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Modellierung des Kaltpilgerns – Betrachtung der Schädigungsentwicklung und ihre Beeinflussung...

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Ragger et al. © Springer-Verlag Wien BHM, 159. Jg. (2014), Heft 5 Originalarbeit 214 BHM (2014) Vol. 159 (5): 214–219 DOI 10.1007/s00501-014-0249-x © Springer-Verlag Wien 2014 Modellierung des Kaltpilgerns – Betrachtung der Schädigungsentwicklung und ihre Beeinflussung durch die Vorformgeometrie Katharina Sophie Ragger 1,2 , Robert Kaiser 2 , Jürgen Paal 3 , Rainer Fluch 4 und Bruno Buchmayr 2 1 Materials Center Leoben Forschung GmbH, Leoben, Österreich 2 Lehrstuhl für Umformtechnik, Montanuniversität Leoben, Leoben, Österreich 3 Schoeller Bleckmann Edelstahlrohr GmbH, Ternitz, Österreich 4 Böhler Edelstahl GmbH & Co KG, Kapfenberg, Österreich diameter and wall thickness of a preliminary hollow are reduced. The compressive mean normal stress makes high reductions in cross section and concurrently excel- lent surface qualities possible. Even though the deform- ability is good, sometimes cracks at the inner surface of the tube can be observed. The aim of the paper is to investigate the damage mechanism by using a 3D finite element model. The cause for crack formation and the influence of the ingoing hollow’s quality are discussed. The paper includes simulated rolling processes based on identic process parameters with three different hol- low geometries. Apart from the rolling forces, a com- parison of the calculated damage parameters is done. Furthermore, the analysis of specific components within the deformation zone makes a deeper knowledge of the process possible. Keywords: Finite element method, Pilger mill rolling, Cold pilgering, Damage, Seamless tube 1. Einleitung Die Herstellung von Nahtlosrohren erfolgt entsprechend ihrem Anforderungsprofil. Sind geforderte Dimensionen oder Oberflächentoleranzen nicht durch eine ausschließ- liche Warmfertigung erzielbar, erfolgt in der Regel eine anschließende Kaltumformung. Kaltpilgern gilt aufgrund des hohen hydrostatischen Druckanteils als bevorzugtes Fertigungsverfahren für schwierig umformbare Werk- stoffe [1]. Eine Besonderheit des Pilgerschrittwalzens ist seine inkrementelle Natur. Die Herstellung des Fer- tigrohres erfolgt hierbei nicht innerhalb einer einzelnen Umformstufe, sondern in zahlreichen kleinen Schritten. Zum besseren Verständnis dient das in Abb. 1 darge- Zusammenfassung: Das Kaltpilgern ist ein komplexes Verfahren zur Herstellung von Nahtlosrohren. Im Zuge des Prozesses werden Außendurchmesser und Wandstär- ke des Vorprodukts, einer in der Regel warmgefertigten Luppe, reduziert. Durch den hohen hydrostatischen Druck lassen sich hohe Querschnittsreduktionen bei gleichzeitig exzellenter Oberflächenqualität des Fertigrohres erzielen. Trotz des allgemein günstigen Spannungszustandes ist gelegentlich das Auftreten von Schäden, sog. Kaltpilger- rissen, entlang der Rohrinnenoberfläche beobachtbar. Ziel der Arbeit ist die Untersuchung der Schädigungsentwick- lung anhand eines 3D Finite Elemente Modells. Es sollen Erkenntnisse bezüglich möglicher Ursachen für die Riss- bildung erfasst und eine Beeinflussung durch Formabwei- chungen des Vorprodukts diskutiert werden. Die Arbeit beinhaltet die Walzung unterschiedlicher Ausgangsgeo- metrien im Modell unter Verwendung gleicher Prozesspa- rameter. Neben der Gegenüberstellung von Walzkräften erfolgt auch der Vergleich des Schädigungsparameters nach erfolgter Umformung. Die zusätzliche Betrachtung ausgewählter Größen in der Umformzone soll zu einem tieferen Prozessverständnis beitragen. Schlüsselwörter: Finite Elemente Methode, Pilgerschritt- walzen, Kaltpilgern, Schädigung, Nahtlosrohr Modelling of Cold Pilgering: A View on Damage and the Influence of the Ingoing Hollow’s Quality Abstract: Cold pilgering is a complex process for man- ufacturing seamless tubes. By cold pilgering, the outer Dipl.-Ing. K. S. Ragger () Materials Center Leoben Forschung GmbH, Roseggerstraße 12, 8700 Leoben, Österreich E-Mail: [email protected] Eingegangen am 3. März 2014; angenommen am 18. März 2014; online publiziert am 29. April 2014
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Ragger et al. © Springer-Verlag Wien BHM, 159. Jg. (2014), Heft 5

