Das Missbrauchsverbot
Examinatorium im SPB 8
WS 2017/2018
A. Einführung
§ 19 GWB:
(1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung
durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2)…..
Art. 102 AEUV:
(1)Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche
Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder
auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere
Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
(2)…
A. Einführung
Verhältnis der Rechtsvorschriften zueinander
MS können strengere Missbrauchsverbote erlassen, Art. 3 Abs. 2 S. 2 VO
1/2003, § 22 Abs. 3 GWB
Regelungen im GWB teilweise strenger (vgl. § 19 und § 20 GWB)
Grds. parallele Prüfung von Art. 102 AEUV und §§ 19, 20 GWB (sofern nicht
anders verlangt)
Rechtsfolgen
Abstellungsverfügung (Art. 7 VO 1/2003, § 32 GWB)
Bußgeld (Art. 23 Abs. 2 VO 1/2003, § 81 GWB)
Vermehrt auch Zusagenentscheidungen nach Art. 9 VO 1/2003, § 32 b GWB
Zivilrechtlich: §§ 33, 33a GWB (Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz)
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
I. Unternehmen i. S. d. Art. 102 AEUV
II. Marktbeherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt bzw. auf
einem wesentlichen Teil desselben
III. Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung (ggf. Rechtfertigung)
IV. Zwischenstaatlichkeitsklausel (Eignung des Missbrauchs, den
zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen)
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
Zu II. Marktbeherrschende Stellung:
2 Schritte:
1. Marktabgrenzung
a. Sachlich relevanter Markt
b. Geographisch relevanter Markt
2. Beherrschende Stellung auf dem abgegrenzten Markt?
Beachte: Die beherrschende Stellung muss auf einem wesentlichen Teil
des Binnenmarktes vorliegen, ansonsten ist Art. 102 AEUV nicht
anwendbar!
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
1. Marktabgrenzung
a. Sachlich relevanter Markt
- Bedarfsmarktkonzept (Konzept der funktionellen Austauschbarkeit
aus der Sicht der Abnehmer) Hat sich in Praxis durchgesetzt
Kommission (ABl. C 372 v. 3.12.1997):
„…umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den
Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres
vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar
angesehen werden....“
Weitere Ansätze z.B.:
- Kreuzpreiselastizität
- SSNIP-Test
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
1. Marktabgrenzung
b. Geographisch relevanter Markt
Kommission (ABl. C 372 v. 3.12.1997):
„…umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten
Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbe-
dingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten
Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen
unterscheidet.“
Abgrenzungsmöglichkeiten: regional, national, mehrere MS, gesamte
EU, Weltmarkt
Ursachen für räumliche Trennung von Märkten:
Verbrauchergewohnheiten, klimatische Bedingungen (Auftausalz),
Sprachbarrieren, regulatorische Schranken, Zölle etc.
2. Beherrschende Stellung im abgegrenzten Markt?
Kriterien: § 18 III GWB
Wichtigstes Kriterium: Marktanteil
Richtwerte :
• Deutlich über 40 % (a. A. 50 %): beherrschende Stellung (+) (vgl. auch §
18 IV GWB)
• Zwischen 25 % und 40 %: beherrschende Stellung (+), wenn zusätzlich
ausreichender Abstand zum nächstgrößten Wettbewerber
• Unterhalb 25 %: beherrschende Stellung i.d.R. (-)
• Unterhalb 10 %: beherrschende Stellung praktisch ausgeschlossen
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Die Regelbeispiele des Art. 102 Abs. 2 AEUV:
a) Unangemessene Preise/Bedingungen Ausbeutung der
Marktgegenseite
b) Einschränkung der Erzeugung/des Absatzes/der Entwicklung
c) Diskriminierung von Handelspartnern
d) Koppelungsgeschäfte
Beachte: Art. 102 Abs. 1 AEUV als Generalklausel!
