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Severin von Eckardstein Nelson Goerner - pianist …€¦ · Schimmel Piano K280 T HR K 213 Otmar...

Date post: 04-Jun-2018
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ÖSTERREICH SCHWEIZ DEUTSCHLAND INTERVIEWS CDs NOTEN KLAVIERHÄUSER FESTIVALS HERSTELLER / BVK WETTBEWERBE 2018 - NR. 1 - EURO 7,80 LUXEMBURG INTERVIEWS Severin von Eckardstein Nelson Goerner CHOCHIEVA Zlata EINZIGARTIGE PIANISTIN VON ALLERHÖCHSTEM NIVEAU ZU BESUCH BEI Schimmel FOKUS Beethoven BEILAGEN Musikmesse Frankfurt
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ÖSTERREICH SCHWEIZDEUTSCHLAND

I N T E R V I E W S • C D s • N O T E N • K L A V I E R H Ä U S E R • F E S T I V A L S • H E R S T E L L E R / B V K • W E T T B E W E R B E

2018 - NR. 1 - EURO 7,80

2018 - NR. 1

LUXEMBURG

INTERVIEWS

Severin von EckardsteinNelson Goerner

CHOCHIEVAZlataEINZIGARTIGE PIANISTIN VON ALLERHÖCHSTEM NIVEAU

ZU BESUCH BEI

Schimmel

FOKUS

Beethoven

BEILAGEN

Musikmesse Frankfurt

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E D I T O R I A L

Empfindsam Für Liebhaber von Statistiken und schönen runden Zahlen bietet das Jahr 2018 wieder eine reiche Ernte: François Couperin 350, Cesar Cui 100, Charles Gounod 200, Frederico Mompou 125, Gioachino Rossini 150, Bernd Alois Zimmermann 100, Lili Boulanger 125, Pjotr Tschai- kowski 125, Sergei Rachmaninow 75 … Geburt und Tod regen die Fantasie als Anfang und Ende eines empfind- samen Daseins seit jeher an. Vor allem Claude Debussy und Leonard Bernstein, deren beider Jubiläen sich um die Zahl 100 dreht, sind Ihrer Aufmerksamkeit sicher nicht entgangen. Die haben wir noch bei Ihnen gut, denn in dieser Ausgabe gilt unsere Aufmerksamkeit ganz der Figur Beethovens, und mit ihm werfen wir bereits einen Blick auf das Jahr 2020, in dem wir seinen 250. Geburtstag feiern; ein Gedenken, das die kommenden Festlichkeiten rund um Debussy und Bernstein bei Weitem übertreffen dürfte. Jubiläen als solche haben auch ihre Schattenseiten, denn nach dem 31. Dezember gilt es wieder andere zu ehren, und es droht die Stille. Diese legt sich übrigens oft auch über Wettbewerbsgewinner bei der folgenden Ausgabe des jeweiligen Wettbewerbs. Vergänglich ist aller Ruhm. Beethoven ist auch ohne Gedenkjahr immer anwesend, sein Genie bleibt eine unerschöpfliche Quelle der Inspi-ration und der Forschung. Ein Beispiel für letztere ist das Experiment des Pianisten Tom Beghin, der Nachbau einer futuristisch anmutenden Gehörmaschine, der unerwar-tete und interessante Einblicke ermöglichte. Wir wissen nicht viel über diesen stillen Zeugen jener großen Tragik, die Beethoven umgab. Welchen Einfluss die Taubheit auf seine Psyche genommen haben muss, davon haben wir gewöhnliche Sterbliche keine Ahnung. Künstler sind per se überaus empfindsam und damit ver-letzlich. Das lässt sich auch aus der Lebensgeschichte

Van Cliburns herauslesen, die Stuart Isacoff in seinem neuesten Buch so lebendig beschreibt. Wir können es auch als Signal an uns begreifen: Wir sollten nicht nur in Gedenkjahren pfleglich umgehen mit Künstlern, die dem Leben eines jeden von uns eine tiefere Dimension geben können. Übrigens freue ich mich sehr, dass Stuart Isacoff, genau wie Jeremy Nicholas und Roberto Prosseda, von dem Sie in dieser Zeitschrift bereits eine Kolumne über Für Elise lesen können, die Redaktion von PIANIST verstärken werden. Es stehen in der kommenden Zeit zwei große Veranstal-tungen bevor, denen wir unsere Aufmerksamkeit widmen möchten. Ganz hochkarätig bleibt, nun schon seit 30 Jah- ren, das größte Klavier-Event der Welt: das Klavier-Festival Ruhr. Sicherlich auch für PIANIST. Im Jahr 2016 stand dieses Festival mit an der Wiege dieser Zeitschrift. Von empfindsamen Ausschlägen geprägt ist auch, allerdings auf ganz andere Weise, die Wirtschaft. Hier gibt es gute Nachrichten: Seit langer Zeit zeigt sich beim Verkauf von Kla-vieren und Flügeln wieder eine ansteigende Tendenz. Die versammelten deutschen Klavier-bauer zeigen im Piano Salon auf der Musik-messe Frankfurt ihre Instrumente und laden Sie ein, vorbeizuschauen und all diese Schön-heiten zu bespielen. Die Musikmesse ist für Sie da!Gerne weise ich Sie zuletzt noch auf drei phä-nomenale Künstler hin: Zlata Chochieva, Nelson Goerner und Severin von Eckardstein. Im Namen des Herausgebers /Eigentümers Henk Brüger und aller Mitarbeiter wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen!

ERIC SCHOONES

Henk Brüger Sr.,der Gründer desBCM-Verlags

PIANIST erscheint in Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg. Daneben in niederländischer Sprache in den Niederlanden und Belgien.

Chefredakteur

3PIANIST 1/18

IMPRESSUMPIANIST ist ein Magazin der Forte MediaEsp 1015633 AA Eindhoven (NL)Tel.: +31 (0)40 - 8447644www.pianist-magazin.de

HerausgeberHenk Brüger Sr. (Gründer BCM)E-Mail: [email protected]

ChefredakteurDrs. Eric Schoones E-Mail: [email protected]

RedaktionStephan Schwarz-Peters

Mitarbeiter dieser AusgabeGustav Alink, René de Cocq, Margaretha Coornstra, Paul Herruer, Dr. Birgit Janssen, Basia Jaworski, Jörg Päsel (Piano Palme), Philipp Potz, Roberto Prosseda, Hans Quant, Siebe Riedstra, Gerard Scheltens, Emile Stoffels, Mario-Felix Vogt, Maurice Wiche

Internationale RedaktionsadressePIANISTPostbus 13925602 BJ Eindhoven (Niederlande)Tel.: +31 (0)40 - 8447644E-Mail: [email protected]

PIANIST erscheint in 7 LändernDeutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Belgien

Grafische GestaltungKerstin PapertAndreas Rupprecht

TitelfotoEvgeny Evtyukho

AnzeigenBCM, sales supportSia EltinkTel.: +31 (0)40 - 8447667E-Mail: [email protected]

Marketing & PRKristin Brüger, geb. Gräfin zu Rantzau

Partner u. a. Klavier-Festival Ruhr, Königin-Elisabeth-Wettbewerb Brüssel, Internationaler Liszt-Wettbewerb Utrecht

Abonnement DeutschlandPIANIST erscheint viermal jährlich, jede Ausgabe inkl. Partitur.Das Jahresabonnement kostet € 22,70 inkl. Versandkosten in Deutschland.

Pianist Aboservice DeutschlandPostfach 133153335 MeckenheimTelefon: 02225 / 7085-348Telefax: 02225 / 7085-399E-Mail: [email protected]

Ein Abonnement kann jederzeit abgeschlossen werden und verlängert sich automatisch um jeweils ein Jahr, wenn es nicht mindestens zwei Monate vor Ablauf des Bezugszeitraums gekündigt wird.

Copyright 2018Ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags darf kein Teil dieser Ausgabe vervielfältigt oder veröffentlicht werden – weder durch Nachdruck, Fotokopie oder Mikrofilm noch auf sonstige Art und Weise.

orte media

6 ZLATA CHOCHIEVA

DEUTSCHLAND ÖSTERREICH SCHWEIZ LUXEMBURG

56 BEETHOVEN

Beethoven

56 Inside the hearing machine

58 Artur Schnabel Masterclass

64 Für Elise oder für Therese?

67 Preise für Igor Levit

68 Neue Urtext-Edition von Bärenreiter

Interviews

6 Zlata Chochieva: Als Künstler muss man einzigartig sein

20 Severin von Eckardstein: Ich bin, wie ich bin

43 Fabian Muller: Alle Menschen werden Brüder

52 Nelson Goerner: Genf ist mein Zuhause

62 Leon Fleisher über Artur Schnabel

88 Stuart Isacoff über Van Cliburn

Beilagen

27 – 46 Klavier-Festival Ruhr

78 – 87 Musikmesse Frankfurt

Klaviere & Flügel

10 Schimmel Reportage: Peoples’ Business

24 100 Jahre Piano Schmitz Essen

90 Piano Palme: Ein Andenken von Bechstein

94 Piano-Express: In sicheren Händen

100 Renommierte Klavierhäuser

112 Pianos Kléber: Vom Klavier bis zum digitalen Akkordeon

115 Service: Die Klangreiniger

Musikwelt

17 + 39+102 News

52 – 54 Spotlight Schweiz: Nelson Goerner, Kit Armstrong

und Bechstein

97 Carl Bechstein Wettbewerb

104 Wettbewerbe: Darmstadt & Bonn

107 Festivals

110 Spotlight Luxemburg: Piano Days

51 Kolumne: Junge Talente unterstützen!

116 Rezensionen

Inhalt

10 SCHIMMEL

27 KLAVIER-FESTIVAL RUHR

5PIANIST 1/18

ZLATA CHOCHIEVAAls Künstler muss man einzigartig sein

Zlata Chochieva ist eine einzigartige Pianistin von allerhöchstem Niveau. Von Salzburg aus, wo sie wohnt und am Mozarteum unterrichtet, verzaubert sie Musikliebhaber auf der ganzen Welt mit ihrer außergewöhnlichen Kunstfertigkeit, in der sich natürliche musikalische Ausdruckskraft mit einer überragenden und selbstverständlichen Technik paart.

