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Date post: 15-Jun-2020
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FÜHRUNG Das Kundenmagazin für Deutschland, Österreich und die Schweiz 01/2015 HAYSWORLD
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FÜHRUNG

Das Kundenmagazin für Deutschland, Österreich und die Schweiz 01/2015

HAYSWORLD

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NEUE DEUTSCHE LEAD-KULTUR Um international mithalten zu können, fordern Manager hierzulande ein neues Selbstverständ-nis von Führung.

HAYSWORLD 01/2015 · FÜHRUNG

04 „Führung sollte in erster Linie funktional sein“ Interview mit Prof. Dr. Eric Lippmann

09 Neue deutsche Lead-Kultur Manager fordern ein neues Selbstverständnis von Führung

12 „Entscheider können nur noch auf Sicht segeln“ Ein Kommentar von Prof. Dr. Peter Kruse

13 Mehr Spielraum, bitte! Was Manager von Mannschaftskapitänen lernen können

16 Die Ideenmakler Thought Leadership: Wie Think Tanks arbeiten 18 Blickkontakt statt Ampel Shared Space: Wenn Rücksichtnahme die Verkehrsführung ersetzt 20 Ich bin dann mal weg Warum manche Manager die Vorzüge einer Führungsposition aufgeben 22 Führung ohne Worte Tango Argentino lehrt nonverbal zu signalisieren, wo es langgeht 24 Soziale Laboratorien entfachen innovative Kraft Interview mit Thomas Sattelberger

28 Hays’ Corner HR-Report 2014/2015: Führung bewegt Unternehmen

29 Hays’ Corner Schnelle Märkte – flexible Arbeit

30 HaysWorld online und Gewinnspiel 31 News und Termine

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SOZIALE LABORATORIEN ENTFACHEN INNOVATIVE KRAFT Der ehemalige Telekom-Vorstand und HR-Vordenker Thomas Sattelberger fordert Experimentallabore in Unternehmen, um neue Formen der Führung, der Zusammenarbeit und der Strategieentwicklung zu testen.

IMPRESSUM

Herausgeber: Hays AGMarketing/Corporate Communications, Frank SchabelWilly-Brandt-Platz 1–3, 68161 MannheimAuflage: 24.600Chefredaktion: Alexandra MaierAutoren dieser Ausgabe: Kirstin von Elm, Susanne Faschingbauer, Judith-Maria Gillies, Jana Nolte, Frank Schabel, Michael Vogel Gestaltung: srg werbeagentur ag, MannheimFotos: getty Images, goenzIcom photography berlin, Simon Hallström, Gregor Huebl, Horst Hamann, iStockphoto, Incendo Berlin Druck: Dinner Druck GmbH, Schlehenweg 6, 77963 Schwanau, Ortsteil AllmannsweierKontakt:HaysWorld-RedaktionTelefon: +49 621 1788-1490 · E-Mail: [email protected]: Für den Nachdruck von Beiträgen – auch auszugsweise – ist die schriftliche Genehmigung der Redaktion erforderlich. Dies gilt auch für die Aufnahme in elektronische Datenbanken und für die Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern.

INHALT

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EDITORIAL

„Der Schwerpunkt von Führung verlagert sich: weg vom Management, hin

zu Leadership und Empowerment.“

HaysWorld 01/2015 | 03

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

werden (S. 24 ff.). Denn Innovation, so seine Überzeu-gung, wird in unserer komplexen Welt nur noch selten durch den Geistesblitz eines Einzelnen geschaffen, son-dern überwiegend durch die Zusammenarbeit vieler in kollaborativen Netzwerken.

Doch steuern sich solche Systeme nicht selbst? Hat sich die Führung in der Netzwerkwelt nicht überlebt? Nein, sind sich die Experten in unserem Magazin einig. Führung hilft, „die Energien in die gewünschten Richtungen zu bündeln“, sagt zum Beispiel Prof. Dr. Eric Lippmann, Leiter des Zentrums für Leadership, Coaching und Change Management an der Züri-cher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (S. 4 ff.). Vorausgesetzt, die Führungskräfte haben ihre neue Rolle verstanden und agieren weniger als Vorgesetzte denn als Coaches, die ihren Teams Orientierung bieten, sie motivieren und inspirieren – und dadurch eine Atmosphäre der Hoch-leistung erzeugen, genau wie moderne Mannschaftskapitäne im Sport (siehe S. 13 ff.).

Der Schwerpunkt von Führung verlagert sich also: weg vom Management, hin zu Leadership und Empowerment. Das schließt den Mut zu Kontrollverlust ein. „Die Führungs-rolle ist ganz sicher nichts für Angsthasen“, sagt folgerich-tig Sabine Josch, Bereichsleiterin Personalmarketing und Service Center Personal bei Otto. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine informative Lektüre.

Klaus Breitschopf Vorstandsvorsitzender der Hays AG

was ist der wichtigste Erfolgsfaktor eines Unterneh-mens? „Nicht das Kapital oder die Arbeit, sondern die Führung“, war sich der deutsche Unternehmer Reinhard Mohn einst sicher. Eine Einschätzung, die an Aktualität nichts verloren hat, wie der HR-Report 2014/2015 von Hays und dem Institut für Beschäftigung und Employability zeigt: Wichtigstes HR-Thema und zentrales Handlungs-feld in Unternehmen ist die Führung, so das Credo der befragten Entscheider (S. 28).

Kein Wunder bei dem Spagat, den Führungskräfte derzeit leisten: Unternehmensleitung und Aktionäre setzen immer ehrgeizigere Ziele, die Öffentlichkeit erwartet gesellschaft-lich verantwortungsvolles Handeln, die Mitarbeiter wün-schen sich Autonomie und Freiraum, gleichzeitig aber stän-diges Feedback und Anerkennung. Wer kann solchen Anforderungen noch gerecht werden? Zumal in einer Zeit, in der „Entscheider oft nur noch auf Sicht segeln“, weil die globale Vernetzung und die digitale Transformation lang-fristige Planungen und Zielsetzungen fast unmöglich ma-chen, wie Prof. Dr. Peter Kruse, Geschäftsführer der Markt-forschungs- und Beratungsfirma nextpractice, analysiert (S. 12). Nur eines, so Kruse, ist noch sicher: „Wer in Zukunft erfolgreich sein will, braucht die Fähigkeit und die Bereit-schaft, sich auf ergebnisoffene Prozesse einzulassen.“

Mit der jetzigen Führungskultur ist das nicht zu machen, wie die Studie „Führungskultur im Wandel“ der Initiative Neue Qualität der Arbeit belegt. Linienhierarchie und Kennzahlensteuerung helfen weder Talente zu gewinnen und zu binden noch im internationalen Wettbewerb mit agilen Unternehmen zu bestehen. Was es also braucht, ist eine „neue deutsche Lead-Kultur“ (S. 9 ff.), die auf das Denken und Handeln in Netzwerken setzt – und auf Frei-räume statt auf Gängelung und Kontrolle.

Deshalb fordert der ehemalige Telekom-Vorstand und HR-Vordenker Thomas Sattelberger auch, Experimental-labore in den Unternehmen einzurichten – keine techni-schen, sondern soziale, in denen neue Formen der Füh-rung, Zusammenarbeit und Strategieentwicklung erprobt

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Prof. Dr. Lippmann, wie definieren Sie den Begriff Führung?

Führung umschreibe ich als zielorientierte, wechselseitige und soziale Beeinflussung, um die primären Aufgaben zu erfüllen, die in einem System, etwa einem Unternehmen oder einem Team, für dessen Überleben relevant sind. In der Regel findet Führung zwischen hierarchisch unter-schiedlich gestellten Personen statt. Ich behaupte aber, dass es selbst in nicht hierarchischen Systemen kein Füh-rungsvakuum gibt. Die Definition lässt zu, dass Führung in alle Richtungen erfolgen kann, also auch „von unten“. Warum ist Führung wichtig?

Rollenträger der Führung leisten einen wesentlichen Bei-trag für ein System, damit gesetzte Ziele erreicht werden können. Führung hilft gewissermaßen, die Energien in die gewünschten Richtungen zu bündeln. Über welche Eigenschaften muss eine Führungskraft verfügen?

Die in empirischen Studien am häufigsten genannten Eigen-schaften oder Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Füh-rungskräfte sind: Intelligenz (IQ und EQ), fachliche Versiert-heit, Entscheidungsfreude, Intuition, Kreativität, Unabhän-

gigkeit und Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Ehrgeiz, Inte-grität und soziale Kompetenz. Dabei ist zu betonen, dass Führung ein multifaktorielles Geschehen ist. Ein Ansatz, der den Schwerpunkt auf Eigenschaften legt, mag verführe-risch sein. Es gibt jedoch interessante Untersuchungen, die zeigen, dass wir uns je nach Kontext ganz anders verhalten können und es somit relativ ist, welche Eigenschaften wann zum Tragen kommen. Lassen sich Führungsqualitäten erlernen und, wenn ja, wie?

Wir am Institut für Angewandte Psychologie sind über-zeugt, dass sich Führungsqualitäten bis zu einem gewissen Grad entwickeln lassen. Dazu gehören zum Beispiel die Fähigkeit, sich immer wieder kritisch zu reflektieren, die aktive Gestaltung der eigenen Führungsrolle und der Beziehung zu den Stakeholdern sowie das Management komplexer Führungssituationen. Welche Qualitäten müssen eigentlich die „Geführten“ mitbringen für ein gutes Führungsgefüge?

Das hängt sehr stark von der Organisationskultur und der Art der Aufgabenstellung ab, die es zu erfüllen gilt. Heute hat etwa die Hälfte der Unternehmen den paradoxen Anspruch, dass Mitarbeitende „Arbeitskraftunternehmer“

Das Interview führte Jana Nolte

Interview mit Prof. Dr. Eric Lippmann

Prof. Dr. Eric Lippmann leitet das Zentrum für Leadership, Coaching und Change Management am Institut für Angewandte Psychologie IAP an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Der Psychologe arbeitet zudem als Berater für Füh-rungsentwicklung, Supervision und Coaching, Konfliktmanagement, Teamentwicklung und Kommunikation.

„FÜHRUNG SOLLTE IN ERSTER LINIE FUNKTIONAL SEIN“

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sein sollten: möglichst selbstständig, umsichtig, entschei-dungsfähig und kundenorientiert. Auf der anderen Seite sollen sie jedoch so angepasst bleiben, dass sie sich in das Gesamtsystem einfügen und sich führen lassen. Doch ken-nen Sie Unternehmer, die sich gerne führen lassen? Für Organisationen, in denen die Mitarbeitenden stark vorge-gebene und vorstrukturierte Tätigkeiten ausführen müs-sen, stehen wohl herkömmliche Tugenden wie Zuverläs-sigkeit, Anpassungsfähigkeit, Ausdauer und „Commit-ment“ an erster Stelle.

Welche Bedeutung kommt dem Begriff Vorbild beim Thema Führung zu?

Viele Organisationen definieren aus den Leitbildern abge-leitete Führungsgrundsätze, die umschreiben, wie sich eine Führungskraft vorbildlich verhält. Nicht nur für Nachwuchs-kräfte bieten solche Führungsgrundsätze eine wertvolle Orientierung. Und wenn sich alle Hierarchiestufen daran halten würden, dann wäre das sicher für die Organisation von Vorteil. Die Vorbildwirkung gerade des ober(st)en Managements darf nicht unterschätzt werden, wird aber nicht immer genügend beachtet. Was sind die neuesten Methoden im Führungscoaching?

In den letzten Jahren hat sich im Führungscoaching der sogenannte lösungsorientierte Ansatz stark durch-

gesetzt, der vor allem auf die Erkenntnisse von Steve de Shazer zurückzuführen ist. Dieser betonte, dass „Solu-tion Talk“, also das Reden über Lösungen, viel eher Ener-gien zur Zielerreichung freisetzt als die Klage über den nicht gewünschten Zustand. Der ironische Satz „Gut, dass wir darüber gesprochen haben“ drückt in pointier-ter Form die Gefahr des „Problem Talk“ aus. Über den zu vermeidenden Zustand zu reden führt nicht automa-tisch zu einer Veränderung. Doch auch der lösungsorien-tierte Ansatz darf nicht zu doktrinär angewendet wer-den. Gerade bei Rückfällen in alte Verhaltensmuster lohnt sich oft der Blick darauf, was diese für Vorteile mit sich bringen. Der Blick auf das Gute im Schlechten eröffnet häufig Perspektiven auf Aspekte, die für eine Lösung mitberücksichtigt werden sollten. In der von Gunther Schmidt entwickelten Methode der „Problem-lösungsgymnastik“ werden sowohl Problem- als auch Lösungsmuster für nachhaltige Ergebnisse optimal miteinander verbunden.

