+ All Categories
Home > Documents > Einheit 2: Das Kartellverbot (Art. 101 AEUV / 1 GWB) · Das Kartellverbot Art. 101 AEUV:...

Einheit 2: Das Kartellverbot (Art. 101 AEUV / 1 GWB) · Das Kartellverbot Art. 101 AEUV:...

Date post: 17-Aug-2019
Category:
Upload: lythien
View: 213 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
22
Einheit 2: Das Kartellverbot (Art. 101 AEUV / § 1 GWB) Dr. Jochen Bernhard | Menold Bezler, Stuttgart Würzburg, 15. Oktober 2014
Transcript

Einheit 2: Das Kartellverbot (Art. 101 AEUV / § 1 GWB)

Dr. Jochen Bernhard | Menold Bezler, Stuttgart

Würzburg, 15. Oktober 2014

2

AGENDA

A. Einordnung des Kartellverbots in die Kartellrechtsordnung

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

C. Rechtsfolgen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

D. Lösung des Ausgangsfalls

3

A. Einordnung des Kartellverbots in die Kartellrechtsordnung

A. Einordnung des Kartellverbots in die Kartellrechtsordnung

Die drei Säulen des Kartellrechts (vereinfacht)

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Art. 101 AEUV / § 1 GWB: Kartellverbot

Wettbewerbsbeschrän-kende Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen sind verboten.

Art. 102 AEUV/ § 19 GWB: Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

Europ. Fusionskontroll-verordnung / §§ 36 ff. GWB: Fusionskontrolle

Ein Zusammenschluss, von dem zu erwarten ist, dass er zu einer erheblichen Behinderung des Wettbe-werbs führt, ist von der zuständigen Kartellbehörde zu untersagen.

v

4

Das Kartellverbot

Art. 101 AEUV: Kartellverbot

(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken.

(2) Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.

v

§ 1 GWB: Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

5

A. Einordnung des Kartellverbots in die Kartellrechtsordnung

Abgrenzung zwischen deutschem und europäischem Kartellrecht

… Vereinbarungen, „welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind“, sind verboten.

6

A. Einordnung des Kartellverbots in die Kartellrechtsordnung

„Zwischenstaatlichkeit“(= grenzüberschreitende Auswirkung eines Kartellrechtsverstoßes innerhalb der EU) als Anwendungsvoraussetzung für europäisches Kartellverbot

Die zwischenstaatliche Beeinträchtigung muss „spürbar“ sein (ungeschriebene TB-Voraussetzung!)

Europ. Kommission verneint „spürbare“ Beeinträchtigung des zwischenstaatl. Handels in der EU bei gemeinsamen Marktanteil der Parteien i.H.v. < 5 % und gemeinsamem Jahresumsatz der Parteien innerhalb der EU < EUR 40 Mio. (Bekanntmachung 2004/C 101/07)

Fehlt es an der spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, kann nur das nationale Kartellrecht (hier: deutsches GWB) anwendbar sein.

7

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot (Art. 101 AEUV / § 1 GWB)

8

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

(1) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen oder Beschluss einer Unternehmensvereinigung

(2) Art. 101 AEUV: Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der EU

§ 1 GWB: Keine Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der EU

(3) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung (de minimis / Bagatellgrenze)

(4) Keine Freistellung vom Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB

(1a) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen oder Beschluss einer Unternehmensvereinigung

9

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

Unternehmen = Jede Einheit, die eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit im weitesten Sinne ausübt – und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform, dem Vorliegen oder Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, dem Umfang der Tätigkeit oder der Art ihrer Finanzierung.

Wirtschaftliche Tätigkeit = Jede selbständige Tätigkeit, die darauf ausgerichtet ist, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten oder nachzufragen

Funktionaler Unternehmensbegriff: Eine Einheit kann in einem Bereich „Unternehmen“ sein und in anderen Bereichen nicht

ACHTUNG: Nur Vereinbarungen „zwischen“ Unternehmen werden erfasst und nicht Vereinbarungen „im Unternehmen“ (Konzernprivileg!)

Unternehmensvereinigung = Verband, Berufsorganisation etc.

(1b) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen oder Beschluss einer Unternehmensvereinigung

10

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

Vereinbarung = Willensübereinstimmung zwischen den Kartellpartnern über ein verbindliches Verhalten

Auf die Form, Einhaltung, Dauer, Wirksamkeit etc. der Vereinbarung kommt es nicht an!

Abgestimmte Verhaltensweise = Willentliche Koordinierung des Verhaltens, ohne Willensübereinstimmung über ein verbindliches Verhalten erzielen zu müssen

ACHTUNG: Keine abgestimmte Verhaltensweise ist die bloße Orientierung am Verhalten eines Wettbewerbers

Beschluss = Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens mehrerer Unternehmen durch Beschlussfassung eines Dritten (Verband, Verein etc.)

(1c) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen oder Beschluss einer Unternehmensvereinigung

11

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

Wettbewerbsbeschränkung = Entstehung von Wettbewerbsbedingungen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Markts nicht den normalen Bedingungen dieses Marktes entsprechen

Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung = Subjektiver Wille zu einem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten (ohne dass dieser in die Tat umgesetzt werden müsste)

Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung = Objektiv eingetretene Wettbewerbsbeschränkung (in manchen „typischen“ Fällen sogar: Objektive Eignung zur Wettbewerbsbeschränkung), ohne dass diese nachweislich von den beteiligten Unternehmen bezweckt sein musste

12

Absprachen über Preise und wettbewerbsrelevante Konditionen (auch Rabatte, Boni, Einkaufspreise für Rohstoffe, Transportkosten etc.)

