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Umweltschutz, Wald und nachhaltige Holznutzung in Deutschland · 5 und privaten Forstbetrieben und...

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hintergrund // april 2016 Umweltschutz, Wald und nachhaltige Holznutzung in Deutschland
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hintergrund // april 2016

Umweltschutz, Wald und nachhaltige Holznutzung in Deutschland

Impressum

Herausgeber:Umweltbundesamt Fachgebiet II 4.3Postfach 14 0606813 Dessau-RolauTel: +49 [email protected]: www.umweltbundesamt.de

/umweltbundesamt.de

/umweltbundesamt Autorinnen und Autoren:Gudrun SchtzeJens GntherEric FeeAnne KlattUlrike DringDoreen HeidlerAnja BehnkeAlmut ReichartAnja NowackFrank BrozowskiJrgen FischerMareike Gth Publikationen als pdf:www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltschutz-wald-nachhaltige-holznutzung-in Bildquellen:Alekss | fotolia.comSeite 4/5 Susanne Kambor Stand: April 2016

ISSN 2363-829X

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltschutz-wald-nachhaltige-holznutzung-inhttps://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltschutz-wald-nachhaltige-holznutzung-in

Inhalt

1 Einfhrung 42 Wald, Naturhaushalt und Mensch eine sensible Dreierbeziehung 62.1 Waldfunktionen 62.2 Wald als relativ naturnaher Lebensraum 62.3 Waldzustand und Umwelteinflsse 72.4 Bewirtschaftungseinflsse 83 Schutz der Wlder und nachhaltige Holznutzung - Anforderungen

des Umweltbundesamtes 103.1 kosystemfunktionen und -leistungen der Wlder erhalten 103.2 Nachhaltige Holznutzung 26

4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 364.1 Was bedeutet nachhaltige und umweltfreundliche Forst- und Holzwirtschaft? 364.2. Kann Deutschland seine Holzproduktion nachhaltig und umweltgerecht steigern? 374.3 Wege zu gesunden und leistungsfhigen Wldern der Zukunft 384.4 Effiziente Nutzung in- und auslndischer Holzvorrte fr Produkte und die

Energiegewinnung 404.5 Gesundheits- und umweltvertrgliche Herstellung von Holzprodukten 404.6 Forschungs- und Entwicklungsbedarf 414.7 Wie knnen die Empfehlungen umgesetzt werden? 42

Literatur 45

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1 Einfhrung

Spricht man heute von der Rettung des Klimas, von erneuerbaren Energien, dem Erhalt der Biodiversitt oder vom Ersatz synthetischer Werkstoffe wie Plastik durch natrliche Werkstoffe, spielt der Wald eine zentrale Rolle. Das internationale Klimaabkommen von Paris im Jahr 2015 setzt einen starken Impuls, die fr den Kli-maschutz wichtige Funktion der Wlder zur Kohlenstoffbindung weiter zu strken. Aber auch die Bedeutung der Holzproduktion nahm in den letzten Jahren deutlich zu, u. a. weil Biomasse zur energetischen Nutzung gefrdert wurde. Gleichzeitig sollen die vielen anderen Leistungen der Wlder fr Mensch und Naturhaushalt (siehe Box 1), etwa die Kohlenstoffbindung oder die Schutz- und Erholungsfunktionen, erhalten und mglichst gestrkt werden. Die Vielfalt an Lebensrumen, Arten und genetischen Variationen ist dafr eine wichtige Voraussetzung.

Whrend die Anforderungen an die deutschen Wlder steigen, reagieren diese oft empfindlich, wenn sich Um-welt- und Nutzungsbedingungen ndern. So sind die einheimischen Wlder dem Klimawandel, Luftverunrei-nigungen und anderen Stressfaktoren ausgesetzt, die ihre Vitalitt und Widerstandskraft berfordern und die biologische Vielfalt beeintrchtigen knnen. Es besteht die Besorgnis, dass ein zu starker Holzeinschlag und eine noch intensivere Forstwirtschaft diese Effekte verstrken, die Nachhaltigkeitsgrenzen bersteigen und die Waldfunktionen beeintrchtigen. Den steigenden Bedarf mit berwiegend nicht nachhaltig produziertem Holz aus dem Ausland zu decken, ist keine Lsung. In Deutschland ist Wald die ursprngliche Vegetation auf ber 90 % der Landesflche. Meist wrde sich dort auch heute ber kurz oder lang wieder Wald entwickeln, wenn der Mensch nicht eingreift. Unter den derzeitigen Umweltbedingungen ist er noch die Vegetationsform, die sich ohne knstlichen Energieaufwand, Stoffeintrge und Belastungen des Naturhaushalts durch den Menschen immer wieder selbst organisiert und erneuert. Echte Urwlder gibt es jedoch heute in Deutschland nicht mehr. Normalerweise handelt es sich beim deutschen Wald um durch den Menschen berprgte kosysteme. So sind nach den Ergebnissen der Dritten Bundeswaldinventur lediglich 36 % der Waldflche als naturnah oder sehr naturnah einzustufen. Demgegenber knapp 24 % als kulturbetont oder kulturbestimmt beschrieben.1

Zwar beschrnkt die Forstwirtschaft den Begriff der Nachhaltigkeit heute lngst nicht mehr ausschlielich auf den langfristigen Erhalt der Holzvorrte, sondern strebt eine Bewirtschaftung an, die neben der Holzpro-duktion auch den Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes gleichermaen gerecht wird. Aber: Die Eignung der nicht naturnahen Wlder als Lebensraum fr die ursprngliche Pflanzen- und Tierwelt ist im Vergleich zu Urwldern eingeschrnkt und ihre Funktionen im Naturhaushalt sind verndert. Das gilt umso mehr, je weiter der Wald von einem natrlichen Zustand entfernt ist. Es stellt sich die Frage, wie kologische Leitplanken zu setzen sind, um Nachhaltigkeit im modernen Sinne gewhrleisten zu knnen.

Rund 98 % der Waldflche sind begehbar und stehen theoretisch zur forstwirtschaftlichen Nutzung zur Verfgung (BMEL 2014). Schtzungsweise 100.000 Beschftigte in rund 160.000 staatlichen, kommunalen

1 vgl. Thnen-Institut, Dritte Bundeswaldinventur - Ergebnisdatenbank, https://bwi.info/

https://bwi.info/

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und privaten Forstbetrieben und 4.200 Forstbetriebsgemeinschaften erwirtschaften circa 5 Mrd. Euro Jahres-umsatz. Das macht die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors deutlich. Insgesamt setzt die gesamte Forst- und Holzbranche jhrlich etwa 168 Mrd. Euro um und beschftigt ber 1,2 Mio. Menschen (Bundesregierung 2011, S. 12). Vertreter der Branche betonen sehr gern die Umweltleistungen, z. B. dass Holz fossile Energiequellen wie l und Gas durch Holz ersetzt und dass Kohlenstoff in Holzprodukten gespeichert wird. Sie unterstellen, dass beides automatisch dem Klimaschutz dient, was aber nicht in jedem Fall zutreffen muss. Fakt ist, dass vie-le Leistungen der Forstwirtschaft, insbesondere der Schutz der Naturgter und die Beitrge zur Erholung und Gesundheit des Menschen, bislang kaum konomisch bewertet und meist nicht entlohnt werden. Die eigentli-che gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der Wald- und Holzwirtschaft wird somit bislang vllig unterschtzt.

Die groen Herausforderungen, welche sich aus den vielfltigen Ansprchen an den Wald ergeben, sind offen-sichtlich. So ist z. B. eine intensivere Holznutzung nur bei Nhrstoffnachhaltigkeit sowie ausreichendem Klima- und Naturschutz akzeptabel. Das optimale Austarieren der Ansprche und Ziele ist derzeit ein vieldiskutiertes Thema, wie die kontroversen Reaktionen auf die Waldstrategie 2020 (Bundesregierung 2011) sowie auf das Kapitel Umweltgerechte Waldnutzung im Gutachten des Sachverstndigenrates fr Umweltfragen (SRU 2012) belegen. Auch die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt (Bundesregierung 2007) nennt konkrete Ziele und Manahmen zu Wldern, die bisher nur in Anstzen umgesetzt sind. In der Naturschutz-Offensive 2020 des BMUB (2015) gehrt Forstwirtschaft im Einklang mit der Natur zu den prioritren Handlungsfeldern. Die Diskussionen halten an und sind unter anderem Auslser fr dieses Papier.

Eine nachhaltige Wald- und Holzwirtschaft ist nicht nur aus Sicht des Naturschutzes ein zentrales Thema. Dieses Hintergrundpapier zeigt die vielfltigen Anknpfungspunkte zu Umweltschutzthemen und welche Anforderungen aus dieser Perspektive an die Wald- und Holzwirtschaft zu stellen sind. berschneidungen mit Naturschutzthemen sind dabei nicht immer zu vermeiden, um ein abgerundetes Bild darzustellen, wobei im Detail etwas abweichende Ansichten bestehen knnen.

Eine nachhaltige Waldwirtschaft sollte auf der gesamten genutzten Waldflche Deutschlands und darber hinaus weltweit umgesetzt werden. Ein Schlssel dazu ist, in jedem Fall mit der Ressource Holz sparsam umzugehen. Das hilft, die wichtigen Funktionen von Wldern zu erhalten. Doch eine nachhaltige Holznutzung geht ber den Schutz von Wldern weit hinaus. Wo Holz als Material oder Energiequelle genutzt wird, sind die Kriterien des Gesundheits- und Umweltschutzes zu beachten Holzheizungen drfen nicht zu viel Feinstaub ausstoen oder Mbel aus Holz nicht zu viele flchtige organische Verbindungen wie Formaldehyd. Weitere Anstrengungen sind hier erforderlich. Besonders die stndige Neu- und Weiterentwicklung von Verfahren und Produkten im holzverarbeitenden Sektor stellen den Umweltschutz immer wieder vor neue Herausforderungen.

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2 Wald, Naturhaushalt und Mensch eine sensible Dreier-beziehung

2.1 WaldfunktionenWlder erfllen vielfltige Funktionen im Naturhaus-halt. Sie beherbergen einen Groteil unserer biolo-gischen Vielfalt und nutzen mit ihren kosystem-leistungen dem Menschen in sehr unterschiedlicher Weise, als Rohstofflieferant, als Erholungsraum oder Schadstofffilter. Ihr Vermgen, die verschiedenen in der Box 1 aufgefhrten Funktionen und Leistungen fr Menschen und Natur zu erbringen, hngt im wesentlichen von der natrlichen Standortausstat-tung, von der Lage und Anordnung der Wlder in der Landschaft, aktuellen und historischen Umweltbelas-tungen sowie von der forstlichen Bewirtschaftung ab.

Einige Waldfunktionen erfordern besondere Struk-turen und Waldeigenschaften. Deshalb kann es kein einheitliches Idealbild vom Wald und seiner Bewirt-schaftung geben. Ein Wald mit natrlich vorkommen-

den Baum- und sonstigen Pflanzenarten ist am besten an den jeweiligen Standort angepasst und deshalb besonders stresstolerant gegenber natrlichen Schwankungen von Umweltfaktoren. Wlder ver-ndern sich aber fortlaufend. Sie sind nicht statisch in ihren Strukturen und Funktionen. Verndert der Mensch durch sein Handeln das Klima, den Was-ser- oder Nhrstoffhaushalt der Bden, reagieren die Wlder oft schneller und mit abweichendem Ergebnis als unter natrlichen Umstnden.

In den meisten Bundeslndern existieren Waldfunkti-onskartierungen. Diese weisen Gebiete aus, in denen bestimmte Leistungen der Wlder, insbesondere zum Nutzen fr den Menschen, vorrangig geschtzt und gefrdert werden sollen (z. B. Wirtschafts-, Schutz-, oder Erholungswald, Naturschutz).

Box 1: Was leistet der Wald fr den Menschen?

Im Wald wchst der vielfltig einsetzbare, wertvolle Rohstoff Holz. Der Wald beeinflusst das Klima klein- und grorumig, vor allem durch seine Wirkung auf den Wasserkreislauf, die Strahlung

(Albedo), das Windregime und den Kohlenstoffkreislauf. Fr den Klimaschutz ist es von enormer Bedeutung, den im Wald ge-speicherten Kohlenstoffvorrat zu erhalten und mglichst zu erhhen.

Bume und Waldboden halten Niederschlagswasser zurck und filtern es. Sie gleichen Extreme im Landschaftswasserhaushalt aus und tragen zum Hochwasserschutz sowie zur Bildung sauberen Grundwassers bei.

Die Waldvegetation schtzt vor Bodenerosion, Steinschlag und Lawinen. Wlder filtern Staub und Schadstoffe aus der Luft. Sie halten Lrm von Siedlungen fern und wirken ausgleichend auf das lokale

Klima. Wlder sind Orte fr Erholung, Bildung, Naturerlebnis und Inspiration Grundlage fr diese kosystemleistungen sind intakte Nhrstoff-, Wasser- und Energiekreislufe, eine

Ausstattung mit Lebensrumen, Arten und ihren genetischen Ausprgungen, die dem natrlichen Standortpotenzial entspre-chen und Anpassungsreaktionen auf uere Strungen oder langfristige Vernderungen von Umweltfaktoren ermglichen2.