Können Sie das an einem Beispiel konkret machen?

Eine Führungskraft beklagt den mehrmaligen Abgang guter Fachkräfte, meist nachdem es zu heftigen Ausein-andersetzungen gekommen ist. Das Anliegen im Coa-ching: Mitarbeitende, welche die Vorgaben „gefügiger“ umsetzen. Dieser gewünschte Sollzustand beinhaltet möglicherweise das Problem. Würden wir nun aus-schließlich an diesem Ziel arbeiten, wäre das zu einseitig. Denn die Führungskraft vermeidet dabei die Auseinan-

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dersetzung mit ihren Fachkräften. Das Problemmuster: Jedes Mal, wenn es zu Konfrontationen kommt, wird sie autoritär. Im Coaching wird also herausgearbeitet, welches ein zieldienlicheres Verhalten wäre, ein Lösungs-muster, um die Fluktuation abzuschwächen. Das könnte in dem Fall eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Mitarbeitenden sein. Dann wird herausgearbeitet, welche „Schlüsselreize“ bei der Führungskraft das Prob- lemverhalten auslösen. Die entsprechenden Szenen werden im Detail analysiert und durchgespielt. Dann lernt die Führungskraft, die „Schlüsselreize“ frühzeitig zu erkennen und gewissermaßen als Erinnerungs- anker zu nutzen, um in Zukunft in einem solchen Fall das herausgearbeitete konstruktive Verhalten an den Tag zu legen. Im Zusammenhang mit dem Thema Führung taucht oft die viel zitierte „natürliche Autorität“ auf: Gibt es die?

Der Begriff ist etwas zwiespältig. Einerseits suggeriert er, dass es Personen gibt, die sie besitzen. Führung ist demnach jemandem gegeben oder eben nicht. Auf der anderen Seite gibt es eine Fülle sogenannter Best-Practice-Bücher, welche die Faktoren erfolgreicher Füh-rungspersonen herausdestillieren. Sie suggerieren, dass Führung lernbar ist, indem wir einfach von den Erfolgs- modellen oder „natürlichen Autoritäten“ abschauen. „Wer will, der kann“ – vor allem die Ratgeberliteratur aus den USA ist voll von diesem Ansatz. Beide Extreme werden der Komplexität von Führung nicht gerecht.

Wie haben sich die Vorstellungen von Führung in den vergangenen beiden Jahrzehnten verändert?

Ich möchte zwei Aspekte herausgreifen, die in den letzten Jahren prägend waren: Die Zunahme und Beschleunigung von Veränderungen in Organisationen, kombiniert mit der Digitalisierung und Globalisierung. Führung ist noch kom-plexer und anspruchsvoller geworden. Veränderungen nachhaltig zu gestalten bedingt heute vermehrt „organi-sationale Achtsamkeit“, um einen aktuellen Buchtitel zu zitieren. Demnach gilt es, Wandel nicht als Ausnahmefall, sondern als Regel zu sehen und damit als Teil der organi-sationalen Routine zu verstehen. Wenn ich dann aber schaue, welche Aspekte betont werden, dann frage ich mich wiederum, ob sich fundamental wirklich etwas ver-ändert. Marktführer von morgen, so lese ich in einem anderen aktuellen Buch, befolgen acht Prinzipien: mitein-ander reden, ehrlich sein, Freude haben, aktiv zuhören und sich mitteilen, Emotionen verstehen und lenken, Perspektiven wechseln, Fehler und Schuld als Illusion erkennen und gerecht sein. Haben wir das nicht alles schon mal gehört?

Gibt es kulturell geprägt unterschiedliche Führungsstile?

Ich bin kein Spezialist für Interkulturalität und Führung, aber es liegt auf der Hand, dass die Aufgaben einer Organi-sation mit Strukturen und entsprechenden Kulturen einher-gehen. Ein Gefängnis braucht eine andere Kultur und andere Führungsstile als die Forschungsabteilung eines

„Viele Organisationen definieren aus den Leitbildern abgeleitete Führungsgrundsätze, die umschreiben, wie sich eine Führungskraft vorbildlich verhält. Nicht nur für Nachwuchskräfte bieten solche Führungsgrundsätze eine wertvolle Orientierung.“ Prof. Dr. Eric Lippmann

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Pharmaunternehmens. Die jeweiligen Führungsstile sollten funktional sein bezüglich der zu bewältigenden Aufgaben.

Sie selber müssen bei Ihren Tätigkeiten ja auch „führen“ – welchen Aspekt daran finden Sie persönlich herausfor-dernd?

Ich führe ein Team von 18 Personen. Das ist eine recht hohe Führungsspanne. Zudem handelt es sich sowohl um Projekt-assistentinnen als auch um Beratende und Dozierende. Letztere sind also Fachkollegen von mir, die sich alle auch mit Führungsentwicklung und Coaching beschäftigen. Den Anspruch, das zu leben, was wir lehren, finde ich sehr her-ausfordernd, aber auch bereichernd.

Sie bringen viel Erfahrung aus der Familien-, Kinder- und Jugendpsychologie mit. Können Sie Aspekte aus diesen Bereichen bei der Entwicklung von Führungsbegriffen und beim Führungskräfte-Coaching nutzen?

Viele ursprünglich im Bereich der Familientherapie entwi-ckelten Konzepte wurden in den vergangenen Jahren für die Anwendung in der Organisationswelt angepasst und weiterentwickelt. Dazu gehört insbesondere auch der bereits erwähnte lösungsorientierte Ansatz, der sowohl für die Führung als auch das Coaching wertvolle Impulse gelie-

fert hat. Zentrale Aspekte sind aus meiner Sicht: eine klare, transparente und direkte Kommunikation und interessens-orientierte Konfliktlösungen, das Beachten von Hierarchien und möglichst die Vermeidung von intransparenten Koaliti-onsbildungen. Es besteht allerdings ein wesentlicher Unter-schied: In der Familie ist die Hauptwährung die „Liebe“ (was immer das heißt), in den Organisationen steht die Aufgabenerfüllung (und damit indirekt ökonomische Über-legungen) im Zentrum.

Zum WeiterlesenDas Handbuch für Füh-rungskräfte fasst relevan-tes Wissen aus der Psy-chologie zusammen und bereitet es anhand von Checklisten, Fallbeispielen, Leitfragen und Arbeits-blättern eingängig auf. Themen des Buches sind u. a.: Führung der eigenen Person, Teamführung, Re-cruiting, Personalentwick-lung, Motivation, Change Management oder Kon-fliktmanagement.

Prof. Dr. Eric Lippmann

Neu erschienen: Identität im Zeitalter des Chamäleons

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NEUE DEUTSCHE LEAD-KULTURUm international mithalten zu können, fordern Manager hierzulande ein neues Selbstverständnis von Führung. Ohne einen grundlegenden Wandel der Leader-ship-Praxis – so der Tenor einer neuen Studie – wird Deutschland den Anschluss an den weltweiten Wettbewerb verpassen.

Ein Gespenst geht um in der Wirtschaft. Das Gespenst heißt Verwerfung. Die Welt wird derzeit in ihren Grundfes-ten erschüttert. Durch Digitalisierung und Datenmassen. Durch Terrorgefahren und Marktunsicherheiten. Durch Zinsverfall und Eurokrise. Eine Welt aus Volatilitäten und Vieldeutigkeiten, auf die Deutschlands Wirtschaftslenker schlecht vorbereitet sind. Das findet zumindest die deut-sche Führungsriege. In der aktuellen Studie „Führungskul-tur im Wandel“, für die die „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums 400 Manager tiefeninterviewt hat, kritisieren die Vorgesetzten

Von Judith-Maria Gillies

Orientierung geben und Freiräume zulassen oder preußische Tugenden mit Experimentalkultur verbinden: Manche Führungskraft zwingen die teils diametral entgegengesetzten Ansprüche in einen Spagat.

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eine seit Jahren bestehende Fehlentwicklung der Füh-rungskultur hierzulande. Mehr als drei Viertel von ihnen sind überzeugt, dass der Standort Deutschland ohne eine grund-legende Änderung der aktuellen Führungspraxis weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Zudem wird der typisch deut-sche Führungsstil einer Linienhierarchie und Kennzahlen-steuerung als entscheidender Wettbewerbsnachteil bei der Gewinnung und Bindung von Talenten wahrgenommen. „Die Umstellung der Führungskultur ist alternativlos“

Zu Recht. „Die traditionell stark hierarchisch geprägten Unternehmen hierzulande können kaum gegen die agilen Amazons und Googles dieser Welt ankommen“, weiß Willms Buhse, Experte für digitale Transformation und Leadership. Hier gelte es, einen eigenen Weg zu finden, so der Inhaber der Beratungsfirma doubleYUU in Hamburg. „Denn die Umstellung der Führungskultur ist alternativlos.“

Das wissen auch die Manager selber – und stellen sich und ihren Kollegen selbstkritisch ein schlechtes Zeugnis aus. So beklagen viele der Befragten eine seit Jahren bestehende Fehlentwicklung der Führungskultur. Die Gefahr, den An-schluss zu verpassen, nimmt ihrer Ansicht nach kontinuier-lich zu, so die Studie. Die Kriterien, die aus ihrer Sicht eine gute Führung ermöglichen, sehen die Führungskräfte hier-zulande nicht einmal zur Hälfte verwirklicht (49 %).

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. „Die deutsche Wirtschaft hat den Startschuss durchaus gehört“, sagt Stephan Grabmeier, Geschäftsführer der Innovation Evangelists in Bad Honnef bei Bonn. „Was zu tun ist, ist the-

oretisch klar“, so der Experte für digitale Transformation und New Work. „Nur wie – da herrscht Unsicherheit und zu wenig Mut bei Führungskräften.“

Dabei wissen die Manager genau, was eine moderne Führungskultur ausmacht: ein Denken in Netzwerken statt in Hierarchien. Ein schrittweises Vortasten statt langfristiger Planungen. Kooperationsfähigkeit statt alleiniger Renditefixierung. Mitarbeitermotivation durch Freiräume und Wertschätzung statt fantasieloser Gehaltserhöhungen.

Die Anforderungen an Führungskräfte sind hochgeschraubt. „Sie sehen sich der Erwartung ausgesetzt, was in der Wirt-schaftswelt an Stabilität verloren gegangen ist, aufzufan-gen“, erklärt Professor Uta Wilkens, Leiterin des Lehrstuhls Arbeitsmanagement und Personal am Institut für Arbeits-wissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Und der Druck steigt von allen Seiten. Firmenleitung und Aktionäre rücken nicht von ihren ehrgeizigen Zielen ab. Medien, soziale Netz-werke und eine kritische Öffentlichkeit legen hohe Maßstäbe an gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln an. Und die eigenen Mitarbeiter erwarten von ihren Chefs einerseits Autonomie und Eigenverantwortung, andererseits aber dau-ernde Rückkopplung und Anerkennung. „Zwischen diesen widersprüchlichen Anforderungen gilt es eine dynamische Balance zu finden“, so Wilkens.

Mission impossible? Möglicherweise. Doch das Festhalten an alten Verhaltensmustern ist keine Option. „Mit den Füh-rungsregeln von gestern wird man im Wettbewerb von heute nicht bestehen können – und in dem von morgen erst recht nicht“, warnt Buhse.

Wie eine Roadmap für die Entwicklung guter Führung aussehen kann, erfahren Sie unter www.haysworld.de

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Moderne Führungskräfte agieren als Coach und fachlicher Inspirator

Führungskräfte sind also in der Pflicht zu liefern. „Eine moder-ne Führungskultur lässt sich nur durch vorbildliches Handeln etablieren“, so Professor Wilkens. Agiere die Führungsriege noch nach alten hierarchischen Mustern, könne sie auch keine Flexibilität oder Offenheit von ihren Mitarbeitern erwarten. Wilkens’ Forderung: Moderne Führungskräfte sollten trotz der um sie herum wirkenden Fliehkräfte Verbindlichkeit symboli-sieren. Wer sich als Coach und fachlicher Inspirator versteht, ist auf dem besten Weg, seine Mannschaft für die gemeinsa-me Sache zu gewinnen.

