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WkC Grundlagen Der Metallkunde

Date post: 13-Dec-2015
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Einführung in die Metallkunde der Werkstofftechnik. Es geht um die Gitterfehler des Realkristalls, Verformung des Realkristalls, Entstehung des Gefüges, und Anisotropie und Rekristallisation.
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1 WkC a Department M+P HAW HAMBURG Werkstoffkunde und Chemie Teil a - Kapitel 3 Grundlagen der Metallkunde WkC a Department M+P HAW HAMBURG Folie 2 Grundlagen der Metallkunde Inhalt Gitterfehler des Idealkristalls Verformung des Realkristalls Entstehung des Gefüges Anisotropie und Rekristallisation
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Page 1: WkC  Grundlagen Der Metallkunde

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Werkstoffkunde und Chemie

Teil a - Kapitel 3

Grundlagen der Metallkunde

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Grundlagen der Metallkunde

Inhalt

• Gitterfehler des Idealkristalls

• Verformung des Realkristalls

• Entstehung des Gefüges

• Anisotropie und Rekristallisation

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Grundlagen der Metallkunde

Gitterfehler

Die durch Elementarzelle und Raumgitter gegebene Struktur heißt Idealkristall.

Der Idealkristall kommt in der Natur aufgrund der stets vorhandenen Gitterfehler

nicht vor, stattdessen der Realkristall (Kristall mit Gitterfehlern). Gitterfehler

können nach ihrer geometrischen Erscheinungsform geordnet werden:

Nulldimensional: Leerstellen, Zwischengitteratome, Austauschatome,

(Punktfehler) Einlagerungsatome

Eindimensional: Stufenversetzung, Schraubenversetzung

(Linienfehler)

Zweidimensional: Groß- und Kleinwinkelkorngrenzen

(Flächenfehler)

Dreidimensional: Poren, Einschlüsse, Ausscheidungen

(Räumliche Fehler)

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Grundlagen der Metallkunde

Punktförmige (nulldimensionale) Gitterfehler

Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde

Leerstelle Zwischengitteratom Frenkel-Paar

Leerstellen sind Störungen von atomarer Größenordnung. Die Häufigkeit

der Leerstellen, die Leerstellendichte, ist temperaturabhängig. Je höher

die Temperatur desto höher die Leerstellendichte. Wechseln Atome auf

Zwischengitterplätze entstehen Leerstellen und Zwischengitteratome im

gleicher Anzahl (Frenkel-Paar). Die Diffusion von Fremdatomen wird

durch eine hohe Leerstellendichte im Kristallgitter erheblich beschleunigt.

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Grundlagen der Metallkunde

Punktförmige (nulldimensionale) Gitterfehler

Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde

Austauschatom Einlagerungsatom

Gelöste Fremdatome sind ebenfalls Gitterfehler. Sind größere Mengen

einer zweiten Atomart im Gitter gelöst, werden die so aufgebauten Kristalle

als Mischkristalle bezeichnet. Nehmen Fremdatome Gitterplätze ein, d.h.

sind sie ausgetauscht gegen die Atome des Wirtsgitters, so spricht man

von Austauschatomen bzw. Austauschmischkristallen. Befinden sie sich

dagegen auf Zwischengitterplätzen, werden sie Einlagerungsatome bzw.

Einlagerungsmischkristalle genannt.

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Grundlagen der Metallkunde

Linienförmige (eindimensionale) Gitterfehler

Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde

Stufenversetzung Schraubenversetzung

Sehr häufig in Kristallen vorkommende und bedeutsame Gitterfehler sind die

linienförmig verlaufenden Versetzungen. Man unterscheidet Stufenversetzungen

und Schraubenversetzungen. Entlang der Versetzungslinie ist das Atomgitter

verzerrt und gestört.

Versetzungen spielen bei der

plastischen Verformung eine

entscheidende Rolle, da die

Verformung eine Bewegung von

Versetzungen unter Einwirkung

einer äußeren Kraft darstellt.

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Grundlagen der Metallkunde

Einkristall, Vielkristall

Bisher wurde das Atomgitter eines einzigen Kristalls

(Einkristall) mit seinen Gitterfehlern beschrieben. Reale

Werkstoffe bestehen jedoch nicht nur aus einem einzigen

sondern aus vielen Kristallen (Vielkristalle).

