Vergaberecht (6)
Ablauf des Vergabeverfahrens (II)
SS 2017
Kurt Reindl
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Inhalte1. UE Einführung
2. UE Rechtliche Grundlagen
3. UEPersönlicher Geltungsbereich; Sachlicher Geltungsbereich; Ausnahmen vom Vergaberecht
4. UE Verfahrensarten im Überblick
5. UE Ablauf des Vergabeverfahrens I
6. UE Ablauf des Vergabeverfahrens II
7. UE Ablauf des Vergabeverfahrens III
8. UE Rechtsschutz I
9. UE Rechtsschutz II
10. UE Präsenztermin: Diskussion und Stoffwiederholung
11. UE Präsenztermin: Diskussion und Stoffwiederholung
12. UE Präsenztermin: schriftliche Lehrveranstaltungsprüfung
UE = Unterrichtseinheit
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[Fortsetzung von der letzten Unterrichtseinheit]
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Vorbereitung
— Berechnung zB bei Lieferaufträgen (§ 15)
• befristete Lieferaufträge mit Laufzeit von höchstens 12 Monaten
• geschätzte Gesamtbetrag der während der Vertragsdauer voraussichtlich zu leistenden Entgelte
• befristete Lieferaufträge mit Laufzeit von mehr als 12 Monaten
• geschätzte Gesamtbetrag der während der Vertragsdauer voraussichtlich zu leistenden Entgelte einschließlich des geschätzten Restwertes
• unbefristete Lieferaufträgen oder unklare Vertragsdauer
• das 48fache des voraussichtlich zu leistenden Monatsentgeltes
• regelmäßig wiederkehrende Lieferaufträge
• der tatsächliche Gesamtwert der entsprechenden aufeinander folgenden Aufträge im vorangegangenen Finanz- bzw. Haushaltsjahr oder in den vorangegangenen zwölf Monaten oder
• der geschätzte Gesamtwert der aufeinander folgenden Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate oder des auf die erste Lieferung folgenden Finanz- bzw. Haushaltsjahres, soweit dieses länger als zwölf Monate ist
Lieferauftrag
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Vorbereitung
• Beispiel: Regelmäßig wiederkehrende Beschaffung von Druckerpatronen
• Aufträge innerhalb der vorangehenden 12 Monate:
• Wenn insgesamt Schwelle von 209.000 EUR erreicht wird, so wäre jeder einzelne Auftrag nach den für den Oberschwellenbereich (OSB) geltenden Regeln abzuwickeln
• Oft werden für solche Aufträge (daher) Rahmenvereinbarungen oder Rahmenverträge ausgeschrieben und abgeschlossen.
Lieferauftrag
1.3. 7.3. 11.3. 15.3. […] 15.2. 19.2. 20.2. 25.2. 28.2.
2016 2017
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Vorbereitung
— Berechnung zB bei Dienstleistungsaufträgen (§ 16)
• befristete Dienstleistungsaufträge mit Laufzeit von höchstens 48 Monaten
• geschätzte Gesamtwert für die Laufzeit des Vertrages
• befristete Dienstleistungsaufträge mit Laufzeit von mehr als 48 Monaten oder unbefristete
Dienstleistungsaufträge
• das 48fache des voraussichtlich zu leistenden Monatsentgeltes
• regelmäßig wiederkehrende Dienstleistungsaufträge
• der tatsächliche Gesamtwert der entsprechenden aufeinander folgenden Aufträge im vorangegangenen Finanz- bzw. Haushaltsjahr oder in den vorangegangenen zwölf Monaten oder
• der geschätzte Gesamtwert der aufeinander folgenden Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate oder des auf die erste Lieferung folgenden Finanz- bzw. Haushaltsjahres, soweit dieses länger als zwölf Monate ist
DL-Auftrag
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Vorbereitung
• Beispiel: Regelmäßig wiederkehrende Beschaffung von Druckereileistungen
• Aufträge innerhalb der vorangehenden 12 Monate:
1.3. 7.3. 11.3. 15.3. […] 15.2. 19.2. 20.2. 25.2. 28.2.
