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visdp 205

Date post: 31-Mar-2016
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magazin für Medienmacher
48
Ernest Hemingway, um 1950 # 205 20. Mai 2011 DER ABENTEURER IN DIR Es gibt sie noch: echte Reporter
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Ernest Hemingway, um 1950

#20520. Mai 2011

Der

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Es gibt sie noch: echte Reporter

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KolumneV.i.S.d.P.-Herausgeber Hajo Schumacher über Kachelmann, Strauss-Kahn und Sofort-Verurteiler

Jörg Kachelmann wird die Bilder vom vorgeführten Dominique Strauss-Kahn mit gemischten Gefühlen gesehen haben, der frühere TV-Moderator X, der verständ-licherweise nicht mehr genannt werden will, vermutlich auch. Wieder so ein Fall, wo ein Mann in knittrigem Anzug auf der Rückbank einer Limousine hockt oder zusammengesunken auf einer Ankla-gebank, mit grimmig dreinblickenden Wachleuten in der Nähe. Selbst, wenn die Berichte dazu nur von „Vorwürfen“ oder „Verdacht“ sprechen, so zementie-ren derlei Bilder bereits das Urteil: so gut wie schuldig. Auch ein Freispruch erster Klasse kann die bereits erfolgte soziale Demütigung nicht reparieren.

Im Falle des Moderators X stellten die Richter im Jahre 2005 fest, dass Verge-waltigungsvorwürfe nicht zu belegen seien. Eine übereifrige Staatsanwalt-schaft war blamiert. Den irreparablen Schaden hatte X: Das Brimborium vor-weg hatte den Ruf ruiniert, die Fernseh-Karriere war vorbei. Die Beweislage im Fall Kachelmann ist, nach derzeitigem Stand, ebenfalls nicht so richtig eindeu-tig. Sollte es zum Freispruch kommen, hätte der Wettermann allen Anspruch darauf, dass sein Ansehen wiederherge-stellt wird. Das dürfte, wie im Fall X, nicht möglich sein. Das nicht-öffentliche Leben ist längst ausgebreitet, auch wenn jedem Mensch, sogar einem Prominen-

Verdacht und Verurteilung

Page 5: visdp 205

Schumacher! 5

“Pubertierende Twitter-Politik, die keine

Laune auslässt.

ten, das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre zusteht.

Auch im Fall Strauss-Kahn ist bislang wenig klar. Man muss kein Verschwö-rungstheoretiker sein, um die ein oder andere Ungereimtheit zu entdecken. Die alte Kriminalistenfrage: „Wem nützt‘s?“ beantwortet etwa Nicolas Sarkozy mit triumphalen Auftritten. Wenige Stunden nach der Verhaftung auf dem New Yorker Flughafen wurde bekannt, dass Frankreichs First Lady Carla Bruni Nachwuchs erwartet. Seht her: Der Präsident macht Liebe, das Untier will Sex. Das muss alles nichts bedeuten.

Fest steht derzeit nur eines: Lassen sich die Vorwürfe gegen Strauss-Kahn nicht belegen, so ist die Hinrichtung doch jetzt schon vollzogen. Als IWF-Präsi-dent ist er bereits zurückgetreten, als Kandidat für höchste politische Ämter ist der Mann nicht mehr vermittelbar.

Am 12. Dezember 1973 überreichte der deutsche Presserat dem damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann erstmals „Publizistische Grundsätze“.

In diesem Pressekodex sind bis heute Selbstverpflichtungen enthalten, die allerdings nicht nur für die Medien gelten, sondern für allen zwischen-menschlichen Umgang. In Ziffer 13 etwa wird die Unschuldsvermutung gefordert, also die im Alltag nicht immer leicht zu lebende Fähigkeit, einen Verdächtigen nicht vor dem Richterspruch zu verurteilen. Soziale Zusatzbestrafungen bedeuten irrepa-rable Schäden.

Soweit die Theorie. X hat das Gegen-teil erfahren; die Fälle Kachelmann und Strauss-Kahn sind offen. Aber sie bergen schon jetzt Lehrmaterial auch für das Leben außerhalb der Medien-welt. Wie schnell werden Urteile gefällt, über Kollegen, in der Schule, in Familie oder der Wissenschaft? Ein Blick in die Kommentarspalten der Internet-Portale gibt einen gruseligen Einblick in das Denken der Alles-Wis-ser und Sofort-Verurteiler, die fröhlich drauflos richten, je nach Weltbild. Sicher, die Medien haben eine Vor-bildfunktion im Umgang mit Persön-lichkeitsrechten. Aber sie sind zugleich ein Abbild ihrer Nutzer.

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update„[Das Internet]ermöglicht Bekenntnis ohne Bekennermut, Kritik ohne Risiko, Beschimpfung, Lächer-lichmachung ohne Ver-antwortung. Es ist auch ein Medium der Feigen und der Mut-losen.“ Michael Spreng fordert die “Vroni-Plag”-Macher auf, ihr Gesicht zu zeigen.

