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Wettbewerbs- und Patentrecht, Musterschutzrecht, … · 2012-06-25 · immaterialgüterrechtlich...

Date post: 18-Sep-2018
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Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 2., überarbeitete Auflage ANDREAS WIEBE (HG.) APPL | FERCHER | HEIDINGER | SEDEF | WIEBE | WINNER Patentrecht Urheberrecht Markenrecht Musterschutzrecht UWG Kartellrecht
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Wettbewerbs- undImmaterialgüterrecht2., überarbeitete Auflage

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Gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht bilden die fundamentalen Vermögenswerte der Wissensgesellschaft und sind heute wichtige Triebkräfte für Wettbewerb und Innovation. Zugleich gibt es kaum ein Rechtsgebiet, das durch die technische Entwicklung vor vergleichbare Herausforderungen gestellt wurde und dynamisch auf nationaler und europäischer Ebene reagiert hat.

Vor diesem Hintergrund ist es Ziel dieses Lehrbuches, die einzelnen Immaterial- güterrechte und das Wettbewerbsrecht sowie deren Wechselwirkungen in überschaubarer und strukturierter Form darzustellen. Behandelt werden das Patentrecht, Musterschutzrecht, Markenrecht, Urheberrecht, Fragen der Rechtsdurchsetzung und des anwendbaren Rechts. Der Schutz von Immaterial- gütern steht in enger Beziehung zum Wettbewerb und zum Wettbewerbs-recht als rechtlicher Rahmenordnung. Das UWG dient der Verhinderung unfairer Geschäftspraktiken, das Kartellrecht der Erhaltung kompetitiver Marktstrukturen. Das Buch gibt eine Einführung in Grundlagen, Ziele und wichtigste Regelungsbereiche des Lauterkeitsrechts und des Kartellrechts und stellt die kartellrechtlichen Grenzen der Verwertung von Immaterialgüter-rechten dar. Dabei werden neben der österreichischen Rechtslage auch das europäische und das internationale Recht einbezogen.

Dieses Lehrbuch richtet sich an Studierende, Berufsanwärter/innen im Bereich der Rechts- und Patentanwaltschaft und der Richterschaft sowie den interes-sierten Praktiker, der einen ersten fundierten Zugang zum Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht sucht.

ANDREAS WIEBE (HG.)

ISBN 978-3-7089-0895-3

facultas.wuv.at

APPL | FERCHER | HEIDINGER | SEDEF | WIEBE | WINNER

Patentrecht

Urheberrecht

Markenrecht

Musterschutzrecht

UWG

Kartellrecht

Wettbewerbs- undImmaterialgüterrecht

herausgegeben von

Andreas Wiebe

Dr. Clemens Appl Mag. Natalie Fercher, LL.M. Dr. Roman Heidinger, M.A.

Dr. Arzu Sedef, LL.M. Univ.-Prof. Dr. Andreas Wiebe, LL.M.

Univ.-Prof. Dr. Martin Winner

Wien 2012

Wiebe (Hg.), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 375

Fünfter Abschnitt: KartellrechtKartellrecht

Arzu SedefMartin Winner

Literatur: Gruber, Horizontale Vereinbarungen: neue Gruppenfreistellungsverordnungen und überarbeitete Leitlinien, ÖZK 2011, 7; Gruber, Die neue Gruppenfreistellungsverord-nung für vertikale Vereinbarungen, RdW 2010, 379; Schuhmacher, Effizienz und Wettbe-werb – Ein Modell zur Einbeziehung ökonomischer Ansätze in das Kartellrecht (2010); Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg), Kartellrecht2 (2009); Raschauer, Die Bundes-wettbewerbsbehörde und Art 6 EMRK, ÖZW 2008, 30; Hoffer, Kartellgesetz – Kommentar (2007); Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht4 (2007); Käller, Die Verweigerung einer immaterialgüterrechtlich geschützten Leistung und das Missbrauchsverbot des Art 102 EG (2006); Kapp, Kartellrecht in der Unternehmenspraxis (2005); Koppensteiner, Österreichi-sches und europäisches Wettbewerbsrecht3 (1997); Ondrejka, Deutsches und europäisches Kartellrecht unter Berücksichtigung des „more economic approch“ (2011); Reidlinger/Har-tung, Das österreichische Kartellrecht2 (2008); Simon, Die neue Kartellrechtsverordnung (EU) Nr. 330/2010 für Vertriebs- und Lieferverträge, EWS 2010, 497; Wimmer/Müller, Wirtschaftsrecht: International, Europäisch, National (2007); Stockenhuber, Das neue Kar-tellrecht 2002 (Teil 1), WettbG 2002 und KartellG 1988 nF, ÖZW 2002, 74.

