TIERREPORTO F F I Z I E L L E S O R G A N D E S S C H W E I Z E R T I E R S C H U T Z S T S
CHF 5.– / EURO 4.– 3/2010
Tierschutz istgrenzenlos
STS-Zoobericht:
Verbesserungen in
Sicht
TIERREPORT 3/20102
4 Tierheime Die Tierheime der Sektionen des STS mussten letztes Jahr 24000 Tiere aufnehmen.
8 Der schwarze Tod Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verursacht ein Massensterben.
10 Aktuelles Schweiz Kurzmeldungen aus der Schweiz.
12 Mary Zwo Das Gorillamädchen lernt im Zoo Zürich das Familienleben der Gorillas kennen.
14 Zoobericht Seit dem letzten Bericht hat sich in vielen Zoos und Tierparks einiges verbessert.
16–19 Ferkel und Eber Rund um den Globus existieren viele wild lebende Schweinearten.
20 Aktuelles Welt Kurzmeldungen aus aller Welt.
22 Tierversuche Mit einer «Charta» wollen die Pharmaunternehmen ihr Image aufpolieren.
24 Route des Grauens Die verschlungenen Wege von Pelzen über vier Kontinente.
26 Pelzfreie Mode Immer mehr Kleidermarken verzichten auf Echtpelz in ihren Kollektionen.
27 Engagement Das Topmodel Jasmin Brunner würde keine Pelzmode präsentieren.
28 Hundemafia Der STS warnt vor dubiosen Internetangeboten.
31 Muh macht die Kuh Ein Forscher hat eine Art Wörterbuch der Kühe entwickelt.
32 Tiere suchen ... Ausgesetzte, verlassene Tiere suchen ein neues, richtiges Zuhause.
TIERREPORT (ehemals «Du+die Natur»)Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS137. Jahrgang, Nr. 3, September 2010, erscheint viermal jährlichHerausgeber: Schweizer Tierschutz STSDornacherstrasse 101, 4008 BaselTelefon 061 365 99 99, Fax 061 365 99 90, [email protected]
Redaktor: Mark Rissi
Mitarbeiter dieser Nummer: Matthias Brunner, Julika Fitzi, Catherine Reber, Stefan TschoppTT
Gestaltung, Produktion: die zwei, Basel
Druck: Birkhäuser+GBC, Reinach
Abonnementspreise:Jahresabonnement (4 Ausgaben) CHF 12.80 inkl. MWStEinzelnummer CHF 5.–
Tierreport-Abonnentendienst:General-Wille-Strasse 144, 8706 MeilenTelefon 044 925 38 20, Fax 044 925 36 96, [email protected]
Abdruck nach Genehmigung durch die Redaktion mit Quellenangabe gestattet.
ISSN 1424-9537, Papier 100% Recycling
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Die Sektionen des Schweizer Tierschutz STS: Aargau · Appenzell · Basel-Stadt · Baselland · Bern Kanton · Bern Stadt · Biasca · Biel-Seeland · Ceresio/MendrisiottoEmmental · Frauenfeld · Fribourg · Frutigen · Glarus · Graubünden · Grenchen · Haut-Léman · Heiden · Horgen · Interlaken-Oberhasli · Jura/AJPAPP , · Jura/SoubeyKreuzlingen · La Chaux-de-Fonds · Liechtenstein · Linth · Locarno · Lugano · Luzern · Monthey · Neuchâtel · Nidwalden · Niedersimmental · Nyon · Oberaargau · ObersimmentalOberwallis · Obwalden · Olten · Rheintal · Romanshorn · Rorschach · St. Gallen Kanton · St. Gallen Stadt · Saanenland · Sargans-Werdenberg · Schaffhausen · SchwyzSirnach · Solothurn/Wasseramt · Steckborn · Thun · Toggenburg · Uri · Uster · Valais · Vaud · Winterthur · Zug · Fondation Neuchâteloise d’TT Accueil pour AnimauxGerenau-Stiftung für Tierschutz, Wädenswil · Stiftung Mensch+Tier, Basel-Stadt · AKUT Aktion Kirche und Tier · APS Auffangstation für Sittiche und Papa-geien · Club der Rattenfreunde · Le Refuge de Darwyn · Schweizer Wildstation Landshut · PRT Protection et Récupération des Tortues · VTT AVV Z Verein Aquarium Zürich
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TIERREPORT 3/2010
TIERREPORT 3/2010 3
EDITORIAL
Labortiere waren immer die Verlierer, doch das soll nichtso bleiben. Uns bleibt der Weg der kleinen Schritte.
Wir haben uns vorerst drei Ziele gesteckt: Mit weiteren parlamentarischen Vorstössen wollen wir erreichen, dassder Schweizer Nationalfonds die Entwicklung von Alter-nativmethoden (die ohne Tierversuche auskommen) ver-mehrt mit unseren Steuergeldern unterstützt, dass dieTierversuche mit Schweregrad 3 in der Grundlagenfor-schung der Universitäten abgeschafft werden und dassdie Wirtschaft massiv bessere Haltebedingungen für dieLabortiere schafft. Es wird kein einfacher Weg sein, aber wir haben eine sehr gute Chance, diese drei Etappenzielein absehbarer Zeit zu erreichen. Und dann werden wir dieweiteren kleinen Schritte in Angriff nehmen.
Herzlich, Ihr
Heinz Lienhard, Präsident Schweizer Tierschutz STS
Es gibt wohl kaum einen Menschen mit normalen Emp-findungen, dem beim Gedanken an Tierversuche nichtunwohl wird. Und der Gedanke wird immer bedrückender,je mehr Einblick man in das Leben, Leiden und Sterbender Labortiere erhält. Verständlicherweise werden des-halb seit Jahrzehnten Forderungen aus Tierschutzkreisenlaut, die auf eine totale Abschaffung oder eine massive Reduktion der Tierversuche zielen. Doch die Idee einer modernen Welt ohne Tierversuche ist ein in unserer Zeitnicht erfüllbarer Wunschtraum. Der vielleicht wichtigste Grund für diese Erkenntnis ist die Tatsache, dass wir allenicht auf die neuesten Errungenschaften der medizini-schen Forschung verzichten wollen, wenn wir krank sind. Und dass gerade deshalb die grosse Mehrheit der Schwei-zer Bevölkerung in letzter Konsequenz nicht hinter radi-kalen Forderungen gegen Tierversuche steht.
Eine Volksinitiative des STS, welche eine massvolle Re-duktion der Tierversuche anstrebte, scheiterte 1983 dennauch an der Urne. Die seither im Parlament eingebrach-ten Vorstösse mit dem gleichen Ziel waren erfolglos und auch bei Gesetzesrevisionen wurden bis heute alle we-sentlichen Forderungen des Tierschutzes abgelehnt. Die
Der Weg der kleinen Schritte
TIERREPORT 3/20104
Allein im letzten Jahr haben die Tierschutzvereine in der Schweiz rund 24 000 abgegebene Tiere in Tierheimen aufgenommen und betreut – vom Kanarienvogel über Katzen und Hunde bis zum Esel. Diese eindrückliche Zahl geht aus der neuesten Statistik hervor, die der STS erhoben hat. Die Sektionen leisten täglich harte Knochenarbeit im Einsatz für hilfsbedürftige Tiere.
Tierheime platzen aus allen Nähten
ISTO
CKPH
OTO
TIERREPORT 3/2010 5
Es ist wie jedes Jahr: Kaum sind die Som-
merferien vorbei, sind die Tierheime der
Sektionen praktisch bis auf den letzten
Platz ausgelastet. So mancher Tierbesitzer
holt seinen Hund oder seine Katze nach
dem Urlaub einfach nicht mehr ab oder
hat das Tier bereits vorher abgeschoben.
Allein im letzten Jahr haben 57 Tier-
schutzvereine rund 24 000 Tiere aufge-
nommen, die entweder abgegeben, be-
schlagnahmt oder aufgefunden wurden.
Dies ergibt die aktuelle Auswertung des
STS unter seinen 69 regionalen und kan-
tonalen Sektionen sowie externen Tier-
schutzvereinen wie der PSA Genf und
dem Zürcher Tierschutz mit 4040 Hunden
(17%), 11400 Katzen (48%), 3000 Nagern
(12%) und 5410 anderen Tieren (23%) wie
Wildtieren, Fischen, Vögeln, Igeln oder
kleinen Nutztieren.
Immer mehr HeimtiereDie Zahl der aufgenommenen Tiere steigt
stetig an: Waren es 2007 noch 18800
Tiere, so zählte der STS 2008 bereits
21040 Tiere in den Tierheimen. Manche
Tierheime gelangen an ihre Kapazitäts-
grenzen, abgesehen von der starken zeit-
lichen Beanspruchung des Personals und
der grossen finanziellen Belastung.
Tierheime tragen enorme finanzielle BürdeTrotz viel geleisteter Gratisarbeit und dem
Einsatz von freiwilligen Helferinnen und
Helfern kostet der Aufenthalt eines Tie-
res im Tierheim rund zwanzig Franken am
Tag. Jährlich müssen so die Tierschutz-
vereine rund acht Millionen Franken aus
privaten Spenden dafür aufwenden, um
allein für die Unterbringungskosten die-
ser Tiere aufzukommen.
Denn die allermeisten Kantone und
Gemeinden sind nach wie vor nicht be-
reit, finanzielle Unterstützung zu leisten.
Dies, obwohl Tierschutz eine gesetzliche
Verpflichtung ist.
Tragische TierschicksaleDank des grossen Engagements der Tier-
schutzvereine gelingt es, dass jährlich
18 000 Tiere wieder einen neuen Platz fin-
den. Doch für etliche Hunde, Katzen und
andere Tiere bedeutet das Tierheim gleich-
zeitig die Endstation in ihrem Leben. Hin-
ter den nackten Zahlen verbergen sich un-
zählige Schicksale der Tiere, die oftmals
Schreckliches durchmachen mussten.
Dies belegen zahlreiche Beispiele aus
den Sektionen. So berichtet die Sektion
Biel-Seeland von einem Fall, wo zwei
Hunde zehn Tage lang sich selbst überlas-
sen wurden. Das eine Tier hatte ein gebro-
chenes Bein und musste notfallmässig im
Tierspital Bern operiert werden. Die Kos-
ten von 1400 Franken hat der Tierschutz-
verein übernommen, aber gleichzeitig An-
zeige gegen den Tierhalter erstattet.
Immer wieder treiben illegale Hunde-
händler ihr Unwesen. Nachdem die Walli-
ser Polizei einen solchen Kriminellen auf-
fliegen liess, entdeckten die Beamten ne-
ben 25 Hunden ausserdem eine Katze, die
an einem Haken aufgehängt war. Die 25
beschlagnahmten belgischen Hunde ge-
langten anschliessend in das Tierheim der
Ligue Valaisanne pour la Protection des
Animaux.
Solche Erlebnisse erschüttern selbst die
erfahrenen Tierschützer immer noch – zum
Glück. Denn das Mitgefühl verleiht ihnen
wiederum die Kraft, den Tieren beizuste-
hen und sich weiterhin für sie einzuset-
zen.
Verzweifelte Tiersammler«Fälle mit Messies nehmen extrem zu. Es
gibt immer mehr Fälle von Menschen, die
Vernachlässigt: Zehn Tage lang waren diese Hunde sich selbst überlassen. Der Hund links im Bild musste sogar wegen eines gebrochenen Beins operiert werden.
Tiersammler: Ein zunehmendes Problem ohne Lösung.
ZVG
ZVG
TIERREPORT 3/20106
Tiere horten oder die im Müll leben. Zum
Teil kommen dann auf einen Schlag gleich
mehrere Tiere in ein Tierheim, was un-
ter Umständen grosse Probleme mit sich
bringt», stellt der Aargauer Tierschutzver-
ein fest. In einem extremen Fall im Kan-
ton Fribourg musste sich die Société Fri-
bourgeoise pour la Protection des Ani-
maux nach einer Zwangsräumung sogar
auf einen Schlag um hundert Hühner, Ka-
ninchen, Schafe und Ziegen kümmern.
«Listenhunde» bleibenoft DauerpensionäreEin relativ neues Problem bilden Hunde,
welche von etlichen Kantonen als «po-
tenziell gefährliche Hunderasse» einge-
stuft werden. Solche als «Kampfhunde»
verpönten Vierbeiner landen in den Tier-
heimen und sind kaum mehr vermittel-
bar. Oft stammen sie aus dubiosen Quellen
und dienten ihren Besitzern bloss als Sta-
tussymbol. Solche Tiere sind nicht selten
verhaltensgestört und damit kaum mehr
vermittelbar, weil sie aggressiv und nicht
sozialisiert sind.
Auch Tierheime sind mit solchen
Hunden überfordert. 23 Tierschutzvereine
haben bei der Umfrage des STS angege-
ben, dass sie keine weiteren «Listenhunde»
mehr aufnehmen.
