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UP-Campus 3/2007

Date post: 24-Mar-2016
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Zeitschrift der Passauer Publikationen Gruppe
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Passauer Publikationen Gruppe

Leseprobeund

Bezugsmöglichkeiten:

www.ppg-online.de

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*

* arson = (vorsätzliche) Brandstiftung

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Seite 3 - Ausgabe III / 2007

Editorial

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Impressum

15. Ausgabe des UP-CampusMagazins (4. Jahrgang, 3. Ausgabe)Ausgabe 3/2007 (Sommer 2007, erschienen im Juli 2007, 3. Quartal 2007)Auflage: 2000 Stück in Passau, Druck: Wolf Plusz Kft. Budapest, Verlag: Passauer Publikationen Gruppe e.V.

ISSN: 1863-7701Herausgeber: Dr. iur. Bence Bauer und Dr. Florian HartlebChefredaktion: Florian Steidl und Johannes Pinkl (Stellv.)Layout: Christoph StößRedaktion: Dr. iur. Bence Bauer, Dr. Florian Hartleb, Vanessa Jansche, Melani Barlai, Johannes Pinkl, Eva Schindler, Florian SteidlGastbeiträge: Solveig Flörke, Julia Hertlein, Kai Leubner, Chiyo TakaiAnzeigenleitung: Stefan Haßfurter, Florian SteidlAbbildungen: S.1,8, 12: Florian Steidl; S.11: Bence Bauer

Die Verantwortung im Sinne des Presserechts (V.i.S.d.P.) tragen die Herausgeber. Alle namentlich gekennzeichneten Artikelspiegeln die Meinung des Verfassers, nicht die der Redaktion oder des Herausgebergremiums wider. Ein herzlicher Dank giltallen Inserenten!

Kontakt: Passauer Publikationen Gruppe e.V. Florian Steidl, Chefredakteur, Tel.: 0851/9871706, Email: [email protected], Web: www.ppg-online.de

Servus, liebe Leserinnen und Leser!

Während im Juni alle Welt auf ein kleines Nest an der Ostsee fixiert war, konnte man auch an der hie-sigen Universität einiges erleben: ob spannender Hochschulwahlkampf, der Besuch des bayerischen Innenministers Günther Beckstein oder die Veranstaltungen im Rahmen des XII. Kuwi-Symposiums. Doch nun ist es Zeit für ein neues UP-CampusMagazin!In der 15. Ausgabe beschäftigt sich eine kommentierte Retrospektive mit der Causa Klar und dem abgelehnten Gnadengesuch des ehemeligen RAF-Terroristen durch Bundespräsident Horst Köhler. Eine analytische Betrachtung der Yasukuni-Schrein-Problematik, die in Zusammenarbeit mit der japanischen Austauschstudentin Chiyo Takai entstand, verbreitet einen Hauch von Asien. In der Heftmitte klärt Matthias Matussek in einem amüsanten Exklusivinterview darüber auf, was Schwarz-Rot-Gold, besoffene Skinheads mit Baseballschlägern und Familienväter verbindet. Die Siegerbeiträ-ge des ausgeschriebenen Wettbewerbs der Passauer Publikationen Gruppe - Gewinnerinnen waren Solveig Flörke und Julia Hertlein – folgen einem Bericht über die feierliche Preisverleihung. Den Abschluss bilden die bewährten Leseempfehlungen.

Ein hochsommerliches Lesevergnügen wünscht Euch

Euer Chefredakteur Florian Steidl

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Am 7. Mai 2007 entschied Bundespräsident Horst Köhler (CDU), von einem Gnaden-erweis für Christian Klar abzusehen. Die Pressemitteilung des Bundespräsidialamts mutete in ihrer Kürze und sachlichen Nüch-ternheit beinahe lächerlich an – in Anbe-tracht der intensiven, emotionalen, kontro-versen „Gnadendebatte“, die Deutschlands Gemüter erhitzte.

Der Begriff „Gnade“ wirkt in weltlich-rationalenDimensionen hölzern, gar fremd. Besser auf-gehoben scheint die Gnade in der Sprache der Theologie, der Philosophie, der Mystik. Doch manchmal stößt man auch in der Juristerei auf einen Hauch von Transzendenz. Viele Staaten sprechen sich in ihren Verfassungen das Recht zu, der Gnade den Vorrang gegenüber gericht-lichen Entscheidungen zu gewähren. Der ver-meintliche Widerspruch zwischen staatlicher Macht und göttlich anmutender Befugnis wird im Lichte der historischen Entwicklung des Begnadigungsrechts, das in den Gerechtigkeits-vorstellungen der Antike wurzelt, aufgelöst. Die stärkste Ausprägung erfuhr das Zusammenspiel von irdischer und überirdischer Autorität im Mit-telalter, als die Könige und Kaiser ihre Macht aus Gottes Gnadentum ableiteten. Heute gehören die Monarchen der Geschichtsschreibung an, die Vorstellung einer Verquickung von menschlicher und göttlicher Herrschaft ist überholt. Doch die Befugnis, „Gnade vor Recht“ ergehen zu lassen, hat den Wandel der Zeiten überdauert. Das deut-sche Grundgesetz räumt dem Bundespräsidenten die Kompetenz ein, „im Einzelfall für den Bund das Begnadigungsrecht“ (Artikel 60 Absatz 2) auszu-üben. Der „Gnadenherr“ entscheidet höchstper-sönlich, die Angabe von Gründen ist nicht erfor-derlich, selbst der Willkür sind die Tore geöffnet. Eine gerichtliche Nachprüfung ist ausgeschlossen. Der Bundespräsident hat das letzte Wort, wenn es sich um eine Angelegenheit des Bundes han-delt. Ansonsten ist das Recht des Gnadenerwei-ses als Ausfluss der föderalen Ordnung bei den Ländern verortet. „Gnade ist die menschliche und moralische Komponente des Rechts. Sie umschließt Milde, das Verzeihen, Vergeben und Vergessen“, beschreibt Johann Georg Schätz-ler in seinem Handbuch des Gnadenrechts das moderne Verständnis des Gnadenbegriffs.Auf Milde, Verzeihen, Vergeben und Vergessen hoffte Christian Klar, als er im Jahr 2003 beim damals amtierenden Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD) ein Gnadengesuch einreichte. Für Klar war es die ultima ratio, eine Korrektur seiner Ver-urteilung durch das Oberlandesgericht Stuttgart auf einem „anderen, besonderen Weg“ – wie es das Bundesverfassungsgericht einmal beschrieb – herbeizuführen. Die Chancen Klars waren

