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CAFM-Handbuch || Zum Verhältnis von Facility Management und CAFM

Date post: 08-Dec-2016
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2 Zum Verhältnis von Facility Management und CAFM Michael Marchionini, Joachim Hohmann und Michael May 2.1 Was ist (CA)FM? Facility Management (FM) ist ein Begriff, der seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhun- derts in Deutschland bekannt ist und zu dem es inzwischen vielfältige Definitionen gibt, wobei über dessen Komplexität und Abgrenzung auch heute noch in verschiedenen Kreisen teilweise verschiedene Vorstellungen bestehen. Der Deutsche Verband für Facility Management e. V. (GEFMA) beschreibt in seiner Richtlinie 100-1 (NN 2004a) Facility Management wie folgt: Facility Management (FM) ist eine Managementdisziplin, die durch ergebnisorientierte Hand- habung von Facilities und Services im Rahmen geplanter, gesteuerter und beherrschter Facility Prozesse eine Befriedigung der Grundbedürfnisse von Menschen am Arbeits- platz, Unterstützung der Unternehmens-Kernprozesse und Erhöhung der Kapitalrentabilität bewirkt. Hierzu dient die permanente Analyse und Optimierung der kostenrelevanten Vorgänge rund um bauliche und technische Anlagen, Einrichtungen und im Unternehmen erbrachte (Dienst-) Leistungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Ergänzend versteht die Europäische Norm DIN EN 15221-1 (NN 2007a) unter FM die „Integration von Prozessen innerhalb einer Organisation zur Erbringung und Entwicklung der vereinbarten Leistungen, welche zur Unterstützung und Verbesserung der Effektivität der Hauptaktivitäten der Organisation dienen“. M. Marchionini () ReCoTech GmbH, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] J. Hohmann Consultants Circle, Am Berg 15, 64625 Bensheim, Deutschland E-Mail: [email protected] M. May HTW Berlin, FB2, Wilhelminenhofstraße 75 A, 12459 Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] M. May (Hrsg.), CAFM-Handbuch, 5 DOI 10.1007/978-3-642-30502-3_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
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Page 1: CAFM-Handbuch || Zum Verhältnis von Facility Management und CAFM

2Zum Verhältnis von Facility Managementund CAFM

Michael Marchionini, Joachim Hohmann und Michael May

2.1 Was ist (CA)FM?

Facility Management (FM) ist ein Begriff, der seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhun-derts in Deutschland bekannt ist und zu dem es inzwischen vielfältige Definitionen gibt,wobei über dessen Komplexität und Abgrenzung auch heute noch in verschiedenen Kreisenteilweise verschiedene Vorstellungen bestehen.

Der Deutsche Verband für Facility Management e. V. (GEFMA) beschreibt in seinerRichtlinie 100-1 (NN 2004a) Facility Management wie folgt:

Facility Management (FM) ist eine Managementdisziplin, die durch ergebnisorientierte Hand-habung von Facilities und Services im Rahmen geplanter, gesteuerter und beherrschterFacility Prozesse eine Befriedigung der Grundbedürfnisse von Menschen am Arbeits-platz, Unterstützung der Unternehmens-Kernprozesse und Erhöhung der Kapitalrentabilitätbewirkt.Hierzu dient die permanente Analyse und Optimierung der kostenrelevanten Vorgängerund um bauliche und technische Anlagen, Einrichtungen und im Unternehmen erbrachte(Dienst-) Leistungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören.

Ergänzend versteht die Europäische Norm DIN EN 15221-1 (NN 2007a) unter FM die„Integration von Prozessen innerhalb einer Organisation zur Erbringung und Entwicklungder vereinbarten Leistungen, welche zur Unterstützung und Verbesserung der Effektivitätder Hauptaktivitäten der Organisation dienen“.