Spiegel gesellschaftlicher EntwicklungenDie Tierschutzvereine können letztlich
nicht allein die gesellschaftlichen Probleme
lösen. Immer mehr Leute halten sich Heim-
tiere. Doch so manche Tierbesitzer sind mit
dem neuen Mitbewohner schnell einmal
überfordert, sei es, dass sie den Zeitauf-ff
wand oder die Kosten unterschätzt haben,
oder aus anderen Gründen. Dann scheint es
oft die einfachste Lösung zu sein, das Tier
im nächsten Tierheim abzugeben.
Sensibilität auf Tierschutz-vergehen gestiegenAndererseits reagiert die Bevölkerung
zunehmend sensibler auf Tierschutzver-
gehen: 5726 Meldungen erhielten die
Tierschutzvereine allein im vergangenen
Jahr. Häufig übernehmen die Tierschutz-
profis die Abklärungen direkt selber und
entlasten damit letztlich die Behörden
bei ihrer Arbeit. Doch nicht in allen Kan-
tonen gestaltet sich die Zusammenarbeit
mit dem Veterinäramt so gut wie in Zü-
rich, St. Gallen oder Aargau. Häufiges
Problem ist, dass die Tierschutzvereine
keine Akteneinsicht und von den Behör-
den nach einer Anzeige keine Rückmel-
dung mehr erhalten. So versanden etli-
che Fälle ohne Konsequenzen für die Tä-
ter.Verwahrlost: -deten in einem Tierheim einer STS-Sektion.
In den STS-Tierheimen aufgenommene Tiere 2009
Katzen 43%
Verzichttiere 27%
Findeltiere 28%
Anderes/nicht bekannt 42%
Hunde 16%
Nager 12%
Andere Tiere 21%
Tierartunbekannt 8%
Tiere ausBeschlagnahmung 3%ZV
G
TIERREPORT 3/2010
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Ich möchte die Arbeit des SchweizerTierschutz STS unterstützenund werde den Abobetrag um
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über nationale und in-ternationale Tierschutz-aktivitäten.
Dinge beim Namen.
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uhause. TIERREPORTO F F I Z I E L L E S O R G A N D E S S C H W E I Z E R T I E R S C H U T Z S T S
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7
Katzenkastration: Weniger Nachwuchs gleich weniger Tierleid.
Problematische SchafhaltungenMeistens sind Hunde oder Katzen die Op-
fer von Tierquälerei, doch gehen auch Kla-
gen über schlechte Nutztierhalter ein. «Die
Hobbyschafhalter stachen 2009 besonders
hervor», stellt der Dachverband Berner
Tierschutzorganisationen fest. Von einem
krassen Fall weiss der Tierschutz beider
Basel (TBB) zu berichten: «Ein Schafhalter
verweigerte einem seiner schwer kranken
Tiere den Tierarzt. Das betroffene Schaf
ging dann elend zugrunde. Regelmässig
wurden in dieser Schafhaltung abgema-
gerte Tiere beobachtet. Nach einer Inspek-
tion durch den TBB wurde Anzeige gegen
den Schafhalter eingereicht.»
Präventionsarbeit immer wichtigerDabei sind sich nicht immer alle Tierhalter
bewusst, dass ihre Tiere leiden. Oft man-
gelt es auch am entsprechenden Wissen
und an der richtigen Ausbildung. Die In-
formation und Aufklärung gewinnt des-
halb immer mehr an Bedeutung. Seit das
neue Tierschutzgesetz 2008 in Kraft getre-
ten ist, bekommen die Tierschutzvereine
vermehrt Anfragen zur artgerechten Tier-
haltung. Auf der STS-Geschäftsstelle und
über die Homepage www.tierschutz.com
sind Informationsbroschüren und Merk-
blätter zu zahlreichen Tierarten erhältlich.
Zudem geben die STS-Fachstellen zu ent-
sprechenden Anfragen Auskunft und be-
raten sowohl die Sektionen als auch Be-
hörden und Privatpersonen.
Erfolgreiche AktionKatzenkastrationDamit neues Tierleid vermieden werden
kann, führen der STS und seine Sektionen
in Zusammenarbeit mit engagierten Tier-
ärzten seit zehn Jahren eine schweizweite
Aktion zur Kastration von Katzen durch.
Jährlich können so rund 10 000 Katzen
– der allergrösste Teil stammt von Bau-
ernhöfen – kastriert werden, um ein un-
erwünschtes Anwachsen der Katzenpopu-
lation und tausendfaches Tierleid zu ver-
hindern.
Auch hier wird der STS nicht vom Staat
unterstützt, obwohl ein von der Schweiz
unterzeichnetes europäisches Tierschutz-
Übereinkommen dies vorsähe. STS-Ge-
schäftsleiter Hansuli Huber kritisiert:
«Störend ist, dass Bauern jährlich Zehn-
tausende von Franken an Direktzahlungen
erhalten, aber nicht angehalten werden,
Vorkehrungen gegen unerwünschten Kat-
zennachwuchs zu treffen und für gesunde
Katzen auf den Höfen zu sorgen.»
Die aktuelle Statistik zu den STS-Sek-
tionen zeigt jedenfalls überdeutlich, dass
deren engagierter Einsatz unentbehrlich
für den Tierschutz ist.
Matthias Brunner
ISTO
CKPH
OTO
TIERREPORT 3/20108
Hilflos paddelt ein Pelikan mit seinen vom
Rohöl völlig verklebten Flügeln, unfähig,
sich aus dem Meer in die Luft zu schwin-
gen – ein beklemmendes Bild, das wohl
millionenfach als Zeugnis von der Ölkata-
strophe im Golf von Mexiko um die Welt
ging.
Öl verursachte MassensterbenDie Wasservögel und Zugvögel, welche
sich hier zur Brutzeit aufhielten, wurden
von der Ölpest jäh erfasst. Das Gefieder
verklebte sich, sobald es mit der zähflüs-
sigen, giftigen Masse in Berührung kam.
Verzweifelt versuchten die Vögel, mit ih-
ren Schnäbeln und Zungen ihre Federn
von dem Öl zu befreien, und vergifteten
sich so innerlich. Durch das Öl konnten
die Vögel nicht mehr fliegen und das Ge-
fieder verlor seine schützende Wirkung.
Die Folge: Die Vögel erlitten meistens ei-
nen qualvollen, langsamen Tod.
Braunpelikane sind Louisianas WahrzeichenBesonders betroffen waren die Braun-
pelikane – das eigentliche Wahrzeichen
von Louisiana. Diese Wasservögel tau-
chen, um nach Fischen zu jagen. Genau
dieses Verhalten wurde ihnen deshalb bei
dieser Ölverschmutzung zum Verhäng-
nis.
Erst kürzlich konnte der Braunpelikan
von der Liste der bedrohten Tierarten ge-
strichen werden. Die bisherigen Schutz-
bemühungen dürften durch dieses Ereig-
nis einen herben Rückschlag erleiden. Der
Vogel hat jedoch ungewollt internationa-
len Symbolcharakter erlangt.
Verzweifelte HilfsaktionFreiwillige Helferinnen und Helfern
sammelten Hunderte von überlebenden
Vögeln am Strand und auf der See mit
Booten ein. Die meisten der versehrten
Vögel gelangten nach Fort Jackson ins
dortige Vogelrettungszentrum in Buras.
Doch viele der Tiere waren bereits zu er-
schöpft und starben oder mussten eutha-
nasiert werden. Die Überlebenden wur-
den vom kundigen Personal zuerst mit
warmem Seifenwasser vom Öl gereinigt
und anschliessend trocken gerubbelt –
für die ohnehin gestressten Wildtiere
eine belastende Prozedur.
Anschliessend mussten die Vögel
noch einige Tage in der Auffangstation
verbringen, bis ihr Gefieder vollständig
trocken und seine Wasser abweisende
Schutzwirkung wiedererlangt hatte. Erst
CHAR
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RIED
EL/K
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Verzweifelt versuchten Helfer, Hunderte ölverschmutzter Vögel nach der Explosion der Bohr-plattform Deepwater Horizon zu retten. Ob solche Hilfsaktionen überhaupt sinnvoll sind, ist unter den Fachleuten umstritten.
Der schwarze Tod
TIERREPORT 3/2010 9
nach einer veterinärmedizinischen Un-
tersuchung wurden die Vögel wieder in
die Freiheit entlassen. Wie viele von ih-
nen tatsächlich überleben werden, bleibt
ungewiss. Die Verantwortlichen von Fort
Jackson gehen davon aus, dass zwischen
50 und 70 Prozent der eingelieferten
Braunpelikane überleben.
Nutzen umstrittenSelbst unter Experten ist umstritten, ob
solche Hilfsaktionen sinnvoll sind. Die
mittelfristige Überlebensrate liege laut
seriösen Studien unter einem Prozent,
äusserte die Biologin Silvia Gaus von
der Schutzstation Wattenmeer in Hu-
sum. Die deutsche Schutzstation lehne
deshalb solche «Vogelwaschungen» ab.
Eine andere Meinung vertritt Sascha
Regmann von der europäischen Organi-
sation Pro Bird. In einem Interview mit
der deutschen Onlineausgabe des Wis-
senschaftsmagazins spektrumdirekt er-
klärte er: «Mit einer professionellen Re-
habilitation können viele dieser ange-
landeten Vögel gerettet werden – wenn
gewisse Rahmenbedingungen gegeben
sind.» Laut Regmann müssten in jedem
einzelnen Fall Tierärzte mit entspre-
chenden Fachkenntnissen darüber ent-
scheiden, ob eine Rehabilitation sinnvoll
ist oder nicht.
Jedes Leben zähltTIERREPORT hat auch bei der Vogelwarte
in Sempach zu diesem umstrittenen Thema
nachgefragt. Zum konkreten Nutzen sol-
cher Aktionen für die entsprechende Vo-
gelpopulation mochte Mediensprecher
Matthias Kestenholz nicht eindeutig Stel-
lung beziehen. Er findet es jedoch «sehr
wohl nachvollziehbar», ölverschmierten
Vögeln helfen zu wollen. «Einfach nichts
zu tun, bricht einem das Herz», bringt es
Kestenholz auf den Punkt.
Ethisch betrachtet ist letztlich jedes
Leben wertvoll. Dies versucht auch jeder
Veterinär in seiner Praxis: Leben zu ret-
ten, solange dieses für das Tier noch le-
benswert sein kann.
Stummes Leiden geht weiterStumm setzt sich inzwischen das Leiden
unter der Meeresoberfläche im Golf von
Mexiko fort. Abertausende von Fischen
vergiften sich weiter durch das ausgeflos-
sene Öl, das über den Nahrungskreislauf
wiederum die Vögel aufnehmen – und
letztlich auch die Menschen.
Gefährdet ist auch eine Herde von
Pottwalen, welche sich ausschliesslich
hier aufhält und keinen Kontakt zu Art-
genossen ausserhalb des Golfs hat. Der
Internationale Tierschutzfonds IFAW be-
fürchtet, dass Walhaie, die grössten Fische
der Welt, von den Folgen der Katastro-
phe besonders betroffen sein könnten. Sie
ernähren sich von Plankton, Fischlarven
und kleinen Schalentieren und nehmen
so das Öl und die giftigen Chemikalien
auf. So werden sie schleichend vergiftet.
Sterben sie, sinken sie auf den Meeresbo-
den. Ihr Tod bleibt unbemerkt. Der IFAW
beteiligt sich deshalb an einer Studie in
Zusammenarbeit mit der Universität Sou-
thern Mississippi über Walhaie im betrof-
fenen Gebiet. Matthias Brunner
REUT
ERS
«Vogelwaschung»: Nutzen unter Experten heftig umstritten.
Ungewisse Zukunft: Ob dieser Pelikan überleben wird, weiss niemand.
REUT
ERS
TIERREPORT 3/201010
T I E R N A H R U N G
Hundefutter mit 100% Swissness
+ + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H
T I E R V E R S U C H E
Angst vor Transparenz
J A G D F R E V L E R
Rothirsch illegal geschossen
Bei der Rothirschjagd im Oberaargau ist
ein Tier widerrechtlich erlegt worden:
eine Hirschkuh, die ein Junges hatte.
Wie der Kanton mitteilt, hätten Unter-
suchungen ergeben, dass eine Milch füh-
rende Rothirschkuh bereits vor Jagdbe-
ginn illegal geschossen worden sei. Mit
anderen Worten: Das Tier wurde nicht
nur zu früh gejagt, sondern war auch
Mutter eines Hirschkalbs.
«Wir haben bisher keine Anhalts-
punkte auf die Täterschaft», erklärte der
kantonale Jagdinspektor Peter Juesy auf
Anfrage. Sein Inspektorat hat Strafan-
zeige gegen unbekannt eingereicht.