2016 2017
DL-Auftrag
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Vorbereitung— Beschaffung von Bauaufträgen in mehreren Losen (§ 14)
• „Besteht ein Bauvorhaben aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen. Als Lose im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch gewerbliche Tätigkeiten im Sinne des Anhanges I (Gewerke).“ (Abs 1)
• Kleinlosregel für OSB: § 14 Abs 3; Kleinlosregel für USB: § 14 Abs 4
— Beschaffung von Lieferungen in mehreren Losen (§ 15)
• „Besteht eine Lieferung aus der Beschaffung gleichartiger Lieferleistungen in mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen.“ (Abs 3)
• Kleinlosregel für OSB: § 15 Abs 4; Kleinlosregel für USB: § 15 Abs 5
— Beschaffung von Dienstleistungen in mehreren Losen (§ 16)
• „Besteht eine Dienstleistung aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen.“ (§ 16 Abs 4)
• Kleinlosregel für OSB: § 16 Abs 5; Kleinlosregel für USB: § 16 Abs 6
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— Kleinlos-Regel bei Liefer- und DL-Aufträgen (§ 15 Abs 4 u 5 und § 16 Abs 5 u 6)
• OSB: Für einzelne Lose mit geschätztem Auftragswert < € 80.000 gelten Regeln des USB,
sofern kumulierter Wert dieser ausgewählten Lose max. 20 % des kumulierten Wertes aller
Lose beträgt.
• USB: Für alle Lose gelten Regeln des USB. Für einzelne Lose mit geschätztem
Auftragswert < € 50.000 sind Direktvergaben (ohne Bekanntmachung) zulässig, sofern
kumulierter Wert dieser ausgewählten Lose max. 40 % des kumulierten Wertes aller Lose
beträgt.
OSB
USBVorbereitungKleinlos Lieferauftrag
Kleinlos DL-Auftrag
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Beispiel I
Los 1 € 25.000 (z.B. Direktvergabe oBk)
Los 2 € 45.000 (z.B. Direktvergabe oBk)
Los 3 € 55.000 (z.B. Verh.Verf. oBk)
Los 4 € 55.000 (z.B. Verh.Verf. oBk)
Zwi.Summe € 180.000 (20%)
Los 5 € 720.000 (z.B. Offenes Verfahren)
Summe € 900.000 (100%) � OSB
OSB
VorbereitungKleinlos Lieferauftrag
Kleinlos DL-Auftrag
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Beispiel II
Los 1 € 35.000 (z.B. Direktvergabe oBk)
Los 2 € 35.000 (z.B. Direktvergabe oBk)
Zwi.Summe € 70.000 (35,9%)
Los 3 € 50.000 (z.B. Verh.Verf. oBk)
Los 4 € 75.000 (z.B. ni.off.Verf oBk)
Summe € 195.000 (100%) � USB
USBVorbereitungKleinlos Lieferauftrag
Kleinlos DL-Auftrag
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Vorbereitung
— Kleinlos-Regel bei Bauaufträgen (§ 14 Abs 3 u 4)
• OSB: Für einzelne Lose mit geschätztem Auftragswert < € 1.000.000 gelten Regeln
des USB, sofern kumulierter Wert dieser ausgewählten Lose max. 20 % des kumulierten
Wertes aller Lose beträgt.
• USB: Für alle Lose gelten Regeln des USB.
• § 14 Abs 4 letzter Satz: „Für die Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Aufträgen im
Unterschwellenbereich gilt als geschätzter Auftragswert der Wert des einzelnen
Loses.“
OSB
USB
Kleinlos Bau-Auftrag
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Beispiel I
Dachdecker € 200.000 (z.B. ni.off. Verf. oBk)
Spengler € 200.000 (z.B. ni.off. Verf. oBk)
Schlosser € 200.000 (z.B. ni.off. Verf. oBk)
HKLS*) € 400.000 (z.B. Direktvergabe mBk)
Zwi.Summe € 1.000.000 (rd. 17%)
Baumeister € 5.000.000 (z.B. Offenes Verfahren)
Summe € 6.000.000 (100%) � OSB
*) HKLS = Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär.