M. Marchionini (�)ReCoTech GmbH, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, DeutschlandE-Mail: [email protected]

J. HohmannConsultants Circle, Am Berg 15, 64625 Bensheim, DeutschlandE-Mail: [email protected]

M. MayHTW Berlin, FB2, Wilhelminenhofstraße 75 A, 12459 Berlin, DeutschlandE-Mail: [email protected]

M. May (Hrsg.), CAFM-Handbuch, 5DOI 10.1007/978-3-642-30502-3_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Bereits mit diesen Definitionen wird die Komplexität des Themas, die Breite der Anwen-dung und letztendlich das Potenzial dieses Milliardenmarktes deutlich. Leistungen rund umdas Facility Management machen immerhin einen erheblichen Teil des Bruttoinlandspro-dukts (BIP) der Industriestaaten aus, ohne dass dies einer breiten Öffentlichkeit bewusstwäre. Mit bemerkenswerten 112 Mrd. € Bruttowertschöpfung (davon 52 Mrd. € externeWertschöpfung) und einem Anteil von 5,03 % am BIP zeigt sich Facility Managementbedeutsamer als so manch klassische Erfolgsbranche (Thomzik et al. 2010). Im Branchen-vergleich liegt FM an vierter Stelle noch vor der Baubranche (4,5 %), dem Maschinenbau(3,3 %) oder der Automobilindustrie (3,1 %) und nur knapp hinter dem Wirtschaftszweig„(Luft-, Wasser- und Land-) Verkehr und Nachrichtenübermittlung“ (5,7 %) und demgesamten „Gesundheits- und Sozialwesen“ (7,1 %). Die Facility-Management-Branche istdamit eine wichtige Schlüsselbranche mit über vier Millionen Erwerbstätigen.

Wir reden schließlich über eine Branche, die dafür sorgt, dass Immobilien mit all ihrenbaulichen und technischen Anlagen zielgerichtet für die zukünftigen Nutzer entwickelt, be-trieben bzw. umgenutzt, wieder abgerissen und umweltgerecht entsorgt werden. Betrachtetwird also der gesamte Lebenszyklus von Immobilien, dessen Steuerung nicht nur fach-bereichsübergreifendes Know-how, sondern auch ein effizientes Informationsmanagementund somit leistungsfähige IT-Werkzeuge erfordert.

Kurz und prägnant wird der interdisziplinäre Charakter des Facility Managements durchdie folgende FM-Definition (NN 2006a) der IFMA (International Facility ManagementAssociation) verdeutlicht:

Facility Management is a profession that encompasses multiple disciplines to ensure function-ality of the built environment by integrating people, place, process and technology.

Spätestens mit dieser Definition wird deutlich, dass unter computergestützter Arbeit im FMmehr als nur eine Software zu verstehen ist. Die Komplexität und bereichsübergreifendeWirkung des CAFM stellen erhebliche Anforderungen an die jeweils Beteiligten. So ist dieEinführung eines CAFM-Systems in einem Unternehmen oder einer Behörde als komplexesProjekt vom Konzept bis hin zur Implementierung zu organisieren und konsequent zuführen (vgl. Kap. 13).

Computer Aided Facility Management bildet einen Schwerpunkt im Informationsmana-gement von Immobilien und zugehörigen Anlagen bei klarer Abgrenzung zur Gebäudeau-tomation und anderen gängigen IT-Anwendungen wie Planungssoftware, Office-Lösungenoder kaufmännischer Standardsoftware. Bei aller Abgrenzung gilt es als ein Grunderfor-dernis des CAFM, beim Aufbau entsprechender nutzerspezifischer Systeme Schnittstellenzu den im Unternehmen bereits eingeführten benachbarten Systemen im notwendigenUmfang zu entwickeln und zu unterhalten.

Grundsätzlich sind die häufig gleichwertig besetzten Begriffe CAFM-Software undCAFM-System zu unterscheiden. So stellt ein CAFM-System eine individualisierte unddamit auf die spezifischen Bedürfnisse eines Unternehmens bzw. einer Branche angepassteKomplettlösung zur Unterstützung der Prozesse des Facility Management dar.

