V: Grundlagen der Stadt- und Raumforschung | WS 2008/09 | Prof. Dr. Martina Löw | Vortrag: Dr....

V: Grundlagen der Stadt- und Raumforschung | WS 2008/09 | Prof. Dr. Martina Löw | Vortrag: Dr. Silke Steets

Empirische Stadtforschung –exemplarische Studien

(11.11.2008)

Überblick Marienthal Wolfsburg L. Wacquant Fazit

• Die Arbeitslosen von Marienthal (1933)

• Wolfsburgstudien (1967 / 1982 / 2000)

• Leben für den Ring / Loic Wacquant (2001)



Literatur:• Jahoda, Marie / Lazarsfeld, Paul F. u.a. (1975): Die Arbeitslosen von Marienthal, Frankfurt am Main, Suhrkamp.

Die Arbeitslosen von Marienthal

(1933)

Ein soziographischer Versuch

Grusspostkarte aus Marienthal(http://www.sozpsy.uni-hannover.de/marienthal/archiv/mathalp5.html#1)




Wien und Umgebung (mit Marienthal)(http://www.sozpsy.uni-hannover.de/marienthal/archiv/mathalk0.html#1)

Marienthal und Nachbardörfer im 17. Jahrhundert(http://www.sozpsy.uni-hannover.de/marienthal/archiv/mathalk0.html#1)




Ansicht Fabrik(http://www.sozpsy.uni-hannover.de/marienthal/archiv/mathalp4.html#1)

Erster-Mai-Aufmarsch 1922(http://www.sozpsy.uni-hannover.de/marienthal/archiv/mathalp5.html#1)




Ansicht Marienthal und Grammat-Neusiedel um die Jahrhundertwende(http://www.sozpsy.uni-hannover.de/marienthal/archiv/mathalp5.html#1)




Soziographie

Der Begriff "Soziographie" wurde von Ferdinand Tönnies in die deutsche Soziologie eingeführt.Soziographien sind flächendeckende Untersuchungen undBeschreibungen sozialer Tatbestände.Die Soziographie gilt als Vorläuferin der empirischen Sozialforschung.




Methodenmix

Kombination aus qualitativen und quantitativen Erhebungs-und Auswertungsmethoden.




Datentypen• Katasterblätter

• Lebensgeschichten

• Zeitverwendungsbögen

• Anzeigen und Beschwerden

• Schulaufsätze

• Preisausschreiben unter Jugendlichen

• Inventare der Mahlzeiten

• Protokolle

• Statistische Daten

• Historische Angaben

• Bevölkerungsstatistik

• Tagebuch




Vier Haltungstypen

Basis: 100 Familien

Gesamt: Marienthal

Ungebrochen 16% 23%

Resigniert 48% 69%

Verzweifelt 11% 2,3%

Apathisch 25% 5,3%




Arbeitslosigkeit und Zeitverwendung

• Zeitverwendungsbögen

• Beobachtungsprotokolle




6-7 geschlafen7-8 das Kind in die Schule geführt8-9 einen Spaziergang zur Bahn9-10 zu Hause gewesen10-11 an der Ecke des Hauses gestanden11-12 gegessen12-13 geschlafen13-15 nach der Fisch spazieren15-16 beim Treer gewesen16-17 um die Milch gegangen17-18 ich spielte mit dem Kind18-19 habe ich das Nachtmahl gegessen19-20 bin ich schlafen gegangen

(Quelle: Jahoda / Lazarsfeld u.a., S. 85)

Zeitverwendungsbogen (Bsp.)




Gehgeschwindigkeiten

Männer Frauen insgesamt

5 kmh 7 10 17

4 kmh 8 3 11

3 kmh 18 4 22

gesamt 33 17 50

(Quelle: Jahoda / Lazarsfelt u.a., S. 84)




Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf Kinder

Diagnose: Durchschlagen der resignativen Gesamthaltung der Gemeinde auf die Kinder.