alles andere als aussichtslos. In zwei Fällenerwies Bernhard Vogel als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz Mitgliedern der RAF den Gnadenakt. Sechs RAF-Terroristen wurden – zumeist aus gesundheitlichen Gründen – der Gnade der Bundespräsidenten Richard von Weiz-säcker, Roman Herzog und Johannes Rau teilhaf-tig. In der Angelegenheit um Klar jedoch verwei-gerte sich Rau eines endgültigen Votums – eine Entscheidung, die nach rechtlichen Maßstäben nicht zu beanstanden ist.Anfang 2007 sickerte aus Schloss Bellevue an die Öffentlichkeit, dass sich Horst Köhler intensiv mit der causa Klar befasse. Zu diesem Zeitpunkt hatten die ehemaligen FDP-Bundesminister Klaus Kinkel und Gerhart Baum mit ihrer Forderung nach einer frühzeitigen Haftentlassung Klars den Stein bereits in Rollen gebracht. Die „Gnadende-batte“ war geboren.Und mit ihr trat auch die Rote Armee Frakti-on aus dem toten Winkel zwischen Geschichts-schreibung und Gegenwart hervor. Die RAF ist zu jung, als dass ihre Nennung in einem historischen Kontext allgemein anerkannt wäre; außerdem steht sie in jeglicher Dimension im Schatten des Dritten Reichs. Gerade aus der Sicht der jungen Generation, die die Ereignisse in Zusammenhang mit der RAF nicht als „Zeitzeugen“ wahrgenom-men hat, entsteht der Eindruck einer unbeab-sichtigten, natürlichen Tabuisierung. Doch Fakt ist, dass das Wirken der Roten Armee Fraktion über einen Zeitraum von annähernd drei Deka-den zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Nachkriegsgeschichte zählt. Geprägt durch das Gedankengut der 68er-Bewegung, tauchte die 1970 gegründete, linksextremistische Oranisa-tion in den Untergrund ab, um als „Phantom“ den deutschen Staat und den US-Imperialis-mus in die Knie zu zwingen. Durch den Sieg im urbanen Guerillakampf sollte eine kommunistische Weltordnung aus der Taufe gehoben werden. Die Bilanz der RAF bis zu ihrer Selbstauflösung im Jahr 1998 ist verheerend: 34 Menschen fielen dem nationalen Terrorismus zum Opfer. Einige von ihnen standen auf der Todesliste von Christian Klar, der wegen seiner Skrupellosig-keit zu einem der führenden Köpfe der „zwei-ten Generation“ avancierte. Mit den Morden an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dem Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG Jürgen Ponto im Jahr 1977 erreichte der Terror ein neues Ausmaß – er richtete sich direkt gegen Staat und Wirtschaft. Die „Offensive 77“ fand ihren trauri-gen Höhepunkt im „Deutschen Herbst“, der sich in diesem Jahr zum 30. Mal jährt. Der Traum der Weltrevolution fand für Klar ein jähes Ende, als er im November 1982 verhaftet wurde; seither ist er in der JVA Bruchsal inhaftiert. Das Ober-landesgericht Stuttgart verurteilte Christian Klar

Gnade für den Gnadenlosen?Wie die causa Christian Klar zum nationalen Politikum wurde

– eine kommentierte Retrospektive

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rwegen neunfachen Mordes und elffachen Mord-versuchs zu sechsmal lebenslänglicher Freiheits-strafe und einer zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren, und entschied in einem weiteren Prozess, dass eine Haftentlassung auf Bewährung frühes-tens am 3. Januar 2009 möglich sei. Bis heute offenbarte Klar kein Zeichen der Reue, kein Wort des Bedauerns, keine Bitte um Entschuldigung. Er schweigt – über die Anschläge, die neun bis heute ungeklärten Morde, die Beteiligung der einzelnen Mitstreiter. Und dennoch fordert der „Gnadenlose“ nach 24 Jahren hinter Gittern Gnade.Diese Vorstellung trieb vor allem die Konservati-ven auf die Barrikaden – an vorderster Front die Christsozialen. Sie zogen alle rhetorischen Regis-ter, um Horst Köhler von einem Gnadenerweis für den heute 55-Jährigen abzuhalten. „Es könnte von manchen wie ein später Sieg der Terroristen gedeutet werden, wenn der Staat so tut als wären die RAF-Mörder die besseren Mörder“, eröffnete der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) das Buhlen um Köhlers Gunst. Schützen-hilfe kam prompt von Markus Söder, CSU-Gene-ralsekretär und nicht bekannt für diplomatische Wortakrobatik. „So ein Mann darf nie auf freien Fuß kommen. Christian Klar muss bis ans Ende seines Lebens hinter Schloss und Riegel bleiben. Ein Gnadenerweis ist undenkbar“, so Söder, der es nicht versäumte, die Angelegenheit mit der politischen Zukunft Horst Köhlers zu verbinden. „Eine Begnadigung wäre eine schwere Hypothek für die Wiederwahl“, soll Söder im Rahmen einer Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion von sich gegeben haben. Mit dieser Äußerung bewegte sich Söder in ein Territorium, das außerhalb der demo-kratischen Gepflogenheiten in Deutschland liegt. Die Debatte hatte eine neue Dimension erreicht. Seinem General folgend, wollte auch der Passauer Bundestagsabgeordnete Andreas Scheuer (CSU) für einen Tag den Herrn über Gnade und Ungnade mimen. „Wenn der Bundespräsident Klar begna-digt, geht das nicht spurlos an meiner Entscheidung über meine Stimme bei der Bundespräsidenten-wahl vorbei“. Die verbalen Attacken auf das deut-sche Staatsoberhaupt verdeutlichten, welch tiefes Misstrauen dem Bundespräsidenten aus eigenen Reihen entgegenschlägt, der zunächst – so zahl-reiche Mutmaßungen aus dem Umfeld Köhlers – Sympathie für eine Begnadigung Klars hegte. Doch allen voran boten die vereinzelten Querschüsse aus Bayern der Opposition die Vorlage, um sich in populistischer Manier zu profilieren. Von der „Nötigung eines Verfassungsorgans“ sprachen Volker Beck und Renate Künast (beide Bündnis 90/Die Grünen) und bemühten sich, die verbalen Entgleisungen aus dem konservativen Lager in den Kontext des Strafgesetzbuches zu rücken.Eine Steigerung der Emotionalität erfuhr die Aus-einandersetzung, als sich die Angehörigen der Opfer öffentlich an Horst Köhler adressierten. „Ich kann es nicht glauben. (…) Klar zeigt bis heute keine Reue und Sie, Herr Bundespräsident, denken über seine Freilassung nach“, sprach Sigrun Schmid, Witwe des ersten Mordopfers,