I. Einleitung1. Begriff des Kartellrechts

Zum Wettbewerbsrecht iwS zählen traditionell jene Gesetzesbestimmungen, die Wettbewerbsbeschränkungen verbieten und die Ausübung von Marktmacht begrenzen (Kartellrecht), sowie jene Regelungen, die unlauterem Wettbewerb auf dem Markt entgegenwirken (Lauterkeitsrecht; Gesetz gegen den unlauteren Wett-bewerb = Wettbewerbsrecht ieS).1 Somit ist es Hauptaufgabe des Kartellrechts, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zu sichern, während das Lauterkeitsrecht die Spielregeln festlegt, die Wettbewerber am Markt zu beachten haben. Man kann also sagen, dass das Kartellrecht dem Lauterkeitsrecht vorgelagert ist, auch wenn es Überschneidungen gibt, wenn beide Rechtsgebiete bestimmte Verhaltensweisen verbieten.

Das europäische Kartellrecht soll darüber hinaus insbesondere auch die Er-richtung eines Binnenmarkts sichern und dafür den Wettbewerb vor Verfälschungen schützen. Denn es wäre unsinnig, wenn die EU zwar staatliche Handelsschranken (zB Zölle, Kontingente) beseitigen könnte, dieser Erfolg aber durch private Wett-bewerbsbeschränkungen (insbesondere internationale Kartelle) wieder zu Nichte gemacht würde.

Das Kartellrecht schützt den Wettbewerb vor Verfälschungen und Behinderun-gen. Was unter dem Begriff „Wettbewerb“ zu verstehen ist, wird im Kartellgesetz

1 Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht2, 17.

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Kartellrecht

nicht definiert. Rechtsprechung und Lehre verstehen darunter in der Regel einen freien, redlichen, unverfälschten und wirksamen Wettbewerb. Geschützt wird der Leistungswettbewerb, also der Wettstreit verschiedener Anbieter um Geschäftsab-schlüsse mit Dritten auf Grundlage attraktiver Preise und Qualität.2

Dabei soll der Wettbewerb in erster Linie vor Verfälschung durch Monopo-le bzw marktstarke Unternehmen und sonstige künstliche Beschränkungen, wie Kartelle bewahrt werden.3 Gegenstand des Kartellrechts bilden die folgenden drei wichtigen Bereiche (die sog drei Säulen des Kartellrechts):• das Kartellverbot (Art 101 AEUV, § 1 KartG),• das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art 102

AEUV, §§ 4 ff KartG) und• die Zusammenschlusskontrolle (FKVO, §§ 7 ff KartG).

Damit sollen nicht nur Kartelle ieS, sondern alle Arten von Wettbewerbsbe-schränkungen mit unterschiedlichen Instrumenten verhindert werden. Auf europä-ischer Ebene wird auch (das hier nicht behandelte) Beihilfenrecht dem Kartellrecht zugeordnet.

2. Rechtsquellen

Das Kartellrecht ist heute kein rein nationales Recht mehr. Vielmehr bestehen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene Vorschriften, die sich in ihrem Anwendungsbereich ergänzen (unten 3.).

Die wichtigsten Rechtsquellen des österreichischen Kartellrechts sind das Kar-tellgesetz 2005 (KartG)4 und das Wettbewerbsgesetz 2006 (WettbG)5. Das KartG enthält neben dem hier im Vordergrund stehenden materiellen Kartellrecht auch Vor-schriften über die Organisation der Kartellgerichte und das anwendbare Verfahren. Das WettbG regelt die Einrichtung der Bundeswettbewerbsbehörde, die durch amts-wegiges Vorgehen einen funktionierenden Wettbewerb weit gehend sicherstellen soll. Kartellrechtliche Vorschriften finden sich darüber hinaus auch im Nahversorgungs-gesetz6, nach dem bestimmte Verhaltensweisen von Unternehmern im geschäftlichen Verkehr untereinander untersagt werden können (zB Annahme von Leistungen ohne Gegenleistungen, ungerechtfertigte Diskriminierung von Wiederverkäufern oder Lieferanten); de facto finden auch diese Regelungen nur Anwendung, wenn Markt-macht vorliegt, weil sonst solche Verhaltensweisen keinen Erfolg haben werden. Sondervorschriften finden sich auch in branchenbezogenen Wettbewerbsregelungen, insbesondere in jenen Bereichen, in denen aufgrund früherer staatlicher Monopolstel-lungen noch schwierige Wettbewerbsverhältnisse herrschen.7

2 Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht2, 59.3 Barfuss/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, 1.4 BGBl I Nr 61/2005.5 BGBl I Nr 62/2002.6 BGBl Nr 392/1977.7 Vgl zB das Telekommunikationsrecht, das zum Teil auch wettbewerbsrechtliche Regelungen enthält

(§§ 35 ff TKG); vgl in diesem Zusammenhang auch KOG 11.10.2004, 16 Ok 11/04 – Telekom Austria

