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investnews Guide 2016 für Vermögensverwalter_Pierre Maudet_DE

Date post: 30-Jul-2016
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investnews Guide 2016 für Vermögensverwalter_Pierre Maudet_DE
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NACHHALTIGE FINANZEN 71 Investnews: Nachhaltige Finanzen fanden bei den Anlegern erst in der jüngsten Zeit Anklang. Was denken Sie? Handelt es sich bei dieser Entwicklung um einen vorübergehenden Trend oder um eine tiefer greifende Veränderung der Finanzwelt? Pierre Maudet: Die Entwicklung im reinen und harten Finanzsektor hin zu mehr Nachhaltigkeit, wie wir sie im vergangenen Jahrhundert erlebt haben, ist eindeutig eine grundlegende Entwicklung. Sie folgt der weltweiten Bewe- gung, die mehr Transparenz und stärkeren ethischen Sinn bei wirtschaftlichen Transaktionen einfordert. Die grundle- gende Tendenz, die sich immer deutlicher abzeichnet, ist, dass das investierte Geld zwar eine interessante finanzi- elle Rendite sichern soll, aber auch unter gesellschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten positive Auswirkungen haben muss. Das Wachstum dieses Sektors, insbesondere des Schweizer Marktes für Entwicklungsfinanzierung, ist in dieser Hinsicht sehr bezeichnend. So betrug die durchschnittliche jährliche Die Schweiz ist international für ihre Bank- und Finanzexpertise anerkannt. Aber obwohl ein Drittel der nachhaltigen Anlagen von der Schweiz aus verwaltet wird, wird es – besonders was die verwendeten Finanzinstrumente betrifft – noch lange dauern, bis sich nachhaltige Finanzstrategien durchsetzen. Interview mit Pierre Maudet, Regierungsrat und Vorsteher des Departements für Sicherheit und Wirtschaft des Kantons Genf. Von Nathalie Praz Der nachhaltige Finanzsektor muss innovative Instrumente finden
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N A C H H A L T I G E F I N A N Z E N

71

Investnews: Nachhaltige Finanzen fanden bei den Anlegern erst in der jüngsten Zeit Anklang. Was denken Sie? Handelt es sich bei dieser Entwicklung um einen vorübergehenden Trend oder um eine tiefer greifende Veränderung der Finanzwelt?Pierre Maudet: Die Entwicklung im reinen und harten Finanzsektor hin zu mehr Nachhaltigkeit, wie wir sie im vergangenen Jahrhundert erlebt haben, ist eindeutig eine grundlegende Entwicklung. Sie folgt der weltweiten Bewe-gung, die mehr Transparenz und stärkeren ethischen Sinn bei wirtschaftlichen Transaktionen einfordert. Die grundle-gende Tendenz, die sich immer deutlicher abzeichnet, ist, dass das investierte Geld zwar eine interessante finanzi-elle Rendite sichern soll, aber auch unter gesellschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten positive Auswirkungen haben muss. Das Wachstum dieses Sektors, insbesondere des Schweizer Marktes für Entwicklungsfinanzierung, ist in dieser Hinsicht sehr bezeichnend. So betrug die durchschnittliche jährliche

Die Schweiz ist international für ihre Bank- und Finanzexpertise anerkannt. Aber obwohl ein Drittel der nachhaltigen Anlagen von der Schweiz aus verwaltet wird, wird es – besonders was die verwendeten Finanzinstrumente betrifft – noch lange dauern, bis sich nachhaltige Finanzstrategien durchsetzen. Interview mit Pierre Maudet, Regierungsrat und Vorsteher des Departements für Sicherheit und Wirtschaft des Kantons Genf. Von Nathalie Praz

Der nachhaltige Finanzsektor muss

innovative Instrumente finden

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Wachstumsrate (CAGR) zwischen Dezember 2014 und Ende September 2015 18,4 % (Studie Swiss Investments for a Better World). Diese grundlegende Tendenz wurde insbesondere in Genf in die kantonale Wirtschaftsstrategie 2030 aufgenommen.

