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Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Date post: 15-Jun-2015
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Spruchverfahren aktuell
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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1 SpruchZ 2012 Seite 1 Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting, Organverträgen und Fusionen Nr. 1 vom 26. November 2012 Inhaltsübersicht Aufsatz: Schubert, Das Verhältnis von Abfindung, Ausgleich und Verzinsung beim Squeeze- out, S. 3 Aktuelle Entscheidungen zu Spruchverfahren: Spruchverfahren Verschmelzung HamaTech AG: OLG München erhöht Abfindung - Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag der Singulus Technologies Aktien- gesellschaft ab, S. 17 Squeeze-out-Spruchverfahren Dachziegelwerke IDUNAHALL AG, S. 19, HBW Abwicklungs AG i.L., S. 20, Jil Sander AG, Aditron AG, S. 21, Salamander AG Laufende Spruchverfahren: INFO Gesellschaft für Informationssysteme AG, S. 22, TDS Informationstechnologie AG, Solarparc AG, Bausparkasse Mainz, S. 23 Ankündigungen von Strukturmaßnahmen: Mannheimer Aktiengesellschaft Holding, S. 23, SCA Hygiene Products SE, S. 25, F. Reichelt Aktiengesellschaft, Dyckerhoff AG Workshop: Tools zur Berechnung des Basiszinssatzes, S. 27 Spruchverfahren aktuell
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Page 1: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 1

Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting,

Organverträgen und Fusionen

Nr. 1 vom 26. November 2012

Inhaltsübersicht

Aufsatz:

Schubert, Das Verhältnis von Abfindung, Ausgleich und Verzinsung beim Squeeze-

out, S. 3

Aktuelle Entscheidungen zu Spruchverfahren:

Spruchverfahren Verschmelzung HamaTech AG: OLG München erhöht Abfindung -

Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag der Singulus Technologies Aktien-

gesellschaft ab, S. 17

Squeeze-out-Spruchverfahren Dachziegelwerke IDUNAHALL AG, S. 19, HBW

Abwicklungs AG i.L., S. 20, Jil Sander AG, Aditron AG, S. 21, Salamander AG

Laufende Spruchverfahren:

INFO Gesellschaft für Informationssysteme AG, S. 22, TDS Informationstechnologie

AG, Solarparc AG, Bausparkasse Mainz, S. 23

Ankündigungen von Strukturmaßnahmen:

Mannheimer Aktiengesellschaft Holding, S. 23, SCA Hygiene Products SE, S. 25,

F. Reichelt Aktiengesellschaft, Dyckerhoff AG

Workshop:

Tools zur Berechnung des Basiszinssatzes, S. 27

Spruchverfahren aktuell

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Vorwort

Liebe Leser, über die zahlreichen Bitten, in den Verteiler unserer neuen elektronischen Zeitschrift Spruchverfahren aktuell (kurz: SpruchZ) aufgenommen zu werden, haben wir uns gefreut. Offenkundig besteht ein erheblicher Bedarf an einer spezialisierten Informationsquelle zu Spruchverfahren. In unserer Zeitschrift wollen wir Alles bringen, was mit Spruchverfahren und Fragen der Unternehmensbewertung zu tun hat und „fit to print“ ist. Die Redaktion freut sich über die Zusendung von Fachbeiträgen (wie den nachfolgenden Aufsatz von Dr. Theo Schubert), über Kommentare, natürlich auch über einschlägige Gerichtsentscheidungen und über Seminar- und Veranstaltungshinweise. Mit dem pdf-Format wollen wir die Vorzüge beider „Welten“ verbinden: Wie ein klassisches Print-Medium ist die Zeitschrift – anders als ein Blogbeitrag – einfach zitierfähig (Zitiervorschlag: SpruchZ Jahrgang, Seite). Mit der elektronischen Form ist nicht nur eine schnelle Veröffentlichung und ein kostengünstiger Versand, sondern auch eine Verlinkung möglich. Mit einem Klick kann man eine E-Mail öffnen, ein Youtube-Video anschauen oder ein Berechnungsprogramm öffnen.

Die Redaktion

Die Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt und

online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ). Sie erscheint

jeweils nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen

wenden Sie sich bitte an den Herausgeber: [email protected]

Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie

kann eine umfassende rechtliche Beratung nicht ersetzen.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 3

Das Verhältnis von Abfindung, Ausgleich und Verzinsung beim Squeeze-out

Anmerkungen zur Entscheidung des BGH i.S. Wella vom 19.4.2011, Az. II ZR 237/091

von RA/StB Dr. Theo Schubert, M.C.L. Univ. Mich. USA, Freiburg

I. Sachverhalt

Anspruch auf eine Dividende hat nur derjenige, der am Tag der Auszahlung, d.h. in

der Regel am Tag nach der Hauptversammlung, Eigentümer der Aktie ist. An diesem

Tag wird die Dividende gezahlt für das vorangegangene abgeschlossene

Geschäftsjahr (meist Kalenderjahr). Z.B. könnte am 7.5.2012 die Dividende für das

Geschäftsjahr vom 1.1.2011 – 31.12.2011 beschlossen werden und am 8.5.2012 wäre

sie dann für die Zahlung fällig. Derjenige, der seine Aktien vor dem 8.5.2012 verkauft,

erhält keine Dividende, auch nicht anteilig, weil diese in vollem Umfange

demjenigen zusteht, der Eigentümer am Stichtag ist.

Der BGH hatte zu entscheiden, ob gleiches auch für den Ausgleich gilt, der im Falle

eines bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zu zahlen ist,

wenn der Aktionär seine Aktien kurz vor dem Hauptversammlungstermin in Folge

eines Squeeze-outs verliert. Wegen des abweichenden Wirtschaftsjahres lagen die

Daten bei der Wella etwas anders: Strittig war die Frage, ob die am 12.11.2007

infolge des Squeeze-outs aus der Gesellschaft ausgeschiedenen außenstehenden

Aktionäre noch einen Anspruch haben auf den Ausgleich für das Geschäftsjahr

1.7.2006 – 30.6.2007 und für das laufende Geschäftsjahr vom 1.7.2007 bis zur

Eintragung des Squeeze-outs am 12.11.2007. Die Hauptversammlung, an der der

Ausgleich laut Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag fällig werden sollte,

war am 23.1.2008. Der BGH hat dieses verneint.

Der Sachverhalt der vorliegenden Entscheidung ist typisch und wird in der Zukunft die

Regel sein. Denn das Datum der Hauptversammlung lag so, dass sie erst kurz nach

der Eintragung des Squeeze-outs ins Handelsregister abgehalten wurde. Ob dies

reiner Zufall war oder nicht, kann unentschieden bleiben. Allerdings wird man nicht

verkennen können, dass den beteiligten Gesellschaften insoweit bezüglich der

Reihenfolge der Daten ein gewisser Einfluss gegeben ist.

1 BGHZ 189, 261 – 274; ZIP 2011, 1097; DB 2011, 1385; AG 2011, 514; BB 2011, 1742.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 4

II. Steht der Ausgleich für die Zeit vom 1.7.2006 – 12.11.2007 den außenstehenden

Aktionären zu oder dem Hauptaktionär?

Die Entscheidung des BGH berührt die aus Sicht des Autors zentrale Frage, ob es

angemessen ist, den außenstehenden Aktionären für die Zeit vom 1.7.2006 –

12.11.2007 noch den Anspruch auf Ausgleich zu gewähren oder ob der Ausgleich für

diese Zeit der Hauptaktionärin zusteht, nur am Rande. Die Entscheidung stellt nur fest,

dass sich aus dem Vertrag ergibt, welche Rechte die außenstehenden Aktionäre

haben, soweit nicht gesetzliche Mindestbestimmungen einzuhalten sind2. Der

gesetzliche Mindestausgleich ist in § 304 AktG geregelt. Danach muss der Ausgleich

angemessen sein. Aus Sicht des Unterzeichners kann dies nichts anderes bedeuten

als dass der Ausgleich der Höhe nach angemessen sein muss und dass die Zeit, für

die er gezahlt wird, d. h. Anfang und Endzeitpunkt, ebenfalls das Erfordernis der

Angemessenheit erfüllen muss3. Es gibt eine Reihe indirekter Hinweise in der

Entscheidung, dass auch der BGH davon ausgeht, dass für den genannten Zeitraum

der Ausgleich nicht dem Hauptaktionär gebührt, sondern den außenstehenden

Aktionären. Als solchen Hinweis wertet der Unterzeichner die Tatsache, dass der BGH

die Frage erörtert, dass der Ausgleich für die fragliche Zeit im Börsenkurs enthalten sei

und dass der Ausgleich für die fragliche Zeit auch im Ertragswert enthalten sei. Diese

Erörterungen wären unnötig, wenn der BGH von vornherein davon ausgeht, dass

den außenstehenden Aktionären für die genannte Zeit ein Ausgleich gar nicht mehr

zusteht. Auch der Hinweis des BGH auf die Entscheidung des OLG Köln v. 8.10.20094

deutet in diese Richtung. In dieser Entscheidung wird besonderer Wert darauf legt,

dass im Falle des Squeeze-outs die außenstehenden Aktionäre eine volle

Entschädigung erhalten und dass notfalls die gezahlte Squeeze-out-Abfindung den

geschuldeten Ausgleich mitenthalten muss.

Hätte der BGH die genannte Frage vorab entschieden, dann wären die weiteren

Fragen sehr viel leichter zu beantworten gewesen. Hätte er die Frage verneint, dann

hätte es weiterer Untersuchungen nicht bedurft. Es käme für dieses Verfahren nicht

darauf an, ob im Börsenkurs oder im Ertragswert eine vollständige oder teilweise

Ausgleichszahlung erfasst ist. Das wäre dann ein Problem der Ermittlung der Höhe der

Abfindung, gegebenenfalls wäre der Börsenkurs oder der Ertragswert zu korrigieren.