Fotos: ND

R, RTL

FREITAG: Thomas Leifs “Netzwerk Recherche” bringt endlich wieder eines seiner beliebten Zoff-und-Zicken-Lust-spiele zur Aufführung. Chris-toph Lütgert will mit Carsten Maschmeyer reden, der aber nur mit Markus Grill. Jetzt tritt Lütgert aus. Seien Sie auch nächste Woche wieder mit dabei.

SAMSTAG: Der erste auf deutschem Boden ausgetragene European Song Contest seit Nicole aus dem Saarland ist ein Knaller-Erfolg und fast völlig unpeinlich – dank Stefan Raabs Begabung für Show-Effekte und Anke Engelkes Anke-Engelke-Sein.

WOCHENENDE: Die FDP lässt Fotografen untersch-reiben, Neu-Parteichef Philipp Röslers Zwillige während des Parteitags in Rostock nicht zu fotografieren, sonst: Anwalt.

Dann brachte er sie gar nicht mit.

MONTAG: Der Burda-Verlag arbeitet an einer deutschen Lizenz-Ausgabe der amerikanischen Glanz-Zeitschrift HARPER’S BAZAAR. Auch eine Einmal-Ausgabe der französischen Koch-zeitschrift SAVEURS ist in Planung.

MITTWOCH: Maite Kelly, ein gutgelaunter, runder Spross der “Kelly Family”, gewinnt mit besten Quoten die RTL-Tanzshow “Let’s Dance”.

Das Tagebuch

kostet das neue iPad-Jahres-abo der amerikanischen Zeitschrift VANITY FAIR – Wahnsinnspreis. Den wöchentlich erscheinenden NEW YORKER lesen wir jetzt für nur $69.90 im Jahr. Das SPIEGEL-Digital-Abo kostet dagegen 197,60 Euro – nicht konkurrenzfähig.

$19,90

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update 7

RoyalpainSweil die neue RTL-Serie über einen Arzt, der aus Versehen zum Doktor der Reichen in den Hamptons wird und für gutbezahlte Hausbesuche seine Integrität kompromit-tiert, richtig gut ist. Wir freuen uns auf Dienstag.

dieteRBohlenweil der DSDS-Grinser sich in BILD beschwert, dass die öffentlich-rechtlichen Radio-sender den Gewinner-Song nicht spielen. Nur: Es stimmt nicht. Und die privaten spie-len auch nicht oft. Könnte es dran liegen, dass das Lied-chen einfach Mist ist?

Gewinner

Foto

s: EM

I, RT

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Liebe Jedwards, wir hatten Hof und Stall

auf Euch verwettet, die Haare extra um 90

Grad nach oben gekrümmt, gar eine SMS

versendet. Und dann reichte es nur für

Platz acht. Jetzt rockt Ihr aber in ganz Eu-

ropa die Download-Charts. Ist das nicht

die bessere Währung für Popularität?

Verlierer

Liebling der Woche

Page 8: visdp 205

update813 Punkte

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update 9

Wir möchten an dieser Stelle noch einmal kurz einen der größten deutschen Fernseh-Momente überhaupt würdigen. Es war Stefan Raabs Performance von “Like a Satellite”, die mit ein paar Albernheiten begann, sich in eine Rockabilly-Party steigerte, eine Big-Band integrierte, dann ein Raab-Doppel-Schlagzeug-Solo, ein paar Dutzend Lena-Doubles und schließlich die echte Lena, die dann noch auf den Bass kletterte. Mit dem dicksten Feuer-werkskracher Europas endete der Act. Es war große SHOW.

13 Punkte

Eigentlich hätte man den Fernseher nach diesem spektakulären Auftritt ausmachen sollen. Welch ein Vergnügen es Raab bereitet haben muss, sich das auszudenken; er sah während des Akts jedenfalls glücklich aus. Er ist möglicherweise der einzige deutsche Fern-sehmacher, der Entertainment ernst nimmt, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen.

Gestern erklärte Raab seine European-Song-Contest-Karriere nach Gildo Horn, Wadde-hadde-dudde-da, Lena und Düsseldorf für beendet. Schöner wird’s nicht mehr.

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leute

Sven Scheffler (1) wird neuer Online-Chef von FTD und dem Rest der G+J-Wirt-schaftsmedien. Erst kürzlich hatte er beim HANDELSBLATT hingeworfen.

Neue Doppelspitze für die HANNOVER-SCHE ALLGEMEINE ZEITUNG: Hendrik Brandt (2) und Matthias Koch (3) lösen Ulrich Neufert in der Chefredaktion ab. Nikolaus Blome (4) ist ab sofort stellvertre-tender Chefredakteur der BILD. Er leitet wie bisher zusätzlich das Wirtschaftsressort.

Christina Gath (5) kehrt von GALA zur GRAZIA zurück und wird Mitglied der Chefredaktion. Katja Lips (6) übernimmt das Beauty-Ressort bei OK!. Sie folgt auf Frie Kicherer, die wiederum zur GALA geht. Zudem wechselt GRAZIA-People-Che-fin Bettina Lüke zur GALA. Alles klar?