Ein Einkristall ist ein makroskopischer Kristall, dessen

Bausteine (Atome, Ionen oder Moleküle) ein einheitliches,

homogenes Kristallgitter bilden.

Ein Vielkristall besteht aus einer Vielzahl von einzelnen

Kristallen, die zur Unterscheidung von frei gewachsenen

Einkristallen als Kristallite oder Körner bezeichnet werden.

Der Bereich zwischen den Körnern heißt Korngrenze und

der gesamte Verbund Gefüge. Das Gefüge kennzeichnet

sich durch Korngröße und Kornform. Die technischen

Metalle sind fast ausschließlich vielkristallin.

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

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Grundlagen der Metallkunde

Körner und Korngrenzen

Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde

Kristallite oder Körner

Reine Metalle haben ein homogenes Gefüge, weil alle Kristallite (Körner) die

gleiche Kristallstruktur besitzen (z.B. krz). Die Körner unterscheiden sich

lediglich in der räumlichen Lage der Gitterebenen, die an den Korngrenzen

nicht nahtlos ineinander übergehen.

Korngrenzen

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Grundlagen der Metallkunde

Flächenförmige (zweidimensionale) Gitterfehler

Quelle: Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure

Korngrenzen (Berührungsflächen der Körner) sind flächenförmige Gitterfehler.

Kleinwinkelkorngrenzen

bestehen aus flächig

angeordneten Versetzungen.

Großwinkelkorngrenzen

haben eine Ausdehnung

von ca. zwei bis drei

Atomdurchmessern und

eine unregelmäßige

(amorphe) Anordnung.

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Grundlagen der Metallkunde

Groß- und Kleinwinkelkorngrenzen

Kleinwinkelkorngrenzen Großwinkelkorngrenzen

Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde

Obwohl sich der Gitterfehler nur über wenige Atomabstände erstreckt, ist die

Gitterstörung erheblich und hat große Auswirkungen auf die Materialeigen-

schaften. Dabei schwächen Korngrenzen den Werkstoff nicht, sondern tragen

in besonderem Maße zur Festigkeitssteigerung bei.

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Grundlagen der Metallkunde

Räumliche (dreidimensionale) Gitterfehler

Weitere Fehler, die viel größer sein können, als die zuvor

besprochenen, treten in allen festen Werkstoffen auf.

Dazu gehören:

- Risse

- Poren (Ansammlungen von Leerstellen)

- Lunker (Hohlraum beim Gussbauteilen)

- Einschlüsse (z.B. Verunreinigungen)

- Ausscheidungen (Ansammlungen von Fremdatomen )

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Grundlagen der Metallkunde

Inhalt

• Gitterfehler des Idealkristalls

• Verformung des Realkristalls

• Entstehung des Gefüges

• Anisotropie und Rekristallisation

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Grundlagen der Metallkunde

Elastische (Zurückgehende) Verformung

Bei einer elastischen Verformung des Werkstoffs verändern sich die Gitterab-

stände des Atomgitters. Entscheidendes Merkmal der elastischen Verformung

ist das vollständige Zurückkehren der Gitterabstände auf die ursprünglichen

Werte bei Entlastung. Deshalb verursacht eine elastische Verformung keinen

Bauteilschaden. Die elastische Verformbarkeit ist begrenzt.

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

1. Ausgangszustand:

Unverformt

2. Belastung:

Elastisch verformt

F

F

3. Entlastung:

Vollständige Rückstellung

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Grundlagen der Metallkunde

Plastische (Bleibende) Verformung

Nach Überschreiten der elastischen Verformbarkeit beginnt das

Fließen, also die plastische Verformung. Hierbei ändern die

Atome ihre Positionen, sie gleiten aufeinander ab. Das Bauteil

erfährt eine makroskopische Verformung.

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

1. Ausgangszustand:

Unverformt

2. Belastung:

Plastische Verformung

F

F

3. Entlastung:

Bleibende Verformung

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Grundlagen der Metallkunde

Modell der plastischen Verformung

Den Werkstoff kann man sich als einen Stapel

mehrerer Platten vorstellen, die jeweils aus

mehreren Atomebenen bestehen. Bei einer

plastischen Verformung gleiten diese Platten

aufeinander ab, so dass der Stapel seine Form

ändert, nicht aber die einzelnen Platten. Da in

dem Modell die Platten aus mehreren Atom-

ebenen bestehen, bleiben bei einer Verformung

die darin enthaltenen Elementarzellen bestehen,

das Metall bleibt kristallin.