den zahlreichen Hinterbliebenen aus der See-le und fragte abschließend: „Also Gnade für den Gnadenlosen?“. Für sie gab es nur eine akzepta-ble Antwort.Doch so eindeutig schien die Lage nicht zu sein. Warum sonst konnte das Gnadengesuch einer Einzelperson die politische und gesellschaftli-che Agenda über Monate bestimmen, Titelsei-ten füllen, Stammtische entzweien? Es ging um die RAF, ihre Geschichte, ihr Selbstverständnis, ihren gewaltsamen Systemkampf, die Auswir-kungen des nationalen Terrorismus, die Fehler und Versäumnisse der Ermittlungsbehörden, die ungeklärten Verbrechen, die neuen internen Enthüllungen. Die Person Christian Klar rück-te zunehmend in den Hintergrund, wurde zum Ventil der Aufarbeitung einer blutigen Epoche der deutschen Nachkriegszeit, zum Lückenbü-ßer des Schweigekartells RAF. Und dennoch ging die hitzige, emotional geladene Debatte nicht immer an der Sache vorbei. Häufig wurde die entscheidende Frage gestellt: Setzt Gnade Reue voraus? Gewiss, aber ehrlich! Hätten die Stoibers, Söders und Scheuers mit gleicher Intensität für eine Begnadigung plädiert, wenn sich Klar unter dem Druck der Öffentlichkeit entschuldigt hätte? Wer die Entscheidung über Gnade und Ungnade von einem unglaubwürdigen Lippenbekenntnis, einer auswendig gelernte Floskel abhängig macht, verkennt, dass Reue ein innerer Prozess ist. Doch wie wollen all die Meinungsmacher der Nation um das Seelenleben eines Menschen wissen, der seit 24 Jahren hinter Gittern sitzt? Es existieren gerade einmal drei mediale Dokumente, in denen Klar Einblicke in seine Innenwelt gewährt. Eine harmlose Briefkorrespondenz mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung (1997), das viel zitierte Fernsehinterview mit dem Publizisten und Politiker Günter Gaus aus dem Jahr 2001 („Ich überlasse der anderen Seite ihre Gefühle und respektiere sie, aber ich mache sie mir nicht zu Eigen.“). Zuletzt meldete sich Klar Anfang Januar 2007 mit einer schriftlichen Grußbotschaft an die Rosa-Luxemburg-Konferenz zu Wort. Ein klassenkämpferisches Pamphlet mit diesem ideologisch verblendeten RAF-Sound, der wie ein Guss Öl in Feuer wirkte und einen gesellschaftli-chen Flächenbrand auslöste. Wer sich mit diesem Material auf den Richterstuhl setzt, urteilt ohne hinreichende Beweise.Der Bundespräsident wollte es nicht bei Gutach-ten von Kriminalpsychologen bewenden lassen. Er führte zahlreiche Gespräche mit Angehörigen. Zuletzt verschaffte er sich am 4. Mai einen per-sönlichen Eindruck vom Menschen Klar. Dann sprach der „Gnadenherr“ das letzte Wort – weder falsch noch richtig, sondern respektabel. Es ist Ruhe eingekehrt. Vorerst. Denn neben Christian Klar sitzen noch zwei ehemalige RAF-Mitglieder in deutschen Gefängnissen.

von Johannes Pinkl

(Lesezeitangabe 6 Minuten)

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Yasukuni und Kamikaze Japan zwischen Vergangenheit und Moderne

Eine analytische Betrachtung der außen-politischen Situation zwischen Japan, China und Korea rund um die Geschichte des Yasukuni-Schreins, der durch die provo-kanten Besuche des japanischen Premier-ministers in der Vergangenheit weltweit immer wieder Aufsehen erregte.

Auch politisch bewanderte Europäer fragten sich mit Blick in die Nachrichten schon oft, wie-so denn ein Altar soviel Aufsehen erregen kann, dass deswegen stets wieder aufs Neue außenpo-litische Konflikte drohen und wütende Demons-trationen stattfinden?

Der Stein des Anstoßes steht friedlich in einem Hain in Tokio. Um ihn herum erhebt sich ein prächtiger Tempel samt Park und bilingualem Museum. Yasukuni heißt auf Deutsch so viel wie „Schrein des friedlichen Landes“, was jedoch auf die im Zweiten Weltkrieg von Japan besetzten Länder Korea und China wie ein Hohn wirken muss. In diesem Shinto-Schrein (japanische Religion) wird der Seelen aller in den vielen Bürger- und Kolonialkriegen gefallenen Soldaten des Japanischen Kaiserreiches gedacht. Beson-deres Aufsehen erregt der Schrein jedes Jahr am 15. August, wenn der Kaiser (früher) bzw. der Premierminister (heute) dort auftauchen und der toten Vorfahren gedenken. Dies wird von Japans Nachbarstaaten als ein Akt außenpolitischer Aggression eingestuft, da hier auch vieler nach dem Zweiten Weltkrieg verurteilter und hinge-richteter Kriegsverbrecher und Kamikaze-Piloten gedacht wird.

Im Schrein selbst liegen keine Toten begraben, weil Friedhöfe im Shintoismus als unrein gelten. Vielmehr wird ihrer hier durch Seelenregister gedacht, d. h. durch Listen, auf denen die Namen der Gefallen vermerkt sind. Zu ihren Ehren wer-den besondere Feste gefeiert, in denen die Toten frenetisch bejubelt werden. Eins davon ist das Mitama-Matsuri am 13. Juli, bei dem 5.000 Later-nen angezündet und viele verschiedene religiöse Tänze aufgeführt werden. Beim Shāki-kōrei-sai (18.-21. Oktober) ist der vorgebliche Zweck, die Seelen der Gefallenen zu trösten. Bis zum Ende des in Asien von Japan begonnen Zweiten Welt-kriegs verwaltete der Staat den Tempel. Danach wurde auch in Japan der Laizismus eingeführt und die Staatsreligion des Shintoismus abgeschafft. Seitdem ist der Schrein unabhängig. Er kann sich durch sein Museum, Spenden und Devotionalien-handel sehr gut finanzieren, besuchen ihn doch jedes Jahr sechs Millionen Menschen, darunter viele rechtsextreme und nationalistische Anhän-ger. Von daher rührt ein guter Teil der Aufregung der Nachbarvölker, die eine Wiedererstarkung

des Nationalismus und des Aggressionsstrebens Japans befürchten. Sie weisen darauf hin, dass im Yasakuni-Schrein nicht nur etliche der in den Kriegsverbrecherprozessen von Tokio zum Tode verurteilten und hingerichteten Offiziere ver-ehrt werden, sondern auch viele Mitglieder der berühmt-berüchtigten Einheit 731, die im Zwei-ten Weltkrieg in China Experimente mit bio-logischen Waffen an Kriegsgefangenen und chinesischen Zivilisten durchführte. Auch wird hier sehr vieler Kamikaze-Piloten gedacht, die durch ihr irrationales Aufopfern trotz der offen-kundig kurz bevorstehenden Niederlage Japans viele Menschen mit sich in den Tod rissen, was aber am Kriegsverlauf nichts mehr änderte. Da im Schrein auch zwangsrekrutierte Koreaner verehrt werden, ist von koreanischer Seite aus die Kritik immer am schärfsten.