Hätte er sie bejaht, so wäre nur noch zu prüfen gewesen, welchem außenstehenden

Aktionär im Falle des Besitzwechsels während dieser Zeit der Ausgleich zusteht und in

welcher Form er zu gewähren ist.

2 Vgl. BGH a.a.O. Rn 19. 3 Auch in der Literatur fokussiert sich die Diskussion auf die Frage, welche rechtlichen

Argumente zur Begründung der verschiedenen Lösungen zur Verfügung stehen, nicht

darauf, welche Antwort wirtschaftlich richtig erscheint (vgl. Emmerich in

Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. § 304 Rn. 21 a und 75; Veil in

Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 37; Mennicke/Leyendecker, BB 2010, 1426;

Bödeker/Fink, NZG 2010, 296; a.A. Dreier/Riedel, BB 2009, 1822; Meilicke, AG 2010, 561;

Wackerbarth, EWiR 2010, 377; für die Zeit bis zum Übertragungsbeschluss Koppensteiner in

KK-AktG, 3. Aufl., § 327b Rn. 7). 4 OLG Köln v. 8.10.2009 – 18 U 57/09, AG 2010, 336.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 5

Der Ausgleich ist Ersatz für den Verlust des Gewinnbezugsrechtes und für die

Beeinträchtigung der aus der Mitgliedschaft folgenden Herrschaftsrechte. Der Verlust

des Gewinnbezugsrechtes erfasst die volle Zeit bis zum Tage der Eintragung des

Squeeze-outs. Gleiches gilt für die Beeinträchtigung der Herrschaftsrechte, auch

wenn in dieser Zeit nur eine Hauptversammlung stattgefunden hat, nämlich diejenige

ca. ein Jahr vor Eintragung des Squeeze-outs.

Abzuwägen ist daher, ob es angemessen ist, dass der Hauptaktionär den Gewinn

des Geschäftsjahres vom 1.7.2006 – 30.6.2007 an sich abführt und dann auch an-

schließend noch den Ausgleich zusätzlich kassiert, der am 23.1.2008 für diesen

Zeitraum gezahlt wird. Die außenstehenden Aktionäre erhalten im Vergleich dazu

keinerlei wie auch immer geartete Vergütung für den genannten Zeitraum, wenn

man die Frage verneint, dass die außenstehenden Aktionäre in Form von einer

erhöhten Abfindung, oder in Form von Zinsen eine Ersatzleistung bekommen.

Sieht man diese Frage unter diesem Gesichtspunkt, dann käme es auf die Frage,

wann der Ausgleich fällig wird, im Normalfall nicht an. Es könnte ruhig dabei bleiben,

dass der Ausgleich jeweils fällig wird am Tage der Hauptversammlung im Folgejahr,

so wie die Dividende. Man müsste dann lediglich die Frage prüfen, ob im Falle der

Beendigung des Unternehmensvertrages durch Squeeze-out die Gesellschaft

verpflichtet ist, nach der nächsten regulären Hauptversammlung an die

Abfindungsempfänger den anteiligen Ausgleich für die offene Zeit zu bezahlen.

Wenn die Angemessenheit der Ausgleichsregelung dies erfordert, dann muss diese

gezahlt werden, unabhängig davon, ob es im Vertrag vorgesehen ist oder nicht. Wie

der BGH zu Recht ausführt, ist der Vertrag zu ergänzen, soweit er die gesetzlichen

Mindestanforderungen nicht beinhaltet.

Der BGH hat Recht, dass in den Verträgen und so auch hier zwar eine Klausel für die

unterjährige Beendigung des Gewinnabführungsvertrages enthalten ist. Fast alle

Verträge sehen für diesen Fall vor, dass ein anteiliger Ausgleich zu zahlen ist. Es ist

formal auch richtig, dass dieser Fall für den Squeeze-out nicht gilt, weil der

Unternehmensvertrag fortbesteht. Wirtschaftlich gesehen sind aber beide Fälle für

den außenstehenden Aktionär völlig identisch. Aus Sicht des Unterzeichners hätte

sich der BGH intensiver mit der Frage auseinander setzen müssen, was unter dem

Gesichtspunkt der Angemessenheit hätte vereinbart werden müssen, nicht so sehr

mit der Frage, was vereinbart worden ist.

Letzteres lag deshalb nahe, weil in der Literatur von namhafter Seite die Meinung

vertreten wird, dass unabhängig von der Fälligkeit in den hier diskutierten Fällen die

außenstehenden Aktionäre Anspruch haben auf Ausgleich für die gesamte Zeit bis

zum Tage der Eintragung des Squeeze-outs im Handelsregister5. Von dieser Seite wird

weiterhin die Meinung vertreten, dass eine abweichende Meinung im

Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag unzulässig ist6. Dies wird damit

5 So Paulsen in Mü-Ko AktG 3. Aufl. § 304 Rn 135. 6 So Paulsen in Mü-Ko AktG 3. Aufl. § 304 Rn 136.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

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begründet, dass die Verkürzung der Abfindung für den strittigen Zeitraum zu einer

Unangemessenheit der Abfindung führt. Es soll daher im Folgenden überprüft

werden, welche Argumente für die BGH-Entscheidung sprechen und welche

Argumente für die geschilderte Literaturmeinung angeführt werden können.

II. Freiwillige Veräußerung und Squeeze-out vergleichbar?

Der BGH stützt seine Entscheidung u. a. auf die Überlegung, dass der Ausgleich als

Ersatz für die Dividende in der Rechtsprechung gesehen wird und daher der

Ausgleichsberechtigte keinen Anspruch darauf hat, besser gestellt zu werden wie der

Dividendenempfänger der abhängigen Gesellschaft7. Diese Argumentationskette

berücksichtigt aus Sicht des Unterzeichners folgende Punkte nicht:

Praktisch jeder Kleinaktionär kauft eine Aktie in der Hoffnung, sie eines Tages wieder

mit Gewinn verkaufen zu können. Die Parteien des Unternehmensvertrages haben

das gegenteilige Ziel, die Aktie dem außenstehenden Aktionär möglichst billig

abzunehmen. Die vorliegende Entscheidung eröffnet dazu weitere Gestaltungs-

möglichkeiten.

Die zu besprechende Entscheidung bekennt sich zu der langjährigen Recht-

sprechung des BGH, dass während der Dauer des Unternehmensvertrages jeder

außenstehende Aktionär einen Anspruch auf den jährlichen Ausgleich hat8. Nimmt

man das wörtlich, dann muss sichergestellt werden, dass die Summe aller

Ausgleichszahlungen der Dauer des Unternehmensvertrages entspricht.

Die Problematik besteht nun darin, dass die Ausgleichszahlung oder Dividende nicht

wie ein Zinscoupon auf täglicher Basis abgerechnet wird, sondern jeweils im

Folgejahr für das vorangegangene Jahr an einem bestimmten Stichtag ausgezahlt

wird. Bei einer freiwilligen Veräußerung ist dies kein Problem, denn jeder kann sich frei

entscheiden, ob er die Aktie vor dem Stichtag, an dem die Dividende fällig ist,

verkaufen möchte oder lieber erst danach. Er wird dies von seinen jeweiligen

Kurserwartungen abhängig machen. Im Falle des Squeeze-outs hat der außen-

stehende Aktionär keinen Einfluss, weder auf die Tatsache, dass ein Squeeze-out

beschlossen wird noch auf die Tatsache, wann er eingetragen wird. Hier bestimmt

die Antragsgegnerin, zu welchem Zeitpunkt die Wegnahme der Aktie erfolgt.

Deshalb ist diese Situation keineswegs vergleichbar mit der des Aktionärs, der seine

Entscheidung zum Veräußerungszeitpunkt frei wählen kann. Darauf geht die

Entscheidung nicht näher ein.

7 OLG Köln NZG 2010, 225; OLG Hamm BB 2010, 2199; zustimmend Bödeker/Fink NZG 2011, 816

(817); dieselben NZG 2010, 296 (297); Mennicke/Lyendecker BB 2010, 1426 ff; a.A.

Dreier/Riedel; BB 2009, 1822 (1824); Wackerbarth EWiR 2010, 310; Müller-Michaels BB 2011,

1744 (1745). 8 Vgl. Rn 11 m.w.N.

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Es liegt nahe, die Frage zu prüfen, ob nicht an der nächsten Hauptversammlung der

Ausgleich für den strittigen Zeitraum bis zur Eintragung des Squeeze-outs gezahlt

werden muss, um die gesamt Periode der Dauer des Vertrages abzudecken. Um

erkennen zu können, ob die Summe der Ausgleichszahlungen den gesamten

Zeitraum der Gültigkeit des Unternehmensvertrages abdeckt, ist zu fragen, wann und

für welche Zeit die erste Ausgleichszahlung erfolgte. Die Antwort ist eindeutig. Der

erste Ausgleich wird nach der Hauptversammlung gezahlt, die nach dem ersten

Geschäftsjahr angefallen ist, in dem der Unternehmensvertrag wirksam geworden ist.

Beim Gewinnabführungsvertrag ist die Rückwirkung auf den Beginn des

Geschäftsjahres, in dem der Gewinnabführungsvertrag durch Eintragung im HR

wirksam geworden ist, nicht nur steuerlich9, sondern nach h. M. auch

gesellschaftsrechtlich zulässig10. Die Rückbeziehung ist in der Praxis der Regelfall. Beim

Beherrschungsvertrag ist die Rückwirkung gesellschaftsrechtlich nicht zulässig. Das

Weisungsrecht beginnt erst mit Eintragung des Vertrages im HR. Aber auch hier wird

die erste Ausgleichszahlung im Folgejahr bezahlt für das vorangegangene

Geschäftsjahr. In der Zeit danach erfolgt beim Gewinn-abführungs- wie auch beim

Beherrschungsvertrag die Zahlung stets im Nachhinein für das vorangegangene

Geschäftsjahr.