Wiebe (Hg.), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 377

Einleitung

Auf europäischer Ebene sind die zentralen Rechtsquellen Art 101 und Art 102 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)8 (mit dem Kartell-verbot und dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung) sowie die Fusionskontrollverordnung (FKVO)9. Art 103 AEUV ermächtigt den Rat auf Vorschlag der Kommission10 die zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in Art 101 und 102 niedergelegten Grundsätze zu beschlie-ßen. Auf dieser Basis gibt es zahlreiche einschlägige Verordnungen, die Verfah-rens- oder Detailfragen regeln. Von besonderer Bedeutung sind die Verordnung 1/200311 und die FKVO-Durchführungsverordnung12, in der vor allem grundlegende verfahrensrechtliche Vorschriften enthalten sind. Gruppenfreistellungsverordnun-gen13 sehen die Freistellung bestimmter Gruppen von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen vom Kartellverbot vor. All diese Vorschriften wirken auch in den Mitgliedstaaten unmittelbar, dh ohne gesonderte Umsetzung. Hinzu kommen Leit-linien, Mitteilungen und Bekanntmachungen (sog „Softlaw“); sie entfalten zwar kei-ne bindende Wirkung gegenüber dem Adressaten, bieten aber Anhaltspunkte für die Anwendung von Rechtsnormen und der Analyse von Sachverhalten.14 Sie geben den Rechtsstandpunkt der Kommission wieder (an den sie grundsätzlich selbst gebunden ist), binden aber die mitgliedsstaatlichen oder europäischen Gerichte nicht.15 16

Praxistipp: Entscheidungen des Kartellgerichts (KG) bzw Kartellobergerichts (KOG) sind zwar keine generelle Rechtsquelle, haben aber große faktische Be-deutung, da sie dem Rechtsanwender als wesentliche Orientierungshilfe dienen.15 Dasselbe gilt für Urteile und Beschlüsse europäischer Gerichte und der europäi-schen Kommission.16

3. Verhältnis europäisches Recht und nationales Recht

Bereits jetzt wird deutlich, dass die klassische Trias des Kartellrechts (Kartell- sowie Missbrauchsverbot, Fusionskontrolle) sowohl im europäischen als auch im ös-terreichischen Recht enthalten ist. Diese Bestimmungen sind inhaltlich sehr ähnlich bzw entsprechen sich in manchen Bereichen nahezu wortwörtlich. Damit stellt sich

Minimumtarif; hier hat das KOG festgehalten, dass die Tarifgestaltung selbst dann einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen kann, wenn die Tarife von der Regulierungsbehörde genehmigt wurden.

8 Konsolidierte Fassung ABl 2006, C 115/47.9 ABl 2004, L 24/1.10 Weitere Ausführungsbestimmungen werden allein von der Kommission erlassen.11 ABl 2003, L 1/1.12 ABl 2004, L 133/1.13 Dazu unten S 391 ff.14 ZB Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zu-

sammenarbeit, ABl 2011, C 11/1. Hier gibt die Kommission auf 72 (!) Seiten Hinweise, wie sie Ver-einbarungen zwischen Wettbewerbern auf einem Markt kartellrechtlich beurteilen wird.

15 Die Entscheidungen des KG und KOG können auf der Website http://www.ris.bka.gv.at abgerufen werden.

16 Die Entscheidungen des EuG und EuGH können unter http://www.curia.europa.eu und jene der Kommission unter http://www.ec.europa.eu/comm/competition/index_en.html abgerufen werden.

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Kartellrecht

die Frage, unter welchen Voraussetzungen europäisches und unter welchen genuin österreichisches Kartellrecht anwendbar ist.

Das europäische Kartell- oder Missbrauchsverbot17 ist nur anwendbar, wenn die Auswirkungen einer wettbewerbsbeschränkenden Handlung nicht nur einen Mitglied-staat betreffen, sondern den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen können (Zwischenstaatlichkeitsklausel gem Art 101 und 102 AEUV). Es kommt somit nicht darauf an, dass eine spürbare18 Beeinträchtigung tatsächlich erfolgt, sondern es ge-nügt, dass eine solche möglich ist; das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit wird daher auch weit ausgelegt.19 Eine Beeinträchtigung liegt immer dann vor, wenn das bean-standete Verhalten die innerstaatlichen Handelsströme verändert, die geografische Aufteilung von Märkten erlaubt oder Wettbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten den Eintritt in einen Binnenmarkt erschwert.20 Besonders bedeutsam ist, dass auch eine rein nationale Wettbewerbsbeschränkung dem europäischen Verbot unterliegt, wenn sie dazu führen kann, dass der nationale Markt gegenüber Wettbewerb (der auch aus den anderen Mitgliedstaaten kommen könnte) abgeschottet wird.