Die durch die Alliierten organisierten Kriegsver-brecherprozesse gegen führende Repräsentan-ten des Zweiten Weltkriegs auf japanischer Seite werden vom Schrein selbst als Schauprozesse und als Ergebnis von Siegerjustiz dargestellt.

Lange Zeit war es im modernen Japan undenk-bar, dass hochrangige Politiker den Schrein besuchten. Erst im Jahre 1980 kam wieder ein japanischer Premierminister am Tag der Nie-derlage zum Tempel, was seitdem immer wie-der aufs Neue harsche internationale Kritik aus-löste. Der auch bei uns sehr bekannte und in Japan populäre ehemalige Premierminister Koizumi Junichirō (LDP) besuchte während sei-ner Amtszeit (2000-2006) jedes Jahr den Yasu-kuni-Schrein. Auf die Kritik angesprochen, mein-te er: „Wenn ich ohnehin immer kritisiert werde, gleichgültig wann ich den Schrein besuche und wie, dann kann ich auch am 15. August gehen, und es ergibt keinen Sinn, einen Besuch an die-sem Tag zu vermeiden.“

In Zukunft ist im Sinne eines allgemeinen Abneh-mens internationaler Konflikte zu hoffen, dass sich Japan mit China und Korea über die Kriegs-schuldfrage und Entschädigung der Hinterbliebe-nen friedlich einigen und die Besuche hochran-giger japanischer Politiker am Yasukuni-Schrein damit ihre brisante Bedeutung verlieren.

von Kai Leubner und Chiyo Takai, japanische Austauschstudentin

(Lesezeitangabe 2,5 Minuten)

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k Schwarz-Rot-Gold, besoffene Skinheads und FamilienväterMatthias Mattusek im Gespräch mit dem UP-CampusMagazin

„Ich liebe unser Land.“ So hat Horst Köhler seine Antrittsrede nach der Wahl zum Bundespräsi-denten 2004 geschlossen. Seitdem hat Deutschland bei den Deutschen mächtig an Konjunktur gewonnen. Innerhalb von drei Jahren erlebte unser Land einen beispiellosen patriotischen Aufschwung. Auch die Wirtschaft hat das Thema für sich entdeckt und betreibt zur Erzeugung eines positives Deutsch-land-Bildes Standortmarketing: Die „Du-Bist-Deutschland“ - Kampagne und die Ini-tiative „Deutschland - Land der Ideen“ sind die bekanntesten Beispiele. Am Rande des Passau-er Dies Academicus mit dem Thema „Deutsche Identität“ nahm sich der Leiter des Kulturres-sorts des Spiegels Zeit für ein Interview mit dem UP-CampusMagazin.

UP-CampusMagazin: Herr Matussek, kann man angesichts von Cocacolonisierung, Mcdo-naldisierung und weiteren Importen solcherart vom Etablissment einer „Lightkultur“ oder gar von einem Kulturverfall in Deutschland spre-chen? Wo bleibt unsere eigene Kultur?

Matthias Matussek: Das ist ein hübsches Wort-spiel, das mit der Lightkultur. Kultur „Light“, das ist ein Signetwort unserer heutigen Kultur. Die Vertiefungen fehlen überall, aber sie finden den-noch statt. Wenn ich mir unsere Presselandschaft angucke: Wir haben gute Feuilletons, die SZ hat ein gutes Feuilleton, die FAZ. Bei uns sind immer wieder größere Texte. Zum Beispiel wenn wir ein sechsseitiges Gespräch über Hegel machen über die Phänomene des Geistes, dann ist das schon-mal ein Anspruch, den wir da formulieren. Also ich seh´s nicht ganz so düster. Aber natürlich ist es ein Kampf. Es ist immer der Kampf auch um die Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeitsspan-ne heutzutage ist sehr groß geworden. Wenn´s aber dann gelingt, ist´s gut.

UP-CampusMagazin: Vor einem Jahr wäh-rend der Fußball-WM wurde die Nationalflagge geschwenkt. Sie gilt als Bekenntnis zur Nation. Ist das nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Nationalsymbole lange verpönt waren? Ihre Einschätzung: Ist das ein Zeichen für den schlei-chenden Prozess hin zu einer veränderten poli-tischen Kultur in Deutschland oder waren diese patriotisch anmutenden Erscheinungen lediglich WM-bedingte Partystimmungen?

Matthias Matussek: Ich glaube, die Bilder bleiben im kollektiven Gedächtnis hängen. Zum ersten Mal haben wir erlebt, dass schwarz-rot-gold nicht von besoffenen Skinheads mit Base-ballschlägern in der Hand geschwenkt wird,

sondern von Familienvätern und jungen hübschen Frauen in netter junger Atmosphäre. Es kam nicht zu den befürchteten xenophoben Ausschreitungen. Die Nation hat sich selber gefeiert, zum ersten Mal. Und hat das gemacht, was ich in anderen Ländern, wo ich als Korrespondent unterwegs war, erlebt hab´. Das von Zeit zu Zeit Nationen einfach das Bedürfnis haben, sich zu feiern. Wenn Sie sich den deutschen Gedenkkalender

anschauen, finden Sie eher Buß- und Bettage und da war die Fußball-WM ein Ausbruch an Freude, der sich lange vorbereitet hat, unterschwellig lange vorbereitet hat. Wir haben uns unsere na-tionalen Symbole in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft wieder zurückgeholt und sie nicht dem rechten Lager überlassen. Das halte ich für eine durchaus geglückte Unternehmung.

UP-CampusMagazin: Zum Zeitpunkt der WM vor einem Jahr erschien ihr Buch „Wir Deutschen. Warum die anderen uns gern haben können“. Darin sprechen Sie vom „Comeback der Nation in einer Epoche des Internationalismus“ und plä-dieren dafür, unser Verhältnis zur Nation neu zu bestimmen. Meinen Sie das im Sinne einer Ent-krampfung des Verhältnisses der Deutschen mit den Schrecknissen ihrer Vergangenheit?

