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A m Ende des Tages beginnt das Leben drinnen9 A m Ende des Tages beginnt das Leben drinnen mit...

Date post: 30-Aug-2020
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A m Ende des Tages beginnt das Leben drinnen mit vielen Aktivitäten, die interessante Foto­motive bieten – Fotos, die heute einfacher zu realisieren sind als je zuvor. Diese Möglichkeit

ist einzig der Verdienst der Digitalfotografie. Wir reden hier von dem erweiterten Aufnahmebereich in Situationen, die wegen zu wenig Licht nicht so auf Film gebannt werden konnten, wie es sich viele Fotografen gewünscht hatten.

Die Fotografie stieß schon immer an technische Grenzen – Foto grafen haben das aber stets akzeptiert und gelernt, sich innerhalb dieser Grenzen zu bewegen. Tatsäch lich haben Fotografen zu ihrer Zeit diesen Umstand nicht als Einschränkung empfun den, sondern immer nur dann, wenn neue Entwicklungen es erlaubten, ohne die bekannten Beschrän kungen zu fotografieren. Die Lichtmenge und die Empfindlichkeit des Aufzeichnungs materials zeigten schon immer die Grenzen auf. Die Fotografie war anfänglich auf helles Tageslicht angewiesen, doch auch dann musste noch relativ lange belichtet werden. Die Filmemulsionen wurden mit der Zeit empfindlicher, die Objektive lichtstärker und die Kameras kleiner – endlich konnte man (knapp) mit Kunstlicht fotografieren. Der erst Fotojournalist war wohl

Eric Salomon, der seine Bilder mit der im Jahr 1924 entwi­ckelten Ermanox 858 fotografierte. Die von Ludwig Bertele konstruierte Kamera hatte ƒ1,8 als größte Blende und 1/1200 s als kürzeste Verschlusszeit und ermöglichte es Salomon, seine gefeierten Bilder der Berliner Gesellschaft aufzunehmen. Die Entwicklung schritt schnell voran und bald schon stellte Leitz mit der Leica eine Kamera mit ähn­lichen Möglichkeiten vor, die jedoch mit Kleinbildfilm und nicht mit Glasplatten arbeitete.

Die aktuellen Entwicklungen in der Digitalfotografie haben eine neue Ära der Low­Light­Fotografie eingeläutet – Langzeitbelichtungen mit akzeptabler Qualität ermögli­chen Fotos, die bis dato nur aufwändig mit Blitz und ande­ren Lichtaufbauten möglich waren. Die Empfindlichkeit des Sensors hat sich in den letzten Jahren ernorm verbessert. Zudem lässt sich das eventuelle höhere Rauschen mit dem Kamera prozessor und der Nachbearbeitung in den Griff bekommen – was übrigens in diesem Buch ein großes Thema ist. Wir untersuchen in diesem Kapitel, wie das Verfahren – Sensor, Prozessor, Nachbearbeitung – aussieht, wenn weniger Licht als üblich bereitsteht.

Kapitel 1 low-light

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eigentlich in der Lage ist, in Ladung umzuwandeln. Dann passiert es, dass es „überläuft“ und seine Ladung an benachbarte Pixel abgibt. Dies kann sich dann auf weitere Pixel in der Nähe fortsetzen und zu großen, überbelichteten Stellen im Bild führen. Dieser Effekt tritt bei hochwertigen Sensoren seltener auf, ist aber in typischen Low­Light­Situationen mit hellen Lichtern vor dunklem Hintergrund unvermeidbar. Die nächtli­che Städteansicht hier ist typisch, wobei wir uns daran gewöhnt haben, Reflexionen in Fotos nicht unbedingt als Problem zu betrachten – in den meisten Fotos sind Störungen durch das Objektiv (Blendenflecke) stärker als das Sensor­Blooming.