Festzuhalten ist auch, dass es so wie häufig im Marktrecht auf die Auswirkung einer Maßnahme auf den Binnenmarkt ankommt, nicht aber darauf, wo diese Maß-nahme gesetzt worden ist; daher können auch Wettbewerbsbeschränkungen oder Missbrauchstatbestände, die in Drittstaaten wie den USA gesetzt werden, durch das europäische Wettbewerbsrecht untersagt sein.

Die Vorschriften des österreichischen KartG erfassen hingegen Sachverhalte, die sich auf den österreichischen Markt auswirken, und zwar auch wieder unab-hängig davon, ob der Sachverhalt im In- oder im Ausland verwirklich wurde (sog Auswirkungsprinzip gem § 24 Abs 2 KartG). Dieses Auswirkungsprinzip findet sich auf europäischer Ebene für außervertragliche Schuldverhältnisses aus einem wettbe-werbsbeschränkenden Verhalten auch in Art 6 Abs 3 Rom II-VO21. Wenn sich eine Wettbewerbsbeschränkung nun nicht nur auf den inländischen Markt auswirkt, son-dern zusätzlich den zwischenstaatlichen Handel in der EU beschränkt, ist auf ein und denselben Sachverhalt zumindest grundsätzlich sowohl europäisches als auch österreichisches Kartellrecht anzuwenden.

Nun kann aber die kumulative Anwendung von zwei Rechtsnormen, trotz An-gleichung im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Für die Lösung die-ses Konflikts wurden auf europäischer Ebene für Art 101 f AEUV22 ausdrückliche Kollisionsnormen erlassen.

Zunächst ist aber zu klären, wer für die Überwachung des europarechtlichen Kar-tell- und Missbrauchsverbots zuständig ist. Aus Art 3 Abs 1 und Art 5 VO 1/2003 er-

17 Zu den Anwendungsvoraussetzungen der Fusionskontrollverordnung vgl unten S 405 ff.18 Zum Spürbarkeitskriterium vgl noch näher unten S 389.19 Vgl die einschlägigen Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Han-

dels, ABl 2004, C 101/07.20 Gonzales Diaz/Gippini-Fournier/Mojzesowicz in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartell-

recht2 Art 81 Abs 1 EG Rz 178 ff mwN.21 ABl 2007, L 199/40.22 Zu den Fragen im Zusammenhang mit der Fusionskontrollverordnung vgl unten S 405 ff.

Wiebe (Hg.), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 379

Einleitung

gibt sich ein System der dezentralen Vollziehung durch die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten; sie haben die entsprechenden Vorschriften primär anzuwenden, können aber die Kommission jederzeit konsultieren. Allerdings kann die Kommissi-on gem Art 7 Abs 1 VO 1/2003 Fälle, die dem europäischen Kartellrecht unterliegen, jederzeit an sich ziehen; sie kann dabei nach dem Gebot der Opportunität vorgehen, hat also Aufgreifermessen.23 Danach darf die nationale Behörde das kartellrechtlich relevante Verhalten weder verbieten, noch genehmigen und ist an die Entscheidung der Kommission gebunden. Nationale Gerichte, die in einer Rechtssache, die bereits Gegenstand eines Verfahrens vor der Kommission war, befinden, dürfen keine Ent-scheidung erlassen, die der bereits ergangenen Entscheidung der Kommission zuwi-derläuft. Dies gilt auch, wenn die Kommission das Verfahren zwar eingeleitet, aber noch keine Entscheidung getroffen hat. In diesem Fall kann das Gericht sein Verfah-ren aussetzen.24

Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, wonach das Unionsrecht generell Vorrang vor dem nationalen Recht hat, stellt Art 3 VO 1/2003 klar, dass Art 101 AEUV und Art 102 AEUV gegenüber innerstaatlichen Vorschriften Vorrang haben. Das ist nicht nur von Bedeutung, wenn das nationale Recht einen Sachverhalt erlauben würde, den das Europarecht untersagt, sondern auch, wenn die Anwendung des europäischen Rechts im Vergleich zum nationalen Recht zu einer großzügigeren Beurteilung führt. So dürfen Kartelle, die zwar geeignet sind, den zwischenstaatli-chen Handel zu beeinträchtigen, und deswegen Art 101 AEUV unterliegen, nicht durch die Anwendung von nationalem Kartellrecht verboten werden, wenn sie den Wettbewerb iSd Art 101 AEUV nicht einschränken bzw nach Art 101 Abs 3 AEUV erlaubt sind. Gleiches gilt umgekehrt auch für europarechtlich verbotene Verhaltens-weisen. Auch wenn diese nach innerstaatlichem Kartellrecht grds zulässig wären, sind sie dem europäischen Wettbewerbsrecht entsprechend untersagt.25

In diesem Zusammenhang sind noch zwei Anmerkungen wichtig. Erstens erlaubt Art 3 Abs 3 VO 1/2003 neben Art 101 f AEUV die Anwendung von Bestimmun-gen des nationalen Rechts, die überwiegend andere als wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgen. Deswegen können Mitgliedstaaten Maßnahmen in bestimmten Sektoren von nationalem Interesse (zB Rüstung oder Infrastruktur) untersagen, selbst wenn sie nach Art 101 f AEUV an und für sich zulässig wären. Zweitens ist auf Sachverhalte, die nicht unter Art 101 AEUV bzw Art 102 AEUV fallen, hingegen nur österreichi-sches Recht anzuwenden. Das Ergebnis kann diesfalls (also gerade für kleinere und weniger bedeutende Unternehmen) auch strenger ausfallen, als es die Anwendung europäischen Rechts ergeben würde.