F

F

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Grundlagen der Metallkunde

Gleitebenen dichtester Packung

t1

t1 t1 < t2

Das Gleiten der Platten aus dem Modell, findet im realen Kristall auf Gleitebenen

statt. Diese Gleitebenen sind die Atomebenen mit der dichtesten Packung.

Zwischen diesen Gleitebenen ist der Schichtabstand groß und das „Herausheben

über den Berg“ erfordert nur eine kleine kritische Schubspannung t1 („die Reibung

ist gering“). Bei Ebenen mit größeren Atomabständen sinken die oben liegenden

Kugeln tiefer in die untere Schicht ein. Das ergibt größere kritische

Schubspannungen t2.

t2

t2

H1 > H2

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Grundlagen der Metallkunde

Gleitsysteme der Metallgitter

Die Anzahl der Gleitebenen mit ihrer dichten Atompackung sind für die Verformbar-

keit entscheidend. Neben den Gleitebenen spielen die Gleitrichtungen eine große

Rolle. Gleitrichtungen sind Richtungen im Gitter mit der größten Belegungsdichte

an Atomen. Das Produkt aus Gleitebene und -richtung bildet das Gleitsystem.

3 GR • 4 GE = 12 GS

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

2 GR • 6 GE = 12 GS 3 GR • 1 GE = 3 GS

GR= Gleitrichtung, GE = Gleitebene, GS = Gleitsystem

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Grundlagen der Metallkunde

Vergleich der Kristallgitter und Gleitsysteme

Gitter kfz krz hdp

Gleitebenen 4 6 1

Gleitrichtungen 3 2 3

Gleitsysteme 12 12 3

Verformbarkeit mit kleinen Kräften

sehr stark

verformbar

mit großen Kräften

stark

verformbar

mit niedrigen

Kräften

nur gering

verformbar

Beispiele Cu, Al, Ni, Pb,

Ag, Au

a-Fe (< 911 °C),

Cr, Mo, W, V

Mg, Zn,

a-Ti (< 885 °C)

Das krz-Gitter hat im Vergleich zum kfz-Gitter bei gleicher Anzahl der

Gleitsysteme die weniger dicht gepackten Ebenen, in denen eine größere

Schubspannung erforderlich ist. Ihre Verformbarkeit ist dennoch gut

jedoch bei größerem Kraftaufwand.

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Grundlagen der Metallkunde

Plastische Verformung = Wandern von Versetzungen

Um eine Platte aus dem Stapel des Verformungsmodell entlang einer

Gleitebene zu schieben, müssten die Bindungskräfte aller Atome der

Gleitebene überwunden werden. Dies würde enorme Kräfte benötigen.

Metalle lassen sich jedoch mit viel geringerer Kraft verformen, was nur

mit Hilfe der Versetzungstheorie erklärbar ist.

Versetzungen können wandern.

Von den vielen im Metall vorliegenden Versetzungen (etwa 106 - 108

cm / cm3), geraten bei Überschreitung der Elastizitätsgrenze alle die

Versetzungen, die günstig zur Kraftrichtung liegen und auf Gleitebenen

enden, in Bewegung. Das Abgleiten geschieht somit schrittweise, mit

einem Bruchteil des Kraftaufwandes, der für das gleichzeitige Abgleiten

aller Atome notwendig wäre.

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Grundlagen der Metallkunde

Wandern von Stufenversetzung und Teppichfalte (Analogie)

Quellen: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde; www.physik.uni-augsburg.de

Gleitebene

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Grundlagen der Metallkunde

Mechanismus plastischer Verformung durch Versetzungsbewegung

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

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Grundlagen der Metallkunde

Einfluss der Gitterfehler auf die Verformbarkeit

Grundsätzlich müsste Metall entsprechend den beschriebenen Gleitmechanismen

beliebig stark bei gleich bleibender Kraft verformbar sein. Tatsächlich ist es aber

so, dass mit zunehmender Verformung die Festigkeit des Materials steigt.

Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Gitterfehler die Versetzungen an ihrer

Wanderung während der Verformung hindern. Die Versetzungen werden blockiert

und stauen sich am Hindernis auf. Hierdurch wird die weitere Verformung

erschwert. Die Festigkeit steigt (Kaltverfestigung). Erst bei ausreichender Kraft

können die Hindernisse umgangen oder durchbrochen werden.