OSB
VorbereitungKleinlos Bau-Auftrag
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Beispiel II
Dachdecker € 40.000 (z.B. Direktvergabe oBk)
Spengler € 70.000 (z.B. Verh.verf. oBk)
Schlosser € 250.000 (z.B. ni.off. Verf. oBk)
HKLS € 450.000 (z.B. Direktvergabe mBk)
Baumeister € 950.000 (z.B. Verh.verf. mBk)
Summe € 1.760.000 � USB
USBVorbereitungKleinlos Bau-Auftrag
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Bekannt-machung
Angebotsphase
Öffnung der Angebote
Ausschreibung/Angebot/Zuschlag
Prüfung der Eignung
Zuschlags-erteilung
Zuschlags-kriterien
Eignungs-kriterien
Ausschrei-bungs-unterlage
Zuschlags-entschei-dung
Zuschlagsphase
Übermit-tlung der Angebote
Berichti-gungen
LeistungserbringungsphaseVorbereitungsphase
Prüfung der Angebote
Aufklärung und Vervollständigung bei verbesserungsfähigen Mängeln
Ausscheiden von Angeboten
USB
OSB
Offenes Verfahren
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Offenes Verfahren� Offenes Verfahren (im OSB und USB)
— Beim offenen Verfahren wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmern
öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert (§ 31 Abs 2)
— Im OSB und USB generell zulässig, sofern nicht gemäß § 34 ein
Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung geboten ist.
� Allgemeines zum Ablauf des offenen Verfahrens (§ 112)
— Im offenen Verfahren kann jeder Unternehmer innerhalb der Angebotsfrist ein
Angebot einreichen. Dem Angebot sind die vom öffentlichen Auftraggeber
verlangten Informationen im Hinblick auf die Eignung beizufügen.
— Im offenen Verfahren kann der öffentliche Auftraggeber die Angebote prüfen, bevor
die Eignung des Bieters und der bekannt gegebenen Subunternehmer geprüft wird.
— Während eines offenen Verfahrens darf mit den Bietern über eine
Angebotsänderung nicht verhandelt werden.
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Offenes VerfahrenI. Vorbereitungsphase
� (Markterkundung)
� (Wahl der Verfahrensart)
� Erstellung der Ausschreibungsunterlagen
Übersicht
Vorbereitungsphase
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Offenes Verfahren
� Erstellung der Ausschreibungsunterlagen (§§ 88 ff)
— Beschreibung der Leistung (konstruktive oder funktionelle
Leistungsbeschreibung) (§§ 104)
— Erstellung eines Leistungsverzeichnisses (§§ 105)
— Festlegen von Vertragsbestimmungen (§§ 110 f)
Vorbereitungsphase
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Offenes Verfahren
— Festlegen von Eignungskriterien
• Begriffsdefinition gem. § 2 Z 22 lit c: „Eignungskriterien sind die vom
Auftraggeber festgelegten, nicht diskriminierenden, mit dem Auftragsgegenstand
in Verbindung stehenden und zu diesem verhältnismäßigen
Mindestanforderungen betreffend die Befugnis, Zuverlässigkeit und
Leistungsfähigkeit (Eignung) an den Bewerber oder Bieter, die gemäß den
Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nachzuweisen sind.“
• Eignungsanforderungen und Eignungsnachweise (§§ 78 ff)
• berufliche Zuverlässigkeit
• berufliche Befugnis
• finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie
• technische Leistungsfähigkeit
Vorbereitungsphase
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Offenes Verfahren— Festlegen von Zuschlagskriterien
• Billigstbieterprinzip:
• Begriffsdefinition gem. § 2 Z 22 lit d sublit bb: Zuschlagskriterium „ist bei der Wahl des Angebotes mit dem niedrigsten Preis der Preis“
• Bestbieterprinzip:
• Begriffsdefinition gem. § 2 Z 22 lit d sublit aa: Zuschlagskriterien „sind bei der Wahl des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes
die niedrigsten Kosten oder die vom Auftraggeber im Verhältnis […] ihrer Bedeutung festgelegten, nicht diskriminierenden und mit dem
