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stz2012 (Page 1) - KVW€¦ · zuviel bezahlte Geld in Eigenregie zurückgefordert werden (für...

Date post: 14-Nov-2020
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Was hat Sie bewogen, ins Aus- land zu gehen? Ich wollte immer schon Priester werden. Besonders reizte mich die Weltmission. Ich ging nach Lon- don, um Theologie zu studieren. Nach der Priesterweihe in Brixen und Französischlernen in Paris machte ich mich als Josefs-Missio- nar auf zu den Menschen im Ur- wald der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Was machten Sie nach der Aus- wanderung? Mein Auftrag dort war es, kleine christliche Gemeinschaften aufzu- bauen. Bei dieser Pionierarbeit be- gegnete ich einer holländischen Krankenschwester. Für mich war sie ein Geschenk des Himmels, aber gleichzeitig eine Herausfor- derung. Es kostete mich schon et- was, um meinem Herzen zu folgen und zu heiraten. Ich suchte einen Weg, um mit meiner Berufung wei- terzumachen. Viele Wege waren zu. An der Universität Nijmegen studierte ich weiter, um mich pas- toral zu professionalisieren. Ich be- kam eine Anstellung in der Kran- kenseelsorge. Mit einem Team von protestantischen, humanistischen und Hindu-Kollegen setzte ich mich ein, dass Bewohner unserer zwölf Pflegeheime auf dem Gebiet der Lebensfragen, Spiritualität und Ethik die Zuwendung bekom- men, die sie in ihrem Alter aufle- ben lässt. Das heißt Hilfe beim Loslassen, Ängste adressieren, im Frieden sein. Was schätzen Sie besonders an Ihrer neuen Heimat? Holland ist schön, multikulturell, mit weltoffenen und weitsichtigen Leuten, die genießen können. Viele sind weniger kirchlich und mehr als Sinnsucher orientiert, ökume- nisch, ja ‚religiöse Mixer‘ mit einer gesunden positiven Lebenseinstel- lung. Hier fühle ich mich mit mei- ner Familie wohl. Was vermissen Sie an Südtirol? Neben den vielen netten Leuten die Speckknödel mit Salat und die Krapfen der Mutter. Das sonnige Wetter, den Schnee und die Gewit- ter. Die Grantn und Pfifferlinge. Den Salten und die Dolomiten, die Kirchenglocken, Prozessionen und Bittgänge, die Almwiesen, Enziane, den Kuckuck und die Kastanien. Fühlen Sie sich noch als Südtiro- ler? Wie würden Sie Ihre Identi- tät heute beschreiben? Ich fühle mich als gläubiger und weltoffener Mensch, ein gesunder Baum mit starken Südtiroler Wur- zeln und breiten, weit in die Welt und in den Himmel reichenden Äs- ten, wo Platz ist für viele Vögel. Wie sehen Sie das heutige Südti- rol aus der Ferne? Südtirol ist materiell reich. Aber dahinter lauert Unzufriedenheit, Neid, Selbstgenügsamkeit, innere Leere. Und nicht alles ist Gold, was da in den bunten Trachten glänzt! Oft geht es um Äußerlichkeiten und ‚Wir und die Anderen‘, wäh- rend es um das wirklich gute Le- ben für alle gehen sollte. Die kultu- rellen und religiösen Unterschiede sollten als Chance und weniger als Bedrohung gesehen werden. Dabei geht es darum, Menschen mitei- nander zu verbinden und Unter- schiede fruchtbar zu machen, so- dass alle mit ihren Talente mitma- chen und sich zu Hause fühlen kön- nen. Das bedeutet manchmal mehr außerhalb des Rahmens und im Plural zu denken, ein ‚neu- es Wir‘ zu entwickeln und darauf zu vertrauen, dass dieser Prozess nicht Identitätsverlust, sondern Identitätsgewinn zur Folge hat. Ich staune, wie vielen Südtirole- rInnen daheim und in der Welt gerade das gelingt! D ie großen Telefonieanbieter, und letzthin auch einige Be- zahlsender, haben in den letzten Monaten an ihrer Preisgestal- tung geschraubt. Dabei sind sie jedoch ungewöhnliche Wege ge- gangen: statt direkt die Preise zu erhöhen, wurden die Verrech- nungs-Zeiträume verkürzt, und zwar von einem Monat auf 28 Tage. Dadurch hat das Jahr dann plötzlich 13 „Monate“ (oder eben Verrechnungszeiträume), was ei- ner Preiserhöhung von stolzen 8,6% entspricht. Aus Verbraucherschützersicht ist die Angelegenheit vollkommen inakzeptabel: Preiserhöhungen müssen transparent mitgeteilt werden, und sollten bei langjähri- gen Verträgen auch nur aus stich- haltigen Gründen erfolgen dür- fen. Verbraucherorganisationen in ganz Italien haben das Vorge- hen der Anbieter angeprangert, und Aufsichtsbehörde AGCOM und Regierung arbeiten derzeit an Gegenmaßnahmen; ein Ergeb- nis sollte sich Anfang 2018 ab- zeichnen. Andernfalls müsste das zuviel bezahlte Geld in Eigenregie zurückgefordert werden (für Up- dates einfach auf www.verbrau- cherzentrale.it unter Service un- seren kostenlosen Newsletter abonnieren). Da diese Strategie von allen gro- ßen Anbietern zugleich gefahren wird (ein Schelm, wer Böses dabei denkt …) hilft auch ein Anbieter- wechsel nicht wirklich. Wer dies jedoch erwägt, sollte in der Kün- digung unbedingt auf die erfolgte einseitige Vertragsänderung Be- zug nehmen, da ansonsten sogar eventuelle Pönalen für vorzeitige Vertragsauflösung zu bezahlen sein könnten ... Telefonrechnungen im Wunderland: wenn das Jahr plötzlich 13 Monate hat ... ® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Fall der Woche von Walther Andreaus (Verbraucherzentrale) sonntag Sonntag, 22. Oktober 2017 – Nr. 205 in Zusammenarbeit mit Südtiroler in der Welt Biografie - 1953 geboren in Sarnthein - 1965-1974 Mittelschule/Matura im Vinzentinum - 1974-1980 Theologiestudium in London - 1980 Priesterweihe Brixen - 1980-1981 Französischstudium in Paris - 1981-1984 Arbeit als St. Josef-Missionar in Zaire (Kongo) - 1985-1989 Studium Pastoraltheologie, Universität Nijmegen, Holland - 1988-heute: katholischer Seelsorger in der Krankenhaus- und Altenfürsorge in Den Haag und Umgebung - 2007 Ausbildung zum Labyrinth-Werker in Nijmegen - 2013-2014 Lehrgang Begleitung Christliche Meditation - Seit 1986 mit Brigit Rietmeijer verheiratet und Vater von Tobias und Sara. Seit 1988 wohnhaft in Gouda. Foto: Alfred Tschager Vom Priester zum Ehemann Luis Kaserer aus Afing war Priester und Missionar im Kongo, ehe er sich in eine Krankenschwester verliebte und heiratete. Heute lebt er in Holland. Warum er sehr kritisch auf Südtirol blickt.
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Page 1: stz2012 (Page 1) - KVW€¦ · zuviel bezahlte Geld in Eigenregie zurückgefordert werden (für Up-dates einfach auf unter Service un-seren kostenlosen Newsletter abonnieren). Da