Originalarbeit

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BHM (2014) Vol. 159 (5): 214–219DOI 10.1007/s00501-014-0249-x© Springer-Verlag Wien 2014

Modellierung des Kaltpilgerns – Betrachtung der Schädigungsentwicklung und ihre Beeinflussung durch die Vorformgeometrie

Katharina Sophie Ragger1,2, Robert Kaiser2, Jürgen Paal3, Rainer Fluch4 und Bruno Buchmayr2

1Materials Center Leoben Forschung GmbH, Leoben, Österreich2Lehrstuhl für Umformtechnik, Montanuniversität Leoben, Leoben, Österreich3Schoeller Bleckmann Edelstahlrohr GmbH, Ternitz, Österreich4Böhler Edelstahl GmbH & Co KG, Kapfenberg, Österreich

diameter and wall thickness of a preliminary hollow are reduced. The compressive mean normal stress makes high reductions in cross section and concurrently excel-lent surface qualities possible. Even though the deform-ability is good, sometimes cracks at the inner surface of the tube can be observed. The aim of the paper is to investigate the damage mechanism by using a 3D finite element model. The cause for crack formation and the influence of the ingoing hollow’s quality are discussed. The paper includes simulated rolling processes based on identic process parameters with three different hol-low geometries. Apart from the rolling forces, a com-parison of the calculated damage parameters is done. Furthermore, the analysis of specific components within the deformation zone makes a deeper knowledge of the process possible.

Keywords: Finite element method, Pilger mill rolling, Cold pilgering, Damage, Seamless tube

1. Einleitung

Die Herstellung von Nahtlosrohren erfolgt entsprechend ihrem Anforderungsprofil. Sind geforderte Dimensionen oder Oberflächentoleranzen nicht durch eine ausschließ-liche Warmfertigung erzielbar, erfolgt in der Regel eine anschließende Kaltumformung. Kaltpilgern gilt aufgrund des hohen hydrostatischen Druckanteils als bevorzugtes Fertigungsverfahren für schwierig umformbare Werk-stoffe [1]. Eine Besonderheit des Pilgerschrittwalzens ist seine inkrementelle Natur. Die Herstellung des Fer-tigrohres erfolgt hierbei nicht innerhalb einer einzelnen Umformstufe, sondern in zahlreichen kleinen Schritten. Zum besseren Verständnis dient das in Abb.  1 darge-

Zusammenfassung: Das Kaltpilgern ist ein komplexes Verfahren zur Herstellung von Nahtlosrohren. Im Zuge des Prozesses werden Außendurchmesser und Wandstär-ke des Vorprodukts, einer in der Regel warmgefertigten Luppe, reduziert. Durch den hohen hydrostatischen Druck lassen sich hohe Querschnittsreduktionen bei gleichzeitig exzellenter Oberflächenqualität des Fertigrohres erzielen. Trotz des allgemein günstigen Spannungszustandes ist gelegentlich das Auftreten von Schäden, sog. Kaltpilger-rissen, entlang der Rohrinnenoberfläche beobachtbar. Ziel der Arbeit ist die Untersuchung der Schädigungsentwick-lung anhand eines 3D Finite Elemente Modells. Es sollen Erkenntnisse bezüglich möglicher Ursachen für die Riss-bildung erfasst und eine Beeinflussung durch Formabwei-chungen des Vorprodukts diskutiert werden. Die Arbeit beinhaltet die Walzung unterschiedlicher Ausgangsgeo-metrien im Modell unter Verwendung gleicher Prozesspa-rameter. Neben der Gegenüberstellung von Walzkräften erfolgt auch der Vergleich des Schädigungsparameters nach erfolgter Umformung. Die zusätzliche Betrachtung ausgewählter Größen in der Umformzone soll zu einem tieferen Prozessverständnis beitragen.