2.2 Wald als relativ naturnaher Lebens-raum

Eine besondere Funktion haben die Wlder als Lebensraum. Obwohl es groe Unterschiede im Natrlichkeitsgrad der Wlder und Forsten gibt, sind Beeintrchtigungen durch bewirtschaftungsbedingte Stoffeintrge wie Dnger oder Pflanzenschutzmittel, Lrm und mechanische Strungen in der Regel deut-lich geringer als auf intensiv genutzten Agrarflchen. Zahlreiche Pflanzen und Tiere sind an die besonderen

Lebensraumstrukturen, klimatischen Gegebenheiten, Nhrstoff- und Lichtverhltnisse im Wald angepasst und knnen nur dort existieren (z. B. Schattenblume, Sauerklee, Waldanemone, Hirschkfer, Schwarz-storch). Viele von ihnen bentigen relativ ungestrte Rckzugsorte. Die Biotopqualitt der Wlder wird vor allem durch die vorhandenen Baum- und Strauch-arten, ihre Altersstruktur und ihren Gesundheits-zustand bestimmt und hngt deshalb stark von der Bewirtschaftung ab. Zahlreiche Arten des Waldes

2 Das Umweltbundesamt zieht die Ausprgung dieser Fhigkeiten zur Bewertung der kosystemintegritt heran, siehe Jenssen et al. (2013), mit Ausnahme der physikali-schen Lebensraumstrukturen und der genetischen Ausstattung.

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sind auf absterbendes und totes Holz angewiesen, weshalb ein hoher Anteil von Altbumen und Totholz die Lebensraumqualitt betrchtlich erhht. Da Ziel-werte fr Totholzanteile auch abhngig von Standort, Bewirtschaftungsform und Waldtyp sind, sollten diese eher regional als pauschal bestimmt werden (Milad et al. 2012).3

Der physikalische und chemische Zustand des Wald-bodens ist ausschlaggebend fr das (unterirdische) Bodenleben sowie die Bodenvegetation. Von ihr sind wiederum zahlreiche Tiere abhngig, weil sie die Pflanzen als Nahrungsquelle, als Nistmaterial oder zur Deckung nutzen. Es bestehen zahlreiche Wechsel-wirkungen zwischen den abiotischen und biotischen Bestandteilen der genannten Schichten (Baum- und Strauchschicht, Bodenvegetation, Ober- und Unter-boden) hinsichtlich Nhrstoff- und Schadstofftrans-porten, der Verfgbarkeit von Wasser und Sauerstoff. Um die biologische Vielfalt der Wlder im Ganzen zu schtzen, mssen ihre Strukturen und Funktionen einschlielich ihrer Fhigkeit auf Umweltvernderun-gen zu reagieren im Ganzen bewahrt bleiben (kosys-temintegritt).

2.3 WaldzustandundUmwelteinflsseWie die Waldzustandserhebungen der letzten Jahre zeigen, gelang es nicht, die Gesundheit des Baum-bestandes nachhaltig zu verbessern. Der Anteil von Bumen ohne Schadmerkmale ist seit dem Jahr 2000 sogar regelmig kleiner als noch in den 1980er Jahren. Im Jahr 2014 weist der Bericht mit 26 % deut-licher Kronenverlichtung fr alle Baumarten einen hohen Anteil der hchsten Schadstufe aus, mit insge-samt zunehmendem Trend bei Buche und Eiche als wirtschaftlich bedeutsamste Laubbaumarten4. Das ist besonders besorgniserregend, zumal aus verschiede-nen Grnden, u. a. zur Anpassung an den Klimawan-del, ein hherer Laubholzanteil angestrebt wird.

Eine Schwche der jhrlichen Waldzustandserhebung besteht darin, dass die Indikatoren Kronenverlich-tung und -vergilbung zwar die aktuelle Vitalitt der Bume wiedergeben. Sie ermglichen jedoch nicht die Ursachen von Strungen zu erkennen und keine Prognose, wie sich die Gesundheit der Bume und der Waldlebensgemeinschaften sowie die kosys-

temfunktionen weiter entwickeln werden. Unter der Annahme, dass sowohl Klimanderungen als auch zu hohe Stoffeintrge aus der Atmosphre in den kom-menden Jahrzehnten die Rahmenbedingungen fr Lebewesen weiterhin verndern werden, ist das aber eine wichtige Anforderung fr die Waldzustandserhe-bung.

Bereits seit mehr als hundert Jahren ist der Zusam-menhang zwischen Industrieabgasen und Wald-schden bekannt (z. B. Stckhardt 1850). Seitdem in den 1980er Jahren die Diskussion um die Ursachen neuartiger Waldschden hohe Wellen schlug, werden Zusammenhnge zwischen Umweltschutz und Wald-zustand kontinuierlich und systematisch untersucht. Als eine der Hauptursachen wurde damals die Ver-sauerung von Waldbden durch Eintrge von Schwe-fel- und Stickstoffverbindungen aus der Atmosphre erkannt, die u. a. zur verstrkten Auswaschung lebenswichtiger basischer Pflanzennhrstoffe wie Magnesium, Kalium, Kalzium und zur Freisetzung giftiger Aluminiumionen im Wurzelraum fhrt. Elling et al. (2007) beschreiben aber am Beispiel des Erzge-birges, wo zweifelsfrei die sehr hohe und nach 1900 stark zunehmende Belastung mit Schwefeldioxid eine Hauptursache fr das groflchige Absterben von Fichtenbestnden war, dass stets auch andere Faktoren - weitere Luftschadstoffe wie Stickstoffoxide oder boodennahes Ozon, die natrlichen Standortver-hltnisse, die Nutzung, Witterungsextreme und der Befall mit Krankheiten und Schdlingen - zu berck-sichtigen sind.

Die Vielzahl der Faktoren ist ein Grund, warum Ursachen fr Waldschden hufig nicht eindeutig zuzuordnen sind, obwohl physiologische Zusam-menhnge zwischen einzelnen Belastungen und Schdigungen wissenschaftlich belegt sind. Auch die langen Reaktionszeiten von Waldkosystemen erschweren die Ursachenzuordnung. So traten in den oben erwhnten Regionen des Erzgebirges die groflchigen schweren Schden erst mehr als fnf Jahrzehnte nach der deutlichen Erhhung der Luftbe-lastung auf. Es gibt zahlreiche Hinweise dafr, dass die Kombination mehrerer Stressfaktoren die Wir-kungen einzelner Belastungen verstrkt. Hinsichtlich solcher Interaktionen bestehen jedoch weiterhin viele

3 Z.B. fr Natura2000 Gebiete vgl. http://www.bfn.de/0316_forstwirtschaft-natura2000.html4 Das gilt trotz Verringerung des Anteils mit deutlicher Verlichtung bei Buche 2012 gegenber 2011.

http://www.bfn.de/0316_forstwirtschaft-natura2000.html

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Wissenslcken. Daher kommt der vorsorgenden Be-kmpfung der bekannten, eindeutig dem Menschen zuzuordnenden Ursachen von Waldschden eine gro-e Bedeutung zu. Die Ergebnisse der Waldzustands-erhebungen zeigen, dass Handeln dringend geboten ist. Insbesondere Luftschadstoffbelastungen und Klimanderungen erhhen groflchig den Stress auf die Wlder und mssen deshalb soweit als mglich minimiert werden5.

Das forstliche Umweltmonitoring und die Bundes-waldinventuren6 liefern unentbehrliche Datengrund-lagen fr die Waldbewirtschaftung, die Umweltwis-senschaften und die Politik. Das Thnen-Institut fr Waldkosysteme im brandenburgischen Eberswalde koordiniert diese Aktivitten fr Deutschland im Auftrag des BMEL fr nationale und seit 2014 auch fr internationale Verpflichtungen (z. B. ICP Forests). Es arbeitet an der stndigen Qualittssicherung und -verbesserung der Daten. Die Verordnung ber Erhebungen zum forstlichen Umweltmonitoring vom 20.12.2013 (ForUmV) verpflichtet die Bundeslnder, die Kronenzustandserhebung im Stichprobenverfah-ren mit systematischer Stichprobenverteilung ber das ganze Bundesgebiet (Level I) sowie eine Reihe von Untersuchungen im Intensivmonitoring (Level II) durchzufhren. Sie sichert die Fortfhrung eines Mindestmaes an Untersuchungen durch die Bundes-lnder auch in der Zukunft. Eine Einbeziehung der Bodenzustandserhebung in diese Verordnung wird noch diskutiert.

Das UBA beteiligte sich an der zweiten bundeswei-ten Bodenzustandserhebung im Wald (BZE 2) durch Koordination der Untersuchungen zu persistenten organischen Schadstoffen (siehe 3.1.5). Es nutzt Daten aus der forstlichen Umweltbeobachtung (Level I und Level II) in Forschungsprojekten, z. B. fr die nationale Berechnung von berschreitungen kolo-gischer Belastungsgrenzwerte (siehe 3.1.5). An zwei Standorten in Reinluftgebieten (Forellenbach im Bayerischen Wald und Neuglobsow am Stechlinsee in Brandenburg) untersucht das UBA mittels intensi-vem, medienbergreifendem Monitoring Stoffflsse, kosystemprozesse und Wirkungen von Stoffeintr-gen und Klimawandel auf die bewaldete Gewsse-

reinzugsgebiete7. Das UBA frdert Forschungsprojekte zur Entwicklung einer integrierten Bewertungsme-thode fr den Zustand bzw. die Entwicklung von Waldkosystemen (kosystemintegritt). Es unter-sucht Zustandsnderungen der Wlder unter Sze-narien fr Stoffeintrge und Klimanderungen, um anthropogene Ursachen von Strungen zu erkennen und Mglichkeiten des Gegensteuerns zu identifizie-ren (Jenssen et al. 2013).

2.4 BewirtschaftungseinflsseEine nachhaltige Forstwirtschaft bewirkt, vergli-chen mit anderen Landnutzungsformen wie Land-wirtschaft, Siedlung und Verkehr, in der Regel nur moderate Eingriffe in den Naturhaushalt, denn es erfolgen kaum Versiegelungen oder unumkehrbare Biotopzerstrungen, es werden kaum Fremdstoffe wie Pestizide oder synthetische Dnger eingesetzt usw.. Andererseits ist die Kompensierung negativer Wirkungen der Bewirtschaftung und anderer anthro-pogenen Einflsse und damit die Wiederherstellung intakter und stabiler Waldkosysteme nur ber einen relativ langen Zeitraum mglich.

Eine grundlegende Entscheidung fr die Waldent-wicklung und die damit verbundenen kosystemleis-tungen trifft der Waldbesitzer bzw. Waldbewirtschaf-ter mit der Auswahl der Baumarten. Diese haben sowohl unterschiedliche Ansprche an den Standort als auch Rckwirkungen auf ihn und die dort leben-den Tier- und Pflanzenarten. Nur eine naturnahe Forstwirtschaft, die auf standortgerechte, natrlich vorkommende Arten und einen mglichst hohen An-teil Naturverjngung setzt, kann die Kriterien einer nachhaltigen und umweltgerechten Waldwirtschaft erfllen (mehr dazu in Kapitel 3.1.1 und 3.1.2).

Obwohl nur rund ein Drittel des Waldes als naturnah oder sehr naturnah zu betrachten ist, nimmt derzeit im Zuge des kologischen Waldumbaus, u. a. zur Anpassung an den Klimawandel (siehe Kapitel 3.1.3), der Anteil von tendenziell naturnheren Laub- und Mischwldern zu. Lag der Laubwaldanteil im Jahr 1990 noch unter 34 %, betrug er im Jahr 2012 schon 55 % (3. Bundeswaldinventur). Dadurch muss die Holzwirtschaft ihre Verarbeitungs- und Produktlinien

5 Weil eine annhernd vollstndige Darlegung der Ursachen fr Waldschden und ihrer Interaktionen im Rahmen dieses Positionspapiers nicht mglich ist, verweisen wir auf Elling et al. (2007), die in ihrem Buch den Wissensstand zur Schdigung von Waldkosystemen zusammengefasst und anschaulich erlutert haben.

6 gesetzlich verankert in 41a BWaldG7 Standorte des ICP Integrated Monitoring, im Rahmen der Wirkungsforschung der Genfer Luftreinhaltekonvention, CLRTAP, http://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/

messenbeobachtenueberwachen/medienuebergreifendes-monitoring-in-luftreinhaltung

http://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/messenbeobachtenueberwachen/medienuebergreifendes-monitoring-in-luftreinhaltunghttp://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/messenbeobachtenueberwachen/medienuebergreifendes-monitoring-in-luftreinhaltung

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aber auf hhere Laubholzanteile umstellen. Nur dann ist es mglich, die einheimischen Ressourcen optimal zu nutzen und so auch zuknftig einen Beitrag zur Ressourcenschonung durch Substitution zu leisten (mehr dazu in Kap. 3.2).