Auftragsgegenstand in Verbindung stehenden Kriterien, nach welchen das für den Auftraggeber technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird; die Zuschlagskriterien dürfen dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Wahlfreiheit übertragen und müssen die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbes gewährleisten und mit Spezifikationen einhergehen, die eine wirksame Überprüfung der von den Bietern übermittelten Informationen gestatten, damit bewertet werden kann, wie gut die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen“
Vorbereitungsphase
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Offenes Verfahren
• „Zuschlagskriterien stehen gemäß sublit. aa mit dem Auftragsgegenstand in
Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem
Stadium des Lebenszyklus auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden
Leistungen beziehen. Dies schließt Faktoren ein, die mit dem bestimmten
Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung der zu erbringenden
Leistung oder des Handels damit oder einem bestimmten Prozess in Bezug
auf ein anderes Stadium des Lebenszyklus zusammenhängen, auch wenn
derartige Faktoren sich nicht auf die materiellen Eigenschaften des
Auftragsgegenstandes auswirken.“ (2 Z 22 lit d)
• verpflichtende Festlegung des Bestbieterprinzips für den Ober- und
Unterschwellenbereich in den in § 91 Abs 5 genannten Fällen
Vorbereitungsphase
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Offenes Verfahren
• Vgl. Art 67 Abs 2 RL 2014/24/EU: „Die Bestimmung des aus der Sicht des öffentlichen
Auftraggebers wirtschaftlich günstigsten Angebots erfolgt anhand einer Bewertung auf der
Grundlage des Preises oder der Kosten, mittels eines Kosten-Wirksamkeits-Ansatzes,
wie der Lebenszykluskostenrechnung gemäß Artikel 68, und kann das beste Preis-
Leistungs-Verhältnis beinhalten, das auf der Grundlage von Kriterien — unter
Einbeziehung qualitativer, umweltbezogener und/oder sozialer Aspekte — bewertet wird,
die mit dem Auftragsgegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags in Verbindung
stehen. Zu diesen Kriterien kann u. a. Folgendes gehören:
a) Qualität, einschließlich technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit,
Design für Alle, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften und Handel
sowie die damit verbundenen Bedingungen;
b) Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags
betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss
auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder
c) Kundendienst und technische Hilfe, Lieferbedingungen wie Liefertermin,
Lieferverfahren sowie Liefer- oder Ausführungsfrist.“
Vorbereitungsphase
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Offenes Verfahren
• Anforderungen an Zuschlagskriterien
• Zuschlagskriterien müssen so weit konkretisiert sein, dass sie von durchschnittlich
fachkundigen Bietern in gleicher Weise ausgelegt werden können (zB BVA
12.5.2003, 02N-19/03-31 mit Verweis auf EUGH 18. 10. 2001, Rs C-19/00, SIAC
Construction, Rz 42)
• Das Zuschlagskriterium „Handling des Bedienfeldes (zB drehbar, kippbar,
abnehmbar)“ wird als zu unpräzise angesehen; es könnte „es der Auftraggeberin
letztlich ermöglichen […], in willkürlicher und nicht nachvollziehbarer Weise bei
der Angebotsprüfung vorzugehen“ (VKS Wien 16.10.2008, VKS-6968/08)
• Ausschließlich schlagwortartiges Festlegen von Zuschlagskriterien (zB
„Patientenkomfort“ oder „Handling des Bedienfeldes und Bedienerergonomie“), ohne
darzustellen, nach welchen konkreten Beurteilungskriterien die Erfüllung der
Nutzerkriterien bewertet werden sollen, ist unzureichend; unklare Formulierungen
und Festlegungen, „die es der Auftraggeberin letztlich ermöglichen könnten, in
willkürlicher und nicht nachvollziehbarer und damit nicht transparenter Weise bei der
Angebotsprüfung vorzugehen“ stehen nicht im Einklang mit dem Vergaberecht. (VKS
Wien 03.12.2009, VKS-8908/09)
Vorbereitungsphase
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