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Unterteilung in:
• Ausbeutungsmissbrauch (Art. 102 Abs. 2 a) AEUV)
• Behinderungsmissbrauch
– Nicht preisbezogener Behinderungsmissbrauch
– Preisbezogener Behinderungsmissbrauch
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
a) Ausbeutungsmissbrauch (Art. 102 Abs. 2 a) AEUV)
• Schutz der Verbraucher vor bspw. überhöhten Preisen
• Unangemessene Preise? Kosten-Preis-Analyse, verschiedene
Konzepte
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
b) Behinderungsmissbrauch
V. a. Schutz des Restwettbewerbs (und damit indirekt der Verbraucher)
Nichtpreisbezogene Maßnahmen:
Geschäftsverweigerung (Marktbeherrscher verfügt über notwendigen Input für
Wettbewerber auf nachgelagerten Märkten, z. B. Netzwerke etc.) „Essential facility“
Ausschließlichkeitsbindungen (Verpflichtung, bestimmte Waren einzig und allein
vom Marktbeherrscher zu beziehen)
Koppelung und Bündelung (Art. 102 Abs. 2 d) AEUV)
Technische Koppelung, z.B. Microsoft/Windows Media Player
Gefahr der Marktmachtübertragung zwischen verschiedenen Märkten (Leveraging)
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Preisbezogene Maßnahmen:
Kampfpreise als Grundtatbestand: 2 Phasen
Niedrigpreise zur Verdrängung der Wettbewerber
Überhöhte Preise zum Verlustausgleich und zur Gewinnerzielung (Recoupment)
Missbräuchliche Rabattsysteme
Kosten-Preis-Schere (margin squeeze)
Vss: Vertikal integriertes Unternehmen
Marktbeherrschung im vorgelagerten Markt
Beschneidung der Gewinnmargen der Wettbewerber durch Erhöhung der
Vorleistungspreise, durch Senkung der Endkundenpreise oder durch eine
Kombination der beiden Maßnahmen
Preisdiskriminierung, Art. 102 Abs. 2 c) AEUV
B. Prüfungsvss. Art. 102 AEUV
C. Sachverhalt
British Airways (BA): Größtes Luftfahrtunternehmen in UK
Bei Verkäufen über Reisevermittler in UK (1998):
BA: 39,7 % Marktanteil
Virgin: 5,5 % (nächstgrößter Konkurrent!)
BA-Anteil > 2,2fache des Anteils der vier größten Konkurrenten zusammen
Verkaufsfördernde Maßnahmen von BA gegenüber Reisevermittlern:
Basisprovision für jeden verkauften BA-Flugschein in Höhe von 7 % des
Verkaufspreises
Zusatzprovision:
• von bis zu 1 % (variabel)
• Vergleich mit entsprechendem Monat des Vorjahres
• Zusatzprovision, wenn Erlöse mehr als 95 % im Vergleich zum Monat des
Vorjahres betragen
• bei jedem über 95 % liegenden Prozentpunkt: zusätzlich 0,1 % Provision für
Reisevermittler (zuzügl. zu Basisprovision von 7 %)
Virgin: Verstoß gegen Art. 102 AEUV
D. Lösung
I. Adressat der Vorschrift: Unternehmen
BA als Unternehmen i.S.d. Art. 102 AEUV?