Schlüsselwörter: Finite Elemente Methode, Pilgerschritt-walzen, Kaltpilgern, Schädigung, Nahtlosrohr

Modelling of Cold Pilgering: A View on Damage and the Influence of the Ingoing Hollow’s Quality

Abstract: Cold pilgering is a complex process for man-ufacturing seamless tubes. By cold pilgering, the outer

Dipl.-Ing. K. S. Ragger ()Materials Center Leoben Forschung GmbH,Roseggerstraße 12, 8700 Leoben, ÖsterreichE-Mail: [email protected]

Eingegangen am 3. März 2014; angenommen am 18. März 2014; online publiziert am 29. April 2014

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stellte Prinzipbild des Verfahrens. Jede Überwalzung besteht aus zwei Bewegungssequenzen, deren Abfolge durch den Kurbeltrieb, der die Kinematik des Prozesses bestimmt, festgelegt ist. Sequenz 1 erfolgt im vorderen Totpunkt des Kurbeltriebs und beinhaltet die axiale Ver-schiebung der Luppe in Walzrichtung bei gleichzeitiger Drehung um einen bestimmten Winkel (siehe durchge-zogene Markierung in Abb.  1). Durch den Vorschub ist jener Anteil der Luppe bestimmt, der nachfolgend der Umformung (Sequenz  2) unterzogen wird. Die Umfor-mung erfolgt durch das Abrollen des über den Walzen-umfang verlaufenden Kalibers in Hin- und Rückrichtung (siehe punktierte Markierung in Abb. 1). Durch die mehr-fache Wiederholung dieser Bewegungen wird die Luppe sukzessive in Richtung Enddimensionen verwalzt. Die Entwicklung der Außenabmessungen ist durch die spe-zielle, sich verjüngende Kaliberform festgelegt. Die Rohr-innenabmessungen werden durch den Dorn bestimmt. Die sich einstellende charakteristische Form zwischen Ausgangsprodukt und Fertigrohr wird als Trompete bezeichnet (siehe Abb. 1). Je nach verwendetem Kaliber und Vorschub ist eine bestimmte Anzahl an Überwalzun-gen erforderlich, bis das erste Stück Fertigrohr das Walz-gerüst verlässt. Trotz der eingangs erwähnten günstigen Umformbedingungen kann es zu Rissbildung kommen. In dieser Arbeit wird versucht, Unterschiede in der Schä-digung nicht anhand unterschiedlicher Kalibrierungen, sondern anhand geometrischer Abweichungen vom ring-förmigen Ideal des Ausgangsprodukts zu untersuchen.

2. Stand der Technik

Ein Beitrag zur Untersuchung der Schädigungsent-wicklung während des Kaltpilgerns wurde von Abe und Furugen [2] geleistet. Im Zentrum dieser Arbeit steht die Beurteilung des Umformvermögens basierend auf der Dehnungsentwicklung im Flankenbereich der Umform-zone. Zum besseren Verständnis ist die Unterteilung des

Trompetenquerschnitts in der Umformzone nach Furugen und Hajashi [3] in modifizierter Form in Abb. 2 dargestellt. Der gedrückte Teil ist als Zone mit Kontakt zwischen Trom-pete und Dorn definiert. Der Flankenteil hingegen wird als Bereich mit nur teilweisem oder gar nicht vorhandenem Kontakt zwischen Trompete und Dorn beschrieben und gilt somit als eher rissgefährdet. In der Arbeit von Abe und Furugen [2] wird auf die Spannung als Bewertungsgrund-lage der Prozessbedingungen verzichtet. Als Begründung wird angegeben, dass die Radialspannung im Flankenteil vernachlässigt werden kann. Hingegen wird das maximale Verhältnis zwischen Radial- und Tangentialdehnung (− εr/εΘ)max im Flankenteil als guter Indikator für eine etwaige Rissbildung während des Kaltpilgerns angeführt. Ein grö-ßeres Verhältnis (− εr/εΘ)max gilt laut Abe und Furugen [2] als rissbildungsfördernd. In der vorliegenden Arbeit wird die Schädigungsentwicklung anhand des Schädigungsmo-dells nach Ayada [4] (Gl. 1) untersucht.

(1)

Es gilt D als Schädigungsparameter, σm als Mittelspan-nung, σv als von Mises Vergleichsspannung und ϕv als Vergleichsumformgrad. Eine Erhöhung des Schädigungs-parameters erfolgt nur bei positiver Mittelspannung. Basis für die Auswahl dieses Schädigungsmodells ist das Stenger Diagramm [5]. Es zeigt die Abhängigkeit des Umformvermögens vom Spannungszustand, wobei eine Verbesserung der Umformbarkeit bei zunehmender Druck-mittelspannung vorliegt.

