom B- zum U-Prinzip. Obwohl es bei Berücksichtigung des Außenhandels auch mit Faktorleistungen nicht mehr möglich ist, die An- wendung beider Prinzipien allein als eine Angelegenheit der Wechselkurs- politik zu betrachten (wie bei Ausschluß von Faktorbewegungen), hat der Übergang vom B- zum U-Prinzip monetäre Wirkungen, die möglicherweise eine Änderung der Wechselkursrelationen erforderlich macht. Ob dies der Fall ist, hängt vor allem davon ab, ob der Übergang zum U-Prinzip schlag- artig geschieht oder sich auf einen längeren Zeitraum verteilt und ob dieser Übergang so vorgenommen wird, daß die für einige Länder expansiven und für andere Länder kontraktiven Wirkungen gerade dazu dienen, entgegen- gesetzte binnenwirtschaftliche Tendenzen zu neutralisieren. So wünschens- wert ein so wohlabgewogener zeitlicher Ablauf des Übergangs vom B- zum U-Prinzip wäre, die Chance seiner Verwirklichung ist nur gering. Infolge- dessen muß mit Wechselkursanpassungen gerechnet werden. Im Hinblick auf die langfristige sinnvolle Regelung, die es zu verwirklichen gilt, wären Wechselkursanpassungen kein zu hoher Preis.

664. Die Abschaffung des B-Prinzips durch Übergang zum U-Prinzip gilt im übrigen nur für generelle (proportionale) Steuern. Für spezielle Steuern muß im Einzelfall geprüft werden, welches Prinzip zweckmäßiger ist. Sofern die ohnehin empfohlene Konsultation stattfindet, besteht die Hoffnung, daß für spezielle Steuern Regelungen getroffen werden können, die zumindest die physische Kontrolle des Warenverkehrs an der Grenze überflüssig machen.

67. Die zur Beurteilung des von der deutschen Stahlindustrie eingeleiteten Steuerstreits erforderlichen Analysen

671. Die deutsche Stahlindustrie vertritt die Auffassung, daß die gegenwärtige Besteuerung der Stahlindustrie in Frankreich und Deutschland die französische Stahlindustrie gegenüber der deutschen begünstige. In diesem Zusammenhang wird auf die in Frankreich übliche TVA im Gegensatz zur deutschen Umsatzsteuer, auf das in Frankreich angewendete vollständige B-Prinzip (während in Deutschland nur ein beschränktes B-Prinzip gilt) und schließlich auf das Niveau der direkten

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip 457

Steuern hingewiesen, das in Frankreich niedriger ist als in Deutschland. Da ins- besondere die direkten Steuern dem U-Prinzip unterlägen und bei der Ausfuhr nicht erlassen oder rückvergütet würden, sei der deutsche Stahl mit höheren Steuern be- lastet und aus diesem Grunde weniger wettbewerbsfähig.