Wird dann der Ausgleich für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr und den

Teilabschnitt des laufenden Geschäftsjahres bis zur Eintragung des Squeeze-outs

nicht bezahlt, dann ist ein wesentlicher Teil der Laufzeit des Vertrages nicht von der

Ausgleichszahlung abgedeckt. Der BGH sieht dies wohl ähnlich. Ohne es

ausdrücklich auszusprechen, wofür er einen Ersatz sucht, prüft er jedoch, wie die

empfundene Lücke zu schließen ist. Er meint, was fehlt steckt in der Abfindung,

unabhängig ob diese aus dem Börsenkurs abgeleitet wurde oder aus dem

Ertragswert.

Zu berücksichtigen ist auch die Tatsache, dass im Normalfall der Aktionär das, was

ihm am Ende aller Tage an Dividende fehlt, weil die Dividende immer erst mit

Verzögerung ausgezahlt wird, spätestens bei der Liquidation der Gesellschaft als

Liquidationserlös erhält. In der vorliegenden Situation ist dies anders, da der Aktionär

mit dem Squeeze-out endgültig ausscheidet und keine weiteren Zahlungen zu er-

warten hat.

III. Höhere Abfindung als Ersatz für Ausgleich?

Es ist der Entscheidung zu entnehmen, dass der BGH den Anspruch auf den noch

nicht fälligen Ausgleich auch deshalb verneint, weil er davon überzeugt ist, dass der

außenstehende Aktionär das ihm Zustehende automatisch erhält, weil die fehlende

Ausgleichszahlung für das vorangegangene Geschäftsjahr und für das anteilige

9 Vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG. 10 BGHZ 122, 211 (223), OLG Düsseldorf AG 1996, 473 (474), MüKo AktG/Altmeppen § 291 Rn

144.

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laufende Geschäftsjahr jeweils in der Abfindung für den Squeeze-out enthalten ist

oder zumindest enthalten sein sollte11.

1. Austauschbarkeit von Abfindung und Ausgleich

Diese Überlegung setzt voraus, dass Ausgleich und Abfindung untereinander

austauschbar sind, sodass eine entsprechend höhere Abfindung eine fehlende

Ausgleichszahlung ersetzen kann. Diese Austauschbarkeit ist aber nicht gegeben12.

Denn der Ausgleich steht dem Fruchtziehungsberechtigten zu. Dies betont der BGH

in der Entscheidung selbst13. Demgegenüber gebührt die Abfindung dem Inhaber

des Stammrechtes. Diese genannten Berechtigungen fallen im Normalfall

zusammen, aber schon beim Nießbrauch an der entsprechenden Aktie besteht das

Fruchtziehungsrecht dem Nießbraucher zu, während das Stammrecht beim

Nießbrauchgeber verbleibt. Gerade im Zusammenhang mit Vor- und Nacherbschaft,

Verpfändungen etc. ist das Auseinanderfallen von Stammberechtigten und Frucht-

ziehungsberechtigten häufig bei Aktien. Deshalb ist darauf zu achten, dass jeder das

seine erhält. Eine Austauschbarkeit ist nicht gegeben.

Eine Austauschbarkeit von Abfindung und Ausgleich verbietet sich zumindest in

Altfällen wie Wella auch aus steuerlichen Überlegungen. Nach dem Halb-

einkünfteverfahren werden Ausgleich und Kursgewinne völlig unterschiedlich

besteuert.

Die Überlegung, dass fehlende Teile des Ausgleiches abgegolten werden durch eine

entsprechend höhere Abfindung nach dem Unternehmensvertrag oder für den

Squeeze-out, wirft eine Reihe weiterer Probleme auf: Wie erhalten diejenigen

Aktionäre die volle ihnen zustehende Gesamtvergütung, wenn sie gezwungen

waren, ihre Anteile noch vor der endgültigen Festsetzung der Abfindung zu

veräußern. Sie haben keinen Anteil an dem in der Abfindung angeblich enthaltenen

Mehrbetrag. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die endgültige volle Abfindung oft

erst nach mehr als einem Jahrzehnt feststeht. Solange dauern oft Spruchverfahren.

Die Formel, dass durch die Abfindung alles nachgeliefert werden muss, was eventuell

vorher an Ausgleichszahlungen fehlt, bringt für viele Personengruppen keine Lösung.

Ist eine Bank verpflichtet, einen entsprechenden Kunden auf die geschilderte

Problematik hinzuweisen, um ihn vor Schaden zu bewahren?

2. Ausgleich im Aktienkurs enthalten?

Bewertungsstichtag für die Festsetzung der Höhe der Abfindung wegen des Squeeze-

outs war im vorliegenden Fall der 13./14.12.2005. Die Verzögerung vom Bewertungs-

stichtag (= HV, auf der der Squeeze-out beschlossen wurde) bis zur Eintragung war

bedingt durch eine Anfechtungsklage. Demzufolge richtete sich die Mindest-

11 Vgl. Rn 24. 12 Im Ergebnis a. A. OLG Köln NZG 2010, 225. 13 So auch ausdrücklich der BGH Rn 9.

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SpruchZ 2012 Seite 9

abfindung nach dem maßgeblichen Börsenpreis im Vorfeld zu diesem Stichtag. Die

Entscheidung meint nun, dass bei der Bemessung der Abfindung nach dem

Börsenkurs die strittigen Ausgleichsbeträge im Börsenwert eingepreist sind und damit

durch die Abfindung für den Squeeze-out abgegolten sind. Strittig sind im vor-

liegenden Fall die Ausgleichszahlungen für den Zeitraum vom 1.7.2006 bis zum

30.6.2007 (vorangegangenes Geschäftsjahr) und vom 1.7.2007 bis zum 12.11.2007

(laufendes Geschäftsjahr bis zur Eintragung des Squeeze-outs). Leider gibt die

Entscheidung keinerlei Begründung dafür, weshalb im Börsenkurs im Vorfeld vom

13./14.12.2005 die auf die Zeit vom 1.7.2006 bis zum 12.11.2007 entfallenden

Ausgleichszahlungen bereits eingepreist sein sollen. Nach bisheriger Auffassung sind

im Börsenkurs allerhöchstens anteilige, der Vergangenheit zuzurechnende

Dividenden- oder Ausgleichsbestandteile enthalten, ähnlich der Berechnung der

Zinsansprüche von Anleihen, nicht aber zukünftige zu erwartende Zahlungen.

Worauf der BGH wahrscheinlich abzielt, ist Folgendes: Der Börsenkurs am

Bewertungsstichtag für die Squeeze-out-Abfindung, d.h. am 13./14.12.2005, kann

beeinflusst sein von der Tatsache, dass am nächsten Tag der Ausgleich für das voran-

gegangene Geschäftsjahr fällig wird. Dieser Ausgleich steht aber den außen-

stehenden Aktionären zu, da sie in der Vergangenheit Aktionäre waren. Diese

Zahlung ist der Ausgleich für das entgangene Gewinnbezugsrecht des

abgeschlossenen letzten Geschäftsjahres. Denn bereits der erste Ausgleich wird

immer im Nachhinein für das vorangegangene Geschäftsjahr bezahlt (siehe oben).

Der Gedanke einer solchen Verrechnung der eventuellen Überhöhung der Squeeze-

out-Abfindung mit der fehlenden Ausgleichszahlung verbietet sich auch deshalb,

weil auch der BGH den Ausgleich des Jahres 2006/2007 problemlos zugesprochen

hätte, wenn die Eintragung des Squeeze-outs nur einige Wochen später erfolgt wäre.

Die Frage, ob eventuell der Börsenkurs zum 13./14.12.2005 zu hoch war, wäre im

Zusammenhang mit dem Ausgleich gar nicht aufgetaucht. Ein geringfügig

unterschiedlicher Zeitpunkt der Eintragung des Squeeze-outs kann nach Ansicht des

Unterzeichners nicht dazu führen, dass der Fruchtziehungsberechtigte den Ausgleich

für ein ganzes Jahr weniger erhält, als wenn die Eintragung einige Wochen früher

erfolgt ist. Im Extremfall würde es ja nur um eine Differenz des Eintragungsdatums von

einem Tag gehen.

Wenn man davon ausgeht, dass in dem Börsenkurs vom 13./14.12.2005 eine

korrekturbedürftige Erwartung eines Ausgleichs für das vorangegangene

Wirtschaftsjahr eingepreist ist, dann muss man, um die Abfindung zu bestimmen,

diese Ausgleichserwartungen aus dem Kurs herausrechnen, um die angemessene

Abfindung zu bestimmen. Es handelt sich insoweit nicht um ein Problem der

Festsetzung des Ausgleiches vom 1.7.2006 bis zum 12.11.2007. Dies war auch die

bisherige Sichtweise der Rechtsprechung, soweit sie davon ausging, dass der Börsen-

preis für die Abfindung durch Erwartungen auf den Ausgleich verzerrt gewesen ist14.

14 Vgl. LG Stuttgart v. 21.4.2008 – 34 AktE 5/05 KfH, zweifelnd jedoch OLG Stuttgart v.

14.09.2011 – 20 W 7/08, ablehnend OLG Stuttgart AG 2010, 510 m.w.N.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 10

Wenn man der hier vertretenen Meinung folgt, dass eine eventuelle Verzerrung des

Kurses am Bewertungsstichtag nichts mit der Bestimmung des Ausgleichs zu tun hat,

braucht man für die Bestimmung des Ausgleichs auf die Frage, ob und in welcher

Höhe eine Verzerrung vorliegt, nicht eingehen. Da der BGH dies aber anders sieht, sei

folgender Hinweis erlaubt: Die Entscheidung verweist ausdrücklich auf die Stollwerk-

Entscheidung15. Gemäß der Stollwerk-Entscheidung ist nicht auf den Börsenkurs drei

Monate vor dem Bewertungsstichtag abzustellen, sondern auf den Kurs, der sich

ergibt aus den gewichteten durchschnittlichen Börsenkursen vor Ankündigung des

Squeeze-outs. Das war im Falle Wella die Zeit vom 8.6.2005 bis zum 7.9.2005. Eine

Einpreisung des vollen Ausgleichsanspruchs in diesen Kursen ist nicht zu erwarten, da

mit einer Zahlung ja erst auf der Hauptversammlung des Folgejahres gerechnet

werden konnte.