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Abb. 2.1 Ein CAFM-System benötigt eine stabile Basis

Ein CAFM-System kann aus einer CAFM-Software, der Kombination monofunktiona-ler Software-Werkzeuge, die nur für einen ganz bestimmten Anwendungszweck entwickeltwurden, oder sonstiger Standard- oder Individualsoftware bestehen und ist bei Bedarfan die betriebliche Software wie z. B. kaufmännische Unternehmenssoftware und Ge-bäudeautomationssysteme über Schnittstellen anzubinden. Abbildung 2.1 verdeutlicht dieKomplexität eines CAFM-Systems.

Als CAFM-Software gelten Software-Programme, welche die spezifischen Prozesse desFacility Management und die daran direkt oder indirekt (z. B. als Informationsnach-frager) beteiligten Personen unterstützen. Dabei sollen zumindest die nachfolgendenFM-Kernprozesse bzw. -Funktionalitäten unterstützt werden:

• Bestandsdokumentation,• Flächenmanagement,• Umzugsmanagement,• Vertragsmanagement,• Vermietungsmanagement,• Betriebskostenmanagement,• Reinigungsmanagement,• Schlüsselmanagement,• Energiecontrolling,• Instandhaltungsmanagement.

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Diese Aufzählung ist allerdings nicht exklusiv zu verstehen. Neue Themenbereiche wie etwadie Nachhaltigkeit halten gerade Einzug in die entsprechenden Softwaresysteme. Deshalbwerden im Kap. 4 nicht nur die hier aufgezählten sondern auch einige weitere CAFM-Anwendungsbereiche wie Helpdesk und Nachhaltigkeitsmanagement genauer dargestellt.

Die Bearbeitung grafischer und alphanumerischer Daten auf Basis einer oder meh-rerer Datenbanken ist ein unverzichtbares Merkmal einer CAFM-Software. Zur räumli-chen Abbildung ist eine visuelle Darstellung mit (einfachen) Bearbeitungsmöglichkeitenerforderlich.

In Abgrenzung zu multifunktionaler CAFM-Software gibt es eine Reihe von mo-nofunktionalen Softwareprodukten, die spezielle Einzelprozesse des FM wie die desInstandhaltungs- oder Kabelmanagements unterstützen, aber gleichzeitig auf Grund ihrerspezifischen fachlichen Ausrichtung nicht der geforderten Komplexität des CAFM genügen.

An dieser Stelle wird auf die umfangreiche Richtlinienarbeit der GEFMA auch zumThema CAFM verwiesen. So wird dem potenziellen Nutzer mit den nachfolgenden, vomArbeitskreis CAFM der GEFMA erarbeiteten Richtlinien in kurzer überschaubarer FormUnterstützung bei der Vorbereitung und Implementierung individueller, objektspezifischerCAFM-Systeme gegeben:

GEFMA 400 Computer Aided Facility Management CAFM – Begriffsbestimmungen undLeistungsmerkmale,

GEFMA 410 Schnittstellen zur IT-Integration von CAFM-Software,GEFMA 420 Einführung eines CAFM-Systems,GEFMA 430 Datenbasis und Datenmanagement in CAFM-Systemen,GEFMA 440 Ausschreibung und Vergabe von Lieferungen und Leistungen im CAFM,GEFMA 444 Zertifizierung von CAFM-Softwareprodukten,GEFMA 460 Wirtschaftlichkeit von CAFM-Systemen.

2.2 Warum CAFM?

Die durch einen potenziellen Nutzer zu beantwortende Frage „Warum CAFM?“ ist bzgl. derdabei erkannten Schwerpunkte eine mögliche Quelle der Nutzenbetrachtung. Diese solltebereits in der konzeptionellen Phase einer CAFM-Einführung (vgl. Kap. 13) durchgeführtwerden.