Und er hat damit die Zeichen der Zeit erkannt. Denn in Zu-kunft werden sich Vorgesetztenaufgaben immer mehr auf-splitten – zwischen Management und Leadership. „Manage-mentaufgaben von der Produktions- bis zur Urlaubsplanung können auch von Robotern erledigt werden – und zwar sehr schnell und zuverlässig“, prophezeit Berater Buhse. Gute Führungskräfte konzentrierten sich daher auf erfolgsentschei-dende Leadership-Aufgaben wie die Inspiration und das Ein-schwören ihres Teams. Denn das, so Buhse, könne selbst der cleverste Roboter der Welt nicht übernehmen. „Führung ist nichts für Angsthasen“ Vorreiterfirmen trimmen bereits heute ihre Leute und Struktu-ren auf Zukunftstauglichkeit. So wie der 1949 gegründete Ver-sandhändler Otto, der sich vom althergebrachten Katalogver-sand zum modernen E-Commerce-Unternehmen wandelte. Momentan wird in der Hamburger Firmenzentrale die Mitar-

beiterführung von Grund auf überarbeitet. Alles steht auf dem Prüfstand: Führungskräfteverständnis, -auswahl und -training. Im Pilotprojekt „Lhotse“ arbeiteten bereits mehr als 100 IT-Mitarbeiter in sieben Teams mit neuen agilen Arbeits- und Führungsmethoden, um inhouse eine neue Software zu entwickeln. Andere Abteilungen werden schnell folgen. „Vorgesetzte werden in jeder Situation neu entscheiden müssen, welche Form der Führung die anste-hende Aufgabe gerade verlangt“, sagt Sabine Josch, Be-reichsleiterin Personalmarketing und Service Center Perso-nal bei Otto. „Fingerspitzengefühl wird so zu einem der wichtigsten Leadership Skills.“

Josch fordert die Otto-Vorgesetzten auf, eine neue Rolle einzunehmen: weg von der Absicherungspolitik, hin zu mehr Offenheit und Toleranz. Dazu müssten sie bei gege-bener Instabilität ihren Leuten Orientierung geben, zugleich aber auch den Mitarbeitern mehr Freiraum eröffnen und Querdenker zulassen. „Dies schließt den Mut zum Kontroll-verlust ein“, so Josch. Kurzum: „Die Führungsrolle ist ganz sicher nichts für Angsthasen.“

Keine schlechte Devise für Deutschlands Chefs. „Die Füh-rungskräfte hierzulande mögen momentan vielleicht nicht die Speerspitze der modernen Führungskultur bilden“, räumt Berater Grabmeier ein. Doch ihre Chancen stünden gar nicht mal so schlecht. Er empfiehlt einen modernen Mix aus alt und neu. „Preußische Tugenden wie Fleiß, Ordnung und Disziplin können da durchaus hilfreich sein“, so Grab-meier. „Paart man sie mit Kreativität, Innovationsfreude, Digitalisierung und einer neuen Experimentierkultur, hat man alle Chancen, in der Liga moderner Manager ganz oben mitzuspielen.“

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Die Spielregeln in der Wirtschaft wandeln sich zurzeit so stark, dass keiner der Akteure einfach so weiterma-chen kann wie bisher. Durch die globale Vernetzung neh-men Volatilität, Unsicherheit, Mehrdeutigkeit und Kom-plexität in Markt und Gesellschaft in atemberaubendem Tempo zu. Erfolgreiche Handlungsstrategien von gestern und heute werden so zusehends zum Risikopotenzial von morgen. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Neu-orientierung wird kaum jemand mehr leugnen können.

Mitten in diesem Wandel stehen die Führungskräfte. Ihr klassisches Selbstverständnis löst sich immer mehr auf. Ziele zu definieren und auf Basis von Strategie, Kennzah-lensteuerung und sparsamem Ressourceneinsatz zu erreichen – all das muss neu überdacht werden. Heute können Entscheider oft nur noch auf Sicht segeln. Über-raschende Wendungen und disruptive Ereignisse stehen mittlerweile auf der Tagesordnung von Führungskräften. Langfristige Prognosen sind so gut wie nicht mehr mög-lich, und die Planungshorizonte schrumpfen unaufhör-lich. Sätze wie „Damit konnte doch keiner rechnen!“ oder „Worauf kann man sich denn heute noch verlassen?“ hört man immer häufiger – auf den Mitarbeiterfluren genauso wie in den Vorstandsetagen.

Berater wirken irritiert, und selbst Konsumenten schei-nen nicht mehr zu wissen, was sie wollen. Nur eines ist sicher: Wer in Zukunft erfolgreich sein will, braucht die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich auf ergebnisoffene Prozesse einzulassen und weit über die eigenen Gren-zen hinauszudenken. Iterative Verfahren wie Scrums oder Design Thinking, bei denen die Teilnehmer schritt-weise nach einem festgelegten Muster durch Meetings bzw. Workshops geführt werden, haben Konjunktur.

Schrittweise sich vortastende Agilität und Neugier sind gefragt. Um dauerhaft im Markt zu bestehen, wird es immer wichtiger, zu kooperieren: horizontal, vertikal, multilateral. Die Idee, dass nur der Stärkere gewinnt, wird durch den Mehrwert synergetischen Zusammen-wirkens widerlegt. An die Stelle von Hierarchie, Steue-rung und Regelung tritt die Organisation in eigendyna-mischen Netzwerken. Individuelle Intelligenz verbindet sich in freier Interaktion zu sozialen Gehirnen, in denen das Ganze die Chance hat, mehr zu sein als die Summe seiner Teile.

Welche Aufgabe hat Führung dann noch? Die typischen Managementfunktionen treten in den Hintergrund und der Schwerpunkt verlagert sich auf unternehmerische Herausforderungen. Führungskräfte brauchen Empathie: Welche Zusammenhänge im Marktgeschehen erlauben die Verringerung von Komplexität? Welche Angebote sind resonanzfähig? Wofür steht das eigene Unterneh-men? Ob nach außen oder nach innen: Das Verständnis für die Wertvorstellungen der Menschen hat höchste Pri-orität. Das althergebrachte kurzfristige Renditedenken dagegen wird immer mehr zum Auslaufmodell. Der Inte-ressenausgleich zwischen den gesellschaftlich beteilig-ten Stakeholdern wird bedeutsamer als die Maximierung von Shareholder Value.

Je eher Vorgesetzte diese neuen Handlungsmuster erkennen, desto schneller werden sie ihr Unternehmen auf Zukunftskurs bringen. Dass das kein Spaziergang wird, wissen die Entscheider selbst. Aber ein rasches Umdenken und eine Neuausrichtung ihres Führungshan-delns wird belohnt werden. Von Mitarbeitern, Kunden und Anteilseignern gleichermaßen.

Von Professor Dr. Peter Kruse

„ENTSCHEIDER KÖNNEN NUR NOCH AUF SICHT SEGELN“

Professor Dr. Peter Kruse ist Leiter der Studie „Führungskultur im Wandel“ der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) sowie Geschäftsführer der Marktforschungs- und Beratungsfirma nextpractice in Bremen.

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MEHR SPIELRAUM, BITTE!Hierarchien flachen in modernen Unternehmen ab. Trotzdem braucht jedes Team eine Führung. Manager können dabei von Sportlern lernen: Mannschaftskapitäne üben Einfluss auf ihr Team aus, ohne es zu kommandieren, und stellen eine Atmosphäre der Hochleistung her.

Erfolgreiche Sportler trainieren nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Welche Strategi-en sich Führungskräfte von ihnen abschauen können, lesen Sie auf www.haysworld.de

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Olympiasiegerin Marion Rodewaldsieht sich auch als Mannschaftskapitän als normales Mitglied des Teams.

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Athen, 26. August 2004, Olympische Sommerspiele. Gleich passiert das Unglaubliche. Marion Rodewald blickt auf die Stadionuhr, wenige Sekunden bis Spielende, der Ball ist vorne im gegnerischen Feld. Sie begreift, dass es geschafft ist. Die Kapitänin des deutschen Hockeynatio-nalteams reißt die Arme hoch, schmeißt ihren Schläger weg. Die Silbermedaille wäre für das deutsche Außensei-terteam gigantisch gewesen. Nun wird es Gold! Rodewald schreit sich die Anspannung der vergangenen Wochen, Monate, Jahre aus dem Leib. Abpfiff.

Die Olympiasiegerin Marion Rodewald, 38, ist eine von je-nen Mannschaftskapitänen, denen es gelungen ist, einen herausragenden Erfolg mit ihrem Team zu feiern. Die Ant-wort auf die Frage, wie sie das geschafft hat, dürfte auch Führungskräfte in Unternehmen interessieren. Deren „Spielfeld“ wandelt sich nämlich gerade, zumindest in deutschen Unternehmen. Hierarchien flachen ab, den ty-pischen Vorgesetzten wird es immer weniger geben, denn Mitarbeiter beanspruchen mehr Freiheit, mehr Flexibilität, mehr Spielraum. Das besagt der Leadership Report 2015 des deutschen Zukunftsinstituts. Das veränderte Umfeld verlangt nach neuen Spielregeln: Führungskräfte von morgen müssen Einfluss ausüben, ohne zu kommandie-ren. Zugleich sollen sie eine Atmosphäre der Hochleistung herstellen. Es geht um eine neue Form des Führens.

Führung erfolgt nicht mehr von oben nach unten, sondern quer auf allen Ebenen

Tanja Gröber nennt diesen neuen Führungsstil „Führen von der Seite“. Sie ist freie Trainerin bei der Führungsaka-demie Deutscher Olympischer Sportbund und trainiert

Manager in Wirtschaftsunternehmen und aus dem Hoch-leistungssport. „Das Führungsverständnis wandelt sich. Führen wird nicht länger von oben nach unten gehen, sondern quer auf allen Ebenen“, sagt Gröber.

In ihren Seminaren zu Führungskompetenz bedient sie sich gerne an Beispielen aus dem Sport, denn bestimmte Strategien – wie die von Mannschaftskapitänen – eignen sich für Führungskräfte in der Wirtschaft: Projektleiter beispielsweise, die keine Vorgesetzten sind, aber den- noch mit anderen gemeinsam Ziele erreichen wollen. Das Führen von der Seite gibt es im Mannschaftssport, seit es Mannschaftskapitäne gibt.

Im Jahr 2003 wurde die Hockeyspielerin Marion Rode-wald Kapitänin in der Nationalmannschaft. Das Team wählte sie. Das, sagt sie, war die Basis für ihren späteren Erfolg, sie hatte das Vertrauen der Mannschaft, von Be-ginn an. „Ich war nicht von allen die beste Freundin, bin aber mit jedem ausgekommen. Das Team hat mir zuge-traut, dass ich die Interessen aller vertreten kann. Sport-

Von Susanne Faschingbauer

Kapitän einer Mannschaft wird man nicht nur durch sportliche Leistung, sondern vor allem durch menschli- che Qualitäten wie Zuhören, Empathie sowie die Fähigkeit, Konflikte zu erkennen und zu lösen.

„Das Führungsverständnis wandelt sich. Führen wird nicht länger von oben nach unten gehen, sondern quer auf allen Ebenen.“

Tanja Gröber, Trainerin bei der Führungsakademie Deutscher Olympischer Sportbund

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lich hätte man sicherlich jemand anderen gewählt.“ Aber das Team entschied sich in erster Linie für ihren Charakter.

Alles ansprechen, nichts aussitzen

Was Rodewald auszeichnet, ist ihr Talent für Kommunika-tion. „Dinge, die irgendwie im Raum waren, haben wir so-fort angesprochen.“ Bei Olympia 2004, nach einem „dra-matisch schlechten Spiel gegen Südafrika“, sprach das Team offen darüber, dass niemand ausreichend Leistung gezeigt hatte. „Wir haben es geschafft, den Schalter um-zulegen.“ Alles ansprechen, nichts aussitzen – nach die-sem Motto führte Rodewald ihr Team. Sie verstand sich als Sprachrohr, Bindeglied und Motivatorin, gestand sich aber keinerlei Sonderrechte zu. „Ich habe mich immer als normales Mitglied der Mannschaft gesehen.“ Diese Mischung aus selbstbewusstem und subtilem Führen machte sie in ihrem Amt so erfolgreich.

