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Tierreport 3/2010

Date post: 16-Mar-2016
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Tierreport - die Zeitschrift des Schweizer Tierschutz STS / Ausgabe 3/2010
32
TIER REPORT OFFIZIELLES ORGAN DES SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS CHF 5.– / EURO 4.– 3/2010 Tierschutz ist grenzenlos STS-Zoobericht: Verbesserungen in Sicht
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Page 1: Tierreport 3/2010

TIERREPORTO F F I Z I E L L E S O R G A N D E S S C H W E I Z E R T I E R S C H U T Z S T S

CHF 5.– / EURO 4.– 3/2010

Tierschutz istgrenzenlos

STS-Zoobericht:

Verbesserungen in

Sicht

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TIERREPORT 3/20102

4 Tierheime Die Tierheime der Sektionen des STS mussten letztes Jahr 24000 Tiere aufnehmen.

8 Der schwarze Tod Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verursacht ein Massensterben.

10 Aktuelles Schweiz Kurzmeldungen aus der Schweiz.

12 Mary Zwo Das Gorillamädchen lernt im Zoo Zürich das Familienleben der Gorillas kennen.

14 Zoobericht Seit dem letzten Bericht hat sich in vielen Zoos und Tierparks einiges verbessert.

16–19 Ferkel und Eber Rund um den Globus existieren viele wild lebende Schweinearten.

20 Aktuelles Welt Kurzmeldungen aus aller Welt.

22 Tierversuche Mit einer «Charta» wollen die Pharmaunternehmen ihr Image aufpolieren.

24 Route des Grauens Die verschlungenen Wege von Pelzen über vier Kontinente.

26 Pelzfreie Mode Immer mehr Kleidermarken verzichten auf Echtpelz in ihren Kollektionen.

27 Engagement Das Topmodel Jasmin Brunner würde keine Pelzmode präsentieren.

28 Hundemafia Der STS warnt vor dubiosen Internetangeboten.

31 Muh macht die Kuh Ein Forscher hat eine Art Wörterbuch der Kühe entwickelt.

32 Tiere suchen ... Ausgesetzte, verlassene Tiere suchen ein neues, richtiges Zuhause.

TIERREPORT (ehemals «Du+die Natur»)Offizielles Organ des Schweizer Tierschutz STS137. Jahrgang, Nr. 3, September 2010, erscheint viermal jährlichHerausgeber: Schweizer Tierschutz STSDornacherstrasse 101, 4008 BaselTelefon 061 365 99 99, Fax 061 365 99 90, [email protected]

Redaktor: Mark Rissi

Mitarbeiter dieser Nummer: Matthias Brunner, Julika Fitzi, Catherine Reber, Stefan TschoppTT

Gestaltung, Produktion: die zwei, Basel

Druck: Birkhäuser+GBC, Reinach

Abonnementspreise:Jahresabonnement (4 Ausgaben) CHF 12.80 inkl. MWStEinzelnummer CHF 5.–

Tierreport-Abonnentendienst:General-Wille-Strasse 144, 8706 MeilenTelefon 044 925 38 20, Fax 044 925 36 96, [email protected]

Abdruck nach Genehmigung durch die Redaktion mit Quellenangabe gestattet.

ISSN 1424-9537, Papier 100% Recycling

Besuchen Sie uns im Internet:

www.tierschutz.com oder www.tierreport.ch

Die Sektionen des Schweizer Tierschutz STS: Aargau · Appenzell · Basel-Stadt · Baselland · Bern Kanton · Bern Stadt · Biasca · Biel-Seeland · Ceresio/MendrisiottoEmmental · Frauenfeld · Fribourg · Frutigen · Glarus · Graubünden · Grenchen · Haut-Léman · Heiden · Horgen · Interlaken-Oberhasli · Jura/AJPAPP , · Jura/SoubeyKreuzlingen · La Chaux-de-Fonds · Liechtenstein · Linth · Locarno · Lugano · Luzern · Monthey · Neuchâtel · Nidwalden · Niedersimmental · Nyon · Oberaargau · ObersimmentalOberwallis · Obwalden · Olten · Rheintal · Romanshorn · Rorschach · St. Gallen Kanton · St. Gallen Stadt · Saanenland · Sargans-Werdenberg · Schaffhausen · SchwyzSirnach · Solothurn/Wasseramt · Steckborn · Thun · Toggenburg · Uri · Uster · Valais · Vaud · Winterthur · Zug · Fondation Neuchâteloise d’TT Accueil pour AnimauxGerenau-Stiftung für Tierschutz, Wädenswil · Stiftung Mensch+Tier, Basel-Stadt · AKUT Aktion Kirche und Tier · APS Auffangstation für Sittiche und Papa-geien · Club der Rattenfreunde · Le Refuge de Darwyn · Schweizer Wildstation Landshut · PRT Protection et Récupération des Tortues · VTT AVV Z Verein Aquarium Zürich

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TIERREPORT 3/2010

Page 3: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010 3

EDITORIAL

Labortiere waren immer die Verlierer, doch das soll nichtso bleiben. Uns bleibt der Weg der kleinen Schritte.

Wir haben uns vorerst drei Ziele gesteckt: Mit weiteren parlamentarischen Vorstössen wollen wir erreichen, dassder Schweizer Nationalfonds die Entwicklung von Alter-nativmethoden (die ohne Tierversuche auskommen) ver-mehrt mit unseren Steuergeldern unterstützt, dass dieTierversuche mit Schweregrad 3 in der Grundlagenfor-schung der Universitäten abgeschafft werden und dassdie Wirtschaft massiv bessere Haltebedingungen für dieLabortiere schafft. Es wird kein einfacher Weg sein, aber wir haben eine sehr gute Chance, diese drei Etappenzielein absehbarer Zeit zu erreichen. Und dann werden wir dieweiteren kleinen Schritte in Angriff nehmen.

Herzlich, Ihr

Heinz Lienhard, Präsident Schweizer Tierschutz STS

Es gibt wohl kaum einen Menschen mit normalen Emp-findungen, dem beim Gedanken an Tierversuche nichtunwohl wird. Und der Gedanke wird immer bedrückender,je mehr Einblick man in das Leben, Leiden und Sterbender Labortiere erhält. Verständlicherweise werden des-halb seit Jahrzehnten Forderungen aus Tierschutzkreisenlaut, die auf eine totale Abschaffung oder eine massive Reduktion der Tierversuche zielen. Doch die Idee einer modernen Welt ohne Tierversuche ist ein in unserer Zeitnicht erfüllbarer Wunschtraum. Der vielleicht wichtigste Grund für diese Erkenntnis ist die Tatsache, dass wir allenicht auf die neuesten Errungenschaften der medizini-schen Forschung verzichten wollen, wenn wir krank sind. Und dass gerade deshalb die grosse Mehrheit der Schwei-zer Bevölkerung in letzter Konsequenz nicht hinter radi-kalen Forderungen gegen Tierversuche steht.

Eine Volksinitiative des STS, welche eine massvolle Re-duktion der Tierversuche anstrebte, scheiterte 1983 dennauch an der Urne. Die seither im Parlament eingebrach-ten Vorstösse mit dem gleichen Ziel waren erfolglos und auch bei Gesetzesrevisionen wurden bis heute alle we-sentlichen Forderungen des Tierschutzes abgelehnt. Die

Der Weg der kleinen Schritte

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TIERREPORT 3/20104

Allein im letzten Jahr haben die Tierschutzvereine in der Schweiz rund 24 000 abgegebene Tiere in Tierheimen aufgenommen und betreut – vom Kanarienvogel über Katzen und Hunde bis zum Esel. Diese eindrückliche Zahl geht aus der neuesten Statistik hervor, die der STS erhoben hat. Die Sektionen leisten täglich harte Knochenarbeit im Einsatz für hilfsbedürftige Tiere.

Tierheime platzen aus allen Nähten

ISTO

CKPH

OTO

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TIERREPORT 3/2010 5

Es ist wie jedes Jahr: Kaum sind die Som-

merferien vorbei, sind die Tierheime der

Sektionen praktisch bis auf den letzten

Platz ausgelastet. So mancher Tierbesitzer

holt seinen Hund oder seine Katze nach

dem Urlaub einfach nicht mehr ab oder

hat das Tier bereits vorher abgeschoben.

Allein im letzten Jahr haben 57 Tier-

schutzvereine rund 24 000 Tiere aufge-

nommen, die entweder abgegeben, be-

schlagnahmt oder aufgefunden wurden.

Dies ergibt die aktuelle Auswertung des

STS unter seinen 69 regionalen und kan-

tonalen Sektionen sowie externen Tier-

schutzvereinen wie der PSA Genf und

dem Zürcher Tierschutz mit 4040 Hunden

(17%), 11400 Katzen (48%), 3000 Nagern

(12%) und 5410 anderen Tieren (23%) wie

Wildtieren, Fischen, Vögeln, Igeln oder

kleinen Nutztieren.

Immer mehr HeimtiereDie Zahl der aufgenommenen Tiere steigt

stetig an: Waren es 2007 noch 18800

Tiere, so zählte der STS 2008 bereits

21040 Tiere in den Tierheimen. Manche

Tierheime gelangen an ihre Kapazitäts-

grenzen, abgesehen von der starken zeit-

lichen Beanspruchung des Personals und

der grossen finanziellen Belastung.

Tierheime tragen enorme finanzielle BürdeTrotz viel geleisteter Gratisarbeit und dem

Einsatz von freiwilligen Helferinnen und

Helfern kostet der Aufenthalt eines Tie-

res im Tierheim rund zwanzig Franken am

Tag. Jährlich müssen so die Tierschutz-

vereine rund acht Millionen Franken aus

privaten Spenden dafür aufwenden, um

allein für die Unterbringungskosten die-

ser Tiere aufzukommen.

Denn die allermeisten Kantone und

Gemeinden sind nach wie vor nicht be-

reit, finanzielle Unterstützung zu leisten.

Dies, obwohl Tierschutz eine gesetzliche

Verpflichtung ist.

Tragische TierschicksaleDank des grossen Engagements der Tier-

schutzvereine gelingt es, dass jährlich

18 000 Tiere wieder einen neuen Platz fin-

den. Doch für etliche Hunde, Katzen und

andere Tiere bedeutet das Tierheim gleich-

zeitig die Endstation in ihrem Leben. Hin-

ter den nackten Zahlen verbergen sich un-

zählige Schicksale der Tiere, die oftmals

Schreckliches durchmachen mussten.

Dies belegen zahlreiche Beispiele aus

den Sektionen. So berichtet die Sektion

Biel-Seeland von einem Fall, wo zwei

Hunde zehn Tage lang sich selbst überlas-

sen wurden. Das eine Tier hatte ein gebro-

chenes Bein und musste notfallmässig im

Tierspital Bern operiert werden. Die Kos-

ten von 1400 Franken hat der Tierschutz-

verein übernommen, aber gleichzeitig An-

zeige gegen den Tierhalter erstattet.

Immer wieder treiben illegale Hunde-

händler ihr Unwesen. Nachdem die Walli-

ser Polizei einen solchen Kriminellen auf-

fliegen liess, entdeckten die Beamten ne-

ben 25 Hunden ausserdem eine Katze, die

an einem Haken aufgehängt war. Die 25

beschlagnahmten belgischen Hunde ge-

langten anschliessend in das Tierheim der

Ligue Valaisanne pour la Protection des

Animaux.

Solche Erlebnisse erschüttern selbst die

erfahrenen Tierschützer immer noch – zum

Glück. Denn das Mitgefühl verleiht ihnen

wiederum die Kraft, den Tieren beizuste-

hen und sich weiterhin für sie einzuset-

zen.

Verzweifelte Tiersammler«Fälle mit Messies nehmen extrem zu. Es

gibt immer mehr Fälle von Menschen, die

Vernachlässigt: Zehn Tage lang waren diese Hunde sich selbst überlassen. Der Hund links im Bild musste sogar wegen eines gebrochenen Beins operiert werden.

Tiersammler: Ein zunehmendes Problem ohne Lösung.

ZVG

ZVG

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TIERREPORT 3/20106

Tiere horten oder die im Müll leben. Zum

Teil kommen dann auf einen Schlag gleich

mehrere Tiere in ein Tierheim, was un-

ter Umständen grosse Probleme mit sich

bringt», stellt der Aargauer Tierschutzver-

ein fest. In einem extremen Fall im Kan-

ton Fribourg musste sich die Société Fri-

bourgeoise pour la Protection des Ani-

maux nach einer Zwangsräumung sogar

auf einen Schlag um hundert Hühner, Ka-

ninchen, Schafe und Ziegen kümmern.

«Listenhunde» bleibenoft DauerpensionäreEin relativ neues Problem bilden Hunde,

welche von etlichen Kantonen als «po-

tenziell gefährliche Hunderasse» einge-

stuft werden. Solche als «Kampfhunde»

verpönten Vierbeiner landen in den Tier-

heimen und sind kaum mehr vermittel-

bar. Oft stammen sie aus dubiosen Quellen

und dienten ihren Besitzern bloss als Sta-

tussymbol. Solche Tiere sind nicht selten

verhaltensgestört und damit kaum mehr

vermittelbar, weil sie aggressiv und nicht

sozialisiert sind.