Ausgenommen von diesem Vorrangprinzip sind gem Art 3 Abs 2 letzter Satz VO 1/2003 Vorschriften zu einseitigen Maßnahmen, die innerstaatlich im Vergleich zum europäischen Recht strenger geregelt werden dürfen. Von der Ausnahmerege-lung umfasst sind in erster Linie Fälle des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Einseitige Verhaltensweisen dürfen aufgrund nationaler Vorschriften auch

23 Vgl Anweiler in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2 Art 7 VerfVO Rz 9.24 Gamerith, Wettbewerbsrecht II5, 44.25 Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht2, 25 ff.

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Kartellrecht

dann untersagt werden, wenn sie nicht gegen europäisches Wettbewerbsrecht (dh Art 102 AEUV) verstoßen.26 So enthält das österreichische Kartellrecht bspw das Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis. Ein vergleichbarer Missbrauchstatbestand fehlt in Art 102 AEUV; damit enthält das österreichische Recht ein zusätzliches Ver-bot, das aber auch bei Sachverhalten angewendet werden darf, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen und damit grundsätzlich dem europä-ischen Kartellrecht unterliegen.

4. Verhältnis der einzelnen Tatbestände zueinander

Das Kartell- und Missbrauchsverbot können, sofern die jeweiligen Tatbestandsvo-raussetzungen erfüllt sind, nebeneinander angewendet werden.27 Ob das Kartell- und Missbrauchsverbot neben der FKVO auf Zusammenschlüsse anwendbar ist, ist auf europäischer Ebene umstritten.28 Jedenfalls hat die Kommission im Zuge der Verab-schiedung der FKVO erklärt, das Kartell- und Missbrauchsverbot auf Zusammen-schlüsse iSd FKVO nicht mehr anzuwenden.29 Für das österreichische Recht hat das Kartellobergericht (KOG) klargestellt, dass die spezielleren Bestimmungen der Zu-sammenschlusskontrolle Vorrang vor dem Missbrauchsverbot haben.30

5. Rechtsökonomik und Kartellrecht

Kartellabsprachen schaden dem Wettbewerb. Das beantwortet freilich noch nicht, warum der Wettbewerb überhaupt vor Kartellen oder dominanten Unternehmen ge-schützt werden soll; historisch gesehen war lange Zeit eine wohlwollende Einstellung gegenüber Kartellen oder der Konzentration von Industrien dominant, die erst seit 1945 einer zunehmend kritischeren Betrachtung gewichen ist.

Die Mikroökonomie lehrt, dass bei statischer Betrachtung mit einem Monopol zwei Effekte verbunden sind, die darauf zurückzuführen sind, dass der Monopolist seinen Preis31 ohne Rücksichtnahme auf die Konkurrenz festsetzen kann und des-wegen diesen so wählen wird, dass er seinen Gewinn maximiert (sog. Cournotscher Punkt): einerseits wird weniger produziert als volkswirtschaftlich günstig wäre und andererseits wird die Rente weg von den Abnehmern und hin zum Monopolisten umverteilt. Letztlich führt dies zu einer Fehlallokation von Ressourcen und damit zu weniger Auswahl für Unternehmen und Konsumenten und weniger Innovationen. Insofern ist der Wettbewerb der beste Schutz der Marktgegenseite (insb auch der Konsumenten) vor Ausbeutung, weil sich die Abnehmer keinem Preis- oder Bedin-gungsdiktat des einzigen Abnehmers beugen müssen.32

26 Loewenheim in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2, § 22 GWB Rz 10.27 Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht4, EG/Teil 1, Art 82 Rz 6 f. 28 Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht4, EG/Teil 1, Art 82 Rz 265 f mwN.29 Erklärung zum Ratsprotokoll, WuW 1990, 240 (243).30 OGH 16 Ok 6/10 – Warenlager – ÖBl 2011/19.31 Ebenso wie die weiteren Verkaufsbedingungen.32 Zu alle dem vgl S 394 ff.