Forstwirtschaft umfasst insbesondere die Holzernte und die gezielte Pflege der Bestnde. Diese ist in der Regel gerichtet auf einen hohen Holz- bzw. Biomas-seertrag und gesundes, bei Wertholz auf mehreren Metern mglichst astfreies Stammholz. Die Auswahl, Intensitt und zeitliche Frequenz der Pflege bestim-men den physischen Aufbau der Waldbestnde und damit die Beschaffenheit von Habitaten fr die Flora und Fauna. Entscheidend fr die Biotopstruktur ist auch die grundstzliche Bewirtschaftungsform, also ob es sich um einen Altersklassenwald oder einen Wald mit unterschiedlich alten Bumen handelt. Letztere sind von Natur aus reicher an unterschiedli-chen Lebensrumen.

Bestandspflege und Holzernte knnen durch diverse Verfahren mit unterschiedlichem Mechanisierungs-grad erfolgen. Je nach Verfahren knnen unterschied-liche direkte und indirekte Umweltwirkungen wie Bo-denverdichtung, Emissionen in Wasser, Boden, Luft oder Schden am verbleibenden Bestand auftreten. Um die Pflegearbeiten und die Entnahme der Bume ohne flchendeckende Befahrung durchfhren zu knnen, werden sogenannte Rckegassen angelegt. Diese sowie ein System aus mehr oder weniger aus-gebauten Forstwegen und Forststraen dienen dem Abtransport des genutzten Holzes. Die Dichte dieser Wege ist ein Kompromiss zwischen dem Schutz des Bodens bzw. mglichst geringem Flchenverbrauch, mglichst geringer Zerschneidungswirkung und wirt-schaftlichen Erfordernissen.

Zur forstlichen Bewirtschaftung gehren auch die berwachung, Regulierung und in Ausnahmefllen Bekmpfung von Forstschdlingen sowie Waldkal-kungen, um durch Versauerung degradierte Standor-te wieder aufzuwerten. Der Eintrag von Fremdstoffen (Kalke, Aschen, Pflanzenschutzmittel) hat neben den gewnschten Wirkungen immer auch unerwnschte Nebenwirkungen auf den chemischen Zustand der Waldbden.

Nicht zuletzt sind das Belassen von Totholz im Be-stand, der Erhalt von Sonderbiotopen (z. B. Moore,

naturnahe Bche) und eine naturnahe Waldrandge-staltung Bewirtschaftungsmanahmen, die eine rei-che biologische Ausstattung frdern und damit auch Puffer gegen diverse Strungen schaffen. Darber hinaus sind weitere gezielte forstliche Bewirtschaf-tungsmanahmen in Abhngigkeit von der vorrangi-gen Waldfunktion erforderlich.

Eine mittelbare Manahme der forstlichen Bewirt-schaftung und des Forstschutzes ist das Wildma-nagement. Die hufig zu hohen Wildbestnde in den Wldern fhren aufgrund des hufigen und gebn-delten Wildverbisses zur Unterdrckung der Natur-verjngung. Weil bestimmte Baumarten bevorzugt werden, kann teilweise auch eine Entmischung des Bestandes erfolgen. Ein zu hoher Wildbesatz gefhr-det somit auch den gewnschten Umbau der Wlder in mehrstufige Mischwlder. Die Einzunung, der Einsatz von Verbissschutzkappen fr junge Triebe oder chemischer Mittel gegen Wildverbiss knnen ar-beits- und kostenintensiv sein und sind zudem nicht immer fr den Schutz spontaner Naturverjngung geeignet. Eine waldgerechte Wilddichte ist somit fr einen nachhaltigen und umweltgerechten Waldbau notwendig.

Bewirtschaftungsbedingte Risiken, die die kosys-temintegritt der Wlder gefhrden, entstehen durch Monokulturen, nicht standortgerechte Bestockungen, bernutzung bzw. zu starke Auslichtung (siehe Ka-pitel 3.1.2), Zerschneidung (Kapitel 3.1.1), Bodenver-dichtung durch die Forstmaschinen oder unangemes-sene Stoffeintrge (Dnge- und Pflanzenschutzmittel, siehe Kapitel 3.1.4), aber auch durch einen zu hohen Wildbesatz.

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3 Schutz der Wlder und nachhaltige Holznutzung - Anforderungen des Umweltbundesamtes

3.1 kosystemfunktionen und -leistungen der Wlder erhalten

Die Anforderungen des UBA (wie auch des Natur-schutzes) zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirt-schaftung der Wlder beruhen auf international und national vereinbarten Grundstzen und Rechtsgrund-lagen. Dazu gehren u. a. (die Reihenfolge stellt keine Wichtung dar):

die Grundstze der nachhaltigen Forstwirtschaft entsprechend der Helsinki-Deklaration der Minis-terkonferenz zum Schutz der Wlder in Europa (MCPFE8, heute: FOREST EUROPE);

das UN bereinkommen zur Biologischen Viel-falt (CBD9 mit ihrem Waldarbeitsprogramm), das fr Deutschland in der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt (NBS) umgesetzt ist sowie die Biodiversittstrategie der EU;

die Genfer Luftreinhaltekonvention (CLRTAP)10; Klimarahmenabkommen und Kyoto Protokoll; das Bundeswaldgesetz und das Bundesnatur-

schutzgesetz; die Waldgesetze der Lnder.

In diesem Zusammenhang sind weiterhin die recht-lich unverbindliche Waldbereinkunft der Verein-ten Nationen11, die 2030-Agenda fr nachhaltige

Entwicklung12, die neue EU Waldstrategie13 und die Beschlsse der 7. Forstministerkonferenz im Oktober 2015 in Madrid14 zu nennen sowie die Verhandlun-gen zu einem rechtlich verbindlichen Instrument zur nachhaltigen Waldwirtschaft in Europa15. Ei-nige der Dokumente enthalten Konzeptionen einer nachhaltigen Waldwirtschaft. Sie bilden neben den oben dargestellten Grundstzen und Rechtsgrund-lagen den weiteren Orientierungsrahmen, den es fr Deutschland zu konkretisieren gilt. Die nachfolgend formulierten Anforderungen bercksichtigen ber die Waldbewirtschaftung hinaus auch umweltpolitische Aspekte, die auf den Wald einwirken wie die effizi-ente und ressourcenschonende Nutzung von Holz als Rohstoff und Energiequelle.

3.1.1 Nutzungsansprche sind vielfltig - und es gibt Flchenkonkurrenzen

MultifunktionalittderWlderundNutzungskonflikteDer Wald erfllt zahlreiche wichtige Funktionen in unserer Kulturlandschaft, die ber die reine Holzpro-duktion weit hinausgehen (vgl. Box 1). Sie sind von groer Bedeutung fr den Erhalt unserer natrlichen Lebensgrundlagen. Die Aufgabe, diese Multifunktio-nalitt der Wlder bestmglich zu wahren, ist in der Forstwirtschaft grundstzlich akzeptiert.

Box 2: Sechs bergreifende Kriterien einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung, erarbeitet durch FOREST EUROPE auf seiner Konferenz in Wien (2003)16:

Erhaltung und angemessene Verbesserung der forstlichen Ressourcen sowie Erhalt und Ausbau des Kohlenstoffspeichers Wald Erhaltung der Gesundheit und Vitalitt von Waldkosystemen Erhaltung und Frderung der Produktionsfunktion der Wlder, sowohl fr Holz als auch Nicht-Holzprodukte17

Erhaltung, Schutz und adquate Verbesserung der biologischen Vielfalt in Waldkosystemen Erhaltung, Schutz und angemessene Verbesserung der Schutzfunktion bei der Waldbewirtschaftung, vor allem von Boden und

Wasser Erhaltung sonstiger sozio-konomischer Funktionen

8 Ministerial Conference for Protection of Forests in Europe9 UN Convention on Biological Diversity10 UNECE Convention on Long-range Transboundary Air Pollution11 Non legally binding Instrument on all Types of Forests12 UN Resolution A/RES/70/1 Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development13 COM(2013) 659 final/214 http://www.foresteuropemadrid2015.org/documents-7th-conference/15 Letzte Sitzung 11/2013 in Genf http://www.forestnegotiations.org/press/press_note_ResINC4; Fortfhrung der Verhandlungen auf der auerordentlichen Ministerkonfe-

renz im Oktober 2015 in Madrid beschlossen (http://www.foresteuropemadrid2015.org/wp-content/uploads/2015/07/EMC_MadridMinisterialDecision.pdf)16 Offizielle bersetzung MCPFE, siehe http://www.foresteurope.org/docs/viena/vienna_german.pdf 17 z. B. Wild , Frchte, Schmuckreisig, Kruter

http://www.foresteuropemadrid2015.org/documents-7th-conference/http://www.forestnegotiations.org/press/press_note_ResINC4http://www.foresteuropemadrid2015.org/wp-content/uploads/2015/07/EMC_MadridMinisterialDecision.pdfhttp://www.foresteurope.org/docs/viena/vienna_german.pdf

11

Eine rechtsverbindliche Definition der nachhaltigen Waldbewirtschaftung existiert bisher nicht. Die Na-tionale Strategie zur Biodiversitt strebt eine natur-nahe Bewirtschaftung der Wlder im Einklang mit ihren kologischen und sozialen Funktionen an. Die Waldbereinkunft der Vereinten Nationen von 2007 enthlt erstmals eine weltweit gltige, aber rechtlich unverbindliche, Definition nachhaltiger Waldwirt-schaft:

Die nachhaltige Waldbewirtschaftung als dyna-misches und sich entwickelndes Konzept verfolgt das Ziel, die wirtschaftlichen, sozialen und kolo-gischen Werte aller Arten von Wldern zum Wohle gegenwrtiger und knftiger Generationen zu erhalten und zu verbessern.

Auch die Definition nachhaltiger Waldwirtschaft der Helsinki-Deklaration von FOREST EUROPE bezieht sich auf das Prinzip der Multifunktionalitt. Dem-nach ist nachhaltige Forstwirtschaft:

die Betreuung und Nutzung von Wldern und Waldflchen auf eine Weise und in einem Ausma, welche deren biologische Vielfalt, Produktivitt, Verjngungsfhigkeit und Vitalitt erhlt sowie deren Potenzial, jetzt und in der Zukunft die ent-sprechenden kologischen, wirtschaftlichen und sozialen Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfllen, ohne anderen kosyste-men Schaden zuzufgen.

(siehe auch die sechs bergreifenden Kriterien der nachhaltigen Forstwirtschaft in Box 2)

Das Modell der nachhaltigen Waldbewirtschaftung zielt also auch darauf ab, die Holzproduktion mit den brigen Waldfunktionen in Einklang zu brin-gen. Im internationalen Vergleich setzt die deutsche Forstwirtschaft dieses Leitbild bereits in weiten Teilen vorbildlich um. Lokal und regional gibt es aber Abweichungen.

Es besteht daher auch in Deutschland die Notwendig-keit, die Waldbewirtschaftung umwelt- und naturver-trglicher zu machen. Denn die gegenwrtig erhhte Nachfrage nach Holz, vernderte Produktionsbedin-gungen durch den Klimawandel und Stoffeintrge, ein wirksamerer Biodiversittsschutz und weitere Ansprche der Gesellschaft (z. B. Erholung und Frei-

zeitgestaltung) an den Wald erfordern eine stndige berprfung und Anpassung des Managements.

Die Mehrheit der Deutschen (80 %) befrwortet die nachhaltige forstliche Nutzung des Waldes (UFZ 2009). Rund 70 % der Deutschen nutzen den Wald regelmig zur Erholung und zwar auch auerhalb ausgewiesener Erholungsgebiete. Nach Zahlen des Thnen-Institut (TI ) besuchen mehr als 55 Mio. Menschen in Deutschland mindestens einmal im Jahr den Wald.

Das Bundeswaldgesetz gestattet allen Brgern (mit bestimmten Einschrnkungen) das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken auf eigene Gefahr. Das Konfliktpotenzial zwischen Holznutzung und natur-naher Erholungsnutzung ist relativ gering. Vielfltige, abwechslungsreiche Wlder mit sehr guter Lebens-raumfunktion fr Pflanzen und Tiere untersttzen die Erholungs- und Bildungsfunktion des Waldes. Allerdings haben nicht alle Erholungssuchenden diesbezglich hohe Erwartungen. Konflikte zwischen dem Schutz der Lebensraumfunktion und Erholung ergeben sich insbesondere bei intensiveren Formen der Erholung, die mit Lrm, Schadstoffemissionen oder einem strkeren Ausbau von Infrastrukturen, z. B. fr Unterkunft oder Sport verbunden sind. Auch das stetige Beunruhigen des Wildes oder Strungen durch Erholungssuchende whrend der Brutzeit von Vgeln, Trittbelastungen auf empfindlicher Vegetati-on sind Beispiele fr Konflikte.