Auch Tierheime sind mit solchen

Hunden überfordert. 23 Tierschutzvereine

haben bei der Umfrage des STS angege-

ben, dass sie keine weiteren «Listenhunde»

mehr aufnehmen.

Spiegel gesellschaftlicher EntwicklungenDie Tierschutzvereine können letztlich

nicht allein die gesellschaftlichen Probleme

lösen. Immer mehr Leute halten sich Heim-

tiere. Doch so manche Tierbesitzer sind mit

dem neuen Mitbewohner schnell einmal

überfordert, sei es, dass sie den Zeitauf-ff

wand oder die Kosten unterschätzt haben,

oder aus anderen Gründen. Dann scheint es

oft die einfachste Lösung zu sein, das Tier

im nächsten Tierheim abzugeben.

Sensibilität auf Tierschutz-vergehen gestiegenAndererseits reagiert die Bevölkerung

zunehmend sensibler auf Tierschutzver-

gehen: 5726 Meldungen erhielten die

Tierschutzvereine allein im vergangenen

Jahr. Häufig übernehmen die Tierschutz-

profis die Abklärungen direkt selber und

entlasten damit letztlich die Behörden

bei ihrer Arbeit. Doch nicht in allen Kan-

tonen gestaltet sich die Zusammenarbeit

mit dem Veterinäramt so gut wie in Zü-

rich, St. Gallen oder Aargau. Häufiges

Problem ist, dass die Tierschutzvereine

keine Akteneinsicht und von den Behör-

den nach einer Anzeige keine Rückmel-

dung mehr erhalten. So versanden etli-

che Fälle ohne Konsequenzen für die Tä-

ter.Verwahrlost: -deten in einem Tierheim einer STS-Sektion.

In den STS-Tierheimen aufgenommene Tiere 2009

Katzen 43%

Verzichttiere 27%

Findeltiere 28%

Anderes/nicht bekannt 42%

Hunde 16%

Nager 12%

Andere Tiere 21%

Tierartunbekannt 8%

Tiere ausBeschlagnahmung 3%ZV

G

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TIERREPORT 3/2010

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Ich möchte die Arbeit des SchweizerTierschutz STS unterstützenund werde den Abobetrag um

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über nationale und in-ternationale Tierschutz-aktivitäten.

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Tierheimen unserer Sektionen vor.

nur CHF 12.80 (4 Ausgaben jährlich).

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uhause. TIERREPORTO F F I Z I E L L E S O R G A N D E S S C H W E I Z E R T I E R S C H U T Z S T S

Tierschutz istgrenzenlos

STS-Zoobericht:

Verbesserungen in Sicht

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Katzenkastration: Weniger Nachwuchs gleich weniger Tierleid.

Problematische SchafhaltungenMeistens sind Hunde oder Katzen die Op-

fer von Tierquälerei, doch gehen auch Kla-

gen über schlechte Nutztierhalter ein. «Die

Hobbyschafhalter stachen 2009 besonders

hervor», stellt der Dachverband Berner

Tierschutzorganisationen fest. Von einem

krassen Fall weiss der Tierschutz beider

Basel (TBB) zu berichten: «Ein Schafhalter

verweigerte einem seiner schwer kranken

Tiere den Tierarzt. Das betroffene Schaf

ging dann elend zugrunde. Regelmässig

wurden in dieser Schafhaltung abgema-

gerte Tiere beobachtet. Nach einer Inspek-

tion durch den TBB wurde Anzeige gegen

den Schafhalter eingereicht.»

Präventionsarbeit immer wichtigerDabei sind sich nicht immer alle Tierhalter

bewusst, dass ihre Tiere leiden. Oft man-

gelt es auch am entsprechenden Wissen

und an der richtigen Ausbildung. Die In-

formation und Aufklärung gewinnt des-

halb immer mehr an Bedeutung. Seit das

neue Tierschutzgesetz 2008 in Kraft getre-

ten ist, bekommen die Tierschutzvereine

vermehrt Anfragen zur artgerechten Tier-

haltung. Auf der STS-Geschäftsstelle und

über die Homepage www.tierschutz.com

sind Informationsbroschüren und Merk-

blätter zu zahlreichen Tierarten erhältlich.

Zudem geben die STS-Fachstellen zu ent-

sprechenden Anfragen Auskunft und be-

raten sowohl die Sektionen als auch Be-

hörden und Privatpersonen.

Erfolgreiche AktionKatzenkastrationDamit neues Tierleid vermieden werden

kann, führen der STS und seine Sektionen

in Zusammenarbeit mit engagierten Tier-

ärzten seit zehn Jahren eine schweizweite

Aktion zur Kastration von Katzen durch.

Jährlich können so rund 10 000 Katzen

– der allergrösste Teil stammt von Bau-

ernhöfen – kastriert werden, um ein un-

erwünschtes Anwachsen der Katzenpopu-

lation und tausendfaches Tierleid zu ver-

hindern.

Auch hier wird der STS nicht vom Staat

unterstützt, obwohl ein von der Schweiz

unterzeichnetes europäisches Tierschutz-

Übereinkommen dies vorsähe. STS-Ge-

schäftsleiter Hansuli Huber kritisiert:

«Störend ist, dass Bauern jährlich Zehn-

tausende von Franken an Direktzahlungen

erhalten, aber nicht angehalten werden,

Vorkehrungen gegen unerwünschten Kat-

zennachwuchs zu treffen und für gesunde

Katzen auf den Höfen zu sorgen.»

Die aktuelle Statistik zu den STS-Sek-

tionen zeigt jedenfalls überdeutlich, dass

deren engagierter Einsatz unentbehrlich

für den Tierschutz ist.

Matthias Brunner

ISTO

CKPH

OTO

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TIERREPORT 3/20108

Hilflos paddelt ein Pelikan mit seinen vom

Rohöl völlig verklebten Flügeln, unfähig,

sich aus dem Meer in die Luft zu schwin-

gen – ein beklemmendes Bild, das wohl

millionenfach als Zeugnis von der Ölkata-

strophe im Golf von Mexiko um die Welt

ging.

Öl verursachte MassensterbenDie Wasservögel und Zugvögel, welche

sich hier zur Brutzeit aufhielten, wurden

von der Ölpest jäh erfasst. Das Gefieder

verklebte sich, sobald es mit der zähflüs-

sigen, giftigen Masse in Berührung kam.

Verzweifelt versuchten die Vögel, mit ih-

ren Schnäbeln und Zungen ihre Federn

von dem Öl zu befreien, und vergifteten

sich so innerlich. Durch das Öl konnten

die Vögel nicht mehr fliegen und das Ge-

fieder verlor seine schützende Wirkung.

Die Folge: Die Vögel erlitten meistens ei-

nen qualvollen, langsamen Tod.

Braunpelikane sind Louisianas WahrzeichenBesonders betroffen waren die Braun-

pelikane – das eigentliche Wahrzeichen

von Louisiana. Diese Wasservögel tau-

chen, um nach Fischen zu jagen. Genau

dieses Verhalten wurde ihnen deshalb bei

dieser Ölverschmutzung zum Verhäng-

nis.

Erst kürzlich konnte der Braunpelikan

von der Liste der bedrohten Tierarten ge-

strichen werden. Die bisherigen Schutz-

bemühungen dürften durch dieses Ereig-

nis einen herben Rückschlag erleiden. Der

Vogel hat jedoch ungewollt internationa-

len Symbolcharakter erlangt.

Verzweifelte HilfsaktionFreiwillige Helferinnen und Helfern

sammelten Hunderte von überlebenden

Vögeln am Strand und auf der See mit

Booten ein. Die meisten der versehrten

Vögel gelangten nach Fort Jackson ins

dortige Vogelrettungszentrum in Buras.

Doch viele der Tiere waren bereits zu er-

schöpft und starben oder mussten eutha-

nasiert werden. Die Überlebenden wur-

den vom kundigen Personal zuerst mit

warmem Seifenwasser vom Öl gereinigt

und anschliessend trocken gerubbelt –

für die ohnehin gestressten Wildtiere

eine belastende Prozedur.

Anschliessend mussten die Vögel

noch einige Tage in der Auffangstation

verbringen, bis ihr Gefieder vollständig

trocken und seine Wasser abweisende

Schutzwirkung wiedererlangt hatte. Erst

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Verzweifelt versuchten Helfer, Hunderte ölverschmutzter Vögel nach der Explosion der Bohr-plattform Deepwater Horizon zu retten. Ob solche Hilfsaktionen überhaupt sinnvoll sind, ist unter den Fachleuten umstritten.

Der schwarze Tod

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TIERREPORT 3/2010 9

nach einer veterinärmedizinischen Un-

tersuchung wurden die Vögel wieder in

die Freiheit entlassen. Wie viele von ih-

nen tatsächlich überleben werden, bleibt

ungewiss. Die Verantwortlichen von Fort

Jackson gehen davon aus, dass zwischen

50 und 70 Prozent der eingelieferten

Braunpelikane überleben.

Nutzen umstrittenSelbst unter Experten ist umstritten, ob

solche Hilfsaktionen sinnvoll sind. Die

mittelfristige Überlebensrate liege laut

seriösen Studien unter einem Prozent,

äusserte die Biologin Silvia Gaus von

der Schutzstation Wattenmeer in Hu-

sum. Die deutsche Schutzstation lehne

deshalb solche «Vogelwaschungen» ab.

Eine andere Meinung vertritt Sascha

Regmann von der europäischen Organi-

sation Pro Bird. In einem Interview mit

der deutschen Onlineausgabe des Wis-

senschaftsmagazins spektrumdirekt er-

klärte er: «Mit einer professionellen Re-

habilitation können viele dieser ange-

landeten Vögel gerettet werden – wenn

gewisse Rahmenbedingungen gegeben

sind.» Laut Regmann müssten in jedem

einzelnen Fall Tierärzte mit entspre-

chenden Fachkenntnissen darüber ent-

scheiden, ob eine Rehabilitation sinnvoll

ist oder nicht.

Jedes Leben zähltTIERREPORT hat auch bei der Vogelwarte

in Sempach zu diesem umstrittenen Thema

nachgefragt. Zum konkreten Nutzen sol-

cher Aktionen für die entsprechende Vo-

gelpopulation mochte Mediensprecher

Matthias Kestenholz nicht eindeutig Stel-

lung beziehen. Er findet es jedoch «sehr

wohl nachvollziehbar», ölverschmierten

Vögeln helfen zu wollen. «Einfach nichts

zu tun, bricht einem das Herz», bringt es

Kestenholz auf den Punkt.

Ethisch betrachtet ist letztlich jedes

Leben wertvoll. Dies versucht auch jeder

Veterinär in seiner Praxis: Leben zu ret-

ten, solange dieses für das Tier noch le-

benswert sein kann.

Stummes Leiden geht weiterStumm setzt sich inzwischen das Leiden

unter der Meeresoberfläche im Golf von

Mexiko fort. Abertausende von Fischen

vergiften sich weiter durch das ausgeflos-

sene Öl, das über den Nahrungskreislauf

wiederum die Vögel aufnehmen – und

letztlich auch die Menschen.

Gefährdet ist auch eine Herde von

Pottwalen, welche sich ausschliesslich

hier aufhält und keinen Kontakt zu Art-

genossen ausserhalb des Golfs hat. Der

Internationale Tierschutzfonds IFAW be-

fürchtet, dass Walhaie, die grössten Fische

der Welt, von den Folgen der Katastro-

phe besonders betroffen sein könnten. Sie

ernähren sich von Plankton, Fischlarven

und kleinen Schalentieren und nehmen

so das Öl und die giftigen Chemikalien

auf. So werden sie schleichend vergiftet.

Sterben sie, sinken sie auf den Meeresbo-

den. Ihr Tod bleibt unbemerkt. Der IFAW

beteiligt sich deshalb an einer Studie in

Zusammenarbeit mit der Universität Sou-

thern Mississippi über Walhaie im betrof-

fenen Gebiet. Matthias Brunner

REUT

ERS

«Vogelwaschung»: Nutzen unter Experten heftig umstritten.

Ungewisse Zukunft: Ob dieser Pelikan überleben wird, weiss niemand.

REUT

ERS

Page 10: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/201010

T I E R N A H R U N G

Hundefutter mit 100% Swissness

+ + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H

T I E R V E R S U C H E

Angst vor Transparenz

J A G D F R E V L E R

Rothirsch illegal geschossen

Bei der Rothirschjagd im Oberaargau ist

ein Tier widerrechtlich erlegt worden:

eine Hirschkuh, die ein Junges hatte.

Wie der Kanton mitteilt, hätten Unter-

suchungen ergeben, dass eine Milch füh-

rende Rothirschkuh bereits vor Jagdbe-

ginn illegal geschossen worden sei. Mit

anderen Worten: Das Tier wurde nicht

nur zu früh gejagt, sondern war auch

Mutter eines Hirschkalbs.