Wiebe (Hg.), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 381

Einleitung

Diese eher statischen Aspekte der Monopollehre wurden durch unterschiedliche Wettbewerbstheorien weiterentwickelt. Bei dynamischer Betrachtung sind Mono-pole Ansporn für die Mitbewerber die Monopolstellung anzugreifen; insofern ver-trauen manche Wirtschaftswissenschafter weit gehend auf die Selbstheilungskräfte des Marktes, sofern nur der Zutritt zum jeweiligen Markt möglich ist. In der Sache wird aber überwiegend auch eine Marktstrukturkontrolle (also eine Kontrolle der Zu-sammensetzung des Wettbewerbs) für erforderlich gehalten.

Das Kartellrecht greift dies zunächst dadurch auf, dass durch die Verhinderung von Machtkonzentration durch externes Wachstum mittels der Zusammenschluss-kontrolle das Entstehen von Monopolen teilweise verhindert werden soll. Gegen den besonderen Erfolg am Markt kann (und soll) aber das Wettbewerbsrecht keine Abhilfe schaffen; deswegen muss es auch Regeln über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung geben. Letztlich können monopolähnliche Effekte mit den entsprechenden volkswirtschaftlichen Effekten auch durch Absprachen unter unabhängigen Unter-nehmen herbeigeführt werden (Kartell).

Wenn also Kartellrecht vor allem ökonomisch motiviert ist, dann liegt es nahe, für die Beantwortung der Frage, welche Marktstruktur und welches Markt-verhalten den Wettbewerb fördern, analytische Instrumente der ökonomischen Theorie anzuwenden. In den Anfängen des europäischen und österreichischen Wettbewerbsrechts spielte die Ökonomie eher eine untergeordnete Rolle. Mitt-lerweile arbeiten Wettbewerbsbehörden und Rechtsberater immer öfter mit Ökonomen zusammen, die mit ihren Analysen die rechtliche Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts stützen oder überhaupt erst ermöglichen. Das ist vor allem in den Bereichen der Marktdefinition, der Beurteilung von Marktmacht oder der Analyse bestimmter Verhaltensweisen von Unternehmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen am Markt von Bedeutung.33

Die Europäische Kommission verwendet in ihren wettbewerbspolitischen Stel-lungnahmen immer öfter das Schlagwort „a more economic approach“, worunter eine stärkere Etablierung des ökonomischen Ansatzes in der Wettbewerbspolitik und insb in den Wettbewerbsanalysen der Kommission zu verstehen ist.34 Dieser „more economic approach“ führte ua zur Einrichtung der Position eines Chefökonomen in der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission. Zu dessen Kernaufgaben gehört neben der wirtschaftspolitischen und ökonometrischen Beratung der Kommission bei der Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts im Allgemeinen (zB bei der Erarbeitung von Richtlinien), auch die Beratung bei Wettbewerbsverfahren, dessen Fälle komplexe wirtschaftliche Fragen aufwerfen.35

Konkret hat sich die stärkere Einbeziehung von ökonomischen Aspekten auf eu-ropäischer Ebene in den Leitlinien der Kommission niedergeschlagen. Die Leit-linien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse36 und die Leitlinien für verti-

33 Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht2, 41.34 Ausführlich zu diesen Fragen Schuhmacher, Effizienz und Wettbewerb, 17 ff.35 Kommission, Bericht über Wettbewerbspolitik 2004, 17.36 Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverord-

nung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl 2004, C 31/5.

382

Kartellrecht

kale Beschränkungen37 verlangen zB die empirische Prüfung der Marktmacht. Auch die Leitlinien zur Anwendung von Art 101 Abs 3 AEUV38 schaffen ein analytisches Gerüst für die Anwendung der Vorschrift, das auf ökonomischen Ansätzen beruht.

Die Tendenz, wettbewerbsrechtliche Beurteilungen durch verstärkte ökonomische Analyse zu fundieren, zeigt sich auch in der Praxis des österreichischen Kartell-gerichts. Zumindest in komplexeren Fällen werden regelmäßig ökonomische Sach-verständige hinzugezogen. So bestellt das Kartellgericht für die Prüfung möglicher Untersagungsgründe in Verfahren der Zusammenschlusskontrolle bereits nach dem Einlangen eines Prüfungsantrags einen ökonomischen Sachverständigen.39 Auch Re-ferenten der Bundeswettbewerbsbehörde mit ökonomischen Fachkenntnissen werden für komplexe Fälle beigezogen.40

6. Zweck und Inhalt der Darstellung

Die folgende didaktisch orientierte Darstellung des Kartellrechts beschränkt sich im Wesentlichen auf das materielle Kartellrecht. Fragen der Behördenzuständigkeit werden nur kurz angesprochen (unten V.), Fragen des Verfahrensrechts ausgeklam-mert.

Schwerpunkt der Darstellung ist das europäische Kartellrecht. Jedoch sind die Ausführungen grundsätzlich auch für das österreichische Recht zu beachten, da die materielle Rechtslage zumeist gleich oder doch zumindest ähnlich ist. Auf die ös-terreichischen Parallelbestimmungen bzw relevante Unterschiede wird im jeweiligen Zusammenhang hingewiesen.