Aufteilung von Märkten und Kundengruppen

Absprachen über die Beschränkung der Herstellungskapazitäten

Absprachen über Gebote in Ausschreibungen und Bieterverfahren

Auf die Form oder die „Heimlichkeit“ der Absprachen kommt es nicht an

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

Zusammenfassung 1: Absprachen zwischen Wettbewerbern über Kernbeschränkungen fallen stets unter das Kartellverbot

13

Zusammenfassung 2: Auch sonstige wettbewerbsbeschränkende Verhaltensabstimmungen mit Wettbewerbern über geheime wettbewerbs-

sensible Parameter sind verboten, ohne dass es einer Absprache bedarf…

Austausch bzw. bloße Zusendung unternehmensbezogener und nicht öffentlich zugänglicher wettbewerbssensibler Informationen

Preislisten, Einkaufs- und Verkaufskonditionen, Produktionskosten, „Prämien“ bei Rohstoffen etc.

Innovationsvorhaben, Marktein- und -austritte, neue Geschäftsfelder etc.

Gezielte Veröffentlichung wettbewerbssensibler Informationen zur Kenntniserlangung durch Wettbewerber (strittig)

Pressemitteilungen über Zeitpunkt und Umfang von Preiserhöhungen (Containerlinien-Reedereien, Verfahren anhängig bei der Europäischen Kommission)

Verbandsmitteilungen („Zum 1. Mai steigen die Preise aufgrund verteuerter Rohstoffe“ etc.)

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

14

… zulässig sind hingegen:

Austausch und Auswertung aggregierter Informationen ohne Rückschlussmöglichkeit auf individuelle Unternehmensdaten

Information über historische Daten ohne aktuellen Wert

Kommunikation individueller Unternehmensdaten an Marktforschungsinstitut mit strafbewehrter Vertraulichkeitserklärung und Pflicht zur ausschließlich aggregierten Veröffentlichung (strittig)

die sachlich gerechtfertigte, unaufgeforderte und vertrauliche Vorlage von Konditionen eines Händlers in Preisverhandlungen mit dem Lieferanten (strittig)

Bezugnahme auf rechtmäßigerweise öffentlich verfügbare Daten

Orientierung am freien Wettbewerbsverhalten anderer Unternehmen

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

15

Zusammenfassung 3: Das Kartellverbot gilt für …

Vereinbarungen mit Konkurrenten (horizontal)

(inter-brand-Wettbewerb)

Vereinbarungen mit Lieferanten oder Abnehmern (vertikal) „nach oben“ oder „nach unten“ (intra brand-Wettbewerb auf Händler-Ebene)

Vereinbarungen mit Dritten, z.B. über den Zugang zu Online-Plattformen (horizontal und/oder vertikal)

A B

A B

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

(2) Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der EU (Art. 101 AEUV)

bzw. fehlende Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in der EU (§ 1 GWB)

16

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

… wie war das nochmal? (vgl. Anfang dieser Vorlesungseinheit)

ACHTUNG: „Bündeltheorie“ beachten! (EuGH, Urt. v. 28.2.1991, Rs. C-234/89 – Delimitis)

(3) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung (Bagatellschwelle)

17

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

Spürbarkeit von Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern erst bei gemeinsamem Marktanteil aller an der Vereinbarung beteiligter Unternehmen > 10 %

Spürbarkeit von Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern erst bei gemeinsamem Marktanteil aller an der Vereinbarung beteiligter Unternehmen > 15 %

KEINE Spürbarkeitsschwelle im EU-Kartellrecht bei bezweckter Wettbewerbsbeschränkung (insb. Kernbeschränkungen)

(EuGH, Urt. v. 13.12.2012, Rs. C-226/11 – Expedia; Europ. Kommission, de-minimis-Bekanntmachung

2014/C 291/01 vom 25.06.2014)

ACHTUNG FALLE! Spürbare Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels Spürbare Wettbewerbsbeschränkung

(4) Keine Freistellung vom Kartellverbot

(Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 GWB)

18

B. Tatbestandsvoraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

… folgt in der nächsten Vorlesungseinheit

19

C. Rechtsfolgen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot

20

Rechtsfolgen einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot (Art. 23 VO 1/2003 / § 81 GWB)

Geldbußen gegenüber Unternehmen in Höhe von bis zu 10 % des Vorjahresumsatzes

Geldbußen gegenüber Mitarbeitern in Höhe von bis zu € 1 Mio. (nur im deutschen Recht)

Im Einzelfall auch Haftstrafen für Verantwortliche (§ 298 StGB)

Unterlassungsverfügungen (§ 33 Abs. 1 GWB)

Nichtigkeit von Verträgen (§ 134 BGB)

Schadensersatzforderungen von Kunden und Wettbewerbern (§ 33 Abs. 3 GWB)

C. Rechtsfolgen von Zuwiderhandlungen

21

D. Lösung des Ausgangsfalls

22

Dr. Jochen Bernhard Rechtsanwalt / Compliance Officer (Univ.)

E-Mail: [email protected]

Telefon: (0711) 86040-611

Kartellrecht

Compliance

Antikorruptionsrecht

Externer Ombudsmann

Viel Erfolg!


Recommended