Ein weiterer Effekt ist die chromatische Aberra­tion, die sich in isolierten Lichtern (oder zumindest an abrupten Helligkeitsübergängen) zeigt. Man unter­scheidet hier zwischen der axialen und der lateralen Abweichung – Letztere findet sich in modernen Objek­tiven. Inwieweit das Sensor­Blooming dazu beiträgt, ist

licht und SenSor

low­Light­Fotografie bewegt sich stets an den Grenzen – die technischen, weil die Kamera immer gestützt sein muss, Objekte sich bewe­gen und Kameraeinstellungen immer wieder

angepasst werden müssen. Besonders wichtig sind Sensor und Objektiv. Viele Low­Light­Situa tionen

unterstreichen die Unzu­länglichkeiten des Kame­ra sensors wie Blooming und Rauschen. Beide Pro­bleme zeigen sich an den gegenüberliegenden En den des Helligkeitsbereichs: Das Blooming äußert sich

in Lichthöfen, die überbelichtete Lichter umgeben, während digitales Rauschen am stärksten in den Schat­ten, bei längeren Belichtungszeiten oder bei höheren Empfindlichkeiten auftritt. Blooming entsteht, wenn ein Sensorpixel viel mehr Licht abbekommt, als es

die neuen digitalen Möglichkeiten für

überzeugende low-light-Fotos hängen

entscheidend von der leistung des

Sensors und des Kameraprozessors ab.

SenSor-BlooMing und purple Fringing

Ein weiteres, stark vergrößertes Detail in der

Nachtaufnahme von tokio zeigt das Bloo-

ming (die Lichthöfe) dort, wo die Lichter

überbelichtet sind. Der Effekt entsteht, wenn

Sensorpixel durch zu viel Licht „überlaufen“

und benachbarte Pixel stören. Das linke Bild

wurde mit 1/3 s und das in der Mitte mit 2 s

belichtet. in der 2-Sekunden-Belichtung

streut das Licht über die Kanten des Neon-

schilds hinaus. Das Bild rechts zeigt die

1/3-Sekunden-Belichtung, die um drei Blen-

den länger entwickelt wurde und etwa die

gleiche helligkeit wie das mittlere Bild bringt.

hier rauscht das Bild mehr und das Fringing

ist stärker, das Blooming ist jedoch schwä-

cher.

Das stark vergrößerte Detail einer Lichtquelle in der oberen linken Ecke der Nachtaufnahme zeigt das Fringing, verursacht wohl durch Sensor-Bloo-ming oder die Mikrolinsen über den Sensorpixeln – oder durch beides. Der Unterschied zur chroma-tischen Aberration besteht darin, dass es sich um eine einzelne Farbe in einer Richtung handelt.

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umstritten (siehe rechte Seite unten). Eventuell besteht ein Zusammenhang zu einer anderen Störung, die unter dem Begriff „Purple Fringing“ (lila Farbsäume) bekannt ist. Die laterale chromatische Aberration zeigt sich in zwei entgegengesetzten Farben, normalerweise Rot­Cyan und Blau­Gelb – besonders in Weitwinkel­Zooms, die nur schwierig vom Hersteller zu korrigie­ren sind. Da heute jeder Fotograf nur wenige Klicks von einer vergrößerten Bildansicht entfernt ist, sind diese Effekte eher zu erkennen. Eine Lösung dieser Probleme ist je nach Programm verschieden. Typisch ist die manuelle Korrektur per Regler, indem ein Kanal relativ zum anderen erweitert wird. Es gibt aber auch spezielle Programme, die an den Kanten selbst das Fringing entfernen. Eine eher automatische Lösung ist die Verwendung vordefinierter Objektivmodule, wel­che die Aberration von Objektiv­Kamera­Kombinatio­nen entfernen (wie DxO Optics Pro).

Rauschen ist dagegen ein Problem der digitalen Fotografie und das visuelle Äquivalent zum akusti­schen Rauschen. Rauschen ist in einem Foto ein zufäl­liges Pixelmuster in Form einer hellen und mehrfarbi­gen Bildüberlagerung. Der Vergleich zum (ästhetischen) Filmkorn ist zu schmeichelhaft – digitales Rauschen ist alles andere als angenehm. Was das Erscheinen (nicht den Grund) angeht, gibt es Luminanzrauschen (zufäl­lige Pixel, die von hell bis dunkel variieren), Chromi­nanzrauschen (Pixel variieren im Farbton), „tote“ Pixel

(helle Punkte) und JPEG­Artefakte bei Aufnahmen im JPEG­Format (8 × 8 Pixel große Blöcke). Rauschen ist ein spezielles Problem der Low­Light­Fotografie, egal, ob Sie die ISO­Empfindlichkeit erhöhen oder die Belichtungszeit verlängern.