Folgende Gitterfehler tragen zur Verformungsbehinderung bei:

• Korngrenzen → Festigkeitszunahme durch Feinkorn

• Versetzungen → Kaltverfestigung

• Fremdatome → Mischkristallfestigkeit

• Ausscheidungen, Fremdphasen → Ausscheidungshärtung

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Grundlagen der Metallkunde

Kaltverfestigung und Festigkeitszunahme durch Feinkorn

Die Festigkeitszunahme durch Feinkorn lässt sich erklären durch die

Behinderung der Versetzungsbewegung an den Korngrenzen. An den

Korngrenzen ändert sich die Ausrichtung des Kristallgitters und damit endet

hier auch die Wanderung einer Versetzung. Feinkörnige Werkstoffe werden

angestrebt, sind jedoch nicht ohne weiteres herstellbar.

Die Kaltverfestigung ist eine Erhöhung der Versetzungsdichte auf etwa 1012

cm / cm3. Diese Erhöhung ist darin begründet, dass beim Wandern einer

Versetzung eine andere Versetzungslinie geschnitten werden kann.

Während dieses Schneidprozesses entstehen neue Versetzungen, so dass

mit steigender plastischer Verformung die Anzahl der Versetzungen steigt.

Die Kaltverfestigung bietet den Vorteil guter Festigkeit bei kalt umgeformten

Bauteilen (kalt gewalzte Bleche, tiefgezogene Formteile). Das Bauteil wird

spröde und verliert die Duktilität. Durch Rekristallisationsglühen lässt sich

eine Kaltverfestigung rückgängig machen.

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Grundlagen der Metallkunde

Mischkristallfestigkeit und Ausscheidungshärtung

Die Mischkristallfestigkeit durch gelöste Fremdatome, wird bei allen

Legierungen genutzt. Hierbei werden Fremdatome in das zu weiche

Grundmetall legiert, um die Festigkeit und Härte zu steigern. Das Prinzip ist

bekannt, seit im Altertum Kupfer mit Zinn legiert wurde, um die härtere

Bronze zu erhalten.

Die Ausscheidungshärtung erfolgt durch Wärmebehandlungen, wobei sich

ehemals gelöste Fremdatome zu feinen Ausscheidungen zusammenlagern.

Sie bilden eine Fremdphase im Kristallgitter des Grundmetalls. Beispiel ist

Eisenkarbid (Fe3C) in Stahl.

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Grundlagen der Metallkunde

Kriechen

Bei den bisher betrachteten Verformungsvorgängen blieb der Einfluss der Zeit

weitgehend unberücksichtigt, d.h. die Verformung ist nur von der Belastungshöhe

abhängig. Es galt: Bleibt die Belastung konstant, ergibt sich keine Zunahme der

Verformung, d.h. die Belastung und die sich einstellende Verformung sind im

Gleichgewicht.

Streng genommen existiert dieses Gleichgewicht nicht, der Werkstoff „kriecht“:

Werkstoffe verformen sich unter konstanter Last

in Abhängigkeit von der Zeit stetig und plastisch, sie kriechen.

Mit zunehmender Temperatur sinkt der Widerstand des Werkstoffs gegen das

Kriechen. Daher wird der Zeitstand- oder Kriechversuch ab einer Temperatur

T > 0,4 · TS (TS = Schmelzetemperatur) durchgeführt. Dabei wird eine Probe

einer konstanten Belastung ausgesetzt. Die dabei auftretende Verlängerung

wird ebenso wie die Zeit bis zum Bruch gemessen.

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Grundlagen der Metallkunde

Kriechkurve

Quelle: Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure

I II III

Bereich I

Übergangskriechen (Primäres Kriechen):

Verfestigende Vorgänge, wie z.B. dem

Aufstau von Versetzungen vor Hindernissen

Bereich II

Stationäres Kriechen (Sekundäres Kriechen):

Gleichgewicht von verfestigenden und

entfestigenden Verformungsmechanismen

→ konstante Kriechgeschwindigkeit

Bereich III

Tertiäres Kriechen

Einsetzende Schädigung durch Mikrorisse

→ Spannungsüberhöhung

→ Zunahme der Kriechgeschwindigkeit

→ Kriechbruch

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Grundlagen der Metallkunde

Inhalt

• Gitterfehler des Idealkristalls

• Verformung des Realkristalls

• Entstehung des Gefüges

• Anisotropie und Rekristallisation

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Grundlagen der Metallkunde

Entstehung des Gefüges = Kristallisation der Schmelze

In der Schmelze haben

die Atome eine so hohe

Bewegungsenergie,

dass sie sich regellos

(amorph) bewegen.