Im Jahr 2009, als Rodewald die Nationalmannschaft ver-ließ, begann ein anderer eben erst seine Karriere: Uwe Gensheimer, heute 28 Jahre alt und Kapitän der deut-schen Handballnationalmannschaft, damals ein 22-Jähri-ger, der sich in die Herzen der Fans spielte. In den Jahren 2011 bis 2013 wählten sie ihn zum Handballer des Jahres, „uns Uwe“ jubeln sie ihm heute zu, in Anlehnung an den Fußballhelden Uwe Seeler. Ein Spieler mit Charakter.

„Ich kann auf und neben dem Feld andere Spieler führen und mitziehen“, sagt Gensheimer. Zum einen, indem er sich durch seine eigene gute Leistung und „den Willen, in jedem Spiel alles zu geben“, Akzeptanz im Team ver-schafft. Zum anderen, indem er viel Wert auf das zwi-

schenmenschliche Verhalten legt. Der Kapitän geht mit jedem Spieler respektvoll um, nimmt jeden, wie er ist.

Im Januar diesen Jahres trat Gensheimer das bislang wichtigste Turnier seiner Karriere an: die Handball-WM 2015 in Katar, erstmals als Kapitän der deutschen Mann-schaft. Dort stand er vor der schwierigen Aufgabe, ein junges Team mit neuen Spielern zu führen. Der Trainer bestimmte ihn zum Kapitän. Gensheimers Erfahrung war gefragt, er stand vor seinem 100. Länderspiel. Die Mann-schaft überraschte mit ausgezeichneten Spielen, erst im Viertelfinale schied sie aus.

Die menschlichen Qualitäten zählen

Wie Rodewald ist Gensheimer ein Kommunikationsprofi. Er präsentiert sein Team in der Öffentlichkeit und versteht sich als Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainer. „Probleme basieren auf Missverständnissen. Meistens hilft ein offenes Gespräch.“ Was beim Mannschaftskapitän im Sport zählt, ist nicht nur Leistung, sondern sind insbesondere menschliche Qualitäten: das Zuhören, die Empathie sowie die Fähigkeit, Konflikte zu erkennen und zu lösen. Tanja Gröber macht aber noch einen anderen Aspekt aus, der entscheidend für Erfolg sein kann: Wie kam der Kapitän zu seinem Amt? „Wer gewählt wurde, hat 80 Prozent der Spieler hinter sich, das macht es oft leichter.“ In einem schlechten Umfeld könne der beste Kapitän keinen Erfolg haben.

Abschließend wagt die Expertin ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor, Projektleiter in Unternehmen würden von Mitarbeitern gewählt und nicht von ihren Vorgesetzten bestimmt. Hätten deren Teams mehr Erfolg?

Im Januar diesen Jahres trat Uwe Gensheimer das bislang wichtigste Turnier seiner Karriere an: die Handball-WM 2015 in Katar, erstmals als Kapitän der deutschen Mannschaft.

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DIE IDEEN-MAKLERDie Welt vernetzt sich, wird komplexer, fast undurchschaubar. Dabei sind Manager und Politiker auf schnelle Entscheidungen angewiesen. Sie suchen deshalb Rat bei Leuten, die sich auf das Denken spezialisiert haben.

Erfahren Sie mehr über die wichtigsten Think Tanks der Welt auf www.haysworld.de

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Als Martin Thunert noch nicht Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg lehrte, sondern in den 1990er- Jahren als Praktikant am Kongress in Washington, D. C., arbeitete, ist er auf eine Frage gestoßen, die seine Karri- ere stark beeinflussen sollte: Wie einflussreich sind Think Tanks? Thunert staunte bei den Anhörungen der Kon-gressausschüsse darüber, welch große Rolle Think Tanks im Prozess der politischen Entscheidungsfindung in den USA spielten. Er wollte wissen, ob es Ähnliches in Deutschland gab.

Entstanden ist der Begriff „Think Tank“ während des Zweiten Weltkriegs in den Vereinigten Staaten. Er be-zeichnete geheime Treffen an abhörsicheren Orten, um militärische Strategien zu erarbeiten. In den USA etablierte sich der Name ab den 1960er-Jahren für private For-schungsinstitute. In Deutschland setzte er sich zur Jahrtau-sendwende durch. Rund 200 Think Tanks gibt es heute in Deutschland, etwa 7.000 weltweit, knapp 50 Prozent davon in Nordamerika.

Als Thunert in den 1990er-Jahren begann, die Szene für seine Habilitation zu beobachten, war er einer der Ersten, die dieses junge Feld betraten. Bis heute forscht und lehrt er dazu. Es gab damals einige Denkfabriken in Deutsch-land – allerdings nannten sie sich nicht so. Sie sahen sich als Forschungsinstitute, die ihr Fachwissen zu wirtschaft-lichen oder politischen Problemen anboten. Eines davon war das 1914 gegründete Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, Deutschlands älteste Denkfabrik. Wie wirkt sich die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik aus? Bauen sich aktuell auf Märkten Blasen auf? Wie geht Deutschland mit seiner Exportstärke um? Das sind Fragen, die das Kieler Institut beantwortet.

Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an einen Tisch bringen

Das IfW arbeitet für Bundes- und Länderministerien, die EU-Kommission oder im Einzelfall für ausländische Regie-rungen und verfügt über ein Budget von rund zwölf Milli-onen Euro. Rund zwei Drittel davon sind die feste Grund-finanzierung von Bund und Ländern. Interne Zentren, wie das Prognosezentrum oder das Zentrum für Wirtschafts-politik, konzentrieren sich ausschließlich auf die Beratung, sprich: die Think-Tank-Arbeit. Zudem veranstaltet das IfW einmal jährlich das Global Economic Symposium. „Wir bringen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an einen Tisch“, sagt IfW-Sprecher Guido Warlimont.

Das Wirtschaftsinstitut beschäftigt 170 Mitarbeiter, 100 davon sind Forscher. „Man nimmt unsere Stimme in Poli-tik und Öffentlichkeit wahr, wir werden oft angefragt und angehört“, sagt Warlimont. So wenden sich zum Beispiel Journalisten an das Institut, wenn es um aktuelle, schwer durchschaubare Wirtschaftsthemen wie die Einschätzung der Situation in Griechenland geht. Politiker fordern Gut-achten zu komplexen Wirtschaftsfragen, die Bundesre-gierung schrieb zum Beispiel ein Forschungsprojekt zur Finanzstabilität im Euroraum aus. Doch der Einfluss hat Grenzen. „Manchmal hören wir: Euer Vorschlag ist sinn-voll, dafür kriegen wir aber keine politische Mehrheit.“

Die hundertjährige Tradition, auf die das IfW zurückblickt, ist in der deutschen Think-Tank-Szene eine Ausnahme. Die meisten der Denkfabriken hierzulande entstanden in

den vergangenen 25 Jahren – einer Zeit also, in der sich unsere Gesellschaft zunehmend vernetzte, komplexer wurde und die Öffentlichkeit mehr und mehr nach Orien-tierung verlangt. Manager, Politiker und Journalisten ge-raten dabei häufig unter Druck, schnell zu reagieren, und sind deshalb auf Expertenwissen und Ideen von außen angewiesen. Sie suchen Rat bei Leuten, die sich auf das Denken spezialisiert haben. Einer dieser jüngeren Think Tanks, die sich erfolgreich etabliert haben, ist das Ecologic Institut, mit Hauptsitz in Berlin. Die Wissenschaftler betreiben Umweltforschung. Sie verstehen das Institut als Garten, in dem sie Wissen anpflanzen, das zu guten Ideen für die Umweltpolitik her-anreift. Die Denkfabrik unterstützte beispielsweise die Bundesregierung beim Atomausstieg und entwickelte das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit.

Denkfabriken stehen mit einem Bein in der Wissenschaft

Auf etwa sieben Millionen Euro beläuft sich der Etat des Ecologic Instituts, das auf eine Grundfinanzierung aus öffentlichen oder privaten Mitteln verzichten muss und sich stattdessen durch das Einwerben von Projektmitteln finanziert. Förderer sind insbesondere die Europäische Union, aber auch Ministerien und Behörden auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene. Die rund 150 Mitarbeiter sind Politik- und Sozialwissenschafter, Naturwissenschaft-ler, Rechtsanwälte, Geographen oder Psychologen und kommen aus technischen Disziplinen. „Dies ist ein Vorteil gegenüber der Forschung an Universitäten, wo die Diszi-plinen strikt voneinander getrennt sind“, sagt Thunert.

Der Politologe beobachtet in Deutschland eine bunte Think-Tank-Landschaft: Quantitativ sind die Institute be-sonders gut in der Wirtschafts-, der Entwicklungs- und der internationalen Politik vertreten, ebenfalls stark auf-gestellt sind sie in der Umwelt- und Technikforschung. Think Tanks, die sich auf Familienpolitik oder bestimmte Bereiche der Bildungspolitik sowie auf die Themen Min-derheiten, Zuwanderung und Integration konzentrieren, sieht Thunert dagegen als unterrepräsentiert an. Insge-samt, so seine Einschätzung, gestalteten die deutschen Think Tanks gesellschaftliche Debatten und politische Entscheidungen aber mit: „Denkfabriken sind Ideenmak-ler. Sie stehen mit einem Bein in der Wissenschaft und wollen herausfinden, was die Gesellschaft besser macht.“

Von Susanne Faschingbauer

ist seit 2007 University Lecturer (Dozent) und Politikwissenschaftler am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Uni-versität Heidelberg. Thunert ist ferner assozi-iertes Mitglied des Zent-rums für Nordamerika-studien (ZENAF) der Universität Frankfurt.

Martin Thunert

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BLICKKONTAKT STATT AMPELWas passiert, wenn im Straßenverkehr Führung durch gegenseitige Rücksicht-nahme ersetzt wird? Man erhält etwas, was einst heiß diskutiert wurde und heute pragmatisch umgesetzt wird: den Shared Space.

Wenige hundert Meter vom Osloer Fähranleger ent-fernt befindet sich der St.-Olavs-Platz. Kopfsteinpflas-ter und abgesenkte Bordsteine. In der Mitte eine Skulp-tur, am Rand Sitzgelegenheiten. Fünf Straßen münden ein. Ringsum Bürogebäude, ein Hotel, ein Theater,

Schulen. Dieser Platz ist das bevorzugte Studienobjekt von Sebastian Peters, Forscher an der Norwegischen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften (NMBU). „Manchmal wimmelt es hier von Fußgängern, etwa während der Mittagszeit oder wenn viele Touristen da

Von Michael Vogel

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Shared Space ist gar nicht regellos, sagt Jörg Ortlepp von der Unfallforschung der Versicherer. Lesen Sie online weiter unter www.haysworld.de

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Seit zehn Jahren komplett ohne Ampeln und Fahrbahnmarkierungen: der St.-Olavs-Platz in Oslo.

sind“, erzählt Peters. „Dann kommt man sich als Autofahrer richtig fremd vor.“ Und dann gibt es Zeiten, in denen der Au-toverkehr dominiert – dann werden Fußgänger und Radfah-rer „regelrecht an die Seite gedrängt“. Aus soziologischer Sicht seien die Verhältnisse auf dem Platz also „extrem insta-bil“, so der Wissenschaftler. „Manchmal treten Situationen auf, in denen Kinder über den Platz rennen, obwohl ein Lkw aus einer der Straßen kommt.“ Hupen, Winken, Rufen gehör-ten zum Geschehen auf dem Platz dazu wie die Vielfalt auf ihm. „Oft sorgt bereits die Körpersprache der Verkehrsteil-nehmer für ausreichende Klarheit über den intendierten Weg.“ Klarheit, die anscheinend genügt. Denn seit der Platz vor knapp einem Jahrzehnt umgebaut worden ist, gibt es hier weder Ampeln noch Fahrbahnmarkierungen. Trotzdem kam es noch zu keinen nennenswerten Unfällen.