Literatur:• Jahoda, Marie / Lazarsfeld, Paul F. u.a. (1975): Die Arbeitslosen von Marienthal, Frankfurt am Main, Suhrkamp.• Engbersen, Godfried (2004): "Zwei Formen der sozialen Ausgrenzung: Langfristige Arbeitslosigkeit und illegale Immigration in den Niederlanden". In: Hartmut Häußermann / Martin Kronauer, u.a. (Hrsg.), An den Rändern der Städte. Armut und Ausgrenzung. Frankfurt am Main, Suhrkamp. S. 99-121.

Fazit

• Marienthal-Studie als Klassiker der empirischen Sozial-forschung• stadtsoziologische Relevanz durch Untersuchung der Gesamtheit einer Gemeinde• Aktualität / Rezeptionsgeschichte



Literatur:• Schwonke, Martin / Herlyn, Ulfert (1967): Wolfsburg. Soziologische Analyse einer jungen Industriestadt, Stuttgart.• Herlyn, Ulfert / Schweitzer, Ulrich, u.a. (1982): Stadt im Wandel. Eine Wiederholungsuntersuchung der Stadt Wolfsburg nach 20 Jahren, Frankfurt am Main / New York.• Harth, Annette / Herlyn, Ulfert, u.a. (2000): Wolfsburg: Stadt am Wendepunkt. Eine dritte soziologische Untersuchung, Opladen.• Herlyn, Ulfert / Tessin, Wulf (2000): Faszination Wolfsburg. 1938-2000. Opladen.

Wolfsburg-Studien (1967 / 1982 / 2000)

Gemeindestudien

Werk und Stadt. Foto: Willi Luther, 1966. (aus: Reichold, 1998, S. 226)



Literatur:• Schwonke, Martin / Herlyn, Ulfert (1967): Wolfsburg. Soziologische Analyse einer jungen Industriestadt, Stuttgart.

"Dein KdF-Wagen". Titelseite eines Werbeprospektes für den Volkswagen, 1939. Stadtarchiv Wolfsburg (aus: Reichold, 1998, S. 15)




Stadtentwicklungsplan 1: "Industriestadt als Gartenstadt, 1938-1944" mit den Stadtteilen Schillerteich, Wellekamp und Steimker Berg. (aus: Reichold, 1998, S. 22)







Annahme:

Stadt als Ort der Integration



Literatur:• Schwonke, Martin / Herlyn, Ulfert (1967): Wolfsburg. Soziologische Analyse einer jungen Industriestadt, Stuttgart.• Bahrdt, Hans Paul (1961): Die moderne Großstadt. Soziologische Überlegungen zum Städtebau. Reinbek bei Hamburg.

Interaktionsbereiche

Stadtmitte

Wohnbezirk

Nachbarschaft




Datentypen• unstrukturierte Teilnehmende Beobachtung

• sekundärstatistische Materialauswertungen

• offene Interviews

• Umfragen auf Basis eines repräsentativen Samples

(N = 1100 + 405)




Ergebnisse• äußerst dynamischer Prozess des Einlebens

• Integration durch "distanzierte Vertrautheit"

• unterentwickelte Funktion des Stadtzentrums




Integration vs. Desintegration

Herkunftsgebiete der befragten WolfsburgerInnen 1959, 1960 und 1962 (Quelle: Schwonke/Herlyn 1967, S. 64)

HerkunftsgebietBefragung 1959

Befragung 1960

Befragung 1962

(nur Verheiratete)

männl. weibl.

Einheimische aus den Nachbarkreisen

8,5 6,9 8,6

Übriges Niedersachsen 7,9 7,2 9,8

Überiges Bundesgebiet 10,2 16,9 15,9

Ostzone 24,5 19,1 21,1

Östl. Oder-Neiße 35,8 42,2 38,1

Österreich, Sudentenland, Volksdeutsche

13,0 6,4 5,4

Ausländer 0,1 1,3 1,1



Literatur:• Herlyn, Ulfert / Schweitzer, Ulrich, u.a. (1982): Stadt im Wandel. Eine Wiederholungsuntersuchung der Stadt Wolfsburg nach 20 Jahren, Frankfurt am Main / New York.