Die Beantwortung dieser Fragestellung ist verbunden mit einer kritischen Auseinander-setzung des Ist-Standes der jeweiligen FM-Organisation. Sie wecktVisionen und kann damitzugleich eine Motivation für die langfristige Projektumsetzung sein. Allgemeingültige,klassische Problem- bzw. Fragestellungen im FM sind u. a.:

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• Informationen zu den baulichen und technischen Anlagen sind nicht oder nur analogbzw. digital verteilt vorhanden, das bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand bei derInformationsbeschaffung,

• fehlende Basisinformationen für ein optimales Flächenmanagement insbesondere beider Erarbeitung von Nutzungs- und Raumkonzepten,

• die Medienverbräuche wie Strom und Wasser sind nicht transparent und abrechenbarbezogen auf Zeiträume, Versorgungsbereiche und Nutzer darstellbar,

• fehlende Übersicht zu Verlusten in den Versorgungsnetzen,• Zeitverlust bei Havariesituationen,• Verfolgung von Wartungszyklen und Gewährleistungsfristen sind mit erheb-lichem

Aufwand verbunden,• Probleme in der Kostenverfolgung bezogen auf Gebäude bzw. Kostenstellen,• fehlende Möglichkeit, über Benchmarking Schwerpunkte für Investitionen zu ermitteln,• Budgetplanung für Wartung und Instandhaltung ist mit hohem Aufwand und Risiko

verbunden,• Probleme bzw. unkorrekte Angaben bei der Mengenermittlung in Verbindung mit der

Vergabe von infrastrukturellen Leistungen (z. B. Unterhaltsreinigung),• Unsicherheit betreffs der Einhaltung gesetzlicher Auflagen und• unzureichende Dokumentation zur Wahrnehmung der Betreiberverantwortung, der

Gebäudezertifizierung und der bilanziellen Wertfortschreibung.

Bereits aus dieser unvollständigen Aufzählung möglicher Problemstellungen aus Sichteiner Betreiber- oder Verwalterorganisation wird die Komplexität der Beantwortung obi-ger Fragestellungen deutlich. Fast alle FM-relevanten Bereiche der Unternehmen sind mitunterschiedlicher Bedeutung (Priorität) für die jeweiligen Arbeitsplätze betroffen.

Mit der gebündelten Kompetenz einer Projektgruppe muss es gelingen, aus der persön-lichen Sicht eines jeden Betroffenen eine Antwort des Unternehmens auf die Frage „WarumCAFM?“ zu finden, die

• der zunehmenden Abhängigkeit des jeweiligen Kerngeschäfts vom FM gerecht wird und• den daraus resultierenden steigenden Anforderungen an die Professionalität des

Betreibers bzw. Verwalters – also der FM-Organisation – nachkommt.

Dies bedeutet letztendlich das rechtzeitige Festlegen von Prioritäten auch mit Blick auf denstetig zunehmenden Kostendruck in der Bewirtschaftung von Immobilien.

Zu beachten ist, dass die Frage nach dem „Warum CAFM?“ auch aus unterschiedlichenBlickwinkeln betrachtet werden muss. Eine Nutzensbetrachtung kann sowohl aus Sicht desInvestors bzw. Eigentümers, aus Sicht des Verwalters bzw. Betreibers als auch berechtigter-weise aus Sicht des Nutzers bzw. Mieters erfolgen. Nutzenpotenziale, die letztendlich allenzugute kommen, sind u. a.:

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• effiziente, d. h. aufwandsarme, schnelle und fehlerfreie Abwicklung von Arbeits-abläufen, wie z. B. Flächennutzungsplanungen, Umzugsplanungen, Betriebs- bzw.Nebenkostenabrechnungen,

• Steuerung und Abwicklung der unterstützten FM-Prozesse unter definierten und somitbeherrschbaren Bedingungen im Sinne des Qualitätsmanagements nach DIN EN ISO9001,