«Wir haben bisher keine Anhalts-

punkte auf die Täterschaft», erklärte der

kantonale Jagdinspektor Peter Juesy auf

Anfrage. Sein Inspektorat hat Strafan-

zeige gegen unbekannt eingereicht.

Im Oberaargau leben immer mehr

Rothirsche. Vor allem im Längwald bei

Niederbipp, wo sich gemäss Kanton zur-

zeit rund 30 Tiere aufhalten. Grund für

die Rothirschansammlung ist die Auto-

bahn, die den Tieren den Weg Richtung

Jura abschneidet. Deshalb werden seit

Längerem ein mögliches Übersiedlungs-

projekt und später eine Wildbrücke über

die Autobahn diskutiert.

Für das Oberaargau hatte der Kan-

ton fünf Rothirsche zur Jagd freigege-

ben. Bereits am vierten Jagdtag war das

Kontingent ausgeschöpft. Unter den er-

legten Tieren befand sich auch das Kalb

der illegal getöteten Hirschkuh, denn ein

Junges ist ohne seine Mutter nicht über-

lebensfähig.

ISTO

CKPH

OTO

ISTO

CKPH

OTO

Swissness ist auf den Hund gekommen –

dies darf in diesem Zusammenhang po-

sitiv verstanden werden: Die Migros er-

weitert ihre Hundefutterlinie Asco um das

Produkt Asco Swiss Premium, das als ers-

tes Hundefutter aus Schweizer Rohstof-

fen produziert wird. Dies im Gegensatz

Das neue Tierschutzgesetz soll mehr Trans-

parenz im Bereich der Tierversuche brin-

gen. Das weckt Ängste, gerade am For-

schungs- und Pharmastandort Basel. Kan-

tone und Verbände konnten zur neuerli-

chen Revision des Tierschutzgesetzes Stel-

lung nehmen. Der Bund hat noch keinen

Überblick über das Gesamtergebnis.

Fest steht aber, dass die Reaktionen

aus der Region Basel kritisch ausgefallen

sind. Interpharma, als Branchenvertretung

der Pharmafirmen, wehrt sich gemäss ei-

nem Bericht der «Basler Zeitung» dagegen,

dass genauere Angaben über Tierversuche

publiziert werden sollen. Die gleiche Hal-

tung vertreten die Regierungen der bei-

den Basel. Sie befürchten, dass die im Ge-

setzesentwurf geforderte Transparenz Ge-

schäftsgeheimnisse gefährden würde.

zu anderer Tiernahrung, die zwar in der

Schweiz hergestellt wird, deren Rohstoffe

aber von ausländischen Tieren stammen.

Wer Schweizer Fleisch kauft, kann da-

von ausgehen, dass es von Tieren stammt,

welche nach unseren Tierschutzvorschrif-

ten gehalten wurden.

Page 11: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010 11

H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W S + + + C H N E W SST

S

B I L A N Z

Erster Tier-schutzbericht veröffentlicht

Das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET)

hat den ersten Tierschutzbericht veröffent-

licht. Damit sollen die Fortschritte in der

Umsetzung der Tierschutzgesetzgebung

dokumentiert werden. Im Überblick über

die wichtigsten Massnahmen wird unter

anderem die Informationskampagne rund

um das Webportal «Tiere richtig halten» er-

läutert. Vorgestellt werden auch die zahl-

reichen Ausbildungsgänge für Tierhalter.

Der Bericht schildert ferner die Ent-

wicklungen von intensiv diskutierten The-

men wie der Ferkelkastration, dem Tier-

transport, Tierversuchen und dem neuen

Begriff der Würde des Tieres. Zudem zeigt

er die komplexe Arbeit der kantonalen Ve-

terinärämter bei der Umsetzung der neuen

Bestimmungen.

Für eine Beurteilung der Wirkung der

neuen Bestimmungen sei es noch zu früh,

schreibt das BVET in seiner Medienmittei-

lung. In künftigen Tierschutzberichten soll

dies jedoch anhand von Indikatoren ge-

schehen.

S P E N D E N A K T I O N

Im Schlaf den Tierschutz unterstützen

Das Schweizer Traditionsunternehmen Bil-

lerbeck hat zur Einführung seiner neuen Pro-

duktelinie «Kuschelschlaf» eine besondere

Idee gehabt: Für jedes bis zum 31. Dezem-

ber 2010 verkaufte Kuschelschlaf-Duvet

erhält der STS 2 Franken zur Unterstützung

seiner Arbeit. Das Angebot von Billerbeck

umfasst verschiedene Daunenduvets mit

Federnfüllung sowie solche mit Baumwolle

oder Kaschmir. Sozusagen im Schlaf kön-

nen also Konsumentinnen und Konsumen-

ten einen Beitrag an den Tierschutz leisten.

15 Jahre lang kümmerte sich der Zürcher

Tieranwalt Antoine F. Goetschel im Auf-

trag des Kantons um die Rechte der Tiere.

Nächstes Jahr wird das weltweit einzigar-

tige Amt abgeschafft.

Mit der auf 2011 in Kraft tretenden

neuen eidg. Strafprozessordnung wird

den Kantonen die Einrichtung der Insti-

tution von Tierschutzanwälten untersagt.

Das war ein wesentlicher Grund, weshalb

T I E R S C H U T Z R E C H T

Ende des Tieranwalts

V O R S T O S S

Importverbot für weitere Pelzprodukte?

Die Schweiz kennt bereits heute ein Ein-

fuhrverbot für Hunde- und Katzenfelle.

Mit einer Parlamentarischen Initiative

verlangt Nationalrätin Pascale Bruderer,

dieses Verbot auf alle Felle bzw. Pelzpro-

dukte auszuweiten, sofern sie von tier-

quälerisch gehaltenen, gefangenen oder

getöteten Tieren stammen.

Nur so könne verhindert werden, dass

die Schweiz durch ihre inländische Nach-

frage ausländische Produktionsformen

fördere, die nicht nur gegen unsere Ge-

setzgebung verstossen, sondern auch von

einer Mehrheit der Bevölkerung aus ethi-

schen Gründen klar abgelehnt werden.

Die Mitglieder der nationalrätli-

chen Kommission für Wissenschaft, Bil-

dung und Kultur beschlossen mit 16 zu

6 Stimmen, bei einer Enthaltung, ihrem

Rat die Annahme der Initiative zu bean-

tragen. Aus ihrer Sicht wird mit der In-

itiative kein generelles Importverbot für

Pelzprodukte angestrebt, sondern nur für

jene Pelze, die von tierquälerisch gehal-

tenen, gefangenen oder getöteten Tieren

stammen. Die Kommissionsmehrheit ist

der Meinung, dass die Schweiz hier eine

Vorreiterrolle einnehmen kann.

der STS seine Initiative für Tierschutzan-

wälte zur Abstimmung brachte. Wäre die

Initiative erfolgreich gewesen, hätte die-

ser Punkt der Strafprozessordnung ausser

Kraft gesetzt werden müssen. Kantonale

Tierschutzanwälte wären schweizweit

eingeführt worden.

Das Zürcher Veterinäramt wird nun ab

2011 allein die Rechte der Tiere innerhalb

des Kantons wahrnehmen.

Page 12: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/201012

Aus grossen, schwarzen Kulleraugen

schaut das dreijährige Gorillamädchen

Mary etwas ängstlich um sich: Das ist also

ihr neues Zuhause. Über mehrere Statio-

nen ist Mary Zwo, wie ihr vollständiger

Name lautet, in den Zoo Zürich gelangt.

Ursprünglich ist sie im Zoo Münster in

Deutschland geboren worden. Doch ihre

junge, unerfahrene Mutter Gana wusste

nicht, wie sie mit dem Baby umgehen

sollte, und vernachlässigte es. Mary lag

oft ganz allein im Gehege. Der Säugling

wurde zusehends schwächer und schwä-

cher. Was nun?

Knapp dem Tod entronnenOhne Hilfe von aussen wäre Mary be-

stimmt bald gestorben. So entschieden

sich die Zooverantwortlichen, das gefähr-

lich unterkühlte und unterernährte Tier in

menschliche Obhut zu geben. Auf der In-

tensivstation für Kinder der Uniklinik in

Münster konnte die ungewöhnliche kleine

Patientin von den Ärzten gerade noch vor

dem Tod gerettet werden.

Tierpflegerinnen als ErsatzmutterAnschliessend brachte man das kleine

Häufchen Elend in die Aufzuchtstation

des bekannten Zoos Wilhelma in Stutt-

gart. Dort wurde das hilflose Affenbaby

von den fünf Tierpflegerinnen liebevoll

aufgepäppelt. Mary Zwo entwickelte sich

prächtig und genoss die grosse Aufmerk-

samkeit, die ihr zukam.Kinderstube: Mary (rechts) mit Monza und Pflegerinnen im Zoo Wilhelma.

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HELM

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Für Mary Zwo beginnt die Gorillaschule

Zuerst von der eigenen Mutter vernachlässigt, gelangte das Gorillamädchen Mary Zwo über Umwege in den Zoo Zürich. Hier muss das handaufgezogene Affenkind das Leben inner-halb einer Gorillafamilie kennen lernen.

ZOO

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BLU

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Page 13: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010 13

Unbeschwerte «Kindergarten»-ZeitEin grosser Moment war, als sie nach eini-

ger Zeit in den «Kindergarten» durfte, um

zusammen mit gleichaltrigen Artgenos-

sen zu spielen. Für Mary, die bisher nur

Menschen in ihrer Umgebung kannte, war

dies eine völlig neue Erfahrung. Die unge-

stüme Rasselbande von Jungtieren musste

mit Unterstützung der Tierpfleger zuerst

lernen, dass sie mit der kleinen Mary et-

was vorsichtiger umgehen musste.

Doch Marys Neugier überwog rasch

ihre anfänglichen Berührungsängste. Je

älter sie wurde, desto übermütiger wurde

sie und war im Umgang mit den kleine-

ren Gorillakindern manchmal recht rup-

pig. Mary entwickelte sich zu einem fre-

chen kleinen Affen. Die Zeit war gekom-

men, dass dem inzwischen drei Jahre al-

ten Fräulein in einer richtigen Menschen-

affenfamilie Gorillamanieren beigebracht

werden sollten.

Erste Lebensregel: Ärgere niemals den Boss!Auf der Suche nach einer passenden Pfle-

gefamilie wurde man im Zoo Zürich fün-

dig. Hier besteht eine Gorillagruppe mit

sozial ausgeglichenen Tieren unter der

umsichtigen Führung des Silberrückens

N’Gola. Im März dieses Jahr hat nun das

erste Semester der «Lebensschule» für

Mary begonnen. Keine einfache Sache,

wurde sie doch von Hand aufgezogen und

hat keine Ahnung, wie man sich gegen-

über älteren Gorillas benimmt.

Kaum ist sie erstmals mit der ganzen

Gruppe zusammen, begeht sie auch schon

völlig unabsichtlich einen

fatalen Fehler: Mehrmals

hustet sie ausgerechnet

den Silberrücken N’Gola

an! In die Gorillasprache

übersetzt gilt dies als eine

absolute Frechheit gegen-

über einem ranghöheren

Tier. Nun ist zwar N’Gola

sehr gutmütig – doch was

zu viel ist, ist zu viel! Er

weist das freche Gorilla-

kind zurecht, indem er es

packt, in den Nacken beisst und zu Bo-

den drückt.

Mary hat dieses Erlebnis erst einmal

einen gehörigen Schrecken eingejagt –

doch es sollte nicht die letzte eindrückli-

che Erfahrung für sie sein …

Schwieriger SozialisierungsprozessIn einer Gorillafamilie herrschen klare

Verhaltensregeln. Die müssen von einem

unbedarften Gorillamädchen erst erlernt

werden. Doch da ergeht es Mary nicht viel

anders als andern Jungtieren. Was ihr al-

lerdings bisher gefehlt hat, ist der Um-

gang mit erwachsenen Gorillas.

Manchmal vermisst Mary wahrschein-

lich ihre menschlichen Bezugspersonen.

Beispielsweise wenn sie den Tierpflegern

von ihrem Futter abgeben möchte oder

versucht, sich ein T-Shirt überzustreifen.

Dies entspricht nicht dem normalen Ver-

halten eines Gorillas.

Weil sie eben nicht wie die anderen

der Gruppe reagiert, wurde sie von man-

chen Gruppenmitgliedern am Anfang et-

was schikaniert. Da wird schon einmal ge-

schubst, gekniffen oder geschlagen. Auch

unter Gorillas geht es eben nicht immer

nur harmonisch zu und her.

Zooverantwortliche sind zuversichtlichMary zieht sich nach solchen Situation in

eine Ecke zurück. Sie greift mit ihren klei-

nen Händen nach Stroh und scharrt es um

sich. Dann beginnt sie unablässig hin und

WIL

HELM

A

KEYS

TON

E

KEYS

TON

E

Teenagerkonflikt: Mary hat den Silberrücken N’Gola geärgert.