Die sogenannten Schutzfunktionen des Waldes, wie der Schutz und die Reinhaltung von Luft, Wasser, Boden, die Regulierung des Wasserhaushalts und des lokalen Klimas oder der Schutz vor Lawinen und Erosion sind im Wesentlichen von der Vitalitt und Stabilitt der Waldkosysteme abhngig (vgl. die Kapitel 3.1.3 ff, zum Schutz der Biodiversitt siehe nchster Abschnitt). Daher knnen diese Funktio-nen hufig zeitgleich und konfliktarm mit anderen Nutzungsansprchen in Einklang gebracht werden, sofern die Waldgesundheit nicht nachteilig beein-flusst wird. Monokulturen und einschichtige Wald-bestnde sind eher gefhrdet ihre Schutzfunktion zu verlieren. Mehrschichtige, naturnahe Bestnde, insbesondere Mischwlder, sind weniger strungsan-fllig, so dass sie die Schutzfunktion sicherer erfllen knnen. Daher ist es auch Ziel der Bundesregierung, eine naturnahe Waldbewirtschaftung auf mglichst

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der gesamten forstwirtschaftlichen Flche zu errei-chen. Dieses Ziel hat sie sich bereits in der Strategie fr eine nachhaltige Entwicklung gesetzt und mehr-fach bekrftigt (Bundesregierung 2012, S. 235). Auch FOREST EUROPE bezieht die Vitalitt der Waldko-systeme und den Erhalt der Schutzfunktionen in ihr Verstndnis fr eine nachhaltige Waldwirtschaft mit ein.

Viele der vom Wald bereitgestellten Dienstleistungen und Funktionen sind fr den Waldbesitzer mit Oppor-tunittskosten verbunden, weil sie in der Regel mit einer Einschrnkung der Holzproduktion bzw. Holz-nutzung einhergehen. Dadurch kann die Waldeigen-tmerin und der Waldeigentmer theoretisch mgli-che hhere Erlse oder Gewinne nicht erzielen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll der ffentliche Wald, das ist Staats- und Krperschafts-wald, in erster Linie der Erhaltung der Umwelt- und Erholungsfunktionen des Waldes dienen18.

Demgegenber werden an Privatwlder diese hohen Anforderungen nicht gestellt. Denn grundstzlich hat der Gesetzgeber bei privatem Besitz deutlich weniger Befugnisse, Vorgaben bezglich des Schut-zes der kologischen Leistungen zu machen. Daher sind finanzielle oder marktwirtschaftliche Anreize das naheliegendste Instrument, um auch im Pri-vatwald den Einklang der multiplen Funktionen zu erhalten. Hierzu ist die Vergtung kologischer und sozialer Leistungen des Waldes nach dem Vorbild des Vertragsnaturschutzes in der Landwirtschaft ein vielversprechender Ansatz. Die Einfhrung von klar definierten und gesetzlich verankerten kologischen Mindeststandards (Prinzipien der guten forstlichen Praxis) bietet hierfr eine wichtige Grundlage (Win-kel und Volz 2003, SRU 2012).

Ihre Einhaltung sollte von jedem Bewirtschafter eingefordert werden knnen. Sie sollten so definiert werden, dass die eigenstndige konomische Tragf-higkeit der Forstbetriebe grundstzlich gewhrleistet ist. Wie in der Nationalen Biodiversitsstrategie (NBS) gefordert, sollten diese Grundstze im Bundeswald-gesetz und den Waldgesetzen der Bundeslnder verankert werden. ber diese festgelegten Mindest-standards hinaus gehende Manahmen knnen dann

bewertet und entsprechend honoriert werden. Bisher gibt es im Bundeswaldgesetz, 11 (bis 13) nur sehr allgemeine Festlegungen zur nachhaltigen Bewirt-schaftung. Sie zielen im Wesentlichen darauf ab, die Waldflche und ausgewhlte Waldfunktionen zu er-halten. Die Lnder konkretisierten die Anforderungen an die ordnungsgeme Forstwirtschaft in ihren Landeswaldgesetzen mit sehr unterschiedlichem Detailgrad und Anspruchsniveau. Das Umweltbun-desamt untersttzt nachdrcklich das Bestreben des BMUB in der Naturschutz-Offensive 2020, dass Bund und Lnder gemeinsam mit allen Akteuren klare und vergleichbare Kriterien fr eine gute fachliche Praxis in der Waldbewirtschaftung festlegen.

Als privatwirtschaftliches Instrument bieten zudem anspruchsvolle Zertifizierungen wie das Forest Ste-wardship Council oder Naturland Anreize, Erfor-dernisse des Umwelt-, Natur- und Artenschutzes ber die gesetzlichen Anforderungen hinaus zu erfllen (siehe auch folgenden Abschnitt).

Die Herausforderung: Genug Holz und mehr Bio-diversittWlder sind Rckzugsgebiete fr viele Arten, da-runter solche, die nur im Wald existieren knnen. Der Schutz der Lebensraumfunktion der Wlder ist deshalb und wegen des hohen Flchenanteils von Wldern in Deutschland unabdingbar, um eine wei-tere Verschlechterung des Erhaltungszustands von Arten mit ihrer genetischen Variabilitt sowie von Lebensrumen zu erreichen.

Interessenskonflikte entstehen insbesondere zwi-schen der Erhhung der Holznachfrage und, den daraus ableitbaren Intensvierungsbemhungen in der Holzproduktion einerseit und andererseits dem Schutz der Biodiversitt, z. B. durch Anbau standort-heimischer Baumarten, einen hohen Alt- und Totholz-anteil, naturnahe Waldrandgestaltung, Struktur-vielfalt, den Schutz von Sonderbiotopen sowie durch natrliche Waldentwicklung (ohne menschliche Nutzung) auf einem bestimmten Anteil der Flche. Nur einige Landeswaldgesetze enthalten konkrete Vorgaben fr die Integration dieser Ziele als Bestand-teil der nachhaltigen Bewirtschaftung. Das wre aber eine wichtige Voraussetzung dafr, damit integrativer

18 Vgl. BVerfG, Urteil vom 31.5.1990, NVwZ 1991, S.53

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Biodiversittschutz in der Forstwirtschaft gelingen kann und auf allen Flchen durchsetzbar ist.

Die Bundesregierung verabschiedete 2007 die NBS zur Umsetzung der CBD. Sie enthlt Qualitts- und Handlungsziele sowie Manahmen zum Schutz der Biodiversitt der Wlder. Um bewerten zu knnen, wie weit die Ziele der NBS erreicht sind, gibt es fr den Wald bisher zwei Indikatoren. Der Nachhaltig-keitsindikator fr den Artenschutz bilanziert die Be-stnde von 59 Vogelarten und weist fr den Teilindi-kator Wlder mit 76 % (2011) einen eher schlechten Erfllungsgrad bei gleichbleibendem Trend auf19. Ziel ist es, bis 2015 100 % zu erreichen20.

Der Indikator Flchenanteil zertifizierter Waldfl-chen soll den Anteil der Waldflche, die nachhaltig forstwirtschaftlich genutzt wird, verdeutlichen. Er weist einen positiven Trend und einen guten Erfl-lungsgrad auf, wenn man alle Zertifizierungssysteme (Programme for the Endorsement of Forest Certifi-cation Schemes (PEFC), Forest Stewardship Council (FSC) und Naturland) zusammennimmt. Insgesamt waren im Jahr 2014 zwischen 70 und 75 % der Wald-flche in Deutschland zertifiziert. Das Ziel fr 2010 waren 80 %. Auf Unterschiede der Zertifikate geht das Kapitel 3.1.2 ein.

Neben diesen direkt auf den Wald bezogenen NBS-Indikatoren gibt es weitere, die fr den Schutz der Waldkosysteme eine groe Bedeutung haben, z. B. zur Flcheninanspruchnahme und Zerschneidung, zum Erhaltungszustand von FFH-Lebensraumtypen (Wlder haben einen groen Anteil) und zum land-wirtschaftlichen Stickstoffberschuss in der Ge-samtbilanz (wegen Eutrophierungswirkungen, siehe Kapitel 3.1.4).

Eines der am meisten diskutierten Themen der nachhaltigen Waldnutzung ist das Ziel der NBS, 5 % der Waldflche insgesamt (im Staatswald 10 %) einer natrlichen Entwicklung zu berlassen, also aus der Nutzung zu nehmen.Die Waldbesitzerinnen und -besitzer lehnen eine solche Ausweitung berwiegend ab. Sie argumentieren u. a. mit dadurch angeblich ge-minderter Kohlenstoffbindung, geringerer Eigenver-sorgung mit Holz aus Deutschland und potenziellen

Auswirkungen auf die einheimische Holzwirtschaft, ggf. dadurch erhhte Importe aus mglicherweise weniger nachhaltig produzierenden Lndern. Aus Sicht des UBA gefhrdet das NBS-Ziel weder den Klimaschutz noch die nachhaltige Deckung des Holz-bedarfs in Deutschland (siehe nachfolgende Kapitel): Als Vorteile sieht das UBA u. a. einen besseren Erhalt der Biodiversitt und die Mglichkeiten, hinsichtlich der Erfllung von kosystemfunktionen und des Aus-gleichs von Strungen (z. B. durch Klimanderungen) von der Natur zu lernen. Ein Problem in der Akzep-tanz und Umsetzung dieses NBS-Ziels bestand darin, dass es 2007 keinen genauen berblick gab, welche nutzungsfreien Flchen bereits heute auf die 5 % anzurechnen sind und wie viel weitere Stilllegungen erforderlich sind. Laut Bundesamt fr Naturschutz (BfN) knnen 1,9 % der Waldflche in Deutschland als dauerhaft gesicherte Flchen mit natrlicher Entwicklung bilanziert werden21. Um das angestrebte Ziel zu erreichen, wren also lediglich 3 % der Wald-flche zustzlich erforderlich (das Thema wird im Abschnitt 4.2 erneut aufgegriffen).

Aus Sicht des UBA greift die Waldstrategie 2020 der Bundesregierung waldbezogene Handlungsziele der NBS nur ungengend auf. Zum Beispiel geht sie nicht auf die Entwicklung einer Strategie von Bund und Lndern zur vorbildlichen Bercksichtigung der Bio-diversittsbelange fr Wlder in ffentlich-rechtlicher Hand oder die klarere Fassung der Grundstze einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Gesetz ein. Umso mehr begrt das UBA, dass sich das BMUB fr eine Wiederaufnahme der Diskussion zu vergleichbaren Kriterien einer guten fachlichen Pra-xis der Waldbewirtschaftung einsetzen will (BMUB 2015). Das UBA befrwortet auch weiterhin eine Verankerung dieser Kriterien in den Waldgesetzen des Bundes und der Lnder.

Wald bedeckt rund ein Drittel der Flche DeutschlandsDie Ausweitung der Landwirtschaft, von Siedlun-gen, Verkehr, Bergbau und Industrie drngten den Wald im Laufe der Jahrhunderte auf etwa ein Drittel der ursprnglichen Flche zurck. Heute sind noch 11,4 Mio. Hektar, also rund ein Drittel der Landesfl-che Deutschlands mit Wald bedeckt.

19 Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Indikatorenbericht 2014, Statistisches Bundesamt20 Indikatorenbericht 2014 zur Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt21 http://www.bfn.de/0401_pm.html?tx_ttnews[tt_news]=4726

http://www.bfn.de/0401_pm.html?tx_ttnews[tt_news]=4726

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In den vergangenen vier Jahrzehnten nahm die Wald-flche Deutschlands um ca. 1 Mio. Hektar zu. Ihr Anteil an der Gesamtflche Deutschlands blieb damit relativ konstant im Unterschied zur Landwirtschafts-flche, die seit Jahren zugunsten von Siedlungs- und Verkehrsflchen, des Rohstoffabbaus und auch des Waldes schrumpft.

Die Zunahme der Waldflche erfolgte vor allem durch Aufforstungen auf dem Gelnde ehemaliger Truppen-bungspltze, in Bergbaufolgelandschaften sowie von landwirtschaftlich genutzten Flchen. Letzteres geschieht oft als Ausgleich fr bauliche Eingriffe in Waldbestnde, wobei oft grere Flchen aufzufors-ten sind, als gerodet wurden. Der Grund dafr ist, dass die Neuanlage von Wldern als Ersatz fr die Rodung alter Waldbestnde nur sehr langfristig (z. T. ber viele Generationen) zum annhernden Aus-gleich der verlorenen Funktionen fhrt.

Dass Waldflche kaum in andere Nutzungen umge-wandelt wird, liegt daran, dass jede Umwandlung von Waldflche durch die Lnder zu genehmigen ist. Die Genehmigung soll nach Bundeswaldgesetz 9 Abs. 1 Satz 3 versagt werden, wenn die Erhaltung des Waldes berwiegend im ffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn der Wald fr die Leistungs-fhigkeit des Naturhaushalts, die forstwirtschaftli-che Erzeugung oder die Erholung der Bevlkerung von wesentlicher Bedeutung ist. Die starke Stellung der fr Wald zustndigen Behrden in den Lndern manifestiert sich darin, dass sie in vielen Fllen die Genehmigung zur Umwandlung versagen oder an die Auflage koppeln, ersatzweise an anderer Stelle meist zulasten landwirtschaftlicher Flchen mindestens die gleiche Flche (bisweilen sogar ein Mehrfaches) aufzuforsten.

Zur Nutzung der begrenzten Ressource Flche ist die Entwicklung von integrierten nachhaltigen Land-nutzungskonzepten auf regionaler Ebene von groer Bedeutung. Mit 32 % der Landesflche ist der Wald hierbei ein wesentlicher Bestandteil. Die Landes- und Regionalplanung sollte gestrkt und das vorhandene Instrumentarium der Raumordnung zur Begrenzung der Auenentwicklung zielfhrend angewendet werden. Die notwendigen Rahmenbedingungen

zugunsten regionaler Kooperationen sind weiter zu verbessern, um die kontraproduktiven Auswirkungen des interkommunalen Wettbewerbs um Einwohner und Steuerzahler zu mildern.