6 PIANIST 1/18

INTERVIEW

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A Weil sie noch zu klein war, um allein zu Haus zu bleiben, wurde sie von ihrer Mutter zu den Klavierstunden ihres ältesten Bruders Vadim mitgenommen. Sie wollte ebenfalls Klavier spielen, und auch die Lehrerin ihres Bruders, Nina Dolenko, stand dieser Idee sympathisch gegenüber, hatte jedoch zuvor noch nie mit einem Kind von vier Jahren gearbeitet. Ein Jahr später trat Zlata schon in kleinen Konzerten in Dolenkos Klasse auf und spielte mit acht Jahren bereits zum ersten Mal mit Orchester: Mozarts Klavierkon-zert Nr. 17 im Großen Saal des Moskauer Konservatoriums. Ein Rezital der zwölfjährigen Pianistin wurde vom russischen Fernsehen ausgestrahlt und von der Presse im Erwachsenenprogramm geprie-sen. Als ich anmerke, dass das doch sehr außergewöhnlich gewesen sein müsse, lacht sie: „Ach, Russland ist voll mit Talenten, da ist das ganz normal.“ Was sie damals spielte, weiß sie nicht mehr ganz genau, verspricht aber, es für mich anhand der Aufnahme, die sie besitzt, noch einmal herauszusuchen; auf jeden Fall, meint sie sich zu erinnern, etwas von Tschaikowsky, Mazurkas von Skrjabin und die Vocalise von Rachmaninow.

FreiZlata Chochieva nahm an vielen Wettbewerben teil, vor allem, um Erfahrung auf dem Podium zu sammeln. „Die Studierstube und die Konzertbühne sind zwei vollkommen verschiedene Welten. Auf dem Konservatorium in Moskau hatte ich wenig Möglichkeit, vor Publikum zu spielen, aber das ist so wichtig. Wettbewerbe geben einem Bühnenerfahrung, auch und vor allem für das Spielen mit Orchester. Wettbewerbe helfen darüber hinaus, sich ein großes Repertoire anzueignen. Das war der ursächliche Grund für mich, mitzumachen. Später war ich aber nicht mehr so glücklich damit und konnte die Motivation, dort teilzunehmen, nicht mehr auf-bringen. Als Künstler muss man einzigartig sein, man muss sein eigenes Gesicht zeigen, seinen eigenen Weg finden, Risiken auf sich nehmen und anders sein dürfen, nicht durchschnittlich und vorhersehbar, so wie es auf Wettbewerben erwartet wird.“ Darin wurde sie sicherlich von Mikhail Pletnev, ihrem Mentor während dreier Jahre, unterstützt. „Ich war 14 und es war ein un- glaubliches Glück. Für mich waren es drei unvergessliche Unter-richtsjahre bei ihm. Es ist so großartig, die Möglichkeit zu haben, mit einem derart großen Künstler und außergewöhnlichen Menschen zu sprechen. Wir waren nur zwei Studenten in seiner Klasse, und er stellte sehr hohe Ansprüche, Kenntnis aller Art von Musik bei-

spielsweise, von Orchesterwerken und Opern. Er riet uns, mutig zu sein, als Künstler unsere eigenen Ideen zu wagen. Das war für mich ein Wendepunkt, er behandelte uns nicht wie Studenten, sondern wie Künstler. So fühlte ich mich selbst auch, ich fühlte mich frei.“

Verbunden Später studierte sie bei Pavel Nersessian am Konservatorium in Moskau und besuchte Meisterklassen unter anderem bei Jacques Rouvier, der sie nach dem zweiten Jahr in seine Klasse am Mozar-teum holte und sie bat, dort seine Assistentin zu werden. Heute wohnt sie in Salzburg, ist ansonsten aber auch viel unterwegs. Mit Moskau, wo sie geboren und aufgewachsen ist, wo sie studierte und wo noch immer viele Freunde von ihr wohnen, fühlt sie sich noch immer sehr verbunden. Ebenso verbunden fühlt sie sich mit Ossetien im Kaukasus, weil ihre Eltern von dort stammen. „Ich liebe es von ganzem Herzen, es ist klein, interessant und sehr schön. Es hat nichts von der slawischen Kultur, es ist eher östlich geprägt. Wir haben unsere eigenen Wurzeln, eigene Kultur, Geschichte und Sprache, die von der sarmantischen und skythischen Sprache abstammt, und unsere Küche ist sehr außergewöhnlich.“ Seit 2005 ist sie Honorable Artist of the North Ossetia Republic.

Stephen Kovacevich nannte sie „eine der interessantesten und unkonventionellsten Pianistinnen von heute.” Sie ist zu Gast auf vielen wichtigen Festivals, wie in Husum, Miami und Luzern. In dieser Saison führen ihre Konzertreisen in die USA, Russland, England, Italien, Schweden, Mexiko, die Schweiz und Argentinien.

INTERVIEW

7PIANIST 1/18

Schimmel Piano K280 T

HR K 213 Otmar Alt

PEOPLE’SBUSINESS

10 PIANIST 1/18

Hannes Schimmel-Vogel hatte in vier-ter Generation das Ruder von Schim-mel übernommen, als er im Jahr 2003 zusammen mit seiner Frau Viola, selbst gelernte Klavierbauerin, die Nachfolge im Betrieb seines Schwie-gervaters Nikolaus Wilhelm Schim-mel antrat. Kennengelernt hatte er seine Frau während des gemeinsamen Studiums des internationalen Han-dels in Hamburg, gearbeitet hatte er vor seinem Eintritt in die Firma als Betriebswirt im Export von Konsum-gütern. Wissen und Erfahrung, die ihm bei Schimmel sehr zustatten kamen, auch wenn er damals noch nicht viel über Klaviere wusste: „Als wir uns kennenlernten, hatte ich so wenig Ahnung von den komplexen Vorgängen hinter den Mauern einer Klavierfabrik wie die meisten Menschen. Neben der Faszina-tion, wie aus einem Stück Holz ein Instrument entsteht, das so fantastisch und facettenreich ist, ist der Umgang mit Menschen für mich das Schönste an der Branche. Das klingt wie ein Klischee, aber in der Musik begegnet man außergewöhnlichen Menschen mit hohen ethischen Ansprüchen. Weltweit gibt es darunter viele Chris-ten, selbst in Ländern, wo man es gar nicht erwarten würde, und die Tatsache, dass man nicht für alles ausufernde Verträge voll mit Kleingedrucktem braucht, macht die Arbeit sehr angenehm.“

Internationaler ZwergLothar Kiesche hat eine Ausbildung als Klavierbauer hinter sich und wechselte nach einem Betriebswirtschaftsstudium später ins Marketing. Bei Schimmel ist er bereits seit 20 Jahren und mittler-weile als CSOverantwortlich für Marketing und Vertrieb. „Super-spannend“ nennt er seinen Arbeitsplatz. „Gegenüber großen Kon-

zernen sind wir als internationaler Zwerg trotzdem weltweit vertreten, und eine Produktion von 2.500 Kla-vieren und Flügeln jährlich stellt durchaus eine Herausforderung dar. Durch die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Megakonzern Pearl River Piano Group, den es bereits seit 60 Jahren gibt, haben sich für uns insbesondere in China seit 2016 viele Türen geöffnet.“ Die Zusammenarbeit erwies sich als absoluter Glücksgriff. Hannes Schimmel-Vogel: „Zieht man die Situation in Betracht, dass in Europa und Amerika wegen der vielfältigen demographischen und gesellschaftli-chen Veränderungen immer weniger

Klaviere verkauft werden, während sich in Asien ein immer größe-rer Markt öffnet, hat uns das schon seit längerem dazu veranlasst, nach neuen Wegen Ausschau zu halten. Der chinesische Markt ist wirklich schwer zugänglich, es gibt große kulturelle Unterschiede. Deshalb waren wir dort auch auf der Suche nach einem starken Partner – und zwar nicht nur, was die Größe angeht, sondern auch die Professionalität –, damit wir unsere Bestrebungen verwirklichen konnten, auch in niedrigeren Preisklassen Instrumente herzustel-len, die besser als die durchschnittlichen sind.“ Lothar Kiesche: „Das Bewusstsein wuchs, dass wir uns an eine sich verändernde Welt anpassen müssen, wenn wir hier in Europa auf lange Sicht weiterhin Klaviere von hoher Qualität produzieren wollen. Genau wie wir in den 1930er-Jahren eine Veränderung im Klavierbau erlebt haben: eine Verschiebung von den großen schweren Klavieren zu den sogenannten Kleinklavieren, also bezahlbare und prakti-sche Instrumente für eine neue Gruppe von Nutzern, vergleichbar mit dem, was Volkswagen ungefähr zu der gleichen Zeit tat.“

PIANIST hat sich nach Braunschweig aufgemacht, um dem seit 1885 bestehenden Familienunternehmen Schimmel einen Besuch abzustatten. Hier sprachen

wir mit Hannes Schimmel-Vogel und Lothar Kiesche über Vergangenheit und Zukunft und über das Mithalten in einer im Wandel begriffenen Welt.

Wie andere Spitzenmarken ist auch Schimmel Anfang 2016 eine Allianz mit einem asiatischen Betrieb eingegangen – und sieht heute einer rosigen Zukunft entgegen.