Unternehmen = Jede Einheit, die eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit
im weitesten Sinne ausübt - und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform,
dem Vorliegen oder Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, dem Umfang
der Tätigkeit oder der Art ihrer Finanzierung
Funktionaler Unternehmensbegriff: Eine Einheit kann in einem Bereich
Unternehmen sein und in anderen Bereichen nicht (vgl. Staat)
Hier: BA als Unternehmen i.S.d Art. 102 AEUV (+)
D. Lösung
II. Marktbeherrschende Stellung – 1. Marktabgrenzung
a) Sachlich relevanter Markt
Kommission (ABl. C 372 v. 3.12.1997):
„…umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den
Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres
vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder
substituierbar angesehen werden....“
Hier: Markt für Luftverkehrsvermittlerdienste
Fluggesellschaften als Nachfrager der DL (Vertrieb von Flugscheinen),
Reisevermittler als Anbieter der DL
D. Lösung
II. Marktbeherrschende Stellung – 1. Marktabgrenzung
a) Sachlich relevanter Markt
Mittlerweile auch mehr und mehr eigenes Anbieten dieser Leistung
durch Fluggesellschaften (interne Abwicklung), der Vertrieb von
Flugscheinen über Vermittler ist dennoch ein abgegrenzter Markt
Vertrieb von Charterflügen ist nicht in den sachlichen Markt
einzubeziehen:
Für Reiseveranstalter angeboten, die Flug im Gesamtpaket zusammen mit Unterkunft
anbieten
Charterflüge nur zu bestimmten Zielen
Reisevermittler vermitteln auch Hotelzimmer und Mietwagen:
keine Einbeziehung in sachlichen Markt
keine Angebotssubstituierbarkeit
D. Lösung
II. Marktbeherrschende Stellung – 1. Marktabgrenzung
b) Räumlich relevanter Markt
Kommission (ABl. C 372 v. 3.12.1997):
„…umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten
Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbe-
dingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten
Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen
unterscheidet.“
Hier: Vereinigtes Königreich
Erwerb der Flugscheine üblicherweise im Land des Wohnsitzes
(Beachte: zur Zeit der Entscheidung v.a. noch Erwerb in Reisebüros)
D. Lösung
II. Marktbeherrschende Stellung – 1. Marktabgrenzung
b) Räumlich relevanter Markt
Einige Reisevermittler sind in mehreren MS tätig, aber
Fluggesellschaften können Erwerb von Luftverkehrsvermittlerdienste in
UK unter anderen Bedingungen durchführen als andernorts
Performance Reward Scheme gilt gerade nur im Vereinigten
Königreich
D. Lösung
2. Beherrschende Stellung?
Faktoren: § 18 III GWB
Wichtigstes Kriterium: Marktanteil
Richtwerte:
• Deutlich über 40 % (a. A. 50 %): beherrschende Stellung (+)
• Zwischen 25 % und 40 %: beherrschende Stellung (+), wenn zusätzlich
ausreichender Abstand zum nächstgrößten Wettbewerber
• Unterhalb 25 %: beherrschende Stellung i.d.R. (-)
• Unterhalb 10 %: beherrschende Stellung praktisch ausgeschlossen
D. Lösung
2. Beherrschende Stellung?
• Marktanteil: Richtwerte sind nicht starr anzuwenden, nur Anhaltspunkt!
Im Fall:
• BA ist beherrschender Nachfrager auf dem britischen Markt für
Luftverkehrsvermittlerdienste
• 1998: Anteil von 39,7 % bei den über Reisevermittlern getätigten
Verkäufe in UK
• Nächstliegender Konkurrent (Virgin): Anteil von 5,5 %
• BA-Anteil > als das 2,2fache des Anteils der 4 größten Konkurrenten
zusammengenommen
• Starke Stellung von BA ist über mehrere Jahre konstant geblieben
D. Lösung
2. Beherrschende Stellung?
• Weitere, die Marktbeherrschung begünstigende Faktoren (nicht im SV):
– BA bietet deutlich mehr Strecken nach und aus UK an als andere
Fluggesellschaften
– BA: 38 % der Slots des Flughafens Heathrow, der nächste Wettbewerber
verfügt nur über 14 %, die engsten Wettbewerber zusammengenommen
nur 27 %
D. Lösung
3. Problem: Binnenmarktrelevanz?
Vss. für Anwendbarkeit des Art. 102 AEUV: Marktbeherrschende
Stellung auf Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben
Hier: Marktbeherrschende Stellung lt. SV (wohl) nur im Vereinigten
Königreich
ABER: Gefestigte Kommissionspraxis/Rechtsprechung:
Marktbeherrschende Stellung auf wesentlichem Teil des Binnenmarktes
jedenfalls dann (+), wenn Marktbeherrschung in einem größeren MS
wie Deutschland oder UK (Hinweis: Auch die Gebiete von MS mittlerer und kleiner
Größe können wesentliche Teile des Binnenmarktes darstellen!)
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Hier: Missbräuchliches Rabattsystem?