Neben Verkehrsinfrastruktur und Siedlungs- und Ge-werbeflche knnen auch der Ausbau der Energiein-frastruktur oder die Intensivierung von Erholungs-nutzung und Tourismus zu einer Zerschneidung von Waldflchen fhren oder zulasten des mit Bumen bewachsenen Teils22 der Waldflche gehen, z. B.:

Windenergieanlagen im Wald mit ihren Zuwegen und Anschlssen an das Stromnetz. Das UBA sieht es trotz mglicher, lokal oder regional flchen-relevanter Eingriffe in Wlder grundstzlich als notwendig an, auch diese als potenzielle Standor-te fr Windenergieanlagen bzw. Flchen fr den Ausbau von Stromleitungstrassen in Betracht zu ziehen;

Leitungstrassen, die dem berregionalen Strom-transport dienen und von Baumbestand freizuhal-ten sind bzw. nur niedrigen Bewuchs erlauben;

Ausbau des Netzes der Forststraen23, um geernte-tes Holz besser erreichen und abtransportieren zu knnen;

Anlage und Ausweitung von Schutzhtten, Anla-gen fr Ski- oder Wassersport.

Hier liegen multiple Zielkonflikte vor, u. a. zwischen einem umfassenden Schutz der Waldkologie, der an-gestrebten Minderung der Flcheninanspruchnahme, der Nutzung erneuerbarer Energien und der damit verbundenen Notwendigkeit des Ausbaus der Infra-strukturen, der Effizienz der Forstwirtschaft oder dem Ausbau des Tourismus.

Weiterhin ist zu beachten, dass sich Baumanahmen innerhalb von Waldkosystemen auf Stoff-, Energie und Wasserflsse im System, auf das lokale Klima sowie die Lebensraumfunktion des Waldes auswirken knnen. Damit knnen, zustzlich zu Zerschnei-dungswirkungen, weitere negative Wirkungen auf die Vitalitt der Waldkosysteme verbunden sein und wichtige Waldfunktionen eingeschrnkt werden. Weitere Forschung zu den Wirkungen bestimmter Eingriffe ist erforderlich.

22 Zur Waldflche gehren auch kahlgeschlagene und verlichtete Grundflchen, Waldwege, Waldeinteilungs- und Sicherheitsstreifen, Waldblen und Lichtungen, Waldwie-sen, Wildsungspltze, Holzlagerpltze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flchen

23 Selbst wenn Forststraen noch zur Waldflche zhlen, gehen sie zulasten der baumbestandenen Flchen

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Um die kologischen Auswirkungen von Eingriffen zu minimieren, sollten folgende Bedingungen berck-sichtigt werden:

unvermeidbare Eingriffen rumlich bndeln, anstelle sie breit zu streuen

Altbestnde besonders schonen Windenergieanlagen nur an Standorten in rumli-

cher Nhe zu bestehenden Forststraen, Leitungs-trassen, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen errichten

Unvermeidliche negative Wirkungen mglichst vor Ort ausgleichen.

Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflchen bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag reduzieren und bis 2050 beenden24

Siedlungsbrachen oder nicht mehr bentigten Straen und Wegen entsiegeln, um Neuversiege-lungen auszugleichen.

Im brigen ist zu prfen ob eine Einbindung der Fl-chenansprche neuer Infrastrukturen im Wald, die die Nutzung von Waldflchen so stark berformen, dass kein Baumbewuchs mehr mglich ist, in ein Konzept zum Handel mit Flchenzertifikaten einge-bunden werden sollte. Der Handel mit Flchenzerti-fikaten wird derzeit in einem kommunalen Planspiel, in dem Kommunen bundesweit mit Zertifikaten handeln, erprobt.

Eine theoretische Mglichkeit, Nutzungskonflikte auf der Waldflche zu entschrfen, stellt die weitere Ausdehnung der Waldflche dar. Obwohl diese Op-tion wegen der vielfltigen positiven kosystemwir-kungen durchaus wnschenswert wre, verfolgt das UBA dies wegen der Konkurrenz mit anderen Land-nutzungsarten nicht als vorrangiges Ziel. Allerdings knnen Anbausysteme wie Kurzumtriebsplantagen oder Agroforstsysteme einen begrenzten Beitrag zur zustzlichen Holzproduktion leisten, sofern sie bestimmte Anforderungen der Natur- und Umweltver-trglichkeit und Nachhaltigkeit insgesamt erfllen.25

3.1.2 Waldwirtschaft als Pfeiler einer integrierten nachhaltigen Biomassestrategie

DieGrenzenderHolzproduktion-Nhrstoffnach-haltigkeitDie von der Bundesregierung in verschiedenen Stra-tegien und Aktionsplnen vorgegebenen Ziele zur steigenden stofflichen Nutzung von Holz (z. B. Wald-strategie 2020, Charta fr Holz, Nationaler Aktions-plan zur stofflichen Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen) und der klimapolitisch bedingten ver-strkten energetischen Nutzung (z. B. Waldstrategie 2020, Nationaler Biomasseaktionsplan) knnen dazu fhren, dass die Nachfrage nach Holz in Deutschland weiter wchst und eventuell langfristig das Dargebot bersteigt.

Erste Schtzungen gehen davon aus, dass 2020 am Holzmarkt eine Versorgungslcke von rund 30 Mio. m3 pro Jahr in Deutschland entstehen wird (DBFZ 2011). Daher weist auch die Waldstrategie 2020 eine gewnschte Nutzungssteigerung auf rund 100 Mio. m3/Jahr aus. Hierbei ist zu bedenken, dass im Jahr 2007 der Holzeinschlag mit rund 96 Mio. m oder 98 % des nutzbaren Holzzuwachses26 seinen bisherigen Hchststand erreichte, bevor er sich seit 2008 zwischen 80 und 90 Mio. m einpendelte, was rund 80 % des nutzbaren Zuwachses entspricht (Statistisches Bundesamt 2013). Die Zielvorgabe der Waldstrategie fordert somit aus Sicht des Umweltbun-desamt die maximale Nutzung des Zuwachses oder gar eine Absenkung des Holzvorrates.

Der steigende Nutzungsdruck auf die Wlder birgt jedoch zunehmend die Gefahr, die bereits erreichten Vernderungen und Fortschritte einer umweltver-trglichen und nachhaltigen Waldnutzung zu konter-karieren und die Ziel- und Nutzungskonflikte weiter zu verschrfen. Die meisten der Landeswaldgesetze der deutschen Bundeslnder enthalten das Gebot, nachhaltige Waldwirtschaft im Sinne der Helsinki-Deklaration zu betreiben. Hufig wird das Konzept Nachhaltigkeit jedoch auf die Produktionsfunktion des Waldes reduziert, indem schlicht nicht mehr Holz geschlagen werden soll, als nachwchst. Dieses eindimensionale Verstndnis deckt jedoch nur einen

24 Das UBA leistet hierfr mit seinen Arbeiten zur raumbezogenen Umweltplanung, dem Projekt FORUM: Handel mit Flchenzertifikaten und das darauf aufbauende Plan-spiel Flchenhandel Beitrge zur Reduzierung der Flchenneuinanspruchnahme. Der Handel mit Flchenzertifikaten soll in Anlehnung an den Handel mit CO2-Emissions-Zertifikaten finanzielle Anreize setzen fr diejenigen Kommunen, die Innenentwicklung betreiben und Flchen sparen.

25 Vgl. z.B. UBA (2008), BfN (2010)26 Der nutzbare Zuwachs ist der Teil des Bruttozuwachses der fr die Holzproduktion verfgbaren Flchen, der nach Abzug von nicht verwertbarem Holz, Mortalitt und des

Zuwachses auf Flchen, welche aus der Nutzung herausgenommen wurden, verbleibt.

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Teilaspekt nachhaltiger Forstwirtschaft ab. Bereits in-nerhalb des Aspekts der Erntemengen muss die Nhr-stoffbilanz beachtet werden. So kann trotz positiver Mengenbilanz je nach Standort eine bernutzung der Nhrstoffvorrte erfolgen (insbesondere bzgl. Phos-phor und basischer Kationen)27. Besonders bei Voll-baumernte28 oder der Nutzung von Reisigholz kann auf empfindlicheren Standorten eine bernutzung hinsichtlich des Nhrstoffnachlieferungsvermgens eintreten, die bei einer reinen Mengenbetrachtung (Zuwachs zu Nutzung) nicht ersichtlich ist (vgl. z. B. Weis & Gttlein 2012; Kolb & Gttlein 2012; Meiwes et. al 2008; Klling et. al 2007). Bei Ganzbaumernte29 ist dieses Risiko noch hher.

Daher ist aus Sicht des UBA die Betrachtung der Nhrstoffkreislufe in die Hiebplanung zu integ-rieren. Viel versprechend ist, das Nhrstoffnach-lieferungsvermgen des Bodens in den forstlichen Standortskarten einzutragen und in der forstlichen Planung bzw. der Forsteinrichtungzu bercksichti-gen. Mgliche Anstze werden bereits intensiv wis-senschaftlich diskutiert (vgl. z. B. Meiwes et al. 2008 oder Kolb & Gttlein 2012). Das BMEL fhrt derzeit mit Beteiligung einiger Bundeslnder ein Modellvor-haben zur nachhaltigen Nhrstoffversorgung und Gesunderhaltung von Wldern durch30.

Eine Mglichkeit zum Ausgleichs des Nhrstoffdefi-zits ist die Beimischung von Holzasche bei Waldkal-kungen. Mehrere Studien (Klling et. al 2007; Meiwes 2010; Flckinger & Braun 2009) weisen aber darauf hin, dass Holzasche auch zu Humusverlust, Nitrat-auswaschung oder Schadstoffanreicherungen im Boden fhren knnen. Daher sollte aus Sicht des UBA auf die Ausbringung von Holzasche zum Ausgleich von erntebedingten Nhrstoffentzgen verzichtet werden. Das Thema wird in Kapitel 3.1.4 vertieft.

Auch hinsichtlich nichtstofflicher Belange knnen durch die Intensivierung der Forstwirtschaft langfris-tig wirksame Schden verursacht werden. So fhrt z. B. die Rodung von Wurzelstcken oder die Ernte ganzer Bume einschlielich der dafr notwendigen ganzflchigen Befahrung zu einer erheblichen Be-

eintrchtigung des Bodens. Aber auch die verstrkte Befahrung der Rckegassen mit Holzerntemaschinen verdichtet Bden und schdigt damit Bodenleben und Wasserhaushalt.

Mglichkeiten Ertrge nachhaltig zu steigernZur Rekultivierung, beispielsweise von Tagebaugebie-ten und bei der Wiederbewaldung von Brachflchen oder groen Kalamittsflchen, knnen sogenannte Energievorwlder eine Manahme zur Ertragstei-gerung insbesondere zur energetischen Nutzung sein. Hierbei werden die unbewaldeten Flchen oder Flchen mit nicht ausreichender Naturverjngung als Vorwald mit schnellwachsenden, einheimischen Bau-marten bepflanzt. Diese knnen nach einem Zeitraum von zehn bis dreiig Jahren energetisch genutzt wer-den. Hierbei ist die Nhrstoffnachhaltigkeit zwingend zu bercksichtigen.

Energievorwlder knnen aber durchaus auch posi-tive Effekte auf die Nhrstoffverfgbarkeit im Ober-boden aufweisen (vgl. Stark et.al 2011). So knnen Laubbume wie Pappeln oder Ebereschen Nhrstoffe aus tieferen Bodenschichten erschlieen und ber ihr Laub den Oberboden mit Nhrstoffen und Humus anreichern. Im Schutz des Vorwaldes knnen sich die eigentlichen Hauptbaumarten zur Wertholzpro-duktion auf der Flche etablieren, wobei die Lichtver-hltnisse in solchen Bestnden dazu beitragen, die angestrebte astfreie Stammlnge der Wertholzbume zu erreichen. Darber hinaus verbessern Vorwlder den Erosionsschutz und mindern Nhrstoffauswa-schungen.

Auch die Weiterentwicklung historischer Waldbau- und Waldnutzungssysteme knnen neue / alte Wege zur nachhaltigen Ertragssteigerung sein: So waren die durch wiederholtes Fllen relativ junger und regenartionsfhiger Bume (Stockausschlag) entstan-den Niederwlder lange Zeit fr die Versorgung mit Holz, insbesondere zur energetischen Nutzung, von groer Bedeutung. Ebenso die Mischform aus Nieder- und Hochwald, der Mittelwald. Diese Waldbausyste-me knnten ein Weg vor allem fr Standorte sein, die nur bedingt zur Stammholzproduktion geeignet sind.