REPORTAGE

11PIANIST 1/18

Millennium III Mechanik

Verlängerte Tasten

Kigarishi Premium Resonanzböden

Perfektion durch Handarbeit

Handgepresster Filz

The Premier Piano of Japan

www.shigerukawai.de

Vom 19.-20. März 2018 organisiert die Alink-Ar-gerich Foundation (AAF) eine internationale Konferenz im Palau de Música in Barcelona. Eine große Anzahl von Organisatoren internationaler Klavierwettbewerbe wird dabei anwesend sein. Mehr als 150 haben sich bereits angemeldet. Wichtige Themen sollen besprochen werden, etwa das System der Vorauswahl und der Trans-parenz, aber auch kritische Punkte wie teilneh-mende Studenten von Jurymitgliedern und was in schwierigen Situationen zu tun ist, wenn von den Regeln abgewichen wird oder Zusagen nicht nachgekommen wird. Die AAF hofft, hiermit

einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserungen der Bedingungen für die Teilnehmer von Klavier-wettbewerben zu liefern. Zugleich soll mehr Zusammenarbeit unter den Organisatoren ange-regt werden. Dies ist das erste Mal, dass eine derartige Konferenz abgehalten wird. Es ist eine einzigartige Gelegenheit für alle Betroffenen, einander zu treffen, in die Diskussion einzustei-gen und neue Kontakte aufzubauen. Pianisten und Dozenten dürfen kostenlos an der Konfe-renz teilnehmen, vorausgesetzt, sie haben sich vorher angemeldet.

www.alink-argerich.org/AAF-Conference- 2018-schedule.pdf

YPMA

Ypma Piano’s in Alkmaar, gleichzeitig das Steinway-Zentrum der Niederlande, feiert sein 150-jähriges Bestehen. Steef Ypma, gegenwärtiger Direktor, und das in vierter Generation, wurde selbst in Ludwigs-burg zum Klavierbauer ausgebildet. In den Nie-derlanden hatte es seinerzeit noch keine Aus-bildungsmöglichkeit auf diesem Gebiet gege-ben. „Ich war fast fünf Jahre in Deutschland in der Lehre und arbeitete bei der Firma Uebel & Lechleiter in Heilbronn. Eine kleine Fabrik, in

Kurz vor Ende des Jahres 2017, dem Jahr, in dem seines 100. Geburtstags gedacht wurde, taucht Dinu Lipatti in einem Film auf. Wenn auch nur für zehn Sekunden und das ohne Ton, ist es doch, wie der international aner-kannte LIpatti-Experte Mark Ainley sagt „un-glaublich aufregend, ihn in Aktion zu sehen.“ Der Film wurde während eines Gartenfestes in Luzern im Jahr 1947 aufgezeichnet, wo neben Lipatti und seiner Verlobten Madeleine auch Hindemith, Furtwängler, Schwarzkopf, Sacher und viele andere anwesend waren. Der Film

wurde von Orlando Murrin wiederentdeckt, der in den letzten Jahren viele Nachforschun-gen über Lipatti anstellte. Ainley: „Lipatti scheint sich hier, mit einem breiten Lächeln auf seinem Gesicht, wohler zu fühlen als auf den meisten Fotos.“ Der Film wurde während des Lipatti-Gedächtniskonzerts in der Cadogan Hall in London am 28. November 2017 auf- geführt.

KONFERENZ DER ALINK-ARGERICH FOUNDATION

der 15 Menschen beschäftigt waren. Das hat Spaß gemacht, und ich konnte den Beruf dort unter sehr guten Bediungungen lernen.“ Später arbeitete er außerdem bei Bechstein in Karlsruhe. Ypma Piano’s organisiert auch den Stein-way-Wettbewerb, dessen Gewinner in der höchsten Alterskategorie im September zum internationalen Steinway-Festival nach Ham-burg darf.

DINU LIPATTI VOR DER KAMERA

Guus Alink und Martha Argerich

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19PIANIST 1/18

NEWS NEWS

Severin von Eckardstein

ICH BIN, WIE

ICH BINSeit seinem überragenden Sieg beim

Königin-Elisabeth-Wettbewerb 2003

ist Severin von Eckardstein – vor bald

40 Jahren als Spross einer alten Adels-

familie in Düsseldorf geboren – Klavier-

kennern ein Begriff. „Nach außen hin

unauffällig, doch im Inneren brennt ein

Feuer“, so hat ihn einmal ein Konzert-

veranstalter zutreffend charakterisiert.

Sein eigenes Ego ist Eckardstein ebenso

unwichtig wie alles Triviale. Über Musik

und das Leben philosophiert er mit großer

Ernsthaftigkeit.

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INTERVIEW

100 JahrePiano SchmitzDieses Jahr ist für Piano Schmitz ein ganz besonderes, feiert

man doch 2018 den 100. Geburtstag des Essener Klavierhauses.

Es bietet neben einer großen Auswahl an Klavieren und Flügeln

auch eine eigene Digitalpiano- und Keyboard-Abteilung.

24 PIANIST 1/18

100 Jahre Piano Schmitz in Essen heißt es dieses Jahr und in der Tat wurde das Unternehmen am 1. Mai 1918 handelsgerichtlich in Essen eingetragen. Dabei reicht die Historie der Klavierbauer Schmitz noch weiter zurück, nämlich bis ins Jahr 1872. Da machte sich Bernhard Schmitz senior, nachdem er das Klavierbau-Hand-werk in verschiedenen bedeutenden Klavierfabriken erlernt hatte, im westfälischen Münster selbstständig. Auch Sohn Hein-rich tritt in die Fußstapfen des Vaters, nachdem jener seine Lehr- und Wanderjahre absol-viert hatte, zieht er mit ihm nach Essen, um dort ein Kla-vierhaus zu eröffnen; schnell erarbeitet sich das Betrieb an der Bismarckstraße wegen sei-ner hochwertigen Arbeit einen guten Ruf.

Roter OktoberDoch im Zweiten Weltkrieg wird all das, was die Klavier-bauer Schmitz über Jahre hin-weg aufgebaut haben, vernich-tet. 1944 fallen Bomben auf das Geschäftshaus an der Bismarckstraße, über 60 Klaviere und Flü-gel werden unter den Trümmern begraben oder verbrennen. Mit bloßen Händen zieht Heinrich Schmitz ein nahezu völlig zerstörtes Instrument aus den Schuttmassen, dieses bildet die Basis für einen Neuanfang des Unternehmens. „Danach wurden wir in ein Privat- haus eingewiesen und haben dort Instrumente repariert und – soweit das damals schon ging – auch verkauft“, erinnert sich sein Enkel Heinz-Dieter Schmitz. Dessen Vater Bernhard Schmitz hingegen gerät als Frontsoldat in russische Gefangenschaft, wird von den Bolschewiken jedoch schnell als Spezialist erkannt und übersteht die Nachkriegswirren relativ unbeschadet als Konst-rukteur in der Leningrader Klavierfabrik „Roter Oktober“.

Hauptbahnhof„Nachdem meinen Eltern klar war, dass ich in die Firma eintreten würde“, so Heinz-Dieter Schmitz, „eröffneten sie 1960 das Geschäft in der Hindenburgstraße“. Dieses erfährt bald eine Erweiterung durch die Musikelektronikabteilung im nahege- legenen Waldthausenpark. Die Innenstadtlage ist Gold wert. Bis zum Hauptbahnhof sind es zu Fuß kaum zehn Minuten, auch das Grillo-Theater sowie das Aalto-Theater nebst Philharmonie liegen um die Ecke. Seit 1966 gehört Heinz-Dieter Schmitz zur Geschäftsführung des Klavierhauses, er verkörpert die vierte Generation der Klavier-baumeister in der Familie Schmitz, 1989 übernimmt er die allei-nige Geschäftsführung. 1997 tritt mit seinem Sohn Arndt-Chris-tian Schmitz die fünfte Generation in die Geschäftsleitung ein,

er lernte den Klavierbau im Hause Steinway & Sons in Hamburg, war von 2007 bis 2009 Vorstandsmitglied der C. Bechstein AG und dort mit dem weltweiten Vertrieb der Instrumente befasst; seit 2001 kümmert sich sein Bruder Cornelius Schmitz in der Geschäftsführung um Marketing und Kommunikation. Die heutigen Geschäftsräume bieten auf zirka 500 qm Ausstel-

lungsfläche Instrumente der führenden Hersteller, aller-dings beschränkt man sich bei Schmitz heute auf wenige aus-gewählte Marken: „Wir hatten vor 20 Jahren noch zirka 17 Klavierfabrikate, da war das Usus“, erinnert sich Heinz-Dieter Schmitz, „da sammelte man als Unterneh-mer viele Marken.“ Heute habe sich hingegen die Aus-wahl ganz stark fokussiert. Zu den deutschen Fabrikaten, die beim Essener Klavierhaus in der Ausstellung stehen, gehö-ren C. Bechstein, Bechstein und W. Hoffmann; aus Japan kommen akustische Instru-

mente von Yamaha, Kawai und Shigeru Kawai sowie Digitalpia-nos von Yamaha, Kawai und Roland. Fast alle Instrumente las-sen sich anspielen und testen, damit man sich einen ersten Ein-druck verschaffen kann; dabei stehen die Mitarbeiter mit fach-männischen Rat zur Seite.

ElektronikWer ein Instrument für eine Feier oder ein Konzert am Woche-nende zur Miete benötigt, kann sich ebenfalls an das Essener Kla-vierhaus wenden. Zur Auswahl stehen verschiedene Instrumente von Bechstein und Yamaha, vom Klavier bis zum Konzertflügel. Dabei bietet Piano Schmitz einen kompletten Konzertservice an, vom Transport bis zur Stimmung, auch an Wochenenden und Fei-ertagen. Ebenfalls möglich ist die Langzeitmiete eines Instruments, wenn etwa nicht klar ist, ob die Kinder genug Leidenschaft und Motivation fürs Klavierspiel mitbringen.Das Geschäft mit Klavieren und Flügeln habe insgesamt nach- gelassen, erzählt Schmitz, zugunsten der Digitalpianos. „Das betrifft unser Haus insofern nicht besonders, weil wir auch in der Elektronik sehr stark sind“, betont er. „Seit es elektronische Musikinstrumente gibt, sind wir mit dabei. Und ich bin froh, dass wir auch dieses Bein gut aufgestellt haben, denn so bleibt der Umsatz trotzdem im Haus.“ Leider würden jedoch viele Menschen den Unterschied zwischen einem richtigen Klavier und einem Digitalpiano gar nicht hören. „Deshalb argumentiere ich bei manchen Leuten ganz banal mit dem Werterhalt, wenn ich sie von einem akustischen Klavier überzeugen möchte“, erklärt Schmitz.