Im Oberaargau leben immer mehr
Rothirsche. Vor allem im Längwald bei
Niederbipp, wo sich gemäss Kanton zur-
zeit rund 30 Tiere aufhalten. Grund für
die Rothirschansammlung ist die Auto-
bahn, die den Tieren den Weg Richtung
Jura abschneidet. Deshalb werden seit
Längerem ein mögliches Übersiedlungs-
projekt und später eine Wildbrücke über
die Autobahn diskutiert.
Für das Oberaargau hatte der Kan-
ton fünf Rothirsche zur Jagd freigege-
ben. Bereits am vierten Jagdtag war das
Kontingent ausgeschöpft. Unter den er-
legten Tieren befand sich auch das Kalb
der illegal getöteten Hirschkuh, denn ein
Junges ist ohne seine Mutter nicht über-
lebensfähig.
ISTO
CKPH
OTO
ISTO
CKPH
OTO
Swissness ist auf den Hund gekommen –
dies darf in diesem Zusammenhang po-
sitiv verstanden werden: Die Migros er-
weitert ihre Hundefutterlinie Asco um das
Produkt Asco Swiss Premium, das als ers-
tes Hundefutter aus Schweizer Rohstof-
fen produziert wird. Dies im Gegensatz
Das neue Tierschutzgesetz soll mehr Trans-
parenz im Bereich der Tierversuche brin-
gen. Das weckt Ängste, gerade am For-
schungs- und Pharmastandort Basel. Kan-
tone und Verbände konnten zur neuerli-
chen Revision des Tierschutzgesetzes Stel-
lung nehmen. Der Bund hat noch keinen
Überblick über das Gesamtergebnis.
Fest steht aber, dass die Reaktionen
aus der Region Basel kritisch ausgefallen
sind. Interpharma, als Branchenvertretung
der Pharmafirmen, wehrt sich gemäss ei-
nem Bericht der «Basler Zeitung» dagegen,
dass genauere Angaben über Tierversuche
publiziert werden sollen. Die gleiche Hal-
tung vertreten die Regierungen der bei-
den Basel. Sie befürchten, dass die im Ge-
setzesentwurf geforderte Transparenz Ge-
schäftsgeheimnisse gefährden würde.
zu anderer Tiernahrung, die zwar in der
Schweiz hergestellt wird, deren Rohstoffe
aber von ausländischen Tieren stammen.
Wer Schweizer Fleisch kauft, kann da-
von ausgehen, dass es von Tieren stammt,
welche nach unseren Tierschutzvorschrif-
ten gehalten wurden.
TIERREPORT 3/2010 11
H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W SST
S
B I L A N Z
Erster Tier-schutzbericht veröffentlicht
Das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET)
hat den ersten Tierschutzbericht veröffent-
licht. Damit sollen die Fortschritte in der
Umsetzung der Tierschutzgesetzgebung
dokumentiert werden. Im Überblick über
die wichtigsten Massnahmen wird unter
anderem die Informationskampagne rund
um das Webportal «Tiere richtig halten» er-
läutert. Vorgestellt werden auch die zahl-
reichen Ausbildungsgänge für Tierhalter.
Der Bericht schildert ferner die Ent-
wicklungen von intensiv diskutierten The-
men wie der Ferkelkastration, dem Tier-
transport, Tierversuchen und dem neuen
Begriff der Würde des Tieres. Zudem zeigt
er die komplexe Arbeit der kantonalen Ve-
terinärämter bei der Umsetzung der neuen
Bestimmungen.
Für eine Beurteilung der Wirkung der
neuen Bestimmungen sei es noch zu früh,
schreibt das BVET in seiner Medienmittei-
lung. In künftigen Tierschutzberichten soll
dies jedoch anhand von Indikatoren ge-
schehen.
S P E N D E N A K T I O N
Im Schlaf den Tierschutz unterstützen
Das Schweizer Traditionsunternehmen Bil-
lerbeck hat zur Einführung seiner neuen Pro-
duktelinie «Kuschelschlaf» eine besondere
Idee gehabt: Für jedes bis zum 31. Dezem-
ber 2010 verkaufte Kuschelschlaf-Duvet
erhält der STS 2 Franken zur Unterstützung
seiner Arbeit. Das Angebot von Billerbeck
umfasst verschiedene Daunenduvets mit
Federnfüllung sowie solche mit Baumwolle
oder Kaschmir. Sozusagen im Schlaf kön-
nen also Konsumentinnen und Konsumen-
ten einen Beitrag an den Tierschutz leisten.
15 Jahre lang kümmerte sich der Zürcher
Tieranwalt Antoine F. Goetschel im Auf-
trag des Kantons um die Rechte der Tiere.
Nächstes Jahr wird das weltweit einzigar-
tige Amt abgeschafft.
Mit der auf 2011 in Kraft tretenden
neuen eidg. Strafprozessordnung wird
den Kantonen die Einrichtung der Insti-
tution von Tierschutzanwälten untersagt.
Das war ein wesentlicher Grund, weshalb
T I E R S C H U T Z R E C H T
Ende des Tieranwalts
V O R S T O S S
Importverbot für weitere Pelzprodukte?
Die Schweiz kennt bereits heute ein Ein-
fuhrverbot für Hunde- und Katzenfelle.
Mit einer Parlamentarischen Initiative
verlangt Nationalrätin Pascale Bruderer,
dieses Verbot auf alle Felle bzw. Pelzpro-
dukte auszuweiten, sofern sie von tier-
quälerisch gehaltenen, gefangenen oder
getöteten Tieren stammen.
Nur so könne verhindert werden, dass
die Schweiz durch ihre inländische Nach-
frage ausländische Produktionsformen
fördere, die nicht nur gegen unsere Ge-
setzgebung verstossen, sondern auch von
einer Mehrheit der Bevölkerung aus ethi-
schen Gründen klar abgelehnt werden.
Die Mitglieder der nationalrätli-
chen Kommission für Wissenschaft, Bil-
dung und Kultur beschlossen mit 16 zu
6 Stimmen, bei einer Enthaltung, ihrem
Rat die Annahme der Initiative zu bean-
tragen. Aus ihrer Sicht wird mit der In-
itiative kein generelles Importverbot für
Pelzprodukte angestrebt, sondern nur für
jene Pelze, die von tierquälerisch gehal-
tenen, gefangenen oder getöteten Tieren
stammen. Die Kommissionsmehrheit ist
der Meinung, dass die Schweiz hier eine
Vorreiterrolle einnehmen kann.
der STS seine Initiative für Tierschutzan-
wälte zur Abstimmung brachte. Wäre die
Initiative erfolgreich gewesen, hätte die-
ser Punkt der Strafprozessordnung ausser
Kraft gesetzt werden müssen. Kantonale
Tierschutzanwälte wären schweizweit
eingeführt worden.
Das Zürcher Veterinäramt wird nun ab
2011 allein die Rechte der Tiere innerhalb
des Kantons wahrnehmen.
TIERREPORT 3/201012
Aus grossen, schwarzen Kulleraugen
schaut das dreijährige Gorillamädchen
Mary etwas ängstlich um sich: Das ist also
ihr neues Zuhause. Über mehrere Statio-
nen ist Mary Zwo, wie ihr vollständiger
Name lautet, in den Zoo Zürich gelangt.
Ursprünglich ist sie im Zoo Münster in
Deutschland geboren worden. Doch ihre
junge, unerfahrene Mutter Gana wusste
nicht, wie sie mit dem Baby umgehen
sollte, und vernachlässigte es. Mary lag
oft ganz allein im Gehege. Der Säugling
wurde zusehends schwächer und schwä-
cher. Was nun?
Knapp dem Tod entronnenOhne Hilfe von aussen wäre Mary be-
stimmt bald gestorben. So entschieden
sich die Zooverantwortlichen, das gefähr-
lich unterkühlte und unterernährte Tier in
menschliche Obhut zu geben. Auf der In-
tensivstation für Kinder der Uniklinik in
Münster konnte die ungewöhnliche kleine
Patientin von den Ärzten gerade noch vor
dem Tod gerettet werden.
Tierpflegerinnen als ErsatzmutterAnschliessend brachte man das kleine
Häufchen Elend in die Aufzuchtstation
des bekannten Zoos Wilhelma in Stutt-
gart. Dort wurde das hilflose Affenbaby
von den fünf Tierpflegerinnen liebevoll
aufgepäppelt. Mary Zwo entwickelte sich
prächtig und genoss die grosse Aufmerk-
samkeit, die ihr zukam.Kinderstube: Mary (rechts) mit Monza und Pflegerinnen im Zoo Wilhelma.
WIL
HELM
A
Für Mary Zwo beginnt die Gorillaschule
Zuerst von der eigenen Mutter vernachlässigt, gelangte das Gorillamädchen Mary Zwo über Umwege in den Zoo Zürich. Hier muss das handaufgezogene Affenkind das Leben inner-halb einer Gorillafamilie kennen lernen.
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ZÜ
RICH
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STEN
BLU
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TIERREPORT 3/2010 13
Unbeschwerte «Kindergarten»-ZeitEin grosser Moment war, als sie nach eini-
ger Zeit in den «Kindergarten» durfte, um
zusammen mit gleichaltrigen Artgenos-
sen zu spielen. Für Mary, die bisher nur
Menschen in ihrer Umgebung kannte, war
dies eine völlig neue Erfahrung. Die unge-
stüme Rasselbande von Jungtieren musste
mit Unterstützung der Tierpfleger zuerst
lernen, dass sie mit der kleinen Mary et-
was vorsichtiger umgehen musste.
Doch Marys Neugier überwog rasch
ihre anfänglichen Berührungsängste. Je
älter sie wurde, desto übermütiger wurde
sie und war im Umgang mit den kleine-
ren Gorillakindern manchmal recht rup-
pig. Mary entwickelte sich zu einem fre-
chen kleinen Affen. Die Zeit war gekom-
men, dass dem inzwischen drei Jahre al-
ten Fräulein in einer richtigen Menschen-
affenfamilie Gorillamanieren beigebracht
werden sollten.
Erste Lebensregel: Ärgere niemals den Boss!Auf der Suche nach einer passenden Pfle-
gefamilie wurde man im Zoo Zürich fün-
dig. Hier besteht eine Gorillagruppe mit
sozial ausgeglichenen Tieren unter der
umsichtigen Führung des Silberrückens
N’Gola. Im März dieses Jahr hat nun das
erste Semester der «Lebensschule» für
Mary begonnen. Keine einfache Sache,
wurde sie doch von Hand aufgezogen und
hat keine Ahnung, wie man sich gegen-
über älteren Gorillas benimmt.
Kaum ist sie erstmals mit der ganzen
Gruppe zusammen, begeht sie auch schon
völlig unabsichtlich einen
fatalen Fehler: Mehrmals
hustet sie ausgerechnet
den Silberrücken N’Gola
an! In die Gorillasprache
übersetzt gilt dies als eine
absolute Frechheit gegen-
über einem ranghöheren
Tier. Nun ist zwar N’Gola
sehr gutmütig – doch was
zu viel ist, ist zu viel! Er
weist das freche Gorilla-
kind zurecht, indem er es
packt, in den Nacken beisst und zu Bo-
den drückt.
Mary hat dieses Erlebnis erst einmal
einen gehörigen Schrecken eingejagt –
doch es sollte nicht die letzte eindrückli-
che Erfahrung für sie sein …
Schwieriger SozialisierungsprozessIn einer Gorillafamilie herrschen klare
Verhaltensregeln. Die müssen von einem
unbedarften Gorillamädchen erst erlernt
werden. Doch da ergeht es Mary nicht viel
anders als andern Jungtieren. Was ihr al-
lerdings bisher gefehlt hat, ist der Um-
gang mit erwachsenen Gorillas.
Manchmal vermisst Mary wahrschein-
lich ihre menschlichen Bezugspersonen.
Beispielsweise wenn sie den Tierpflegern
von ihrem Futter abgeben möchte oder
versucht, sich ein T-Shirt überzustreifen.
Dies entspricht nicht dem normalen Ver-
halten eines Gorillas.
Weil sie eben nicht wie die anderen
der Gruppe reagiert, wurde sie von man-
chen Gruppenmitgliedern am Anfang et-
was schikaniert. Da wird schon einmal ge-
schubst, gekniffen oder geschlagen. Auch
unter Gorillas geht es eben nicht immer
nur harmonisch zu und her.
Zooverantwortliche sind zuversichtlichMary zieht sich nach solchen Situation in
eine Ecke zurück. Sie greift mit ihren klei-
nen Händen nach Stroh und scharrt es um
sich. Dann beginnt sie unablässig hin und
WIL
HELM
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KEYS
TON
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Teenagerkonflikt: Mary hat den Silberrücken N’Gola geärgert.
Lebensschule: Mary (links) ist noch nicht ganz in die Zürcher Gorillafamilie integriert.