Wir beschäftigen uns in den Kapiteln 2 und 3 intensiv mit dem Rauschen und der Rauschreduzie­rung. Praktisch gesehen ist es aber wichtig, dass Sie mit dem Rauschen vertraut sind, das Ihre Kamera in Ihren typischen Aufnahmen erzeugt. Rauschen sollte vermie­den werden – nur hängt der dafür betriebene Aufwand davon ab, wie wichtig absolut rauschfreie Bilder für den Fotografen sind. Rauschen aufgrund von Langzeit­belichtungen lässt sich bereits in der Kamera mit der Option „Rauschunterdrückung“ verhindern. Das stärkste Rauschen entsteht bei hohen ISO­Empfind­lichkeiten, wobei es bei bestimmten Bildarten durch­aus zu tolerieren ist. Machen Sie einfach Aufnahmen mit verschiedenen ISO­Einstellungen bei schwachem Licht und vergleichen Sie dann die Ergebnisse. Bei einer 100%­Vergrößerung erkennen Sie, dass das Rau­schen mit der ISO­Empfindlichkeit speziell in weichen Schattenbereichen zunimmt. Entscheiden Sie selbst, bei welcher Einstellung das Rauschen stört. Sie finden auf Seite 16–17 einen durchaus akzeptablen Kompro­miss aus einer (nützlichen) hohen ISO­Empfindlichkeit und dem dabei vorhandenen Rauschen. Für eine Ent­scheidung kommen verschiedene Variablen ins Spiel.

chromatische AberrationDie Nachtaufnahme in Tokio zeigt die laterale chromatische Aberration eines Weitwinkel-objektivs. Entsprechende Pro-blemlösungen finden Sie auf Seite 13.

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12 Low-Light

licht und SenSor

Obwohl LensFix für Mac und PTLens für Windows mit Objektiv-modulen arbeiten, muss der Anwen-der die chromatische Aberration manuell korrigieren.

Korrektur der chromatischen Aberration im Ver-gleich (von links nach recht): ohne Korrektur, korri-giert in Photoshop (Raw-Konverter), DxO, PTLens und LensFix

DxO Optics Pro lädt fertige Objektiv-module, die geometrische Verzerrungen und laterale chromatische Aberration (wenn vorhanden) automatisch entfernen.

Der Raw-Konverter in Photo-shop CS3 bietet die üblichen Zwei-Farben-Regler zur Kanalverschiebung und außer-dem einen nützlicheren Defringer (»Rand entfernen«).

Image EXIF Info

Camera manufacturer: NIKON CORPORATION

Camera model: NIKON D2X

Focal length (mm): 15

Correction settings

Database: Nikon SLR

Lens: Nikkon 12-24mm f/4G ED-IF AF-S

Focal Length: 15.00 12-24

Load...

UpdateRevertPreview

200% Grid

Save...

Image

Open... Save As...

Chromatic Aberration

Fix Red/Cyan Fringe -0.000

Fix Blue/Yellow Fringe -0.000

Vignette

Amount 0

Midpoint 0

Perspective

Auto scale Vertical 0

Horizontal 0

Rotation 0

Aspect 1

Scale 100

Preset

LensFix

PTLens 8.5.2File Tools Help

ZoomHistogrammBildinformationenVoreinstellungen

SchäreDxO NoiseWeißabgleich und Belichtung Belichtungskorrektur

Spitzlichtkorrektur Keine

RAW-Weißabgleich

Benutzerdefiniert

Farbtemp.

Farbton

3700 1

401%

Unbenanntes Projekt 1.dxp 1/1

Auswählen Organisieren Verbessern Verarbeiten Anzeigen

DxO Optics Pro 4 - Elite | Unbenanntes Projekt 1.dxp

Modus für ExpertenBenutzerführung

DxO Optics Verzerrung

Max. Bild

Farbfehler Intensität

Größe

Purple Fringing Farbquerfehler

Randabschattung Intensität

Schatten

Brennweite14,0 mm 16,0 mm

100

1006

100

50

15,00mm

0.00

Reset

Reset AllFrid

PreviewDistortionFisheye

Distortion Correct

OK

Cancel

Fisheye

Distortion

Crop

Horiz.

Rotate

Vert.