II. Kartellverbot1. Das Kartellverbot

1.1. Begriff und ZweckDas Kartellverbot untersagt grundsätzlich alle zwei- oder mehrseitigen Verein-

barungen zwischen Unternehmen, die geeignet sind, den Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union zu beschränken und konkretisiert diese in einem beispielhaften Katalog (Art 101 Abs 1 AEUV). Ausnahmsweise sind solche Vereinbarungen aber zulässig, wenn – vereinfacht gesagt – die Vorteile einer solchen Vereinbarung für den Verbraucher41 größer sind als die Nachteile (Art 101 Abs 3 AEUV; GVO).42

Das Kartellverbot schützt den freien Wettbewerb und soll die gesamtwirtschaft-lich nachteiligen Folgen verhindern, die sich daraus ergeben, dass Unternehmer die

37 Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl 2000, C 291/1.38 Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs 3 EG-Vertrag, ABl 2004, C 101/97.39 Vgl Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht2, 44.40 Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht2, 42.41 Zur Definition S 390 f.42 Gruber, ÖZK 2011, 7 (7).

Wiebe (Hg.), Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 383

Kartellverbot

Preis-, Konditionen- und Mengenbildung nicht mehr den Marktverhältnissen überlas-sen, sondern zum Gegenstand von Vereinbarungen machen. Die negativen Auswir-kungen sind idR höhere Preise und eingeschränkte Angebote für Verbraucher und Abnehmer sowie die gezielte Schädigung von Wettbewerbern auf dem betroffenen Markt.43

1.2. TatbestandsmerkmaleNach dem Kartellverbot sind

• Vereinbarungen zwischen Unternehmern, • Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und• aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die• geeignet sind den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und • eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb

des Binnenmarktes bezwecken oder bewirkenmit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten (Art 101 Abs 1 AEUV).

Das österreichische Kartellverbot ist in § 1 Abs 1 KartG geregelt und entspricht – abgesehen von der Voraussetzung der Zwischenstaatlichkeit – fast wörtlich der uni-onsrechtlichen Vorschrift. Im Folgenden werden nur die vereinzelten Abweichungen dargestellt.

a) UnternehmenAdressaten des Kartellverbots sind Unternehmen und ihre Vereinigungen. Ein

Unternehmen ist jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Diese Tätigkeit erfolgt idR gegen Entgelt, sie muss aber nicht auf Gewinn gerichtet sein.44 Im Gegensatz zum unionsrechtlichen Kartellverbot verwendet die österreichische Regelung den Begriff „Unternehmer (vereinigung)“. Dieser wird allerdings weitgehend ident ausgelegt.45

Beispiel: Neben Gesellschaften, wie der AG, GmbH, OG und KG, können daher auch natürliche Personen, etwa Erfinder46, Künstler47, Mitglieder freier Berufe48, staatliche Einrichtungen, die nicht hoheitlich tätig sind, wie Arbeitsvermittlungs-stellen49 Unternehmen iSd Kartellverbots sein.Eine Unternehmensvereinigung ist jede auf freiwilliger Basis entstandene

Gruppe von Unternehmen, deren Organe in der Lage sind den gemeinsamen Willen

43 Hoffer, Kartellgesetz, § 1 KartG, 17.44 EuGH C-219/97 – Maatschappij/Stichting Pensioenfonds – ZER 2000/199.45 Nach ö Recht ist Unternehmer jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und auf Dau-

er einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Eigene Rechtspersönlichkeit ist auch hier keine Voraus-setzung für die Qualifikation als Unternehmer, vgl Definition bei Hoffer, Kartellgesetz, § 1 KartG, 17 f.

46 Kommission 2.12.1975, IV/26.949 – AOIP/Beyrard.47 Kommission 26.5.1978, IV/29.559 – RAI/UNITEL.48 Kommission, Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, KOM (2004) 83.49 EuGH C-55/96 – Job Centre.

384

Kartellrecht

der Mitglieder auszudrücken. Grundlegend ist, dass die Vereinigung zur Beschluss-fassung fähig ist und mit ihren Beschlüssen das geschäftliche Verhalten ihrer Mit-glieder bestimmen oder lenken kann.50 Eigene Rechtspersönlichkeit wird nicht vo-rausgesetzt.51 Die Mitglieder der Vereinigung müssen Unternehmen sein.52 Ist die Vereinigung selbst wirtschaftlich tätig, so ist sie – in Bezug auf diese Tätigkeit – nicht als Unternehmensvereinigung, sondern als Unternehmen zu qualifizieren.53 Als Un-ternehmensvereinigungen kommen insb Wirtschafts-, Arbeitgeber- sowie Berufsver-bände in Frage.54

b) VereinbarungenDas Kartellverbot unterscheidet zwischen Vereinbarungen, Beschlüssen und ab-

gestimmten Verhaltensweisen. Eine Vereinbarung liegt vor, wenn mindestens zwei wirtschaftlich selbstständige Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Aus-druck bringen, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten.55 Dabei ist es unerheblich, ob die Abmachung ausdrücklich (zB schriftlich, mündlich), konkludent, verbindlich oder unverbindlich (sog „Gentlemen‘s Agreement“) erfolgt.56