In guten Händen: Mary (rechts) mit Monza.
her zu schaukeln – ein typisches Stress-
verhalten, wie Zookurator Robert Zingg
erklärt. Selbst als sich ihr N’Yokumi für-
sorglich nähert, welche ebenfalls unter
menschlicher Obhut aufgewachsen ist, ist
Mary irritiert. Ihr fehlen tatsächlich ein-
fach noch die Mittel, um sich den Artge-
nossen verständlich mitzuteilen.
Trotzdem sind die Zooverantwortli-
chen zuversichtlich, dass Mary die Inte-
gration in die Gruppe gelingt, auch wenn
dies noch noch viel Zeit und Geduld erfor-
dern wird. Immerhin hat sie bereits einige
Fortschritte gemacht. Im Weibchen Ma-
mitu hat sie jedenfalls schon eine Art Pa-
tentante gefunden, welche sie vor den an-
dern Gruppenmitgliedern beschützt. Man
kann Mary auf ihrem weiteren Weg nur
alles Gute wünschen, ein selbstbewusstes,
soziales Gorillaweibchen zu werden.
Matthias Brunner
TIERREPORT 3/2010
Das Aussengehege ist zubetoniert, ein
winziges Planschbecken dient als Bassin.
In dieser sterilen Umgebung verbringen
die Tiger im Zoo Bad Ragaz die meiste
Zeit, ohne dass sie sich vor den neugieri-
gen Blicken der Besucher einmal verber-
gen könnten – ein tristes Leben.
Ganz im Gegensatz dazu der Wild-
park Peter und Paul in St. Gallen: In ihrem
weitläufigen Gehege mit Wald, reichlich
Unterholz und sogar einem Bächlein kön-
nen die Luchse fast wie in Freiheit herum-
streifen. Zum Schlafen können sich die
scheuen Wildkatzen in den mehreren vor-
handenen Höhlen zurückziehen.
So gross sind die Unterschiede, die der
STS bei seiner Recherche in 24 besuchten
Zoos und Tierparks der Deutsch- und der
Westschweiz angetroffen hat.
Weniger Tiere – dafür mehr PlatzSTS-Wildtierexperte Peter Schlup hat
die Wildtierhaltungen wiederum aus der
Sicht eines kritischen Zoobesuchers mit
Fachkenntnissen beurteilt. Stichproben-
weise hat er dabei 147 Gehege von 24
Zoos und Tierparks genauer angeschaut.
Die Veröffentlichung des letzten, umfas-
senden Zooberichts 2007 hat offensicht-
lich Wirkung gezeigt: Seither haben etli-
che Zoos und Tierparks Verbesserungen
bei ihren Tierhaltungen realisiert oder zu-
mindest angekündigt.
Platz für weniger Tiere», wie
der Slogan des Tierparks
Dählhölzli in Bern lautet,
gilt dabei generell als anzustrebende De-
vise. Tatsächlich geht die Tendenz Rich-
tung grosszügigerer und tiergerechterer
Anlagen. Ein wichtiges Beispiel ist dafür
der neue Bärenpark in Bern, der die miss-
lichen Verhältnisse des völlig veralteten
Bärengrabens endlich beseitigt hat.
Die Bärenhaltung des Tierparks
Goldau, welche im letzten Zoobericht
noch reichlich Anlass zu Kritik bot, ist
jetzt ebenfalls einer zwei Hektar gros-
sen Gemeinschaftsanlage von Bären und
Wölfen gewichen. Auf kluge Weise nutz-
ten die Betreiber dabei einen Teil dieser
einmaligen Naturlandschaft im Berg-
sturzgebiet. So ist ein Gehege entstanden,
das den beiden Tierarten ein weitgehend
artgemässes Leben ermöglicht.
Chance vergebenUmso bedauerlicher sind dann Beispiele
wie der Toni’s Zoo in Rothenburg: Da wur-
den zwar neue Gehege für die Raubkatzen
und die Waschbären errichtet. Doch sind
diese viel zu klein und es fehlt an Struk-
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Erneut hat der STS 24 Zoos und Tierparks der Schweiz begut-achtet. Seit dem letzten Zoobericht hat sich einiges verbes-sert. Doch bleibt die Haltung von grossen Wildtieren proble-matisch.
Zoobericht zeigt Wirkung
Der vollständige Zoobericht ist im Internet zum Herunterladen erhältlich unter www.tierschutz.com/zooberichtDie Broschüre «Informationen zur artgerechten Haltung von Wildtieren» kann bei der STS-Geschäftsstelle bestellt werden.
Zoo Bad Ragaz: VerbetoniertesTigergehege ohne jeglicheRückzugsmöglichkeit. Die erhöhteLiegestelle wird fälschlicherweiseals Futterplatz verwendet.
Bärenpark Bern: Den Braunbärensteht neu eine grosszügige Anlageam Hang der Aare zur Verfügung.Die Zeiten der unwürdigen Haltungim Bärengraben sind endgültig vorbei.
Wildpark Peter und Paul St. Gallen:Die scheuen Luchse können einGehege im Wald nutzen, das zumHerumstreifen und zur Futtersuchegut geeignet ist.
TIERREPORT 3/2010 15
turen für eine auch nur annähernd art-
gemässe Haltung. Offenbar wurden beim
Bau dieser Anlagen keine Wildtierexper-
ten beigezogen, vermutet Schlup. Dabei
wäre der STS auf Anfrage bereit gewesen,
mit Rat und Fachkompetenz zu helfen.
Grosse Wildtiere ungeeignet für ZoosProblematisch bleibt die Haltung von
Grossraubkatzen, Menschenaffen und Ele-
fanten. Ihnen können in Gefangenschaft
kaum Bedingungen geschaffen werden,
die ihren Anforderungen entsprechen.
Hauptgrund ist der enorme Platzbedarf
dieser Wildtiere.
Immerhin steht nun im Zoo Basel ein
massiv vergrössertes Aussengehege für die
Menschenaffen im Bau. Die bestehende
Anlage entsprach längst nicht mehr den
neuesten Erkenntnissen für diese Tiere.
Schade ist, dass sich die Verantwortlichen
nicht zur Haltung einer einzigen Prima-
tenart durchringen wollen – die restlichen
Affen hätten so vom grösseren Platzange-
bot noch mehr profitieren können. Auch
im Zoo Zürich tut sich etwas: In den kom-
menden Jahren ist die Realisierung eines
10 000 Quadratmeter grossen Elefanten-
parks geplant.
Tierbestand reduzierenDoch derartige Prestigeprojekte sind äus-
serst aufwendig und kosten Millionen von
Franken. Kleineren Tierparks fehlt meist
das Geld für grössere Investitionen. Der
STS rät diesen, sich auf einfacher zu hal-
tende Tierarten zu beschränken und die-
sen dafür grössere und artgemässere Ge-
hege zu bieten.
So hat der Kin-
derzoo des Circus
Knie in Rappers-
wil nach dem Tod
des alten Nashornbullen die Elefantenan-
lage vergrössert. Die kritisierte Luchshal-
tung hat der Zoo La Garenne in Le Vaud
inzwischen aufgegeben. Tiere wie Del-
fine sollten überhaupt nicht in Gefangen-
schaft gehalten werden, da ihrem grossen
Bewegungsbedürfnis niemals auch nur
annähernd entsprochen werden kann.
Schwachpunkt TierhaltungsvorschriftenOffenbar konnten sich die Interessenver-
treter der Zoos auch bei der neuen Tier-
schutzverordnung durchsetzen. Denn für
viele Zootiere gelten nach wie vor diesel-
ben Mindestnormen für die Gehege wie
schon in der alten Tierschutzverordnung.
So sind beispielsweise für Löwen oder Ti-
ger nur 110 Quadratmeter pro Tier vor-
gesehen. Auf einer Fläche von bloss 500
Quadratmetern dürfen gar drei Elefanten
gehalten werden. Das sind nach Ansicht
des STS völlig ungenügende Gehegegrös-
sen, die nicht als tiergerecht bezeichnet
werden können.
Nur wenn neue Anlagen gebaut oder
bestehende umgebaut werden, müssen sie
neuen Erkenntnissen angepasst werden.
Der STS erwartet von der kommenden
Amtsverordnung Wildtiere vom Bundes-
amt für Veterinärwesen (BVET) eine klare
Verbesserung für die Zootiere.
Besucherinnen und Besucher von
Zoos sollen die Haltung der Wildtiere kri-
tisch betrachten und allfällige Missstände
melden. Zoos mit überwiegend schlechten
Tierhaltungen empfiehlt der STS zu mei-
den. Matthias Brunner
Mit dieser Recherche über die Zoos verabschiedet sich Peter Schlup vom TIERREPORT. Er stellt sich einer neuen beruflichen Herausforderung. Während 12 Jahren leitete der diplomierte Zoolo-ge die Fachstelle für Wildtiere des STS.Mit seinen profunden Kenntnissen über Wildtiere leistete er wichtige Beiträge beiStellungnahmen des STS zu Gesetzes-vorhaben. Recherchen wie der Zirkusbe-richt machten ihn immer wieder auch zueinem gefragten Ansprechpartner für die Medien.
Die Redaktion wünscht Peter Schlup alles Gute für seine Zukunft und dankt ihm für sein Engagement.
Merci Peter
Tierpark Goldau: Die Gemein-schaftsanlage von Bären und Wölfenist ein Beispiel für eine wegweisendeTierhaltung, bei der die Bedürfnisseder Tiere im Mittelpunkt stehen.
Toni’s Zoo Rothenburg: Die Wasch-bären haben zwar ein neues Gehegeerhalten, dieses bietet aber den neu-gierigen Tieren wenig Abwechslung.
Schweine begleiten Menschen als Haustiere schon seit Jahrtausenden. Weniger bekannt ist, dass rund um den Globus auch zahlreiche wild lebende Arten dieser anpas-sungsfähigen und intelligenten Tiere existieren.
Schweine haben viele Gesichter
TIERREPORT 3/2010
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Das Verhältnis der Menschen zu den
Schweinen ist von zahlreichen Widersprü-
chen geprägt: Einmal wird das Schwein –
völlig zu Unrecht – als dreckig bezeich-
net oder für beleidigende Schimpfwörter
gebraucht. Dann wiederum soll das Bors-
tentier beispielsweise einem Hochzeitspaar
Glück bringen.
Tatsache bleibt, dass Mensch und
Schwein seit Urzeiten vieles verbindet.
Nach neuesten Untersuchungen wurden in
China schon vor 10 000 Jahren Schweine
gezüchtet. Die Rüsselträger sind äusserst
anpassungsfähig und deshalb fast rund um
den Globus verbreitet. Auf den Marshall-
inseln von Mikronesien suchen die Haus-
schweine sogar im seichten Meer der La-
gune nach Fressbarem.
Wildschwein als Urahne aller HausschweineDie verschiedenen domestizierten Schwei-
nearten stammen ursprünglich von den
Wildschweinen ab. Nachdem diese zuvor
in der Schweiz ausgerottet worden waren,
sind sie seit einigen Jahren auch hierzu-
lande wieder heimisch geworden.
Dank ihres feinen Geruchssinnes spü-
ren sie mit ihrem Rüssel ihre Nahrung auf
und wühlen dazu auch im Boden. Wild-
schweine leben in Gruppen von höchstens
zwanzig Tieren zusammen, einer soge-
nannten Rotte, die jeweils von einer Leit-
bache (Weibchen) angeführt wird.
Nebst dem bei uns bekannten Wild-
schwein existieren noch weitere Wildfor-
men von Schweinen.
PinselohrschweinVon den anderen Arten unterscheidet sich
am deutlichsten das Pinselohrschwein, das
auch als Flussschwein bezeichnet wird. Es
fällt durch seine ausgeprägte Fellzeich-
nung auf. Von der rötlich braunen Grund-
färbung hebt sich ein weisser Aalstrich ab,
Wildschwein: Frischlinge mit den typischen Längsstreifen, welche sie bis ins Alter von ca. vier Monaten tragen.
TIERREPORT 3/2010
18
Warzenschwein: Die äusserst wehrhaften Tiere sind tagaktiv und Allesfresser. Die Jungen verlassen die Mutter im Alter von 15 Monaten.
der über den Rücken verläuft. Das Gesicht
ist schwarz gefärbt, doch befinden sich um
die Augen weisse Ringe, wie auch der Rüs-
sel weiss ist. Typisch sind ebenso die Bü-
schel an den blätterförmigen Ohren sowie
ein langer Backenbart. Pinselohrschweine
kommen in ganz Zentral- und Westafrika
vor. Ihre nächsten Verwandten sind die
Buschschweine.
WarzenschweinEbenfalls auf dem afrikanischen Konti-
nent beheimatet ist das Warzenschwein.
in den unzugänglichen tropischen Regen-
wäldern Afrikas um den Äquator das Rie-
senwaldschwein. Die Bezeichnung mit
«riesig» ist gerechtfertigt: Ein ausgewach-
senes Tier kann bis zu 275 Kilogramm
wiegen. Diese Kolosse graben nicht wie
andere Schweine mit ihrem Rüssel nach
Nahrung, sondern fressen vor allem wei-
che Süssgräser, Kräuter und junge Triebe
ausgewählter Büsche.