Welchen Herausforderungen steht der nachhaltige Finanzsektor gegenüber? Welche Elemente bremsen seine Expansion noch? Die grösste Herausforderung scheinen die Unkenntnis in diesem Bereich zu sein und die Angst oder der Eindruck, dass „nachhaltige“ Anlagen nicht dieselbe Rendite erzielen wie andere Anlagen. Natürlich nehme ich diese Bedenken zur Kenntnis. Sie sind legitim und dürfen weder von den betroffenen Fachkreisen noch von den Politikern unterschätzt werden. Wir verfügen jedoch über die Argumente, um überzeugend zu zeigen, dass es nötig ist, sich für nachhaltige Finanzen zu interessieren und in diesem Sektor zu inves-tieren. Verschiedene Studien zeigen offensichtlich, dass hier die Renditen oft gleichwertig oder sogar höher sind. Eine Tatsache, die immer mehr berücksichtigt wird, denn bestimmte Zahlen lügen nicht: Die Nachfrage nach derar-tigen Produkten steigt deutlich.

Wie wird sich dieser neue „nachhaltige Finanzsektor“ also im 21. Jahrhundert entwickeln?Wie jeder Finanzsektor müssen auch die nachhaltigen Finanzstrategien innovative Instrumente entwickeln und die neuen Modelle müssen insbesondere in die Fintech integriert werden. Die Wege der nachhaltigen Finanzen führen ebenso über das bessere Verständnis und die Integration ihrer Themen in die Regulierungen, die entsprechend anzupassen sind, damit sich die innovativen Tools möglichst barriere-frei entfalten können. Schliesslich geht es darum – und das ist eines der von Sustainable Finance Geneva geführten und von uns unterstützten Projekte – Begegnungsorte zu schaffen, an denen sich investitionswillige Institutionen und Unternehmen mit einer positiven gesellschaftlichen und ökologischen Bilanz treffen können.

Sind die nachhaltigen Finanzen nicht einfach ein Weg, sich ein reines Gewissen zu verschaffen? Wie bei allen Aktivitäten kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich bestimmte Akteure nicht um Prinzipien kümmern. Wie ich jedoch bereits erwähnt habe, befinden wir uns im Zeitalter der Transparenz und der Rückverfolgbarkeit. So gesehen kann mangelnde Kohärenz heute viel einfacher

aufgedeckt werden als früher, und diese Akteure können von Ihresgleichen viel schneller isoliert werden als vorher.

Die Schweiz und insbesondere Genf zählen zu den wichtigsten Finanzplätzen. Könnten sie sich nicht auch vom Wettbewerb abheben, indem sie zu DEM nachhaltigen Finanzplatz schlechthin werden? Das Ziel, weltweit zu DEM nachhaltigen Finanzplatz zu werden, ist vielleicht etwas ehrgeizig. Unser Bestreben, entsprechende Initiativen zu unterstützen, zielt jedoch eindeutig darauf ab, Genf als unumgängliche internationale

Drehscheibe für nachhaltige Finanzen zu etablieren. Wir verfügen über zahlreiche Trümpfe in der Hand. Alle für ein derar-tiges Unterfangen notwendigen Akteure sind in Genf präsent von internationalen Organisationen bis hin zur Finanzexpertise. Zur Veranschaulichung kann man daran erinnern, dass Genf beispielsweise die Wiege der Mikrofinanz ist, was die besten

Spezialisten anzieht. Das verwaltete Vermögen hat sich seit Anfang des Jahrhunderts vertausendfacht.

Welche Rolle spielt der Staat bei der Entwicklung und beim Wachstum der nachhaltigen Finanzen?Wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen besteht die Rolle des Staats darin, ideale Rahmenbedingungen für eine harmonische Entwicklung dieses Sektors zu schaffen. In einem Interview mit Sabine Döbeli, welche die Organisa-tion Swiss Sustainable Finance ins Leben gerufen hat, habe ich gelesen, dass beim Finanzstudium an der Universität Zürich die Nachhaltigkeit sehr wahrscheinlich während des gesamten Studiums nicht gelehrt wird. Sie ruft daher auf, dies zu verändern. Eine Veränderung, der ich zustimme, und die ich unterstütze.

Sie sind als Genfer Regierungsrat zuständig für die Wirtschaft im Kanton Genf. Mit welcher Strategie treiben Sie die Entwicklung der nachhaltigen Finanzen voran?Die Integration der nachhaltigen Finanzen in die kanto-nale Wirtschaftsstrategie 2030 zeigt die Entschlossenheit des Kantons, diese Entwicklung politisch zu unterstützen. Nachhaltige Finanzen zählen zu den Hauptzielen dieser Wirtschaftsstrategie. Ich setze mich für eine positive Wirt-schaft ein, die das Wirtschaftssystem neu auf die langfris-tigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen ausrichtet. Derzeit gelten zwei Stossrichtungen als prioritär: Die Entwicklung einer „Börse für soziale Unternehmen“, die das

[ NACHHALTIGKEIT KANN MAN NICHT AUFZWINGEN.