Was hat Sie bewogen, ins Aus-land zu gehen? Ich wollte immer schon Priesterwerden. Besonders reizte mich dieWeltmission. Ich ging nach Lon-don, um Theologie zu studieren.Nach der Priesterweihe in Brixenund Französischlernen in Parismachte ich mich als Josefs-Missio-nar auf zu den Menschen im Ur-wald der heutigen DemokratischenRepublik Kongo.Was machten Sie nach der Aus-wanderung?Mein Auftrag dort war es, kleinechristliche Gemeinschaften aufzu-bauen. Bei dieser Pionierarbeit be-gegnete ich einer holländischenKrankenschwester. Für mich warsie ein Geschenk des Himmels,aber gleichzeitig eine Herausfor-derung. Es kostete mich schon et-was, um meinem Herzen zu folgenund zu heiraten. Ich suchte einenWeg, um mit meiner Berufung wei-terzumachen. Viele Wege warenzu. An der Universität Nijmegenstudierte ich weiter, um mich pas-toral zu professionalisieren. Ich be-kam eine Anstellung in der Kran-kenseelsorge. Mit einem Team vonprotestantischen, humanistischenund Hindu-Kollegen setzte ichmich ein, dass Bewohner unsererzwölf Pflegeheime auf dem Gebietder Lebensfragen, Spiritualitätund Ethik die Zuwendung bekom-men, die sie in ihrem Alter aufle-ben lässt. Das heißt Hilfe beimLoslassen, Ängste adressieren, imFrieden sein.Was schätzen Sie besonders anIhrer neuen Heimat?Holland ist schön, multikulturell,mit weltoffenen und weitsichtigenLeuten, die genießen können. Vielesind weniger kirchlich und mehr

als Sinnsucher orientiert, ökume-nisch, ja ‚religiöse Mixer‘ mit einergesunden positiven Lebenseinstel-lung. Hier fühle ich mich mit mei-ner Familie wohl.Was vermissen Sie an Südtirol?Neben den vielen netten Leuten dieSpeckknödel mit Salat und dieKrapfen der Mutter. Das sonnige

Wetter, den Schnee und die Gewit-ter. Die Grantn und Pfifferlinge.Den Salten und die Dolomiten, dieKirchenglocken, Prozessionen undBittgänge, die Almwiesen, Enziane,den Kuckuck und die Kastanien.Fühlen Sie sich noch als Südtiro-ler? Wie würden Sie Ihre Identi-tät heute beschreiben?Ich fühle mich als gläubiger undweltoffener Mensch, ein gesunderBaum mit starken Südtiroler Wur-zeln und breiten, weit in die Weltund in den Himmel reichenden Äs-ten, wo Platz ist für viele Vögel.Wie sehen Sie das heutige Südti-rol aus der Ferne?Südtirol ist materiell reich. Aberdahinter lauert Unzufriedenheit,Neid, Selbstgenügsamkeit, innereLeere. Und nicht alles ist Gold, wasda in den bunten Trachten glänzt!