Claus Strunz (7) verlässt das HAMBURGER ABENDBLATT und übernimmt die Leitung der TV- und Videoproduktionen bei Sprin-ger. Neuer Chefredakteur wird Lars Haider (8), derzeit beim WESER-KURIER.

DIE WECHSEL DER WOCHE

Fotos: VH

B, HA

Z, Axel Springer (3), G

+J, WD

R, ProSieben

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n‘aBend alleRSeitS Matthias Opdenhövel, Stefan Raabs Allround-

Moderierer, geht in ähnlicher Funktion zur ARD,

die ihn mit der „Sportschau“ gelockt hat. Nachfol-

ger bei „Schlaag den Raab“ wird Steven Gätjen.

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Der a b e n t e u r e r

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Der a b e n t e u r e r

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Es gab eine Zeit, da war ein Journalist so etwas wie

ein Entdecker, ein Indiana Jones, ein Hemingway.

Das scheint lange her. Wir diskutieren, ob ein Re-

porter wirklich gesehen haben muss, was er berich-

tet. Oder ob es nicht vielleicht ausreichend sei, sich

Handy-Videos bei YouTube anzuschauen, um über

Revolutionen zu berichten.

Es geht auch anders. V.i.S.d.P. hat mit zwei Reportern

gesprochen, die ihr Handwerk noch immer auf die

klassische Art ausführen dürfen.

Interviews: Till Schröder

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Alle Fotos: (cc) Jonas Fischer/re:publica

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Herr Waldherr, wozu brauchen wir noch Reporter? Heute kann sich jeder in den Flieger setzen und die Welt selbst sehen.

Das stimmt. Und es bedarf nicht einmal mehr des Flugzeugs. Ob im Internet, im Fern-sehen, in der Zeitung: Jeder Platz der Welt wird medial abgedeckt. Wir leben in der Illusion, alles zu wissen. Der Reporter aber fragt sich: Bin ich zufrieden mit dem, was der mediale Tsunami bietet? Er sucht nach einer Geschichte, die er erzählen will.

Das könnte auch jemanden antreiben, der nicht Reporter ist.

Sicher. Reporter ist keine Berufsbezeich-nung, die eine außerordentliche Qualifika-tion impliziert wie Gehirnchirurg. Aber jede Reportage ist ein großer Kampf mit der Welt und mit sich selbst. Was ist richtig? Kann ich tatsächlich etwas erzählen, das Wahrheit

abbildet? Ich treffe auf Menschen, die mich manipulieren wollen, die mich anlügen, mich in die Irre leiten, mir unnütze Dinge erzählen. Und dann sitzt man vor diesen Mülltüten voller Fakten, Daten, Bildern, Ein-drücken und muss sie sortieren. Und letzt-lich so aufschreiben, dass der, der es liest, noch etwas davon hat. Ich weiß nicht, ob das jeder kann. Selbst in unserer Branche gelten Reportagen nicht zu Unrecht als Königsdis-ziplin.

Ist die Grenze zur Literatur in der Repor-tage tatsächlich fließend?

Das literarische Element wird überschätzt. Wichtiger wäre für mich eine Erkenntnis. Sicherlich lebt jede gute Reportage auch von guter Schreibe. Die sollte aber nicht am Wort hängen. Man muss eine Art von Drama fin-den und es verstehen. Man kann erst schrei-

“ J e D e r

h a t e i n e

G e s c h i c h t e ”

Erst der Lokalsport in Bad Tölz-Wolf-

ratshausen, dann die Goldminen in der

Mongolei: Gerhard Waldherr umkreist

den Globus seit gut 25 Jahren für Blätter

wie BRAND EINS, GEO, SPIEGEL, ME-

RIAN oder die SZ. Reporter müs-

sen Egozentriker sein, findet er.

Sonst bleibt die Wahrheit auf der

Strecke.

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ben, wenn man genau weiß, was man zu erzählen hat und was nicht. Wie man dann die ganzen Fäden, manche kürzer, länger, dicker oder dünner, zusammenfügt, macht jeder individuell. Die Moral von der Geschichte hängt nicht vom brillanten Schreiben ab.

Früher waren Reporter so etwas wie Sol-daten; sie gingen dahin, wo es weh tat: Scholl-Latour, Kapuscinski, Kisch, Heming-way, Wallraff. Heute sind Reporter entwe-der embedded oder Reisejournalist.

Es gibt sie dennoch, die überraschenden Reportagen, auch im Reisejournalismus. Und an gefährliche Orte gehen Reporter immer noch. Viele Berichte jedoch können nicht mehr die Wucht entfalten wie vielleicht frü-her eine Kisch-Reportage. Er hatte den Vor-teil, zu einem Zeitpunkt der einzige an einem Ort gewesen zu sein. Heute berichten vom

selben Platz mehrere Dutzend Kollegen gleichzeitig. Dazu kommt: Sich heute abzu-heben unter vielen hervorragenden Repor-tern, ist extrem schwierig. Man darf ja nicht vergessen, dass – bei aller Verehrung für den Erfinder der Reportage – Kischs Texte nicht der Maßstab sein können. Die Autos sind heute auch besser als zu Kischs Zeiten.