Durch Rabattsysteme mögliche verwirklichte Missbrauchstatbestände:
• Art. 102 Abs. 2 a) AEUV: Unangemessene Geschäftsbedingungen,
v.a. wg. Intransparenz
• Art. 102 Abs. 2 c) AEUV: Diskriminierung von Handelspartnern
• Behinderung der Wettbewerber durch Marktabschottung
• Art. 102 Abs. 2 d) AEUV: Verstoß gegen das Kopplungsverbot (Bsp.:
Rabatt beim Bezug mehrerer Produkte unterschiedlicher Märkte)
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Im BA-Fall:
a) Marktabschottung?
Differenzierung nach Art des Rabattes:
• Reine Mengenrabatte grds. unbedenklich
• Reine Treuerabatte grds. missbräuchlich
– Vss. für Rabatt: Abnehmer muss unabhängig vom Umfang der Geschäfte den
gesamten oder wesentlichen Teil des Bedarfs vom marktbeherrschenden
Lieferanten beziehen
– Wirkung wie Ausschließlichkeitsbindung
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
• Funktionsrabatte grds. unproblematisch
– Rabatt als Gegenleistung für die Übernahme einer Aufgabe des Lieferanten (im
Zusammenhang mit der Markteinführung eines Produkts oder im Bereich des
Services gegenüber Endkunden)
– Abnehmer erbringt wirtschaftliche Leistung für Lieferanten
• Zielrabatte problematisch, im Einzelfall ggf. ok
– Rabattgewährung für Erreichung eines bestimmten Ziels
– Ebenfalls Anreiz, Bedarf ganz oder überwiegend bei Marktbeherrscher zu decken
– Missbräuchlichkeit z. B. (+), wenn Vss. für Rabatt, dass Abnehmer
Vorjahresergebnis übertrifft
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
• Problem: „Intelligente“ Rabattsysteme
– Komplex: Unterfallen auf den ersten Blick oftmals nicht direkt den
unzulässigen Treuerabatten oder den problematischen Zielrabatten
– Überlegungen zur Bewertung der Missbräuchlichkeit:
• Auch Marktbeherrscher sollen Kunden über Rabatte an sich binden dürfen
• Ist Zweck allein die Verhinderung der Belieferung durch Wettbewerber?
• Missbräuchlichkeit (+), wenn Marktbeherrscher Mittel zur Verhinderung der
Abwanderung von Kunden einsetzt, die Wettbewerber nicht anbieten können
Beurteilung anhand qualitativer Kriterien:
• Problematischer sind bspw. lange Referenzzeiträume für Rabattberechnung
• Problematischer sind bspw. große Sprünge in Rabattstaffeln
• Problematisch ist eine Intransparenz oder eine Selektivität des Rabattsystems
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Hier:
• BA als Nachfrager auf Markt für Flugreisevermittlungsdienste
• BA handelt nicht wie ein Lieferant, sondern wie ein Abnehmer
• Kein Rabattsystem (Keine Senkung des Lieferantenpreises gewünscht)
• Prämiensystem: Prämien für Reisevermittler, wenn Dienste im
Wesentlichen für BA und nicht für Wettbewerber erbracht
• Weder unbedenkliche Mengenprämie, noch verbotene Treueprämie
• Einzelfallprüfung anhand qualitativer Kriterien, ob Prämie
missbräuchlich
Verdrängungswirkung der Prämie?
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
• Ausgeübter Druck auf Vertragspartner besonders stark, wenn
Rabatt/Prämie nicht nur auf den angestrebten Umsatzzuwachs,
sondern auf den gesamten Umsatz aus den Käufen/Verkäufen
• Dann: verhältnismäßig geringe Veränderungen im Umsatz bedeuten
überproportionale Auswirkungen für die Vertragspartner
• Hier: Prämien auf gesamten Umsatz (Rückwirkende Prämie!)