• Gewährleistung eines hohen Informationsstandes, d. h. Bereitstellung von verdichtetenInformationen (Auswertungen) als Entscheidungsgrundlage für das Management, z. B.bei Havarien,

• Kostentransparenz und damit verbunden das Aufzeigen von Möglichkeiten der Kosten-einsparung, z. B. für Flächen, Reinigung, Energie,

• hohe Verfügbarkeit und Werterhaltung der baulichen und technischen Anlagen durchplanmäßige Instandhaltung bei überschaubarer Verwendung der Mittel,

• Wertsteigerung der Bausubstanz durch gezielte Modernisierung,• Verbesserung der Nutzungsqualität der Immobilien und dadurch positiver Einfluss auf

die Produktivität der Nutzer,• Bereitstellung korrekter Kennziffern, z. B. zur Nachhaltigkeit,• schnelle Reaktionsfähigkeit auf Anfragen zum Gebäude- und Anlagenbestand,• Unterstützung von Managemententscheidungen (durch aktuelle und verständliche

Informationen),• Unterstützung von Werbe- und PR-Aktivitäten (z. B. Standortentwicklung) durch

aktuelle FM-Daten,• genauere Wertermittlung des Anlagevermögens,• verursachergerechte Kostenzuordnung und Abrechnung,• Optimierung des Flächennutzens (Raumplanung und -optimierung, Belegungsplanung

und effizientes Umzugsmanagement),• korrekte Kalkulation von Kosten,• präzise Mengenermittlung für Ausschreibungsunterlagen,• verkürzte und kostengünstigere Planung (z. B. Instandhaltungs- und Sanierungsarbei-

ten) und• höhere Verfügbarkeit und Nutzungsqualität der Immobilien.

2.3 FM vs. CAFM?

Der Versuch der formalen Beantwortung der Frage „FM vs. CAFM?“ erfordert den Blick indie DIN 32736 „Gebäudemanagement – Begriffe und Leistungen“ (NN 2000).

In Abb. 2.2 findet sich CAFM „nur“ als ein Unterpunkt im Informationsmanagement,welches dem Technischen Gebäudemanagement zugeordnet ist. Allein aus der Parallelitätder Auflistung innerhalb des Informationsmanagements, wie u. a. Gebäudeautomation,Brandmeldesystem/Zugangskontrolle, Telefon, Video und EDV, wird deutlich, dass mit der

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Abb. 2.2 Einordnung CAFM nach DIN 32736

Zuordnung nur der Betrieb bzw. die Unterhaltung derartiger Systeme als Arbeits- bzw.Betriebsmittel zu verstehen ist. Es bedarf keiner besonderen Erläuterung, dass heute ineiner FM-Organisation Telefon und EDV – und häufig eben auch CAFM – zum normalenArbeitsmittel im Tagesgeschäft der verschiedensten FM-Bereiche gehören.

Hieraus darf aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass bewusst oder un-bewusst fehlendes Facility Management durch CAFM ersetzt werden kann. Hierzu mussdeutlich betont werden, dass allein der Kauf und die Einführung einer CAFM-Softwaresowie die aufwändige Erfassung von umfangreichen Bestandsdaten zwar mit Sicherheiterhebliche Kosten aber noch keinen erkennbaren Nutzen generieren.

Anders formuliert, CAFM benötigt eine stabile FM-Organisation mit gesicherten Pro-zessabläufen. Ob diese in einem FM-Betreiberkonzept festgeschrieben sind oder gestütztdurch verschiedenste Organisations- bzw. Verfahrensanweisungen real gelebt werden, istdabei nicht entscheidend.

Wichtig ist, dass diese Prozessabläufe beschreibbar sind und damit als verbindlicheVorlage für die Definition entsprechender Workflows im CAFM verwendet werden können.

Mit der aus dieser Vorgehensweise resultierenden klaren Zielvorgabe verliert CAFMdas für viele Nutzer immer noch etwas mystische bzw. nicht fassbare Etwas. Mit der sounterstützten klaren Erwartungshaltung der zukünftigen potenziellen Nutzer wird CAFMein integraler Bestandteil der jeweiligen unternehmerischen FM-Strategie.