Beispiel: Eine Absprache unter Konzernunternehmen kann nicht unter Art 101 AEUV fallen, da diese nicht wirtschaftlich voneinander unabhängig sind. Viel-mehr werden die Konzerngesellschaften für Zwecke des Wettbewerbsrechts als ein Unternehmen behandelt.Unterschieden wird zwischen horizontalen und vertikalen Vereinbarungen. Hori-

zontal sind Vereinbarungen, wenn sie zwischen Wettbewerbern, die auf der gleichen Produktions- oder Vertriebskette stehen abgeschlossen werden (zB Preiskartell von Pro-duzenten). Vertikal dagegen, wenn sie zwischen Unternehmen abgeschlossen werden, die auf verschiedenen Stufen derselben Produktions-, Vertriebs- oder Dienstleistungs-kette tätig sind (zB Vertriebsbeschränkungen zwischen Hersteller und Großhändler). Auf beide Arten von Vereinbarungen ist Art 101 AEUV gleichermaßen anwendbar; horizontale Beschränkungen werden aber als schwerwiegender angesehen als vertikale, was Auswirkungen auf die Höhe des Bußgeldes haben kann.57

Abgestimmte Verhaltensweisen umfassen jede Form der praktischen Zusammen-arbeit von Unternehmen, die nicht auf einer Vereinbarung beruht.58 Unbewusstes Par-

50 EuGH C-309/99 – Wouters.51 Gippini-Fournier/Mojzesowicz in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2, Art 81 Rz 63

mwN.52 EuGH C-264/01 – AOK/Ichthyol-Gesellschaft Cordes.53 EuGH Rs 61/80 – Coöperatieve Stremsel/Kommission.54 Hoffer, Kartellgesetz, § 1 KartG, 24.55 Kommission 11.6.2002, COMP/36.571/D-1 – Österreichische Banken („Lombard Club“).56 Gippini-Fournier/Mojzesowicz in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2, Art 81 Rz

78 f mwN.57 Vgl Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buch-

stabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl 2006, C 210/02, Z 23; Gippini-Fournier/Mojzesowicz in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht2, Art 81 Rz 84.

58 EuGH Rs 48/69 – ICI/Kommission; EuGH Rs 40/73 – Suiker Unie/Kommission.

Wettbewerbs- undImmaterialgüterrecht2., überarbeitete Auflage

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Gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht bilden die fundamentalen Vermögenswerte der Wissensgesellschaft und sind heute wichtige Triebkräfte für Wettbewerb und Innovation. Zugleich gibt es kaum ein Rechtsgebiet, das durch die technische Entwicklung vor vergleichbare Herausforderungen gestellt wurde und dynamisch auf nationaler und europäischer Ebene reagiert hat.

Vor diesem Hintergrund ist es Ziel dieses Lehrbuches, die einzelnen Immaterial- güterrechte und das Wettbewerbsrecht sowie deren Wechselwirkungen in überschaubarer und strukturierter Form darzustellen. Behandelt werden das Patentrecht, Musterschutzrecht, Markenrecht, Urheberrecht, Fragen der Rechtsdurchsetzung und des anwendbaren Rechts. Der Schutz von Immaterial- gütern steht in enger Beziehung zum Wettbewerb und zum Wettbewerbs-recht als rechtlicher Rahmenordnung. Das UWG dient der Verhinderung unfairer Geschäftspraktiken, das Kartellrecht der Erhaltung kompetitiver Marktstrukturen. Das Buch gibt eine Einführung in Grundlagen, Ziele und wichtigste Regelungsbereiche des Lauterkeitsrechts und des Kartellrechts und stellt die kartellrechtlichen Grenzen der Verwertung von Immaterialgüter-rechten dar. Dabei werden neben der österreichischen Rechtslage auch das europäische und das internationale Recht einbezogen.

Dieses Lehrbuch richtet sich an Studierende, Berufsanwärter/innen im Bereich der Rechts- und Patentanwaltschaft und der Richterschaft sowie den interes-sierten Praktiker, der einen ersten fundierten Zugang zum Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht sucht.

ANDREAS WIEBE (HG.)

ISBN 978-3-7089-0895-3

facultas.wuv.at

APPL | FERCHER | HEIDINGER | SEDEF | WIEBE | WINNER

Patentrecht

Urheberrecht

Markenrecht

Musterschutzrecht

UWG

Kartellrecht


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