Ist Risiko ein Garant für Unverwechsel-barkeit? Sie wurden von Sandinisten ver-haftet, in Mexiko setzte Ihnen ein Stra-ßenräuber die Pistole an die Schläfe, und in der Mongolei saßen Sie eingeschneit in einer Goldmine fest.

Ich bin eher mutlos. Ich lege es nicht dar-auf an, in brenzlige Situationen zu kommen. Ich wurde auch gefragt, mit der 101st Air-borne Division in den Irak einzumarschie-ren. Ich fühlte mich dabei nicht wohl und

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habe abgelehnt. In Mexiko habe ich einfach eine falsche Entscheidung getroffen. Und in der Mongolei fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein los, als es plötzlich anfing zu schneien. Ich muss nicht wie Jon Krakauer auf den Mount Everest. Aber er ist eben nicht nur Reporter, sondern als passionierter Berg-steiger auch süchtig nach Extremen. Es ist sicher sehr verlockend, eine Geschichte zu finden, über der die Aura der Gefahr wabert. Damit kann man sich zweifelsohne profilie-ren. Das hat mich aber nie interessiert.

Wie finden Sie Ihre Geschichten?So abgedroschen es auch klingen mag:

Jeder hat seine Geschichte. Die Frage ist nur, wie nahe komme ich an sie ran. Ich habe mal eine Reportage über Tschernobyl gemacht. Von Kiew aus fahren jetzt Touristenbusse dahin, und man kann sich erzählen lassen,

dass das alles gar nicht so schlimm sei, wie es immer in den westlichen Medien beschrie-ben würde. Oder sie finden jemanden, der da arbeitet. Der erzählt einem auch erst von regelmäßigen Sicherheitskontrollen und Gesundheitschecks. Doch erst wenn sie bereit sind, mit ihm zu trinken, kommen sie dem, was der Mann dort macht, sehr viel näher. Denn nach der dritten Flasche Wodka erzählt er die Geschichte vom Friedhof, auf dessen Grabsteinen kaum jemand steht, der älter als 50 Jahre geworden ist. Alle seine Kolle-gen sind gestorben. Und er ist 40. Man kann nicht als Reporter nur aus dem Flugzeug fal-len, um, wie ein Kollege mal sagte, den Adler-flug zu machen, um über das Thema drüber zu fliegen. Sicher braucht man die Distanz, aber die wahren Geschichten ergeben sich auf dem Boden.

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Ist ein Weltreporter heute also eher ein Lokaljournalist?

Ja. Er muss bereit sein, den Ort wirken zu lassen und nicht nur den grellsten Reizen zu verfallen. In Kasachstan hatte ich eine Terminliste mit Interviewpartnern voll mit stellvertretenden Ministern und Beratern des Präsidenten. Die Gespräche gingen dann über politische Rhetorik kaum hinaus. Eines Abends saß ich in einem Restaurant neben einem blassen, kleinen Amerikaner. Am nächsten Tag saß ich am Stadtrand von Astana bei einem Bauunternehmer. Draußen wurde ein Lamm geschlachtet, drinnen brüllte der Bauunternehmer ins Telefon, und der Ame-rikaner erzählte, wie dieser Mann sich in Kasachstan erst ein Firmenimperium auf-baute, dann pleite ging und inzwischen wie-der große Geschäfte macht. Dann fängt man an, ein ganz neues Bild zu stricken.

Suchen Sie deshalb das Detail, das Große im Kleinen, weil es unsere Wahrnehmung entschleunigt?

Mir gefallen Details. Man bleibt einfach stehen und guckt. Die Romane von vor hun-dert Jahren waren viel detailgetreuer. Bram Stoker erzählt seitenweise darüber, was die Menschen essen, zu welcher Uhrzeit, beschreibt die Dämmerung, die sich über Transsylva-nien senkt. Wir haben in der heutigen Zeit den Blick auf die Details verloren, weil wir glauben, sie seien nicht wichtig. Dabei sind es die Details, die unsere Unterschiedlichkeit im Sog der Globalisierung bewahren.

Der Globalisierung gehen Sie in Ihrer Reportagesammlung „Bruttoglobaltour-nee“ nach. Was dreht sie, die Welt?