PustelschweinEbenfalls im Regenwald leben die Pustel-
schweine, von denen fünf verschiedene
Arten bekannt sind. Alle kommen in Süd-
Pinselohrschwein: Die nachtaktiven Tiere können schnell laufen und gut schwimmen.
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GN
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Die Schweineartigen (Suina) umfassen
zwei Familien: Dazu gehören die altwelt-
lichen Echten Schweine (Suidae) sowie
jene der neuweltlichen Pekaris (Tayas-
suidae), welche auch als Nabelschweine
bezeichnet werden. Insgesamt sind rund
20 wilde Arten von Schweinen bekannt.
Die Wildschweine (Sus scrofa), die
bei uns vorkommen, zählen zu den alt-
weltlichen Schweinen.
Zoologischer Steckbrief
Seinen Namen trägt es wegen dreier Paare
aus knorpeligem Bindegewebe bestehender
Gesichtswarzen, die bis zu zwölf Zentime-
ter lang werden können.
Mit ihren mächtigen, geringelten Hau-
ern (den Eckzähnen) sehen Warzenschweine
nicht bloss furchteinflössend aus, sie setzen
sie auch effizient als gefährliche Waffe zur
Verteidigung oder bei Revierkämpfen ein.
Selbst Leoparden, Hyänen und sogar Lö-
wen haben davor Respekt. Wird ein War-
zenschwein von einem Fressfeind verfolgt,
greift das wendige, schnelle Tier zu einer
geschickten Taktik: Bevor es sich in seinen
Bau verkriecht, dreht es sich im letzten Mo-
ment blitzschnell um und zieht sich rück-
wärts zurück.
Anders als die meisten seiner Verwand-
ten ist das Warzenschwein tagaktiv. Die
Nacht verbringt es mit den Familienmit-
gliedern in Erdhöhlen, welche zuvor Erd-
ferkel gegraben haben. Obwohl auch War-
zenschweine Allesfresser sind, ernähren sie
sich doch hauptsächlich von Gräsern aller
Art. Zum Grasen «knien» sie dabei auf ihre
Handgelenke nieder und bewegen sich auf
diese Weise langsam vorwärts.
RiesenwaldschweinErst 1904 entdeckte der britische Offizier
und Naturforscher Richard Meinertzhagen
TIERREPORT 3/2010
EAN
-MIC
BEL
LABA
T/SU
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Hirscheber: Die oberen Hauer durchbrechen die Rüsseldecke und werden bis zu 30 cm lang.
Pustelschwein: Das Visayas-Pustelschwein (Sus cebifrons) steht auf der Roten Liste.
Pekari: Jungtier im Amazonasurwald. Riesenwaldschwein: Sie leben in Rotten aus mehreren Generationen in Mittel- und Westafrika.
OLD
RICH
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ZGAPostasien vor, insbesondere auf den Philip-
pinen und in Indonesien. Ähnlich wie die
Warzenschweine besitzen sie drei Paare
von warzen- oder pustelartigen Hautwöl-
bungen im Gesicht. Akut vom Aussterben
bedroht ist das Visayas-Pustelschwein.
HirscheberAls Hirscheber oder Babirusas (aus der
Zusammensetzung der Wörter «Hirsch»
und «Schwein» auf Indonesisch) wird eine
Schweinegattung bezeichnet, die aus-
schliesslich auf der indonesischen Insel
Sulawesi sowie deren vorgelagerten In-
seln vorkommt.
Hirscheber verfügen über eine ausser-
gewöhnliche Eigenschaft: Ihre mächtigen
Eckzähne wachsen durch die Rüsseldecke.
Das Erstaunliche dabei ist, dass die durch-
stossene Haut sich nicht entzündet.
PekariIn der Sprache der brasilianischen Tupi-
Indianer bedeutet Pekari so viel wie «Tier,
das viele Wege durch den Wald macht».
Im deutschen Sprachgebrauch werden sie
auch Nabelschweine genannt. Der Name
ist auf eine grosse Drüse am Bauch zu-
rückführen. Damit können die Tiere ein
intensiv riechendes, moschusartiges Se-
kret absondern. Matthias Brunner
TIERREPORT 3/2010
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A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T +
TIERREPORT 3/201020
U S A I
Skandalöser Tierversuch
KEYS
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SPRE
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CKR
Regelmässiges Komasaufen in der Ju-
gend könnte dem Hippocampus schaden,
einer wichtigen Struktur des Grosshirns.
Das legt eine Studie an Affen nahe, die
im Fachblatt «PNAS» (Proceedings of the
National Academy of Science) erschien.
Amerikanische Forscher untersuchten
die Hirne von Affen, die immer wieder
grosse Mengen Alkohol zu trinken be-
kamen.
Dabei entdeckten die Wissenschaft-
ler mehrere Veränderungen in der Struk-
tur des Hippocampus. Dort war die Bil-
dung von neuronalen Stammzellen, also
Zellen, die sich später zu Nervenzellen
entwickeln, deutlich vermindert. Die Ver-
änderungen seien besonders erstaunlich,
weil sie auch nach einer zweimonatigen
Entzugsphase der Affen noch deutlich er-
kennbar waren, betonen die Forscher.
U S A I I
Deklaration für Pelzartikel
Das amerikanische Repräsentantenhaus
verabschiedete eine Gesetzesvorlage, die
Kleiderfirmen eine detaillierte Deklaration
von Pelzartikeln und Faux Fur vorschrei-
ben wird, die einen Mindestwert von 150
Dollar aufweisen. Die Vorlage muss nun
noch vor den Senat, bevor sie von Präsi-
dent Obama unterzeichnet werden kann.
Die Modeketten Blueberry, Cucci,
Macy und Bloomingdale möchten sogar
einen Schritt weitergehen und für alle
Pelzartikel, ob Echt- oder Kunstpelz, diese
Deklaration einführen.
F R A N K R E I C H I
Lagerfeld präsentiert Kunstpelzkollektion
Der Creative Director der
Modezeitschrift «Elle» ap-
plaudiert für einmal einer
Kunstpelzkollektion. Karl
Lagerfelds Chanel-Mo-
deschau sei inspirierend.
Erst habe er einen Eisberg
aus Schweden zum Pari-
ser Grand Palais einfliegen lassen, im
Gottvertrauen darauf, dass das Eis nicht
auf die erste Reihe seiner prominenten
Gäste schmelze (nein, Modeschöpfer
seien nicht verrückt).
Als Zweites habe er in-
mitten dieser verrückten
Szenerie eine ganze Kollek-
tion wertvoller Pelzkleider
gezeigt:
Pelze für Frauen, Pelze
für Männer. Pelzmäntel,
Pelzbordüren, Pelzstiefel.
Und dies alles mit einem Karl-Haken:
Alles war Faux Fur, Kunstpelz. «Bravo
für dieses politische Statement», lobt der
«Elle»-Redaktor. Es sei okay, ja sei nach-
gerade chic, zu fälschen, jubelt «Elle».
Rund 270 Tonnen illegales Buschfleisch
gelangen jährlich über die grossen Flug-
häfen nach Europa. Eine Kontrolle, die am
Pariser Charles-de-Gaulle-Airport durch-
geführt wurde, hatte zur Beschlagnah-
mung von rund 190 Kilogramm illegalem
Fleisch aus verschiedenen afrikanischen
Ländern geführt.
Neben der Gefahr des Imports von
Krankheiten für Mensch und Tier betrifft
der illegale Fleischhandel auch den Ar-
tenschutz. Als «Bushmeat» wird das Wild-
fleisch von Tieren aus dem Urwald und
den Savannen in Afrika bezeichnet. Die
beschlagnahmten Fleischproben stamm-
ten von insgesamt elf verschiedenen
Tierarten, darunter vier geschützte Arten.
Die Fleischstücke stammten unter ande-
rem von zwei Primatenarten, zwei Kroko-
dilarten und drei verschiedenen Nagetier-
arten.
F R A N K R E I C H I I
Illegales Buschfleisch in
Europa weit-verbreitet
+ + A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T + + + A U S A L L E R W E L T
TIERREPORT 3/2010 21
D E U T S C H L A N D
3-D-Hologramme von TierenIn Berlin steht der einzige Hochleistungs-
computertomograf, in dem auch Wildtiere
gescannt werden. Das Leibniz-Institut für
Zoo- und Wildtierforschung in Berlin hat
grosse Pläne. In den nächsten drei Jah-
ren will der Fachgruppenleiter Thomas
Hildebrandt eine Ausstellung konzipieren,
die Gunther von Hagens «Körperwelten»
plump aussehen lässt.
Statt Tiere zu plastinieren und nur be-
grenzte Einblicke in deren Anatomie zu
geben, schwebt Hildebrandt eine Ausstel-
lung mit hochauflösenden, dreidimensio-
nalen Hologrammen vor. Wildtiere sollen
damit «begehbar» werden und der Besucher
so durch Haut, Muskeln und Knorpel bis zu
den Knochen von Warzenschweinen, Leo-
parden oder Elefanten vordringen.
Dass so ein CT für Zoo- und Wildtiere
verfügbar ist, ist weltweit einzigartig. Als
im Münchner Tierpark das Elefantenbaby
Jamuna Toni wegen einer Knochenkrank-
heit eingeschläfert werden musste, brach-
ten es seine Pfleger nach Berlin, um zu ei-
ner Diagnose zu kommen. Die Bilder wer-
den derzeit ausgewertet.
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Matt Damon als Zoodirektor vor der Kamera
Hollywoodstar Matt Damon könnte sich
bald mit exotischen Tieren umgeben. Wie
das US-Filmblatt «Hollywood Reporter»
berichtet, verhandelt er um die Hauptrolle
eines Zoodirektors in «We Bought a Zoo»
unter der Regie von Cameron Crowe. Es
ist die wahre Geschichte des Engländers
Benjamin Mee, der sein ganzes Geld in
den Kauf eines baufälligen Zoos steckte,
um Hunderte von Tieren zu retten.
H O L L A N D
Australien verklagt Japan wegen Walfang
Der Streit um die Jagd auf Meeressäu-
ger eskaliert: Nun soll der Internationale
Gerichtshof in Den Haag entscheiden, ob
der von Japan praktizierte Walfang un-
zulässig ist. Australien hat das Gericht
angerufen, worauf Japan mit Unver-
ständnis reagierte. Das Einreichen der
Klage sei «äusserst bedauerlich», sagte
ein Regierungssprecher in Tokio. Das
Tribunal soll höchstrichterlich feststel-
len, ob die von Japan geduldete Jagd auf
die Meeressäuger unzulässig ist.
Offiziell erlaubt die japanische Regie-
rung das Walfangen zu «wissenschaftli-
chen Zwecken». Doch das Fleisch der Tiere
landet immer wieder in Feinschmecker-
restaurants des asiatischen Landes. In der
australischen Klage werden die Fangquo-
ten seit Beginn des Moratoriums 1986 ge-
nauestens aufgeführt. In dieser Überein-
kunft gibt es eine Ausnahmeklausel. Ge-
nau diese erlaubt den Walfang zu wissen-
schaftlichen Zwecken.
Mit Verweis auf diese Klausel erleg-
ten Japans Walfänger den Angaben zu-
folge zwischen 1987 und 2005 allein in
der Antarktis 6800 Minkwale. In den 31
Jahren vor Inkrafttreten des Morato-
riums seien dagegen weltweit nur 840
Minkwale getötet worden, argumentiert
Australien. Es gebe zudem klare Beweise,
«dass das Fleisch der Tiere auf den La-
dentheken landet».
Pharmaunternehmen verkünden eine
Tierschutz-Charta
PATR
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SSE
TIERREPORT 3/2010 23
zur Anwendung höchster Standards ver-
pflichtet» und sie es als Teil ihrer Verant-
wortung sehe, die «zehn Gebote» in den
festgeschriebenen Grundsätzen ernst zu
nehmen sowie dafür zu sorgen, dass diese
«weltweit in unserem Einflussbereich Gül-
tigkeit haben».
Schweizer Tierschutzgesetzals StandardAls «höchster Standard» sollen dabei die
gesetzlichen Vorgaben der Schweizer Tier-
schutzgesetzgebung gelten – welche al-
lerdings im Bereich der Haltung von Ver-
suchstieren völlig ungenügend sind. Der
STS hat schon im Vernehmlassungsver-
fahren zum neuen Tierschutzgesetz kriti-
siert, dass für Labortiere nicht die gleichen
Massstäbe wie bei den Heimtieren gelten.
Eine Maus oder ein Kaninchen haben aber
immer die gleichen Ansprüche.
Die Pharmaindustrie verlangt
sowohl von ihren ausländischen
Partnerfirmen als auch von jenen
Unternehmen, die in ihrem Auf-ff
trag Tiere halten oder für sie Tier-
versuche durchführen, diese glei-
chen «höchsten Standards» einzu-
halten.