Weniger Regeln führen dazu, dass Menschen umsichtiger handeln

In Norwegen gilt der St.-Olavs-Platz als Beispiel für einen Shared Space – obwohl kaum jemandem in der Stadt diese Bezeichnung geläufig sein dürfte, sieht man einmal von Se-bastian Peters ab, der, finanziert vom norwegischen Straßen-bauamt, über dieses Thema promoviert. Der Begriff des Shared Space geht auf den britischen Stadtplaner Ben Hamilton-Baillie zurück und wurde vor etwa einem Jahrzehnt vor allem durch den Niederländer Hans Monderman be-kannt. „Shared Space beruht auf der Interaktion der ver-schiedenen Verkehrsteilnehmer“, sagt Jörg Thiemann-Linden, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Urbanistik (DIFU) in Berlin. Blickkontakt statt Ampel. Shared Space ist der vermeintlich ungeregelte Verkehrsfluss – keine Schilder, keine Zebrastreifen, keine Fahrbahnmarkierungen, keine Bordsteine. Weniger Regeln führen dazu, dass Men-schen umsichtiger handeln, weil sie in einer unklaren Situati-on erst einmal sondieren. So weit die reine Lehre. „Diese Idee stellt das Idealbild der Verkehrsplanung – die räumliche Trennung der Verkehrsmittel – infrage, das in unseren Städ-ten seit mehr als 80 Jahren vorherrscht“, so Thiemann-Linden. In den 1930er-Jahren legte der Gesetzgeber fest, dass es

am sichersten sei, wenn sich Fußgänger in separaten Berei-chen aufhalten und nur an definierten Stellen die Straße überqueren können.

Von 2004 bis 2008 war Shared Space der EU ein Koopera-tionsprojekt wert, das exemplarisch den motorisierten Ver-kehr mit dem Verweilen an einem Ort in Einklang bringen sollte. Die Idee dahinter: Ein Ort, der nicht nur nach den Anforderungen des motorisierten Verkehrs gestaltet ist, er-muntert Passanten, dort länger zu verweilen. Nur so kann eine Stadt zu einer lebendigen, lebenswerten Stadt wer-den. Sieben europäische Gemeinden, darunter das nieder-sächsische Bohmte, nahmen daran teil und gestalteten ei-nen innerstädtischen Raum nach Shared-Space-Prinzipien, was erbitterte Diskussionen zwischen Gegnern und Befür-wortern des Konzepts auslöste. Hier die einen, die die Sor-ge um die Gefahr des Chaotischen umtrieb, dort die ande-ren, die die Chance für mehr Aufenthaltsqualität in den In-nenstädten sahen. Der Hamburger Koalitionsvertrag sah 2008 in jedem der sieben Stadtbezirke Gemeinschaftsstra-ßen nach dem Prinzip des Shared Space vor. Umgesetzt wurde das in dieser Form jedoch nie. In Aachen wiederum wurde die anfangs offiziell als Shared Space bezeichnete Umgestaltung einer Straße zwar durchgezogen – um Kriti-ker zu beruhigen, gilt sie aber offiziell nicht mehr als Bei-spiel für einen Shared Space.

„Shared Space ist kein klar definierter Begriff und daher gibt es auch wenig Wirkungsforschung“, sagt DIFU-Wis-senschaftler Thiemann-Linden. Privat hat er inzwischen in ganz Europa rund 150 Beispiele für Shared-Space-ähnli- che Gestaltungen dokumentiert, darunter auch viele in Deutschland. „Frankreich, Belgien, Österreich und die Schweiz haben in ihre Straßenverkehrsordnungen den Begriff der Begegnungszone aufgenommen.“ Damit ist ein verkehrsberuhigter Bereich gemeint, in dem Fußgänger Vortritt vor dem Autoverkehr haben. Für Kommunen bestehe somit die Möglichkeit, an zentralen Plätzen und Straßen den Autoverkehr mit der lebendigen Straßennutzung zu kombi-nieren. Für Deutschland würde Thiemann-Linden sich die-sen Schritt auch wünschen.

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Es ist ein grauer Januartag, als Jürgen Hutterer sich ent-schließt, zu kündigen. Gerade hat die Firmenleitung dem Manager aus Österreich eröffnet, dass sein Einsatz in Barce-lona beendet wird. Künftig solle er wieder in der Wiener Un-ternehmenszentrale arbeiten. Die von oben angeordnete Rückkehr empfindet Hutterer eher als Rückschritt: Zwei Jah-re lang hat er für ein österreichisches Medizintechnik- und Pharmaunternehmen die Neuausrichtung der Geschäfte in Spanien begleitet. Allem persönlichen Einsatz zum Trotz soll damit jetzt plötzlich Schluss sein.

Als der Experte für Organisation und Logistik 2011 in Barce-lona anfängt, gehört die spanische Niederlassung erst seit Kurzem zum Unternehmen. Prozesse, Firmenkultur, IT – nichts passt zusammen. Niemand spricht Deutsch, kaum je-mand Englisch. Hutterer soll neu strukturieren und umorga-nisieren, doch der deutschsprachige Manager mit seinen Vorgaben aus dem fernen Wien ist zunächst allen suspekt: „Ich war der Spion aus Österreich, niemand wollte mit mir zusammenarbeiten“, sagt Hutterer über seinen Einstieg. Um das Vertrauen seiner spanischen Kollegen und Mitarbeiter zu gewinnen, paukt er mehrere Stunden täglich Spanisch, schließt sich dem spanischen Team abends öfter auf ein Glas Wein an und fliegt als Dankeschön für gute Arbeit auch schon mal eine Sachertorte ein.

Nach rund einem Jahr hat er sich etabliert und kann erste Erfolge vorweisen, doch die anhaltende Finanzkrise macht seinen Einsatz zunichte. Weil die spanischen Kunden – dar-unter viele öffentliche Krankenhäuser – ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, muss auch sein Arbeitgeber massiv sparen. Viele seiner spanischen Mitarbeiter und Kol-legen verlieren ihren Job. Er selbst soll künftig von Wien

aus den spanischen Kundenservice leiten. Hutterer, der zu-vor bereits in verschiedenen Managementpositionen er-folgreiche Aufbauarbeit geleistet hat, ist frustriert. Nicht nur das Wetter, sondern auch das Betriebsklima in Wien gefällt ihm nicht mehr. Außerdem hat er in Spanien inzwi-schen seine große Liebe kennengelernt. Noch auf dem Weg zum Flughafen beschließt er, beruflich eine komplett neue Richtung einzuschlagen. Lebensqualität ist heute ein wichtiger Hygienefaktor

Eine mutige Entscheidung, die der heute 38-jährige Ex-Ma-nager inzwischen erfolgreich in die Tat umgesetzt hat. Im März 2013 hat er in seiner Wahlheimat Barcelona ein kleines, stilvolles Hotel eröffnet. Anfangs belegte das „Mihlton Bar-celona“ nur die erste Etage in dem schönen Jugendstil-Stadthaus, 2014 kam die zweite hinzu, und bis zum Herbst 2015 wird sich die Zimmerzahl von sieben auf 20 fast ver-dreifachen. Hutterer, der für die erste Saison noch seine Mutter zur Unterstützung einflog, beschäftigt mittlerweile sechs Angestellte. Dass sich das junge Hotel so schnell auf einem Markt mit mehr als 65.000 Hotelbetten durchge-setzt hat, ist nicht zuletzt seiner langjährigen Management-erfahrung zu verdanken: Businessplan erstellen, Kosten-rechnung aufbauen, Preise und Auslastung optimieren und ein multinationales Team führen – das alles sind für ihn ver-traute Aufgaben. Auch in Krisensituationen waren seine Führungsqualitäten schon gefragt: zum Beispiel als zwei Tage vor der geplanten Eröffnung die Bauaufsicht Wand-farbe und Elektroinstallation nicht abnahm. Die Handwer-ker hatten gepfuscht, dem Hotelchef blieben 48 Stunden, um die massiven Mängel zu beheben. „Das hat mich nerv-

Von Kirstin von Elm

Jürgen Hutterer

ICH BIN DANN MAL WEGPrestige, Verantwortung, Gestaltungsspielraum und ein attraktives Gehalt gehören zu den Vorzügen eines Führungspostens. Warum gibt man so etwas freiwillig auf? Ex-Manager erzählen.

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lich zehn Jahre meines Lebens gekostet“, sagt er. Trotz 7-Tage-Woche wünscht er sich sein altes Leben nicht zu-rück: „Heute bin ich für alle Entscheidungen selbst verant-wortlich und muss nichts mehr durchsetzen oder ausbü-geln, was nicht auf meinem Mist gewachsen ist“, sagt er. Wenn überhaupt, habe er sich vor 20 Jahren falsch ent-schieden: „Ich habe gefunden, was ich wirklich gerne tue.“

Prestige, Gehalt und berufliche Sicherheit einer Führungs-karriere aufgeben für das private Glück, persönliche Werte oder einen langgehegten Lebenstraum – eine Frage, die sich viele Manager irgendwann einmal stellen: „In den beruflichen Vierzigern denken viele über Veränderungen nach“, sagt Petra Bock, Coach und Managementberaterin aus Berlin. Bei ihr lassen sich Führungskräfte beraten, die auf der Suche nach einer neuen Perspektive sind. Neu sei, dass sich zuneh-mend auch jüngere sowie deutlich ältere Klienten die Sinnfrage stellen. Lebensqualität sei heute ein wichtiger Hygi-enefaktor, so Bock: „Auch im persönlichen Umfeld bringt es oft keine Anerkennung mehr, sich kaputtzumachen.“

Stattdessen finden sich in den Medien anerkennende Berich-te über erfolgreiche und prominente Topmanager, die „aus-gestiegen“ sind. Zum Beispiel der ehemalige Escada-Finanz-vorstand Michael Börnicke, der sich heute in der Start-up-Szene engagiert. Die frühere Kommunikationschefin des Musiksenders MTV Angie Sebrich, die 2001 ein Leben voller Partys und Reisen aufgab, um eine Jugendherberge in den Alpen zu übernehmen. Oder der ehemalige Investmentban-ker Stefan Roggenkamp, der 2005 von London zurück nach Gütersloh zog, um seine demenzkranke Mutter zu pflegen, und der heute Bio-Suppen produziert.

„Kein Abenteuerurlaub für frustrierte Manager“

Auch Helene Prölß musste sich mit 52 Jahren der Sinnfrage stellen. Ihr Leben lang hatte die studierte Betriebswirtin Vollgas gegeben: Jüngste Abteilungsleiterin beim Sparkas-senverlag, mit Anfang 30 eine eigene Werbeagentur, au-ßerdem Mutter von vier Kindern. 2003 zwang ihr Körper sie schließlich zu einer Pause. Die nutzte die Marketing- und Kommunikationsfachfrau, um zwei Jahre lang „Manager ohne Grenzen“ zu entwickeln. Die gemeinnützige Organisa-tion vermittelt Führungskräfte zeitlich befristet in Entwick-lungshilfeprojekte (siehe Kasten). Im Mittelpunkt steht für

Helene Prölß

KOPF ODER BAUCH: WAS RATEN SIE MANAGERN, DIE MIT DEM GEDANKEN ANS AUSSTEIGEN SPIELEN?

Petra Bock: Nicht jede Unzufriedenheit ist gleich eine Aufforderung zur Flucht. Eine gründliche, sachliche Abwägung ist immer angezeigt. Ich habe zu viele Menschen begleitet, um immer und überall gleich zum ganz großen Schritt zu raten. Viele denken, nur der ganz große Change würde sich lohnen – das ist aber falsch. Sehr große Veränderungen kosten viel Energie und sollten deshalb gut vorbereitet sein. Oft genügt es schon, naheliegende Dinge ohne großes Aufheben neu zu ordnen: sich besser organisieren, längst fällige Gespräche führen, sich mehr um die eigene Gesundheit und Fitness kümmern. Wenn dagegen wirklich der große Wechsel dran ist, kann ein professioneller Coach Sie als versierter Sparringspartner begleiten. Niemand muss das alleine durchziehen.

Petra Bock ist Coach und Beraterin für Veränderungs- und Entwicklungsprozesse und hat eine eigene Lehr- und Ausbildungsakademie in Berlin.

www.petrabock.de

AUSSTIEG AUF ZEIT

Die gemeinnützige Stiftung „Manager ohne Grenzen“ mit Sitz in Stuttgart vermittelt Führungskräfte als Spezialisten auf Zeit in Entwicklungshilfeprojekte. Die ehrenamtlichen Einsätze dauern ab drei Wochen bis maximal drei Monate. Unterkunft und Verpflegung vor Ort werden von den jeweiligen Projektträgern gestellt. Für die Betreuung vor und während des Einsatzes erhebt die Organisation eine Pauschale, außerdem ist ein zweitägiges Vorbereitungsseminar für angehende Helfer Pflicht.

www.stiftung-managerohnegrenzen.de

Helene Prölß ganz klar der Erfolg der Projekte, deshalb legt sie strenge Maßstäbe bei der Auswahl der Hilfswilligen an. „Das ist kein Abenteuerurlaub für frustrierte Manager“, stellt sie klar. Nur wer sich ernsthaft auf Armutsthemen ein-lassen kann und die Menschen vor Ort respektiert, hat bei ihr eine Chance. Dass umgekehrt auch die Manager vom Einsatz profitieren, sei ein phantastischer Nebeneffekt: „Danach brauchen sie nie wieder ein interkulturelles Trai-ning“, sagt Prölß. Dass Heimkehrer nach dem Einsatz beruf-lich neue Schwerpunkte setzen, komme häufiger vor. Auch Helene Prölß selbst ist wieder im Einklang mit sich und weiß, wofür sie arbeitet.