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Es gibt das Sprichwort: Geografie ist Schicksal. Alles fängt mit Geografie an, sie bestimmt Klima, Kultur, Mentalität, Wirt-schaft. Man geht an einen Ort, und über die-sen Ort ergibt sich ein Bild. Wenn Sie diese Bilder aneinander reihen, sind wir vielleicht näher dran an dem, was die Welt ist: Viele Menschen, viele Zusammenhänge und die Erkenntnis, das diese globalisierte Welt gar nicht so vereinheitlicht ist. Natürlich gibt es in Tokio, Kapstadt, Moskau die selben Shoppingwelten mit den selben Konsumar-tikeln samt Beschallung. Das Internet ist überall, selbst in der hintersten Jurte der Mongolei wissen die Leute, wer Brad Pitt oder Cristiano Ronaldo ist. Das sind aber nur die sichtbaren Elemente. Dahinter tun sich erstaunlich resistente Realitäten auf. Vieles ist dort immer noch so, wie es immer war.

In einer Geschichte erzähle ich von einem Marathonlauf in der Antarktis. Die Welt ist unendlich erschlossen. Aber den Pinguinen ist das egal, wenn die Läufer wieder weg sind. Da sieht es noch so aus wie zu Shackletons Zeiten. Das ist eine schöne Erkenntnis.

Reporter sind also nicht vom Aussterben bedroht?

Keineswegs. Wir brauchen die Reportage mehr denn je. Der größte Teil der Wahrheit ist noch zu entdecken. Ich habe auch nichts anders mehr vor in meinem Leben, als das zu machen.

V.i.S.d.P. verlost drei Exemplare von „Brut-

toglobaltournee“ unter allen, die per Kom-

mentar oder Mail Interesse bekunden

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L e G e n D e n D e r L e i D e n -s c h a f t

Mit Schreibmaschine und

Kamera durchs wilde Kurdis-

tan – Reporterhelden, die die

Welt auf Kamelen umrundeten

Armenien-Genozid-Aufdecker, Hitler-Kritiker und Orient-Reporter: In Israel und Arme-nien ist Wegner ein Held. Zwi-schen den Weltkriegen durchquerte er mit dem Motor-rad Palästina, Russland und die Türkei – unter anderem.

A R M I N T . W E G N E R

der abenteurer20

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L e G e n D e n D e r L e i D e n -s c h a f t

Der Italiener war des SPIEGELs Mann in Asien: 30 Jahre berich-tete er aus dem Kontinent. Trotzte Roten Garden, den Roten Khmer und später dem Roten Platz in Moskau. Er ließ sich mit Büstenhaltern von Imelda Marcos fotografieren und wurde in Italien erst Best-seller-Autor, als er über seine Krebserkrankung schrieb.

Seine verdeckten Recherchen als türkischer Bergarbeiter, BILD-Reporter, Alkoholiker in der Psychiatrie, Waffen-händler für Portugals Junta oder Insasse in griechischen Militärgefängnissen machten Furore.

G Ü N T E R WA L L R A F F

T I Z I A N O T E R Z A N I

P E T E R S C H O L L - L A T O U R

87 Jahre alt ist der Mann. In Beirut studiert, durch Vietnam-Reportagen samt Vietcong-Gefangenschaft berühmt geworden, ist er der kenntnis-reiche Brumm-Nuschler unter den alten Haudegen.

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Der Pate aller Reportage-Kurse: Kisch machte die Lokalrepor-tage zur Literatur – und wech-selte dann ins Weltfach. Lesens-wert seine Berichte aus den USA, China und Australien. Der „rasende Reporter“ starb in seiner Heimat Prag 1948. Der „reisende Reporter“ der

VOSSISCHEN ZEITUNG ent-deckte den Humor für die Reportage. Tucholsky war sein

größter Fan. Tolle Titel wie „Zickzack durch Südamerika. Schnaps, Kokain und Lamas“ bescherten Ullstein Fabel-Gewinne. Nach dem Exil in Brasilien wollten die deutschen Leser aber nur noch seine Tier- und Gartenbücher lesen

E G O N E R W I N K I S C H

R I C H A R D K A T Z

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Die Deutsch-Slowenin tourte in den 1920ern einmal durch die ganze Welt – und avan-cierte zur meist verkauften deutschsprachigen Reisere-porterin zwischen den Welt-kriegen. Peru empfand sie als kriminell, das Kostüm einer Inka-Prinzessin hat sie den-noch gern getragen.

P E T E R V O N Z A H N

A L M A K A R L I N

Seine Fernseh- und Hörfunk-reportagen „Aus der neuen Welt“ prägten das Amerika-bild der Deutschen. Die „Repor-ter der Windrose“ wurden ein Markenzeichen, „Bilder, die die Welt bewegten“ ein Mei-lenstein des deutschen Fern-sehens.

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„ D i e W e L t

i s t ü b e r a L L

G L e i c h “

Vor zwei Jahren schaltete der PLAYBOY eine Stellenan-

zeige. Gesucht wurde der “Weltreporter”, ein Journalist,

ungebunden, der an den Party-Hotspots der Erde Flirt-Ein-

sätze durchzieht. Seit letztem Jahr ist Robert Kittel dieser

Mann. Es ist ein hartes, entbehrungsreiches Leben.

der abenteurer24

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Herr Kittel, es sollen sich Hunderte als „Weltreporter“ beim PLAYBOY beworben haben.