27 Es ist weiterhin von entscheidender Bedeutung, dass die verwendeten Datengrundlagen den Einschlag auch mglichst realistisch widerspiegeln; so zeigte die BWI2 und BWI3, dass der Holzeinschlag bundesweit offensichtlich deutlich ber den Mengen gelegen haben muss, die in der Holzeinschlagsstatistik ausgewiesen wurden (siehe hierzu auch Jochem et. al (2015)); die Fachagentur fr Nachwachsende Rohstoffe hat hierzu das Forschungsprojekt Rohstoffmonitoring aller Stoffstrme auf der Basis von Holz initiiert, Laufzeit 2015-2017

28 Nutzung der gesamten oberirdischen Biomasse der Waldbume29 Nutzung des gesamten Baumes einschlielich Wurzel30 http://www.bmel.de/DE/Wald-Fischerei/Waelder/_texte/MVNaehrstoffversorgung.html

http://www.bmel.de/DE/Wald-Fischerei/Waelder/_texte/MVNaehrstoffversorgung.html

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Aufgrund der kleinstandrtlichen Bedingungen kn-nen solche historischen Waldbausysteme an wrmere Bedingungen angepasste Genotypen (Varianten einer Art) aufweisen. Somit bieten sie auch ein gewisses Anpassungspotential hinsichtlich des Klimawandels (vgl. Milad et. al 2012). Durch ihren Strukturreichtum sind sie fr die Biodiversitt von besonderem Wert.

Auch durch die Auswahl der Baumarten kann der Bewirtschafter den Ertrag steigern. So steht er oft vor der Entscheidung Douglasie statt Fichte oder Roteiche statt einheimischer Eichenarten anzubauen. Hier ist aus Sicht des UBA der Verwendung von Sorten von als heimisch geltenden und standortgerechten Baumarten der Vorrang zu geben, da die kologi-schen Risiken des Anbaus nicht heimischer Bau-marten nicht abschtzbar sind. Das Wuchspotenzial dieser Baumarten kann eventuell durch klassische Forstpflanzenzchtung noch gesteigert werden. Der kleinflchige und begrenzte Anbau (hauptschlich als Mischbaumart) nicht einheimischer aber stand-ortgerechter Baumarten ist vertretbar, sofern ihre kologische Vertrglichkeit durch langjhrige Anbau-versuche nachgewiesen ist.

ZertifizierunginderForstwirtschaftDie Zertifizierung ist ein privatwirtschaftliches Instrument. Sie kann eine eine zentrale Rolle bei der umweltgerechten, sozialvertrglichen und wirtschaft-lich ertragreichen Waldbewirtschaftung spielen. In Deutschland soll 80 % der Waldflche nach hoch-wertigen kologischen Standards bis 2010 zertifiziert sein so hat es die Bundesregierung in der Nationa-len Strategie zur biologischen Vielfalt festgelegt.

In Deutschland sind derzeit drei forstliche Zertifi-zierungssysteme etabliert. Das Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC)31 ist mit einer Flche von rund 7,35 Mio. Hektar bei insgesamt 11,4 Mio. Hektar Waldflche in Deutschland das System mit der grten zertifizierten Flche. Nach dem System des Forest Stewardship Council (FSC)32 sind aktuell rund 1.078.609 Hektar, nach den Kriterien zur kologischen Waldnutzung von Naturland33 54.000 Hektar zertifiziert. Letztere

sind zugleich auch FSC-zertifiziert. Auch nach FSC zertifizierte Flchen berschneiden sich teilweise mit Flchen zertifiziert nach PEFC34, so dass der Anteil der zertifizierten Flche in Deutschland nicht genau ermittelt werden kann.

Die Zertifizierungssysteme unterscheiden sich hin-sichtlich ihrer Kriterien sowie der Vorschriften zur Vergabe und Vor-Ort Prfungen35. Whrend der FSC Einzelbetriebe oder Gruppen kleinerer Forstbetriebe zertifiziert und diese jhrlich vor Ort prft, erfolgt nach den PEFC-Richtlinien eine Zertifizierung vor-wiegend ganzer Regionen mit stichprobenartigen Vor-Ort-Prfungen. Auch hinsichtlich der Kriterien zur Waldbewirtschaftung sind Unterschiede erkennbar.

Die Kriterien des FSC sind in der Regel strikter und kologisch hochwertiger: So sind Vollbaumnutzung und maschinelle Bodenbearbeitung im Rahmen des PEFC Zertifikats generell mglich, bei FSC dagegen nicht zugelassen. Pestizide drfen laut FSC nur mit behrdlicher Anordnung eingesetzt werden, PEFC erlaubt die flchige Anwendung von Pflanzenschutz-mitteln als letztes Mittel auch ohne Anordnung und verlangt lediglich eine fachkundige Begutachtung. Whrend FSC ein Totholzmanagement und Referenz-flchen vorschreibt, die aus der forstlichen Nutzung zu nehmen sind36, verzichtet PEFC hierauf. Auch hin-sichtlich der Baumartenwahl legt die FSC-Zertifizie-rung mit der Orientierung an der standortheimischen Bestockung strengere Mastbe an als PEFC.

Aus Sicht des UBA entspricht die Einhaltung der PEFC-Kriterien im Wesentlichen den Mindestan-forderungen, die den in Deutschland geltenden gesetzlichen Regelungen bzw. den Helsinki- und Wien Kriterien von FOREST EUROPE entsprechen. Mit der Zertifizierung nach besonders anspruchsvol-len Zertifizierungsystemen wie FSC oder Naturland dokumentieren die Waldbesitzer ihre Bereitschaft, bei der Bewirtschaftung ihrer Flchen Erfordernisse der Nachhaltigkeit sowie des Natur- und Artenschutzes deutlich ber den gesetzlich vorgegebenen Standard hinaus zu bercksichtigen.

31 www.pefc.de, Stand Dezember 201432 www.fsc-deutschland.de, Stand Oktober 201533 http://www.naturland.de/de/naturland/was-wir-tun/wald/%C3%B6kologische-waldnutzung.html34 Z.B. ist der Staatswald mehrerer Bundeslnder sowohl PEFC als auch FSC zertifiziert35 Vgl. http://www.fsc-deutschland.de/download.10-gute-gruende.57.pdf und https://pefc.de/tl_files/dokumente/fuer_waldbesitzer/sonstige_dokumente/Synopse_PEFC_

FSC_2011.pdf36 Die Ausweisung von Referenzflchen im Rahmen der FSC-Zertifizierung ist fr den Staats- und Kommunalwald ab einer Gre von 1000 Hektar vorgeschrieben.

http://www.pefc.dehttp://www.fsc-deutschland.dehttp://www.naturland.de/de/naturland/was-wir-tun/wald/%C3%B6kologische-waldnutzung.htmlhttp://www.fsc-deutschland.de/download.10-gute-gruende.57.pdfhttps://pefc.de/tl_files/dokumente/fuer_waldbesitzer/sonstige_dokumente/Synopse_PEFC_FSC_2011.pdfhttps://pefc.de/tl_files/dokumente/fuer_waldbesitzer/sonstige_dokumente/Synopse_PEFC_FSC_2011.pdf

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Biomasse was ist nachhaltig nutzbar?Die zweite Bundeswaldinventur (BWI) hat gezeigt, dass insbesondere im Klein- und Kleinstprivatwald37 ungenutzte Holzpotenziale vorhanden sind. Dies hat auch die dritte BWI besttigt.Hufig rechnet sich die Bewirtschaftung aber fr die Waldbesitzer nicht, zum Teil sind Besitzverhltnisse unklar oder andere Voraussetzungen, wie technische Ausstattung und Waldbauwissen, nicht vorhanden. Bei fehlender oder unzureichender Bewirtschaftung sind die Waldfl-chen des Klein- und Kleinstprivatwald hufig gleich-altrig und mit nur einer Baumart bestockt und nur eingeschrnkt stabil.

Durch die Frderung forstlicher Zusammenschls-se versucht die Bundesregierung die ungenutzten Holzpotenziale verfgbar zu machen. So wurden forstwirtschaftliche Vereinigungen im neuen Bundes-waldgesetz besser gestellt. Die Wirkung dieser Ma-nahme ist nach Auskunft der Bundesregierung als positiv zu betrachten (Deutscher Bundestag 201238). Die Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur zeigen aber, dass die tatschliche Aktivierung bisher ungenutzter Holzpotenzial weiterhin mit Schwierig-keiten verbunden ist und nur in begrenztem Umfang erreicht werden konnte.

3.1.3 Wald als Klimaschtzer Speicher fr Milliarden Tonnen CO2Das im Dezember 2015 verabschiedete internationa-le Pariser Abkommen zum Klimaschutz betont die Wichtigkeit der Kohlenstoffsenken und damit die Rolle des Waldes, insbesondere fr die Erreichbarkeit des Langfristziels der internationalen Gemeinschaft. Es besteht darin, im Lauf des Jahrhunderts die Treib-hausgas (THG)-Emissionen so weit als irgend mglich zu senken und die unvermeidbaren Emissionen durch Kohlenstoffspeicherung vollstndig auszugleichen, z. B. durch den Waldspeicher.

Der Wald speichert enorme Mengen Kohlenstoff im Boden, der oberirdischen und unterirdischen Biomas-se, im Totholz und der Streu, den die Bume zuvor der Atmosphre zur Photosynthese entziehen. So spei-chern die deutschen Wlder gegenwrtig 1,2 Mrd. Tonnen Kohlenstoff (Heuer 2009), das entspricht

4,4 Mrd. Tonnen CO239 und ungefhr der vierfachen Menge der jhrlichen deutschen Treibhausgasemis-sionen (ca. 900-950 Mio. Tonnen CO2-quivalente pro Jahr von 2008 bis 2012). Kohlenstoff, der in den Boden berfhrt wird und dort als Humus oder unter bestimmten Bedingungen als Torf festliegt, kann ber einen Zeitraum von mehreren hundert bis tau-send Jahren gespeichert bleiben. Atmung, Zersetzung und Feuer fhren zur Freisetzung des in der Biomasse gespeicherten Kohlenstoffs.

Auch die Holzernte muss als CO2-Quelle betrachtet werden, wobei hier die Verwendung entscheidend ist: Wird Holz zeitnah verbrannt, gelangt der Kohlenstoff direkt wieder in die Atmosphre. Eine Nutzung in Form langlebiger Holzprodukte (Produktspeicher), hlt den Kohlenstoff ber die Nutzungsdauer zurck, was aus Grnden des Klimaschutzes gnstig ist. Auch der Treibstoffverbrauch bei Ernte-, Transport und sonstigen Arbeiten im Rahmen der Holznutzung fhrt zu Emissionen, die in Kohlenstoffbilanzen zu bercksichtigen sind.

Absorbiert eine Waldflche durch Zuwachs mehr CO2 als sie durch Nutzung, Zersetzung im Boden, Brnde etc. verliert, ist sie eine Netto-CO2-Senke, und um-gekehrt. Jeder Speicher kann folglich zur Emissions-quelle werden. Der Schutz ist daher sehr wichtig.

Die Forderung, der Wald bzw. die Forst-und Holzwirt-schaft solle zum Klimaschutz beitragen, bedeutet deshalb allgemein

vorhandene Speicher schtzen, die Festlegung von Kohlenstoff erhhen, also die

Speicher vergrern, Holz mglichst fr stoffliche Nutzung und mg-

lichst gut substituierende Produkte verwenden, Emissionen durch Entwsserung von Bden und

Waldbrnde vermeiden

Speicher schtzen: Dies muss oberste Prioritt haben. Hierfr ist es aus Sicht des UBA notwendig auf eine Intensivierung der Waldwirtschaft im Sinne der Verkrzung von Umtriebszeiten oder der verstrkten Voll- oder Ganzbaumnutzung zu verzichten. Auch der

37 laut BWI II betrgt die Flche von Privatwald der Eigentumsgrenklasse kleiner 20 ha in Deutschland 2,76 Mio. Hektar das entspricht etwa 25 % der Waldflche38 Quelle: BT Drucksache 17/11498, die Aussage wird nicht mit konkreten Fakten untermauert.39 1,2 Mrd. t C*44/12 = 4,4 Mrd. t CO2.

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Schutz von Altbestnden und Waldmooren ist weiter auszubauen. Durch einen konsequenten naturver-trglichen Waldumbau hin zu mehrschichtigen Mischbestnden ist die Stabilitt der Waldbestnde zu erhhen. Bodenschonende Waldbaumanahmen sind dabei Voraussetzungen um auch den Kohlen-stoffbestand des Waldbodens zu schtzen.

Mehr Kohlenstoff binden: 2012 wurden in deutschen Wldern netto ca. 52.000 kt CO2eq festgelegt. Zur weiteren Steigerung der Kohlenstofffestlegung sind ebenfalls stabile, mehrschichtige Mischbestnde mit standortgerechten Baumarten eine wesentliche Vor-aussetzung. Nutzungssysteme wie Femelhieb40, Plen-terwaldbewirtschaftung41 und Einzelstammnutzung orientieren sich an der Struktur natrlicher Waldbe-stnde. Sie frdern die Festlegung von Kohlenstoff in der Kraut- und Strauchvegetation. Auch die Wieder-bewaldung von Brachflchen sowie eine Holznutzung unterhalb des jhrlichen Zuwachses erhhen die Festlegung von Kohlenstoff im Wald.