So manchem Aussteiger gefallen zwar grundsätzlich seine Aufgaben, nicht aber das Umfeld: „Die Arbeit in klassisch strukturierten Linienorganisationen habe ich als ermüdend und wenig zielführend empfunden“, sagt zum Beispiel Frank Hoffmann, ehemals Leiter eines europaweit agieren-den Logistikzentrums für den Fahrzeugteilehandel. Ange-trieben vom Wunsch, sich weiterzuentwickeln, wagte er 2003 den Schritt in die Selbstständigkeit. Als Interimsma-nager unterstützt er heute namhafte Unternehmen aus un-terschiedlichsten Branchen bei Projekten im Bereich Ein-kauf und Logistik. Anders als früher könne er sich heute als Externer ohne Karriereambitionen im Unternehmen unge-stört auf die Sache konzentrieren: „Die mir anvertrauten Mitarbeiter merken schnell, dass es mir darum geht, inhalt-lich zu arbeiten“, sagt er. Deutschland- und europaweite Einsätze verlangen zwar viel Mobilität und lassen ihm we-nig Zeit für Familie und Freunde. Doch gerade die Vielsei-tigkeit seiner Einsätze gefällt ihm: „Ich mag die ständige Veränderung und kann mir heute nicht mehr vorstellen, den einen ‚Job fürs Leben‘ auszuüben“, sagt er.

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Das Paar steht auf der Tanzfläche, eine Insel inmitten von Bewegung. „Oh, sorry, ich dachte, du wolltest, dass ich seit-lich gehe“, sagt die Frau. „Nein, nein, ich wollte dich in den Ocho führen“, schüttelt der Mann den Kopf. Kurzes Innehal-ten, dann setzen die beiden erneut an, um ihre frischen Tango-Kenntnisse umzusetzen und zur Musik von Carlos Gardel möglichst harmonisch über das Parkett zu gleiten. Nun ja, harmonisches Gehen tut es fürs Erste auch.

Zwar gibt es beim Tango Argentino eine Anzahl definierter Formen, ihr Einsatz ist jedoch völlig frei. Jedes Paar entwickelt seine eigene spontane Choreographie, die zur Musik und nicht zuletzt zu den Platzverhältnissen im Saal passt. Dass die dabei entstehenden Missverständnisse fruchtbar sein können, wenn die Partner konstruktiv damit umgehen, ist nur einer der Grün-de, warum Annette Birkholz den Tango ideal findet, um zu zei-gen, wie Führung besser gelingen kann. Die Leiterin der Ber-liner Agentur Incendo, die sich auf Führungskräftetrainings und Teamentwicklung spezialisiert hat, ist überzeugt: „Im Tango ist der gesamte Kanon zum Thema Führung verankert – vom Um-gang mit Konflikten über die eigene Positionierung bis zur Synchronisation der Kommunikation mit den Mitarbeitenden.“

Die flotte Sohle ist nicht gefragt

Zunächst geht es für die Teilnehmer darum, ihre Haltung be-wusst wahrzunehmen. „Oft wissen die Menschen gar nicht, wo und wie sie stehen, dabei ist Präsenz ein ganz wesentli-cher Faktor der Führung“, erklärt Birkholz. „Danach gilt es zu erspüren, wer eigentlich das Gegenüber ist. Welche Kompe-tenzen bringt die Person mit und wie gehe ich auf diese ein?“ In der zweiten Hälfte des Workshops, nachdem die Teilnehmer einige Schritte gelernt haben, lässt sich schon er-kennen: Klappt das Zusammenspiel von Vorhaben und Wir-kung? Wurde eindeutig kommuniziert? Immer wieder wech-seln die Teilnehmer die Rollen. „Oft führen diejenigen beson-ders sicher, die sich auch gut führen lassen“, so Birkholz; eine Beobachtung, die sie im Berufsleben bestätigt findet. Weibli-che Führungskräfte können bei Incendo übrigens je nach Wunsch die Führungsrolle übernehmen oder sich führen lassen und die Leaderrolle aus der Position der Geführten verstehen.

Nun leben nicht alle Unternehmen die gleiche Führungskul-tur. Annette Birkholz glaubt dennoch, dass die Transferleis-

Von Jana Nolte

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FÜHRUNG OHNE WORTETango Argentino ist viel Improvisation. Gerade die Freiheit der Form jedoch verlangt klare Ansagen. Wie sich nonverbal am besten signalisieren lässt, wo es langgeht, können Führungskräfte, Manager und Teams in speziell auf sie ausgerichteten Tango-Workshops lernen.

tung aus dem Tango-Workshop für immer mehr Unterneh-men sinnvoll ist, denn: „Führen bedeutet heutzutage zuneh-mend, eher zu managen, als harte Ansagen auszusprechen.“ Aber wie gelingt diese Transferleistung? „90 Prozent unserer Kommunikation laufen nonverbal ab, ganz intuitiv – und des-halb ist die Herangehensweise mit dem Körper als Medium sinnvoll“, sagt Birkholz. „Wenn unsere Workshop-Teilnehmer körperlich fühlen, wie verwirrend eine unklare Führung ist, bewegt das mehr als der rein kognitive Prozess.“

Kommunikation toppt Perfektion

Inge Nadenau, Leiterin eines Hospizes, hat an einem Tango-Workshop in Dresden teilgenommen. Nach ersten Vorbehalten fand sie den neuen Führungsbegriff schlüs-sig: „Ich docke bei meinen Mitarbeitern an und nehme sie durch Haltung und Präsenz mit auf den Weg. Ich übe kei-nen Druck aus, sondern mache Angebote, die ihren Res-sourcen entsprechen.“ Hatte sie Bedenken wegen der kör-perlichen Seite des Tanzes? Annette Birkholz berichtet, dass sich vielen Personalverantwortlichen „die Nacken-

haare aufstellen“ bei der Vorstellung eines Workshops „mit Anfassen“. Zu Unrecht, berichtet Nadenau: „Ich habe gemerkt, dass ich Distanz wahren und dennoch in eine enge Kommunikation treten kann.“

Auch Nik Nitschmann, Kontaktmanager beim Bundes- verband mittelständische Wirtschaft (BVMW), hat gute Erfahrungen mit Tango-Workshops gemacht und emp-fiehlt sie seinen Netzwerkunternehmern gerne. „Wie ge-lingt Führung, wenn der andere sich nicht führen lassen will? Und wie finde ich heraus, aus welchen Gründen das so ist?“, waren seine wichtigsten Fragen. Natürlich geht es in den Workshops nicht darum, perfekte Tangotänzer her-vorzubringen – sondern darum, sich solche Fragen be-wusst zu machen und nach Antworten zu suchen. Eine solche könnte etwa sein, mehr Fehlerfreundlichkeit zu zei-gen, „sich selbst und anderen gegenüber“, sagt der Kon-taktmanager. „Oder dem Gegenüber mehr Freiraum zu geben, ihm Angebote zu machen und selber flexibler zu sein.“ Richtig Tango tanzen könne er nach einem einzigen Workshop nicht, sagt Nitschmann. Gelernt habe er trotz-dem viel.

„Oft führen diejenigen besonders sicher, die sich auch gut führen lassen.“Annette Birkholz, Leiterin der Berliner Agentur Incendo, die sich auf Führungskräftetrainings und Teamentwicklung spezialisiert hat.

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Thomas Sattelberger blickt auf fast vier Jahr-zehnte Erfahrung in Management und Perso-nalarbeit zurück. Nach fast 20 Jahren Manage-menttätigkeit bei der damaligen Daimler-Benz AG führte ihn sein Weg 1999 in den Vorstand der Lufthansa Passage Airline und anschlie-ßend für fünf Jahre als Personalvorstand zur Continental AG. Bis Mai 2012 war er in gleicher Position bei der Deutschen Telekom AG tätig. Nach wie vor gilt er als der führende Personal-manager Deutschlands und ist u. a. tätig als Vorstandsvorsitzender der BDA/BDI-Initiative „MINT-Zukunft schaffen“ sowie Sprecher der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“. Darüber hinaus ist er Fellow der International Academy of Management sowie Mitglied diverser Auf-sichts- und Beiräte.

Thomas Sattelberger

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Herr Sattelberger, Sie waren jahrelang Führungskraft, wie haben Sie geführt?

Mein Führungsstil gegenüber meinen Mitarbeitern war direkt, fordernd, charismatisch, auch impulsiv, manchmal jäh und ruppig. In der Führung der Organisation war es mir wichtig, die Hausaufgaben der Gegenwart sauber zu bewältigen. Auf der anderen Seite habe ich mir immer ge-nügend Zeit für mich selbst, aber auch für meine Organi-sation gelassen, um über die Zukunft nachzudenken und vor allem um zu experimentieren.

Was war Ihnen wichtiger, die Führung von Menschen oder von Organisationen?

Mein Fokus lag sicher auf der Organisation. Ich bin kein guter Coach von Menschen, wobei ich in meiner Rolle als direkte Führungskraft immer offen war für Kritik. Der Schwabe sagt ja, auf einen groben Klotz gehört ein gro-ber Keil. Wenn mir jemand klar und deutlich die Meinung gesagt hat, egal ob links, rechts, oben oder unten, habe ich intensiv hingehört und ich konnte mich auch entschul-digen. Aber in meinem eigenen Verständnis war ich eher der strategische Konzeptionist und Architekt, der auch selbst mitgebaut und nicht nur Skizzen gemacht hat.

Wie haben Sie das Thema Führung in Ihren Organisatio-nen gestärkt?

Für mich war es immer wichtig, eine hierarchiespezifische Entwicklung und Förderung von Menschen zugunsten ei-nes breiteren Ansatzes abzuschaffen. Mein zweites wichti-ges Thema war die Diagnostik. Wir haben schon bei Luft-hansa begonnen, Führungskräfte weit im Vorlauf vor einer Ernennung in eine Vorstandsposition in sehr solide Einzel-Assessments zu senden, die auch in hohem Maße persön-lich erhellend waren. Zum Dritten: Ich habe einige harte

Auseinandersetzungen geführt, wie moralische Verfehlun-gen von Führungskräften geahndet werden. Manche habe ich gewonnen, andere verloren. Dabei ging es um die Be-deutung der moralischen Integrität in ihrer Kompasswir-kung für die Organisation. Dies ist in meinen Augen eine sehr persönliche Aufgabe eines Personalchefs.

Was macht Führung denn moralisch integer?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Als ich in den 1980er-Jahren als junger Personalentwicklungsverantwortlicher bei MTU war, hatten wir einen externen Trainer, der Vertriebstraining ge-macht hat. Er lud mich mit anderen Kunden zu einem Skiwo-chenende nach Arosa ein, und da ich damals nicht viel Geld verdient habe, war das sehr verführerisch – vor 30 Jahren genauso wie heute. Die Frage lautet aber: Wie viel Distanz halte ich zu den Verführungen von Macht, Geld und Sex. Das ist aus meiner Sicht ein Schlüsselthema und es taucht bereits in ganz frühen Karrierejahren auf. Gerade bei klitzekleinen Unsauberkeiten ist es für einen Führungsverantwortlichen, der viel mit Talenten zu tun hat, ungeheuer wichtig, dieses Thema kollegial zu korrigieren und anzusprechen, wenn man so etwas merkt. Denn unbesprochen entwickelt sich das zu dem, was man in der Leadership-Forschung den „fatal flaw“, die fatale Achillesferse, nennt. Man glaubt, wenn man oben oder fast oben ist, kann man uneingeschränkt herrschen und alles, was man macht, ist richtig. Früher gab es zu diesem Thema übrigens eine gute kleine Übung: Führungskräfte oder Talente schrieben sich ihre eigene Grabrede, um dabei herauszufiltern, wofür sie wirklich stehen wollen im Leben.

Helfen da Leitbilder und Werte weiter?