Schmelze

Festkörper

Eigenkeime sind zufällig zusammen-

treffende Atome in richtiger Kristall-

struktur.

Beim Abkühlen verringert sich die

kinetische Energie der Atome. Beim

Erreichen der Erstarrungstemperatur

ist ihre Beweglichkeit so klein

geworden, dass die Anziehungskräfte

zwischen den Atomen wirksam

werden.

Um die Keime lagern sich weitere

Atome zu einem Kristallgitter an. Der

Kristallit wächst bis er an einen

benachbarten stößt oder die Schmelze

vom Wachstum der Kristallite

aufgezehrt ist.

Keimbildung

Kristallitwachstum

Erstarrung

Im Festkörper sind die

Atome als Gefüge von

vielen Kristalliten

(Körnern) angeordnet.

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Grundlagen der Metallkunde

Beeinflussung des Gefüges bei der Kristallisation

Für die Korngröße sind die Anzahl der Keime und die

Abkühlgeschwindigkeit von größter Bedeutung. Dabei gilt:

Quelle: Weißbach: Werkstoffkunde

Zur Kornverfeinung können auch Fremdkeime (mikroskopisch

feine Feststoffteilchen) der Schmelze hinzu gegeben werden.

Viele Keime, => Feines Gefüge

Schnelle Abkühlung (erwünscht)

Wenige Keime, => Grobes Gefüge

Langsame Abkühlung (unerwünscht)

Keimzelle

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Grundlagen der Metallkunde

Schematische Übersicht der Kristallisation

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

Schmelze

Festkörper

Erstarrung

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Grundlagen der Metallkunde

Analogie - Kristallisation von Polypropylen mit grobem Gefüge

Zeitgeraffte Aufnahme

bei langsamen Absenken

der Temperatur bis

knapp unterhalb des

Schmelzpunktes.

Breite des Bildes beträgt

ungefähr 600 µm.

Langsame Abkühlung

führt zu grobem Gefüge.

Quelle: www.iwf.de

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Grundlagen der Metallkunde

Analogie - Kristallisation von Polypropylen mit feinem Gefüge

Quelle: www.iwf.de

Zeitgeraffte Aufnahme

bei schnellem Absenken

der Temperatur bis

knapp unterhalb des

Schmelzpunktes.

Breite des Bildes beträgt

ungefähr 600 µm.

Schnelle Abkühlung führt

zu feinem Gefüge.

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Grundlagen der Metallkunde

Analogie - Kristallisation von Polypropylen mit sehr feinem Gefüge

Quelle: www.iwf.de

Zeitgeraffte Aufnahme

bei Absenken der

Temperatur bis knapp

unterhalb des

Schmelzpunktes.

Breite des Bildes beträgt

ungefähr 600 µm.

Zugabe von Keimen führt

zu sehr feinem Gefüge.

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Grundlagen der Metallkunde

Dendritisches Kristallwachstum der Metalle

Quelle: www.ami.ac.uk

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Grundlagen der Metallkunde

Korngröße

Die Korngröße wird entweder durch den mittleren Durchmesser oder

die mittlere Fläche des Korns in einem ebenen Schliff gekennzeichnet.

Der mittlere Korndurchmesser liegt üblicherweise zwischen wenigen

Mikrometern und mehreren Millimetern.

Die Korngröße wird beeinflusst durch Erstarrungs-, Umform- und

Wärmebehandlungsprozesse. Die Eigenschaften feinkörniger Gefüge

sind im Allgemeinen günstiger als die grobkörniger. Die im Verhältnis

zum Volumen größere Fläche der Korngrenzen hat z. B. ein besseres

Festigkeitsverhalten zur Folge. Feinkörnige Werkstoffe behalten auch

bei der Verformung eine bessere Oberfläche, bei grobkörnigen wird

diese oft narbig.