Man muss dabei sehen, dass es sich bei der angeblichen Einpreisung der zu

erwartenden nächsten Ausgleichszahlung um ein theoretisches Modell handelt, dass

mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Schon vor dem hier maßgebenden

Referenzzeitraum zur Ermittlung des Börsenkurses zur Bestimmung der Abfindung war

in der Literatur16 eine lebhafte Debatte im Gange, ob es unter den hier vorliegenden

Umständen noch eine anteilige Ausgleichszahlung gibt. Börsenteilnehmer, die mit

einem Squeeze-out rechneten, haben daher bei der "Einpreisung" wegen dieses

Risikos Abstriche gemacht.

Hinzu kommt, dass die Stollwerk-Entscheidung durch die Vorverlegung des Referenz-

zeitraumes für die Berechnung des maßgeblichen Börsenkurses dem Hauptaktionär

die Möglichkeit gibt, sich nachträglich für einen Zeitraum zu entscheiden, in dem die

Aktienkurse besonders niedrig lagen. Wer es nicht besonders eilig hat, kann daher in

Ruhe abwarten, bis die Kurse sich dorthin entwickelt haben, wo der Squeeze-out

besonders billig zu haben ist. Die maßgeblichen Kurse sind naturgemäß beeinflusst

durch die Informationspolitik der Gesellschaft. Dies betrifft sowohl die zeitlichen

Aspekte der Veröffentlichungen wie auch die Textgestaltung (halb leeres Glas/halb

volles Glas). Diese Gestaltungsmöglichkeit sollte man nicht unterschätzen. All dies

führt zu besonders niedrigen Durchschnittskursen am Bewertungsstichtag. Die

Vorstellung, dass in diesem noch ein anteiliger Ausgleichsposten für die Abfindung

enthalten ist, ist nicht nachvollziehbar.

Sicher ist eines, dass nach der Entscheidung des BGH die Börsenteilnehmer in Zukunft

wissen, dass sie voraussichtlich für das letzte abgelaufene Wirtschaftsjahr und für die

nächsten 8 Monate des Folgejahres keine Ausgleichszahlung erhalten werden, da es

in der Regel den Gesellschaften gelingt, das Timing von Hauptversammlung und

Eintragung des Squeeze-outs so zu steuern, dass eine Ausgleichszahlung für das letzte

abgeschlossene Wirtschaftsjahr und das laufende Wirtschaftsjahr nicht zu zahlen ist.

Damit scheidet aber auch eine Einpreisung einer erwarteten Ausgleichszahlung aus.

Denn die Börsenteilnehmer zahlen nur für Dividenden bzw. Ausgleichszahlungen, die

15 Vgl. BGHZ 186, 229. 16 S. Anm. 3 a; ähnlich wie hier: Müller-Michaels BB 2011, 1744 (1745).

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 11

mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Die Rechtsprechung muss sich

bewusst sein, dass sie mit ihren Entscheidungen auch die künftigen Börsenkurse

bestimmt, sodass in Zukunft das Argument, dass der Ausgleich in den Börsenpreisen

enthalten ist, nicht mehr zutreffen kann.

3. Ausgleichsanspruch als Teil des Ertragswertes

Die Entscheidung postuliert, dass die Abfindung auch dann die Entschädigung für

die fehlenden Ausgleichszahlungen enthält, wenn sie nach der Ertragswertmethode

ermittelt worden ist17. Darüber hinaus geht die Entscheidung auf diese Feststellung

nicht weiter ein, da im vorliegenden Fall für den Squeeze-out die Abfindung auf der

Basis des Börsenkurses festgesetzt wurde von der Beklagten. Das Spruchverfahren ist

noch in I. Instanz beim LG anhängig. Ob das Gericht den Ertragswert eventuell über

den Börsenkurs anhebt, ist nicht abzusehen. Sollte dieser Fall eintreten, dann käme es

darauf an, ob der Ausgleich im Ertragswert enthalten ist.

Unklar ist, wie die fehlenden Ausgleichszahlungen für die Zeit vom 1.7.2006 bis zum

12.11.2007 Eingang in die Ertragswertberechnung gefunden haben sollen. Der

Bewertungsgutachter hat die Planerträge der Jahre 2005/2006 bis 2010/2011 für

jedes Jahr in der gleichen Weise ermittelt.

Die angebliche Doppelerfassung soll sich nach den Ausführungen in der Literatur18

aus folgendem Gesichtspunkt ergeben:

"Die tatsächliche Zahlung des Ausgleiches für das erste Planjahr führt zu einem

Liquiditätsabfluss, den der Bewertungsgutachter nicht berücksichtigen konnte, weil er

nicht wusste, ob es zu dieser Zahlung kommt oder nicht."

Diese in der Literatur vertretene Meinung kann heutzutage nicht mehr als Be-

gründung der Einpreisung der fehlenden Ausgleichsbeträge in den Erwerbspreis

herangezogen werden. Denn spätestens seit Inkrafttreten des SpruchG ist durch § 5

Nr. 1 SpruchG entschieden, dass die Obergesellschaft Schuldner des Anspruches auf

Ausgleichzahlung ist19. Da die abhängige Gesellschaft nicht Schuldner der Aus-

gleichszahlung ist, kann es bei ihr keinen Liquidationsabfluss geben. Soweit in

einzelnen Unternehmensverträgen vorgesehen ist, dass der Ausgleich von der

Gesellschaft zu leisten ist, so tut sie dies stets nur auf Rechnung der Obergesellschaft,

sodass sie diese Auslagen ersetzt bekommt.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass die oben erwähnte Begründung der Literatur in

aller Regel nur Korrekturen des Ertragswertes im Bereich weniger Prozent zur Folge

haben kann. Dies hängt damit zusammen, dass die Zahl der außenstehenden Aktien

beim Squeeze-out immer unter 5 % liegt, meist in einer Höhe zwischen 1 % und 2 %.

17 Vgl. Rn 24. 18 Vgl. Popp AG 2010, 3. 19 Vgl. Meilicke in Heidel Aktienrecht 3. Aufl. § 304 Rn 8 m.w.N.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 12

Die darauf entfallende Verzinsung führt zu einem Betrag, der in aller Regel im

Unschärfebereich jeder Unternehmensbewertung liegt.

Der BGH übersieht bei seiner Überlegung, der Ausgleich des vorangegangenen

Jahres könnte im Ertragswert enthalten sein, Folgendes: Im Falle des

Unternehmensvertrages wird der Gewinn des vorangegangenen Jahres an dessen

Ende in vollem Umfange abgeführt an die Obergesellschaft. Damit steht für die

Unternehmensbewertung ein ganzer Jahresgewinn weniger zur Verfügung.

Entsprechend niedriger fällt der Ertragswert aus20. Anders ist es allerdings, wenn kein

Unternehmensvertrag besteht: Ohne Unternehmensvertrag bleibt der ganze Gewinn

sowohl des Vorjahres als auch der anteilige Gewinn des laufenden Jahres bis zum

Bewertungsstichtag im Unternehmen, wenn der Squeeze-out-Beschluss vor der

Hauptversammlung gefasst wird.

Dies zeigt, dass insoweit zwischen Unternehmensverträgen mit Gewinnabführung und

reinen Beherrschungsverträgen unterschieden werden müsste, wenn sich die

Sichtweise des BGH durchsetzt.

Der BGH sah keinen Anlass, sich mit der Problematik weiter zu beschäftigen. Deshalb

wird man abwarten müssen, wie er entscheiden wird, wenn er aufgerufen ist, einen

Fall zu entscheiden, in dem es tatsächlich auf die Frage ankommt, ob im Ertragswert

bereits Ausgleichszahlungen enthalten sind.

IV. Berücksichtigung eines vorangegangenen Anfechtungsverfahrens

Am Ende meint die Entscheidung, es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben,

dass nicht der Hauptaktionär, sondern die anfechtenden Aktionäre die Verzögerung

zu verantworten haben21. Es ist nicht erkennbar, in welcher Weise dies erfolgen soll.

Wäre gemeint – wovon der Unterzeichner nicht ausgeht – dass dies zum Nachteil der

außenstehenden Aktionäre berücksichtigt werden könnte, so stellen sich folgende

Fragen: Ist es angemessen, jemandem Nachteile in einem anderen Rechtsstreit

zuzufügen, weil er gesetzlich geregelte Rechtsbehelfe wahrgenommen hat? Weiter

würde sich die Frage ergeben, warum die Vielzahl der außenstehenden Aktionäre,

die keinerlei Kontakt haben zu dem oder den Anfechtungsklägern, auch davon

betroffen sein sollen. Sie haben keinerlei Einfluss auf die ohne ihr Wissen

durchgeführten Anfechtungsverfahren.

V. Andienung der Aktien vor Eintragung des Übertragungsbeschlusses

Die zu besprechende Entscheidung verweist die Kläger auf die Möglichkeit, ihre

Aktien der Obergesellschaft vor Eintragung des Squeeze-outs anzudienen22. Die

20 Vgl. OLG Köln v. 8.10.2009 – 18 U 57/09, AG 2010, 136; Meilicke, AG 2010, 561 (564). 21 Vgl. Rn 29. 22 Vgl. Rn 29.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 13

Annahme der Abfindung aus dem Squeeze-out ist vor der Eintragung nicht möglich.

Gemeint ist daher die Abfindung aus dem Unternehmensvertrag.

Diese Möglichkeit ist in vielen Fällen mit erheblichen Nachteilen für den betroffenen

Aktionär verbunden. Vor allem, wenn zwischen Bewertungsstichtag des Unter-

nehmensvertrages und Bewertungsstichtag des Squeeze-outs ein langer Zeitraum

liegt (z. B. 30 oder 40 Jahre), so ist die Abfindung nach dem Squeeze-out um ein

Vielfaches höher als die Abfindung aus dem Unternehmensvertrag. Die Verweisung

auf die Annahme der Abfindung aus dem Unternehmensvertrag ist daher für den

betroffenen Aktionär nicht sehr hilfreich.