Ja, es war ja auch als „Traumjob“ tituliert. Angeblich waren auch richtig gute Leute in festen Positionen dabei. Ich wurde zwar mehrmals von Kollegen auf die Anzeige hin-gewiesen, hatte mich aber selbst nie bewor-ben. Erst ein Jahr später gab es ein Gespräch mit dem neuen Playboy-Chefredakteur Flo-rian Boitin. Er kannte meine WIENER-Kolumne „Herr Kittel erklärt die Welt“, in der ich etwas Ähnliches gemacht hatte. Aber im PLAYBOY passt diese Kolumne ja viel besser.

Hat die PLAYBOY-Redaktion denn Ihre Flirtkompetenz vorher untersucht?

Nein, aber ich musste mit dem Textchef essen gehen und seitdem schreibt er unter seinen Mails „bussi, C.“ Das ist doch nicht schlecht, oder?

Wie lange sind Sie vor Ort?Unterschiedlich. In Berlin haben zwei

Tage gereicht, in Kapstadt war ich fünf. Am Ende versuche ich aber alles in einen Zeit-raum von 24 Stunden zu packen.

Und wie aufwändig ist die Vorrecherche?Man muss schon wissen, wo man hin-

geht. Es ist, glaube ich, ein großer Fehler, einfach so in eine Stadt zu fahren, nur um ein Gefühl für sie zu bekommen. Wenn man das macht, ist es überall gleich: Man landet am Flughafen oder Hauptbahnhof, spaziert dann los und findet sich in Touristenfallen wieder, wo es immer gleich aussieht. Die Bars und Clubs, über die man schreibt, soll-ten schon Tipps von Locals sein. Deshalb schadet es nicht, wenn man da mal vorher bei irgendjemandem aus der Stadt durch-klingelt. In Kapstadt hatte ich am Ende das Glück, dass ich mit zwei Mädchen unterwegs war, die jeden Clubbesitzer persönlich kann-ten. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil.

Sie waren auch auf Kuba. Da haben die meisten Bars nicht mal ein Telefon.

Ja, Havanna war auch dementsprechend schwierig. Da bin ich in vielen Bars gewesen, die man sich sparen kann. Aber das ist auch das Konzept der Geschichte: Ich reise schon mal vorab für den Leser und kann ihm dann sagen: In diese drei Läden musst du nicht

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unbedingt rein. Das passiert auch oft in so Szeneläden, in denen angeblich die Woche vorher Naomi Campbell war. Das ist tolle PR, und alle rennen dann sofort hin. Aber meistens steht man dann nicht neben Naomi, sondern neben Mandy aus Thüringen, und mein Ziel ist es schon, immer ein typisches Mädchen der Stadt zu treffen.

Um an die ranzukommen, muss man auch erst am Türsteher vorbei.

Naja, da eignet man sich im Laufe der Jahre ein paar Tricks an.

Verraten Sie einen? Man geht ins teuerste Hotel der Stadt,

klaut dort ein Reserviert-Schild und schreibt den Namen des Clubs drauf. Dann geht man zum Türsteher und sagt, „Ist das hier dieser

Club? Mein Barkeeper im Hotel hat gesagt, der Laden sei ganz okay.“ Die Welt ist überall gleich. Jeder Club behauptet, er wolle coole, hippe Leute. In Wahrheit wollen sie Gäste, die für ein Hotelzimmer 1.500 Euro ausge-ben und anschließend das Doppelte im Club lassen.

Gibt es denn keinen PLAYBOY-Betriebs-ausweis, der Türen öffnet?

Ich habe eine Visitenkarte, aber die benutze ich so gut wie nie. Der Leser soll die Reise ja genauso nachmachen können. Er soll in den Club reinkommen können, in dem Restau-rant essen können und die Stadt so erleben, wie ich sie erlebe. Wenn ich mich vorab als PLAYBOY-Starreporter ausgäbe und verlan-gen würde, nur mit Hugh Grant in den Pri-vate Members Club zu gehen, dann hätten die meisten Leser nichts davon. Die kommen da eh nicht rein.

Sie besuchen aber schon eher die Orte, die den wohlhabenden PLAYBOY-Leser anspre-chen, oder?

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Nicht nur. Ich glaube ja, dass auch ein vermögender Investmentbanker gerne mal mit Jeep und Zelt auf dem Dach durch den Oman heizen will. Deshalb haben wir auch mal so etwas mit reingenommen.

Was war bisher das härteste Flirtpflaster?Erstaunlicherweise Mykonos. Obwohl

die 20- bis 30-Jährigen da schiffeweise hin-kommen. Aber die Griechinnen haben sich irgendwie geziert. Außerdem gab`s eine Sprachbarriere. Das ist nie gut. Ich spreche kein Griechisch und die Frauen dort haben nur relativ schlecht Englisch gesprochen. Es war wirklich schwierig, ein Mädchen am Strand für das Aufmacherfoto zu finden. Am Ende habe ich dann eine Deutsche kennen-gelernt. Austauschschülerin.