Lebensschule: Mary (links) ist noch nicht ganz in die Zürcher Gorillafamilie integriert.

In guten Händen: Mary (rechts) mit Monza.

her zu schaukeln – ein typisches Stress-

verhalten, wie Zookurator Robert Zingg

erklärt. Selbst als sich ihr N’Yokumi für-

sorglich nähert, welche ebenfalls unter

menschlicher Obhut aufgewachsen ist, ist

Mary irritiert. Ihr fehlen tatsächlich ein-

fach noch die Mittel, um sich den Artge-

nossen verständlich mitzuteilen.

Trotzdem sind die Zooverantwortli-

chen zuversichtlich, dass Mary die Inte-

gration in die Gruppe gelingt, auch wenn

dies noch noch viel Zeit und Geduld erfor-

dern wird. Immerhin hat sie bereits einige

Fortschritte gemacht. Im Weibchen Ma-

mitu hat sie jedenfalls schon eine Art Pa-

tentante gefunden, welche sie vor den an-

dern Gruppenmitgliedern beschützt. Man

kann Mary auf ihrem weiteren Weg nur

alles Gute wünschen, ein selbstbewusstes,

soziales Gorillaweibchen zu werden.

Matthias Brunner

Page 14: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010

Das Aussengehege ist zubetoniert, ein

winziges Planschbecken dient als Bassin.

In dieser sterilen Umgebung verbringen

die Tiger im Zoo Bad Ragaz die meiste

Zeit, ohne dass sie sich vor den neugieri-

gen Blicken der Besucher einmal verber-

gen könnten – ein tristes Leben.

Ganz im Gegensatz dazu der Wild-

park Peter und Paul in St. Gallen: In ihrem

weitläufigen Gehege mit Wald, reichlich

Unterholz und sogar einem Bächlein kön-

nen die Luchse fast wie in Freiheit herum-

streifen. Zum Schlafen können sich die

scheuen Wildkatzen in den mehreren vor-

handenen Höhlen zurückziehen.

So gross sind die Unterschiede, die der

STS bei seiner Recherche in 24 besuchten

Zoos und Tierparks der Deutsch- und der

Westschweiz angetroffen hat.

Weniger Tiere – dafür mehr PlatzSTS-Wildtierexperte Peter Schlup hat

die Wildtierhaltungen wiederum aus der

Sicht eines kritischen Zoobesuchers mit

Fachkenntnissen beurteilt. Stichproben-

weise hat er dabei 147 Gehege von 24

Zoos und Tierparks genauer angeschaut.

Die Veröffentlichung des letzten, umfas-

senden Zooberichts 2007 hat offensicht-

lich Wirkung gezeigt: Seither haben etli-

che Zoos und Tierparks Verbesserungen

bei ihren Tierhaltungen realisiert oder zu-

mindest angekündigt.

Platz für weniger Tiere», wie

der Slogan des Tierparks

Dählhölzli in Bern lautet,

gilt dabei generell als anzustrebende De-

vise. Tatsächlich geht die Tendenz Rich-

tung grosszügigerer und tiergerechterer

Anlagen. Ein wichtiges Beispiel ist dafür

der neue Bärenpark in Bern, der die miss-

lichen Verhältnisse des völlig veralteten

Bärengrabens endlich beseitigt hat.

Die Bärenhaltung des Tierparks

Goldau, welche im letzten Zoobericht

noch reichlich Anlass zu Kritik bot, ist

jetzt ebenfalls einer zwei Hektar gros-

sen Gemeinschaftsanlage von Bären und

Wölfen gewichen. Auf kluge Weise nutz-

ten die Betreiber dabei einen Teil dieser

einmaligen Naturlandschaft im Berg-

sturzgebiet. So ist ein Gehege entstanden,

das den beiden Tierarten ein weitgehend

artgemässes Leben ermöglicht.

Chance vergebenUmso bedauerlicher sind dann Beispiele

wie der Toni’s Zoo in Rothenburg: Da wur-

den zwar neue Gehege für die Raubkatzen

und die Waschbären errichtet. Doch sind

diese viel zu klein und es fehlt an Struk-

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S: P

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Erneut hat der STS 24 Zoos und Tierparks der Schweiz begut-achtet. Seit dem letzten Zoobericht hat sich einiges verbes-sert. Doch bleibt die Haltung von grossen Wildtieren proble-matisch.

Zoobericht zeigt Wirkung

Der vollständige Zoobericht ist im Internet zum Herunterladen erhältlich unter www.tierschutz.com/zooberichtDie Broschüre «Informationen zur artgerechten Haltung von Wildtieren» kann bei der STS-Geschäftsstelle bestellt werden.

Zoo Bad Ragaz: VerbetoniertesTigergehege ohne jeglicheRückzugsmöglichkeit. Die erhöhteLiegestelle wird fälschlicherweiseals Futterplatz verwendet.

Bärenpark Bern: Den Braunbärensteht neu eine grosszügige Anlageam Hang der Aare zur Verfügung.Die Zeiten der unwürdigen Haltungim Bärengraben sind endgültig vorbei.

Wildpark Peter und Paul St. Gallen:Die scheuen Luchse können einGehege im Wald nutzen, das zumHerumstreifen und zur Futtersuchegut geeignet ist.

Page 15: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010 15

turen für eine auch nur annähernd art-

gemässe Haltung. Offenbar wurden beim

Bau dieser Anlagen keine Wildtierexper-

ten beigezogen, vermutet Schlup. Dabei

wäre der STS auf Anfrage bereit gewesen,

mit Rat und Fachkompetenz zu helfen.

Grosse Wildtiere ungeeignet für ZoosProblematisch bleibt die Haltung von

Grossraubkatzen, Menschenaffen und Ele-

fanten. Ihnen können in Gefangenschaft

kaum Bedingungen geschaffen werden,

die ihren Anforderungen entsprechen.

Hauptgrund ist der enorme Platzbedarf

dieser Wildtiere.

Immerhin steht nun im Zoo Basel ein

massiv vergrössertes Aussengehege für die

Menschenaffen im Bau. Die bestehende

Anlage entsprach längst nicht mehr den

neuesten Erkenntnissen für diese Tiere.

Schade ist, dass sich die Verantwortlichen

nicht zur Haltung einer einzigen Prima-

tenart durchringen wollen – die restlichen

Affen hätten so vom grösseren Platzange-

bot noch mehr profitieren können. Auch

im Zoo Zürich tut sich etwas: In den kom-

menden Jahren ist die Realisierung eines

10 000 Quadratmeter grossen Elefanten-

parks geplant.

Tierbestand reduzierenDoch derartige Prestigeprojekte sind äus-

serst aufwendig und kosten Millionen von

Franken. Kleineren Tierparks fehlt meist

das Geld für grössere Investitionen. Der

STS rät diesen, sich auf einfacher zu hal-

tende Tierarten zu beschränken und die-

sen dafür grössere und artgemässere Ge-

hege zu bieten.

So hat der Kin-

derzoo des Circus

Knie in Rappers-

wil nach dem Tod

des alten Nashornbullen die Elefantenan-

lage vergrössert. Die kritisierte Luchshal-

tung hat der Zoo La Garenne in Le Vaud

inzwischen aufgegeben. Tiere wie Del-

fine sollten überhaupt nicht in Gefangen-

schaft gehalten werden, da ihrem grossen

Bewegungsbedürfnis niemals auch nur

annähernd entsprochen werden kann.

Schwachpunkt TierhaltungsvorschriftenOffenbar konnten sich die Interessenver-

treter der Zoos auch bei der neuen Tier-

schutzverordnung durchsetzen. Denn für

viele Zootiere gelten nach wie vor diesel-

ben Mindestnormen für die Gehege wie

schon in der alten Tierschutzverordnung.

So sind beispielsweise für Löwen oder Ti-

ger nur 110 Quadratmeter pro Tier vor-

gesehen. Auf einer Fläche von bloss 500

Quadratmetern dürfen gar drei Elefanten

gehalten werden. Das sind nach Ansicht

des STS völlig ungenügende Gehegegrös-

sen, die nicht als tiergerecht bezeichnet

werden können.

Nur wenn neue Anlagen gebaut oder

bestehende umgebaut werden, müssen sie

neuen Erkenntnissen angepasst werden.

Der STS erwartet von der kommenden

Amtsverordnung Wildtiere vom Bundes-

amt für Veterinärwesen (BVET) eine klare

Verbesserung für die Zootiere.

Besucherinnen und Besucher von

Zoos sollen die Haltung der Wildtiere kri-

tisch betrachten und allfällige Missstände

melden. Zoos mit überwiegend schlechten

Tierhaltungen empfiehlt der STS zu mei-

den. Matthias Brunner

Mit dieser Recherche über die Zoos verabschiedet sich Peter Schlup vom TIERREPORT. Er stellt sich einer neuen beruflichen Herausforderung. Während 12 Jahren leitete der diplomierte Zoolo-ge die Fachstelle für Wildtiere des STS.Mit seinen profunden Kenntnissen über Wildtiere leistete er wichtige Beiträge beiStellungnahmen des STS zu Gesetzes-vorhaben. Recherchen wie der Zirkusbe-richt machten ihn immer wieder auch zueinem gefragten Ansprechpartner für die Medien.

Die Redaktion wünscht Peter Schlup alles Gute für seine Zukunft und dankt ihm für sein Engagement.

Merci Peter

Tierpark Goldau: Die Gemein-schaftsanlage von Bären und Wölfenist ein Beispiel für eine wegweisendeTierhaltung, bei der die Bedürfnisseder Tiere im Mittelpunkt stehen.

Toni’s Zoo Rothenburg: Die Wasch-bären haben zwar ein neues Gehegeerhalten, dieses bietet aber den neu-gierigen Tieren wenig Abwechslung.

Page 16: Tierreport 3/2010

Schweine begleiten Menschen als Haustiere schon seit Jahrtausenden. Weniger bekannt ist, dass rund um den Globus auch zahlreiche wild lebende Arten dieser anpas-sungsfähigen und intelligenten Tiere existieren.

Schweine haben viele Gesichter

TIERREPORT 3/2010

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Page 17: Tierreport 3/2010

17

Das Verhältnis der Menschen zu den

Schweinen ist von zahlreichen Widersprü-

chen geprägt: Einmal wird das Schwein –

völlig zu Unrecht – als dreckig bezeich-

net oder für beleidigende Schimpfwörter

gebraucht. Dann wiederum soll das Bors-

tentier beispielsweise einem Hochzeitspaar

Glück bringen.

Tatsache bleibt, dass Mensch und

Schwein seit Urzeiten vieles verbindet.

Nach neuesten Untersuchungen wurden in

China schon vor 10 000 Jahren Schweine

gezüchtet. Die Rüsselträger sind äusserst

anpassungsfähig und deshalb fast rund um

den Globus verbreitet. Auf den Marshall-

inseln von Mikronesien suchen die Haus-

schweine sogar im seichten Meer der La-

gune nach Fressbarem.

Wildschwein als Urahne aller HausschweineDie verschiedenen domestizierten Schwei-

nearten stammen ursprünglich von den

Wildschweinen ab. Nachdem diese zuvor

in der Schweiz ausgerottet worden waren,

sind sie seit einigen Jahren auch hierzu-

lande wieder heimisch geworden.

Dank ihres feinen Geruchssinnes spü-

ren sie mit ihrem Rüssel ihre Nahrung auf

und wühlen dazu auch im Boden. Wild-

schweine leben in Gruppen von höchstens

zwanzig Tieren zusammen, einer soge-

nannten Rotte, die jeweils von einer Leit-

bache (Weibchen) angeführt wird.

Nebst dem bei uns bekannten Wild-

schwein existieren noch weitere Wildfor-

men von Schweinen.

PinselohrschweinVon den anderen Arten unterscheidet sich

am deutlichsten das Pinselohrschwein, das

auch als Flussschwein bezeichnet wird. Es

fällt durch seine ausgeprägte Fellzeich-

nung auf. Von der rötlich braunen Grund-

färbung hebt sich ein weisser Aalstrich ab,

Wildschwein: Frischlinge mit den typischen Längsstreifen, welche sie bis ins Alter von ca. vier Monaten tragen.

TIERREPORT 3/2010

Page 18: Tierreport 3/2010

18

Warzenschwein: Die äusserst wehrhaften Tiere sind tagaktiv und Allesfresser. Die Jungen verlassen die Mutter im Alter von 15 Monaten.

der über den Rücken verläuft. Das Gesicht

ist schwarz gefärbt, doch befinden sich um

die Augen weisse Ringe, wie auch der Rüs-

sel weiss ist. Typisch sind ebenso die Bü-

schel an den blätterförmigen Ohren sowie

ein langer Backenbart. Pinselohrschweine

kommen in ganz Zentral- und Westafrika

vor. Ihre nächsten Verwandten sind die

Buschschweine.