VI. Entscheidung über die Dauer der Zahlung des Ausgleichs und der Verzinsung im

Spruchverfahren

Es ist davon auszugehen, dass die vorliegende Entscheidung des BGH die Diskussion

des Themas nicht beenden wird. Es ist in diesem Zusammenhang zu überlegen, ob

bei der in der Diskussion vorherrschenden engen Verbindung zwischen Ausgleich und

Abfindung und Verzinsung nicht auch die Frage, für welche Zeiträume der Ausgleich

gegebenenfalls ergänzt durch eine Verzinsung geschuldet wird, in das

Spruchverfahren gelegt werden sollte23. Der Sachverständige des Spruchverfahrens

kann am schnellsten und zuverlässigsten klären, ob die fehlenden

Ausgleichszahlungen im Unternehmenswert "eingepreist" sind oder nicht. Das Gesetz

sieht hier keine Abgrenzung vor. Nach Ansicht des Unterzeichners ist die

Angemessenheit des Ausgleiches und der Verzinsung nicht nur definiert durch die

zahlenmäßige Höhe, sondern auch durch den Zeitraum, für den dieser Ausgleich

und/oder eine Verzinsung zu zahlen ist, soweit dies für alle Aktionäre strittig ist.

Insoweit besteht eine Streitgenossenschaft für alle Aktionäre, die nur einheitlich

entschieden werden kann.

Bedauerlicherweise verzichten die meisten Spruchgerichte auf eine Aussage zur

Verzinsung mit dem Hinweis, dass diese sich aus dem Gesetz ergäbe. Dies führt dazu,

dass Fragen über die Dauer der Ausgleichs- und oder Zinszahlungen nur durch

Leistungsklagen jedes einzelnen betroffenen Aktionärs geklärt werden können. Aus

Sicht der Antragsgegnerin im Spruchverfahren ist dies zu begrüßen: Die inter-omnes-

Wirkung der Entscheidung des Spruchverfahrens greift dann insoweit nicht. Die Zahl

der Anspruchsteller sinkt dadurch erheblich. Im vorliegenden Fall führt dies zu dem

Ergebnis, dass der BGH bereits über die Frage nachdenkt, ob die Ausgleichszahlung

im Ertragswert oder Börsenwert enthalten ist, bevor überhaupt der angemessene

Börsenwert bzw. Ertragswert gerichtlich festgestellt wurde.

23 Ebenso Meilicke, AG 2010, 561 (565).

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 14

VII. Anspruch auf Zinsen

Die aufgrund des Unternehmensvertrages geschuldete Abfindung ist nach § 305 Abs.

3 Satz 3 AktG zu verzinsen mit früher 2 %, jetzt 5 % über dem Basiszinssatz. Der BGH hat

entschieden, dass es nicht sein kann, dass der Gesetzgeber zusätzlich zum Ausgleich

eine volle Verzinsung dem außenstehenden Aktionär gewähren wollte und hat

deshalb die Verrechnung der entfallenden Ausgleichszahlung mit den

Abfindungszinsen vorgeschrieben24. Das Verhältnis zwischen Ausgleich und

Abfindungszinsen hat der BGH in weiteren Entscheidungen dahingehend präzisiert,

dass dem Aktionär der jeweils höhere Betrag für jedes Geschäftsjahr zusteht, je

nachdem, ob dies der Ausgleich oder die Zinsen sind25. In diesem Zusammenhang

hat der BGH betont, dass Ausgleich und Verzinsung dem selben Ziel dienen, für den

jeweiligen Referenzzeitraum eine angemessene Fruchtziehung zu ermöglichen.

Bei dieser Sachlage überrascht es, dass der BGH die Verzinsung nach § 305 Abs. 3

Satz 3 AktG in seiner Entscheidung gar nicht anspricht. Wahrscheinlich ist dies

dadurch bedingt, dass die Kläger keine Verzinsung verlangt haben.

Die Verzinsung hat für die vorliegenden Fälle den Vorteil, dass sie pro rata temporis

erfolgt. Anders als Dividenden und Ausgleich werden Zinsen nicht erst am Datum der

HV fürs vorangegangene Geschäftsjahr fällig, sondern werde laufend taggenau

ermittelt.

Die Problematik der Verzinsung liegt nun aber darin, dass die Abfindung für den

Squeeze-out nach dem Gesetz erst zu verzinsen ist ab Eintragung des Squeeze-out im

Handelsregister. Die Verzinsung des Abfindungsanspruches lt. Squeeze-out beginnt

erst am Tage, an dem der hier diskutierte Zeitraum endet.

Der Aktionär hat aber bei der hier interessierenden Konstellation auch einen

Anspruch auf die Abfindung aus dem vorhergegangenen Unternehmensvertrag, da

das Spruchverfahren nach dem Unternehmensvertrag noch läuft. Soweit sich der

Aktionär für die Annahme des Abfindungsangebotes nach dem Unternehmens-

vertrag entscheidet, steht ihm unstrittig die Verzinsung dieser Abfindung bis zum Tage

der Zahlung des Abfindungsbetrages zu.

Meistens ist die Abfindung nach dem Unternehmensvertrag niedriger als die

Abfindung aus dem Squeeze-out. Es besteht daher ein lebhaftes Interesse des

betoffenen Aktionärs, die Verzinsung der Abfindung nach dem Unternehmensvertrag

auch dann in Anspruch nehmen zu können, wenn er sich letztendlich für die

Abfindung nach dem Squeeze-out entscheidet.

Der Gedanke einer Verzinsung auf der Basis der Abfindung für den

Unternehmensvertrag, auch dann, wenn diese Abfindung nicht angenommen wird,

24 BGH v. 16.9.2002 – II ZR 284/01 (Rütgers AG) = BGHZ 152,29. 25 Vgl. BGH v. 10.12.2007 – II ZR 199/06 = BGHZ 174,378.

Page 15: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 15

sondern stattdessen die Abfindung aus dem Squeeze-out angenommen wird, liegt

jedoch aufgrund der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des BGH nahe. Mit der

Jenoptik-Entscheidung26 hat der BGH entschieden, dass es sich beim

Abfindungsanspruch des einzelnen Aktionärs nicht um ein wertpapiermäßiges

Mitgliedschaftsrecht handelt, sondern vielmehr um einen schuldrechtlichen

Anspruch auf der Grundlage des Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungs-

vertrages gegen das herrschende Unternehmen. Dazu führt der BGH in der Jenoptik-

Entscheidung Folgendes aus:

"Das hat zur Folge, dass der Veräußerer mit der Übertragung der Aktie und der damit

verbundenen Beendigung seiner – bis dahin beeinträchtigten – Mitgliedschaft zu-

gleich das individuelle Abfindungsoptionsrecht verliert und statt seiner der Erwerber

der Aktie, sofern er zu dem (potentiellen) Kreis der Aktionäre gehört und deswegen

durch Beherrschungssituationen seines Mitgliedschaftsrechts betroffen sein kann,

wiederum eine eigene nicht abgeleitete Abfindungsbefugnis erlangt."

Dies wird in der Literatur dahingehend gedeutet, dass jeder Aktionär für die Dauer

seiner Besitzzeit den Anspruch auf den Ausgleich oder Dividende und/oder

Verzinsung hat. Bis zur Jenoptik-Entscheidung war angenommen worden, dass noch

nicht erfüllte Ansprüche oder Anwartschaften auf Dividenden oder Ausgleich

und/oder Verzinsung bei Verkauf als mitgliedschaftliche Rechte auf den Erwerber

übergehen. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zu dieser Frage noch nicht vor.

Folgt man den Stimmen in der Literatur27, dass der jeweilige Eigentümer

fruchtziehungsberechtigt ist für die Dauer seiner Eigentümerstellung an der Aktie und

dies auch den Anspruch auf die Zinsen beinhaltet, so wären den Klägern im Falle

Wella sowohl für das vorangegangene Geschäftsjahr wie auch für das laufende

Geschäftsjahr entsprechende Zinsen aufgrund des Unternehmensvertrages

zuzusprechen, soweit kein Anspruch auf Ausgleich bestand. Sie wären also im

Wesentlichen mit ihrer Forderung erfolgreich gewesen.

Auch praktische Überlegungen sprechen sehr dafür, den jeweiligen Eigentümer und

damit jedem Aktionär die Verzinsung für die Dauer seiner Eigentumsstellung

zuzusprechen. Denn im Falle Wella sind beide Spruchverfahren sowohl das wegen

des Unternehmensvertrages als auch das Spruchverfahren wegen des Squeeze-outs

nicht abgeschlossen. Die Aktienurkunden wurden nach allgemein üblicher Methode

ohne nähere Nachfrage aus dem Depot der Aktionäre ausgebucht. Da somit die

meisten Aktionäre noch keine Entscheidung getroffen haben, ob sie die Abfindung

aus dem Unternehmensvertrag oder die Abfindung nach dem Squeeze-out

annehmen wollen, steht noch gar nicht fest, wer den Anspruch auf Verzinsung hat,

wenn ausschließlich die Aktionäre, die sich für die Abfindung nach dem

Unternehmensvertrag entscheiden, Anspruch auf die Verzinsung haben. Eine solche

26 Vgl. BGH v. 8.5.2006 – II ZR 27/05 = NJW 2006, 3146. 27 Stephan in Schmidt Lutter Kom. z. AktG § 304 Rn 40; derselbe § 305 Rn 123; ebenso

Bungert/Bednarz BB 2000, 1865 (1866); a.A. LG Dortmund Urteil v. 22.9.2010 – 20 O 5/10 –

nicht rechtskräftig.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 16

Entscheidung kann aber schlechterdings von den Aktionären jetzt noch nicht

gefordert werden, da beide Spruchverfahren noch nicht abgeschlossen sind und sie

das Recht haben, zunächst das Ergebnis des jeweiligen Verfahrens zu kennen, bevor

sie eine Entscheidung abgeben für die Abfindung nach diesem Verfahren

entschädigt werden zu wollen.