REPORTAGE

25PIANIST 1/18

30 JahreKlavier-Festival Ruhr

Stadthalle Wuppertal

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KLAVIER-FESTIVAL RUHR

Klavier-Festival Ruhr beilageII

Weltspitze Nach 30 erfolgreichen Jahren im Dienst kann man dem Festival- Intendanten Prof. Franz Xaver Ohnesorg ein besonderes Geschick nicht absprechen, wenn es darum geht, Pianisten der Weltspitze zusammen zu führen. Ein schönes Beispiel hierfür ist das soge-nannte Stiftungskonzert, das bereits am 9. März im glanzvollen Rahmen der Historischen Stadthalle in Wuppertal stattfinden wird. Dort werden zahlreiche international gefeierte Künstler auf-treten, die alle eng mit dem Festival verbunden sind: Martha Arge-rich, Anne-Sophie Mutter, András Schiff, Elena Bashkirova, Kha-tia Buniatishvili, Joseph Moog, Maki Namekawa und Dennis Russell Davies, Gerhard Oppitz, aber auch Gesangsstars wie Juli-ane Banse, Matthias Goerne, Thomas Quasthoff und andere mehr. Alfred Brendel, der im Dialog mit seinem Sohn, dem Cellis-ten Adrian Brendel, zu erleben ist, macht das Fest vollkommen. Beim Festival tritt mit Maurizio Pollini dann eine weitere Klavier-legende in den Ring, neben ihm Künstler wie Arcadi Volodos, Yuja Wang, Marc-André Hamelin, Mitsuko Uchida, Rafał Blechacz und Kit Armstrong – Letzterer mit seinem Trio, mit dem Geiger Andrej Bielow und Adrian Brendel.In Essen spielt Daniil Trifonov zusammen mit Gidon Kremer und der Kremerata Baltica in einem besonderen Programm sein Dop-pelkonzert für Klavier, Violine und Orchester, das im Auftrag des Festivals geschrieben wurde. Trifonov macht sich derzeit auch als begabter Komponist einen Namen, dessen Klavierkonzert unlängst in New York aus der Taufe gehoben wurde. Noch mehr Neue Musik, von André Previn und Krzysztof Penderecki, wird am 7. Juni im Konzerthaus Dortmund erklingen, gespielt von Anne-

Sophie Mutter und ihrem festen Klavierpartner Lambert Orkis. Ebenfalls mit großer Regelmäßigkeit beim Festival zu erleben ist Daniel Barenboim, der in diesem Jahr bei einem besonderen Abend am 20. April in Düsseldorf zu Gast sein wird. Mit seinem Sohn, dem Geiger Michael Barenboim, und dem Cellisten Kian Soltani führt er drei Klaviertrios von Beethoven auf. Leider schon vorbei ist das Neujahrskonzert, bei dem Evgeny Kissin am 23. Januar gemeinsam mit dem Emerson String Quartet in Essen zu erleben war. Schließlich geizt auch die „Jazz Line“ nicht mit großen Namen: darunter das Jacky Terrasson Trio, der Trompeter Till Brönner, Chick Corea und Jerry Lu.

Neue BühnenIm Laufe seines Bestehens war das Festival schon immer um neue Möglichkeiten bemüht, Menschen mit wertvoller Musik in Kon-takt zu bringen. Auch in diesem Jahr sind zwei neuen Auffüh-rungsstätten hinzugekommen. Zum ersten Mal stehen Konzerte im Arcadeon in Hagen auf dem Programm, wo das Klavierduo Arthur und Lucas Jussen am 12. Juni sein Festival-Debüt geben wird. Und auch in Dortmund gibt es eine neue Bühne, auf der am 17. Juni die Französin Claire-Marie Le Guay konzertieren wird.Die Liste der Festivalstädte liest sich beeindruckend: Bochum, Wattenscheid, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Essen-Werden, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Hattingen, Herten, Holzwickede, Hünxe, Moers, Mülheim an der Ruhr, Münster, Rheda-Wiedenbrück, Rheinberg, Schwelm und Wuppertal.

Dieses Jahr steht beim Klavier-Festival Ruhr die französische Klaviermusik im Zentrum. Neben dem Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren

widmet sich ein besonderer Schwerpunkt dem Werk Claude Debussys, dessen Todestag sich ebenfalls zum 100. Male jährt. Außerdem erinnert die diesjährige

Jubiläumsausgabe vom 19. April bis zum 13. Juli an den vor 30 Jahren gefassten Beschluss der Gründer des Initiativkreises Ruhr, ein Festival von landesweiter

Bedeutung als Flaggschiff für die Region ins Leben zu rufen. Auf 33 Bühnen in 21 Städten stehen 66 Konzerte auf dem Programm.

KLAVIER-FESTIVAL RUHR

Klavier-Festival Ruhr beilage III

Das Anneliese Brost Musikforum in Bochum dient einerseits den Bochumer Symphonikern als Konzert-haus und stellt andererseits der städtischen Musik-schule einen Saal zu Verfügung; insgesamt finden hier 1276 Besucher Platz. Die ehemalige St.-Marien-Kirche dient als Foyer für beide Säle. Mit dem neuen Musik-zentrum soll ein künstlerischer Anziehungspunkt entstehen, der in die Stadt und die Region ausstrahlt. Die Eröffnung fand am 28. Oktober 2016 statt.Der Name des Musikforums bezieht sich auf Anneliese Brost (1920-2010), die Ehefrau von Erich Brost, einem der Gründer der Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Nach dem Tod ihres Mannes setzte sich Anneliese Brost fortwährend für zahlreiche soziale und kultu-relle Initiativen ein. Mit der Brost-Stiftung hat das Ehepaar Brost sehr viel zur Realisierung des Musik- forum Bochum beigetragen.

Anneliese Brost Musikforum Ruhr

Wenn man alleine träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, ist das der Anfang einer neuen Wirklichkeit.“ Thomas Jorberg, Vorstand Stiftung Bochumer Symphonie

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KONZERTHAUS

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GENF IST MEIN ZUHAUSENelson Goerner über das Unterrichten

Spotlight Schweiz

„Man muss viel wissen und

können, bevor man fliegen

kann.“

Das Genfer Konservatorium hat mit seiner Vielzahl berühmter Lehrer eine lange Tradition: Dinu Lipatti, Nikita Magaloff, Dominique Merlet und Maria Tipo, bei der Nelson Goerner als Stipendiat studierte, nachdem er 1986 in Buenos Aires den ersten Preis beim Franz-Liszt-Wettbewerb gewonnen hatte. „Das Kon-servatorium stand und steht international in sehr hohem Ansehen. Ich war einer von vielen Ausländern, und auch jetzt habe ich Stu-denten verschiedener Nationalitäten. Maria Tipo war eine groß- artige Pianistin und eine sehr inspirierende Lehrerin. Es war eine große Ehre für mich, dass ich jetzt ihre Klasse übernommen habe.“ Genf ist ideal für ihn, auch im Hinblick auf seine internationale Konzertpraxis. „Die Bedingungen sind fantastisch. Ich kann üben, wann immer ich will.“ Stört er seine Frau, die Pianistin Alavidze Rusudandan, nicht? Er lacht: „Nein, wir haben jeder ein eigenes Übezimmer. Und Genf liegt zentral. Entfernungen gibt es nicht mehr, aber das Leben eines reisenden Pianisten ist dennoch nicht einfacher geworden. Früher blieben Pianisten ein paar Monate in Amerika, und heute fliegen wir für ein Konzert hin und her.“

BarenboimGoerner kombiniert seine Tätigkeit als Dozent in Genf mit der in Berlin. „Auf der Rückfahrt von einem Konzert in Italien wurde ich angerufen, Daniel Barenboim war dran. Er erzählte mir von seiner neuen Akademie und lud mich als Lehrer der Klavierklasse ein und meine Frau als Repetitorin für die Streicher. Ich bewundere Barenboim nicht nur als Musiker, sondern auch wegen seines En-gagements. Die Akademie ist speziell darauf bedacht, Studenten aus dem Mittleren Osten einen Rahmen zu bieten, um sich zu ent-wickeln, etwas, das sie in ihrer eigenen Heimat nicht haben. Die Zahl der Studenten aus Israel, den arabischen Ländern und Nord- afrika liegt höher als die der Studenten von woanders, aber ich würde von Barenboim sogar einen Studenten vom Mond annehmen, wenn er oder sie nur talentiert ist.“ Neben Musik bilden auch Philosophie und humanistische Themen wichtige Schwerpunkte im Studenplan der Akademie. „Ich hatte das Privileg, an meinem ersten Tag gemeinsam mit Barenboim einer Philosophieklasse beizuwohnen. Es war großartig zu erleben, wie junge Menschen aus Gebieten, die so miteinander in Konflikt stehen, zusammensitzen und einen Text von Platon analysieren. Ich bin selbst mit dem Verständnis aufgewachsen, dass man als Musiker eine kulturell und allgemein bewanderte Person sein

Der argentinische Pianist Nelson Goerner lebt mit seiner Ehefrau in Genf, wo er bei Maria Tipo am Konservatorium studierte und 1990 den Concours de Gèneve gewann. Derzeit gibt er Unterricht an der Haute Ecole, dem ehemaligen Konservatorium, und auch an der Barenboim-Said Akademie in Berlin. Nelson Goerner spricht über das Unter-richten und seinen engen Bezug zur Stadt: „Hier spielt sich für mich alles ab.“

muss und nicht nur zwölf Stunden am Tag üben sollte.“ Er lacht: „Das muss man machen, wenn es notwendig ist, aber das kann man nicht ohne Weitblick.“

LangsamGoerner lehrt seine Studenten, auf eine gesunde und nachhaltige Art zu üben. „Mein erster Lehrer blieb neben mir sitzen, während ich übte, sodass er sicher sein konnte, dass ich das Richtige tue. Wenn ich heute in einer beliebigen Hochschule über den Gang laufe, höre ich überall, wie Studenten dieselben Fehler immer nur wiederholen. Das ist unerträglich und eine schreckliche Zeitver-schwendung.“ Langsam zu studieren ist ein wichtiger Schlüssel. „Das ist extrem wichtig. Ich mache selbst fast nichts anderes, weiß dabei aber auch genau, was ich tue, und das mache ich mit voller Aufmerksamkeit für jede Note. Ich spiele zuhause nur schnell, um zu überprüfen, wo ich stehe, und danach kehre ich wieder zu mei-nem langsamen Lerntempo zurück. Cortot übte auch trocken vor einem Konzert, ohne Pedal, und am Abend des Konzerts war die Spontaneität dann da. Lipatti arbeitete auch so. Wenn man immer alles ausdrücken will, wird das zur Belastung. Studenten üben oft, als würden sie ein Konzert geben, oder vollkommen mechanisch ohne Vorstellung von der Musik im Hinterkopf. Das sind zwei oft vorkommende Fehler.“

PersönlichkeitUnterrichten ist nicht einfach. „Man muss inspirierend sein, eine richtige Vorstellung von der Komposition vermitteln und techni-sche Hinweise geben, die notwendig sind, um diese Vorstellungen zu äußern. Wie erreicht man beispielsweise einen bestimmten Klang? Man muss viel wissen und können, bevor man fliegen kann, bevor man die Musik spontan klingen lassen kann. Und ohne Manie- rismen.“ Das ist für Lehrer ein Punkt, den sie beachten müssen: „Ja, etwas kann einem Manierismus ähneln, während es für diese Person eine eigene Art des Ausdrucks ist. Man muss die Persön-lichkeit des Studenten gut kennenlernen, bevor man das beurteilen kann. Das braucht Zeit, und man muss aufpassen, nicht einen wesentlichen Teil von jemandes Persönlichkeit abzutrennen. Denn der persönliche Ausdruck ist es, um den es eigentlich geht.“

ERIC SCHOONES

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www.nelsongoerner.com

53PIANIST 1/18

SPOTLIGHT SCHWEIZ

BEETHOVENInside the hearing machine

Aus Beethovens Konversationsheften wissen wir, dass er sich eine Gehörmaschine hatte bauen las-

sen. 200 Jahre später kam nun der flämische Pianist und Wissenschaftler Tom Beghin erstmals auf

die Idee, sich gemeinsam mit dem Klavierbauer Chris Maene und dem Akustiker Thomas Wulfrank

an eine Rekonstruktion dieses geheimnisvollen Geräts zu wagen. Sie erscheint als missing Link für

eine Neubewertung des Spätwerks, insbesondere in Bezug auf die Sonate op. 110.