D dv

m

vv

= ∫0

ϕ σ

σϕ

Abb. 2: Unterteilung des Trompetenquerschnitts in gedrückten Teil und Flankenteil

Abb. 1: Prinzipbild des Pilgerschrittwalzens. Durchgezogene Linien kennzeichnen die Luppenmanipulation, punktierte Markierungen die Bewegung des Walzringpaars während des Vorhubs (Pfeil mit Füllung) und des Rückhubs (Pfeil ohne Füllung)

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7 [8] verwendet. Dieses entspricht einem Hexaeder mit 8 Integrationspunkten und trilinearen Ansatzfunktionen. Als Remeshkriterium wurde das Erreichen einer Vergleichsum-formgradänderung von dϕ = 0,6 festgelegt.

3.4 Schädigungsbeurteilung nach erfolgter Umformung

Zur Ermittlung des Schädigungsparameters ist ein quasi steady state, d.  h. das Vorliegen einer hinreichend voll-ständigen Trompete, erforderlich. Bei den Modellen wird zu Zwecken einer optimalen Vergleichbarkeit dieselbe Anzahl an Überwalzungen im Basismodell modelliert. Zur Auswertung werden Knoten an Innen- und Außenober-fläche eines ausgewählten Rohrstückes erfasst und einer statistischen Auswertung unterzogen. Der betreffende Rohrabschnitt weist eine Länge von ca. 40  mm auf und liegt innerhalb der ersten Hälfte des Glättkalibers. Dieses folgt auf die Durchmesser- und Wandstärkenreduktion im Arbeitskaliber und dient dem Einstellen von Enddimensio-nen und Oberflächentoleranzen.

3.5 Schädigungsentwicklung in der Umformzone

Zur Darstellung der Schädigungsentwicklung während des Vorhubs wird ein ausgewählter Trompetenquerschnitt eher am Beginn des Arbeitskalibers betrachtet. Da die Umformzone nicht auf einen Punkt konzentriert ist, sondern sich über einen größeren Bereich erstreckt (Markierung in Abb. 4), wird im Modell mit idealer Luppe jene Schnitt-ebene ausgewählt, die zum Zeitpunkt des Vollkontaktes die höchste Dehnrate aufweist (siehe Pfeil, Abb.  4). Die gewählte Position liegt beim normierten Längenmaß 0,32 (Abb.  5). In diesem Querschnitt wird ein Knotenpfad ent-lang der Innenoberfläche der Trompete erstellt. Der Start-punkt des Knotenpfads liegt in der 12-Uhr-Position, die dem Winkel 0° in dem in Abschn. 4.4 dargestellten Ergeb-nisdiagramm entspricht. Die Knotenanzahl liegt bei ca. 60. Als wesentlicher Vorteil dieser Untersuchung gilt, dass es möglich ist, zum Zeitpunkt der Umformung zu erkennen, an welcher Position innerhalb der Umformzone und warum die Schädigung passiert.

3. Das Simulationsmodell

3.1 Untersuchte Luppengeometrien

Neben der Luppe mit ideal kreisrundem Querschnitt wer-den zwei Luppen mit beliebigen Innenkonturen untersucht. Diese sind eine Luppe mit Innensechskant, in weiterer Folge als nicht ideale Luppe bezeichnet, sowie ein Vorpro-dukt mit ausgebildeter Exzentrizität [6] εrel (Gl. 2)

(2)

wobei εrel der relativen Exzentrizität, smax der maximalen und smin der minimalen Wandstärke entspricht. Die relative Exzentrizität beträgt 12 %. Die minimale Wandstärke der nicht idealen Luppe smin entspricht 92 % und die maximale Wandstärke smax 112 % der regulären Wandstärke s. In Abb. 3 sind sowohl der Idealquerschnitt (a) als auch die Quer-schnitte mit Innensechskant (b) und Exzentrizität (c) darge-stellt. Die Geometrien sind so gestaltet, dass in allen Fällen dasselbe Volumen pro Längeneinheit gewährleistet ist.

3.2 Kalibrierung und Prozessparameter

Die Geometrievariationen werden unter Verwendung der-selben Werkzeuggeometrien (Walzringpaar und Dorn) durchgeführt. Die Prozessparameter Vorschub, Drehwin-kel sowie Translations- und Rotationsgeschwindigkeit der Walzen sind ebenso ident.