Matthias Matussek: Auch das. Ich glaube, dass die Zeit gekommen ist. Die letzten Zeitzeugen sind noch da, melden sich auch in meinem Buch. Jetzt gibt es eine neue Generation und die sieht sozusagen über den Riegel der Hitlerzeit hinaus. Sie sieht, dass die Deutschen doch eine ziemlich reiche 2000-jährige Geschichte haben. Und das dieser entsetzliche und nicht vergleichbare Völ-kermord doch ein singuläres Ereignis in der deut-schen Geschichte ist. Wenn Sie sich die deutsche Geschichte insgesamt angucken, ist es eine sehr zerrissene Geschichte und eine wesentlich weni-ger kriegerische Geschichte als sie die Franzosen oder die Engländer haben. Die Deutschen waren im Grunde genommen immer das Durchlaufge-biet in der Mitte, mit einem schwachen Kaiser, waren immer auf Verhandlungen angewiesen und so weiter. Also insofern… wenn Sie das gesamte historische Panorama anschauen, und ich glaube da sind wir mittlerweile, erkennen wir, dass Hitler nicht der notwendige konsequente Endpunkt deutscher Geschichte war. Sondern ein schlimmes Ereignis, aber eben nur ein Ereignis in einer reichen, großen Geschichte.

UP-CampusMagazin: Wie würden Sie Patriotis-mus von Nationalismus unterscheiden?

Matthias Matussek: Da würde ich sagen, da

Matthias Matussek

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genügen Bilder, da genügt die emotionale Einmi-schung. Wenn Familienväter mal für drei Wochen ihr Team anfeuern und die Fahne schwenken, ist das gesunder Patriotismus. Man spürt dann ein Zugehörigkeitsgefühl. Ein krankhafter Nationa-lismus ist, wenn Baseballschläger geschwungen wird.

UP-CampusMagazin: Die deutsche Einheitser-fahrung veränderte die Republik. Aus heutiger Sicht: Hat Deutschland seine innere Einheit wie-dergefunden?

Matthias Matussek: Ja, ich glaube zunehmend. Ich privat hab´ die deutschen Einheit vollzogen, in dem ich meine Frau in der DDR kennen gelernt hab´. Mein Sohn ist sozusagen die Frucht der deutschen Wiedervereinigung.

UP-CampusMagazin: Es ist belegt, dass die ostdeutsche Bevölkerung weniger patriotisch ist als die westdeutsche. Wie ist das zu erklären und wie kann dieser Umstand überwunden werden?

Matthias Matussek: Da bin ich mir nicht sicher. Da bin ich mir nicht sicher. Ich habe damals als Korrespondent in Ostberlin gemerkt, wie stolz die waren jetzt sozusagen ein großes Deutschland zu sein, zum Wirtschaftsmotor Westdeutschland dazuzugehören. Da waren schon starke National-gefühle, wenn Kohl in Leipzig war und „Deutsch-land-Deutschland-Rufe“ erhallten. Da war schon eine Beschwörung der deutschen Einheit da. Das kippte sehr schnell ab in Frust. Jeder lag jedem

an der Kehle und knurrte und sagte „du nimmst mir Geld weg“, was schade war. Aber mittlerwei-le hat sich das, glaube ich, enspannt. Wenn Sie sich die neue Landkarte von Wirtschaftsstand-orten anschauen, werden Sie feststellen, dass jetzt doch einige ostdeutsche Städte führend mit dabei sind. Jena ist mittlerweile attraktiver als Bochum. Da gleicht sich einiges aus. Die Deut-sche Einheit wird zunehmend vollzogen.

UP-CampusMagazin: Steht eine verstärkte deutsche Identität nicht in zunehmendem Maße in einem Spannungsverhältnis mit der Herausbil-dung einer europäischen Identität, wie sie not-wenig wäre für die Festigung der europäischen Integration?

Matthias Matussek: Eine europäische Iden-tität, die gibt es sicher. Die Geburtsstunde war die Antike, war die Klassik. Da gab es so was wie eine deutsche Identität. Die Mathematik, die Astrologie, die Philosophie sind europäische Ereignisse. Aber die Ausdifferenzierung der Nationen ist da und jede Nation hat ihren eigenen Proviant an kulturellen Bindungsele-menten. Ich sehe da keinen Widerspruch, ich sehe da eher eine Ergänzung.

UP-CampusMagazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Florian Steidl

(Lesezeitangabe 4 Minuten)

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Wer die kommunistische Theorie und seine schreckliche Praxis – den real existierenden Kommunismus – begreifen will, kommt an einem Mann nicht vorbei, der wie kein zweiter eigenes Erleben und wissenschaftliche Sachlichkeit in einer famosen Weise zu verbinden wusste und weiß: Wolfgang Leonhard. Der heute 86-jährige geht nun, wie er es selbst sagt, auf seine letzte Lesereise – gerade erschien „Meine Geschichte in der DDR“ (Berlin: Rowohlt 2007). Er gastierte am 13. Juni in Chemnitz und sprach vor rund 400 Leuten zwei Stunden lang. Immer noch, auf den ersten Blick etwas gebrechlich wirkend, sprüht der Mann mit dem vollen grauen Haar voller Lebensfreude und hat er von seiner plas-tischen Aussage- und Überzeugungskraft nichts eingebüßt. Der Zuhörer konnte sich davon zwei Stunden ein Bild machen. Leonhards Leben ver-lief unglaublich, wie er selbst am besten zu schil-dern vermag.

Geboren am 16. April 1921 als Wolodja Leon-hard in Wien, besuchte er zwischen 1930 und 1931 in Berlin-Neukölln das Gymnasium und schloss er sich den „Jungen Pionieren“ der KPD an. Nach der „Machtergreifung“ der National-sozialisten kam er nach Schweden in Sicher-heit. Später lebte er mit seiner Mutter, die mit dem sowjetischen Botschafter in Wien, einem engen Vertrauten von Lenin, verheiratet war, von 1935 an im Moskauer Exil. Seine Mutter musste schwer leiden; sie wurde im Zuge einer stalinisti-schen Säuberungsaktion zwölf Jahre in ein Gulag deportiert. Leonhard musste in ein Kinderheim. Er sah Stalin zu diesem Zeitpunkt trotz der pri-vaten Repressalien noch als Hoffnungsträger, der nach dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg sein Land zu Freiheit führe. Mitten in einem dann begonnenen Geschichtsstudium wird er dann auch von den Kommunisten entdeckt und sys-tematisch in der Komintern-Schule ausgebildet. Er lernte in einem Seminar sogar, wie er später noch praktisch anwenden wird, illegale Grenz-überschreitungen durchzuführen.