0

0.0

0.0

0.0

78 Make Nikon SLR

Model D2X

Lens Nikkon 12-24mm f/4G ED-IF AF-S-DX

15.000 focal length (12.000 - 24.000)

Camera Raw 4.1 - Nikon D2X

R: 71G: 95B: 119

f/7,1 1,60 sISO 100 12-24 bei 15 mm

Objektivkorrekturen

Vorschau

18590.69.NEF300%

Bild speichern... Adobe RGB (1998) 8 Bit, 4288 x 2848 (12,2MB), 300ppi

Chromatische Aberration

Rot/Cyan-Farbränder -9

Blau/Gelb-Farbränder +34

Rand entf.: Aus

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Licht uND SENSor 13

LensFix

DxO Optics Pro

Photoshop-Raw-Konverter (korrigiert)

PTLens

Photoshop-Raw-Konverter (nicht korrigiert)

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licht und SenSor

Das ist das Medium, mit dem Sie normalerweise Ihre Bilder zeigen. Handelt es sich um einen Druck, sollten Sie das bevorzugte Papier testen. Rauschen erscheint in der 100%­Bildschirmansicht anders als auf Papier. Eine weitere Variable ist die Bildgröße – je größer, desto deutlicher ist das eventuell vorhandene Rau­schen zu erkennen. Eine weitere Variable ist die Art des Bilds. Ein Reportagefoto mit erkennbarem Rau­schen wird bestimmt von mehr Leuten toleriert als ein

entsprechendes Stillleben oder eine Landschaft. Schließlich sollten Sie sich noch darüber im Klaren sein, wie viel Rauschen Sie später in der Nachverarbei­tung entfernen wollen oder können (Seite 146–155).

Letztlich sollten Sie schon bei der Aufnahme über genügend Informationen verfügen, um gezielt die pas­sende ISO­Empfindlichkeit einzustellen. Sie könnten beispielsweise keine Unterschiede zwischen einem Foto mit ISO 100 (sofern diese Empfindlichkeit in der

ISO 100 ISO 200 ISO 400 ISO 800 ISO 1600

60 s NR EIN 60 s NR AUS

digitAleS rAuSchen

wir vergleichen hier das rauschen bei ver-

schiedenen Kameraeinstellungen. rau-

schen zeigt sich am ehesten in gleichför-

migen dunklen Bereichen, die aber nicht

schwarz sind. Die größten unterschiede

entstehen durch Ändern der iSo-Empfind-

lichkeit. Die Bildfolge hier beginnt mit iSo

100 in einer Nikon D200 und endet mit

3200 als höchstem wert. Das Erscheinen

von rauschen ist exponentiell – es beginnt

relativ spät, ist aber bei der höchsten iSo-

Empfindlichkeit überproportional stark

und eindeutig zu erkennen. Lange Belichtungen im Vergleich

Dunkles rauschen aufgrund langer Belich-

tungszeiten tritt am häufigsten auf und ist

hier bei der Belichtung mit 1 Minute eher

ein Problem des Sensors und der speziel-

len Kamera als das Zufallsprodukt einer

hohen iSo-Einstellung. Es gibt nur einen

minimalen unterschied bei eingeschalte-

ter rauschreduzierung für Langzeitbelich-

tung (Nr) in der Kamera. Die temperatur

ist ebenfalls kritisch – die Aufnahmen hier

entstanden bei einer raumtemperatur von

21ºc und dieses rauschen verdoppelt sich

alle 6ºc bis 8ºc.

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Licht uND SENSor 15

Kamera vorhanden ist) und ISO 200 feststellen – natürlich fotografieren Sie dann mit der höheren Emp­findlichkeit. Die ISO­Einstellung ist eine von mehreren Möglichkeiten für kürzere Verschlusszeiten – andere Optionen bei geringer ISO­Empfindlichkeit sind das Stativ, eine größere Blende zu Lasten der Schärfentiefe oder sofort ein besonders lichtstarkes Objektiv. Jede Möglichkeit hat auch Nachteile – sehen Sie die ISO­Empfindlichkeit also auch in diesem Zusammenhang. Ein effizientes Shooting kann durchaus ein häufiges Verändern der ISO­Werte erforderlich machen – mit einem Einstellrad erfolgt das viel schneller als über die umständlichere ISO­Einstellung im Kameramenü.