WarzenschweinEbenfalls auf dem afrikanischen Konti-

nent beheimatet ist das Warzenschwein.

in den unzugänglichen tropischen Regen-

wäldern Afrikas um den Äquator das Rie-

senwaldschwein. Die Bezeichnung mit

«riesig» ist gerechtfertigt: Ein ausgewach-

senes Tier kann bis zu 275 Kilogramm

wiegen. Diese Kolosse graben nicht wie

andere Schweine mit ihrem Rüssel nach

Nahrung, sondern fressen vor allem wei-

che Süssgräser, Kräuter und junge Triebe

ausgewählter Büsche.

PustelschweinEbenfalls im Regenwald leben die Pustel-

schweine, von denen fünf verschiedene

Arten bekannt sind. Alle kommen in Süd-

Pinselohrschwein: Die nachtaktiven Tiere können schnell laufen und gut schwimmen.

C-8/

GN

U

Die Schweineartigen (Suina) umfassen

zwei Familien: Dazu gehören die altwelt-

lichen Echten Schweine (Suidae) sowie

jene der neuweltlichen Pekaris (Tayas-

suidae), welche auch als Nabelschweine

bezeichnet werden. Insgesamt sind rund

20 wilde Arten von Schweinen bekannt.

Die Wildschweine (Sus scrofa), die

bei uns vorkommen, zählen zu den alt-

weltlichen Schweinen.

Zoologischer Steckbrief

Seinen Namen trägt es wegen dreier Paare

aus knorpeligem Bindegewebe bestehender

Gesichtswarzen, die bis zu zwölf Zentime-

ter lang werden können.

Mit ihren mächtigen, geringelten Hau-

ern (den Eckzähnen) sehen Warzenschweine

nicht bloss furchteinflössend aus, sie setzen

sie auch effizient als gefährliche Waffe zur

Verteidigung oder bei Revierkämpfen ein.

Selbst Leoparden, Hyänen und sogar Lö-

wen haben davor Respekt. Wird ein War-

zenschwein von einem Fressfeind verfolgt,

greift das wendige, schnelle Tier zu einer

geschickten Taktik: Bevor es sich in seinen

Bau verkriecht, dreht es sich im letzten Mo-

ment blitzschnell um und zieht sich rück-

wärts zurück.

Anders als die meisten seiner Verwand-

ten ist das Warzenschwein tagaktiv. Die

Nacht verbringt es mit den Familienmit-

gliedern in Erdhöhlen, welche zuvor Erd-

ferkel gegraben haben. Obwohl auch War-

zenschweine Allesfresser sind, ernähren sie

sich doch hauptsächlich von Gräsern aller

Art. Zum Grasen «knien» sie dabei auf ihre

Handgelenke nieder und bewegen sich auf

diese Weise langsam vorwärts.

RiesenwaldschweinErst 1904 entdeckte der britische Offizier

und Naturforscher Richard Meinertzhagen

TIERREPORT 3/2010

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Page 19: Tierreport 3/2010

19

Hirscheber: Die oberen Hauer durchbrechen die Rüsseldecke und werden bis zu 30 cm lang.

Pustelschwein: Das Visayas-Pustelschwein (Sus cebifrons) steht auf der Roten Liste.

Pekari: Jungtier im Amazonasurwald. Riesenwaldschwein: Sie leben in Rotten aus mehreren Generationen in Mittel- und Westafrika.

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ZGAPostasien vor, insbesondere auf den Philip-

pinen und in Indonesien. Ähnlich wie die

Warzenschweine besitzen sie drei Paare

von warzen- oder pustelartigen Hautwöl-

bungen im Gesicht. Akut vom Aussterben

bedroht ist das Visayas-Pustelschwein.

HirscheberAls Hirscheber oder Babirusas (aus der

Zusammensetzung der Wörter «Hirsch»

und «Schwein» auf Indonesisch) wird eine

Schweinegattung bezeichnet, die aus-

schliesslich auf der indonesischen Insel

Sulawesi sowie deren vorgelagerten In-

seln vorkommt.

Hirscheber verfügen über eine ausser-

gewöhnliche Eigenschaft: Ihre mächtigen

Eckzähne wachsen durch die Rüsseldecke.

Das Erstaunliche dabei ist, dass die durch-

stossene Haut sich nicht entzündet.

PekariIn der Sprache der brasilianischen Tupi-

Indianer bedeutet Pekari so viel wie «Tier,

das viele Wege durch den Wald macht».

Im deutschen Sprachgebrauch werden sie

auch Nabelschweine genannt. Der Name

ist auf eine grosse Drüse am Bauch zu-

rückführen. Damit können die Tiere ein

intensiv riechendes, moschusartiges Se-

kret absondern. Matthias Brunner

TIERREPORT 3/2010

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Page 20: Tierreport 3/2010

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TIERREPORT 3/201020

U S A I

Skandalöser Tierversuch

KEYS

TON

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SPRE

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CKR

Regelmässiges Komasaufen in der Ju-

gend könnte dem Hippocampus schaden,

einer wichtigen Struktur des Grosshirns.

Das legt eine Studie an Affen nahe, die

im Fachblatt «PNAS» (Proceedings of the

National Academy of Science) erschien.

Amerikanische Forscher untersuchten

die Hirne von Affen, die immer wieder

grosse Mengen Alkohol zu trinken be-

kamen.

Dabei entdeckten die Wissenschaft-

ler mehrere Veränderungen in der Struk-

tur des Hippocampus. Dort war die Bil-

dung von neuronalen Stammzellen, also

Zellen, die sich später zu Nervenzellen

entwickeln, deutlich vermindert. Die Ver-

änderungen seien besonders erstaunlich,

weil sie auch nach einer zweimonatigen

Entzugsphase der Affen noch deutlich er-

kennbar waren, betonen die Forscher.

U S A I I

Deklaration für Pelzartikel

Das amerikanische Repräsentantenhaus

verabschiedete eine Gesetzesvorlage, die

Kleiderfirmen eine detaillierte Deklaration

von Pelzartikeln und Faux Fur vorschrei-

ben wird, die einen Mindestwert von 150

Dollar aufweisen. Die Vorlage muss nun

noch vor den Senat, bevor sie von Präsi-

dent Obama unterzeichnet werden kann.

Die Modeketten Blueberry, Cucci,

Macy und Bloomingdale möchten sogar

einen Schritt weitergehen und für alle

Pelzartikel, ob Echt- oder Kunstpelz, diese

Deklaration einführen.

F R A N K R E I C H I

Lagerfeld präsentiert Kunstpelzkollektion

Der Creative Director der

Modezeitschrift «Elle» ap-

plaudiert für einmal einer

Kunstpelzkollektion. Karl

Lagerfelds Chanel-Mo-

deschau sei inspirierend.

Erst habe er einen Eisberg

aus Schweden zum Pari-

ser Grand Palais einfliegen lassen, im

Gottvertrauen darauf, dass das Eis nicht

auf die erste Reihe seiner prominenten

Gäste schmelze (nein, Modeschöpfer

seien nicht verrückt).

Als Zweites habe er in-

mitten dieser verrückten

Szenerie eine ganze Kollek-

tion wertvoller Pelzkleider

gezeigt:

Pelze für Frauen, Pelze

für Männer. Pelzmäntel,

Pelzbordüren, Pelzstiefel.

Und dies alles mit einem Karl-Haken:

Alles war Faux Fur, Kunstpelz. «Bravo

für dieses politische Statement», lobt der

«Elle»-Redaktor. Es sei okay, ja sei nach-

gerade chic, zu fälschen, jubelt «Elle».

Rund 270 Tonnen illegales Buschfleisch

gelangen jährlich über die grossen Flug-

häfen nach Europa. Eine Kontrolle, die am

Pariser Charles-de-Gaulle-Airport durch-

geführt wurde, hatte zur Beschlagnah-

mung von rund 190 Kilogramm illegalem

Fleisch aus verschiedenen afrikanischen

Ländern geführt.

Neben der Gefahr des Imports von

Krankheiten für Mensch und Tier betrifft

der illegale Fleischhandel auch den Ar-

tenschutz. Als «Bushmeat» wird das Wild-

fleisch von Tieren aus dem Urwald und

den Savannen in Afrika bezeichnet. Die

beschlagnahmten Fleischproben stamm-

ten von insgesamt elf verschiedenen

Tierarten, darunter vier geschützte Arten.

Die Fleischstücke stammten unter ande-

rem von zwei Primatenarten, zwei Kroko-

dilarten und drei verschiedenen Nagetier-

arten.

F R A N K R E I C H I I

Illegales Buschfleisch in

Europa weit-verbreitet

Page 21: Tierreport 3/2010

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TIERREPORT 3/2010 21

D E U T S C H L A N D

3-D-Hologramme von TierenIn Berlin steht der einzige Hochleistungs-

computertomograf, in dem auch Wildtiere

gescannt werden. Das Leibniz-Institut für

Zoo- und Wildtierforschung in Berlin hat

grosse Pläne. In den nächsten drei Jah-

ren will der Fachgruppenleiter Thomas

Hildebrandt eine Ausstellung konzipieren,

die Gunther von Hagens «Körperwelten»

plump aussehen lässt.

Statt Tiere zu plastinieren und nur be-

grenzte Einblicke in deren Anatomie zu

geben, schwebt Hildebrandt eine Ausstel-

lung mit hochauflösenden, dreidimensio-

nalen Hologrammen vor. Wildtiere sollen

damit «begehbar» werden und der Besucher

so durch Haut, Muskeln und Knorpel bis zu

den Knochen von Warzenschweinen, Leo-

parden oder Elefanten vordringen.

Dass so ein CT für Zoo- und Wildtiere

verfügbar ist, ist weltweit einzigartig. Als

im Münchner Tierpark das Elefantenbaby

Jamuna Toni wegen einer Knochenkrank-

heit eingeschläfert werden musste, brach-

ten es seine Pfleger nach Berlin, um zu ei-

ner Diagnose zu kommen. Die Bilder wer-

den derzeit ausgewertet.

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Matt Damon als Zoodirektor vor der Kamera

Hollywoodstar Matt Damon könnte sich

bald mit exotischen Tieren umgeben. Wie

das US-Filmblatt «Hollywood Reporter»

berichtet, verhandelt er um die Hauptrolle

eines Zoodirektors in «We Bought a Zoo»

unter der Regie von Cameron Crowe. Es

ist die wahre Geschichte des Engländers

Benjamin Mee, der sein ganzes Geld in

den Kauf eines baufälligen Zoos steckte,

um Hunderte von Tieren zu retten.

H O L L A N D

Australien verklagt Japan wegen Walfang

Der Streit um die Jagd auf Meeressäu-

ger eskaliert: Nun soll der Internationale

Gerichtshof in Den Haag entscheiden, ob

der von Japan praktizierte Walfang un-

zulässig ist. Australien hat das Gericht

angerufen, worauf Japan mit Unver-

ständnis reagierte. Das Einreichen der

Klage sei «äusserst bedauerlich», sagte

ein Regierungssprecher in Tokio. Das

Tribunal soll höchstrichterlich feststel-

len, ob die von Japan geduldete Jagd auf

die Meeressäuger unzulässig ist.

Offiziell erlaubt die japanische Regie-

rung das Walfangen zu «wissenschaftli-

chen Zwecken». Doch das Fleisch der Tiere

landet immer wieder in Feinschmecker-

restaurants des asiatischen Landes. In der

australischen Klage werden die Fangquo-

ten seit Beginn des Moratoriums 1986 ge-

nauestens aufgeführt. In dieser Überein-

kunft gibt es eine Ausnahmeklausel. Ge-

nau diese erlaubt den Walfang zu wissen-

schaftlichen Zwecken.

Mit Verweis auf diese Klausel erleg-

ten Japans Walfänger den Angaben zu-

folge zwischen 1987 und 2005 allein in

der Antarktis 6800 Minkwale. In den 31

Jahren vor Inkrafttreten des Morato-

riums seien dagegen weltweit nur 840

Minkwale getötet worden, argumentiert

Australien. Es gebe zudem klare Beweise,

«dass das Fleisch der Tiere auf den La-

dentheken landet».

Page 22: Tierreport 3/2010

Pharmaunternehmen verkünden eine

Tierschutz-Charta

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Page 23: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010 23

zur Anwendung höchster Standards ver-

pflichtet» und sie es als Teil ihrer Verant-

wortung sehe, die «zehn Gebote» in den

festgeschriebenen Grundsätzen ernst zu

nehmen sowie dafür zu sorgen, dass diese

«weltweit in unserem Einflussbereich Gül-

tigkeit haben».

Schweizer Tierschutzgesetzals StandardAls «höchster Standard» sollen dabei die

gesetzlichen Vorgaben der Schweizer Tier-

schutzgesetzgebung gelten – welche al-

lerdings im Bereich der Haltung von Ver-

suchstieren völlig ungenügend sind. Der

STS hat schon im Vernehmlassungsver-

fahren zum neuen Tierschutzgesetz kriti-

siert, dass für Labortiere nicht die gleichen

Massstäbe wie bei den Heimtieren gelten.

Eine Maus oder ein Kaninchen haben aber

immer die gleichen Ansprüche.