In der heutigen brüchigen Zeit haben Leitbilder manchmal die Lebensdauer eines Salatkopfs. Ich halte ihren Wert da-her für sehr relativ. Vielmehr glaube ich, dass es für Unter-nehmen wichtig ist, über einen „code of conduct“ oder

Das Interview führte Frank Schabel

SOZIALE LABORATORIEN ENTFACHEN INNOVATIVE KRAFTWir müssen in Teilen der Organisation wieder Experimentallabore haben. Und zwar keine technischen, sondern soziale, um neue Formen der Führung, der Zusammenar-beit und der Strategieentwicklung zu testen, so das Credo des ehemaligen Telekom-Vorstands und HR-Vordenkers Thomas Sattelberger im Interview mit HaysWorld.

Welche Rolle spielt Führung in demokratischen Unternehmen? Und was macht gute Führung künftig aus? Diese Fragen beantwortet Thomas Sattelberger im Video-Interview auf www.haysworld.de

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einige real gelebte Verhaltensweisen als ungeschriebenes oder geschriebenes Gesetz zu verfügen. Aber das stellt nur einen formalen Rahmen dar. Die entscheidende Frage ist daher, wie die konkrete Führungsarbeit aussieht: Brin-gen Menschen in ihrem Stil sichtbar rüber, wo sie stehen und dass sie auf der richtigen Seite stehen?

Führung der Organisation ist eines Ihrer zentralen Themen. Wie sieht hier eine zeitgemäße Führung aus?

Organisationen sind gegenwärtig in einer Phase des Versuch-Irrtums-Lernens. Denn die Umweltkomplexität ist so hoch, dass eine lineare Betrachtung der Zukunft nicht mehr greift. Daher müssen wir experimentelles Handeln fördern. Macht was, schmeißt es ins Wasser, seht, was passiert, und geht schnell mit dem Ergebnis um. Egal, ob es ein Scheitern, ein Fehlschlag oder ein Erfolg ist. Deshalb plädiere ich nicht für wenige große, bombastische Würfe, sondern für die vielen kleinen Applikationen in der Realität. Wir müssen in Teilen der Organisation wieder Experimentallabore haben. Und zwar nicht technische, sondern soziale Laboratorien, in denen neue Formen der Führung, der Zusammenarbeit, der Strategieent-wicklung, der Nutzung von Schwarmintelligenz und vieles an-dere getestet werden und wir sensibel beobachten, was das auslöst. Ich bin überzeugt, dass die Qualität der Arbeitswelt und der Arbeitskultur signifikant darüber entscheidet, wie in-novationsfähig ein Unternehmen ist. Weil die Innovationen von heute nicht mehr die Gedankenblitze des Erfinders sind, sondern meist das Ergebnis von kollaborativen Prozessen.

Also Mut zur Unsicherheit, zum Risiko. Begegnen aber nicht viele Unternehmensführer dieser Welt mit noch mehr Effizienzlogik?

Das ist das, was sie gelernt haben. Das sind die klassischen Muster des Erfolgs, mehr vom Gleichen. Wie wir aus dieser Logik aussteigen können? Nehmen Sie einen Gorbatschow oder einen Mohn bei Bertelsmann, die in der tiefen individu-ellen Reflexion ihrer Situation gemerkt haben, dass sie den falschen Weg gehen. Ich glaube daher schon, dass es eine Art „armchair theorizing“ über die Welt gibt, aber das ist eher die Ausnahme. Ich setze stattdessen auf ein zweites Modell: auf die Rolle von guter Governance. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Strukturen innerhalb einer Organisation regelmäßig kritisch durchleuchtet und geändert werden.

Was heißt dies konkret?

In diesem Kontext möchte ich an einen Edzard Reuter von Daimler-Benz mit seiner Vision eines integrierten Technolo-giekonzerns erinnern. Klar ist er als Unternehmer damit grandios gescheitert, aber er hat dabei etwas gewagt. Er wollte die digitale Welt, die damals noch gar nicht so richtig digital war, mit dem Auto verbinden – die Elektronikwelt ei-ner Telefunken und die Hightech-Welt einer Luft- und Raum-fahrt, eingebunden in Fahrzeuge. Das wäre unter heutigen Maßstäben vielleicht ein Erfolgsmodell der Zukunft. Mir geht es in erster Linie um die mutigen, von einer guten Gover-nance zugelassenen Entscheidungen. Dagegen ist Totalum-bau meistens das Ergebnis eines langen Nichthandelns. Frü-hes Handeln erlaubt uns, in einer varianten Bandbreite zu ex-perimentieren. Dann haben Unternehmen noch genügend Mittel aus ihrem Effizienzgeschäft, um das neue ein Stück-chen zu finanzieren. Wenn man sieht, wie lange das Pkw- und das Lkw-Geschäft von Daimler das Modell des integrier-ten Technologiekonzerns finanziert haben, war dies enorm. Je früher Unternehmen mit einem Umbau starten und zum Teil ihr eigenes Geschäft kannibalisieren, umso besser.

„Persönlich finde ich es ein spannendes biologisches Phänomen, nur bin ich mir keineswegs sicher, inwiefern wir Schwarmintelligenz für das Organisieren nutzen können.“

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Ist es hier nicht sinnvoller, Schnellboote ins Wasser zu setzen, die Innovation treiben?

Nehmen Sie das i3-Elektroauto. BMW-Chef Reithofer hat-te starken Gegenwind von seinen eigenen Vorstandskolle-gen, von seiner Ingenieurmannschaft, vom Betriebsrat und von der Presse. Aber er hat Budgets und eigenes Territorium für den i3 weiter gehalten, als 2008 und 2009 die Weltwirtschaftskrise tobte und sein Unternehmen auf Kurzarbeit war. Das ist genau so ein Beispiel, wo exterri-toriale Räume geschaffen werden. Das ist – wenn man die Innovationsfähigkeit im eigenen Organismus behalten möchte – fast die klügere Lösung, als mit Start-ups zu flir-ten und zu hoffen, dass darüber eine große disruptive Innovation entsteht. Denn eigentlich ist dieser Weg für große Firmen fast ein Eingeständnis eigener Innovations-schwäche. Für mich heißt das Modell einer hybriden Or-ganisation, dass ich zu einem frühen Zeitpunkt Raum für Experimente schaffe. Was nicht heißt, dass ich mich nicht öffne für Innovationsformen, die von außen kommen, um die Grenzen der Unternehmung flüssig zu machen. Das wäre ein gangbarer Weg, genauso wie das Flirten mit Start-ups, wobei zumindest in Deutschland die Geduld der Konzerne beim Wachsenlassen der innovativen Kleinen begrenzt ist.

Sich selbst steuernde Systeme – bieten sie einen pas-senden Ansatz, um Menschen in Organisationen neuen Spielraum zu eröffnen?

In bestimmten Feldern der Wissens- und Kreativarbeit ja, aber Sie haben es in der Summe größerer Unternehmen mit Millionen von abhängig Beschäftigten zu tun, deren große Herausforderung es ist, das Alte und Bekannte zu verlernen. Da gibt es dann in aller Regel das Phänomen der gelernten Hilflosigkeit. Wenn ich da Räume schaffe

und sage, bewege dich, führt das folglich eher zu Läh-mung denn zu Aktivität. Wir müssen also schon genau hinschauen, welche Prägungen und Sozialisationsprozes-se Belegschaften oder Teams oder Menschen durchlaufen haben, bevor wir solche Arrangements einführen. Etliche Unternehmen verfahren hier mit der bekannten Lesart „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Sie le-ben in ihren alten Strukturen neue Formen des Designs, bewegen sich also noch in der alten Hierarchiewelt, aber mit agilen Arbeitsprozessen und Arbeitsformen, die ge-nau dieser hierarchischen Logik widersprechen, wie z. B. die Projektmanagementansätze Scrum oder Design Thin-king. Das ist dann fast wie eine Parallelwelt im gleichen Raum. Trotzdem scheint es oft so zu sein, dass Organisa-tionen dadurch vorankommen. Es ist ein Modell für Unter-nehmen, die weniger die Kreation gewohnt sind und mehr die Disziplin. Über das Prozedere bleibt die Disziplin ge-wahrt, aber durch andere Formen werden Menschen zu neuen Wegen befähigt.

Stichwort Schwarmintelligenz, wo ist da die Führung bzw. wer gibt die Richtung vor?

Persönlich finde ich es ein spannendes biologisches Phä-nomen, nur bin ich mir keineswegs sicher, inwiefern wir Schwarmintelligenz für das Organisieren nutzen können. Ich sage bewusst nicht Organisation, sondern Organisie-ren. Ich würde einen Teil davon aufgreifen, die Weisheit der Masse, denn da steckt viel Wahrheit drin. Aber das ist nur ein Urteilen, nicht ein Organisieren, Bewegen und Handeln. Dafür braucht man Führung, nicht nur Selbst-führung. Vor allem, wenn es um viele Menschen geht. Das, was früher die Arbeitsteilung war, muss in neuen Kulturen neu entwickelt werden: als eine Form von Netz-werkkoordination mit kritischen Knotenpunkten und in hohem Maße temporär.

„Ich setze stattdessen auf ein zweites Modell: auf die Rolle von guter Gover-nance. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Strukturen innerhalb einer Organisation regelmäßig kritisch durchleuchtet und geändert werden.“

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HR-Report 2014/2015

Zum vierten Mal in Folge greift der von Hays und dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) herausgegebene HR-Report zentrale HR-Fragestellungen in Unternehmen und Organisationen auf. Den Schwerpunkt des aktuellen HR-Reports bildet das Thema Führung.

FÜHRUNG BEWEGT UNTERNEHMEN

In der immer komplexer werdenden Wirtschaftswelt ist Führung ein, wenn nicht der stabilisierende Faktor. Nicht von ungefähr nennen die von uns befragten Ent-scheider im aktuellen HR-Report 2014/2015 Führung als Topthema. Und es überrascht im Zuge der schnell-lebigen Märkte nicht, dass das Managen von Verän-derungen, wie die digitale Transformation und interne Restrukturierungen, für Führungskräfte (72 %) die größte Herausforderung darstellt. Auf Platz zwei der Herausfor-derungen steht ein inhaltliches Thema, der Umgang mit der steigenden Komplexität in Unternehmen (52 %).Aus Sicht der Befragten bestehen die wesentlichen Aufgaben einer Führungskraft darin, eine Feedback-Kultur zu etablieren (71 %), Mitarbeiter zu motivieren (69 %) und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten auf-zuzeigen (66 %). Umgesetzt sind diese Anforderun-gen an Führungskräfte aber noch bei Weitem nicht. Aus einem wesentlichen Grund: Führungskräften fehlt die Zeit für ihre Führungsaufgaben (79 %).

Führungskräften fällt es nach wie vor schwer, eine Ergebniskultur zu etablieren

Das liegt vor allem daran, dass sich Manager noch zu sehr in der alten Welt bewegen, wie der empirische Befund aufzeigt. So fällt es Führungskräften nach wie vor schwer, ihre Kontrollfunktion zugunsten von mehr Eigenverantwortung (55 %) zu reduzieren und eine Ergebnis- statt einer Anwesenheitsorientierung (48 %) zu etablieren. Auf den Punkt gebracht: Zu viele Führungs-kräfte führen nicht, sondern beschäftigen sich zu sehr mit den Inhalten und der Form der Arbeit ihrer Geführten. Ein interessantes empirisches Ergebnis erbrachte auch die Frage, wie in Unternehmen Führungskarrieren ge-macht werden. Sowohl für die befragten Topmanager als auch für die HR-Verantwortlichen fallen die Antwor-ten eindeutig aus: Auf den beiden ersten Plätzen stehen hier mit weitem Abstand die strategische Nachfolge-planung und das systematische Talentmanagement.Dagegen beantworten die befragten Führungskräfte aus den Fachbereichen und die Mitarbeiter ohne Füh-rungsaufgaben die gleiche Frage komplett anders.

Bei ihnen ist es der Faktor Zufall, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, der Führungskarrieren gestal-tet. Als zweitwichtigsten Punkt nennen sie, die rich-tigen Netzwerke zu haben. Es scheinen also zwei verschiedene Stücke zu sein, die in Unternehmen gespielt werden, wenn Führungskräfte ernannt wer-den – das eine findet auf der inszenierten Bühne der internen Unternehmensöffentlichkeit statt, während das eigentliche Stück hinter den Kulissen gespielt wird.