Neben der reinen Belichtungstechnik, wie Lichter bewahren und Schattenrauschen vermeiden (besonders kritisch bei Kunstlicht), müssen Sie entscheiden, ob das Motiv abgedunkelt oder hell sein soll. Mit anderen Worten: Die Tonwerte sind entscheidend. Bei einer Nachtaufnahme wird Low­Key (dunkle Töne) erwar­tet, doch es gibt genügend Situationen, die weniger offensichtlich sind. Das hier von mir gewählte Beispiel ist so ein Fall – ein Hakka­Rundbau in China, wo der offene Innenhof des dreistöckigen Gebäudes als bild­wichtiger Teil merkbar zurückgenommen bzw. abge­dunkelt wurde.

ein FAll Für dunKlere töne

Möchten Sie in Low-Light-Fotos die vorhandene Lichtstimmung beibehalten, müssen Sie

in der Nachbearbeitung den tonwertumfang entsprechend reduzieren. obwohl immer

eine geschmacksfrage, entspricht die dunklere Version hier eher dem originaleindruck –

die Entscheidung liegt jedoch einzig beim Fotografen. Beim normalen tonwertumfang

konzentrieren sich die töne in der Mitte des histogramms, bei Low-Light eher links.

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16 Low-Light

grenzen und KoMproMiSSe

low­Light­Fotografie ist nicht nur eine andere Situation oder ein anderes Fotothema, sondern auch eine Herausforderung – die Ergebnisse bei solchen Lichtbedingungen sind schwieriger

vor her sehbar. Das vorhandene Licht reicht eigentlich nie für perfekte Kameraeinstellungen – Sie sind zu nah

an den Aufnahmegrenzen und müssen stets techni­sche Kompromisse einge­hen. Wenn Sie mit langen Verschlusszeiten arbeiten, haben Sie das Risiko von Kamera­ und Bewegungs­unschärfe. Diese Unschär­

fen können Sie unter anderem gegen eine größere Blende, Rauschen durch höhere ISO­Empfindlichkeit, eine andere Brennweite oder einen anderen Aufnah­

mewinkel (mehr von den Seiten her) eintauschen. Die Liste der Wahlmöglichkeiten lässt sich fortsetzen und ändert sich je nach Ihrem Motiv. Ich widme diesen Punkten einige Seiten, weil Low­Light­Fotografie bis an die Grenzen geht, Ihnen aber die Möglichkeit bietet, fotografisch in einem Bereich zu arbeiten, der bis vor nicht allzu langer Zeit der Fotografie noch verschlossen war. Allerdings müssen Sie sich stärker mit der Technik auseinandersetzen und die Fehlerquote ist höher – doch daran gewöhnt man sich mit der Zeit.

Bei der Fotografie wird ganz allgemein davon aus­gegangen, dass ausreichend Licht vorhanden ist – am besten das volle Tageslicht von 8.00 Uhr morgens bis 17.00 Uhr nachmittags. Es überrascht also nicht, dass die Kameras mit ihren Sensoren vorrangig für diese Bedingungen konstruiert sind – der Sensor arbeitet

Weitwinkel, low-lightDas Foto wurde mit der effekti-ven Brennweite 18 mm aufge-nommen und ist ein Kompro-miss aus Schärfentiefe, Objekt-bewegung und Rauschen, die sich wiederum auf Blende, Ver-schlusszeit und ISO-Empfind-lichkeit auswirken. Ich wählte aus den verschiedenen Möglich-keiten ƒ5,6, 1/10 s, ISO 400 sowie eine genaue Fokussierung. Ich entschied mich also für geringes Rauschen und machte sicherheitshalber mehrere Auf-nahmen.

die low-light-Fotografie setzt

grenzen für Bilder, deren Schärfe

von Verschlusszeit, Blende

und rauschen abhängig ist.

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grENZEN uND KoMProMiSSE 17

mit seiner niedrigsten (rauschfreien) Empfind lich keit für höchste Bildqualität und erlaubt unterschiedlichste Zeit­/Blendenkombinationen. Auf diese Weise lässt sich Bewegung mit der gewünschten Schärfentiefe ein­fangen – bei der Low­Light­Fotografie verlieren Sie diese Flexibilität. Andererseits sind die „Tageslichtein­stellungen“ kaum das, was Sie wirklich mögen wer­den.