Die Pharmaindustrie verlangt

sowohl von ihren ausländischen

Partnerfirmen als auch von jenen

Unternehmen, die in ihrem Auf-ff

trag Tiere halten oder für sie Tier-

versuche durchführen, diese glei-

chen «höchsten Standards» einzu-

halten.

3R-PrinzipDie «zehn Gebote» sollen in ers-

ter Linie die Tierschutzprinzipien

gemäss 3R (reduce, refine, replace) besser

implementieren und damit den steigenden

Tierverbrauch in den Laboren drosseln. So

sollen Tierexperimente wo immer möglich

systematisch vermieden, reduziert oder

optimiert werden. Die Belastung der La-

bortiere soll vor, während und nach dem

Einsatz auf ein Minimum beschränkt wer-

den können. Ausserdem sollen die Ent-

wicklung und der Einsatz von Methoden

und Techniken, um Tierversuche zu erset-

zen, aktiv gefördert werden.

Bei der Durchsetzung der Zehn-

Punkte-Charta setzt Interpharma auf Wei-

terbildung und Schulung aller ihrer Mitar-

beitenden (weltweit sind in den genann-

ten Unternehmen mehr als 200 000 Mitar-

beitende tätig) und Partner sowie auf ein

internes Auditingsystem, welches die Ein-

haltung der vereinbarten Standards zum

Tierschutz sicherstellen soll.

Verschiedene MentalitätenDas hört sich nun – wenn es denn kein

blosses Lippenbekenntnis ist – wirklich

gut an. Der STS begrüsst die Bestrebun-

gen von Interpharma, den Tierschutz für

Labortiere weltweit verbessern zu wollen.

Denn tatsächlich existiert ein enormes Ge-

fälle innerhalb der verschiedenen Länder

und Kontinente, vor allem was die Hal-

tebedingungen und den Umgang mit den

Labortieren betrifft.

Die USA haben in der Regel kleinere

Käfig- und Gehegegrössen, vor allem für

grössere Versuchstiere wie Primaten oder

Hunde. Ausserdem fehlen entsprechende

Tierschutzbestimmungen für Mäuse und

Ratten, deren Anteil bei ca. 80% aller

Versuchstiere liegt. Sie gelten in Übersee

als keine «schützenswerten» Tiere und fal-

len deshalb nicht unter die amerikanische

Tierschutzgesetzgebung. Studien belegen

auch, dass der Umgang mit den Laborna-

gern in den Vereinigten Staaten entspre-

chend schlecht ist und sich das Pflegeper-

sonal oftmals vor den Tieren ekelt.

Asien schneidet in allen Tierschutz-

standards sehr schlecht ab. Vielfach ist

dies kulturell begründet – immerhin

ist der Hund dort noch weitverbreiteter

Fleischlieferant und das körperwarme Af-ff

fenhirn, frisch aus dem Schädel gesägt,

eine absolute Delikatesse. Mäuse und Rat-

ten werden flächendeckend als Schädlinge

bekämpft.

Von einem «tiergerechten Umgang»,

wie wir ihn kennen und verstehen, kann

in den meisten asiatischen Ländern wohl

weder bei den kleinen noch bei den gros-

sen Versuchstieren die Rede sein.

Tierversuche werden ausgelagertZwar ist es nun auf der einen Seite schon

ein Fortschritt, dass die erfolgreichen

Pharmafirmen sich offensichtlich bemü-

hen, für ihre Auftragsforschung weltweit

höhere Standards einzuführen. Denn al-

lein dadurch ergeben sich bereits Dialoge

mit der Gesellschaft und den Tierschutz-

vertretern sowie weitere Verbesserungen

im Tierversuchsbereich.

Aber andererseits bereiten uns gerade

diese Firmen «sachte» darauf vor, den

Forschungsstandort Schweiz zu verdün-

nen und externe Auftragslabore mit der

Forschung an Tieren, insbesondere an Pri-

maten und Hunden, besser zu be-

stücken.

Die Mitgliedsfirmen von In-

terpharma wissen spätestens seit

dem Sommer 2009 sehr wohl,

dass sie unter Beobachtung ste-

hen und ihre Forschungstätigkei-

ten, vor allem an grösseren Ver-

suchstieren, genau unter die Lupe

genommen werden. Bei Missstän-

den müssen die Unternehmen öf-ff

fentliche Kritik einstecken.

Nur ein geschickterSchachzug?So war der Zeitpunkt der Veröffentli-

chung der Zehn-Punkte-Charta im Juni

diesen Jahres durch Interpharma denn

auch wohldurchdacht: In Malaysia wurde

zeitgleich ein riesiges Forschungslabor er-

öffnet, welches vor allem Forschungsauf-ff

träge an Primaten und Hunden entgegen-

nehmen wird.

Inwieweit Interpharma und ihre ange-

gliederten Pharmaproduzenten auch den

siebten Punkt umsetzen werden und un-

abhängige Stellen damit beauftragen, die

Einhaltung der Zehn-Punkte-Charta zu

prüfen, muss die Zukunft zeigen.

Julika Fitzi

STS-Fachstelle für Tierversuche

Fixierte Kaninchen: Vergebliches Warten auf das 3R-Prinzip?

NEU! NewsTicker Tierversuche: www.tierschutz.com/tierversuche

Page 24: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/201024

Aus dem Schatten taucht die schlanke

Gestalt des Nerzes im Mondlicht auf.

Das Tier sprintet zum Rand des Flusses,

klettert auf einen Baumstamm im Was-

ser, starrt in das Nass und springt plötz-

lich hinein. Bald darauf taucht das zierli-

che Raubtier mit einem sieben Zentimeter

langen Fisch zwischen den Zähnen wie-

der auf und verschwindet in der Dunkel-

heit. Da zerstört plötzlich ein metallisches

Klirren die nächtliche Idylle. Mit unheim-

licher Wucht bohrt sich der Eisenbügel ins

Fleisch des ahnungslosen Wildtieres.

Am nächsten Tag holt der Fallensteller

seine Beute ab. Der Nerz hat sich in völ-

liger Todesangst das eingeklemmte Bein

schon fast abgenagt, um sich aus der Falle

zu befreien. Mit einem Genickbruch been-

det der Trapper das Leiden des Tieres. Er

entfleischt seine Beute und kratzt das Fett

sorgfältig vom Fell. Anschliessend streckt

er den Balg und hängt ihn zum Trock-

nen auf.

Pelzauktionen in NordamerikaAls Nächstes gelangt der Pelz über ei-

nen Zwischenhändler, dem sogenannten

«Country Buyer», zur Auktion. Die wich-

tigsten Verkäufe finden im Februar statt.

Dann ist das Fellhaar am dichtesten. Die

angebotenen Felle werden zuerst nach

Farbe und Qualität in Lose von bis zu 250

Stück sortiert und anschliessend verstei-

gert.

Sotiris Vogiatzis ist einer dieser Ein-

käufer. Den 46-jährigen Pelzhändler aus

Griechenland trifft man regelmässig auf

den Februarauktionen Nordamerikas an.

Pelznäher in GriechenlandNächste Station: In den Bergen Griechen-

lands, verborgen zwischen Ziegenhirten-

dörfern, liegt die Hauptstadt des europäi-

schen Kürschnergewerbes. In fast sämtli-

chen Kellern der Stadt Kastoria rattern die

Maschinen und verketten die Pelze. Haus

um Haus hocken die Pelznäher hinter

umpfen Fensterscheiben in den Werk-

ätten und schuften mit stoischer Präzi-

on.

Den Rücken über ihre Nähmaschinen

krümmt, nähen sie die Pelzstückchen

u Fellbahnen zusammen. Was in

er Welt an Jacken, Mänteln und

ordüren aus Nerz, Nutria, Fuchs,

Marderhund und Ähnlichem pro-

duziert wird, stammt statistisch

gesehen in jedem zehnten Fall

aus den Kellerwerkstätten der

Stadt auf dem Balkan.

Pelzhändler Vogiatzis al-

lein kauft jährlich Felle in den

USA oder Kanada im Wert

von fünf Millionen Dollar,

die hier verarbeitet wer-

den. 99 Prozent der Pelz-

produktion aus Kastoria sind für

das Ausland bestimmt.

Warten auf den TodNächste Station: Die eisige Win-

terbise pfeift durch die Draht-

gitterkäfige einer Pelzfarm im

finnischen Österbotten. Eingesperrt in ei-

nem engen Drahtkäfig, auf dessen Boden

sich seine Pfötchen zerschinden, vegetiert

ein hellfarbiger Zuchtnerz wie Tausende

seiner Schicksalskollegen dem Tod ent-

gegen.

Nerze sind von Natur aus lebhafte

Einzelgänger, die ihre grossen Reviere

laufend, kletternd und schwimmend er-

kunden. In der finnischen Farm sind sie

auf Gedeih und Verderb zusammenge-

pfercht. Der Schlächter erscheint im Win-

ter, wenn das Fell am dichtesten ist. Mit

dicken Handschuhen geschützt, packt er

das in panischer Angst sich windende

Wildtier, reisst es aus dem Käfig und

steckt es Schnauze voran in die Öffnung

einer Gaskiste. Es zappelt kurz. Achtlos

wirft er anschliessend das tote Pelztier auf

die Abstellfläche.

Versteigerungim Norden EuropasWie die Felle der Pelzfarmen Kanadas, der

USA, von Norwegen, Holland oder Däne-

mark landet auch das Fell des finnischen

Die Verwandlung eines pelztragenden Tieres in eine Bordüre ist eine Reise durch vier Kontinente. Zum Schluss ist kaum mehrnachvollziehbar, woher und von welchem Tier der Pelz ursprüng-lich stammt.

Warten auf den Tod: Im engenDrahtkäfig, dessen Boden diePfötchen zerschindet, vegetiert dieser Zuchtnerz wie Tausendeseiner Schicksalsgenossendem Tod entgegen.

Die verschlungenen Wege von Pelzen

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Page 25: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010

Nerztiers aus der Zuchtfarm in einem der

grossen Auktionshäuser. Solche Häuser

befinden sich in Helsinki, Kopenhagen,

Oslo und St. Petersburg. Kaum verstei-

gert, reist ein Grossteil der Felle weiter

nach China.

Hochgiftige Chemikalien im EinsatzAls Erstes werden die aus Europa und

Nordamerika importierten Felle in China

zugerichtet, geschoren oder gefärbt. Etwa

140 Arbeitsschritte sind nötig, um das Fell

eines Tieres haltbar, weich und seidig so-

wie das Leder geschmeidig zu machen.

Bei der Gerbung und der darauf folgen-

den Verarbeitung der Pelze (Spalten, Fal-

zen, Färben, Pigmentieren etc.) werden bis

zu 100 – teilweise hochgiftige – Chemika-

lien eingesetzt.

UnmenschlicheArbeitsbedingungenIn China fehlen entsprechende Umwelt-

schutzgesetze und Verordnungen. Regel-

mässig kommt es dort daher zu Vergiftun-

gen der Arbeiter und der Gewässer. Aber

auch die fertigen Produkte können die

Gesundheit gefährden.

«Kaum eine Fabrik informiert ihre Ar-

beiter über mögliche Gesundheitsrisiken»,

sagt Zhang Zhiqiang, Anwalt und Arbei-

teraktivist in Beijing. Wer verunfallt oder

krank wird, bleibt meist ohne Entschädi-

gung und jegliche soziale Sicherung. Ihm

bleibt bloss die Hoffnung auf Unterstüt-

zung seiner Familie. Muckt einer auf, wird

er sofort abgestraft.

iazhuang, Haupt-

stadt der Provinz

Hebei, die Pro-

vinz Guangdong

und Yuyao in der

Provinz Zheji-

ang sind die Pelz-

boomzentren Chi-

nas. Die Lagerhal-

len quellen über

vor importierten

Fellen aus Europa.

n Yuyao allein wer-

den in den spärlich

eleuchteten Hallen

ährlich sechs Mil-

onen Nerzfelle für

ie in- und auslän-

sche Textilbran-

e zu Bordüren, Ka-

puzen oder Beiwerk

verarbeitet. Tausende schlecht bezahlte

Arbeiterinnen buckeln und schuften.

Billigware aus HongkongDie Verarbeitung und das Import-/Export-

geschäft sind zu 60 Prozent in Händen ei-

niger Textilhändler aus Hongkong. Dank

tiefer Lohnkosten und fehlender Um-

weltschutzgesetze können sie Felle bil-

liger verarbeiten als anderswo und Klei-

der nach Bestellung für die internationale

Kundschaft produzieren.

Kaum ein Label, das nicht die Vor-

teile des Billigproduktionslandes nutzt.

Hongkong ist der grösste Umschlagplatz

für den Import von Fellen und den Export

von Modeartikeln mit Pelzbesatz.

Ursprung der Pelze nicht rückverfolgbarLetzte Station: Das pelztragende Wildtier,

sei es Nerz, Fuchs, Marderhund oder Finn-

Racoon, hat sich in eine Pelzbordüre ver-

wandelt und wartet in einem Warenhaus

oder einer Boutique in der Schweiz auf

eine Käuferin oder einen Käufer. Sicher

ist, dass es eine erstaunliche Reise über

Kontinente hinter sich hat. Wie diese ge-

nau ausgesehen hat, lässt sich nicht mehr

nachvollziehen.

