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Gesundheitsförderung
in der ambulanten Pflege
C. Dörge MPH, M.A.
Ex. Krankenschwester/ Soziologin u. Gesundheitswissenschaftlerin
Wiss. Mitarbeiterin und Doktorandin der PH Schwäbisch Gmünd
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 2
Gliederung des Vortrages
Einleitung und Fragestellung
Problemhintergrund/ Forschungsstand
Fragestellung
Theoretische Grundlagen
Das programmatische Konzept der Gesundheitsförderung
Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege
Anlage der Studie
Teilergebnisse aus der Datenanalyse der Pflegenden
Folgerungen zum Qualifizierungsbedarf
Zusammenfassung
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 3
Problemhintergrund
Kostenexplosion in der
Krankenversorgung
Kostenexplosion in der
Krankenversorgung
Fehlende
Abstimmung von
Versorgungsleistungen
Fehlende
Abstimmung von
Versorgungsleistungen
EpidemiologischerWandel
EpidemiologischerWandel
Sozio-demografischer
Wandel
Sozio-demografischer
Wandel
Wissenschaftlicherund technischer
Fortschritt
Wissenschaftlicherund technischer
Fortschritt Krise des
Gesundheitswesens
Krise des
Gesundheitswesens
Fehlende
Abstimmung von
Versorgungsleistungen
Fehlende
Abstimmung von
Versorgungsleistungen
Neuorientierung der
Gesundheits- und
Krankenversorgung
Neuorientierung der
Gesundheits- und
Krankenversorgung
Stärkere Fokussierung auf
Prävention und
Gesundheitsförderung
Stärkere Fokussierung auf
Prävention und
Gesundheitsförderung
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 4
Der vorgenommene Problemaufriss unterstreicht
Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung und Prävention dürfen sich nicht nur auf Gesunde konzentrieren oder gar beschränken
Verstärkte Beachtung ist auch dem Bereich der Gesundheitsarbeit im Kontext der Krankenversorgung zu widmen
Damit gerät notwendigerweise auch das berufliche Handeln der traditionellen Gesundheitsdienstberufe in den Fokus des Interesses
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 5
Forschungsstand und Forschungsrichtungen
Gesundheitsförderung im beruflichen Alltagshandeln
• personenorientiert (Pflegekraft)
•klientenorientiert
Gesundheitsförderung im beruflichen Alltagshandeln
• personenorientiert (Pflegekraft)
•klientenorientiert
Additive Zusatzangebote
•Patienteninformationszentren
•Patientenschulungen
Additive Zusatzangebote
•Patienteninformationszentren
•Patientenschulungen
Auf konkrete Einzelthemenbezogen
•Assessmentverfahren
•Handlungsleitlinien
Auf konkrete Einzelthemenbezogen
•Assessmentverfahren
•Handlungsleitlinien
Modellprojekte
•präventiver Hausbesuch
•Familienpflege
Modellprojekte
•präventiver Hausbesuch
•Familienpflege
Gesundheitsförderung
als Aufgabenfeld von
Pflegefachkräften
Gesundheitsförderung
als Aufgabenfeld von
Pflegefachkräften
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 6
Zentrale Fragestellung
Welche subjektiven Vorstellungen und
Handlungskonzepte von einer patienten- bzw.
klientenorientierten Gesundheitsförderung
haben ambulante Pflegekräfte in ihrem
beruflichen Alltag?
Menschen handeln gegenüber Dingen auf der Grundlage der
Bedeutung, die diese Dinge für sie besitzen.