Ohne Beute in die Redaktion zu kommen, geht wohl nicht?

Nein. Aber es ist ja nicht immer so wie auf Mykonos. In Stockholm habe ich das ehemalige Playmate Victoria Silvstedt zufäl-lig an einer Fußgängerampel getroffen, und

in Miami wollten sich nachts um drei noch zwei hübsche Kellnerinnen unbedingt für das Magazin fotografieren lassen. Der PR-Chef des Clubs hat sich sogar darum geküm-mert, dass wir genug Licht und Getränke hatten. Verglichen mit einem Kriegsreporter ist diese Art von journalistischer Arbeit dann ja doch eher harmlos.

Was ist Ihr Traumziel?Traumziel habe ich glaube ich gar keines.

Es wäre aber mal sehr interessant, genau diese Kolumne über eine „normale“ Stadt wie Reutlingen oder Heidelberg zu machen. Die In-Bar, der Szene-Italiener und auch die Damen. Statt Miami eben Reutlingen.

Mehr Bilder der Reportagen von Robert

Kittel: www.25stunden.com

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Axel-Springer-PreisZum 20. Mal wurde in Berlin der Axel-Springer-Preis für junge Journalisten verliehen, die wich-tigste Nachwuch-sauszeichnung des deutschen Jour-nalismus. Zwölf Beiträge schafften es auf’s Podium – mit Themen von Babyklappe bis zu Prügelpolizisten in Ägypten.

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Starredner Benjamin von Stuckrad-Barre

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Print: Alard von Kittlitz, Katrin Blum, Gerald Drißner. Hinten: Akad-emie-Direktor Marc Thomas Spahl-Jury-Sprecher Michael Hanfeld (FAZ-Medienredakteur)

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Gewinner in der Kategorie Radio: Tina Hüttl, Nadine Dietrich, Carolin Courts.

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Internet: Maria Marquart, Ole Reißmann, Felix Zeltner (nicht auf Bild), Michael Hauri.

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TV: Fritz Ofner, Anke Hunold, Dr. Basil Honegger. Hinten: Bettina Schausten vom ZDF

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Alle Fotos: Gert Krautbauer fur CNN

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die Zweite: Beim CNN Jour-nalist Award in München wurde Benjamin Best für einen Beitrag in WDR 5 als “Journalist of the Year” ausgezeichnet.

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Galagäste: Oh my god, it’s CNNs Wolf Blitzer!, Klaus Liedtke, Ex-MTV-Moder-ator Patrice Bouédibéla, Spaßvogel Cherno Jobatey und Musikmanager und Ex-DSDS-Juror Thomas Stein

Alle Fotos: Gert Krautbauer fur CNN

Nachwuchsjournalisten, die Zweite: Beim CNN Jour-nalist Award in München wurde Benjamin Best für einen Beitrag in WDR 5 als “Journalist of the Year” ausgezeichnet.

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Die Gewinner: Frederik Obermaier (Print), Benjamin Best (Radio), Simon Kremer und Marc Röhlig (Online), Sebastian Kuhn (TV)

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Feierlaune im GOP Varieté Theater München.

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Die Bibel als Magazin

Seit einem Monat liegt das Neue Testa-ment als Magazin am Kiosk (V.i.S.d.P. #202) – und bekommt nun schon die dritte Auszeichnung.

Am Samstag erhielten Andreas Vol-leritsch und Oliver Wurm in Vilnius (Litauen) den European Design Award in Gold für ihr „NT Magazin“, das den vollständigen Text des Neuen Testa-ments auf 244 Seiten modern und les-bar gelayoutet zeigt. Einen Tag später gab es in Los Angeles bei den Interna-tional Design Awards (IDA) Silber. Der Art Directors Club für Deutschland (ADC) bedachte das Werk vergangene Woche mit einer Auszeichnung.www.bibelalsmagazin.de

Eurovisionen

Grundsätzlich verstehe ich Ihren Ansatz sehr gut: das Konzept eines internatio-nalen Senders, der als tatsächliches Vollprogramm funktioniert, mag in vielen Köpfen in den 80er Jahren gespukt haben. Realisiert wurde er so nicht. Oder doch? Aber der Reihe nach.

Der Start des europäischen Fernse-hens hatte etwas Rauschhaftes und Unerhörtes. Richtig. Vergessen Sie nicht, dass europäisches Fernsehen de facto ein technisches Missverständnis war. Plötzlich entdeckten Zuschauer in den

80er Jahren, dass man Zuführungssig-nale auch direkt empfangen kann. Das hat fast etwas von den Missverständ-nissen rund um die Maueröffnung 1989. Natürlich ist vieles allerdings, was die-ser Entwicklung entgegenstand, erst einmal pragmatisch zu sehen und hat nichts mit einem geplatzten Verspre-chen, sondern mit handgreiflichen Rea-litäten zu tun. Viele kulturelle sicher-lich, die Sie benennen. Dann die unterschiedliche Finanzierung (Sys-teme wie in Deutschland, UK oder Nie-derlande waren damals medien-ord-nungspolitisch kaum auf einen Nenner zu bringen). Es gab technische Schran-ken und Tempi. Rechtliche Gründe hinderten einzelne Länder daran, sich massiv im Ausland zu engagieren. Geblieben ist zweierlei: die Tatsche, dass vor allem anglo-amerikanische Unternehmen europäisches Fernsehen unter dem Blickwinkel von Skalenef-fekten betrachtet haben: ein Signal, einmalige Kosten, mehr Profit.