3R-PrinzipDie «zehn Gebote» sollen in ers-
ter Linie die Tierschutzprinzipien
gemäss 3R (reduce, refine, replace) besser
implementieren und damit den steigenden
Tierverbrauch in den Laboren drosseln. So
sollen Tierexperimente wo immer möglich
systematisch vermieden, reduziert oder
optimiert werden. Die Belastung der La-
bortiere soll vor, während und nach dem
Einsatz auf ein Minimum beschränkt wer-
den können. Ausserdem sollen die Ent-
wicklung und der Einsatz von Methoden
und Techniken, um Tierversuche zu erset-
zen, aktiv gefördert werden.
Bei der Durchsetzung der Zehn-
Punkte-Charta setzt Interpharma auf Wei-
terbildung und Schulung aller ihrer Mitar-
beitenden (weltweit sind in den genann-
ten Unternehmen mehr als 200 000 Mitar-
beitende tätig) und Partner sowie auf ein
internes Auditingsystem, welches die Ein-
haltung der vereinbarten Standards zum
Tierschutz sicherstellen soll.
Verschiedene MentalitätenDas hört sich nun – wenn es denn kein
blosses Lippenbekenntnis ist – wirklich
gut an. Der STS begrüsst die Bestrebun-
gen von Interpharma, den Tierschutz für
Labortiere weltweit verbessern zu wollen.
Denn tatsächlich existiert ein enormes Ge-
fälle innerhalb der verschiedenen Länder
und Kontinente, vor allem was die Hal-
tebedingungen und den Umgang mit den
Labortieren betrifft.
Die USA haben in der Regel kleinere
Käfig- und Gehegegrössen, vor allem für
grössere Versuchstiere wie Primaten oder
Hunde. Ausserdem fehlen entsprechende
Tierschutzbestimmungen für Mäuse und
Ratten, deren Anteil bei ca. 80% aller
Versuchstiere liegt. Sie gelten in Übersee
als keine «schützenswerten» Tiere und fal-
len deshalb nicht unter die amerikanische
Tierschutzgesetzgebung. Studien belegen
auch, dass der Umgang mit den Laborna-
gern in den Vereinigten Staaten entspre-
chend schlecht ist und sich das Pflegeper-
sonal oftmals vor den Tieren ekelt.
Asien schneidet in allen Tierschutz-
standards sehr schlecht ab. Vielfach ist
dies kulturell begründet – immerhin
ist der Hund dort noch weitverbreiteter
Fleischlieferant und das körperwarme Af-ff
fenhirn, frisch aus dem Schädel gesägt,
eine absolute Delikatesse. Mäuse und Rat-
ten werden flächendeckend als Schädlinge
bekämpft.
Von einem «tiergerechten Umgang»,
wie wir ihn kennen und verstehen, kann
in den meisten asiatischen Ländern wohl
weder bei den kleinen noch bei den gros-
sen Versuchstieren die Rede sein.
Tierversuche werden ausgelagertZwar ist es nun auf der einen Seite schon
ein Fortschritt, dass die erfolgreichen
Pharmafirmen sich offensichtlich bemü-
hen, für ihre Auftragsforschung weltweit
höhere Standards einzuführen. Denn al-
lein dadurch ergeben sich bereits Dialoge
mit der Gesellschaft und den Tierschutz-
vertretern sowie weitere Verbesserungen
im Tierversuchsbereich.
Aber andererseits bereiten uns gerade
diese Firmen «sachte» darauf vor, den
Forschungsstandort Schweiz zu verdün-
nen und externe Auftragslabore mit der
Forschung an Tieren, insbesondere an Pri-
maten und Hunden, besser zu be-
stücken.
Die Mitgliedsfirmen von In-
terpharma wissen spätestens seit
dem Sommer 2009 sehr wohl,
dass sie unter Beobachtung ste-
hen und ihre Forschungstätigkei-
ten, vor allem an grösseren Ver-
suchstieren, genau unter die Lupe
genommen werden. Bei Missstän-
den müssen die Unternehmen öf-ff
fentliche Kritik einstecken.
Nur ein geschickterSchachzug?So war der Zeitpunkt der Veröffentli-
chung der Zehn-Punkte-Charta im Juni
diesen Jahres durch Interpharma denn
auch wohldurchdacht: In Malaysia wurde
zeitgleich ein riesiges Forschungslabor er-
öffnet, welches vor allem Forschungsauf-ff
träge an Primaten und Hunden entgegen-
nehmen wird.
Inwieweit Interpharma und ihre ange-
gliederten Pharmaproduzenten auch den
siebten Punkt umsetzen werden und un-
abhängige Stellen damit beauftragen, die
Einhaltung der Zehn-Punkte-Charta zu
prüfen, muss die Zukunft zeigen.
Julika Fitzi
STS-Fachstelle für Tierversuche
Fixierte Kaninchen: Vergebliches Warten auf das 3R-Prinzip?
NEU! NewsTicker Tierversuche: www.tierschutz.com/tierversuche
TIERREPORT 3/201024
Aus dem Schatten taucht die schlanke
Gestalt des Nerzes im Mondlicht auf.
Das Tier sprintet zum Rand des Flusses,
klettert auf einen Baumstamm im Was-
ser, starrt in das Nass und springt plötz-
lich hinein. Bald darauf taucht das zierli-
che Raubtier mit einem sieben Zentimeter
langen Fisch zwischen den Zähnen wie-
der auf und verschwindet in der Dunkel-
heit. Da zerstört plötzlich ein metallisches
Klirren die nächtliche Idylle. Mit unheim-
licher Wucht bohrt sich der Eisenbügel ins
Fleisch des ahnungslosen Wildtieres.
Am nächsten Tag holt der Fallensteller
seine Beute ab. Der Nerz hat sich in völ-
liger Todesangst das eingeklemmte Bein
schon fast abgenagt, um sich aus der Falle
zu befreien. Mit einem Genickbruch been-
det der Trapper das Leiden des Tieres. Er
entfleischt seine Beute und kratzt das Fett
sorgfältig vom Fell. Anschliessend streckt
er den Balg und hängt ihn zum Trock-
nen auf.
Pelzauktionen in NordamerikaAls Nächstes gelangt der Pelz über ei-
nen Zwischenhändler, dem sogenannten
«Country Buyer», zur Auktion. Die wich-
tigsten Verkäufe finden im Februar statt.
Dann ist das Fellhaar am dichtesten. Die
angebotenen Felle werden zuerst nach
Farbe und Qualität in Lose von bis zu 250
Stück sortiert und anschliessend verstei-
gert.
Sotiris Vogiatzis ist einer dieser Ein-
käufer. Den 46-jährigen Pelzhändler aus
Griechenland trifft man regelmässig auf
den Februarauktionen Nordamerikas an.
Pelznäher in GriechenlandNächste Station: In den Bergen Griechen-
lands, verborgen zwischen Ziegenhirten-
dörfern, liegt die Hauptstadt des europäi-
schen Kürschnergewerbes. In fast sämtli-
chen Kellern der Stadt Kastoria rattern die
Maschinen und verketten die Pelze. Haus
um Haus hocken die Pelznäher hinter
umpfen Fensterscheiben in den Werk-
ätten und schuften mit stoischer Präzi-
on.
Den Rücken über ihre Nähmaschinen
krümmt, nähen sie die Pelzstückchen
u Fellbahnen zusammen. Was in
er Welt an Jacken, Mänteln und
ordüren aus Nerz, Nutria, Fuchs,
Marderhund und Ähnlichem pro-
duziert wird, stammt statistisch
gesehen in jedem zehnten Fall
aus den Kellerwerkstätten der
Stadt auf dem Balkan.
Pelzhändler Vogiatzis al-
lein kauft jährlich Felle in den
USA oder Kanada im Wert
von fünf Millionen Dollar,
die hier verarbeitet wer-
den. 99 Prozent der Pelz-
produktion aus Kastoria sind für
das Ausland bestimmt.
Warten auf den TodNächste Station: Die eisige Win-
terbise pfeift durch die Draht-
gitterkäfige einer Pelzfarm im
finnischen Österbotten. Eingesperrt in ei-
nem engen Drahtkäfig, auf dessen Boden
sich seine Pfötchen zerschinden, vegetiert
ein hellfarbiger Zuchtnerz wie Tausende
seiner Schicksalskollegen dem Tod ent-
gegen.
Nerze sind von Natur aus lebhafte
Einzelgänger, die ihre grossen Reviere
laufend, kletternd und schwimmend er-
kunden. In der finnischen Farm sind sie
auf Gedeih und Verderb zusammenge-
pfercht. Der Schlächter erscheint im Win-
ter, wenn das Fell am dichtesten ist. Mit
dicken Handschuhen geschützt, packt er
das in panischer Angst sich windende
Wildtier, reisst es aus dem Käfig und
steckt es Schnauze voran in die Öffnung
einer Gaskiste. Es zappelt kurz. Achtlos
wirft er anschliessend das tote Pelztier auf
die Abstellfläche.
Versteigerungim Norden EuropasWie die Felle der Pelzfarmen Kanadas, der
USA, von Norwegen, Holland oder Däne-
mark landet auch das Fell des finnischen
Die Verwandlung eines pelztragenden Tieres in eine Bordüre ist eine Reise durch vier Kontinente. Zum Schluss ist kaum mehrnachvollziehbar, woher und von welchem Tier der Pelz ursprüng-lich stammt.
Warten auf den Tod: Im engenDrahtkäfig, dessen Boden diePfötchen zerschindet, vegetiert dieser Zuchtnerz wie Tausendeseiner Schicksalsgenossendem Tod entgegen.
Die verschlungenen Wege von Pelzen
BILD
ER:K
EYST
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E
TIERREPORT 3/2010
Nerztiers aus der Zuchtfarm in einem der
grossen Auktionshäuser. Solche Häuser
befinden sich in Helsinki, Kopenhagen,
Oslo und St. Petersburg. Kaum verstei-
gert, reist ein Grossteil der Felle weiter
nach China.
Hochgiftige Chemikalien im EinsatzAls Erstes werden die aus Europa und
Nordamerika importierten Felle in China
zugerichtet, geschoren oder gefärbt. Etwa
140 Arbeitsschritte sind nötig, um das Fell
eines Tieres haltbar, weich und seidig so-
wie das Leder geschmeidig zu machen.
Bei der Gerbung und der darauf folgen-
den Verarbeitung der Pelze (Spalten, Fal-
zen, Färben, Pigmentieren etc.) werden bis
zu 100 – teilweise hochgiftige – Chemika-
lien eingesetzt.
UnmenschlicheArbeitsbedingungenIn China fehlen entsprechende Umwelt-
schutzgesetze und Verordnungen. Regel-
mässig kommt es dort daher zu Vergiftun-
gen der Arbeiter und der Gewässer. Aber
auch die fertigen Produkte können die
Gesundheit gefährden.
«Kaum eine Fabrik informiert ihre Ar-
beiter über mögliche Gesundheitsrisiken»,
sagt Zhang Zhiqiang, Anwalt und Arbei-
teraktivist in Beijing. Wer verunfallt oder
krank wird, bleibt meist ohne Entschädi-
gung und jegliche soziale Sicherung. Ihm
bleibt bloss die Hoffnung auf Unterstüt-
zung seiner Familie. Muckt einer auf, wird
er sofort abgestraft.
iazhuang, Haupt-
stadt der Provinz
Hebei, die Pro-
vinz Guangdong
und Yuyao in der
Provinz Zheji-
ang sind die Pelz-
boomzentren Chi-
nas. Die Lagerhal-
len quellen über
vor importierten
Fellen aus Europa.
n Yuyao allein wer-
den in den spärlich
eleuchteten Hallen
ährlich sechs Mil-
onen Nerzfelle für
ie in- und auslän-
sche Textilbran-
e zu Bordüren, Ka-
puzen oder Beiwerk
verarbeitet. Tausende schlecht bezahlte
Arbeiterinnen buckeln und schuften.
Billigware aus HongkongDie Verarbeitung und das Import-/Export-
geschäft sind zu 60 Prozent in Händen ei-
niger Textilhändler aus Hongkong. Dank
tiefer Lohnkosten und fehlender Um-
weltschutzgesetze können sie Felle bil-
liger verarbeiten als anderswo und Klei-
der nach Bestellung für die internationale
Kundschaft produzieren.
Kaum ein Label, das nicht die Vor-
teile des Billigproduktionslandes nutzt.
Hongkong ist der grösste Umschlagplatz
für den Import von Fellen und den Export
von Modeartikeln mit Pelzbesatz.
Ursprung der Pelze nicht rückverfolgbarLetzte Station: Das pelztragende Wildtier,
sei es Nerz, Fuchs, Marderhund oder Finn-
Racoon, hat sich in eine Pelzbordüre ver-
wandelt und wartet in einem Warenhaus
oder einer Boutique in der Schweiz auf
eine Käuferin oder einen Käufer. Sicher
ist, dass es eine erstaunliche Reise über
Kontinente hinter sich hat. Wie diese ge-
nau ausgesehen hat, lässt sich nicht mehr
nachvollziehen.