Zum vierten Mal in Folge greift der jährlich erscheinen-de HR-Report zentrale HR-Fragestellungen in Organi-sationen auf. Er basiert auf einer Onlinebefragung von 665 Entscheidern und Mitarbeitern aus Unternehmen und Organisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Befragt wurden von Juli bis September 2014 sowohl Geschäftsführer sowie HR- und Fachbe-reichsleiter als auch Mitarbeiter ohne Personalverant-wortung aus Unternehmen unterschiedlicher Größe und verschiedener Branchen.

Download: www.hays.de/studien

Detaillierte Charts zu den wichtigsten Ergebnissen des HR-Reports finden Sie auf www.haysworld.de

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SCHNELLE MÄRKTE – FLEXIBLE ARBEITArbeit durch und durch zu regulieren, nimmt den Unternehmen in unserer temporeichen Welt die Chance, agil und innovativ zu handeln – meinen die beiden Hays-Vorstände Dirk Hahn und Christoph Niewerth.

Unsere globalisierten Märkte geben ein hohes Tem-po vor: Die Produkt- und Servicezyklen verkürzen sich immer häufiger, da Wettbewerber aus anderen Kontinenten den Druck erhöhen. Ganz zu schweigen von den digitalen und technischen Veränderungs-prozessen, die binnen Wochen bis dahin bewährte Geschäftsmodelle ad absurdum führen. Disruptio-nen werden in der ökonomischen Welt zum Alltag.

Mit ihren starren und strikt geregelten Strukturen sto-ßen Unternehmen in dieser sich so rasant wandelnden Welt mehr und mehr an ihre Grenzen, um sich auf diesen Wandel einzustellen. Wenn es gelingt, auf den digitali-sierten Märkten erfolgreich zu agieren, liegt dies vor allem an der großen Flexibilität einer atmenden Organisation, die sich ständig an veränderte Märkte anpasst und im Einklang mit neu entstandenen Bedingungen taktet.

Konkret bedeutet Flexibilität zum Beispiel, anste-hende Aufgaben über Projekte anzugehen statt über die alte Linienorganisation – unter Nutzung des Know-hows externer Spezialisten. Sie bedeutet auch, dass sich etliche Unternehmen nur noch auf ihre Kernkompetenzen fokussieren und Wertschöp-fungsnetzwerke die weiteren Aufgaben übernehmen.

Und: Dass wir nicht mehr an einem festen Arbeitsplatz von neun bis 17 Uhr arbeiten, sondern von zuhause aus, in einem Café oder in einem Coworking Space.

Denn Flexibilität ist keine Einbahnstraße, in der Unter-nehmen die Richtung vorgeben, wie sie zu laufen hat. Sie funktioniert nur, wenn sie sich positiv mit den lebenspha-senabhängigen Bedürfnissen der Mitarbeiter verbindet. Auch diese wünschen sich in hohem Maße Flexibilität – um Kinder oder Eltern zu betreuen bzw. zu pflegen oder um ihren Wunsch nach Selbstständigkeit zu realisieren und Unternehmen als Externe zu unterstützen. Hier gilt es also, die subjektiven Interessen der Menschen mit den ökonomi-schen Notwendigkeiten eines Unternehmens zu verbinden.

Kein leichtes Unterfangen! Erst recht nicht, wenn von Seiten der Politik Signale gesendet werden, die Flexi-bilität der Arbeitswelt einzuschränken. Das hilft kei-nem, weder den Menschen noch den Unternehmen. Vielmehr benötigen wir eine bunte Welt mit viel Platz für Heterogenität – gerade über sie entsteht Innovati-on. Das Modell einer bis ins kleinste geregelten Arbeit schnürt das Korsett in unserer temporeichen Welt zu eng und nimmt allen Akteuren die Luft, agil zu han-deln. Daher engagieren wir uns in Richtung Politik, um hier unseren Standpunkt zu vertreten. Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, kommen Sie auf uns zu.

Von Dirk Hahn und Christoph Niewerth

Im Januar 2008 wurde Dirk Hahn als Chief Operating Officer in den Vorstand der Hays AG berufen und verantwortet den Vertrieb in den Geschäftsfeldern Engineering, Construction & Property, Healthcare, Legal, Life Sciences und Retail in Deutschland, den Bereich Rekrutierungsmanagement sowie unsere Landesgesellschaften in der Schweiz und in Österreich.

Im Januar 2012 wurde Christoph Niewerth als Chief Operating Officer in den Vorstand der Hays AG berufen und verantwortet den Vertrieb in den Geschäftsfeldern IT, Finance und Sales & Marketing in Deutsch-land, den Bereich Talent Solutions sowie unsere Landesgesellschaft in Dänemark.

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HAYSWORLDONLINEONLINESie würden die HaysWorld unterwegs gerne auch mal online lesen? Oder fanden einen Artikel besonders inter-essant und würden ihn gerne weiterempfehlen? Oder Sie möchten noch mehr zum Thema erfahren? Dann gehen Sie auf www.haysworld.de. Denn dort finden Sie ungekürzte Texte, multimedial aufbereitet und teilweise um Bilder galerien und Videos ergänzt. Sie erhalten Hintergrund informatio nen und die Möglichkeit, einzelne Artikel zu kommen tieren oder mit anderen zu teilen.

Über www.haysworld.de können Sie außerdem kostenlos die Printausgabe unseres Magazins abonnieren, einzelne Ausgaben nachbestellen und am Gewinnspiel teilnehmen. Oder uns einfach mal Ihre Meinung sagen – zum Beispiel, ob Ihnen das Onlineformat gefällt. Wir freuen uns auf einen regen Austausch und wünschen weiterhin eine anregende Lektüre.

Ihre HaysWorld-Redaktion

GEWINNSPIEL Hays verlost eine Celluon-Laser-Tastatur

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Wen oder was soll der Blickkontakt in unserem Artikel über Shared Space ersetzen? (Erster, zweiter und dritter Buchstabe)

Was ist heutzutage laut Coach und Managementberaterin Petra Bock ein wichtiger Hygienefaktor? (Erster, zweiter und elfter Buchstabe)

Wie heißt die Studie der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“, die Prof. Dr. Peter Kruse leitet? (Vierter, fünfter und achter Buchstabe)

In der richtigen Reihenfolge ergeben die Buchstaben das Lösungswort. Kleiner Tipp: Mannschaftskapitäne wie Marion Rodewald gewähren es ihren Kollegen und schaffen so eine gute Führungskultur.

Das kleine Gerät projiziert eine bedienbare Tastatur auf fast jede Oberfläche – eine platzsparende Alternative für den Schreibtisch und eine praktische Ergänzung für alle Mobilgeräte. Alles, was Sie tun müssen, um die Tastatur zu gewinnen: unser Magazin aufmerksam lesen, die drei Fragen beantworten und das Lösungswort mit neun Buchstaben bis 15. Mai 2015 online unter www.haysworld.de eingeben. Der Gewinner wird schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!

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Externe Ingenieure sind immer stärker gefragt

Externe Ingenieure sind immer stärker gefragt: Während sie noch 2010 von knapp der Hälfte der Unternehmen ge-nutzt wurden, setzen sie derzeit schon 64 Prozent der Un-ternehmen ein. Für ihren Einsatz spricht vor allem, dass Unternehmen mit ihnen Auftragsspitzen und Ressourcen-engpässe überbrücken können (77 %). Außerdem bietet ihr Einsatz Unternehmen die Option, künftige Mitarbeiter kennenzulernen (63 %). Das zeigt die neue Studie „Flexib-le Arbeitswelten für Ingenieure?!“, für die Hays 150 Unter-nehmen und 918 Ingenieure befragte. Trotz der wachsen-den Bedeutung externer Ingenieure plant nur ein Drittel der Unternehmen ihren Einsatz unter strategischen Aspekten. Stattdessen reagiert die Mehrheit spontan auf aktuelle Markt-entwicklungen oder gleicht Engpässe bei Personalkapazitäten und Know-how aus. Initiiert wird ihr Einsatz daher größtenteils direkt von den Fachab-teilungen (85 %).

Die kompletten Ergebnisse der Studie finden Sie unter: www.hays.de/studien

Uneinheitlicher Arbeitsmarkt für Spezialisten

Die positive Stimmung der deutschen Wirtschaft in den letzten Monaten hat sich nicht auf dem Arbeitsmarkt für hoch qualifizierte Spezialisten bemerkbar gemacht. Dies zeigt der Hays-Fachkräfte-Index, der ein uneinheitliches Bild des Arbeitsmarktes für Spezialisten im 4. Quartal 2014 zeichnet: Während die Zahl der Stellenangebote für Ingenieure, Finance- sowie Sales & Marketing-Fachkräfte im letzten Quartal 2014 im Vergleich zum Vorquartal ge-sunken ist, stieg der Bedarf an Life-Sciences-Spezialisten. Nahezu konstant mit leicht steigender Tendenz verhielt sich der Arbeitsmarkt für IT-Experten. Im Vergleich zum Vorjahresquartal hat sich der Stellenmarkt für Spezialisten positiv entwickelt und um 13 Punkte erhöht. Am stärksten gesucht werden nach wie vor IT-Spezialisten. Im Vergleich zu Ingenieuren werden sie doppelt so häufig gesucht. Absolut sind zudem auch Fachkräfte für Sales & Marke-ting stärker gefragt als Ingenieure. Signifikant verringert hat sich vor allem die Zahl der Stellenangebote für Konst-rukteure und Verfahrensingenieure, für Controller und Auditoren sowie für Online Marketing Manager. Stärker gesucht wurden im letzten Quartal unter anderem Tax Manager, Qualitätsmanager für Life Sciences sowie Pro-jektleiter (IT und Engineering), Anwendungsentwickler und SAP-Berater. Der Hays-Fachkräfte-Index basiert auf einer Auswertung aller Stellenanzeigen in überregionalen und regionalen Tageszeitungen sowie den meistfrequen-tierten Onlinejobbörsen.

Mehr Informationen zum Hays-Fachkräfte-Index unter: www.hays.de/index

NEWS UND TERMINE

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LERNEN SIE HAYS BEI FOLGENDEN VERANSTALTUNGEN PERSÖNLICH KENNEN

13. – 17. April 2015 HANNOVER MESSE job & career at HANNOVER MESSE Die weltweit wichtigste Industriemesse Messegelände; Halle 17, Stand B52

15. – 19. Juni 2015 ACHEMA 31. Internationale Leitmesse der Prozessindustrie Halle 9.2, Stand E9; Messe Frankfurt am Main

18. Juni 2015 VDI nachrichten Recruiting Tag Karrieremesse für Ingenieure Schiff „MS Sonnenkönigin“; Bodensee

18./19. Juni 2015 Personalmanagementkongress Deutschlands größter Fachkongress für Personalverantwortliche Estrel Convention Center; Berlin

25. Juni 2015 Karrieretag Lemgo Karrieretag für Studierende, Absolventen sowie Young Professionals Hochschule Ostwestfalen-Lippe; Lemgo

9. September 2015 VDI nachrichten Recruiting Tag Karrieremesse für Ingenieure Estrel Hotel; Berlin

11. September 2015 VDI nachrichten Recruiting Tag Karrieremesse für Ingenieure Kongresszentrum Westfalenhallen; Dortmund

16./17. September 2015 Fachtagung IT-Beschaffung Fachtagung für Einkäufer und Beschaffer der öffentlichen Hand Presse- und Besucherzentrum des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung; Berlin

8./9. Oktober 2015 Österreichisches EinkaufsForum 2015 Größte Veranstaltung mit der Zielgruppe Einkäufer in Österreich Haus der Industrie; Wien

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© Copyright Hays plc, 2015. HAYS, die H-Symbole für das Unternehmen und die jeweilige Branche, Recruiting Experts Worldwide, das Logo Hays Recruiting Experts Worldwide und Powering the World of Work sind eingetragene Markenzeichen der Hays plc. Die H-Symbole für das Unternehmen und die jeweilige Branche sind Originaldesigns, die in vielen Ländern geschützt sind. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk darf ohne die schriftliche Genehmigung des Eigentümers weder ganz noch in Teilen wiedergegeben oder übertragen werden, weder durch Fotokopie noch durch Speicherung auf elektronischen oder anderen Medien. Unzulässige Handlungen hinsichtlich des Werkes können zu zivil- und/oder strafrechtlicher Verfolgung führen.

Hays Willy-Brandt-Platz 1–3 68161 Mannheim T: +49 621 1788 0 F: +49 621 1788 1299 [email protected] www.hays.de

Unsere Niederlassungen finden Sie unter www.hays.de/standorte

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