Auch wenn der Anspruch eines komplexen FM den gesamten Lebenszyklus von Im-mobilien umfasst, im Mittelpunkt – weil der größte Kostenverursacher – wird stets dieBetreiberphase stehen, d. h. der Zeitraum, in dem die Immobilien entsprechend ihrerZweckbestimmung (Verwaltungsgebäude, Industrieimmobilie, vermietete Büroimmobilieusw.) im Ergebnis eines Facility Management optimale Bedingungen für das jeweilige Kern-geschäft bieten müssen. Dieser Umstand prägt in entscheidendem Maße die Art und denUmfang der erforderlichen Prozessunterstützung durch CAFM. Dies umfasst sowohl die not-

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wendigen Funktionalitäten und die notwendigerweise zu erfassenden und zu pflegendenBestandsdaten als auch die im Rahmen der Organisation einzusetzenden Informations-und Kommunikationstechnologien.

2.4 Historische Entwicklung

2.4.1 Die 60er und 70er Jahre – Mainframe, Minicomputer und primitiveAnfänge

Computer Aided Facility Management hat sich im Rahmen der Entwicklung des FacilityManagement und aufbauend auf den technologischen Möglichkeiten im Rhythmus derInformationstechnologie entwickelt.

In den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Diszi-plin Facility Management noch nicht als solche bezeichnet. Was in einigen amerikanischenGroßunternehmen als Facility Management betrieben wurde, wurde in wenigen Fällendurch „Mainframes“ (Großcomputer) rudimentär mit Datenbanken und CAD-Gr afikenunterstützt. Während es sich bei den Datenbanken ausschließlich um Individualprogram-mierungen handelte, war bei CAD unter anderem bereits das heute noch verbreitete SystemCATIA im Einsatz.

In all diesen Fällen handelte es sich um primitive ad-hoc-Lösungen: Architektur-Grundrisspläne und Raumlisten. Von einem systematischen Vorgehen ist nichts bekannt.

Unter dem Begriff des „Facilities Planning“ (Brauer 1992) wurden bereits in den 60erJahren Methoden zum Entwurf und zur Bewertung von Gebäudegrundrissen bzw. Layoutsentwickelt, wobei mathematische Verfahren der Operationsforschung (Operations Rese-arch) verwendet wurden. Natürlich waren dies nur singuläre Anwendungen, auch bliebensie nur Großunternehmen vorbehalten, da Großrechnerressourcen extrem kostspielig wa-ren (May et al. 2007a). Interessanterweise nimmt CAFM dort seinen Ausgangspunkt, wosich heutige Systeme wieder stärker hin entwickeln (müssen) – bei der Automatisierungvon FM-Prozessen.

Die nächste Generation, „Minicomputer“ genannt, brachte in den 70er Jahren einenQuantensprung bei Preis und Leistungsfähigkeit sowie Vielseitigkeit. Besonders wirkte sichdas bei CAD aus. Noch immer kostete ein CAD-Arbeitsplatz mehr als $ 100.000, dochbegann damit der ernsthafte Einsatz auch in der Architektur und dem Bauingenieurwesen.

Außer einer etwas stärkeren Anwendung von CAD-Plänen auch im aufkommenden Faci-lity Management spielten Minicomputer aber keine nennenswerte Rolle in der Entwicklungvon CAFM.

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2.4.2 Die 80er Jahre – Personal Computer, die entscheidende Innovation

1980 war das Jahr, in welchem der Begriff Facility Management geschaffen wurde. Sowie es FM-Ansätze schon vorher gegeben hatte, gab es auch in der Informationstechno-logie bereits in den 70er Jahren „Bastler“-Lösungen, aus denen die Gattungsbezeichnung„Microcomputer“ stammt.