Anfang Mai 1945 kehrte er mit der „Grup-pe Ulbricht“ nach Berlin zurück, um kommu-nistische Strukturen aufzubauen. Vier Jah-re arbeitete er in der Schulungsabteilung des Zentralkomitees der KPD und als Dozent der SED-Parteihochschule. Dann kam der Bruch mit dem Stalinismus, die entscheidende Zäsur in seinem Leben. Mittels einer abenteuerlichen Flucht über die tschechoslowakische Botschaft (immer wieder wurden Gerüchte gestreut, er sei von „imperialistischen Geheimdiensten“ gedeckt worden) floh er 1949 nach Jugoslawien. Die DDR enttäuschte ihn: Noch vor der Staats-gründung habe er in der SBZ puren Stalinismus

und Bürokratismus erlebt. Gleichwohl wollte er nicht in den Westen, sondern innerhalb des Sozialismus bleiben. In Jugoslawien, dem blockfreien Land unter Tito, wurde er Leiter der deutschsprachigen Sendungen beim Radio Belgrad. Als intimer Kenner des Kommunismus fand Leonhard dann doch Resonanz im Westen. 21 Jahre unterrichtete er als Professor, zunächst in Oxford entdeckt, in Yale. Auch Bill Clinton gehörte zu seinen Hörern. Als Gastprofessor lehrte er auch in Deutschland, unter anderem in Mainz, Trier und Chemnitz. Längst lebt er mit seiner Frau, die von 1990 bis 2005 für die SPD im Bundestag saß, in Deutschland.

Deutschland sei immer sein besonderer Bezugs-punkt gewesen: Nach der friedlichen Revolution 1989 kehrte er in die damals noch existieren-de DDR zurück. Mit seinen einstigen Ausbil-dungskameraden wie dem Staatssicherheitschef Markus Wolf führte er Gespräche, die durchaus kritisch verliefen seien. Doch machte er spä-ter, nach dem Vollzug der Einheit, bei den alten Kadern einen „Rückfall in alte Schablonen“ aus. Die schnelle Einheit habe Leonhard selbst eher traurig gestimmt. Die Rolle Helmut Kohls im Wiedervereinigungsprozess sehe er kritisch, woraus er auch in seinem neuen Buch keinen Hehl macht. Es sei einfach über die Köpfe der Leute hinweg entschieden worden, ohne durch-aus mögliche Szenarien wie eine Volksabstim-mung oder Übergangsmodelle auszuloten.

Für eine Reformierung der DDR hätten sich allerdings quer durch die Geschichte nur weni-ge Möglichkeiten aufgetan. Vergleiche mit den Entwicklungen in Ungarn, Polen und der Tsche-choslowakei ließen sich daher nur schwer anstel-len. Leonhard wirkte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus weiter für die Zivilgesellschaft und freie Meinungsäußerung. Nach 1993 war er mehrmals OSZE-Wahlbeobachter in Russland, Belarus und der Ukraine. Seine publizistische Tätigkeit – 1955 sorgte er mit seiner kritischen biographischen Darstellung „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ für einen Weltbesteller – sollte stets „lebendige Geschichtsvermittlung, keine abstrakte Besserwisserei“ intendieren. Das ist der beeindruckenden, weltgewandten Persönlichkeit zweifellos gelungen, schriftlich wie mündlich.

von Florian Hartleb

(Lesezeitangabe 2,5 Minuten)

Wolfgang LeonhardEin Jahrhundertzeuge zieht Bilanz

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Seite 11 - Ausgabe III / 2007

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And the winners are… Stipendiatinnen der Dr.-Hans-Kapfinger-Stiftung gewinnen Preis

Der 15. Juni war für die glücklichen Gewin-nerinnen ein Tag der Freude. Im Restaurant Zi Teresa überreichten der Herausgeber und der Chefredakteur des UP-CampusMagazins, Dr. Florian Hartleb und Florian Steidl, Urkunden und Preise.

Zur Förderung journalistischen Nachwuchses hatte die Verlegerin des UP-CampusMaga-zins, die Passauer Publikationen Gruppe e.V., einen Wettbewerb veranstaltet und Preise aus-gelobt. Bewerben konnten sich Studenten aller Fakultäten der Universität Passau mit kreativen Texten rund um Passau.

Die Bewerber hatten zwei Monate Zeit, ihre Bei-träge einzureichen, bevor diese eine kritische Begutachtung und Bewertung der dreiköpfigen unabhängigen Jury über sich ergehen lassen mussten. Jury-Mitglied Eva Schindler über die Auswahl der Artikel: „Die eingereichten Bei-träge waren von unterschiedlicher Qualität. Zusammen mit meinen beiden Jurykollegen Martin Reichinger und Alexander Pfab haben wir die besten für preiswürdig empfunden“.

Mit ihrem glossierendem Portrait der Stadt Passau „800 Jahre ewige Jugend“ gewann Solveig Flörke, Studentin der Sprachen-, Wirtschafts- und Kulturraumstudien im sechsten Semester, den ersten Preis. Sie darf sich über ein Jahresabonne-ment der Zeitschrift „Cicero“ freuen. Eva Schindler in ihrem Juryurteil: „Solveig Flörkes sprachlicher Stil ist professionell, flüssig und klar. Die sprach-lichen Bilder finde ich originell und gelungen. Die kurze, prägnante Form des Beitrages unterschei-det sich angenehm von den oft langatmigen Einsendeungen anderer Teilnehmer.“

Der zweite Preis ging in Form eines Gutscheins von Bücher Pustet an Julia Hertlein für ihren Beitrag „Wie bestellt und abgeholt“. Die 21-jährige studiert Medien und Kommunikation. In ihrem Text setzt sie alle vier Erzählperspektiven, auktorialer bzw. personaler Ich- bzw. Er-Erzäh-ler ein. Im Grunde geht es um ein Buch und des-sen Erlebnisse und Gefühle. „Mir gefällt die Idee. Gerade das Ende, dass das Buch wieder bei der gleichen Entleiherin landet, spricht für erzähle-risches Geschick und Gespür. Ich finde, dass es Julia Hertlein gelungen ist, das Buch durch die Sprache zum Leben zu erwecken“, so Alexander Pfab in seiner Bewertung.

Die Preisträgerinnen freuten sich über die Gewinne und gaben sich überrascht über das Urteil der Jury. Doch scheint dies seine Berech-tigung zu haben, absolvieren die Geehrten doch im Rahmen des Dr.-Hans-Kapfinger-Stipendiums

bei der Passauer Neuen Presse ein 18-monatiges studienbegleitendes Volontariat.