SIE DRÄNGT SICH GANZ IM GEGENTEIL VON

ALLEINE AUF ]

[ DAS ZIEL, WELTWEIT ZU DEM NACHHALTIGEN FINANZPLATZ

ZU WERDEN, IST VIELLEICHT ETWAS EHRGEIZIG ]

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Zusammenbringen von Investoren und Unternehmen ermög-licht, ebenso wie die Gründung eines „Hauses der Finanzen“, das ein richtiges Kooperationszentrum für Forschung und Informationen über nachhaltige Finanzen sein soll.

Müssen die Politiker nicht auch die Unternehmen dazu anhalten, in diesem Zusammenhang Verantwortung zu übernehmen?Nachhaltigkeit kann man nicht aufzwingen. Sie drängt sich ganz im Gegenteil von alleine auf. Dies, wie ich nochmals bekräftigen möchte, dank der Transparenz und Rückverfolg-barkeit, durch die sich unsere Zeit auszeichnet. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass einer der Nebenef-fekte unseres Digitalzeitalters eindeutig der Wunsch der Beteiligten ist, mehr über die Auswirkungen ihrer Investiti-onen zu wissen, und dieser Wunsch kann jetzt besser erfüllt werden. Ich möchte daran erinnern, dass die Wirtschaftsfrei-heit als Grundrecht in der Schweizer und Genfer Verfassung verankert ist. Ziel ist es also nicht, eine derartige Entwick-lung zu erzwingen, sondern zu fördern, zu unterstützen und zu begünstigen. Es handelt sich um eine Geisteshaltung, ein Bewusstsein, dem man zustimmen muss und das reifen muss, bevor es weiterentwickelt wird.

Norwegen ist auf diesem Gebiet weit voraus. Sollten wir dieses Land nicht verstärkt zum Beispiel nehmen?Wahrscheinlich bezieht sich Ihre Frage auf den Staatsfonds dieses skandinavischen Landes, der bestimmte Unter-nehmen ausschliesst, die sich durch wenig ethische Aktivi-täten auszeichnen. In der Tat haben viele Länder interessante Initiativen im Zusammenhang mit nachhaltigen Finanzen entwickelt. Es

ist richtig, sich an guten Praktiken zu inspirieren, aber ich denke nicht, dass die Schweiz und insbesondere Genf hier im Rückstand sind. Viele Experten unserer Region sind an der Entwicklung des nachhaltigen Finanzsektors beteiligt, und es ist paradox, dass sie im Ausland bekannter sind als in der Schweiz. Spezialisierte Finanzgesellschaften, Gross-banken sowie internationale Organisationen und NRO kreieren täglich neue Produkte, Dienstleistungen und inno-vative Konzepte im Bereich der nachhaltigen Finanzen. 2015 waren in der Schweiz fast 220 Unternehmen und private Organisationen auf diesem Gebiet aktiv.

1/3 der nachhaltigen Anlagen werden von der Schweiz aus verwaltet. Diese Expertise wird jedoch nicht ausreichend in den Vordergrund gestellt. Wie kann man da Abhilfe leisten?In der diskreten Finanzwelt weiss jeder, dass wir über die Spezialisten, Kenntnisse und Kompetenzen verfügen. Es ist aber eben auch die Rolle einer Organisation wie Sustainable Finance Geneva und auf nationaler Ebene von Swiss Sustainable Finance, zahlreiche Aktivitäten voranzu-treiben, um diesen aufstrebenden Sektor bekannter und transparenter zu machen, aber auch die Expertise der Betei-ligten zu stärken.

PIERRE MAUDET

Pierre Maudet ist Regierungsrat im Kanton Genf, wo er seit Juni 2012 die Sicherheits- und Wirtschaftsdirektion leitet. Nach seiner Wahl im April 2007 zum Stadtrat und Vorsteher des Departements urbane Entwicklung und Sicherheit der Stadt Genf, war er von 2011 bis 2012 auch Genfer Stadtpräsident. Pierre Maudet schloss 2006 einen Master in Rechtswissenschaften der Universität Freiburg ab.

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