Die Rückverfolgung der für Verbrä-
mungen verwendeten Pelzstreifen zum
ursprünglichen Träger, dem Opfer der
Fallenjagd oder dem Insassen einer Pelz-
zuchtfarm, ist ein Ding der Unmöglich-
keit. Die Ursprungsbezeichnung, falls eine
solche überhaupt vorhanden ist, bezieht
sich fast immer auf den Herstellungsort
des Kleidungsstücks, jedoch kaum auf die
Herkunft des gehäuteten ursprünglichen
Pelzträgers. Mark Rissi
Endstation Warenhaus: Die Trä-gerinnen der Pelze tragen auf ihrenSchultern auch die Verantwor-tung für den grausamen Tod desursprünglichen Pelzträgers.
Lager des Grauens: Eine Ladung Nerzpelze im Kopenhagener Pelzzentrum steht für eine Auktionbereit. Käufer aus dreissig Län-dern haben sich angemeldet.
TIERREPORT 3/201026
Vor knapp zwei Jahren lancierte der STS
eine Auszeichnung und Plattform für echt-
pelzfreie Modehersteller und -geschäfte in
der Schweiz. Firmen, die sich schriftlich
verpflichten, auf den Verkauf von Echtpelz
zu verzichten, erhalten den STS-Kleber mit
der Aufschrift «hier wird kein tierpelz ver-
kauft». In Geschäften, die auf der Liste un-
ter www.tierschutz.com veröffentlicht sind,
oder solchen, die den Kleber an der Türe
angebracht haben, können Tierfreundin-
nen und Tierfreunde also mit gutem Ge-
wissen einkaufen.
Bislang haben sich 15 in der Schweiz
tätige Firmen zum Pelzverzicht verpflich-
tet. Die Liste wird laufend aktualisiert. Be-
deutend länger wäre allerdings die Liste der
Firmen, die sich nicht um den Tierschutz
kümmern und nach wie vor Kleider mit
Echtpelz verkaufen. Doch leider gibt es eine
solche Liste bislang nicht. Das will der STS
jetzt ändern. Und dazu brauchen wir Ihre
Mithilfe. Melden Sie uns Geschäfte, Ver-
sandkataloge und Modelabels, die Kleider
mit Echtpelz verkaufen (siehe nebenste-
henden Kasten). Der STS wird anhand Ih-
rer Meldung überprüfen, ob es sich bei der
angebotenen Ware tatsächlich um Echtpelz
handelt. Ist dies der Fall, wird der STS die
betreffende Firma zu einer Stellungnahme
auffordern und ihr Gelegenheit geben, den
Verkauf von Echtpelzkleidern einzustel-
len. Weigert sich die Firma, die Echtpelz-
produkte aus dem Sortiment zu nehmen,
wird sie vom STS auf eine schwarze Liste
gesetzt.
Wenn Tierfreundinnen und Tierfreunde
diese Läden und Labels in Zukunft meiden,
erhöht sich der Druck auf die Unternehmen,
ihre Geschäftspolitik zu verändern. Wohl-
verstanden: Der STS würde lieber die Liste
der pelzfreien Geschäfte verlängern. Doch
offenbar braucht es den Druck, um die tier-
quälerisch produzierten Pelzkleider aus den
Schweizer Läden zu verbannen. Und genau
das ist das Ziel der Fur Free Alliance, einer
Koalition von 35 führenden Tier- und Um-
weltschutzorganisationen. Der STS vertritt
die Schweiz in der Fur Free Alliance und
hat das internationale Fur-Free-Retailer-
Programm für die Schweiz entwickelt.
Schweizer Kleidermarkenund Läden, die keinenEchtpelz verkaufen
Laufend aktualisierte Liste und weitere In-
formationen unter www.tierschutz.com
Schluss
Auf unserer Homepage www.tierschutz.com finden Sie unter der Rubrik «pelzfrei» ein Formular, das Sie direkt online ausfüllen und absenden können.Sie können uns Ihre Meldung natürlich auch auf dem Postweg zustellen. Nötige Angaben:
Helfen Sie mit!
mit Echtpelzkleidern in Schweizer Geschäften!
Helfen Sie mit, Labels und Geschäfte mit Echtpelzprodukten aufzuspüren! So gehen Sie vor:
Gedankenlos:
TIERREPORT 3/2010 27
New York – Paris – Mailand: So sieht der
«Alltag» von Jasmin Brunner aus. Denn
die 23-jährige Aargauerin ist inzwischen
ein international gefragtes Model und jet-
tet um den halben Globus, um auf den
Laufstegen dieser Welt die neuesten Mo-
dekollektionen zu präsentieren oder für
Werbeaufnahmen in die Kameras der Fo-
tografen zu lächeln. Die ehrgeizige junge
blonde Frau ist eine der zwölf Kandidatin-
nen für die Miss-Schweiz-Wahl 2010.
Ein Herz für TiereDoch abseits dieser Glamourwelt mit
-
schauen im grellen Scheinwerferlicht, wo
sich die Schönen und Reichen bewegen,
zeigt sich Jasmin Brunner noch von ei-
ner ganz anderen, nachdenklicheren Seite.
Aufgewachsen im ländlichen knapp 1200
Seelen zählenden Dorf Walde war das na-
-
desbeinen an mit allerlei Tieren wie Kat-
damals sei bei ihr der Wunsch gewachsen,
sich einmal für den Tierschutz einzusetzen,
Klares Statement gegen PelzZum Tragen von Zuchtpelzen hat die junge
Frau eine klare Meinung: «Ich bin dage-
gen. Ich finde, Tiere sollten nicht leiden,
nur damit wir eine weiche, modische Pelz-
bordüre an der Kapuze tragen können.»
Jasmin hat sich über den STS infor-
miert und weiss deshalb Bescheid über
die schrecklichen Zustände in der Pelz-
-
Pelze, nur aus Profitgründen, muss ge-
stoppt werden. Ich finde es schade, dass
viele grosse Designer immer noch so viel
Pelz verwenden», ärgert sie sich.
Als positives Beispiel erwähnt das
Topmodel die Modeschöpferin Stella Mc-
gänzlich verzichtet. «Sie sollte ein Vorbild
für andere Designer sein. Der Verzicht auf
Pelz macht sie und ihre Mode in meinen
Augen viel schöner und reiner», schwärmt
Jasmin.
Für sie ist es deshalb selbstverständ-
lich, dass sie niemals einen Pelz für Mode-
aufnahmen oder auf dem Laufsteg tragen
würde. So hat sie es schon einmal konse-
quent abgelehnt, als jemand ihr einen Pelz
schenken wollte.
Engagement für TierschutzDie attraktive Aargauerin ist von sich aus
an den STS gelangt, um als Botschafterin
für den Tierschutz zu wirken. Unabhän-
gig davon, ob ihr nun am 25. September
bei der Entscheidung das Krönchen auf-ff
gesetzt wird oder nicht, will sie sich je-
denfalls für den Tierschutz und den STS
einsetzen.
Die Aargauer Miss-Schweiz-Kandidatin Jasmin Brunner zeigtsich konsequent: Sie würde keine Pelzmode auf dem Laufstegpräsentieren. Das 23-jährige internationale Model möchte sich als Botschafterin des STS für den Tierschutz engagieren.
«Tiere sollten nicht um der Mode willen leiden.»
TIERREPORT 3/201028
Erneut wurde ein unseriöser Welpenhandel aufgedeckt. Auch in diesem Fall stammten die Welpen aus Ungarn. Der STS kann nur davor warnen, Hunde über dubiose Inter-netangebote zu kaufen. Denn dahinter stecken oft skrupel-lose Händler.
Abends um 21.10 Uhr läutet das Pikett-
telefon des Tierschutzvereins Sirnach:
Eine Dame verlangt, dass man umge-
hend ihr elfwöchiges Hündchen abhole;
ihre Mutter leide unter Asthma und re-
agiere hochgradig allergisch auf den neu
gekauften Vierbeiner.
Später stellte sich heraus, dass die
Frau eines Morgens das Foto eines Welpen
namens Max über ein Internetinserat ent-
deckt hatte. Bereits wenige Stunden spä-
ter lieferte der Verkäufer «die Ware» frei
Haus gegen Barzahlung von 900 Franken
– ohne Quittung.
Leichtgläubiger Kauf per InternetElsbeth Tromp vom Tierschutzverein Sir-
nach schüttelt noch heute den Kopf über
so viel Unvorsichtigkeit: «Die Frau hatte
sich in die herzigen Aufnahmen im In-
ternet verliebt und gleich zum Telefon
Glück für Hundewelpe MaxPech für Hunderte
Leidensgenossen
ZVG
TIERREPORT 3/2010 29
gegriffen, ganz nach dem Prinzip, heute
hätte ich Lust auf einen Hund.» Die Dame
überlegte offenbar nicht, was es bedeu-
tet und welche Verantwortung es mit sich
bringt, wenn man einen jungen Hund er-
wirbt. Kam hinzu, dass der Hundehändler
ihr hoch und heilig versicherte, Mäxchen
sei stubenrein.
Die Enttäuschung folgte postwen-
dend: Klein Max pinkelte und markierte
in der guten Stube. Ein Anruf beim Händ-
ler am nächsten Tag blieb erfolglos. Der
Händler weigerte sich, das Geld zurück-
zuerstatten und Mäxchen umgehend zu-
rückzunehmen.
Falsche AngabenDass an dem Hundehandel etwas faul war,
bemerkte Elsbeth Tromp sofort. Laut Impf-
büchlein wurde Max gegen Tollwut ge-
impft. Die Impfung sei ein Jahr gültig. Der
Eintrag war mit Stempel und Unterschrift
eines ungarischen Tierarztes versehen.
Doch bei so einem jungen Welpen ist diese
Wirkungsdauer gar nicht möglich.
Die weiteren Seiten im Impfbuch waren
leer. Max hatte offensichtlich keine Grund-
immunisierung. Ein Blatt mit dem Parvo-
virose-Impfnachweis lag dem Impfbüch-
lein lose bei. Doch fehlt auf diesem Papier
Name und Chipnummer. Welches Tier ge-
impft wurde, ist also gar nicht identifizier-
bar. Vermutlich handelt es sich hier um ei-
nen vom ungarischen Tierarzt unterschrie-
benen Impfausweis auf Vorrat. Für Tromp
war deshalb klar: Max ist nicht geimpft.
Immer dieselbe MascheAngefangen hatte die Geschichte mit einer
Anzeige mit Schweizer Telefonnummer
auf diversen Internetplattformen. «Ganz
süss verspielte Westiewelpen suchen ein
neues Zuhause, zwei Mädchen und zwei
Jungs», unter diesem Titel wurden Max
und seine Geschwister angeboten. Ein un-
bedarfter Interessent geht wohl aufgrund
der Schweizer Kontaktadresse davon aus,
dass der angebotene Wurf tatsächlich aus
Schweizer Zucht stammt.
Die Spur führt zurück zu einem Zwi-
schenhändler in der Ostschweiz mit Be-
ziehungen in Ungarn. TIERREPORT kon-
frontierte Welpenhändler Chr. H. mit den
Ungereimtheiten im Impfausweis. Der
Zwischenhändler beharrte auf seiner Ver-
sion, die Welpen seien in Ungarn von ei-
nem Tierarzt untersucht, gechipt und ge-
impft worden. Sein Schwiegervater und
der Schwager in Ungarn züchteten Hunde
verschiedener Rassen.
Chr. H. behauptete, er habe im Auf-
trag seiner Verwandten bisher erst sechs
Welpen in die Schweiz gebracht und ver-
kauft. Ausfuhrbescheinigung und Zoopa-
piere dafür hat er keine vorzuweisen. Dazu
brauche er keine Importpapiere, alles sei
gesetzeskonform, meinte er unwirsch.
Das lukrative Geschäft der Hundemafia mit illegalem WelpenhandelErba, 13.5.2010: Im grenznahen Erba bei
Como beschlagnahmt der Corpo fores-
tale dello Stato in einer Razzia 104 Wel-
pen aus Ungarn. Die Welpen – es han-
delt sich um Labradore, Golden Retrie-
ver, Pinscher, West-Highland-Terrier und
Bernardiner – wurden viel zu früh von
den Muttertieren getrennt.
Der Zwischenhändler, ein 35-jähriger
Marokkaner aus Merone, lieferte nach ei-
genen Aussagen die Welpen jeweils wei-
ter an Kunden in Norditalien und in der
Südschweiz.