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Grundlagen der Metallkunde

Korngröße Austenitischer Gefüge

Grobe Korngröße

250 - 125 µm

16 - 64 Körner/mm²

Quelle: www.metallograf.de

Mittlere Korngröße

88 - 44 µm

128 - 512 Körner/mm²

Sehr feine Korngröße

31 - 11 µm

1024 - 8192 Körner/mm²

Page 19: WkC  Grundlagen Der Metallkunde

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Grundlagen der Metallkunde

Inhalt

• Gitterfehler des Idealkristalls

• Verformung des Realkristalls

• Entstehung des Gefüges

• Anisotropie und Rekristallisation

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Grundlagen der Metallkunde

Isotropie, Anisotropie

Isotropie (griechisch: isos gleich, tropos Richtung):

• Eigenschaften sind in alle Richtungen gleich. Isotropie ist das Gegenteil

von Anisotropie.

• Isotropes Verhalten zeigen amorphe Stoffe: Gase, Flüssigkeiten, Glas.

Anisotropie (griechisch: an un- (Vorsilbe), isos gleich, tropos Richtung)

• Eigenschaften sind nicht in alle Richtungen gleich, sie sind

richtungsabhängig. Anisotropie ist das Gegenteil von Isotropie.

• Anisotropes Verhalten zeigen z.B. Holz oder faserverstärkte Werkstoffe :

Festigkeit ist längs zur Faser größer als quer dazu.

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Grundlagen der Metallkunde

Isotropie, Anisotropie

In einer Elementarzelle sind die Atomabstände in unterschiedliche

Richtungen verschieden. Für die Elementarzelle sowie für den

Einkristall gilt deshalb: Die Eigenschaften sind abhängig von der

Richtung. Elementarzelle und Einkristall verhalten sich anisotrop.

In vielkristallinen Metallen liegen die Kristallite normalerweise

ungeordnet vor. Die Richtungsabhängigkeiten der einzelnen Kristallite

heben sich gegenseitig auf. Vielkristalle (Gefüge) verhalten sich

scheinbar isotrop (quasi-isotrop).

Das quasi-isotrope Verhalten der vielkristallinen Metalle kann durch

Ausrichtungen im Gefüge (Textur) wieder anisotrop werden.

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Grundlagen der Metallkunde

Isotropie, Anisotropie

Quelle: Bargel, Schulze: Werkstoffkunde

Gefüge mit nicht

ausgerichteten Kristalliten,

Werkstoff ist quasi-isotrop

Gefüge mit ausgerichteten

Kristalliten, Werkstoff hat

Textur und ist anisotrop

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Grundlagen der Metallkunde

Entstehung einer Walztextur

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

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Grundlagen der Metallkunde

Erholung und Rekristallisation

In kaltverformten (kaltverfestigten) Metallen liegt eine stark überhöhte

Versetzungsdichte vor. Sie wurde durch den Verformungsprozess, z.B.

Walzen, eingebracht. Da die Natur versucht, ein Energieminimum zu

erreichen, versucht sie die Versetzungsdichte von vor der Verformung

einzustellen. Bei Raumtemperatur sind die Versezungen allerdings zu

unbeweglich. Daher müssen Metalle bei höherer Temperatur geglüht

werden. Dabei laufen je nach Temperatur zwei Prozesse ab:

Erholung:

Einfaches Ausheilen der Versetzungen bei niedriger Glühtemperatur.

Es entstehen keine neuen Kristalle.

Rekristallisation:

Kornneubildung. Treibende Kraft ist Energieunterschied zwischen

verformtem und neuen Gefüge. Die Duktilität steigt stetig an. Die

Festigkeit fällt auf den Wert von vor der Verformung.

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Grundlagen der Metallkunde

Eigenschaften nach Kaltverformung und Entspannung von Messing

Quelle: Roos, Maile: Werkstoffkunde für Ingenieure

A Erholung

B Rekristallisation

C Kornwachstum A B C

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Grundlagen der Metallkunde

Schematische Darstellung der Rekristallisation

Kaltverformte Metalle können durch eine Rekristallisationsglühung

wieder „normales“ Gefüge erhalten. Es muss auf die richtige Temperatur

und Zeit geachtet werden. Ansonsten schließt sich der Rekristallisation

bei fortdauerndem Glühen das Kornwachstum an. Dabei wachsen die

größeren Körner auf Kosten der Kleineren. Es entsteht Grobkorn. Diese

Kornvergröberung ist möglichst zu vermeiden.

Quelle: Läpple et al.: Werkstofftechnik Maschinenbau

Kaltverformtes

Gefüge

Nach Erwärmung

Beginn der Rekristallisation Kornwachstum

Normales

Gefüge


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