1982 schuf jedoch IBM mit seinem Personal Computer, dessen Abkürzung „PC“ balduniversell für die gesamte Gattung verwendet wurde und wird, den heute noch vorherr-schenden Standard. Erst damit begann der Einsatz in Großbetrieben, wobei der Name IBMeine wichtige Rolle spielte. IBM hatte den PC von vornherein als ein offenes, persönlichesComputersystem konzipiert. Er basierte auf Intel-Prozessoren und war in allen anderenHardware-Komponenten erweiter- und veränderbar. Auf dem Betriebssystem MS-DOSvon Microsoft, welches ebenfalls erweiterbar angelegt war, konnte Anwendungssoftwarebeliebiger Softwarehersteller ablaufen.

Mit der starken Verbreitung von PCs in den Unternehmen konnten Computerprogram-me erstmals von einer Vielzahl von Mitarbeitern genutzt werden. Insbesondere Hilfsmittelfür Bürotätigkeiten (Büroautomation) wie Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulations-programme verbreiteten sich schnell.

Wichtige Softwareprodukte – gerade auch für FM – waren in der MS-DOS-Zeit Auto-CAD, welches rasch zur führenden CAD-Software wurde und diese Position bis heute (auchmit diversen Zusatzkomponenten und Erweiterungen) behaupten konnte, und dBase – dasdamals führende Datenbankmanagementsystem.

So konnten bereits einfache FM-Tätigkeiten unterstützt werden. Dies waren zumeistSpeziallösungen für die jeweilige Organisation.

2.4.3 Die 90er Jahre – Microsoft als dominante IT-Plattform

Microsoft schaffte es schließlich in den 90er Jahren mit seinem ursprünglich auf MS-DOSbasierenden Betriebssystem Windows zur dominierenden Plattform der Informations-technologie schlechthin zu werden. Die Bedeutung von Microsoft Windows bestehtinsbesondere darin, dass es eine universelle Einsatzumgebung für Software fast jeder Art imZusammenwirken mit fast beliebiger Hardware bietet. Schritt für Schritt eroberte Microsoftausgehend von seinem Betriebssystem Windows fast alle anderen universellen Softwarebe-reiche, in denen ursprünglich andere Softwareunternehmen die Pioniere waren wie Office-,Netzwerk-, Server- und Internet-Software. In all diesen Softwarekategorien und einigenmehr hat Microsoft mit gezieltem marketinggetriebenem Vorgehen letztlich die Dominanzerreicht.

Natürlich gibt es weitere wichtige Softwareentwickler wie Apple, einen beachtlichenAnteil von Web-Servern auf Basis von Apache und eine signifikante „Open SourceSoftware“-Bewegung rund um das Betriebssystem LINUX, welches im Grunde eine äußerstgeschickt vermarktete Neuverpackung des langjährig bewährten UNIX-Betriebssystem ist.

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Und wie hat sich dabei CAFM-Software entwickelt? Kurz und bündig: völlig parallel.Es gab einige interessante CAFM-Entwicklungen auf UNIX-Basis. Auch basierend auf MS-DOS gab es schon vorher etliche eher einfache CAFM-Produkte. Doch kann man heutebereits sagen, dass Microsoft Windows und seine Derivate die Plattform für CAFM in jederHinsicht geworden sind und die Entwicklung und Verbreitung von Windows sehr eng mitder Entwicklung und Verbreitung von CAFM verbunden ist.

Fast alle heute weiter verbreiteten CAFM-Softwareprodukte und -Softwaretools nutzenMicrosoft Windows als Betriebssystem, sowohl auf dem einzelnen Arbeitsplatz als auch imNetzwerk bzw. als Client/Server- oder multi-tier System.

Die 90er Jahre waren entscheidend für die Durchsetzung und Akzeptanz der CAFM-Technologie. Ursprünglich war die Entwicklung stark vom CAD-Markt beeinflusst. Späterentwickelte sich ein klarer Trend zu datenbankbasierter CAFM-Software, die modularaufgebaut und zunehmend flexibler einsetzbar war.