Emissionen verringern: Die nderung der Kohlen-stoffvorrte durch die Waldbewirtschaftung beluft sich derzeit auf ca. 1000 kt CO2eq42 und reduziert die Bruttosenke um diesen Betrag. Neben den bereits genannten Manahmen zum Schutz des Kohlenstoff-speichers sollten groflchige Brachflchen mini-miert werden. Denn durch die auf solchen Flchen herrschenden Bedingungen, wie hohe Temperatur und Sonneneinstrahlung, wird Biomasse wie Laub und Pflanznereste, aufgrund der hohen mikrobiellen Aktivitt schnell zersetzt. Dies ist mit entsprechenden Emissionen verbunden.

Die Treibhausgasberichterstattung im UBA hat eine wichtige Kontrollfunktion zur berprfung der Klimaschutzziele insgesamt und untersttzt Klima-schutzpolitik in Deutschland. Im Rahmen des inter-nationalen Klimaschutzes engagiert sich das UBA in den Klimaverhandlungen dafr, transparente und anspruchsvolle Anrechnungsregeln fr natrliche Senken und Quellen zu erarbeiten, die fr alle Staa-ten verpflichtend sein sollten, um Verlagerungen von Emissionen z. B. durch Entwaldung fr landwirt-schaftliche Flchen in Drittlnder zu vermeiden.

Klimaschutz durch Kaskadennutzung:Holz, Holzpellets, Holzhackschnitzel oder Altholz sind attraktive alternative Brennstoffe geworden. Die energetische Nutzung von Holz gilt als CO2-neutral. Das stimmt aber nur unter ganz bestimmten Voraus-setzungen: Will man die Treibhausgasbilanz energeti-scher Holznutzung betrachten, sind lange Zeitreihen zu beachten, was die Berechnung uerst komplex macht. Die Spannbreite kann reichen von sehr positiv in Bezug auf den Klimaschutz bis deutlich schlechter als fossile Energietrger. Faktoren, die das Ergebnis mageblich beeinflussen, sind u. a.:

der gewhlte Startzeitpunkt der Berechnung bzw. bereits vorhandener C-Vorrat (hiebreifer Wald oder Neupflanzung),

Referenzszenario (natrliches Wachstum oder anderweitige Nutzung),

die betrachtete Flche (Landschaftsebene oder nur Schlagflche),

Adaptives Management (Intensivierung) und Ern-tekonzept (Kahlschlag oder selektive Ernte),

Effizienz der Bioenergienutzung, beim Einsparpotenzial im Vergleich zu fossiler

Referenz: welcher Energiemix wird referenziert? Wie wird dessen zeitliche Dynamik einbezogen (Bilanzzeitraum erstreckt sich oft ber Jahrhun-derte)?

Bercksichtigung von Substitutions- und Verdrn-gungseffekten ,

Allokation der Emissionen auf Durchforstungsholz und Ernteresten ,

Zeitabhngige Wirkung von Emissionen (Global Warming Potential, Radiative Forcing etc.).

Grundstzlich verbessert sich die Treibhausgas-bilanz schlagartig, wenn das Holz zuvor stofflich, etwa als Mbel oder Baustoff, genutzt wurde. Daher ist eine Kaskadennutzung von Holz grundstzlich vorzuziehen.43 Wird statt der direkten Verbrennung das geerntete Holz fr langlebige Holzprodukte wie Mbel oder Bauholz verwendet, wird der Kohlenstoff zunchst fr weitere Jahrzehnte festgelegt. Zudem ersetzen Holzprodukte hufig Produkte aus fossilen Rohstoffen, wodurch weitere Emissionen vermieden werden knnen.44 Erst am Ende einer mglichst lan-

40 Gruppenweise Entnahme von Bumen zur Einleitung der natrlichen Verjngung mit dem Ziel eines mehrschichtigen, ungleichaltrigen Bestandes41 In einem Plenterwald kommen Bume unterschiedlichen Alters, Gre und Dimension auf kleinster Flche vor. Er ist somit immer mehrschichtig und ein sich selbst verjn-

gender Dauerwald. 42 Diese resultieren vor allem aus Emissionen aus den Bden z.B. durch Pflgen bei Aufforstungsmanahmen oder Ernte mit starken Eingriffen in den Boden.43 Weiterfhrend: Rter S. et.al. (2011)44 Weiterfhrend: Rter S. (2011)

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gen Nutzungskette, z. B. als Dachbalken, Spanplatte oder auch Papier, sollte die energetische Verwendung stehen.

Andererseits kann erwartet werden, dass eine Zunah-me der Kohlenstoffspeicherung in Holzprodukten nur ber eine bestimmte Zeitspanne erfolgt, bis ein neuer Sttigungsgrad des Marktes erreicht ist. Die Mengen an verrottenden oder schlussendlich energetisch ver-werteten Holzprodukten mssen in die Bilanzierung einbezogen werden (Krner 2009). Insofern tragen die langlebigen Holzprodukte nur vorbergehend zur erhhten Kohlenstofffestlegung aus der Atmosphre bei. Bedeutender ist ihr Substitutionseffekt.

Der vllige Nutzungsverzicht ist nach Rock und Bolte (2011) zwar deutlich gnstiger als die ausschlie-liche energetische Nutzung, die CO2 Bilanz ist aber schlechter als fr die reale Waldbewirtschaftung, wenn der Holzproduktspeicher und Substitutionsef-fekte in die Berechnung einbezogen werden.

Ein aktuelles Forschungsprojekt des BfN (Mund et al. 2015) nennt folgende Faktoren bei der Bewertung von Nutzungsverzichten im Wald als besonders wichtig: Erstens die Hhe des Biomasse- und Kohlenstoff-vorrats zu Beginn des angenommenen Nutzungs-verzichts und zweitens den Anteil produzierter langlebiger Holzprodukte und ihrer kaskadenartigen Nutzung. Ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt ist, dass bei Nichtnutzung der weiterhin bestehende Holz-bedarf fr Energie und Holzprodukte durch Importe mglicherweise aus nicht nachhaltiger Waldbewirt-schaftung gedeckt wrde und somit nur eine Ver-schiebung der Emissionen in andere Lnder erfolgt.

Es ist festzuhalten, dass weiterer Forschungsbedarf zur Bewertung der Waldbewirtschaftung und der Holznutzung aus Klimaschutzsicht besteht. Klar ist: Auf die direkte energetische Nutzung von Holz sollte weitestgehend verzichtet und die kaskadenartige Holznutzung verstrkt gefrdert werden. Das UBA befasst sich in diversen Forschungsprojekten mit der Entwicklung von Instrumenten zur Frderung der kaskadenartigen Biomassenutzung, u. a. von Holz-biomasse45. Unter dem Aspekt Klimaschutz ist die stoffliche Substitution durch Holzprodukte der ener-getischen Substitution von fossilen Brennstoffen vor-

zuziehen. Bei der Entwicklung neuer Verfahren und Produkte der stofflichen Holznutzung sollte bereits frhzeitig geklrt werden, ob diese aus gesamtkolo-gischer Sicht zu Vorteilen fr die Umwelt gegenber den herkmmlichen Verfahren und Produkten fh-ren. Auch hierzu leisten die Forschungsprojekte des UBA beispielsweise durch die Definition von Nach-haltigkeitskriterien einen Beitrag.46

3.1.4 Wlder an den Klimawandel anpassenWlder schtzen nicht nur das Klima, sie sind auch vom Klimawandel direkt betroffen. In Deutschland besteht einerseits die Chance auf hhere Holzzuwch-se, da sich die Vegetationsperiode verlngert. Ande-rerseits erhhen steigende Temperaturen und eine vernderte Niederschlagsverteilung ber die Jahres-zeiten die Gefahr von Drre- und Hitzeperioden. Die Waldbrandgefahr kann steigen und das Risiko des Schdlingsbefalls erhht sich. Auch hufige Starkre-gen und Strme bedeuten Risiken fr empfindliche Waldkosysteme.

Da Wlder langsam wachsen, passen sie sich nur allmhlich an. Experten befrchten, dass das nicht schnell genug geschieht, um den Risiken durch die beschleunigten Klimanderungen zu begegnen. Wo gravierende Waldschden auftreten, kann neben der Holzproduktion auch der Schutz gegen Hochwasser oder Bodenerosion oder die Eignung des Waldes als Ort der Erholung leiden. Die Bundesregierung kommt in der Waldstrategie 2020 zu Schluss, dass eindeu-tig die negativen Wirkungen des Klimawandels die positiven berwiegen. Ntig seien eine verstrkte For-schung zu den Auswirkungen der Klimanderungen sowie zur Anpassung; auch die Klimaanpassungs-potenziale nutzungsfreier Wlder mssten besser untersucht werden.

Die Anflligkeit der Wlder lsst sich aber gezielt verringern. Weil die zuknftigen Auswirkungen des Klimawandels fr einzelne Regionen nicht mit Sicherheit vorhersagbar sind, sollten die Wlder von morgen vor allem tolerant gegenber nderungen von Klimafaktoren in unterschiedliche Richtungen sein. Der zgige Umbau von Monokulturen, insbe-sondere von Nadelbaumarten, zu Mischwldern ist dafr eine der wirksamsten Vorsorgemanahmen. Eine Mischung von Baumarten mit unterschiedli-

45 Vgl. z.b. FuE Mehr Ressourceneffizienz durch die stoffliche Biomassenutzung in Kaskaden von der Theorie zur Praxis (FKZ 37 13 44 100), www.biomassekaskaden.de46 Vgl z.B. Carus et al. (2014)

http://www.biomassekaskaden.de

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chen Eigenschaften und Ansprchen, bevorzugt aus Naturverjngung, und die damit gewonnene breitere strukturelle und genetische Vielfalt erhhen die na-trliche Anpassungskapazitt. Ein positiver Neben-effekt eines hheren Laubholzanteils ist, dass in der Regel Stickstoffeintrge aus der Atmosphre besser verwertet werden knnen und der Nitrataustrag ins Grundwasser abnimmt.

Im Interesse der Erhaltung der einheimischen Flora und Fauna sollten vorrangig standortheimische Bau-marten gefrdert oder gepflanzt werden. Vorausset-zung ist, dass diese auch unter den zuknftigen, ggf. vernderten Standortbedingungen existieren knnen und Forstwirte mit ihnen einen ausreichenden Ertrag erwirtschaften. In Feldversuchen wird jedoch auch geprft, ob wrme- und trockenheitstolerante Popula-tionen heimischer Waldbume sowie aus Sd- und Sdosteuropa (potenzielle Einwanderer) als hiesige Waldbume tauglich sind.

Das UBA hlt die behutsame Verwendung (kleinfl-chig, begrenzter Flchenanteil) nicht einheimischer, aber standortgerechter Baumarten fr vertretbar, sofern ihre kologische Vertrglichkeit und natur-schutzfachliche Unbedenklichkeit insbesondere mit Blick auf eine eventuelle Invasivitt dieser Baumar-ten durch langjhrige Anbauversuche nachgewiesen ist. Auch im vom SRU (2012) empfohlenen und auch im UBA favorisierten Zertifizierungssystem FSC (siehe Kapitel 3.1.2) sind geringe Beimischungen sogenann-ter Gastbaumarten zulssig. Allerdings sind Natur-schutzaspekte zu bercksichtigen. So wird z. B. ein Unterbau standortheimischer alter Buchenwlder mit Douglasien nicht befrwortet, weil er ihre Natrlich-keit und Ursprnglichkeit beeintrchtigt.

Vielerorts hat die Forstwirtschaft den kologischen Umbau der Wlder bereits in Angriff genommen und arbeitet nach den Prinzipien des naturnahen Wald-baus. Fr den Waldumbau stehen Frdermittel der EU aus der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Kstenschutzes (GAK) zur Ver-fgung. Hemmnisse auf diesem Weg liegen u. a dar-in, dass die Holzwirtschaft bisher Nadelholz deutlich strker nachfragt als Laubholz (siehe auch Einleitung zu Kapitel 3.2), und dass der Waldumbau aufgrund der langen Lebenszyklen der Bume nur nach und

nach mglich ist. Verbreitet verhindern zu hohe Wild-bestnde die Entwicklung junger Laubhlzer.

Ebenso wichtig wie der aktive Waldumbau sind Vorsorgemanahmen gegen Waldbrnde, Sturmsch-den und Schdlinge, ein konsistentes Risikomanage-ment sowie die Entwicklung und Implementierung abgestimmter Wasserbewirtschaftungskonzepte einschlielich Rckbau von Entwsserungsanlagen. Die Umsetzung einzelner Manahmen ist jedoch zeit-aufwndig und teuer. Oft entfalten sie ihre positive konomische Wirkung nur langfristig. Auch besteht noch ein hoher Informationsbedarf zur Klimaanpas-sung. Ganz entscheidend ist deshalb die Aufklrung der Waldbesitzer darber, dass versptete oder nicht durchgefhrte Anpassungsmanahmen auch fr sie zu hohen konomischen Risiken fhren. Darber hinaus sind alle Manahmen, die zustzliche Stress-faktoren mindern (z. B. zur Verringerung von Stoffein-trgen, Bodenverdichtung oder hufiger Befahrung), geeignet, die Anpassungskapazitt der Wlder zu strken.47

Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klima-wandel (DAS), Handlungsfeld Wald- und Forstwirt-schaft, weist ber die hier bereits genannten Hand-lungsoptionen hinaus auf die Notwendigkeit hin, wissenschaftliche Entscheidungsgrundlagen zu erar-beiten und den Wissenstransfer zwischen Experten der Forstwirtschaft zu intensivieren. Sie benennt in diesem Zusammenhang Umweltbeobachtung (Mo-nitoring) und Forschung (Versuchsflchen, Stand-ortkartierungen, Forstpflanzenzchtung, Provenienz-forschung und regionale Anbauempfehlungen,) als notwendige Aktionen. Langfristige Umweltbeob-achtungsprogramme, wie sie fr die Beobachtung der Wirkungen des Klimawandels erforderlich sind, bentigen eine langfristig stabile Finanzierung. Diese ist aber oft nicht gesichert.