3.3 Modellaufbau

Die verwendete Software Simufact.forming basiert auf einem impliziten Code. Das aus dem Kurbeltrieb resultie-rende sinusförmige Geschwindigkeitsprofil wird aus Grün-den der Vereinfachung durch ein Rechteckprofil ersetzt. Die Berechnung erfolgt mechanisch ohne Berücksichtigung einer Dehnraten- oder Temperaturabhängigkeit mit weg-gesteuerter Inkrementierung. Der Aufbau des 3D-Simula-tionsmodells entspricht im Wesentlichen dem in Ragger et al. [7] beschriebenen Basismodell. Dieses Modell wird hinsichtlich eines Reibkoeffizienten und der Vernetzung adaptiert. So wird der Reibkoeffizient zwischen Luppe und Dorn von µ = 0,05 auf µ = 0,1 erhöht. Anstelle von 3 Ele-menten über der Wandstärke werden 5 Elemente des Typs

εrel

max min

max min

s s

s s=

−+

a b c

Abb. 3: Luppenquerschnitte, a ideal, b nicht ideal mit smin = 0,92 s und smax = 1,12 s und c exzentrisch mit der relativen Exzentrizität von 12 %

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kraft während des Vorhubs, punktierte Linien jene des Rückhubs. Die schwarzen Kurven entsprechen dem idea-len, die roten dem nicht idealen und die grünen Kurven dem exzentrischen Querschnitt. Der erste Kraftanstieg wird durch den Kontakt zwischen der Luppe und den Walz-ringen verursacht. Die zweite Steigerung kennzeichnet das Anwalzen an den Dorn, das bei Erreichen des Vollkontaktes zwischen den Werkzeugen und der Luppe zum 1. Kraftma-ximum führt. Bei Eintritt in das Glättkaliber ist ein Abfall der Walzkraft zu beobachten. In den Kurvenverläufen zei-gen sich geringere Unterschiede als erwartet. Lediglich bei der nicht idealen Variante ist ein merkbarer Unterschied ersichtlich. Der durch den Innensechskant teilweise ver-kleinerte Innendurchmesser (aufgrund von smax) führt zu früherem Kontakt zwischen Luppe und Dorn. Der später erreichte Vollkontakt wird durch die lokal dünneren Wand-stärken (smin) hervorgerufen.

4.3 Schädigungsbeurteilung nach erfolgter Umformung

Der innerhalb des Glättkalibers ermittelte Schädigungs-parameter D ist für die Querschnittvariationen in Abb.  7 dargestellt. Die jeweils linken Balken beziehen sich auf die Innenoberfläche, die rechten auf die Außenoberfläche. Neben der relativ hohen Standardabweichung ist sofort ersichtlich, dass der an der Innenoberfläche ermittelte Schädigungswert höher liegt als jener an der Außenober-fläche. Dies entspricht der Beobachtung einer vermehr-ten Rissbildung an der Trompeteninnenseite. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die ideale Luppe erwartungs-gemäß den niedrigsten Schädigungswert aufweist, wenn auch mit nur geringen Unterschieden zu den anderen Geometrien. Am ungünstigsten ist der Einfluss des Innen-sechskants. Die im Vergleich zur idealen Luppe höhere Standardabweichung bei der nicht idealen Luppe kann ein Resultat der lokalen Wandstärkeunterschiede sein. Als mögliche Ursachen der allgemein großen Standardab-weichung können die Gradienten der Dehnrate, die Inkre-

4. Ergebnisse und Diskussion

4.1 Modellverifikation

Eine Verifikation des Modells wurde auf Basis einer ande-ren Kalibrierung in Form einer Tomographie sowie durch den Vergleich von berechneten Fließkurven mit Härtever-läufen entlang einer Trompete durchgeführt [7, 9]. In beiden Fällen wurde die Luppe zwar mit drei Elementen über der Wand vernetzt, jedoch ist davon auszugehen, dass diese Validierungen aufgrund übereinstimmender Kraftverläufe (Vergleich zwischen 3 und 5 Elementen) ihre Gültigkeit behalten. Ein Vergleich ist hier am Beispiel der aktuellen Kalibrierung in Abb. 6 gezeigt. Abszisse und Ordinate sind entsprechend den Kraftverläufen in anderen Arbeiten [7, 9] normiert.