VIII. Ergebnis

Wenn der Ausgleich für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr und/oder das

anteilige laufende Geschäftsjahr nicht bezahlt wird, weil die Aktionärstellung vor der

"Fälligkeit" dieser Zahlung endet, so ist die geschuldete Ausgleichszahlung nicht

vollständig erbracht.

Die Verrechnung dieser fehlenden Ausgleichszahlung mit einer Überkompensation

bei der Abfindungsleistung ist unzulässig.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in den Börsenkurs bzw. in den Ertragswert Bestandteile

des Ausgleichs eingepreist sind, ist sehr gering und wird in Zukunft noch geringer sein.

Soweit jedoch im Einzelfall eine Erhöhung des Börsenkurses oder des Ertragswertes

durch Einpreisung von Ausgleichserwartungen von der Antragsgegnerin behauptet

werden, ist sie hierzu beweispflichtig. Eine eventuelle Korrektur hat jedoch

ausschließlich Einfluss auf die Höhe der Abfindung. Die Höhe des angemessenen

Ausgleiches wird dadurch nicht berührt.

Es wäre prozessökonomisch wünschenswert, wenn im Spruchverfahren auch darüber

entschieden würde, für welche Zeiträume die Zahlung eines Ausgleiches geschuldet

wird und für welche Zeiträume und in welcher Höhe ein ergänzender Zinsanspruch

hinzutritt. Dann müssten diese Fragen nicht in einzelnen Leistungsklagen geklärt

werden.

Wie oben unter Ziff. 3 aufgeführt, lässt sich die aufgezeigte Problematik unter

Einbeziehung der Zinsen problemlos lösen. Denn infolge der Jenoptik-Entscheidung

des BGH ist davon auszugehen, dass jedem Aktionär für die Dauer seiner Besitzzeit

der Zinsanspruchs aus der Abfindung des Unternehmensvertrages zusteht. Dies gilt

unabhängig davon, für die Annahme welcher Abfindung (aus dem

Unternehmensvertrag oder aus dem Squeeze-out) sich der Aktionär letztendlich

später entscheidet.

Bei der Diskussion der schwierigen und komplexen Materie sollte eines nicht

übersehen werden: Es kommt weniger darauf an, was die Parteien vereinbaren

wollten, als darauf, was sie vereinbaren mussten, damit Abfindung und Ausgleich

angemessen sind28. Denn der Unternehmensvertrag ist nicht eine auf freier

Verhandlung beruhende Vereinbarung, sondern er ist eine Enteignung von privater

28 Vgl. Rn 19 ("gesetzliche Mindestbestimmungen sind einzuhalten").

Page 17: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 17

hoher Hand, die aus rechtstechnischen Gründen in Vertragsform gekleidet wurde.

Denn die Obergesellschaft kann ihn auch gegen den Willen der abhängigen

Gesellschaft mit Hilfe ihrer Hauptversammlungsmehrheit durchsetzen29.

Aktuelle Entscheidungen zu Spruchverfahren

Spruchverfahren Verschmelzung HamaTech AG: OLG München erhöht

Abfindung - Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag der Singulus

Technologies Aktiengesellschaft ab

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Im Spruchverfahren zu der Verschmelzung der HamaTech AG auf die Singulus

Technologies AG konnten die Antragsteller in der zweiten Instanz einen Erfolg

erzielen. Während das Landgericht Nürnberg-Fürth die Anträge noch

zurückgewiesen hatte, setzte das Oberlandesgericht (OLG) München eine Zuzahlung

in Höhe von EUR 0,79 je HamaTech-Aktie fest (Beschluss vom 26. Juli 2012, Az. 31 Wx

250/11).

Der Verschmelzungsvertrag sah ein Umtauschverhältnis von 9 HamaTech-Aktien in 2

Singulus-Aktien vor. Dieses Umtauschverhältnis hielt das OLG für unzureichend. So

dürfe der Aktienkurs der HamaTech-Aktien nicht außer Acht gelassen werden. Der

Schutz der Minderheitsaktionäre gebiete es, sicherzustellen, dass sie jedenfalls nicht

weniger erhalten, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt

der Maßnahme erhalten hätten. Bei konzernverbundenen Unternehmen sei das

herrschende Unternehmen in der Lage, das Umtauschverhältnis zu Lasten der

außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft zu verschieben. Daher sei

es zur Wahrung der Eigentumsrechte der Minderheitsaktionäre geboten, den

Börsenwert der übertragenden Gesellschaft als Untergrenze für deren Bewertung

heranzuziehen.

Die Antragsgegnerin reichte gegen die OLG-Entscheidung Verfassungsbeschwerde

ein und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie macht geltend,

ohne den Erlass der beantragten Anordnung entstünden ihr irreversible Nachteile.

Der angegriffene Beschluss verpflichte sie, auf die 1.840.785 Aktien der HamaTech

AG insgesamt EUR 1.454.220,15 nebst Zinsen zu zahlen. Erweise sich die

Verfassungsbeschwerde als zulässig und begründet, stehe ihr zwar ein Anspruch auf

29 Vgl. Röhricht, ZHR 162 (1998), 249 (257).

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 18

Rückzahlung der geleisteten Nachzahlungen zu. Während die Nachzahlung mehr

oder weniger automatisch über die Depotbanken erfolge, müsse sie den

Rückforderungsanspruch gegenüber jedem einzelnen Aktionär durchsetzen. Anzahl

und Identität der HamaTech-Aktionäre seien ihr nicht bekannt.

Diesen Antrag wies das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 17.

September 2012 zurück (Az. 1 BvR 1786/12). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung

durch das BVerfG komme nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen in Betracht

als die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Fachgerichte.

Insbesondere seien, wenn eine einstweilige Anordnung zur Abwendung eines

geltend gemachten schweren Nachteils erstrebt werde, erheblich strengere

Anforderungen an die Schwere des Nachteils zu stellen. Die Beschwerdeführerin

habe keinen hinreichend schweren Nachteil geltend gemacht. Der große Aufwand

einer etwaigen Rückforderung der baren Zuzahlung in einer großen Zahl von

Einzelfällen sei für eine Aktiengesellschaft für sich gesehen kein solcher schwerer

Nachteil. Diese Folge gründe letztlich im System der Rechtsschutzgewährung. Die

Beschwerdeführerin sei wie andere Prozessbeteiligte auch gehalten, das Risiko ihres

Prozessverhaltens auch insoweit abzuschätzen und die entsprechenden

Konsequenzen zu tragen.

Im Übrigen merkt das BVerfG an, dass die Singulus Technologies Aktiengesellschaft

erst einmal gar nicht zu zahlen habe. Das Gericht gibt den Tipp, zunächst eine

Leistungsklage der ehemaligen HamaTech-Aktionäre abzuwarten:

„Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführerin Möglichkeiten zur Verfügung

stehen, die von ihr besorgten Nachteile abzuschwächen oder ihren Eintritt

hinauszuzögern. Die Nachzahlung ist im Anschluss an die angegriffene

Entscheidung nicht zwingend - wie die Beschwerdeführerin meint - "mehr oder

weniger automatisch über die Depotbanken" zu leisten. Wenn die

Beschwerdeführerin die festgesetzte Nachzahlung nicht von sich aus leistet,

bedarf es gemäß § 16 SpruchG einer Leistungsklage der

nachzahlungsberechtigten Aktionäre. Die hier angegriffene gerichtliche

Entscheidung ist kein Vollstreckungstitel (vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz,

Aktiengesetz, 2. Aufl. 2010, § 11 SpruchG Rn. 3; Emmerich, in: Emmerich/

Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 11 SpruchG Rn. 4;

Klöcker, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 16 SpruchG Rn. 2; Kubis, in:

Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl. 2010, § 11 SpruchG Rn. 5;

Vollhard, in: Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 3. Aufl. 2012, § 11 SpruchG

Rn. 4; Weingärtner, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2011,

§ 16 SpruchG Rn. 1). Wartete die Beschwerdeführerin eine Leistungsklage der

nachzahlungsberechtigten Aktionäre ab, erhielte sie auf diesem Weg die

notwendigen Informationen, um nach einem eventuellen Erfolg der

Verfassungsbeschwerde die Rückforderung zu bewerkstelligen.“

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 19

Squeeze-out-Verfahren Dachziegelwerke IDUNAHALL AG: OLG Düsseldorf

erhöht Abfindung auf EUR 697,75

von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

In dem Spruchverfahren zu dem Squeeze-out der Minderheitsaktionäre bei der

Dachziegelwerke IDUNAHALL AG, 46514 Schermbeck, hat das OLG Düsseldorf den

Barabfindungsbetrag auf EUR 697,75 erhöht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juli

2012, Az. I-26 W 11/11 AktE). Die Hauptaktionärin, die Röben Tonbaustoffe GmbH,

hatte lediglich EUR 337,45, d.h. weniger als die Hälfte, geboten.

Interessant sind die Entscheidungsgründe aufgrund der Argumentation des OLG zu

dem Meinungsstreit, ob bei einer beherrschten Gesellschaft für die Barabfindung

lediglich ein "verrenteter Ausgleichanspruch" anzusetzen ist oder nicht. Nach

Überzeugung des OLG Düsseldorf berechnet sich die Barabfindung nicht anhand der

Kapitalisierung des festen Ausgleichs (hier aus einem bereits 1983 abgeschlossenen

Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag), sondern nach dem Unter-

nehmenswert zum Zeitpunkt des Squeeze-out. Bereits nach dem Wortlaut des § 327b

Abs. 1 Satz 1 AktG müsse die Barabfindung "die Verhältnisse der Gesellschaft zum

Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen" (S. 17 unter

Hinweis auf OLG München, ZIP 2007, 375). Auch handele es sich bei einem Squeeze-

out und einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag um zwei selbständige

Strukturmaßnahmen, bei deren "Vermischung" es zu Abgrenzungs- und

Wertungswidersprüchen kommen könne.