Symbolischer Interaktionismus/ Blumer 1981
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 7
Theoretische GrundlagenGesundheitsförderung
Definition:
„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess,
allen Menschen ein höheres Maß an
Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu
ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer
Gesundheit zu befähigen.“ (WHO 1986)
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Theoretische Grundlagen Gesundheitsförderung
In Anwaltschaft Partei für die Gesundheit ergreifen und Interessen vertreten („advocacy“)
Befähigen und ermöglichen („enabling“)
Vermitteln und Vernetzen („mediating“)
Handlungsstrategien und Handlungsfelder der GFÖ (WHO 1986)
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Überarbeitete und erweitere Darstellung auf Basis der Abbildung des Mehrebenenmodells der Gesundheitsförderung von Kaba-Schönstein 2006:75
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Theoretische GrundlagenGesundheitsförderung
In Anwaltschaft Partei für die Gesundheit ergreifen und Interessen vertreten („advocacy“)
Befähigen und ermöglichen („enabling“)
Vermitteln und Vernetzen („mediating“)
Zentrale Handlungsstrategien der Gesundheitsförderung
Befähigung durch
Kompetenzentwicklung
und -förderung
Partizipation
Empowerment
vgl. Jacarta-Erklärung, WHO 1998
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 10
Theoretische Grundlagen Gesundheitsförderung in der Pflege
Gesundheitsförderung als
integrativer Bestandteil und zentrale Aufgabe der Pflege
wird in Leitbildern/ Grundsatzpapieren/ Theorien beruflichen Selbstverständnisses nicht nur benannt, sondern explizit betont:
z.B. WHO 1995; ICN/DBFK 2005
als Handlungsverpflichtung gesetzlich bekräftigt:
KrPflG 2003; implizit im SGB XI (u.a. § 28)
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Theoretische GrundlagenGesundheitsförderung in der Pflege
Aufgaben pflegerischer Gesundheitsförderung:
Unterstützung bei der Wiederentdeckung, Stärkung und
Förderung von personalen, sozialen und ökologischen
Gesundheitsressourcen unter Einbeziehung der jeweiligen
Lebenserfahrungen, Lebensziele und Lebensbedingungen der
Klienten
Zielgruppen
einer klientenorientierten Perspektive auf der Mikroebene
sind: Patienten und Angehörige
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Theoretische Grundlagen Daten/ Fakten zur Arbeit in der ambulanten Pflege
Gegenwärtig ca. 2,3 Millionen Pflegebedürftige (SGB XI)
1,5 Millionen in häuslichen Pflegearrangements
Davon erhalten ~500.000 Pflegebedürftige Pflegesachleistungendurch ambulante Pflegedienste
11.500 ambulante Pflegedienste
~ 1/3 der Beschäftigten (78.000) sind Gesundheits- und Krankenpflegekräfte
Klientel: überwiegend alte und hochbetagte Menschen
92% der Pflegebedürftigen erhalten private Hilfeleistungendurch Angehörige oder nahe Bekannte
~ 36,7 h/ Woche bzw. 5,2 h/ Tag
Rechtsgrundlagen: SGB V; SGB XI
Quellen: u.a. Schneekloth/Wahl 2005; Schneekloth 2006; Statistisches Bundesamt 2009; GEK 2009
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Anlage derqualitativen (Gesamt-)Studie
Datenerhebung und Auswertung:
Datenerhebung:
Einzugsgebiet:
Sample 1: 14 ex. ambulant tätige (Kranken-)Pflegekräfte
Zusätzlich Sample 2: Experteninterviews mit betroffenen Patienten/Angehörigen
Interviewdauer:
Codieren:
Technische Unterstützung:
Eng angelehnt an Grounded Theory (Strauss)
Episodische Leitfrageninterviews (Flick)
NRW, NI, Ba-Wü/ ländlicher u. kleinstädtischer Bereich
12 Hausärzte
30-60 Minuten
In Einzel- /zeitweise auch in wechselnder Tandemarbeit
f4 / Maxqda 10
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 14
Teilergebnisseaus der Datenanalyse der interviewten Pflegenden
Gesundheitsförderung wird grundsätzlich bejaht und als
inhärenter Bestandteil des eigenen Arbeitsvollzuges
verstanden.
„Das läuft ja schon fast..., das läuft ja immer parallel zu dem, was man
schon tut. Ähm, das sind ja Dinge, die nicht, die oftmals nicht explizit
ausgewiesen sind.[…] Also die gesundheitsfördernde Maßnah...,
gesundheitsfördernde Maßnahme, …“ (P7/18)
„Also ehrlich gesagt finde ich, dass das jeden Tag mit ..., ganz auto-
matisch irgendwo mit, mit rein läuft. Und ich glaube, dass wir da auch
ganz arg viel unbewusst machen. Weil vieles ergibt sich, ähm, was wir
jeden Tag sehen, aus verschiedenen Situationen. Und, ähm, manchmal
auch einfach aus einem, so einem Menschenverstand heraus.“ (P12/2)
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 15
Teilergebnisseaus der Datenanalyse der interviewten Pflegenden
Das Problem diffuser Wissensbestände und
Handlungskonzepte (1)
„Ja, was, was verstehe ich da jetzt drunter? Die Gesundheit der Patienten