Die Low­Light­Fotografie ist stets ein Kompromiss, da eine Kameraeinstellung meist zu Lasten einer ande­ren geht. Das sind die Nachteile, die man leicht als permanent vorhandene Schwierigkeiten einordnen könnte – praktisch gesehen ist eine positive Einstellung jedoch besser und bietet neue Möglichkeiten für Bil­der, die so erst seit kurzer Zeit machbar sind.

Gute Fotografie bedeutet eigentlich immer, in irgendeiner Form an die Grenzen zu stoßen. Das kön­nen kreative Grenzen wie die Bildkomposition sein oder technische (wie bei Low­Light), die sich auch hier gegenseitig beeinflussen. Wenn Sie an die Grenzen von Verschlusszeit und Blende stoßen, aber trotzdem frei­händig und mit den gewünschten Einstellungen auf­nehmen können, trägt das natürlich zum Erfolg eines Bilds bei. An diesem Ende des noch technisch Mach­baren gibt es Fehler und Enttäuschungen – vielleicht auch viele bei jeder Aufnahme. Dennoch sollte man die Fotografie im Grenzbereich als Herausforderung betrachten – und wenn Sie mit dieser Ungewissheit leben können, begeistert Low­Light­Fotografie immer und immer wieder.

BeWegung einFrieren

Folgende Faktoren beeinflussen die Verschlusszeit:

•Geschwindigkeit,mitdersichdasObjektbewegt

•BewegungswinkelzurKamera:aufdieKamerazu,

seitlich zur Kamera oder diagonal zur Kamera

•EntfernungzurKamera

•Objektivbrennweite

weitere Einschränkungen für die aktuell einstellbare

kürzeste Verschlusszeit:

•NotwendigkeitfürgroßeSchärfentiefe(durcheine

kleinere Blende)

•AnteildesnochhinnehmbarenRauschens

•NochakzeptableBewegungsunschärfe

•StärkeundRichtungdesLichts

•Druck-oderBildschirmgrößedesfertigenBilds

Bewusst eingesetzte BewegungsunschärfeEin Problem zum Vorteil zu nutzen, eröffnet neue Möglichkeiten. In dieser Situation mit den beten-den Mönchen an einem Shinto-Schrein wurde die Kamera auf dem Stativ befestigt und der Aus-schnitt so festgelegt, dass ein bildwich tiges (scharfes) Element enthalten war. Die weißgekleideten Figu-ren wurden mit 1 s belich-tet und auf diese Weise quasi schwebend unscharf.

tolerierbare BewegungsunschärfenBewegungsunschärfen sind oft tolerierbar, vorausgesetzt, die bildwichtigen Elemente sind zu erkennen. Tatsächlich sorgt die Bewegung des tibetanischen Mönchs für Leben und Energie im Bild.

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18 Low-Light

lichtquellen

FlammeEine Flamme ist die einfachste Kunstlicht-quelle und taucht gelegentlich auch in Motiven der Low-Light-Fotografie auf.

die Lichtmenge ist immer geringer als die Sonne als Standardreferenz für die Fotografie und das menschliche Sehen. Das Sonnenlicht am Mittag, klar und nicht

gefiltert durch Wolken oder Dunst, bringt etwa 100.000 bis 130.000 lx (Lux, siehe Seite rechts). Die Beleuchtung

in einem typischen Büro ist dagegen nur 200 bis 400 lx stark – der Un ter­schied zwischen die sen beiden Lichtstärken ist (fotografisch gesehen) 7 bis 8 LW groß. Mit ISO 100 würde die typische Kameraeinstellung mittags bei hellem Sonnenlicht 1/125 s/ƒ16 sein, wäh rend

Sie in einem Büro bei gleicher ISO­Empfindlichkeit mit 1/15 bis 1/30 s und Blende ƒ2,8 aufnehmen würden.

In der Low­Light­Fotografie gibt es also keine typi­schen, vorhersehbaren Einstellungen – sie variieren gewaltig, wie die gegenüberliegende Tabelle zeigt. Die Beleuchtungsstärke der vorhandenen Lichtquellen ist ebenfalls ungleichmäßig, was die folgenden Seiten untermauern werden. Die Lichtstärke nimmt rapide mit der Entfernung zu den einzelnen Lampen ab. Besonders häufig trifft man auf Kunstlicht von Gasent­ladungs­, Leuchtstoff­ und Glühlampen – mehr darüber finden Sie in Kapitel 2. Diese Lichtquellen kommen in

vielen nächtlichen Innen­ und Außenbereichen gemischt zum Einsatz, was zu interessanten optischen Effekten führen kann, aber stets Probleme mit dem Tonwertumfang und der Farbbalance mit sich bringt.