Die PPG verlegt neben dem UP-CampusMagazin die Reihen „Fachwörterbuch Jura“ und „Fach-wörterbuch Wirtschaft“. Beide sind direkt auf die Fachspezifische Fremdsprachenausbildung zugeschnitten und versammeln die wichtigs-ten Fachausdrücke der jeweiligen Rechts- bzw. Wirtschaftssprache. Studenten und Dozenten aus Passau, dem Ursprungsort der FFA, haben sie erstellt. Die Nachschlagewerke werden zum Selbstkostenpreis abgegeben. Die Rechtswör-terbücher sind in sechs Sprachen erhältlich und über den Buchhandel beziehbar.

von Florian Steidl

(Lesezeitangabe 2 Minuten)

Das Up-CampusMagazin erfreut sich auch im Ausland großer Beliebtheit: Peter Hießberger, Bundesobmann der AktionsGemeinschaft, Wien

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Seite 12 - Ausgabe III / 2007

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Ob sie in die Jahre gekommen ist? „Keineswegs“, so ihre vehemente Antwort. Dabei ist sie schon sehr alt, fast 800 Jahre, aber dennoch am Puls der Zeit geblieben. Ihr ereignisreiches Leben bewältigte sie bis 1803 vor allem unabhän-gig, dann kam es zur Verbindung mit Bayern. Anfangs eher eine Art Vernunftehe, da von der ersten großen Liebe keine Rede sein konnte.

Krisen gab es und besonders zur Zeit der Säkularisation wurde ihr nachgesagt, nicht glück-lich mit dem neuen Partner zu sein. Gegentei-liges beweist jedoch ihr jüngstes Kind aus dieser Beziehung: die Universität.

Mit mehr als 9000 Studenten haucht sie der edlen und eleganten Dame, deren Haltung sonst doch eher konservativ ist, frischen Atem ein. Mit ihren Nachbarn aus Österreich und Tschechien verbindet sie ein besonders freundschaftliches Verhältnis. Gerne und ausgelassen feiert sie die Europäischen Wochen. Darauf legt sie Wert und versichert nachdrücklich „niemals wegzuziehen aus ihrem Dreiländereck“.

Ihr großes Herz schlägt im weißen Stephans-Dom, und wenn die Pfeifen der imposanten Orgel anstimmen, dann beweist sie ein weiteres Mal auch einen besonders langen Atem, den läng-sten Atem der Welt.

Ihre Mode ist zeitlos und eigenwillig. Sie liebt es bunt. Viele kleine Häuser säumen ihre schmalen, meist Kopfstein gepflasterten Verkehrsadern in allen Farben.

Den Ursprung ihres Lebens verdankt auch sie dem Wasser: Inn, Donau und Ilz fungieren wie Venen und adeln sie zur „Dreiflüssestadt“. Und tatsächlich, in einer dieser Venen, so heißt es, fließe sogar blaues Blut. Ein Blick durch ihre weitsichtigen Augen auf der Feste Oberhaus bestätigen eine leuchtend blaue Donau, die in den tiefgrünen Inn mündet.

Es fällt nicht schwer zu glauben, dass sie beliebt ist. Mehr als 50.000 Bewohner tragen sie noch immer auf Händen, sind ihr treu auch wenn sie alljährlich hohe Wellen schlägt. Nein, das Alter merkt man ihr nicht an, die Falten stehen ihr gut. Passau, bleib´ wie du bist.

von Solveig Flörke

(Lesezeitangabe 1,5 Minuten)

1. Preis des Preisausschreibens800 Jahre ewige Jugend

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Zerfleddert, geschunden und in Mitleidenschaft gezogen liegt es da. Es ist nicht mehr das Jüngste und Schönste und dennoch wird es drin-gend gebraucht. Beschmutzt und zum Teil zer-rissen, aber voller innerer Werte - so liegt es am Abho l scha l te r neben all den anderen. Es war-ten die Lotmanns, Lexika und Loga-rithmenbücher der Universität auf einen neu-en Besitzer, der ihnen in Pas-sau vier Wochen lang ein zuhause schenkt.

Auf dem Ge-päckträger des wackeligen Fahr-rads ist nicht viel Platz, aber die junge Studentin quetscht ihr Buch noch zwischen Handtasche, Wasserflasche und Jacke hinein. Der Duft der Tulpen am Rande des Innwegs vermi-scht sich mit dem Kaffeegeruch der zahlreichen „coffee to go“-Trinkbecher. Die Buchausleiherin muss den Passanten ausweichen, die oftmals ab-rupt stehen um mit ihren Fingern auf den Dom zeigen zu können und murmeln ein „Ja, schon schön“. Nach der kurzen, aber schwankenden Fahrt kommt das Buch in sein neues Zuhause. Die Wohnung ähnelt der anderer Vorbesitzer: Altbau, hunderte von Schuhen in der Eingangs-tür und vermutlich eine Wohngemeinschaft. Das Buch wird erstmal mit in die Küche genommen. Hier kocht jemand etwas mit Zwiebeln und so sehr sich das Buch noch dagegen wehrt, diesen Geruch wird es wohl nie wieder los.

Tage und Nächte vergehen, doch für das Buch bleibt alles gleich. Es liegt, zusammen mit ande-ren Leidensgenossen auf einem Stapel, daneben sind fast verdurstete Pflanzen und die Socken vom Vortag.

Plötzlich und völlig unerwartet wird es auf Sei-te 65, Kapitel 2, aufgeschlagen. Ein neongrüner Textmarker kommt immer näher. Sie wird doch nicht…. Kurz bevor die Stiftspitze das Papier be-rührt, stoppt sie, klappt das Buch zusammen und nimmt es mit. Die Reise führt an einen noch unbekannten Ort. Es geht aufs Oberhaus hinauf. „Da kann ich mich besser konzentrieren“, hat die Besitzerin noch gesagt. Der Blick auf die Drei-flüssestadt ist schön und die frische Luft außer-halb der Studentenbude tut gut.

Doch das Arbeiten findet ein jähes Ende. Plötz-lich fängt etwas stark zu vibrieren an und ein seltsamer Ton mit einer noch komischeren Stim-me ertönt: „Ein Stern der deinen Namen trägt“. So etwas hat das Buch noch nie gehört. Die

Studentin greift nach ihrem Han-dy. Es sind nur Wortfetzen zu verstehen: „Ja, ist gut. Bin gleich da. Wie immer.“ Hektisch packt sie ihre Sachen zusammen.

Auf dem kleinen Cafétisch ist es eng und obwohl die Kellnerin sehr bemüht ist, landet doch ein Spritzer Rotwein auf dem Buch-cover. „Ach ich schreib da so ́ ne Hauptseminarar-

beit. Keine Ahnung, was genau der blöde Dozent eigentlich will. Er hat mir halt das Buch empfoh-len“, sagt die Besitzerin. Fremde Hände greifen nach ihm, drehen und wenden es. Fremde, kalte Hände schlagen es willkürlich auf und eine frem-de Stimme liest vor: „In der Regel werden die ubiquitären Präsenzformen von Versammlungs-öffentlichkeit systematisch vernachlässigt“. Die fremde Hand blättert hastig um und reißt dabei eine Seite ein. Schnell knallt sie es zu. „Was soll denn das sein? Verstehst du das?“.