San Antonio, 15.12.2009: Zusammen
mit Kantonstierarzt Tullio Vanzetti be-
schlagnahmt die Tessiner Polizei 9 Chi-
huahuawelpen und 7 Perserkatzen. Die
Zwischenhändler hatten die Tiere ille-
gal aus Tschechien eingeführt und sie in
zwei Zimmern unter misslichen Verhält-
nissen eingesperrt. Insgesamt wurden 16
Hunde importiert, aber ein Teil der Liefe-
rung überlebte den Transport nicht oder
war bereits verkauft worden.
Die Kantonspolizei erstattete An-
zeige gegen zwei im Tessin wohnhafte
Personen wegen Tiermisshandlung und
Verstosses gegen die Einfuhrbestimmun-
gen. Bei den beschlagnahmten Chihu-
ahuas fehlte die Tollwutimpfung, was
die Hunde auch zu einer Gefahr für den
Menschen macht.
Einträglicher SchwarzmarkthandelDas Geschäft mit dem Welpenhandel
blüht. Die österreichische Regierung hielt
kürzlich auf eine parlamentarische An-
frage hin fest, dass durchschnittlich vier-
mal pro Woche zwischen 30 und 100 Hun-
dewelpen von slowakischen Tierzüchtern
zum Flughafen Wien verbracht und von
dort aus nach Spanien, einschliesslich
der Kanarischen Inseln, weitertranspor-
tiert werden.
Welpen aus dem Kofferraum: Unseriöse Händler bieten oft ungeimpfte und kranke Hunde an.
TIER
SCHU
TZBI
LDER
.DE
TIERREPORT 3/201030
Ausserdem wurden in den österreichi-
schen Bundesländern im Jahr 2008 insge-
samt 29 illegale Hundetransporte regist-
riert, vielfach mit Welpentransporten von
Ungarn nach Italien, aus Rumänien, von
der Slowakei nach Italien und Spanien.
Was in Spanien und anderen südlichen
Ländern nicht an Touristen verkauft wer-
den kann, gelangt als «Zweitware» über
Privatpersonen und Tierhilfeorganisatio-
nen zurück nach Österreich, Deutschland
und die Schweiz.
Bei einer Tagesstichprobe bei Google
auf Schweizer Internetseiten wurden un-
ter den Stichworten «Chihuahua, Welpen»
9590 Inserate geladen, 17 600 innert ei-
nes Monats. Ähnlich beim Mops: Zum
Suchbegriff «Mops, Welpen» erschienen
in einer Woche bei Google 625 Inserate
für Möpse auf Schweizer Seiten, 10 600
in einem Monat.
Die Welpen werden für 350 bis 550
Euro (500 bis 800 Franken) angeboten. In
den Erzeugerländern kosten die Tiere le-
diglich zwischen 30 und 50 Franken, in-
klusive Tierarztkosten – für die Hunde-
mafia ein lohnendes Ge-
schäft, verspricht doch
ein verkauftes Hunde-
baby einen satten Ge-
winn von 400 bis 700
Franken!
Spuren in OsteuropaIn der Regel stammen die Welpen aus
osteuropäischen Massenproduktionen
und wachsen dort unter den schlimms-
ten Bedingungen auf. Viel zu früh wer-
den sie von der Mutter getrennt. Völlig
verwurmt und schon stark geschwächt
werden die hilflosen Winzlinge in Sam-
meltransporten über Hunderte von Kilo-
metern durch ganz Europa zum Käufer
gekarrt.
Die sechs bis acht Wochen alten Wel-
pen sind in der Regel schlecht soziali-
siert. Die Käufer sehen sich dann auch
mit Verhaltensstörungen wie beispiels-
weise Angstbeissen und erhöhter Ag-
gressivität konfrontiert.
Behörden reagierenmit VerordnungSeit Langem fordert der STS ein Verbot
dieses Zwischenhandels mit Welpen. In
Bern reichte der STS darum diesen Früh-
ling eine Petition ein. Das Bundesamt für
Veterinärwesen hat dieser langjährigen
Forderung des STS jetzt stattgegeben und
eine neue Verordnung in die Vernehm-
lassung geschickt, die das Hausieren mit
Welpen verbieten will.
Doch wird damit dem Hundezwi-
schenhandel der Riegel geschoben? STS-
Präsident Heinz Lienhard hofft, dass man
so den undurchsichtigen Hundehandel
zumindest eindämmen kann. Es komme
nun ganz darauf an, wie die Behörden die
Verordnung umsetzten.
Glück für Hündchen MaxFür Klein Max gab es doch noch ein Happy
End. In nur drei Tagen fand der West-High-
land-Terrier ein neues Zuhause. «Eine Er-
folgsstory», sagt Elsbeth Tromp vom Sir-
nacher Tierschutzverein glücklich. Nach
einem kleinen Hinweis in der «Thurgauer
Zeitung» meldeten sich zahlreiche Interes-
senten, die den kleinen Max gerne adoptiert
hätten. Zuschlag erhielt ein Frührentner-
paar, das sich über den Familienzuwachs
freut und den herzigen Vierbeiner bereits
ins Herz geschlossen hat. Mark Rissi
Hundemafia stoppen: In seiner im Frühling eingereichten Petition fordert der STS ein Verbot des Zwischenhandels mit Welpen.
Kaufen Sie keinen Welpen unbesehen übers Internet. Man kann nie wissen, woher
diese Hunde kommen. Auch wenn eine Schweizer Telefonnummer angegeben wird, TT
heisst dies noch lange nichts. Wichtig ist, dass man beim Züchter einen Augenschein
nimmt und sich von seiner Seriosität überzeugt. Kaufen Sie keinen Welpen ohne Kauf-
vertrag und Quittung und nur bei seriösen Anbietern.
Warnung vor Internetkäufen
STS
n Anbietend nur b
31TIERREPORT 3/2010
kennt, zerlegt ihn in Merkmale und bil-
det damit ein Modell – zum Beispiel für
den Ruf «Melkverzug», erklärt der Wissen-
schaftler, der sich seit vielen Jahren mit
der computergestützten Erkennung von
Tierstimmen beschäftigt.
Mittels einer Software, die mit ähnli-
chen Methoden wie die Spracherkennung
bei Menschen funktioniert, hat Jahns aus
688 aufgenommenen Klangproben von
39 Kühen zehn Laute mit unterschiedli-
chen Bedeutungen herausgefiltert.
«Die Trefferquote des Systems ist
schon sehr hoch», berichtet Jahns. Hung-
rige und durstige Kühe wurden bei seinen
Tests zu 100 Prozent identifiziert, kranke,
hustende Tiere zu 93 Prozent und Tiere
mit übervollem Euter und Melkverzöge-
rung zu 74 Prozent. Brünstige Kühe wur-
den zu 88 Prozent erkannt. Das System sei
allerdings noch nicht praxisreif.
Muh ist nicht gleich MuhIm Tagesablauf sind Kühe nicht besonders
gesprächig. Sie äussern sich nur, wenn es
g g
genen, mal tiefer, mal höher intonierten
Muh kann ein geübtes Ohr die Bedeutung
erkennen und die so geäusserten Bedürf-ff
nisse verstehen. Erfahrene Tierhalter ken-
nen natürlich ihre Kühe, wissen aus lan-
ger Erfahrung, ob das Euter zwickt und
wann der Hunger oder Durst sich meldet.
Die Kühe sind deshalb so wortkarg,
weil sie als Beutetiere keine Schmerzlaute
kennen. Sonst würden sie im Verletzungs-
fall nur weitere Jäger anlocken. Auch ma-
chen sie lautmässig keinen Unterschied
zwischen Hunger und Durst.
Frühwarnsystemfür den Eisprung?Jahns möchte seine Muh-Software als
Frühwarnsystem den grossen Tierfabri-
ken anbieten, damit auch Nichtfachleute
in der Massentierhaltung die Brunst von
Kühen erkennen können. In diesen aus-
ländischen Grossbetrieben gehen die tie-
rischen Einzelbedürfnisse in der Masse
unter. Der Computer soll es richten, so
stellt es sich wenigstens der pensionierte
Professor vor. Heinz Lienhard
Der Bioakustiker Gerhard Jahns aus dem
deutschen Niedersachsen hat den Kü-
hen intensiv aufs Maul geschaut und ein
ganz besonderes Programm entwickelt:
Mit seiner Sprachsoftware kann er ent-
schlüsseln, welche Bedürfnisse Fiona,
Bella, Aurora, Mona und Emma auf der
Zunge liegen.
Eine Kuh macht Muh, viele Kühe ma-
chen Mühe – stimmt beides irgendwie.
Den pensionierten Agrarwissenschaft-
ler aus Braunschweig stellte diese Volks-
weisheit allerdings noch nicht zufrieden.
Wenn man nämlich wüsste, welche Töne
die Tiere genau von sich geben, könnte
man gezielt auf ihre Anliegen eingehen –
und sich so eine Menge Arbeit sparen.
Wörterbuch der KuhspracheJahns entwickelte deshalb ein Analyse-
programm für die Laute der Kühe. Um
sein Spracherkennungsprogramm zu ent-
wickeln, musste der Tontüftler erst einmal
eine Art Wörterbuch der Kuhsprache er-
stellen: «Man nimmt einen Ruf, den man
Macht die Kuh wirklich nur Muh?
TIERREPORT 4/200812
Wir suchen ein ZuhauseTierheime der STS-Sektionen suchen für diese Tiere ein neues, richtiges Zuhause.
TIERREPORT 3/201032
Ronja, zehnjährige Katzendame, kastriert. Brauche Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Bin eigensinnig und weiss mich zu wehren. Möchte als Einzelkatze zu katzenerfahrenen Menschen, die Geduld haben, bis ich mich an die neue Situation gewöhnt habe. Brau-che freien Auslauf in einem kinderlosen Haushalt.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64
Grisly, bin 11 Jahre alt, weiblich, kastriert, ruhig und verschmust. Möchte bei katzenerfahrenen, kinderlosen Leuten mit Auslauf ins Freie leben. Mit anderen Katzen verstehe ich mich nicht besonders.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64
Amy, einjährige Rottwei-lerdame, kastriert. Ich bin freundlich, verspielt, sensibel, lebhaft und anhänglich. Möchte zu Menschen, die viel Zeit für mich haben und mit mir liebevoll, aber konsequent umgehen.STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61
Rambo, fünfjähriger Retriever-mischling, männlich, kastriert. Bin sehr anhänglich und total
verschmust. Schätze lange Spaziergänge und möchte zu
Menschen mit Hundeerfahrung, die mich gerne viel mit dabei haben.
STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61
Charlie, bin ein sechs Jahre alter Labradorrüde. Ich bin gelehrig, arbeitseifrig und gehorsam und für mein Alter noch topfit. Ich wurde nur im Zwinger gehalten und möchte nun zu sportlichen, aktiven Leuten ohne Kinder und Katzen. Ich mag es, wenn ich beschäftigt werde, z.B. beim Hundesport.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64
Tina, ca. sechsjährige, kast-rierte Chihuahuadame. Sehr freundlich mit erwachsenen Menschen, mag auch andere kleine Hunde und Katzen. Mei-ne Vorbesitzerin hat mir nicht den nötigen Auslauf gewährt und mich öfters ins Katzenklo geschickt. Deshalb habe ich manchmal noch etwas Mühe mit der Sauberkeit. STS-Sektion Berner Tier-schutz, Tel. 031 926 64 64
Duran, menschenbezogener Ameri-can-Staffordshire-Terrier, männlich und kastriert, der seine Streichelein-heiten geniesst. Bin erst ein halbes Jahr alt und muss noch unbedingt in die Hundeschule. Möchte zu hundeer-fahrenen Menschen ab 25 Jahre ohne andere Hunde, Katzen oder Kinder.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64
Jerry, bin 3–4 Jahre alt, männlich, kastriert. Wünsche mir ein Zuhause mit Auslauf ohne andere Katzen bei Leuten, die mir viel Freiraum bieten und mich so akzeptieren, wie ich bin.STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61
aufgefunden
beschlagnahmt
heimatlos
beschlagnahmt
abgegeben
abgegeben
abgegeben
abgeschoben
heimatlos
Ratten, männlich und weiblich, verschiedene Altersgruppen, suchen liebevolle Plätze, wenn möglich ab drei Tieren.STS-Sektion Club der RattenfreundeClaudia Schenk, Tel. 079 624 23 20 oder [email protected]
heimatlos
Rico und Rita, wir sind halbjährige, kastrierte, zutrauliche Löwenköpf-chen-Kaninchen. Da wir sehr bewegungsfreudig sind, möchten in ein grosses, sicheres und anwechslungsreich gestaltetes Freigehege, das ganzjährig bewohnbar ist. STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61
Boby, sehr menschen-freundlicher kanadischer Schäferhund, elf Jahre alt, mag Hundedamen und fahre gern im Auto mit. Möchte zu Menschen, die viel Zeit für mich haben und mich gerne dabei haben.STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61
abgegeben
Redaktor und Moderator
Beat Berger stellt in der TV-Sendung
«tierisch» weitere heimatlose Tiere
vor: www.tierisch.tierschutz.com