Die Rückverfolgung der für Verbrä-

mungen verwendeten Pelzstreifen zum

ursprünglichen Träger, dem Opfer der

Fallenjagd oder dem Insassen einer Pelz-

zuchtfarm, ist ein Ding der Unmöglich-

keit. Die Ursprungsbezeichnung, falls eine

solche überhaupt vorhanden ist, bezieht

sich fast immer auf den Herstellungsort

des Kleidungsstücks, jedoch kaum auf die

Herkunft des gehäuteten ursprünglichen

Pelzträgers. Mark Rissi

Endstation Warenhaus: Die Trä-gerinnen der Pelze tragen auf ihrenSchultern auch die Verantwor-tung für den grausamen Tod desursprünglichen Pelzträgers.

Lager des Grauens: Eine Ladung Nerzpelze im Kopenhagener Pelzzentrum steht für eine Auktionbereit. Käufer aus dreissig Län-dern haben sich angemeldet.

Page 26: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/201026

Vor knapp zwei Jahren lancierte der STS

eine Auszeichnung und Plattform für echt-

pelzfreie Modehersteller und -geschäfte in

der Schweiz. Firmen, die sich schriftlich

verpflichten, auf den Verkauf von Echtpelz

zu verzichten, erhalten den STS-Kleber mit

der Aufschrift «hier wird kein tierpelz ver-

kauft». In Geschäften, die auf der Liste un-

ter www.tierschutz.com veröffentlicht sind,

oder solchen, die den Kleber an der Türe

angebracht haben, können Tierfreundin-

nen und Tierfreunde also mit gutem Ge-

wissen einkaufen.

Bislang haben sich 15 in der Schweiz

tätige Firmen zum Pelzverzicht verpflich-

tet. Die Liste wird laufend aktualisiert. Be-

deutend länger wäre allerdings die Liste der

Firmen, die sich nicht um den Tierschutz

kümmern und nach wie vor Kleider mit

Echtpelz verkaufen. Doch leider gibt es eine

solche Liste bislang nicht. Das will der STS

jetzt ändern. Und dazu brauchen wir Ihre

Mithilfe. Melden Sie uns Geschäfte, Ver-

sandkataloge und Modelabels, die Kleider

mit Echtpelz verkaufen (siehe nebenste-

henden Kasten). Der STS wird anhand Ih-

rer Meldung überprüfen, ob es sich bei der

angebotenen Ware tatsächlich um Echtpelz

handelt. Ist dies der Fall, wird der STS die

betreffende Firma zu einer Stellungnahme

auffordern und ihr Gelegenheit geben, den

Verkauf von Echtpelzkleidern einzustel-

len. Weigert sich die Firma, die Echtpelz-

produkte aus dem Sortiment zu nehmen,

wird sie vom STS auf eine schwarze Liste

gesetzt.

Wenn Tierfreundinnen und Tierfreunde

diese Läden und Labels in Zukunft meiden,

erhöht sich der Druck auf die Unternehmen,

ihre Geschäftspolitik zu verändern. Wohl-

verstanden: Der STS würde lieber die Liste

der pelzfreien Geschäfte verlängern. Doch

offenbar braucht es den Druck, um die tier-

quälerisch produzierten Pelzkleider aus den

Schweizer Läden zu verbannen. Und genau

das ist das Ziel der Fur Free Alliance, einer

Koalition von 35 führenden Tier- und Um-

weltschutzorganisationen. Der STS vertritt

die Schweiz in der Fur Free Alliance und

hat das internationale Fur-Free-Retailer-

Programm für die Schweiz entwickelt.

Schweizer Kleidermarkenund Läden, die keinenEchtpelz verkaufen

Laufend aktualisierte Liste und weitere In-

formationen unter www.tierschutz.com

Schluss

Auf unserer Homepage www.tierschutz.com finden Sie unter der Rubrik «pelzfrei» ein Formular, das Sie direkt online ausfüllen und absenden können.Sie können uns Ihre Meldung natürlich auch auf dem Postweg zustellen. Nötige Angaben:

Helfen Sie mit!

mit Echtpelzkleidern in Schweizer Geschäften!

Helfen Sie mit, Labels und Geschäfte mit Echtpelzprodukten aufzuspüren! So gehen Sie vor:

Gedankenlos:

Page 27: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010 27

New York – Paris – Mailand: So sieht der

«Alltag» von Jasmin Brunner aus. Denn

die 23-jährige Aargauerin ist inzwischen

ein international gefragtes Model und jet-

tet um den halben Globus, um auf den

Laufstegen dieser Welt die neuesten Mo-

dekollektionen zu präsentieren oder für

Werbeaufnahmen in die Kameras der Fo-

tografen zu lächeln. Die ehrgeizige junge

blonde Frau ist eine der zwölf Kandidatin-

nen für die Miss-Schweiz-Wahl 2010.

Ein Herz für TiereDoch abseits dieser Glamourwelt mit

-

schauen im grellen Scheinwerferlicht, wo

sich die Schönen und Reichen bewegen,

zeigt sich Jasmin Brunner noch von ei-

ner ganz anderen, nachdenklicheren Seite.

Aufgewachsen im ländlichen knapp 1200

Seelen zählenden Dorf Walde war das na-

-

desbeinen an mit allerlei Tieren wie Kat-

damals sei bei ihr der Wunsch gewachsen,

sich einmal für den Tierschutz einzusetzen,

Klares Statement gegen PelzZum Tragen von Zuchtpelzen hat die junge

Frau eine klare Meinung: «Ich bin dage-

gen. Ich finde, Tiere sollten nicht leiden,

nur damit wir eine weiche, modische Pelz-

bordüre an der Kapuze tragen können.»

Jasmin hat sich über den STS infor-

miert und weiss deshalb Bescheid über

die schrecklichen Zustände in der Pelz-

-

Pelze, nur aus Profitgründen, muss ge-

stoppt werden. Ich finde es schade, dass

viele grosse Designer immer noch so viel

Pelz verwenden», ärgert sie sich.

Als positives Beispiel erwähnt das

Topmodel die Modeschöpferin Stella Mc-

gänzlich verzichtet. «Sie sollte ein Vorbild

für andere Designer sein. Der Verzicht auf

Pelz macht sie und ihre Mode in meinen

Augen viel schöner und reiner», schwärmt

Jasmin.

Für sie ist es deshalb selbstverständ-

lich, dass sie niemals einen Pelz für Mode-

aufnahmen oder auf dem Laufsteg tragen

würde. So hat sie es schon einmal konse-

quent abgelehnt, als jemand ihr einen Pelz

schenken wollte.

Engagement für TierschutzDie attraktive Aargauerin ist von sich aus

an den STS gelangt, um als Botschafterin

für den Tierschutz zu wirken. Unabhän-

gig davon, ob ihr nun am 25. September

bei der Entscheidung das Krönchen auf-ff

gesetzt wird oder nicht, will sie sich je-

denfalls für den Tierschutz und den STS

einsetzen.

Die Aargauer Miss-Schweiz-Kandidatin Jasmin Brunner zeigtsich konsequent: Sie würde keine Pelzmode auf dem Laufstegpräsentieren. Das 23-jährige internationale Model möchte sich als Botschafterin des STS für den Tierschutz engagieren.

«Tiere sollten nicht um der Mode willen leiden.»

Page 28: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/201028

Erneut wurde ein unseriöser Welpenhandel aufgedeckt. Auch in diesem Fall stammten die Welpen aus Ungarn. Der STS kann nur davor warnen, Hunde über dubiose Inter-netangebote zu kaufen. Denn dahinter stecken oft skrupel-lose Händler.

Abends um 21.10 Uhr läutet das Pikett-

telefon des Tierschutzvereins Sirnach:

Eine Dame verlangt, dass man umge-

hend ihr elfwöchiges Hündchen abhole;

ihre Mutter leide unter Asthma und re-

agiere hochgradig allergisch auf den neu

gekauften Vierbeiner.

Später stellte sich heraus, dass die

Frau eines Morgens das Foto eines Welpen

namens Max über ein Internetinserat ent-

deckt hatte. Bereits wenige Stunden spä-

ter lieferte der Verkäufer «die Ware» frei

Haus gegen Barzahlung von 900 Franken

– ohne Quittung.

Leichtgläubiger Kauf per InternetElsbeth Tromp vom Tierschutzverein Sir-

nach schüttelt noch heute den Kopf über

so viel Unvorsichtigkeit: «Die Frau hatte

sich in die herzigen Aufnahmen im In-

ternet verliebt und gleich zum Telefon

Glück für Hundewelpe MaxPech für Hunderte

Leidensgenossen

ZVG

Page 29: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/2010 29

gegriffen, ganz nach dem Prinzip, heute

hätte ich Lust auf einen Hund.» Die Dame

überlegte offenbar nicht, was es bedeu-

tet und welche Verantwortung es mit sich

bringt, wenn man einen jungen Hund er-

wirbt. Kam hinzu, dass der Hundehändler

ihr hoch und heilig versicherte, Mäxchen

sei stubenrein.

Die Enttäuschung folgte postwen-

dend: Klein Max pinkelte und markierte

in der guten Stube. Ein Anruf beim Händ-

ler am nächsten Tag blieb erfolglos. Der

Händler weigerte sich, das Geld zurück-

zuerstatten und Mäxchen umgehend zu-

rückzunehmen.

Falsche AngabenDass an dem Hundehandel etwas faul war,

bemerkte Elsbeth Tromp sofort. Laut Impf-

büchlein wurde Max gegen Tollwut ge-

impft. Die Impfung sei ein Jahr gültig. Der

Eintrag war mit Stempel und Unterschrift

eines ungarischen Tierarztes versehen.

Doch bei so einem jungen Welpen ist diese

Wirkungsdauer gar nicht möglich.

Die weiteren Seiten im Impfbuch waren

leer. Max hatte offensichtlich keine Grund-

immunisierung. Ein Blatt mit dem Parvo-

virose-Impfnachweis lag dem Impfbüch-

lein lose bei. Doch fehlt auf diesem Papier

Name und Chipnummer. Welches Tier ge-

impft wurde, ist also gar nicht identifizier-

bar. Vermutlich handelt es sich hier um ei-

nen vom ungarischen Tierarzt unterschrie-

benen Impfausweis auf Vorrat. Für Tromp

war deshalb klar: Max ist nicht geimpft.

Immer dieselbe MascheAngefangen hatte die Geschichte mit einer

Anzeige mit Schweizer Telefonnummer

auf diversen Internetplattformen. «Ganz

süss verspielte Westiewelpen suchen ein

neues Zuhause, zwei Mädchen und zwei

Jungs», unter diesem Titel wurden Max

und seine Geschwister angeboten. Ein un-

bedarfter Interessent geht wohl aufgrund

der Schweizer Kontaktadresse davon aus,

dass der angebotene Wurf tatsächlich aus

Schweizer Zucht stammt.

Die Spur führt zurück zu einem Zwi-

schenhändler in der Ostschweiz mit Be-

ziehungen in Ungarn. TIERREPORT kon-

frontierte Welpenhändler Chr. H. mit den

Ungereimtheiten im Impfausweis. Der

Zwischenhändler beharrte auf seiner Ver-

sion, die Welpen seien in Ungarn von ei-

nem Tierarzt untersucht, gechipt und ge-

impft worden. Sein Schwiegervater und

der Schwager in Ungarn züchteten Hunde

verschiedener Rassen.

Chr. H. behauptete, er habe im Auf-

trag seiner Verwandten bisher erst sechs

Welpen in die Schweiz gebracht und ver-

kauft. Ausfuhrbescheinigung und Zoopa-

piere dafür hat er keine vorzuweisen. Dazu

brauche er keine Importpapiere, alles sei

gesetzeskonform, meinte er unwirsch.

Das lukrative Geschäft der Hundemafia mit illegalem WelpenhandelErba, 13.5.2010: Im grenznahen Erba bei

Como beschlagnahmt der Corpo fores-

tale dello Stato in einer Razzia 104 Wel-

pen aus Ungarn. Die Welpen – es han-

delt sich um Labradore, Golden Retrie-

ver, Pinscher, West-Highland-Terrier und

Bernardiner – wurden viel zu früh von

den Muttertieren getrennt.

Der Zwischenhändler, ein 35-jähriger

Marokkaner aus Merone, lieferte nach ei-

genen Aussagen die Welpen jeweils wei-

ter an Kunden in Norditalien und in der

Südschweiz.

San Antonio, 15.12.2009: Zusammen

mit Kantonstierarzt Tullio Vanzetti be-

schlagnahmt die Tessiner Polizei 9 Chi-

huahuawelpen und 7 Perserkatzen. Die

Zwischenhändler hatten die Tiere ille-

gal aus Tschechien eingeführt und sie in

zwei Zimmern unter misslichen Verhält-

nissen eingesperrt. Insgesamt wurden 16

Hunde importiert, aber ein Teil der Liefe-

rung überlebte den Transport nicht oder

war bereits verkauft worden.