gefördert? Verstehe ich da jetzt einfach nur drunter, ähm, die Medikamente
zu geben? Dass ich jetzt so die …, ähm (4) ja die Gesundheit insofern
fördere, dass zum Beispiel der Blutdruck unten bleibt? Oder….?“ (P3/8)
„Ich würde jetzt gerne mal, mal ins Lexikon gucken, was da unter Gesundheit….., Gesundheitsförderung steht. Das interessiert mich die ganze Zeit schon.“ (P5/94)
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 16
Teilergebnisseaus der Datenanalyse der interviewten Pflegenden
Das Problem diffuser Wissensbestände und
Handlungskonzepte (2)
„Gesundheitsförderung wäre für mich mögliche, mögliche Probleme mit -
mögliche Gesundheitsprobleme natürlich - mit dem Kunden frühzeitig zu
besprechen. Ähm, einfach mal auf den Tisch legen. Und sagen, da und da sehe
ich Probleme für sie. Ähm, meines Erachtens könnte man dies und jenes für
sie tun.“ (P7/40)
„Ja. Und vielleicht auch Beratung. Denke ich auch ganz wichtig. Viele Leute,
glaube ich, wissen auch manchmal schon gar nicht mehr: was, was brauchen
die eigentlich? Was, was könnte mir gut tun? Oder an welche Stelle kann ich
mich wenden oder so? Das die Leute da auch oft viel an Beratung
brauchen.“(P12/70)
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Teilergebnisseaus der Datenanalyse der interviewten Pflegenden
Der Fokus gesundheitsförderndes Handelns liegt bei
den befragten Pflegekräften auf:
Körperliche Folgeschäden vermeiden/ Zustand erhalten ______________________________
der Klient soll in den eigenen 4 Wänden verbleiben können
die Gesundheit der pflegenden Angehörigen (Entlastung)
Regelmäßigkeit und Strukturierung des Alltags
Soziale Teilhabe ermöglichen
Prozessgedanke gesundheitsfördernden Handelns/ Politik der kleinen Schritte
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 18
Teilergebnisseaus der Datenanalyse der interviewten Pflegenden
Erschwernisse einer Praxis gesundheitsfördernden
Handelns (1)
Strukturelle Rahmenbedingungen:
„Oder.... ja. Ich glaube, dass wir da ganz arg viel so nebenher machen. Was
jetzt nicht in irgendwelche Leistungspakete gepackt ist oder so.“ (P12/76)
„Weil mir die Zeit fehlt, ne. Die Zeit vielleicht nicht mehr da ist und äh, ich halt
auch eben nur ganz klare Vorgaben bekommen habe, was ich dazu tun habe
und, äh, was ich da dann halt übersehen soll und…. Nicht übersehen soll,
sondern was ich zwar wahrnehme, aber es nicht meine Aufgabe ist darauf jetzt
irgendwie äh, einzugehen.“ (P1/68)
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 19
Teilergebnisseaus der Datenanalyse der interviewten Pflegenden
Erschwernisse einer Praxis gesundheitsfördernden
Handelns (2)
Verantwortungsdelegation
fehlende Vernetzung/ Zusammenarbeit der beteiligten Akteure
Helfersyndrom/ traditionelles Laienverständnis von Pflege
bio-medizinisches Menschenbild/ Pflegeverständnis
……
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 20
Folgerungen zum Qualifzierungsbedarf
Auf der Grundlage von Befähigung, Partizipation und Empowerment
Phänomen der Sprachlosigkeit bzw. des „babylonischen Sprachgewirrs“
überwinden
Vorhandene Expertise der Pflegekräfte aktivieren; als Ressource aufzeigen
und ausbauen (bottom-up-Ansatz)
Bezüge von Gesundheitsförderung als integrativem, nicht additiven Teil
von Pflege verdeutlichen
Selbsterfahrung von Gesundheitsförderung ermöglichen
Stärkere Einbeziehung/ Akzentuierung salutogener Perspektiven
in Aus-, Fort- und Weiterbildung
Training kommunikativer Skills
Qualitätszirkelarbeit
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 21
Zusammenfassung
Es gibt einen steigenden Bedarf an professioneller Gesundheitsförderung in
der ambulanten Krankenversorgung. Pflegekräfte könn(t)en bei der Erfüllung
dieses Mandates eine zentrale Schlüsselrolle einnehmen.
In der Praxis mangelt es ihnen bislang aber an konkreten, intersubjektiv
geteilten, handlungsleitenden Vorstellungen und Strategien der
Gesundheitsförderung.
Auf dem Weg zu einer erfolgreichen und nachhaltigen Gesundheitsförderung
in der ambulanten Krankenversorgung ist eine (weitere) intensive
Qualifizierung der Experten unabdingbar. Hierbei sollte die vorhandene
grundsätzliche Wertschätzung von Gesundheitsförderung aufgegriffen und
das vielfach diffus vorhandene Wissen systematisierend eingebunden
werden.
Gleichzeitig bedarf es aber auch strukturell-organisatorischer Rahmen-
bedingungen, unter denen ein systematisches gesundheitsförderndes
Handeln im Berufsalltag überhaupt möglich wird.
2. Niederrheinischer Pflegekongress 2010C. Dörge: Gesundheitsförderung in der ambulanten Pflege 22
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Kontakt:Christine Dörge MPH, M.A.Pädagogische Hochschule Schwäbisch GmündOberbettringer Str. 20073525 Schwäbisch GmündE-mail: christine.doerge@ph-gmuend