4.2 Kraftverläufe

Ein allgemeiner Walzkraftverlauf in vertikaler Richtung besitzt 3 markante Positionen. Die Erklärung erfolgt anhand der in Abb. 5 dargestellten Kraftverläufe aus den Geometrievariationen. Es gilt dieselbe Normierung wie in Abb.  6. Durchgezogene Linien charakterisieren die Walz-

Abb. 6: Vertikale Walzkraft, berechnet mit 3 und 5 Elementen über der Wandstärke

Abb. 5: Vertikale Walzkraft resultierend aus den Geometrievariationen. Die Linie kennzeichnet die Schnittposition zur Schädigungsbeurteilung in der Umformzone

Abb. 4: Beispiel einer Umformzone samt gekennzeichneter Position für die Schnittauswahl

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barkeit zu berücksichtigen. Für genauere Angaben bedarf es in jedem Fall weiterer Untersuchungen.

4.4 Schädigungsbeurteilung in der Umformzone

Das nachfolgende Diagramm (Abb.  8) beinhaltet neben den wesentlichsten Einflussgrößen des Ayada-Modells auch den Schädigungsparameter D und den momentanen Schädigungszuwachs im Inkrement Δ D. Dargestellt ist der Knotenpfad entlang der Innenkontur, wobei jeder Daten-punkt des Liniendiagramms einem Knoten entspricht. Die schwarze horizontale Linie kennzeichnet den Über-gang der Mittelspannung vom Druck- in den Zugbereich. Es kann festgestellt werden, dass die Mittelspannung im Wesentlichen in den Bereichen zwischen 40 und 150° sowie 220 und 330° teilweise positive Werte erreicht. Jene Gebiete entsprechen in etwa dem von Abe und Furugen [2] beschriebenen Flankenteil (vergleiche dazu Abb.  2). Im Allgemeinen ist zu erkennen, dass die Vergleichsdehn-rate in Bereichen hoher Druckmittelspannung deutlich erhöht ist. Die Hauptumformung geschieht somit unter überlagerter Druckspannung. In den Flankenbereichen ist die Vergleichsdehnrate zwar wesentlich geringer, jedoch kommt es aufgrund der dort auftretenden ungünstigen Zugmittelspannungsanteile zur Schädigung, was durch den inkrementellen Schädigungszuwachs bestätigt wird. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Erkenntnissen von Abe und Furugen [2]. Ein Schädigungszuwachs bei negativer Mittelspannung resultiert aus der Ergebniswertextrapo-lation der Nachbarelemente. In Abb. 9 ist der Verlauf des Schädigungsparameters über die Wandstärke dargestellt. Es ist ersichtlich, dass die Schädigung in der Mitte der Wand im Vergleich zur Schädigung an Innen- bzw. Außen-oberflächen deutlich geringer ausfällt. Abbildungen  10

mentierung, die Netzstreckung und vor allem der Kontakt in Betracht gezogen werden. Eine Verfeinerung der Inkre-mentierung und/oder der Vernetzung, eventuell auch durch früheres Remeshing, könnte vermutlich zu einer Verringe-rung der Standardabweichung führen. In Anbetracht der Rechenzeiten (Parallelisierung mit 5 Kernen, Rechenzeit: ca. 13 Tage) ist dies jedoch im Hinblick auf technische Nutz-

Abb. 8: Innenknotenpfad in der Umformzone, ideale Luppe. Dar-stellung ausgewählter Größen

Abb. 7: Schädigungsparameter D, berechnet nach Ayada für die ideale, die nicht ideale sowie die exzentrische Ausgangsgeometrie an Innen- und Außenoberfläche nach dem Kaltpilgern

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und der Darstellung der beeinflussenden Komponente sowie der Dehnrate Erkenntnisse bezüglich der Schädi-gungsentwicklung gewonnen werden. Die Anwendung des Ayada-Modells hat im Wesentlichen zu ähnlichen Erkenntnissen geführt, wie die auf Dehnungsverhältnissen basierende Betrachtung von Abe und Furugen. Das führt zu dem Schluss, dass die Bedingungen während des Kalt-pilgerns auch durch Anwendung eines spannungs- und dehnratenbasierenden Schädigungsmodells bewertet werden können. Obwohl eine Quantifizierung des Schädi-gungsparameters nicht möglich ist, kann die Beobachtung einer vermehrten Rissentstehung an der Innenoberfläche bestätigt werden. Zusätzlich wurde festgestellt, dass – im Falle des exzentrischen Vorprodukts – eine Verringerung der Exzentrizität von 12 auf ca. 6 % bei einer Streckung von 4 erzielt werden konnte. Weiters wurde gezeigt, wenn auch mit nur geringen Unterschieden und großer Stan-dardabweichung, dass die Qualität des Ausgangsprodukts hinsichtlich Schädigung und möglicher Rissbildung von Bedeutung ist.