Luftbild der zwischen 1966 und 1974 entstandenen Hochhausketten im Stadtteil Westhagen. Foto: Stadtarchiv Wolfsburg. (aus: Reichold, 1998, S. 78)

Stadtentwicklungsplan 6: "Landschaftsbezogener und individualisierter Städtebau" 1979-1998 (aus: Reichold, 1998, S. 82)




Erhebungsmethoden

• Panel-Befragung

• Biographische Methode




(aus: Herlyn/ Schweitzer u.a. 1982, S.

42)

PanelWolfsburg1960

Panel Rand-gemeinden 1960

1. Zahl der 1960durchgeführten I nterviews

1100 405

2. Von Befragung 1960noch erhaltene Datensätze undAdressen

951 (100%) 368 (100%)

davon: - verzogen - verstorben - in Wolfsburgverbliebene verfügbare Adressen

214186551

= 100%

(22,5%)(19,6%)(57,9%)

76107185

= 100%

(20,7%)(29,1%)(50,3%)

davon: - Ve rweigerung - offen gebliebeneAdressen - durchgeführteInterviews

11046

395

(20,0%)(8,3%)

(71,7%)

3819

128

(20,5%)(10,3%)(69,2%)

3. Verwertbare In terviews 387 121

Panel-"Sterblichkeit"




(aus: Herlyn/ Schweitzer u.a. 1982, S.

41)

BefragungsformenBezeichnung Grundgesamtheit Verwertete

InterviewsInterviewform

1. Panel Alle Wolfsburger und Bewohner ausRandgemeinden, die schon 1960befragt wurden und heute noch inWolfsburg leben

508 StandardisierteInterviews

2. GebürtigeWolfsburger

In Wolfsburg geborene Kinder (über18 Jahre) der im Panel befragtenPersonen


3.Neuzugezogene

Alle Personen über 18 Jah ren, die inden Jah ren 1977/78 nach WOBgezogen sind


4. In tensivbefragteWolfsburger

Teilgruppe aus dem Panel-Sample 30 Biographischorientierte,narrativeInterviews

5. Experten Schlüsselpersonen aus Politik,Wirtschaft, Kultur und Verwaltung

50 Leitfaden




Ergebnisse• Normalisierung der räumlich-materiellen Stadtorganisation

• fehlende urbane Atmosphäre

• das VW-Werk als Zwischenbereich zwischen

Privatheit und Öffentlichkeit

• gewachsenes Heimatgefühl

• das Werk als Bestandteil Wolfsburger Stadtpolitik



Literatur:• Harth, Annette / Herlyn, Ulfert, u.a. (2000): Wolfsburg: Stadt am Wendepunkt. Eine dritte soziologische Untersuchung, Opladen.

Autostadt Wolfsburg

Audi Pavillon Bentley Pavillon VW Pavillon Hotel Ritz-Charlton

(Bildquellen: http://autostadt.hornecker-online.de/)




Stadtentwicklungspolitik und "Neue Urbane Regimes"

• Bewahrungsregime

• lokales Bündnis

• Globalisierungsregime




Integration

• soziale Integration

• systemische Integration

• sybolische Integration




Form und Umfang der Befragungen

(aus: Harth/Herlyn u.a. 2000, S. 42f.)