Wie kam Beethoven überhaupt auf die Idee mit der Gehörmaschine? „Das wissen wir nicht genau, aber wahrscheinlich durch den Klavierbauer Matthäus Andreas Stein, den Bruder von Nanette Streicher, die regelmäßig bei Beethoven vorbeischaute. Es ist gut möglich, dass es seine Idee war, anstelle der Hörrohre, die Beethoven gebrauchte, um besser zu hören, diese große Trompete auf dem Klavier zu installieren. Es ist wenig darüber bekannt, es sind zum Beispiel keinerlei Abbildungen erhalten geblieben. Wir wissen nur etwas über das seinerzeit verwendete Material und die Form.“

Und welchen Effekt hatte sie?„Mit der Kuppel über dem Klavier zu spielen ergibt eine voll-kommen andere Wahrnehmung des Instruments. Für mich als Pianisten mit intaktem Gehör wurde der Klang so laut und aggressiv, dass ich mich mehr in das haptische Erlebnis hinein zu fühlen begann. Auch weil man den Eindruck hat, man säße in einem Kokon, wird die visuelle Verbindung mit dem Instrument viel eindringlicher. Man wird beinahe in das Instrument hinein-gezogen. Der Klang tritt ein wenig in den Hintergrund.“

Diese Idee wurde durch ihre Erfahrungen mit dem Broadwood von Beethoven noch verstärkt?„Ja, Beethoven erhielt im Mai 1818, damals schon stocktaub, von diesem englischen Klavierbauer ein Klavier als Geschenk, und

im Gegensatz zu anderen Instrumenten, etwa zum Erard, der sich auch in seinem Besitz befand, blieb er ihm bis zu seinem Tode eng verbunden. Das hat nach meinem Dafürhalten mit der Konstruktion zu tun. Bei dem englischen Klavier ist der Klang-boden direkt in den Korpus geleimt, wodurch das ganze Instru-ment viel mehr mitschwingt. Ich fühlte das sehr deutlich, als ich abwechselnd auf einem in Wien gebauten Streicher und einem Broadwood spielte. Bei letzterem bekam ich über meine Finger, aber auch über den Fußboden und meine Füße viel mehr taktile Informationen, fast fühlte ich mich wie in einem multi-senso- riellen Laboratorium.“

Beethoven war sichtlich froh darüber?„Ja, die Gehörmaschine muss wirklich funktioniert haben. Den Anfang der Sonate op. 110 bildet ein harmonisch aus- balancierter vierstimmiger Akkord – es ist, als ob er sagen will: Hört! Wie eine lange vergessene und aufs Neue entdeckte Sensation. Gleichzeitig (aber das können wir nur raten) könnte die Wirkung auch eine rein psychologische gewesen sein.“

Die Frage ist, was er überhaupt noch hörte.„Das innere Hören ist für eine taube Person sehr wichtig, und ich kann mir vorstellen, dass zu einer bestimmten Zeit die Unterschei-dung zwischen dem inneren und dem äußeren Hören versagt. Oft wird Beethovens abstrakte Denkfähigkeit als Schlüssel angesehen, mit dem man seine späte Musik begreifen kann, ich aber denke,

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BEETHOVEN

Multi-sensorielles Laboratorium

dass die Verankerung in der Realität mit konkreten Objekten, dem Broadwood und der Maschine, sicher auch ihren Platz im kreati-ven Prozess Beethovens einnahmen. Auch seine große Bedeutung als Improvisator weist in diese Richtung. Davon wissen wir jedoch wenig, weil Beethoven in seiner späten Phase fast niemanden dabei zuhören ließ. Stein führte Friedrich Wieck, den Vater von Clara Schumann, bei Beethoven als Experten für Hörapparate ein, und möglicherweise deshalb wurde er wohl empfangen. Beethoven hat für Wieck dann mehr als eine Stunde lang improvisiert, mit der Gehörmaschine auf dem Klavier. Seine Taubheit war ein Tabu, verbrämt von Scham und Ungläubigkeit, der berühmteste Kom-ponist war taub! Es ist denkbar, dass die Maschine deswegen nicht verwahrt wurde. Das Klavier schon, und es wurde allmählich zu einer Art Reliquie (über Franz Liszt, der es in seinem Besitz nahm), aber die Gehörmaschine eben nicht.“

Da spielen viele Aspekte eine Rolle. „Ja, ich finde das außergewöhnlich interessant! Ich habe die Sonate op. 110 verschiedene Male mit Stöpseln im Ohr in Konzer-ten gespielt, und ich denke, wenn man Beethovens Handicap auf solche Weise verinnerlicht, dass man dann den späten Beethoven besser begreifen wird. Wenn man Haydn in einem Korsett spielte, würde man auch anders über Technik nachdenken. Deine Schul-tern werden eingehängt, und dadurch kann man seine Arme und Finger freier bewegen. In solchen Momenten kann man sich in etwas hineinversetzen, im Fall von Haydn in die typische klavier-

spielende Frau jener Zeit, und im Fall des späten Beethoven mit dem sich immer mehr isolierenden Komponisten.Auch wird der Klang mit der Maschine anders projiziert, vor allem zum Spielenden hin, und das wird entscheidend für ein direkteres Erleben der Musik. Dabei ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass eine Klaviersonate zu Beethovens Zeit noch immer keine Konzertmusik war. Der erste und oft auch einzige Zuhörer war der Spielende selbst. Rezensenten, die damals über neue Musik schrieben, erhielten ihre Informationen auch so, sie spielten die Musik selbst am Klavier durch. Wir haben die Taubheit von Beethoven in einem idealisierten Bild immer ein wenig von uns weggeschoben, aber ich glaube, dass ihr Einfluss auch auf die wesentlichsten Teile seiner Kunst konkreter gewesen ist, als wir uns bis heute klarmachen.“

ERIC SCHOONES

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BEETHOVEN

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BEETHOVEN

Die Kunst der „Revitalisierung“Harold Schonberg, der berühmte Kritiker, nannte Artur Schnabel „den Mann, der Beethoven erfand“, und Sergej Rachmaninow urteilte: „das beste Beethoven-Spiel, das ich je gehört habe“. Für Schnabel selbst war Beethoven schlicht der größte Komponist aller Zeiten. Ein Porträt.

MASTERCLASSFragt man einen beliebigen Konzertpianisten nach inspirierenden Vorbildern, erhält man mit Sicherheit einige der folgenden Namen zur Antwort: Rachmaninow, Hofmann, Lipatti, Schnabel, Kempff, Rubinstein, Horowitz, Michelangeli … Ihre Meisterschaft hat, unge-achtet der Veränderungen in Geschmack und Stilistik, auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt. Neben dem Fundus der überlieferten Aufnahmen gibt es eine ebenso reich befüllte Bibliothek von Text- quellen, in denen sich Schlüssel zu dieser Meisterschaft verbergen. Ein Leitfaden für professionelle Pianisten wie für Amateure.

Artur Schnabel erblickte 1882 in Lipnik das Licht der Welt und wurde im zarten Alter von sieben Jahren aus seinem ärmlichen österreichisch-schlesischen Weiler – hier konnte er sich lediglich an eine einzige Straße erinnern – in die gehobenen Kreise des Wie-ner Musiklebens eingeführt. Als jüngster Schüler trat er in Lesche-tizkys legendäre Klasse ein, und nachdem Anton Bruckner seine ihm vor der Wohnungstür auflauernde Mutter hatte wissen lassen, dass er keine Minderjährigen unterrichte, wurde Schnabel zu Eusebius Mandyczewski in die Lehre gegeben, wo er Unterricht in Theorie und Komposition erhielt. Mandyczewski war Assistent von Johannes Brahms, und so hatte der junge Schnabel Gelegen-heit, diesem einige Male zu begegnen – auch wenn sich das Gespräch auf die Mahlzeiten beschränkte, bei denen der Meister den Jungen zu fragen pflegte, ob er hungrig sei, und im Anschluss daran, ob er auch genug zu essen bekommen habe. Schnabel wurde Ohrenzeuge, wie Brahms sein g-Moll-Quartett spielte, und war unsagbar beeindruckt von der „schöpferischen Kreativität

Artur Schnabel

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MASTERCLASS

Artur Schnabel

und der wunderbaren Sorglosigkeit“‘ mit der Brahms dabei zu Werke ging. Dieser ‚grand style‘, wie Schnabel ihn nannte, sollte später zu seinem eigenen Markenzeichen werden. Darüber hinaus konnte er sich dank Mandyczewski mit den Manuskripten der großen Komponisten vertraut machen, da dieser für die Archive der Gesellschaft der Musikfreunde verantwortlich war. Lesche-tizky hatte Schnabels Talent sofort erkannt und bot an, ihn per-sönlich und kostenlos zu unterrichten (während viele seiner ande-ren Studenten hauptsächlich von Assistenten umgeben waren). Über einen Zeitraum von sechs Jahren durchwanderte Schnabel sämtliche von Leschetizkys Klassen, in denen manchmal bis zu acht Schüler versammelt waren, und wurde jedes einzelne Mal zum Vorspielen ausgewählt.