6. Danksagung

Der österreichischen Bundesregierung (insbesondere dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend) vertreten durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG), und den Ländern Steiermark und Tirol, vertreten durch die Steiri-sche Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (SFG) sowie die Standortagentur Tirol wird für die Förderung im Rah-men des COMET Förderprogramms herzlich gedankt.

Literatur

1. Brensing, K.-H; Sommer, B.: Herstellverfahren für Stahlrohre, http://www.wv-stahlrohre.de/fileadmin/pdf/Stahlrohre_Herstell-verfahren.pdf (24.01.2014)

2. Abe, H.; Furugen, M.: Method of evaluating workability in cold pilgering, Journal of Materials Processing Technology, 212 (2012), S. 1687–1693

3. Furugen, M.; Hayashi, C.: Application of the theory of plasticity to the cold pilgering of tubes, Journal of Mechanical Working Tech-nology, 10 (1984), S. 273–286

4. Ayada, M.; Higashino, T.; Mori, K.: Central Bursting in Extrusion of Inhomogenous Materials, Advanced Technology of Plasticity, 1 (1987), S. 553–558

5. Grote, K.-H.; Feldhusen, J. (Hrsg.): Dubbel: Taschenbuch für den Maschinenbau, 22. Aufl., Berlin-Heidelberg: Springer, 2007

6. ÖNORM EN 755–7:2008: Aluminium und Aluminiumlegierungen – Stranggepresste Stangen, Rohre und Profile – Teil 7: Nahtlose Rohre, Grenzabmaße und Formtoleranzen; Deutsche Fassung, 2008

7. Ragger, K. S.; Kaiser, R.; Hatzenbichler, T.; Buchmayr, B.; Paal, J.; Fluch, R.: 3D finite element simulation of pilger mill rolling, in: 9th International and 6th European ROLLING Conference 2013, Italien: Associazione Italiana di Metallurgia, 2013

8. N.N.: Marc User Documentation, MSC Software Corporation, USA, 2010

9. Ragger, K. S.; Kaiser, R.; Buchmayr, B.; Paal, J.; Fluch, R.: Pilger-walzwerk: Einblicke in den Walzprozess durch die Anwendung der Finite Elemente Methode, Der Kalibreur, 75 (2014), in Druck

und 11 zeigen den direkten Vergleich des Einflusses der Ausgangsgeometrie auf die Schädigungsentwicklung im Längsschnitt. Im Falle der nicht idealen Trompete (Abb. 10) ist deutlich erkennbar, dass gleiche Schädigungswerte im Vergleich zur idealen (Abb. 11) früher erreicht werden. Es wurde versucht, die erhaltenen Schädigungswerte mittels Berechnungen mit 7 Elementen über der Wandstärke zu bestätigen, jedoch konnte dies aufgrund wiederkehrender Vernetzungsprobleme bis dato nicht abgeschlossen wer-den. Bei genauer Betrachtung des Schädigungsverlaufes entlang der Wandstärke zeigt sich ein annähernd parabel-förmiger Verlauf (siehe Abb. 9). Eine mögliche Alternative zur Netzverfeinerung, um das Schädigungsprofil zutref-fender abzubilden, ist die Verwendung von quadratischen Elementen. Hierbei könnte aber wieder ein enormer Rück-schritt in Hinblick auf die Rechenzeit die Folge sein.

5. Schlussfolgerung

Die Arbeit hat gezeigt, dass ein 3D Finite Elemente Modell erheblich zu einem verbesserten Verständnis des kom-plexen Pilgerwalzprozesses beitragen kann. So konnten durch die gezielte Auswahl eines Schädigungsansatzes

Abb. 11: Schädigungsparameter D, ideale Trompete im Längsschnitt

Abb. 10: Schädigungsparameter D, nicht ideale Trompete im Längs- schnitt

Abb. 9: Schädigungsverlauf entlang der Wandstärke


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