Bezeichnung Grundgesamtheit VerwertbareInterviews

Interviewform

repräsentativesSample

1637 1010= 62 %

standardisierterFragebogen mitüberwiegendgeschlossenenFragen

IntensivgesprächeNach theoretischenGesichtspunkten ausdem SampleausgewähltePersonen

20 Leitfadeninterviews

ExpertInnenbefragung

Schlüsselpersonenaus Politik,Verwaltung,Management sowieVertererInnenlokalerOrganisationen

35 Leitfadeninterviews




Ergebnisse• soziale Integration: Auflösen des Wolfsburger Sonderfalls

• systemische Integration: wachsende Bedeutung der Freizeit

• symbolische Integration: Wolfsburg als Heimat

• Hinwendung zum "Globalisierungsregime"




Fazit• einmalige Längsschnittperspektive

• Wolfsburg als Paradigma

• Integration vs. Desintegration



Literatur:• Wacquant, Loic J.D. (2003): Leben für den Ring. Boxen im amerikanischen Ghetto, Konstanz, UVK.

Loic Wacquant:Leben für den Ring (2001)

"Black Ghetto Ethnographie"




"Busy Louie - Einer von DeeDees Boys". (Foto: Jim Lerch). (Quelle: Wacquant 2003, S. 268)




Datentypen• Ethnographisches Tagebuch

• Erhobene Lebensgeschichte zentraler Mitglieder des Boxclubs

• 100 Tiefeninterviews mit Berufsboxern aus Illinois

• Dokumente aus Zeitschriften / Büchern



Literatur:• Wacquant, Loic J.D. (2003): Leben für den Ring. Boxen im amerikanischen Ghetto, Konstanz, UVK.• Geertz, Clifford (1987): Dichte Beschreibung: Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt am Main, Suhrkamp.

Leben für den Ring • Soziologisch-analytischer Teil

• "Dichte Beschreibung" einer Boxveranstaltung im Studio 104

• "Soziologische Novelle"




Urbane Trostlosigkeit in unmittelbarer Nähe des wohlhabenden weißen Viertels Hyde Park (Foto: Wacquant). (Quelle: Wacquant 2003, S. 24)

Der Eingang des Woodlawn Boys Clubs in der 63. Straße (Foto: Wacquant). (Quelle: Wacquant 2003, S. 24)

Die Straße und das gym




"Fat" Joe und Smithie bei der Arbeit im Ring (Foto: Wacquant). (Quelle: Quelle: Wacquant 2003, S. 96)




Die Herausbildung des "boxerischen Habitus"

"Habitus" (Bourdieu): generatives Prinzip sozialer Praxis, das

"Einverleiben" sozialer Bedingungen, was zur Ausprägung typischer

Handlungs-, Gefühls-, und Wahrnehmungsweisen führt.




"Busy Louie" bei den Golden Gloves(Foto: Jimmy Kitchen). (Quelle: Wacquant 2003, S. 244)

"Busy" Louie beim Schlange stehen zum Wiegen (Foto: Mark Chears). (Quelle: Wacquant 2003, S. 256)




Curtis und DeeDee warten mit Cliff und Eddie auf das Wiegen (Foto: Wacquant). (Quelle: Wacquant 2003, S. 176)

Liz, DeeDee und Louie (Foto: Olivier Hermine). (Quelle: Wacquant 2003, S. 231)



Literatur:• Wacquant, Loic J.D. (2003): Leben für den Ring. Boxen im amerikanischen Ghetto, Konstanz, UVK.• Wacquant, Loic J. D. (1994): "The New Urban Color Line: The State and Fate of the Ghetto in PostFordist America." In: Craig Calhoun (Hrsg.), Social Theory and the Politics of Identiy. Oxford, Cambridge, Blackwell Publishers. S. 231-276.

Das Ghetto im postfordistischen Amerika

Ruinen: eine Ladenkirche und ein Jugendclub unter der Hochbahn (Foto: Wacquant). (Quelle: Wacquant 2003, S. 27)




"Busy Louie - Einer von DeeDees Boys". (Foto: Jim Lerch). (Quelle: Wacquant 2003, S. 268)



"Go into the district! – Get the feeling! –

Become aquainted with people!" (Robert E. Park)


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