2.4.4 CAFM-„Generationen“

Bisweilen lesen wir von „Generationen“ im Computer Aided Facility Management. Je nachMarketing-Eifer mancher Anbieter sind deren Softwarepakete heute in der zweiten, drit-ten oder gar siebten Generation! Wirklich hilfreich sind solche Schlagwörter auch in derhistorischen Kategorisierung kaum und zur Beurteilung der aktuellen Versionen der ver-schiedenen Softwareprogramme taugen sie ebenfalls nicht. Die Unterschiede liegen nichtin irgendwelchen „Generationen“ sondern in der konkreten Ausnutzung und Ausgestal-tung der informationstechnologischen Möglichkeiten und Architektur durch die jeweiligeSoftware.

2.4.5 Das 21. Jahrhundert – „The Web Changes Everything“

Abseits aller Hysterie – speziell jener der „New Economy“ – ist das „Web“ die Herausfor-derung und Entwicklungsrichtung des CAFM schlechthin.

Allerdings lässt sich in Deutschland, ähnlich wie in den frühen 90er Jahren, auch hiereine noch sehr unschlüssige Dynamik konstatieren. Noch zu Beginn des letzten Jahrzehntswaren CAFM-Softwarepakete oft eine widersprüchliche Mischung aus Komponenten, wel-che der Softwarehersteller schon für andere Einsatzzwecke vermarktet hatte, wie CAD-oder Instandhaltungssoftware und oberflächlich dazu gefügten Teilen. Dadurch entstandbisweilen der Eindruck, ein Softwareanbieter würde irgendeine Web-Komponente an seineCAFM-Software anstückeln nur um sagen zu können „ . . . wir sind auch im Internet!“

Erfreulich ist, dass führende CAFM-Softwareanbieter dazu übergegangen sind, ihreCAFM-Software auf Basis moderner Web-Technologien plattformunabhängig zu ent-wickeln. Zum Beispiel sind fast sämtliche heute auf dem US-Markt angebotenenCAFM-Softwareprodukte vollständig webbasiert.

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Die Herausforderung für CAFM in der unmittelbaren Zukunft wird sein, nicht bloßSoftwarepakete billig zu „verkaufen“ sondern tatsächlich fundierte Unterstützung der FM-Arbeit zu leisten. Dabei können Erfahrungen mit Softwarepaketen für Einsatzbereiche wieCAD oder Textverarbeitung nur wenig Orientierung bieten, am ehesten können Erfahrun-gen mit integrierter Unternehmenssoftware wie Enterprise Resource Planning (ERP) oderWorkflow-Management eine Leitlinie für Anbieter, Anwender und Berater sein.

2.5 Zusammenfassung

Erfolgreiches FM wird heute mitbestimmt durch ein „maßgefertigtes“ CAFM. Dabei stelltdie jeweils konkrete FM-Aufgabe in Abhängigkeit vom Kerngeschäft und von der Größesowie Komplexität der Facilities sehr differenzierte Anforderungen, an denen sich sowohldie FM-Organisation als auch die IT-Unterstützung mittels CAFM ausrichten. Allein derKauf einer CAFM-Software garantiert noch keinen Erfolg. Ein effizientes CAFM-Systemist u. a. geprägt durch:

• eine geeignete Konzeption, u. a. mit einer Formulierung der Zielsetzung und einerKosten-/Nutzensbetrachtung,

• passende CAFM-Software für die angestrebte Prozessunterstützung,• eine Bestandsdokumentation mit dem notwendigen Datenumfang sowie• eine flexible Integration in die vorhandene IT-Umgebung.

Hinzu muss eine passende FM-Organisationsstruktur kommen, in die die Arbeit mit CAFMintegriert ist.

Potenzielle Nutzer finden umfassende Unterstützung zum Thema CAFM in demkomplexen Richtlinienwerk der GEFMA.


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