Die Kantonspolizei erstattete An-

zeige gegen zwei im Tessin wohnhafte

Personen wegen Tiermisshandlung und

Verstosses gegen die Einfuhrbestimmun-

gen. Bei den beschlagnahmten Chihu-

ahuas fehlte die Tollwutimpfung, was

die Hunde auch zu einer Gefahr für den

Menschen macht.

Einträglicher SchwarzmarkthandelDas Geschäft mit dem Welpenhandel

blüht. Die österreichische Regierung hielt

kürzlich auf eine parlamentarische An-

frage hin fest, dass durchschnittlich vier-

mal pro Woche zwischen 30 und 100 Hun-

dewelpen von slowakischen Tierzüchtern

zum Flughafen Wien verbracht und von

dort aus nach Spanien, einschliesslich

der Kanarischen Inseln, weitertranspor-

tiert werden.

Welpen aus dem Kofferraum: Unseriöse Händler bieten oft ungeimpfte und kranke Hunde an.

TIER

SCHU

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LDER

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Page 30: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 3/201030

Ausserdem wurden in den österreichi-

schen Bundesländern im Jahr 2008 insge-

samt 29 illegale Hundetransporte regist-

riert, vielfach mit Welpentransporten von

Ungarn nach Italien, aus Rumänien, von

der Slowakei nach Italien und Spanien.

Was in Spanien und anderen südlichen

Ländern nicht an Touristen verkauft wer-

den kann, gelangt als «Zweitware» über

Privatpersonen und Tierhilfeorganisatio-

nen zurück nach Österreich, Deutschland

und die Schweiz.

Bei einer Tagesstichprobe bei Google

auf Schweizer Internetseiten wurden un-

ter den Stichworten «Chihuahua, Welpen»

9590 Inserate geladen, 17 600 innert ei-

nes Monats. Ähnlich beim Mops: Zum

Suchbegriff «Mops, Welpen» erschienen

in einer Woche bei Google 625 Inserate

für Möpse auf Schweizer Seiten, 10 600

in einem Monat.

Die Welpen werden für 350 bis 550

Euro (500 bis 800 Franken) angeboten. In

den Erzeugerländern kosten die Tiere le-

diglich zwischen 30 und 50 Franken, in-

klusive Tierarztkosten – für die Hunde-

mafia ein lohnendes Ge-

schäft, verspricht doch

ein verkauftes Hunde-

baby einen satten Ge-

winn von 400 bis 700

Franken!

Spuren in OsteuropaIn der Regel stammen die Welpen aus

osteuropäischen Massenproduktionen

und wachsen dort unter den schlimms-

ten Bedingungen auf. Viel zu früh wer-

den sie von der Mutter getrennt. Völlig

verwurmt und schon stark geschwächt

werden die hilflosen Winzlinge in Sam-

meltransporten über Hunderte von Kilo-

metern durch ganz Europa zum Käufer

gekarrt.

Die sechs bis acht Wochen alten Wel-

pen sind in der Regel schlecht soziali-

siert. Die Käufer sehen sich dann auch

mit Verhaltensstörungen wie beispiels-

weise Angstbeissen und erhöhter Ag-

gressivität konfrontiert.

Behörden reagierenmit VerordnungSeit Langem fordert der STS ein Verbot

dieses Zwischenhandels mit Welpen. In

Bern reichte der STS darum diesen Früh-

ling eine Petition ein. Das Bundesamt für

Veterinärwesen hat dieser langjährigen

Forderung des STS jetzt stattgegeben und

eine neue Verordnung in die Vernehm-

lassung geschickt, die das Hausieren mit

Welpen verbieten will.

Doch wird damit dem Hundezwi-

schenhandel der Riegel geschoben? STS-

Präsident Heinz Lienhard hofft, dass man

so den undurchsichtigen Hundehandel

zumindest eindämmen kann. Es komme

nun ganz darauf an, wie die Behörden die

Verordnung umsetzten.

Glück für Hündchen MaxFür Klein Max gab es doch noch ein Happy

End. In nur drei Tagen fand der West-High-

land-Terrier ein neues Zuhause. «Eine Er-

folgsstory», sagt Elsbeth Tromp vom Sir-

nacher Tierschutzverein glücklich. Nach

einem kleinen Hinweis in der «Thurgauer

Zeitung» meldeten sich zahlreiche Interes-

senten, die den kleinen Max gerne adoptiert

hätten. Zuschlag erhielt ein Frührentner-

paar, das sich über den Familienzuwachs

freut und den herzigen Vierbeiner bereits

ins Herz geschlossen hat. Mark Rissi

Hundemafia stoppen: In seiner im Frühling eingereichten Petition fordert der STS ein Verbot des Zwischenhandels mit Welpen.

Kaufen Sie keinen Welpen unbesehen übers Internet. Man kann nie wissen, woher

diese Hunde kommen. Auch wenn eine Schweizer Telefonnummer angegeben wird, TT

heisst dies noch lange nichts. Wichtig ist, dass man beim Züchter einen Augenschein

nimmt und sich von seiner Seriosität überzeugt. Kaufen Sie keinen Welpen ohne Kauf-

vertrag und Quittung und nur bei seriösen Anbietern.

Warnung vor Internetkäufen

STS

n Anbietend nur b

Page 31: Tierreport 3/2010

31TIERREPORT 3/2010

kennt, zerlegt ihn in Merkmale und bil-

det damit ein Modell – zum Beispiel für

den Ruf «Melkverzug», erklärt der Wissen-

schaftler, der sich seit vielen Jahren mit

der computergestützten Erkennung von

Tierstimmen beschäftigt.

Mittels einer Software, die mit ähnli-

chen Methoden wie die Spracherkennung

bei Menschen funktioniert, hat Jahns aus

688 aufgenommenen Klangproben von

39 Kühen zehn Laute mit unterschiedli-

chen Bedeutungen herausgefiltert.

«Die Trefferquote des Systems ist

schon sehr hoch», berichtet Jahns. Hung-

rige und durstige Kühe wurden bei seinen

Tests zu 100 Prozent identifiziert, kranke,

hustende Tiere zu 93 Prozent und Tiere

mit übervollem Euter und Melkverzöge-

rung zu 74 Prozent. Brünstige Kühe wur-

den zu 88 Prozent erkannt. Das System sei

allerdings noch nicht praxisreif.

Muh ist nicht gleich MuhIm Tagesablauf sind Kühe nicht besonders

gesprächig. Sie äussern sich nur, wenn es

g g

genen, mal tiefer, mal höher intonierten

Muh kann ein geübtes Ohr die Bedeutung

erkennen und die so geäusserten Bedürf-ff

nisse verstehen. Erfahrene Tierhalter ken-

nen natürlich ihre Kühe, wissen aus lan-

ger Erfahrung, ob das Euter zwickt und

wann der Hunger oder Durst sich meldet.

Die Kühe sind deshalb so wortkarg,

weil sie als Beutetiere keine Schmerzlaute

kennen. Sonst würden sie im Verletzungs-

fall nur weitere Jäger anlocken. Auch ma-

chen sie lautmässig keinen Unterschied

zwischen Hunger und Durst.

Frühwarnsystemfür den Eisprung?Jahns möchte seine Muh-Software als

Frühwarnsystem den grossen Tierfabri-

ken anbieten, damit auch Nichtfachleute

in der Massentierhaltung die Brunst von

Kühen erkennen können. In diesen aus-

ländischen Grossbetrieben gehen die tie-

rischen Einzelbedürfnisse in der Masse

unter. Der Computer soll es richten, so

stellt es sich wenigstens der pensionierte

Professor vor. Heinz Lienhard

Der Bioakustiker Gerhard Jahns aus dem

deutschen Niedersachsen hat den Kü-

hen intensiv aufs Maul geschaut und ein

ganz besonderes Programm entwickelt:

Mit seiner Sprachsoftware kann er ent-

schlüsseln, welche Bedürfnisse Fiona,

Bella, Aurora, Mona und Emma auf der

Zunge liegen.

Eine Kuh macht Muh, viele Kühe ma-

chen Mühe – stimmt beides irgendwie.

Den pensionierten Agrarwissenschaft-

ler aus Braunschweig stellte diese Volks-

weisheit allerdings noch nicht zufrieden.

Wenn man nämlich wüsste, welche Töne

die Tiere genau von sich geben, könnte

man gezielt auf ihre Anliegen eingehen –

und sich so eine Menge Arbeit sparen.

Wörterbuch der KuhspracheJahns entwickelte deshalb ein Analyse-

programm für die Laute der Kühe. Um

sein Spracherkennungsprogramm zu ent-

wickeln, musste der Tontüftler erst einmal

eine Art Wörterbuch der Kuhsprache er-

stellen: «Man nimmt einen Ruf, den man

Macht die Kuh wirklich nur Muh?

Page 32: Tierreport 3/2010

TIERREPORT 4/200812

Wir suchen ein ZuhauseTierheime der STS-Sektionen suchen für diese Tiere ein neues, richtiges Zuhause.

TIERREPORT 3/201032

Ronja, zehnjährige Katzendame, kastriert. Brauche Zeit, um Vertrauen aufzubauen. Bin eigensinnig und weiss mich zu wehren. Möchte als Einzelkatze zu katzenerfahrenen Menschen, die Geduld haben, bis ich mich an die neue Situation gewöhnt habe. Brau-che freien Auslauf in einem kinderlosen Haushalt.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64

Grisly, bin 11 Jahre alt, weiblich, kastriert, ruhig und verschmust. Möchte bei katzenerfahrenen, kinderlosen Leuten mit Auslauf ins Freie leben. Mit anderen Katzen verstehe ich mich nicht besonders.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64

Amy, einjährige Rottwei-lerdame, kastriert. Ich bin freundlich, verspielt, sensibel, lebhaft und anhänglich. Möchte zu Menschen, die viel Zeit für mich haben und mit mir liebevoll, aber konsequent umgehen.STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61

Rambo, fünfjähriger Retriever-mischling, männlich, kastriert. Bin sehr anhänglich und total

verschmust. Schätze lange Spaziergänge und möchte zu

Menschen mit Hundeerfahrung, die mich gerne viel mit dabei haben.

STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61

Charlie, bin ein sechs Jahre alter Labradorrüde. Ich bin gelehrig, arbeitseifrig und gehorsam und für mein Alter noch topfit. Ich wurde nur im Zwinger gehalten und möchte nun zu sportlichen, aktiven Leuten ohne Kinder und Katzen. Ich mag es, wenn ich beschäftigt werde, z.B. beim Hundesport.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64

Tina, ca. sechsjährige, kast-rierte Chihuahuadame. Sehr freundlich mit erwachsenen Menschen, mag auch andere kleine Hunde und Katzen. Mei-ne Vorbesitzerin hat mir nicht den nötigen Auslauf gewährt und mich öfters ins Katzenklo geschickt. Deshalb habe ich manchmal noch etwas Mühe mit der Sauberkeit. STS-Sektion Berner Tier-schutz, Tel. 031 926 64 64

Duran, menschenbezogener Ameri-can-Staffordshire-Terrier, männlich und kastriert, der seine Streichelein-heiten geniesst. Bin erst ein halbes Jahr alt und muss noch unbedingt in die Hundeschule. Möchte zu hundeer-fahrenen Menschen ab 25 Jahre ohne andere Hunde, Katzen oder Kinder.STS-Sektion Berner TierschutzTel. 031 926 64 64

Jerry, bin 3–4 Jahre alt, männlich, kastriert. Wünsche mir ein Zuhause mit Auslauf ohne andere Katzen bei Leuten, die mir viel Freiraum bieten und mich so akzeptieren, wie ich bin.STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61

aufgefunden

beschlagnahmt

heimatlos

beschlagnahmt

abgegeben

abgegeben

abgegeben

abgeschoben

heimatlos

Ratten, männlich und weiblich, verschiedene Altersgruppen, suchen liebevolle Plätze, wenn möglich ab drei Tieren.STS-Sektion Club der RattenfreundeClaudia Schenk, Tel. 079 624 23 20 oder [email protected]

heimatlos

Rico und Rita, wir sind halbjährige, kastrierte, zutrauliche Löwenköpf-chen-Kaninchen. Da wir sehr bewegungsfreudig sind, möchten in ein grosses, sicheres und anwechslungsreich gestaltetes Freigehege, das ganzjährig bewohnbar ist. STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61

Boby, sehr menschen-freundlicher kanadischer Schäferhund, elf Jahre alt, mag Hundedamen und fahre gern im Auto mit. Möchte zu Menschen, die viel Zeit für mich haben und mich gerne dabei haben.STS-Sektion TSV KreuzlingenTel. 071 695 12 61

abgegeben

Redaktor und Moderator

Beat Berger stellt in der TV-Sendung

«tierisch» weitere heimatlose Tiere

vor: www.tierisch.tierschutz.com


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