Das Bundeskabinett verffentlichte am 16. Dezem-ber 2015 den Fortschrittsbericht zur DAS mit dem Aktionsplan Anpassung II (APA II). Die Anpassung an den Klimawandel soll auch in der Forstwirtschaft integraler Bestandteil in Planungs- und Entschei-dungsprozessen werden. Das UBA wirkt in der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) mit, die auf geeignete Rahmenbedingungen fr die Strkung der

47 Weitere Informationen siehe www.anpassung.net , Klimafolgen und Anpassung, Forstwirtschaft.

http://www.anpassung.net

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Anpassungskapazitten hinarbeitet. Die DAS sieht u. a. auch eine regelmige Berichterstattung zu Vernderungen die durch den Klimawandel bereits feststellbar sind und Anpassung vor. Dazu erschien 2015 ein Monitoringbericht, der zum Thema Wald insgesamt 13 Indikatoren abbildet (UBA 2015).

Der rechtliche Handlungsbedarf fr die Anpassung an die Folgen des Klimawandels wurde in einem For-schungsvorhaben analysiert und Vorschlge fr die Weiter- und Neuentwicklung rechtlicher Instrumente erarbeitet (Reese et al. 2010). In der Forstwirtschaft sehen die Autoren besonderen Handlungsbedarf zum Schutz der Bden vor Erosion, Verdichtung und Humusverlust sowie fr verstrkten Wasserrckhalt. Sie bezeichnen die ordnungsrechtlichen Mglichkei-ten zum Schutz der Bden als defizitr und regen an, in vorhandenen Planungsinstrumenten verbindliche Festsetzungsmglichkeiten fr Anforderungen an die Bewirtschaftung zu schaffen.

Es ist zu begren, dass die Bundesregierung bereits 2011 bereinstimmend mit ihrem Aktionsplan Anpassung (APA I) den Waldklimafonds eingerichtet hat. Es sollen Manahmen und Projekte gefrdert werden, die nicht bereits durch andere Frderpro-gramme (ELER, GAK) gedeckt sind. Der Fonds wird aus dem Sondervermgen Energie- und Klimafonds48 gespeist.

Das UBA setzte sich im Rahmen der ffentlichen Konsultation der KOM zum Grnbuch Waldschutz und Waldinformation: Vorbereitung der Wlder auf den Klimawandel dafr ein, alle kosystemfunkti-onen und -dienstleistungen der Wlder ausgewogen zu erhalten, die nachhaltige, naturschutzgerechte Waldwirtschaft entsprechend ihrer Bedeutung fr den Naturhaushalt und die Biodiversitt strker in der GAP einzubinden und mit kontinuierlichen wir-kungsbasierten Umweltbeobachtungsprogrammen die Voraussetzung fr wissenschaftliche Begrndung politischer Entscheidungen im Forstbereich langfris-tig zu garantieren. Diese Empfehlungen werden auch durch den SRU (2012) untersttzt.

3.1.5 Fremdstoffeintrgevermeidenoder minimieren

LuftschadstoffeFr die Luftqualitt sind Wlder bedeutsam, denn sie reinigen die Luft und gleichen Witterungsextreme aus. Die Luftqualitt beeinflusst jedoch die Gesund-heit der Wlder mageblich. Ablagerungen aus der Atmosphre (Depositionen) sind in Wldern meist die einzige Quelle fr groflchige, vom Menschen verursachte Schadstoffeintrge. Hauptverantwortlich fr Schadwirkungen auf Wlder sind heute reaktive Stickstoffverbindungen (Ammoniak, Stickstoffoxide) und bodennahes Ozon. Aber auch das Erbe jahrzehn-telanger starker Sureeintrge die groflchige Basenverarmung und Nivellierung des chemischen Oberbodenzustandes auf niedrigem Niveau (BML 1996) - ist nur sehr langfristig, z. T. gar nicht rck-gngig zu machen.

Manahmen zur Luftreinhaltung reduzierten in den letzten Jahrzehnten eine der Hauptursachen fr Waldschden drastisch - die Deposition von Schwe-felverbindungen. Die SO2-Emissionen Deutschlands verringerten sich im Zeitraum 1990 bis 2014 um mehr als 90 % (Basiswert SO2-Emissionen 5312 kt im Jahr 1990). Dagegen konnte die Freisetzung von Stickstoff-oxiden und Ammoniak im gleichen Zeitraum nur um etwa 58 % (Basiswert NOX-Emissionen 2885 kt) bzw. 7 % (Basiswert NH3-Emissionen 793 kt) gemindert werden, NMVOC49 um rund 69 % (Basiswert NMVOC-Emissionen 3389 kt) (Nationales Emissionsinventar 2016).

kologische Risiken entstehen dort, wo Schadstoffe-intrge die kologischen Belastungsgrenzen ber-schreiten. Aktuelle Bewertungen im Auftrag des UBA belegen, dass im Jahr 2009 auf fast der Hlfte der Waldflche Deutschlands die Stickstoffeintrge zu hoch sind. Die einseitige Stickstoffberversorgung fhrt zu Nhrstoffungleichgewichten und mindert die Stresstoleranz von Waldbumen. Sie vertragen dann Drre, Frost und andere Witterungsextreme schlechter und sind anflliger fr Krankheiten und Schdlinge. Jngste Ergebnisse des ICP Forests50 (2012) untermauern diese Hypothese. Sie zeigen, dass

48 Gesetz zur Errichtung eines Sondervermgens Energie- und Klimafonds (EKFG) vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1807), gendert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. Juli 2011 (BGBl. I S. 1702) EKFG.

49 Flchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds) ohne Methan - neben Stickstoffdioxid ein Vorluferstoff fr bodennahes Ozon50 Das International Cooperative Programme on Assessment and Monitoring of air Pollution Effects on Forests ist eines von sieben Programmen der Arbeitsgruppe Wirkun-

gen (Working Group on Effects, WGE, unter der Genfer Luftreinhaltekonvention (UNECE Convention on Long-range Transboundary Air Pollution, CLRTAP, http://www.unece.org/env/lrtap/welcome.html)

http://www.unece.org/env/lrtap/welcome.htmlhttp://www.unece.org/env/lrtap/welcome.html

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ungnstige Nhrstoffverhltnisse in Blttern oder Nadeln und gleichzeitig Vergilbungserscheinungen hufiger an Standorten mit hohen Stickstoffeintrgen und Anzeichen von Stickstoffsttigung auftraten als an anderen Standorten des Europischen Beob-achtungsnetzwerks des ICP Forests. Allerdings wird nicht ausgeschlossen, dass auch andere Faktoren die Ergebnisse beeinflussten. Die Bodenvegetation ver-liert an Vielfalt, weil die weniger stickstofftoleranten Arten verdrngt werden (ICP Forests 2006). Das hat auch Auswirkungen auf eine Reihe von Tierarten und auf das kologische Gleichgewicht. Frdert Stickstoff eine zu ppige Bodenvegetation, kann das dazu fh-ren, dass sie mehr Wasser verdunstet. Das verschrft den Trockenstress der Waldbume in niederschlags-armen Perioden (und vermindert so die Anpassungs-fhigkeit an den Klimawandel).

Die Konzentration von gasfrmigem Ammoniak in der Luft berschreitet die Belastungsgrenzwerte (lang-fristige Einwirkung) fr Flechten als besonders emp-findliche Pflanzen (1 g m-3) fast berall in Europa, die fr hhere Pflanzen (2 bis 4 g m-3)51 vor allem in Regionen mit hohen Nutztierbestnden (WGE 2012). Dort ist damit zu rechnen, dass sich die Zusammen-setzung natrlicher Pflanzengesellschaften ndert. Das ICP Forests (2012) belegte durch Auswertung von Daten des europischen Beobachtungsnetzwerks ebenfalls Zusammenhnge zwischen hoher Stickstoff-deposition und geringerer Diversitt von Flechten, vor allem durch Rckgang solcher Arten, die mit sehr wenig Nhrstoff auskommen.

Vielerorts bestehen Risiken fr die Gesundheit von Waldbumen durch bodennahes Ozon (Baumgarten et al. 2010, WGE 2012). Der Holzertrag und die Bin-dung von Kohlenstoff aus der Atmosphre im kosys-tem knnen beeintrchtigt werden (ICP Vegetation 2012). In Deutschland berschreiten in den meisten Jahren die Mittelwerte der Ozonkonzentrationen ber alle lndlichen Messstationen die Wirkungsschwelle fr Zuwachsminderungen bei Waldbumen (AOT40 =10 000 g/m3 h), d. h. an vielen dieser Stationen treten erhebliche berschreitungen auf. Eine Verbes-serung zeichnet sich bisher nicht ab.

Neben den bisher beschriebenen Wirkungen von Luftschadstoffen ist auch eine Anreicherung persis-tenter Schadstoffe in den humusreichen Waldbden festzustellen. Welche Wirkungen davon auf Lebewe-sen ausgehen, ist derzeit erst fr wenige Arten oder mikrobiologische Prozesse erforscht. Eine europ-ische Studie (Hettelingh et al. 2006) zeigt, dass die atmosphrischen Eintrge von Blei und Quecksilber kritische Belastungsgrenzen in erheblichen Teilen Deutschlands berschreiten. Nach heutigem Stand des Wissens entwickelt sich dort bei gleichbleibenden Eintrgen ein Risiko fr das Bodenleben und verbun-dene Gewsser. In einigen Regionen Europas wurden bereits heute berschreitungen kritischer Konzentra-tionen fr Schwermetalle in Waldbden festgestellt (Rademacher 2001).

Im Rahmen der zweiten Bodenzustandserhebung im Walde (BZE II) untersuchte das UBA in Zusam-menarbeit mit den Forst- und Umweltverwaltungen der Lnder die Belastung von Waldbden mit mehr als 10 persistenten organischen Schadstoffen bzw. Schadstoffgruppen. Diesen Stoffen werden toxische, zum Teil krebserregende oder erbgutverndernde Eigenschaften zugeschrieben. Sie knnen sich in Nahrungsketten anreichern. Es zeigte sich, dass die Bden solche Schadstoffeintrge sehr lange in ihrem Gedchtnis speichern.

Das heit, Gebiete mit historischer Belastung lassen sich heute noch lokalisieren: Vor allem an alten In-dustriestandorten wie dem Saarland, dem Ruhrgebiet und dem Bitterfeld-Wolfener Chemiedreieck gibt es erhhte Konzentrationen zum Teil lngst verbotener Stoffe. Die gute Nachricht: An den meisten Standorten liegen die Werte unter den Vorsorgewerten der Bun-desbodenschutzverordnung. Persistente organische Schadstoffe knnen aber auch aus den Bden wieder freigesetzt und mit Luftstrmungen in die Umgebung, zum Teil ber weite Entfernungen transportiert wer-den. Bis die Stoffe endgltig nicht mehr in Umweltme-dien nachweisbar sind, knnen noch viele Jahrzehnte vergehen.

Weil Luftschadstoffe weite Distanzen und auch Ln-dergrenzen berwinden knnen, mssen effektive

51 Die kologische Bedeutung von Flechten besteht in der Zwischenspeicherung von Nhrstoffen, vor allem von Stickstoff und der Umwandlung von atmosphrischem CO2 unter Sauerstoffproduktion durch Photosynthese (grne Flechten). Sie dienen vielen Tieren als Nahrung, Unterschlupf oder Nistmaterial. Der Mensch nutzt bestimmte Arten fr Medikamente, Kosmetika, knstlerische oder dekorative Zwecke. Quellen: US Forest Service, Goerig and Chatfield (2004)

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Minderungsmanahmen international vereinbart werden, z. B. in der Genfer Luftreinhaltekonvention oder in der Europischen Union. So wrde z. B. eine Verringerung des Ausstoes von Ozonvorluferstof-fen allein in Deutschland nicht zu einer deutlichen Verbesserung der Ozonbelastung beitragen, weil grenzberschreitende Luftschadstofftransporte einen relativ hohen Anteil an der Gesamtbelastung haben. Ebenso beeinflussen deutsche Emissionen den Um-weltzustand in anderen Lndern.

Derzeit und in den kommenden Jahren werden internationale Vereinbarungen zur Luftreinhaltung berarbeitet mit dem Ziel kosysteme und den Men-schen noch besser vor schdlichen Wirkungen zu schtzen (vgl. Box 3 zum Gteborgprotokoll, dan


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