Obwohl Leschetizkys legendärer Ausspruch „Schnabel, du wirst nie ein Pianist sein. Du bist ein Musiker“ ihm, weil er „den Unterschied“ nicht sah, sein ganzes Leben lang ein Rätsel bleiben sollte, war Schnabel dankbar dafür, „einer aus einer Handvoll“ von Leschetizkys 1.800 Schülern zu sein, die niemals die Ungarischen Rhapsodien von Liszt einstudieren mussten. Stattdessen wies Leschetizky ihn an, sich mit den Sonaten von Schubert zu beschäftigen. Zu der Zeit waren, wie Schnabel sich erinnert, dessen Impromptus „Zeit-vertreib von Gouvernanten“, und die Sonaten waren vollständig in Vergessenheit geraten.

BeethovenObwohl Schnabel Mozart „wie kein anderer“ spielte und er „eine sichere Art“ im Umgang mit Brahms bewies, apostrophierte ihn der berühmte New Yorker Kritiker Harold Schonberg als „den Mann, der Beethoven erfand“. Schnabel war der erste Pianist der Geschichte, der alle 32 Sonaten (von 1931 bis 1935) einspielte, und einer der ersten, der diese Gesamtheit im Beethoven-Jahr 1927 im Rezital zur Aufführung brachte; wiederholt wurde der Zyklus in den Jahren 1932 bis 1933. Am Tag nach dem letzten Rezital, am 28. April 1933, verließ er Deutschland, um nie mehr zurückzu-kehren: „Ich will nicht in ein Land gehen, zu dem ich nur deshalb Zutritt habe, weil es den Krieg verloren hat.“

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„Mozart ist ein Garten; Schubert

ist ein Wald – in Sonnenlicht und Schatten;

Beethoven ist eine Bergkette.“

Artur Schnabel

MASTERCLASS

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Für Elise Eines der berühmtesten Klavierstücke der Welt ist Beethovens Bagatelle WoO 59, allgemein bekannt unter dem Titel Für Elise. Ungeachtet seines Ruhms (der ziemlich disproportional zur Bedeu-tung des Stücks steht), wird es nur selten von Kon-zertpianisten gespielt, vielleicht auch wegen seines Images, das die Komposition heutzutage eher in die Sphäre von Anfängerpianisten oder Warte-schleifengedudel am Telefon rückt. Verblüffend ist, dass ein bei Klavierschülern so gebräuchliches Stück immer noch Objekt verschiedener Lesefehler ist, beginnend beim Titel, der nicht von Beethoven selbst stammt. Tatsächlich war die kurze Bagatelle Therese Malfatti gewidmet und hätte deshalb theo-retisch Für Therese heißen müssen, während der Name Elise vermutlich auf einem Irrtum beruht (vielleicht, weil Ludwig Nohl, der die posthume, 1867 erschienene Erstausgabe betreute, den Namen Therese falsch entziffert hatte). Die meisten Editio-nen, die gegenwärtig verkauft werden, enthalten Fehler, die aus Nohls erste Ausgabe zurückgehen welche die Referenz für alle folgenden war.

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Roberto Prosseda

BEETHOVEN

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oder für Therese? Das Originalmanuskript ist heute verloren. Ludwig Nohl publizierte die Bagatelle 40 Jahre nach dem Tod des Komponisten, sodass weder Beethoven zu seinen Lebzeiten, noch nachfolgende Herausgeber in der Lage waren, mögliche Fehler zu korrigieren. Die Henle-Edition von 1976, betreut von Otto von Irmer (HN 128), ist heute eine der zuverlässigsten Quellen, da sie auf dem Autograph einer eigenhän-digen Skizze von Beethoven (das vollständige Manuskript wurde noch nicht aufgefunden) basiert, die im Beethoven-Haus in Bonn verwahrt wird und online eingesehen werden kann.Eine der ersten neuen Erkenntnisse, die wir dieser Skizze entnehmen, bezieht sich auf die Tempobe-zeichnungen: Nohl (und alle späteren Herausgeber) schreiben „Poco moto“ (eine Bezeichnung, die für kontrastierende Interpretationen offen ist), während die eigenhändige Niederschrift von „Con molta grazia“ spricht. Der offensichtlichste unter den gedruckten (und in fast allen Ausgaben multipli-zierten) Fehlern betrifft Takt 7, in welchem als letzte der drei Sechzehntelnoten in der rechten Hand „E-C-B“ notiert sind, während die korrekte Version „D-C-B“ lauten müsste. Der Fehler ent-springt Nohls erster Ausgabe, die interessanter-weise in den späteren Teilen, wenn dieselbe Passage wieder erscheint, die korrekte Version „D-C-B“ enthält. Es ist unbegreiflich, dass ein Großteil der späteren Herausgeber den Fehler schließlich aber in allen Teilen gleichlautend wiederholte (darf man in diesem Fall von Kohärenz sprechen?).

Die eigenhändige Skizze gibt klar ein D und kein E vor. Von einem musikalischen Standpunkt aus gese-hen ist es für mich offensichtlich, dass es ein D sein muss, denn der Sprung einer aufsteigenden Septime von D nach C schafft eine angenehme melodische Spannung, die dasselbe Motiv, welches in den fol-genden Takten zu finden ist, antizipiert. Vielleicht sahen sich viele Herausgeber wegen der Ungenauig-keit der ersten Ausgabe dazu veranlasst, das D zu E zu ändern, weil sie es für einen Satzfehler innerhalb des Stückes hielten. Tatsächlich steigt vom D eine Septime auf, die das darunterliegende C nicht auf-

löst, obgleich das mittlere C in Takt 9 bei näherem Nachdenken tatsächlich als verspätete Auflösung gesehen werden könnte. Vice versa, der unmittelbare Sprung im Umfang einer Septime vom D zum C in die darüber liegende Oktave könnte das „Emp-finden“ mancher Herausgeber erschüttert haben. Wir sollten darüber hinaus nicht vergessen, dass Herausgeber in der Vergan-genheit keine Bedenken hatten, vermutete Fehler bei Beethoven zu korrigieren: Sogar Alfredo Casella machte dies im ersten Satz der Sonate op. 111, wo er vermeintliche Quintparallelen korrigiert!

Heute noch ist die Diskussion darüber, welches der richtige Ton ist, offen, doch seit Publikation der Henle-Edition stimmen alle maßgeblichen Schüler von Beethoven, also alle Pianisten mit guter Quellenkenntnis, der Tatsache zu, dass die Note ein D sein sollte und kein E. Die bei Decca verfügbaren Aufnahmen von Alfred Brendel und Vladimir Ashkenazy beispielsweise nutzen jeweils ein D.

Persönlich glaube ich nicht, dass Für Elise (oder, wenn man will, Für Therese) dem Vergleich mit Beethovens großen Meister- werken standhält; dennoch habe ich kürzlich entdeckt, dass das Spielen dieses Stückes in der Öffentlichkeit, was ich manchmal als Zugabe mache, mir eine besondere Befriedigung verschafft: Sie mag auf dem Gefühl beruhen, viele Allgemeinplätze zu ver-treiben, nicht zuletzt auch die Sache mit dem E und dem D!“

ROBERTO PROSSEDA

BEETHOVEN

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Dicht an der Quelle

Mit seiner Edition der neun Symphonien von Beethoven für Bärenreiter (1996–2000) sorgte Jonathan Del Mar, Dirigent und Musikwissenschaftler sowie Sohn des Dirigenten Norman Del Mar, für eine Sensation. Claudio Abbado, Bernhard Haitink , Simon Rattle und Philippe Herreweghe gebrauchten seine Editi-onen. Die Zusammenarbeit mit Bärenreiter wurde fortgesetzt, und Del Mar arbeitete an Konzerten, Stücken für Violoncello, Streichquartetten und jetzt auch an den Klaviersonaten. Del Mar definierte in einem Interview eine Urtext-Edition als Ausgabe, in der „sämtliches Quellenmaterial erschöpfend unter-sucht wurde, um so nahe wie möglich an die definitive Absicht des Komponisten heranzukommen.“ Nicht nur das Manuskript, sondern auch Exemplare von Kopisten, korrigierte Druckmuster von Erstausgaben, bei Aufführungen im Beisein des Komponis-ten verwendete Orchesterstimmen, aber auch beispielsweise Briefe, kurzum, alles, was relevant sein könnte. Manchmal sind Quellen lange Zeit nicht verfügbar. So wurden während des Zweiten Weltkriegs Manuskripte von Mozart, Beethoven, Schu-bert und Mendelssohn aus der Staatsbibliothek zu Berlin in Sicherheit gebracht, nur konnte sich nach dem Krieg niemand mehr erinnern, wo sie abgeblieben waren. Erst 1977 wurden die Manuskripte in Polen wiederentdeckt, und damit waren frühere Ausgaben überholt. Auch sind Manuskripte in Privatsammlungen nicht immer für Wissenschaftler einsehbar. Bärenreiter hat kürzlich Sonaten von Beethoven herausgegeben, und steht mit der kritischen Neuausgabe der Klaviersonaten nun vor der nächsten großen Herausforderung. Es gibt zahllose Editi-onen, darunter wichtige Urtext-Ausgaben, die neue Standards gesetzt haben. Kaum eine Note oder Spielanweisung, kaum ein Artikulationszeichen dürfte in diesen Werken nicht schon mehr-fach überprüft worden sein. So entdeckte Del Mar beispiels-

weise, dass Beethoven in seiner Waldstein-Sonate ein Crescendo durch ein Decrescendo ersetzte (in Takt 70 des ersten Satzes).Bei der Realisierung dieser Edition wurde auch auf ganz prakti-sche Dinge geachtet wie das Umblättern der Seiten. Ein schönes Beispiel ist in der Sonate op. 81a, Les Adieux, nach dem langsa-men Mittelteil die attacca subito des vivacissimamente. Oder bei Der Sturm op. 31 Nr. 2, wo das nutzerfreundliche Layout in Form einer geräumigeren Einrichtung besondere Aufmerksamkeit erhielt und dadurch die rhythmische Komplexität vermutlich leichter gelesen werden kann. Bei der Sonate op. 26 untersucht Del Mar als einer der ersten vor einer modernen Ausgabe das ursprüngliche Manuskript, wie er in seinem kritischen Kommen-tar beschreibt. Dies enthüllte neue Einsichten vor allem in Bezug auf den Bogen.In der Sonate op. 27 Nr. 1, die immer im Schatten von Nr. 2, der Mondschein Sonate, gestanden hat, wurde vor allem dem Layout große Aufmerksamkeit gewidmet, wodurch der elegante und flie-ßende Charakter der Musik auf der Seite sichtbar wird.Zuletzt kam in der Sonate in G-Dur op. 49, übrigens zu der Zeit geschrieben, als Beethoven auch an seiner Grande Sonate pathé-tique arbeitete, noch ein Fehler ans Licht: in Takt 44 und 47 des ersten Teils steht zuerst ein c, kein cis, was in modernen Editio-nen fehlerhaft wiedergegeben ist.