Lichtquellen variieren nicht nur in ihrer Qualität, sondern auch in der Lichtfarbe. Da sich unsere Augen entsprechend anpassen, nehmen wir die großen Unterschiede nicht mehr wahr, sondern empfinden Glühlampenlicht vielleicht als „warm“ und Leucht­stoff­ bzw. Gasentladungslampen (in Stadien oder Waren häusern) als „kalt“. Ein Kamerasensor nimmt dagegen wie Film den vorhandenen Spektralbereich auf.

low-light-Fotografie reicht bis zu

innenaufnahmen und nächtlichen

Motiven. Sie trifft dabei auf unterschied-

lichste künstliche lichtquellen, jede mit

eigener charakteristik, was leistung,

Farbe und häufigkeit anbelangt.

glühlampeDie Leistung von Haushalts-glühlampen liegt normaler-weise zwischen 40 und 100 Watt bei einer Farbtemperatur zwischen 2750 K (40 Watt) und 2850 K (100 bis 150 Watt). Lampenschirme redu-zieren die Lichtleistung, streuen das Licht und erzeu-gen Farbstiche.

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LichtquELLEN 19

energiesparlampenKompakte Energiesparlampen sind wegen ihrer Effizienz (der Name sagt es) und der gerin-gen Hitzeentwicklung weit verbreitet – führen aber zu Farbverschiebungen im Foto, sofern es sich nicht um Kalt-lichttageslichtlampen mit ca. 5.000 K handelt.

loW-light-StärKen

Die Motivhelligkeit (die Stärke des einfallenden Lichts) wird

grundsätzlich in Lux (ein Lumen pro quadratmeter) gemessen.

Das hat nichts mit dem von oberflächen reflektierten Licht zu

tun und berücksichtigt auch nicht, was im Motiv vorhanden ist –

es ist mehr eine Messung des vorhandenen Lichts wie mit einem

Belichtungsmesser. Fotografen ist eher Lw (Lichtwert) als Maß-

einheit vertraut. hier basieren die Messwerte auf oberflächen im

Motiv und gehen dabei von einem durchschnittlichen reflexions-

grad aus. Lw variiert entsprechend der eingestellten Empfindlich-

keit der Kamera – die werte rechts gehen von iSo 100 aus. Eine

Verdopplung der iSo-Empfindlichkeit erhöht den Lw um 1, also

eine Stufe. Lw lässt sich auch (praxisbezogen) als Kombination

aus Verschlusszeit und Blende betrachten – die Beispiele hier zei-

gen nur einige der vielen Kombinationsmöglichkeiten. Lw 7 bei

iSo 100 kann deshalb beispielsweise1/15 s/ƒ2,8, 1/30 s/ƒ2 oder

1 s/ƒ11 sein.

leuchtstoffLeuchtstofflampen und Gasent-ladungslampen haben keinen durchgängigen Spektralbereich. Während unsere Augen sich pro-blemlos an dieses Licht anpas-sen, zeichnen Kamerasensoren und Filmmaterial Farbverschie-bungen auf, die manchmal recht stark sind und häufig in Rich-tung Grün gehen.

Lichtsituation Lux (Licht, das auf

das Motiv fällt )

Lw (Lichtwert) bei

iSo 100

Verschlusszeit &

Blende bei iSo 100

Fernsehstudio 1.000 Lw 9 1/60 s/ƒ2,8

Büro 200 bis 400 Lw 7 – 8 1/15 – 1/30 s/ƒ2,8

Dunkel, bedeckt 100 Lw 5 – 6 1/4 –1/8 s/ƒ2,8

Dämmerung 10 Lw 2 2 s/ƒ2,8

Dämmerung, spät 1 Lw –1,3 20 s/ƒ2,8

Vollmond 0,25 Lw –3 1 min ƒ2,8

Viertelmond 0,025 Lw –6,5 12 min ƒ2,8


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