Oft geht es um Äußerlichkeitenund ‚Wir und die Anderen‘, wäh-rend es um das wirklich gute Le-ben für alle gehen sollte. Die kultu-rellen und religiösen Unterschiedesollten als Chance und weniger alsBedrohung gesehen werden. Dabeigeht es darum, Menschen mitei-nander zu verbinden und Unter-schiede fruchtbar zu machen, so-dass alle mit ihren Talente mitma-chen und sich zu Hause fühlen kön-nen. Das bedeutet manchmalmehr außerhalb des Rahmensund im Plural zu denken, ein ‚neu-es Wir‘ zu entwickeln und daraufzu vertrauen, dass dieser Prozessnicht Identitätsverlust, sondernIdentitätsgewinn zur Folge hat.Ich staune, wie vielen Südtirole-rInnen daheim und in der Weltgerade das gelingt!

Die großen Telefonieanbieter,und letzthin auch einige Be-

zahlsender, haben in den letztenMonaten an ihrer Preisgestal-tung geschraubt. Dabei sind siejedoch ungewöhnliche Wege ge-gangen: statt direkt die Preise zuerhöhen, wurden die Verrech-nungs-Zeiträume verkürzt, undzwar von einem Monat auf 28Tage. Dadurch hat das Jahr dannplötzlich 13 „Monate“ (oder ebenVerrechnungszeiträume), was ei-ner Preiserhöhung von stolzen8,6% entspricht.

Aus Verbraucherschützersicht istdie Angelegenheit vollkommeninakzeptabel: Preiserhöhungen

müssen transparent mitgeteiltwerden, und sollten bei langjähri-gen Verträgen auch nur aus stich-haltigen Gründen erfolgen dür-fen. Verbraucherorganisationenin ganz Italien haben das Vorge-hen der Anbieter angeprangert,und Aufsichtsbehörde AGCOMund Regierung arbeiten derzeitan Gegenmaßnahmen; ein Ergeb-nis sollte sich Anfang 2018 ab-zeichnen. Andernfalls müsste daszuviel bezahlte Geld in Eigenregiezurückgefordert werden (für Up-dates einfach auf www.verbrau-

cherzentrale.it unter Service un-seren kostenlosen Newsletterabonnieren).Da diese Strategie von allen gro-ßen Anbietern zugleich gefahrenwird (ein Schelm, wer Böses dabeidenkt …) hilft auch ein Anbieter-wechsel nicht wirklich. Wer diesjedoch erwägt, sollte in der Kün-digung unbedingt auf die erfolgteeinseitige Vertragsänderung Be-zug nehmen, da ansonsten sogareventuelle Pönalen für vorzeitigeVertragsauflösung zu bezahlensein könnten ...

Telefonrechnungen im Wunderland: wenn das Jahr

plötzlich 13 Monate hat ...

® © Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata – Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl

Fall der Wochevon Walther Andreaus(Verbraucherzentrale)

sonntagSonntag, 22. Oktober 2017 – Nr. 205

in Zusammenarbeit mit

Südtiroler in der Welt

Biografie

- 1953 geboren in Sarnthein- 1965-1974 Mittelschule/Matura im Vinzentinum- 1974-1980 Theologiestudium in London- 1980 Priesterweihe Brixen- 1980-1981 Französischstudium in Paris- 1981-1984 Arbeit als St. Josef-Missionar in Zaire (Kongo)- 1985-1989 Studium Pastoraltheologie, Universität Nijmegen, Holland- 1988-heute: katholischer Seelsorger in der Krankenhaus- und Altenfürsorge in Den Haag und Umgebung- 2007 Ausbildung zum Labyrinth-Werker in Nijmegen- 2013-2014 Lehrgang Begleitung Christliche Meditation- Seit 1986 mit Brigit Rietmeijer verheiratet und Vater von Tobias und Sara. Seit 1988 wohnhaft in Gouda.

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scha

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Vom Priester zum Ehemann

Luis Kaserer aus Afing war Priester und Missionar im Kongo, ehe er sich in eine Krankenschwester verliebte und heiratete. Heute lebt er in Holland.

Warum er sehr kritisch auf Südtirol blickt.

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