Aber: Auf dieser Grundlage haben Unternehmen wie EUROSPORT, sicher-lich auch MTV und andere, dennoch ein europäisches Publikum erreicht und nachhaltig geprägt. Sehen Sie dabei nicht immer nur durch die deutsche Brille. Die Wahrnehmung, die gerade die letzten beiden genannten in vielen Ländern eingenommen haben, war stil-prägend. Vielleicht nicht als Programme mit eigener paneuropäischer Antwort

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auf „Wetten dass…?“ am Samstagabend. Aber als Vermittler eines europäischen Bewusstseins und einer kulturellen Ver-ortung des jeweiligen Zusehers. Die Bedeutung eines Senders wie Eurosport ist schon in einem Nachbarland wie Österreich um einiges höher als in Deutschland, weil man dort keinen eige-nen Sportsender kannte und kein Pri-vatfernsehen, aber es schätzt, dass Euro-sport die wichtigsten Sportevents neutral begleitete und damit als Ord-nungsprinzip in Sachen Relevanz und Zielorientierung diente. Und sei es nur, weil man Nationalismus durch einen internationalen Kommentar unterlief.

Ihre Bemerkung zu Eurosport geht allerdings in eine andere Richtung: Sie sagen, dass Eurosport nur halbwegs funktioniert, weil man die Resterampe der anderen Sendern runterskatet – und bei Ihnen klingt das so, als ob hier das Ganze weniger wäre als seine Teile. Das entspricht nicht nur der Relevanz, die wir – danke für die Blumen – unterneh-merisch inzwischen haben. Dies wider-spricht auch der Perzeption der Zuschauer und ist ein schwaches Unterstützungs-argument, um zu sagen, dass europäi-sches Fernsehen noch nicht einmal mehr komisch riecht, sondern längst entsorgt wurde. Nein, dabei bleibe ich: Man kann nicht das europäische Fernsehen als gescheitert betrachten, indem man die wesentlichen Akteure mit unzureichen-den Fakten charakterisiert.

Natürlich, dass ist Ihre zweite Argu-mentationslinie, könnte man sagen: Gute Inhalte werden international verscho-ben – heute Wrestling, morgen Wallan-der – und man könnte unterstellen, dass der europäische TV-Tiger als flauschiges Quotenkätzchen in Dosen gelandet ist.

Aber das genau war ja nicht der Fall: Eurosport konnte sich behaupten, vor allem auch, weil die Marke aus den genannten eine Strahlkraft entwickelt hat, die über die Rolle eines Sport-Ergeb-nisdienstes hinausging. Und ich denke, Sie machen es sich auch etwas zu leicht, wenn Sie europaweit erfolgreichen For-maten eine visionäre Komponente absprechen. Wenn Sie am Donnerstag Morgen in einem Café in Paris sitzen, dann können Sie ohne Probleme dort ebenso über die internationalen Akteure und die Storys der Champions League sprechen wie in London oder Mailand. Fernsehen kann ohne Inhalte gar nicht gedacht werden. Die Organisationsfor-men für europäisches Fernsehen sind da fast schon wieder zweitrangig. Oft leben die Visionen vielleicht eben in diesen Inhalten weiter.Werner Starz, Director Marketing & Channel Development, EUROSPORT, per Mail

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V.i.S.d.P. – Magazin für MedienmacherChefredakteur: Sebastian EsserHerausgeber: Dr. Hajo SchumacherDesign: Markus Nowak, Supermarkt StudioRedaktion: Till Schröder, Wendelin Hübner, Susan Mücke, Frank Joung, Patrick WeisbrodLektorat: Carla MönigAnzeigen: [email protected]: http://www.visdp.de/magazin/mediadaten/Adresse: Lietzenburger Straße 51, 10789 BerlinTelefon: 030 2196 27287E-Mail: [email protected]: http://www.facebook.com/visdpTwitter: http://www.twitter.com/visdp

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TitelgeschichteDer Abenteurer in Dir

SchumacherVerdacht und Verurteilung

UpdateLiebling der Woche: JedwardDas Tagebuch

Zitat der Woche: Michael SprengZahl der Woche: VANITY FAIRGewinner/Verlierer: Royal Pains/ Dieter Bohlen

LeuteMatthias Opdenhövel, Steven Gätjen, Sven Scheffler, Hendrik Brandt, Mat-thias Koch, Ulrich Neufert, Nikolaus Blome, Christina Gath, Katja Lips, Frie Kicherer, Bettina Lüke, Claus Strunz, Lars Haider.

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