Hier soll keine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten folgen; vielmehr soll lediglich gezeigt werden, welche Überlegungen angestellt werden müssen, um den behaupteten Sachverhalt zu prüfen. Auf diese Weise läßt sich beispielhaft zeigen, wie die zum Teil sehr theoretischen Analysen für die Untersuchung empirischer Fragen nutzbar gemacht werden können. Eine sachliche Beurteilung der empirischen Fakten im einzelnen ist nicht beabsichtigt, würde sie doch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 672. Zunächst ist festzustellen, daß von der deutschen eisenschaffenden Industrie offenbar monetäre Wirkungen der Besteuerung nicht beanstandet werden. Wäre dies der Fall, so wäre eine Annäherung der deutschen und französischen Einkom- mens- und Preisniveaus oder eine Abwertung der DM gegenüber dem französischen Franken erforderlich. Daß die DM zur Zeit überbewertet ist, wird man angesichts der deutschen Zahlungsbilanzentwicklung kaum behaupten können. Dagegen läßt sich nicht ganz ausschließen, daß der französische Franken aufgewertet werden könnte. Wenn jedoch diese Auffassung vertreten wird, kann es sich immer nur um eine ganz geringfügige Überbewertung des französischen Franken um einige wenige Prozente handeln, deren Beseitigung die Wettbewerbslage der deutschen Stahlindustrie nur unwesentlich verbessern würde. 673. Was also von der deutschen Stahlindustrie behauptet wird, ist eine Welfare- Wirkung der Besteuerung, die die Wettbewerbslage der französischen Stahlindustrie verbessert und die der deutschen verschlechtert. Wie unsere Analyse gezeigt hat, können solche Weifare- Wirkungen vor allem durch spezielle Steuern und, wie hier hinzugefügt werden muß, durch spezielle Prämien und Subventionen hervor- gerufen werden. Als spezielle Steuern und Prämien müssen auch Abweichungen allgemeiner Steuern von generellen proportionalen Steuern aufgefaßt werden. Ferner kann bei generellen proportionalen Steuern eine Verletzung des Äquivalenz- prinzips zwischen Steuern und empfangenen Staatsleistungen vorliegen, wodurch einseitige Faktorbewegungen ausgelöst werden könnten. Solche Faktorbewegungen mögen von der durch Abwanderung betroffenen Industrie als Nachteil empfunden werden. Dagegen scheidet eine anderweitig nachteilige Wertung genereller pro- portionaler Steuern aus, da diese die Preisrelationen unberührt lassen. 674. Vergegenwärtigt man sich diese möglichen Gründe für Weifare- Wirkungen zu Ungunsten der deutschen Stahlwirtschaft, so spricht zunächst eine starke Ver- mutung dafür, daß es in erster Linie spezielle Steuern und Staatsleistungen sein müssen, die diese Welfare-Wirkungen hervorrufen (sofern sie überhaupt bestehen, was hier einmal unterstellt wird). Denn die Wirkungen von generellen Steuern würden sich ja nicht nur auf den Stahlmärkten, sondern in ähnlicher Weise auf vielen anderen Märkten der deutschen und französischen Wirtschaft zeigen müssen, was nicht der Fall zu sein scheint. 675. Hier können nicht die speziellen Steuern und Staatsleistungen in Frankreich und Deutschland untersucht werden. Auch etwaigen Abweichungen allgemeiner Produktsteuern in beiden Ländern von der Form einer generellen proportionalen Besteuerung kann hier nicht im einzelnen nachgegangen werden. Da die französische TVA eine weitgehend generelle proportionale Wertschöpfungsteuer darstellt, spricht jedoch eine gewisse Vermutung dafür, daß die deutsche Umsatzbesteuerung die deutsche Stahlindustrie benachteiligt. 676. Die deutsche Umsatzsteuer stellt eindeutig keine generelle proportionale Produktsteuer dar. Sie begünstigt die vertikale Integration bei der Herstellung des Produkts. Sie hat zur Folge, daß die steuerliche Belastung der Wertschöpfung für materialintensive Produkte höher ist als für arbeits- und kapitalintensive Erzeug- nisse, und sie führt dazu, daß die steuerliche Behandlung des Warenverkehrs an der Grenze nicht dem vollständigen B-Prinzip entsprechen kann.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

458 Hans Möller: Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip

Beginnt man mit dem letzten Punkt, so ergibt sich die Möglichkeit, daß die deutsche Einfuhrausgleichsteuer sowie Steuerbefreiung und -rückvergütung (bei der Ausfuhr) für Stahl in weit stärkerem Maße hinter der tatsächlichen Steuer- belastung im Inland zurückbleiben als bei anderen Produkten. Das hängt offenbar von der inländischen Steuerbelastung des Stahls im Vergleich zu anderen Produkten ab.

Um diese Frage zu prüfen, muß man die deutsche Umsatzsteuer gedanklich als eine Wertschöpfungsteuer auffassen. Die Umsatzbesteuerung deutschen Stils trifft offenbar die zur Herstellung eines Produkts erforderliche Wertschöpfung um so stärker, je mehr Vormaterialien zur Produktion benötigt werden und je mehr selbständige Produktionsstufen das Produkt durchläuft. Hinsichtlich des ersten Faktors ist die Stahlindustrie, verglichen mit anderen Wirtschaftszweigen, benach- teiligt. Der zweite Faktor hingegen begünstigt die relativ stark konzentrierte Stahlindustrie. Dieser Vorteil mag jedoch von der erstgenannten Benachteiligung überwogen werden. 677. Im übrigen muß die Lage der Stahlindustrie im Gesamtzusammenhang von Kohle, Eisenerz und Schrott, Eisen und Stahl sowie Stahlverarbeitung gesehen werden. Würde beispielsweise die Wertschöpfung bei der Stahlverarbeitung in Deutschland im Vergleich zur Stahlherstellung weniger besteuert, in Frankreich hingegen in beiden Branchen gleichmäßig besteuert, so könnte das eine relative Bevorzugung der deutschen stahlverarbeitenden Industrie und der französischen Stahlerzeugung zur Folge haben, die gerade zur Förderung des französischen Stahl- exports nach Deutschland und zur Hemmung des deutschen Stahlexports nach Frankreich führt. Alle diese Fragen können jedoch nicht mehr theoretisch ent- schieden werden. Dazu bedarf es empirischer Untersuchungen.

This content downloaded from 185.2.32.58 on Sun, 15 Jun 2014 04:01:50 AMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions


Recommended