Bärenreiters neue Urtext-Edition

von Beethoven

NOTEN

68 PIANIST 1/18BA 10583 © 2015 by Bärenreiter-Verlag, Kassel

Beethoven Sonate op. 27 (BA 10853)

NOTEN

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Seit 1980 ist die Frankfurter Musikmesse ein Begriff in der Musikwelt.

Vergangenes Jahr zog die wichtigste Schau für Musikinstrumente,

Notenausgaben, Musikproduktion, Marketing und anderes in Europa

100.000 Besucher an. Vom 11. bis 14. April wird Frankfurt

daher wieder „the place to be“ für jeden Musikliebhaber sein,

und dieses Jahr insbesondere für Pianisten, findet hier doch wieder

der zweijährliche Piano Salon statt.

Die Musikmesse Frankfurt

ist für Sie da!

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MUSIKMESSE FRANKFURT

Frankfurt ist das Event für Europa, so wie die NAMM Show in Kalifornien es für die Vereinigten Staaten ist, und Music China, die Messe in Shanghai, für Asien. Übrigens wird Music China von Frankfurt mit organisiert. Zahlreiche Fabrikanten von akus-tischen Klavieren und Flügeln, aber auch von Keyboards, digita-len Klavieren nehmen teil: Alfred Jahn, August Förster, August Laukhuff, Casio, Grotrian Steinweg, Heller Klavierbau, Helmut Abel, J. C. Neupert, Julius Blüthner Pianoforte, Kawai, Kluge Klaviaturen, Louis Renner, Niendorf Flügel- und Klavierfabrik, Petrof, Schimmel, Seiler Pianofortefabrik, Steingraeber und Söhne, Yamaha und viele mehr.

Piano Salon EuropeDer Piano Salon wird in enger Zusammenarbeit mit dem Bundes-verband Klavier e.V. (BVK) organisiert. In Halle 11.0 stehen die europäischen Spitzenfabrikanten, die deutschen Marken plus Fazioli und Petrof. Neu ist Piano Stage, eine Bühne, auf der täg-lich Shows, Workshops und Produktdemonstrationen stattfinden.

InspirationZu den Höhepunkten des Programms gehört auch die Verleihung des Preises „Klavierspieler des Jahres“ Johannes Weber von Messe Frankfurt erklärt: „Eine besondere Auszeichnung für einen Prominenten aus Deutschland, nicht per se ein Musiker, manchmal ist es ein Schauspieler, aber doch immer eine markante Persönlichkeit – und jemand, der in seiner Freizeit Musik macht und damit andere inspirieren kann, selbst auch ein Instrument in die Hand zu nehmen.“ Im vergangenen Jahr war es Konstantin Wecker, ein deutscher Sänger, außerhalb Deutschlands vielleicht nicht so bekannt, aber doch jemand, der mit einer klassisch aus-gebildeten Stimme und seinen engagierten Texten die Menschen zu berühren weiß: „Ich singe, weil ich ein Lied habe. Nicht, weil es euch gefällt.“

AkustikWer schon einmal auf einer Musikmesse gewesen ist, kennt das Phänomen, aber auch, wer noch nie dort war, braucht wenig Vor-

stellungskraft, um sich den Lärm einer großen Halle mit zig Kla-vieren und Flügeln und etwas weiter Ständen mit Synthesizern und Produkten für DJs vorzustellen. Johannes Weber: „Daran haben wir gearbeitet. Der Piano Salon Europa wird nun in einem akustisch getrennten Bereich organisiert. Wir sorgen dort für eine geschäftsfördernde Atmosphäre. In diesen Räumen befindet sich auch die Piano Stage.“

PerformanceWiederum gibt es den Blüthner Performance Cube 2018 mit tägli-chen Live-Shows, bei denen die Besucher einen Mix aus verschie-denen Stilen erleben können: Klassik, Jazz und Pop, mit Auftrit-ten von u.a. Susann Kobus, Michael Bixler und Christian Schö-bel. Es gibt täglich Workshops rund um die technischen Neue-rungen von digitalen Klavieren. Besucher können auch selbst auf der Bühne des Blüthner Performance Cube spielen und damit die Chance auf den Gewinn eines hochwertigen digitalen Klaviers erhalten!

Musikmesse FestivalZum dritten Mal gibt es das Musikmesse Festival mit einer Viel-zahl von Konzerten in der Frankfurter Innenstadt, aber auch auf dem Messegelände und auf der Piano Stage in Halle 11.0. Speziell für Profis gibt es die Business Academy inspired by SOMM mit einem umfassenden Konferenzprogramm auf dem Gebiet von u. a. Marketing, Recht und Handel.

ERIC SCHOONES

Buchen Sie ihr Ticket auf: www.musikmesse.com

MUSIKMESSE FRANKFURT

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KLAVIERBAU

IMPRESSIONEN EINER

RESTAURATION

Ein Andenken von Bechstein

Rechte Seite des fertigen Flügels. Das vordere Bild zeigt Dampfpflüge auf einem Feld, das hintere Bild ein Panorama des Nils mit Pyramiden.

KLAVIERBAU

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„Max Eyth, geboren 1836 in Kirchheim unter Teck als ältester Sohn von Eduard Eyth (Leiter eines evangelischen Klostergym-nasiums) und seiner Frau Julie, war ein deutscher Ingenieur, Pio-nier der Dampfpflugtechnik, Schriftsteller sowie Gründer der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. Nach seiner Schulzeit in Heilbronn studierte er Maschinenbau in Stuttgart und war ab 1856 bei der Dampfmaschinenfabrik Gotthilf Kuhn angestellt, wo er zunächst eine Schlosserlehre absolvierte und dann als technischer Zeichner und Konstrukteur arbeitete.1861, im Alter von 25 Jahren, ging er nach England. Er trat in die Firma Fowler & Co in Leeds ein, einem Hersteller von Dampf-pflügen, Lokomobilen und anderen Landmaschinen. Hier trieb er als Ingenieur zunächst die Entwicklung des Dampfpflugs voran und reiste später als Auslandsvertreter durch die ganze Welt: Von 1863 bis 1866 war er in Ägypten als Chefingenieur des Prinzen Said Halim Pascha tätig und versorgte die Nilregion mit Dampf-pflügen und Dampfpumpen für Bewässerungsanlagen. 1867/68 war er an der Einführung der Seilschifffahrt auf dem Rhein be-teiligt. Versuche ein ähnliches System in New York zu installie-ren, scheiterten. Trotz erfolgreicher Vorführung und schon abge-

Im Sommer 2015 erhielt Palme Piano von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG)

eine Anfrage, ob das Unternehmen einen Bechstein-Flügel restaurieren könne. Neugierig, warum die DLG

einen Flügel in ihrem Besitz habe, hat man sich bei Piano Palme ein wenig mit der Geschichte

der DLG beschäftigt und schnell herausgefunden, dass ihr Gründer nicht nur ein hervorragender

Ingenieur, sondern auch ein begeisterter Musiker war. Jörg Päsel von Piano Palme erzählt.

schlossenen Vorverträgen verweigerte die zuständige Abgeordneten- kammer die Konzession.Ab 1869 war Eyth „wissenschaftlicher Generalstabschef“ der Firma Fowler. Weitere Auslandsreisen führten ihn nach Italien, Polen, Österreich-Ungarn, Rumänien, Russland, Algerien und Peru. Nach über 20 Jahren bei Fowler kehrte er 1882 nach Deutschland zurück, wo er 1884 zusammen mit Adolf Kiepert die DLG gründete. Zweck der Gesellschaft sollte unter anderem sein, die Mechanisierung der deutschen Landwirtschaft voranzu-treiben. Eyth blieb bis zu seinem Ruhestand 1896 geschäftsfüh-render Direktor der DLG. Seine späteren Jahre erbrachte er in Ulm, wo er schriftstellerisch tätig war und 1906 im Alter von 70 Jahren starb.Der Flügel wurde 1894 von der Firma Bechstein im Auftrag der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft gebaut. Anlass war das zehnjährige Jubiläum der DLG, zu dem sie ihrem Gründer Max Eyth dieses Instrument schenkte. Das Gehäuse ist aufwändig ge-staltet und mit zahlreichen Schnitzereien verziert. Verschiedene Bilder auf dem Flügel zeigen wichtige Stationen und Themen im Leben von Max Eyth.

Die Innenseite des Vorderdeckels: Widmung der DLG an Max Eyth.