Auch bei der Berücksichtigung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ergäben

sich Schwierigkeiten, da es bei der Ermittlung der (Bar-)Abfindung, aber nicht bei der

Höhe des Ausgleichs berücksichtigt werde (S. 18). Im Übrigen verlöre der

Minderheitsaktionär mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen nicht nur seinen

Anspruch auf die jährliche Dividende/den Ausgleich, sondern seine gesamten

mitgliedschaftlichen Rechte (die ebenfalls durchaus einen "Wert" hätten). Die

Barabfindung sei daher etwas anderes und "mehr" als ein verrenteter

Ausgleichsanspruch.

Darüber hinaus sei häufig unklar, welcher Zeitraum für das Bestehen eines

Unternehmensvertrags zugrunde gelegt werden solle. So würden Beherrschungs- und

Gewinnabführungsverträge regelmäßig zunächst für fünf Jahre geschlossen und

seien dann jährlich kündbar (S. 19). Die Unterstellung, dass die

Unternehmensverbindung dauerhaft bestehen bleibe, sei wenig überzeugend.

Ferner bestünde die Möglichkeit, die Höhe der Barabfindung durch die Planung einer

Auflösung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu beeinflussen und

zu manipulieren. Auf einen ggf. auf jahrzehntealten Unternehmensdaten

beruhenden Barwert könne es nicht ankommen, wenn es einen sich am aktuellen

Ertragswert orientierenden Börsenwert gebe.

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 20

Spruchverfahren Squeeze-out bei HBW Abwicklungs AG i.L. nach

Beschwerderücknahme abgeschlossen

In dem Spruchverfahren zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der

HBW Abwicklungs AG i.L. (früher: Hofbrauhaus Wolters AG) hatte das LG Hannover

die Barabfindung von EUR 210,- auf EUR 280,- angehoben (Beschluss vom 22. August

2012, Az. 23 AktE 149/10).

Die Hauptaktionärin, die zum InBev-Konzern gehörende InBev Germany Holding

GmbH, hatte gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingereicht. Auf eine

entsprechende gerichtliche Anregung hin hat sie diese Beschwerde allerdings mit

Schriftsatz vom 6. November 2012 zurückgenommen. Damit bliebt es bei der

gerichtlichen Anhebung auf EUR 280,- je HBW-Aktie.

* * *

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Jil Sander AG: OLG Hamburg lehnt

Erhöhung ab

In dem Spruchverfahren zum Squeeze-out der Minderheitsaktionäre bei der Jil

Sander AG, Hamburg, hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) mit Beschluss

vom 15. August 2012 (Az. 13 W 41/10) Beschwerden mehrerer Antragsteller

zurückgewiesen. Es bleibt damit bei dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom

23. August 2010 (Az. 417 HKO 92/08), das eine Erhöhung der von der

Antragsgegnerin, der Violine S.a.r.l., angebotenen Barabfindung abgelehnt hatte.

Nach Ansicht des OLG müsse der von der Antragsgegnerin im Frühjahr 2006 an die

Firma PRADA gezahlte Kaufpreis nicht weiter ermittelt werden. Auch die

anschließende Veräußerung der Jil Sander AG an die Onwards Holding für unstreitig

EUR 232 Mio. (einem Vielfachen der Squeeze-out-Bewertung) im September 2008

(unmittelbar nach Durchführung des Squeeze-outs) ist nach Auffassung des OLG

ohne Belang. Dem Wert der Marke "Jil Sander" komme nur im Rahmen des

Ertragswertes, aber nicht darüber hinaus Bedeutung für die Bewertung des

Unternehmens zu (S. 12). Der Basiszinssatz sei zutreffend auf 4,16% geschätzt worden.

Der Ansatz einer allgemeinen Marktrisikoprämie von 5% sei nicht zu beanstanden (S.

15).

56 Antragsteller

gemeinsamer Vertreter: Vorsitzender Richter am OLG a.D. Dr. Helmut Büchel

Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:

Hogan Lovells International LLP

Page 21: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 21

Squeeze-out-Kandidaten

der Financial Times

Deutschland (FTD v.

26.11.2012, S. 17):

- Colonia Real Estate

- Deutsche Postbank

- Dyckerhoff

- Hymer

- Schuler

Spruchverfahren Squeeze-out bei Aditron AG geht in die Verlängerung

Das Landgericht Düsseldorf hat in dem seit 2003 laufenden Spruchverfahren zur

Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Aditron AG, Düsseldorf, auf die

Rheinmetall AG den Barabfindungsbetrag mit Beschluss vom 29. August 2012 von

EUR 26,50 deutlich auf EUR 36,44 heraufgesetzt (Az. 33 O 126/06 AktE). Gegen diese

Entscheidung hat die nunmehr von der Kanzlei Gleiss Lutz vertretene

Hauptaktionärin, die Rheinmetall AG, sofortige Beschwerde eingelegt. Das

Oberlandesgericht Düsseldorf führt das Beschwerdeverfahren unter dem

Aktenzeichen I-26 W 25/12 (AktE).

* * *

Spruchverfahren Squeeze-out bei der Salamander AG: Landgericht Stuttgart

lehnt Erhöhung der Barabfindung ab

Das Landgericht Stuttgart hat in dem seit neun Jahren laufenden Spruchverfahren

zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Salamander AG, Kornwestheim,

eine Erhöhung des Barabfindungsbetrags abgelehnt (Beschluss vom 16. Oktober

2012, Az. 32 AktE 8/03 KfH). Der ursprünglich von der Hauptaktionärin angebotene

Barabfindungsbetrag in Höhe von EUR 22,71 war durch einen gerichtlichen Vergleich

vom 20. Dezember 2002 (vor Eintragung des Squeeze-out-Beschlusses) auf EUR 26,- je

Salamander-Aktie erhöht worden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Ulrich

Fritzlen kam auf einen Wert von EUR 25,13 je Aktie.

22 Antragsteller

gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Bongen, Stuttgart

Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner:

Rechtsanwälte Freshfields Bruckhaus Deringer

Page 22: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 22

Laufende Spruchverfahren

Spruchverfahren zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out INFO

Gesellschaft für Informationssysteme AG

In dem zweiten Spruchverfahren zu einem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out

(nach dem Pilotverfahren PROCON MultiMedia AG) hat das Landgericht Hamburg

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht a.D. Helmut Büchel, Hamburg, als

gemeinsamen Vertreter bestimmt (Az. 412 HKO 111/12). 45 ausgeschlossene

Minderheitsaktionäre der INFO Gesellschaft für Informationssysteme AG hatten

Spruchanträge gestellt. Die die Firmierung der Gesellschaft fortführende

Antragsgegnerin (bislang: INFO Gesellschaft für Informationssysteme Holding

Aktiengesellschaft) wird von der Rechtsanwaltskanzlei DLA Piper UK LLP, Köln,

vertreten.

* * *

Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der TDS Informationstechnologie AG

Das Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der TDS

Informationstechnologie AG wird vom LG Stuttgart unter dem führenden

Aktenzeichen 31 O 50/12 KfH SpruchG geführt (SCI AG u.a. ./. Fujitsu Services

Overseas Holding Ltd.). Insgesamt 72 Antragsteller hatten um eine gerichtliche

Überprüfung des Abfindungsbetrags gebeten. Zum gemeinsamen Vertreter hat das

LG Stuttgart Herrn Rechtsanwalt Ulrich Wecker, Stuttgart, bestimmt. Die

Antragsgegnerin, die zum Fujitsu-Konzern gehörende Fujitsu Services Overseas

Holding Ltd., London, wird von der Rechtsanwaltskanzlei TaylorWessing, München,

vertreten.

* * *

Spruchverfahren Squeeze-out bei der Solarparc AG

Das Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Solarparc AG,

Bonn, wird vom Landgericht (LG) Köln unter dem Aktenzeichen 91 O 64/12 geführt

(Zürn u.a. ./. SolarWorld AG). Das LG Köln hat Herrn RA Dr. Rainer Klocke, Köln, zum

gemeinsamen Vertreter bestellt. Es gibt 61 Antragsteller. Verfahrensbevollmächtigte

der Antragsgegnerin SolarWorld AG sind die Rechtsanwälte Schmitz Knoth, Bonn.

Page 23: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 23

Spruchverfahren Squeeze-out bei der Bausparkasse Mainz AG

Das Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Bausparkasse

Mainz AG wird beim Landgericht Koblenz unter den Aktenzeichen 2 HK O 69/12

SpruchG u.a. geführt. Es sind mehrere Anträge nach dem Spruchverfahrensgesetz

eingereicht worden; die Verfahren sind bislang noch nicht verbunden worden. Das

Landgericht hat Herrn Rechtsanwalt Dr. Martini, 56073 Koblenz, zum gemeinsamen

Vertreter bestellt. Die Antragsgegnerin, die INTER Krankenversicherung AG, wird von

den Rechtsanwälten SZA Schilling, Zutt & Anschütz, Frankfurt am Main, vertreten.

Ankündigungen von Strukturmaßnahmen

Mannheimer Aktiengesellschaft Holding: Verlangen der deutsche internet

versicherung aktiengesellschaft nach § 62 Abs. 1 und Abs. 5 UmwG i.V.m. §§

327a ff. AktG

Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG

Bestätigung und Konkretisierung der Absicht der deutsche internet versicherung

aktiengesellschaft zur Herbeiführung eines Ausschlusses der Minderheitsaktionäre der

Mannheimer Aktiengesellschaft Holding und Absicht der div, als Abfindung den

Betrag festzulegen, der sich entsprechend § 5 Abs. 1 WpÜG-Angebotsverordnung als

Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor der Bekanntmachung der Absicht der

Verschmelzung ergibt.