Heute ist die Leihfrist vorbei. Das neue Spiel wird von vorne beginnen. Es kommt ein neuer Besitzer. Diesmal vielleicht ein achtsamer, einer der Wert auf seine inneren Werte legt. Das Buch verabschiedet sich vom Stapel der anderen Bü-cher. Es sagt leise „Pfiad euch“ zur Strukturellen Textanalyse, zur Italienischen Landeskunde und zur Einführung in die Politikwissenschaft. Die Tür geht auf und die Studentin kommt herein. Sie greift nach dem Buch und legt es auf den Schreibtisch. Um seinen Widerstand kund zu tun, fällt es erstmal vom Schreibtisch auf den Boden: „Ich will hier raus“. Die Besitzerin hebt es kopfschüttelnd hoch und murmelt vor sich hin: „Du gehst hier nicht weg. Ich hab deine Frist ver-längert.“

von Julia Hertlein

(Lesezeitangabe 2,5 Minuten)

2. Preis des PreisausschreibensWie bestellt und abgeholt

Eva Schindler (Vorsitzende der Jury), Florian Steidl (Chefre-dakteur), Julia Hertlein (2. Preis), Solveig Flörke (1. Preis),

Dr. Florian Hartleb (Herausgeber)

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Seite 14 - Ausgabe III / 2007

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Der mehrfach ausgezeichnete Publizist Wofgang Büscher, bis 2005 Leiter des Reiseressorts der „Welt“, brachte bereits 1998 das viel beachtete Buch „Drei Stunden Null“ heraus, in dem er an drei exemplarischen Jahreszahlen – 1945, 1968 und 1989 – Wendepunkte deutscher Geschichte nachzeichnete (Rowohlt Taschenbuch, ISBN-13: 978-3499236341).Im Hochsommer 2001 wandte sich der Schrift-steller einer gänzlich neuen Aufgabe zu: Weg vom Schreibtischwirken und –denken machte er sich auf den Weg nach Moskau – zu Fuß! Was als waghalsiges Experiment eines Verrückten abgetan werden könnte, war in Wahrheit nichts anderes als eine individuelle Reise und das Sich-Einstellen auf einen gänzlich anderen Lebens-rhythmus.Büscher berichtet von seinen Gedanken, seinen Erlebnissen und vor allem von seinen mannig-faltigen Begegnungen auf der Strecke, die schon Napoléon nahm. Weite Welten des noch unent-deckten Ostens tun sich auf, längst vergangene deutsche Geschichte und natürlich die alles beherrschende Gegenwart.Logische Fortsetzung dieses Erfolgsbuches und zugleich tiefer Einblick in unsere Heimat wurde dann das Deutschlandbuch: Hier wanderte er 3.500 Kilometer deutsche Grenze ab und legt uns in seiner ihm eigenen mythischen, manch-mal doch sarkastischen, aber auf jeden Fall sehr lehrreichen Sprache die Strukturen im Denken und Leben der Deutschen offen. Der Wanderer traf auf offene und verständnisvolle, aber auch auf verschlossene und abweisende Zeitgenos-sen. Wiederum bringt er uns nicht die klassischen Wegmarken eines Wanderers und auch nicht nur die Erfahrungen des Weitgereisten, nein, der Autor offenbart uns auch hier Geschichte, Geschichten, Stoff zum Nachdenken und Nach-sinnen.Beide Werke sind jeweils 16 Monate nach Erscheinung der gebundenen Ausgaben nun-mehr als günstige Taschenbuchausgaben bei Rowohlt auf den Markt gekommen – ein Grund mehr, sie gleich im Doppelpack zu erwerben!

von Bence Bauer

Wolfgang Büscher:Deutschland, eine Reise

Rowohlt Taschenbuch2007, 256 Seiten, 8,90 EURISBN-13: 978-3499240508

Berlin – Moskau. Eine Reise zu FußRowohlt Taschenbuch

2004, 240 Seiten, 8,90 EURISBN-13: 978-3499236778

Die Fußmärsche an der Peripherie

Königsberg – da war doch was? Mit diesem Motto lässt sich die Reise einer britischen Journalistin durch Deutschland, Polen und Russland zusam-menfassen. Die Redakteurin, in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts unweit von Aachen auf ein Schild mit der Aufschrift „Königsberg 1000 km“ gestoßen, recherchiert und erforscht dessen Geschichte und bringt deutsche Geschichte in seiner ureigensten Form ans Tageslicht.

Die Reise, etappenweise zurückgelegt und vol-ler persönlicher Eindrücke und Anekdoten, von Menschen und Gegebenheiten, entpuppt sich als eine Reise in die Herzkammer der deutschen Ge-schichte: Entlang der alten Reichsstraße 1 führt uns die interessierte Britin durch Zeit und Raum, durch Vergangenheit und Gegenwart, nicht zuletzt aber durch Gebiete voller Zerrissen-heit, lose durch ein Band namens R1, B1 oder schlichtweg „die 1“ verbunden.

Interessanterweise ist es eine Britin, die teils mühsame und beschwerliche, vor allem aber melancholische Reise auf sich nimmt: Kein Deutscher hat sich bisher dieses Desiderats angenommen. Von der Schwerfälligkeit und Dichte eines Geert Mak hebt sich dieses Buch genauso ab wie von anderen Itinerarien der Weltliteratur: Es folgt einer natürlichen, jahrtau-sende alten Route und schlenkert nicht, weicht nicht ab, kommt nicht aus dem Tritt. Insoweit ist sie eben typisch deutsch.

Das Geheimnisvolle dieser Aufzeichnungen ist aber nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft: Was als alte Transkontinentale vor mehreren tausend Jahren begann und sei-ne Fortsetzung im modernen Deutschland des Bundesfernstraßengesetzes 1932 fand, ist heute und noch mehr in der Zukunft ein verbindendes Band der Völker Europas in Frieden und Freiheit – allein diese Erkenntnis ist gold wert und macht das Meisterwerk von Patricia Clough zu einem nicht mehr wegzudenkenden Repertoire heutiger Reiseberichte.

von Bence Bauer

Patricia Clough:Aachen-Berlin-Königsberg

Eine Zeitreise entlang der alten Reichsstraße 1Deutsche Verlags-Anstalt

2007, 217 Seiten, 19,95 EURISBN-13: 978-3421042101

(Lesezeitangabe: insgesamt 3 Minuten)

Quer durch dieVergangenheit

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