• Druck noch stärker, da BA sehr viel höhere Marktanteile als
Wettbewerber Wettbewerber können am Gesamtumsatz orientierte
Prämien nicht nachbilden oder gar überbieten
• BA als unumgänglicher Handelspartner auf Markt
• Wettbewerber müssten deutlich höhere Rabatte/Prämien anbieten, um
Vertragspartner des Marktbeherrschers zu gewinnen
Marktverschließender Effekt der BA-Provisionen
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Rechenbeispiel zur Sogwirkung eines bedingten Rabattsystems:
• Jahr 0 (Bezugsjahr): Reisevermittler verkauft monatlich Flugscheine für
100.000 €
• Jahr 1: Monatlicher Verkauf von BA-Flugscheinen im Wert von 100.000
€ (= 100 %)
Basisprovision (7 %) + Zusatzprovision (5*0.1 %) = 7.500 €
• Alternativ Jahr 1: BA-Flugscheine im Wert von 99.000 € (= 99 %),
Flugscheine von Wettbewerbern im Wert von 1.000 € (= 1 %)
Basisprovision (7 %) + Zusatzprovision (4*0,1 %) = 7.326 €
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
• Niedrigerer Provisionssatz würde für alle Verkäufe des Vermittlers
gelten
• Verminderung von 1.000 € bei Verkauf von BA-Flugscheinen entspricht
einem Rückgang der Provisionseinnahmen um 174 €
• Sehr hoher Grenzprovisionssatz von 17,4 %
• BA-Konkurrent muss für Flüge im Wert von 1.000 € mindestens eine
Provision von 17, 4 % zahlen, um Reisevermittler für entgangene BA-
Provisionseinkünfte zu entschädigen
• Wettbewerber müsste diesen hohen Grenzprovisionssatz für alle seine
Verkäufe zahlen
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
Ergebnis: Missbrauch in Form der Marktabschottung (+)
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
b) Diskriminierung, Art. 102 Abs. 2 c) AEUV
• Verpflichtung, bei gleichartigen Geschäften mit verschiedenen Kunden
keine unterschiedlichen Bedingungen anzuwenden
• Hier: Diskriminierung (+) wg. des besonderen Prämiensystems von BA
– 2 Reisevermittler, die gleiche Anzahl an BA-Flugscheinen verkaufen,
erhalten unterschiedlich hohe Provisionen (wenn Verkäufe von BA-
Flugscheinen im Vorjahr unterschiedlich hoch ausgefallen sind)
– 2 Reisevermittler, die unterschiedliche Mengen an BA-Flugscheinen
verkauft haben, können den gleichen Provisionssatz verdienen (wenn
Verkaufsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um gleichen Prozentsatz
gestiegen)
D. Lösung
III. Missbräuchliche Verhaltensweise
c) Nachweis eines konkreten Verbraucherschadens ist nicht erforderlich
– Kein unmittelbarer Schaden für Verbraucher erforderlich
– Eingriff in die Struktur des tatsächlichen Wettbewerbs (Behinderung der
Wettbewerber) ist ausreichend
d) Rechtfertigung des an sich missbräuchlichen Verhaltens?
– Anerkennung der grds. Möglichkeit der Rechtfertigung durch Effizienzeinwand
– Ausgleich der nachteiligen Wettbewerbswirkungen durch Effizienzvorteile, die auch
dem Verbraucher zugutekommen?
– BA: Erhöhte Fixkosten im Flugverkehr, Ziel einer besseren Kapazitätsauslastung
der Maschinen
– Kommission/EuG: Wirtschaftliche Rechtfertigung der Prämien im konkreten Fall (-)
D. Lösung
IV. Zwischenstaatlichkeitsklausel
• Problem: Performance-Reward- Scheme gilt nur im Vereinigten
Königreich
• ABER: Prämiensystem benachteiligt auch Fluggesellschaften, die
außerhalb des VK in der EU ansässig sind und Flüge zwischen dem VK
und anderen MS anbieten
• Deshalb: Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels (+)
V. Gesamtergebnis
• BA-Prämiensystem erfüllt den Tatbestand des Missbrauchs in Form der
Marktabschottung und in Form der Diskriminierung
• Verstoß gegen Art. 102 AEUV (+)