Die deutsche internet versicherung aktiengesellschaft, Dortmund, ('deutsche internet

versicherung ag'), ein Unternehmen des Continentale Versicherungsverbundes,

hatte der Mannheimer Aktiengesellschaft Holding, Mannheim, ('MAG') mit Schreiben

vom 16. Juli 2012 mitgeteilt, in Verhandlungen über den Abschluss eines

Verschmelzungsvertrages zwischen der MAG als übertragender Gesellschaft und der

deutsche internet versicherung ag als übernehmender Gesellschaft eintreten zu

wollen; der Verschmelzungsvertrag solle die Angabe enthalten, dass im

Zusammenhang mit der Verschmelzung ein Ausschluss der übrigen Aktionäre

('Minderheitsaktionäre') der Gesellschaft nach § 62 Abs. 5 Satz 1 UmwG i.V.m. §§

327a AktG erfolgen soll.

Nach dem Umwandlungsgesetz kann im Zusammenhang mit einer sog.

Konzernverschmelzung ein Squeeze-Out durchgeführt werden, wenn einer

übernehmenden Aktiengesellschaft - wie hier der deutsche internet versicherung ag

- mindestens 90% des Grundkapitals der übertragenden Aktiengesellschaft gehören

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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 24

('Hauptaktionär') und die Hauptversammlung der übertragenden Aktiengesellschaft

binnen drei Monaten nach Abschluss des Verschmelzungsvertrages die Übertragung

der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen angemessene

Barabfindung beschließt.

Die deutsche internet versicherung ag hält derzeit unmittelbar 58.824.319 der

insgesamt 63.080.000 auf den Namen lautenden Stückaktien der MAG; dies

entspricht - unter Berücksichtigung der Absetzung der 2.436 eigenen Aktien der MAG

gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 UmwG - ca. 93,26% des Grundkapitals der MAG. Damit

gehören der deutsche internet versicherung ag Aktien in Höhe von

mehr als neun Zehntel des Grundkapitals der MAG, sodass die deutsche internet

versicherung ag als übernehmende Gesellschaft im Rahmen der Verschmelzung

zugleich Hauptaktionär der MAG als übertragender Gesellschaft gemäß § 62 Abs. 5

Satz 1 UmwG ist.

Die deutsche internet versicherung ag hat mit heutigem Schreiben an die MAG ihre

vorgenannte Absicht bestätigt und konkretisiert. In diesem Zusammenhang hat sie

die MAG darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie die MAG zeitnah im Anschluss an den

Abschluss des Verschmelzungsvertrages - der am 24. Oktober 2012 beabsichtigt ist -

auffordern werde, eine außerordentliche Hauptversammlung auf einen Termin

einzuberufen, der nicht später als drei Monate nach dem geplanten Termin des

Abschlusses des Verschmelzungsvertrages liegt, und den Tagesordnungspunkt der

Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der MAG

auf die deutsche internet versicherung ag gegen Gewährung einer angemessenen

Barabfindung gemäß § 62 Abs. 5 UmwG i.V.m. § 327a ff. AktG auf die Tagesordnung

zu setzen. Die deutsche internet versicherung ag hat mit heutigem Schreiben an die

MAG ferner mitgeteilt, sie gehe derzeit - vorbehaltlich der Ergebnisse der

Angemessenheitsprüfung durch den gerichtlich bestellten sachverständigen Prüfer -

davon aus, dass der anteilige Ertragswert je Stückaktie der MAG auf der Grundlage

der Bewertungsgrundsätze des IDW unter dem durchschnittlichen Börsenkurs der

letzten drei Monate vor Bekanntmachung der Absicht der Verschmelzung liegen

werde. Die deutsche internet versicherung ag beabsichtige daher, als Abfindung

den Betrag festzulegen, der sich entsprechend § 5 Abs. 1 WpÜG-

Angebotsverordnung als Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor der

Bekanntmachung der Absicht der Verschmelzung, in deren Zusammenhang ein

Ausschluss der Minderheitsaktionäre erfolgen solle, ergebe. Dieser betrage nach

Auskunft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 3,73 EUR je Stückaktie der

MAG. Die deutsche internet versicherung ag gehe derzeit davon aus, dass die

Barabfindung auf 3,73 EUR je auf den Namen lautender Stückaktie der MAG mit

einem anteiligen Betrag des Grundkapitals in Höhe von 1,00 EUR festgelegt werde.

Mannheim, den 19. Oktober 2012

Der Vorstand

Page 25: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 25

SCA Hygiene Products SE: SCA Group Holding B.V. übermittelt Squeeze-out

Verlangen

Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG

Die SCA Group Holding B.V., Amsterdam/Niederlande, hat dem Vorstand der SCA

Hygiene Products SE heute das Verlangen gemäß § 327a AktG übermittelt, die

Hauptversammlung der SCA Hygiene Products SE über die Übertragung der Aktien

der Minderheitsaktionäre auf die SCA Group Holding B.V. gegen Gewährung einer

angemessenen Barabfindung beschließen zu lassen.

Die SCA Group Holding B.V. hält unmittelbar 6.851.067 Stückaktien der Gesellschaft

und damit 96,6% am Grundkapital der Gesellschaft.

München, den 21. November 2012

SCA Hygiene Products SE

Der Vorstand

* * *

F. Reichelt Aktiengesellschaft: Barabfindung für Squeeze-out in Höhe von EUR

386,17 je Stammaktie und EUR 428,52 je Vorzugsaktie an der F. Reichelt AG

festgelegt

Ad-hoc-Meldung nach § 15 WpHG

Die Fedor Holding GmbH, Zossen, hat dem Vorstand der F. Reichelt

Aktiengesellschaft ("Gesellschaft") heute mitgeteilt, dass sie die Barabfindung für die

Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre an der Gesellschaft auf die Fedor

Holding GmbH als Hauptaktionärin auf EUR 386,17 je Stammaktie und EUR 428,52 je

Vorzugsaktie festgelegt hat. Sie bestätigt und konkretisiert damit ihr mit Schreiben

vom 8. Oktober 2012 übermitteltes Verlangen gemäß § 327a AktG auf Herbeiführung

einer entsprechenden Beschlussfassung der Hauptversammlung.

Der Übertragungsbeschluss soll in einer außerordentlichen Hauptversammlung der

Gesellschaft gefasst werden, die für den 28. Dezember 2012 geplant ist.

Hamburg, im November 2012

Der Vorstand

* * *

Squeeze-out bei der Dyckerhoff AG? - Buzzi Unicem erhöht Beteiligung auf

über 95%

Buzzi Unicem hat am 23. November 2012 einen Vertrag geschlossen, der bis zum 30.

November 2012 ausgeführt wird. Er betrifft den Erwerb von Stammaktien und von

Vorzugsaktien der Dyckerhoff AG und hat zur Folge, dass sich die Gesamtbeteiligung

Page 26: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 26

an der Dyckerhoff AG auf 96,6% des Grundkapitals (98,1% der Stammaktien und

95,2% der Vorzugsaktien) beläuft.

Buzzi Unicem hat unter Berücksichtigung dieses Vertrages im laufenden

Geschäftsjahr insgesamt 20.499 Stammaktien und 1.347.951 Vorzugsaktien der

Dyckerhoff AG zu einem Gesamtkaufpreis von etwa 71,7 Millionen Euro erworben.

Mit dem Überschreiten der 95%-Grenze des Grundkapitals der Gesellschaft kann

Buzzi Unicem die Übertragung aller Aktien der übrigen Aktionäre auf den

Hauptaktionär (Squeeze-out) verlangen. Laut Ad-hoc-Mitteilung von Dyckerhoff hat

Buzzi Unicem noch keine Entscheidung über die Ausübung dieses Rechts getroffen.

___________________

Deutsches Anleger Fernsehen: Interview zu Squeeze-out-Kandidaten

Das Deutsche Anleger Fernsehen (DAF) hat Herr Klaus Schlote von der Solventis

Wertpapierhandelsbank zum Thema Squeeze-out interviewt. Der Beitrag mit dem

Titel „Squeeze-out-Gewinne: Die heißesten Kandidaten“ ist bei youtube abrufbar:

http://www.youtube.com/watch?v=Dai1vH4F6tM

Page 27: Spruchverfahren aktuell (SpruchZ) Nr. 1 / 2012

Spruchverfahren aktuell - Nr. 1

SpruchZ 2012 Seite 27

Workshop

Tools zur Berechnung des Basiszinssatzes

Ein u. a. für Spruchverfahren hilfreiches

Angebot ist das Berechnungstool unter

www.basiszinskurve.de. Auf der von der

Basiszinskurve GbR Wissenschaftszirkel

Kapitalkosten, Frankfurt am Main, erstellten

Webseite kann man den Basiszinssatz

gemäß IDW nach der Svensson-Methode zu

einem gewählten Stichtag kostenlos

ausrechnen lassen. Ergänzt wird die Seite

mit einer Darstellung von Bewertungs-

anlässen und des theoretischen Hinter-

grunds.

Die Firma FORENSIKA VALUE Corporate

Finance GmbH, Berlin, bietet mit ihrem

BaseRateGuide, abrufbar unter

http://www.forensika.de/basiszinssatz/basisz

inssatz_v1.html, ebenfalls kostenlos die

Möglichkeit, den Basiszinssatz zu einem

Stichtag und als 3-Monats-Mittel zu

berechnen.

Impressum

______________________

Zeitschrift

Spruchverfahren aktuell

(SpruchZ)

Herausgeber:

Interessengemeinschaft

Spruchverfahren (IG

Spruch), c/o

Rechtsanwaltskanzlei

ARENDTS ANWÄLTE,

Perlacher Str. 68,

D - 82031 Grünwald

(bei München)

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RA Martin Arendts, M.B.L.-

HSG (presserechtlich

verantwortlich), RA/StB Dr.

Theo Schubert, M.C.L. Univ.

Mich., RA Clemens

Schmautzer

c/o ARENDTS ANWÄLTE,

Perlacher Str. 68,

D - 82031 Grünwald

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den Autoren.


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