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Klaviertransport bedeutet fachmännisches Können, und als Spezialist für Klavier- und Flügeltransporte bietet Piano-Express hier seit 2001 einen kompletten Service, bei dem sich speziell geschulte Klavierträger um die kostbaren Instrumente zahlloser Geschäfts- und Privatkunden kümmern. Das Unternehmen wurde 2001 in Berlin gegründet, und nach anfänglich rein lokaler und regionaler Tätigkeit wurden schon nach einem Jahr die ersten europäischen Transporte in die Benelux-Länder, nach Frank-reich, Österreich und England durchgeführt.Sven Stier ist Marketing- und Vertriebsleiter: „Ich arbeite jetzt zwölf Jahre bei Piano-Express, und als ich anfing, hatten wir damals ungefähr 30 Mitarbeiter, jetzt sind wir 140.“ Von seinen Anfängen bis heute hat das Unternehmen ein stetiges Wachstum erfahren, neben der Hauptzentrale in Berlin gibt es mittlerweile Niederlassungen in Hamburg, Hilden, Lichtenfels und München.Auf die Frage, ob er selbst Klavier spiele, schüttelt Sven Stier den Kopf. „Nein, das überlasse ich gerne anderen. Es gibt Kollegen, auch unter den Fahrern, die sehr gut spielen können.“ Stier beschäftigt sich mit der Betreuung neuer und bestehender Kund-

IN SICHERENschaft, und er weiß alles über Logistik. „Mit 140 Mitarbeitern, 52 speziell für den Klaviertransport eingerichteten LKWs und Anhängern, ist die Organisation schon ein Aufwand. Hier kommt es auf gute Planung an.“ Er lacht. „Es ist bei uns anders als bei der Post. Mit einer flexiblen Planung können wir unseren Kunden binnen weniger Tage einen passenden Termin anbieten.“ Viele Privatkunden kennen inzwischen den Weg zu Piano-Express. Sven Stier: „Die Leute sehen den Vorteil eines professionellen Transporteurs. Unsere Fahrer sind speziell ausgebildet, sie wis-sen, wie sie mit den Instrumenten umzugehen haben. Wir bieten Haus-zu-Haus-Service. Unsere Mitarbeiter tragen Klaviere und Flügel auch über mehrere Etagen an jeden Standort, den der Kunde wünscht. Sollte ein Treppenhaus mal zu eng sein, finden wir eine Lösung. Man kann Instrumente zur Not demontieren oder hochkant tragen. Wir sind ja ein Spezialtransport. Unsere Fahrzeuge sind im Winter geheizt, sodass die Instrumente bei Frost keinen Schaden nehmen. Selbst Umzugsunternehmen wen-den sich an uns. Sie selbst übernehmen die Möbel und überlassen uns den Transport des Klaviers oder Flügels.“ Der Privatsektor ist ein wichtiger Teil der Aktivitäten von Piano-

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„So, oben ist er. Jetzt durch die Tür“, lautet auf halber Strecke der trockene Kommentar in einem Film auf dem YouTube-Kanal von Piano-Express, PianoExpressTV. Hier tragen vier Männer mit Muskelkraft und Sachver-stand einen Steinway-Konzertflügel von 480 KG durch ein enges Treppen-haus nach oben. Was für die meisten wie ein Hexenkunstwerk aussieht, ist für die Mitarbeiter von Piano-Express ganz normaler Alltag.

Professioneller Klaviertransport

Express. Dennoch überwiegt das Geschäft mit den Firmenkunden. Piano-Express arbeitet für Pianohersteller wie Bechstein, Grotrian- Steinweg, Kawai, Seiler und Schimmel. Dabei geht es einerseits um den Transport hoher Stückzahlen, andererseits um die Belie-ferung der Fachhändler, wie dem Pianohaus Klatt oder Piano Fischer. Neben den bedeutenden Einrichtungen wie der Philhar-monie in Berlin oder der Deutschen Oper Berlin gehören Groß-händler sowie wichtige Vertreter des Fach- und Einzelhandels zu den Kunden von Piano-Express.Weltweite Transporte durch die Luft oder per Schiff organisiert Piano-Express ebenfalls. „Piano-Express bietet jeweils die Abho-lung in Deutschland, die see- beziehungsweise luftfrachtmäßige Verpackung, die gesamte Zollabwicklung und Lieferung zum gewünschten Zielhafen an. Klavier- und Flügeltransporte per Containerschiff nach Übersee brauchen länger, sind aber im Ver-gleich zur Luftfracht die kostengünstigere Alternative. Pianos, die in Containern in Deutschland ankommen, werden von uns entla-den und ausgepackt. Wir können eine Oberflächenkontrolle der Klaviere oder Flügel durchführen und sie gegebenenfalls polie-ren, stimmen und zum Versand an den Fachhandel vorbereiten.“

Stier: „Wir übernehmen das gerne, doch die meisten Transporte geschehen innerhalb Deutschlands. Ebenfalls transportieren wir nach Österreich, der Schweiz, Frankreich und Italien. In einigen dieser Länder haben wir einen lokalen Partner, mit dem wir zusammenarbeiten. In den Benelux-Ländern ist das Griffioen.“ Als Transporteur hat Piano-Express viel mit der Vermietung von Instrumenten zu tun, allerdings nur als Spediteur. Stier: „Wir selbst vermieten nicht, sondern transportieren diese lediglich zu den Kunden. In allen unseren Filialen können Instrumente eingelagert werden, davon machen vor allem Privatkunden und Händler Gebrauch. Hersteller senden ihr Instrument direkt zum Fachhan-del. Mit unseren full service logistics entlasten wir unsere Kunden.“Nochmal zurück zu PianoExpressTV auf YouTube. Die Filme sind kleine Eindrücke: Flügel fliegt auf Dachterrasse, Klavier-transport aus dem achten Stock über 162 Stufen in Berlin-Fried-richshain, oder 26 Konzertflügel für das Geburtstagskonzert von Lang Lang in Berlin … Kein Berg ist Piano-Express zu hoch und keine See zu tief.

ERIC SCHOONES

HÄNDEN

www.piano-express.de

REPORTAGE

95PIANIST 1/18

DIETSCHI PIANOSUnweit von Zürich-Witikon, liegt zwischen Zürichsee und Greifensee die ehemalige Hofsiedlung Pfaffhausen. Wer den Ort durchquert, kommt an einem ungewöhnlichen Gebäude vorbei: rund wie ein Ufo und schwarz wie ein Konzertflügel. Letzteres verwundert nicht, befindet sich in dem spektakulären Bau doch ein renommiertes Klaviergeschäft mit Namen dietschi pianos. Die Geschichte des Betriebs führt zurück in das Gründungsjahr 1993. Damals startete Martin Dietschi das Unternehmen mit Leidenschaft und Freude in der elterlichen Garage, doch die wurde bald zu klein, weshalb man 2005 in den neuerrichteten Rundbau in Pfaffhausen einzog; dort richtete man neben den

Ausstellungsräumen auch gleich noch eine Werkstatt sowie einen großzügigen Flügelsaal ein. Das Team von dietschi umfasst zurzeit neun Mitarbeiter, aktuell gehört das Pianohaus zu den größten Yamaha-Händlern der Schweiz. Besondere Bedeutung haben hier die Modelle mit Silent- system, 80 Prozent von allen verkauften Yamaha-Instrumenten werden mit dieser Stummschalte-Vorrichtung geordert. Des Weiteren finden sich bei dietschi Klaviere und Flügel der Marken C. Bechstein, Steinway & Sons sowie Rönisch und Blüthner. Auch Digitalpianos der Marken Roland, Yamaha und Kawai sind verfügbar. Alle Instrumente können in dem repräsen-

Renommierte KLAVIERHÄUSER

Neben internationalen Festivals berichtet PIANIST über nationale und regionale Initiativen. Dabei spielen auch Klavierhäuser eine unverzichtbare Rolle.

Pfaffhausen bei ZürichMUSIKHAUS SCHLAILE Wer im Raum Karlsruhe ein Musikinstrument oder Noten kaufen möchte, kommt am Musikhaus Schlaile kaum vorbei. Es liegt im Herzen der Karlsruher Innenstadt, unweit von Schloss und Markt-platz, und kann bereits auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblicken. 1905 wurde das Geschäft in Karlsruhe gegründet, später kamen weitere fünf weitere Filialen dazu: in Pforzheim, Landau, Offenburg, Rastatt und Bruchsal. 1998 wurde das Pianohaus als selbstständige GmbH gegründet, geleitet wird es seit vielen Jahren von Hans Karst. Er hat in 40 Jahren so viele akustische Klaviere und Flügel verkauft, dass man locker jeden Bewohner einer Mittelstadt wie Lindau mit einem Instrument versorgen könnte: 25.000 Stück. Aneinander gereiht wäre das eine 37 Kilometer lange Schlange aus Klavieren. Auf zwei Etagen hat der Kunde die Auswahl zwischen zirka 80 Klavieren und 35 Flügeln, außerdem sind permanent 300 Mietklaviere in Umlauf; mieten, Mietkauf und Finanzierung eines Instruments sind zu verschiedenen Konditionen möglich. Als C. Bechstein Partner Centrum Karlsruhe stehen Instrumente der Marken C. Bechstein, Bechstein, W. Hoffmann und Zimmer- mann bereit, außerdem ausgestellt sind Instrumente von Bösen-

dorfer, Schimmel, Sauter, Steingraeber und Yamaha. Das Schlaile- Team umfasst acht Klavierbauer, darunter drei Meister, ein ver- eidigter Sachverständiger sowie zwei Auszubildende. Alle Instru- mente werden in der hauseigenen Werkstatt von Klavierbau-meistern restauriert und geprüft. Wer bei Schlaile ein Instrument kauft, bekommt dieses von einem speziellen Klaviertransporteur frei Haus geliefert, dabei erfolgt die erste Stimmung gratis durch hauseigene Stimmer.Neben akustischen Klavieren und Flügeln gibt es im Karlsruher Musikhaus auch eine große Auswahl an Digitalpianos, elektroni-schen Orgeln, Keyboards und Synthesizer für alle Einsatzbereiche; ein großes Angebot an Zubehör (Verstärker, Kabel, Leuchten, Koffer, Ständer und Bänke) rundet das Angebot ab. Und wenn einmal ein Digitalpiano Probleme machen sollte oder beim Keyboardverstärker die Sicherungen durchgebrannt sind, so können diese in der hauseigenen Elektronikwerkstatt repariert werden.Kaiserstraße 17576133 Karlsruhewww.schlaile.de

Karlsruhe

tativen Showroom getestet werden, dabei stehen die Mitarbeiter von dietschi gerne beratend zur Seite. Absolut professionell ist das Schweizer Klavierhaus auch, was Service und Reparaturen angeht, weshalb das Unternehmen in allen wichtigen öffentlichen Institutionen und Kulturhäusern in und um Zürich vertreten ist. Außer Vermietung, Verkauf und dem täglichen Betreuen der Instrumente, hat sich das Team von dietschi auf Komplettrevisionen spezialisiert. Da zur Werkstatt auch eine große Spritzkabine gehört, können die Gehäuse und Resonanzböden von Klavieren und Flügeln vor Ort lackiert werden. So werden aus ramponierten Instrumenten im Idealfall

wieder echte Schönheiten, an denen sich der Kunde erfreuen kann. Auch den Transport der eigenen Instrumente übernimmt dietschi persönlich, dabei stellen selbst Kran- oder Helikopter-transporte kein Problem dar.Einen großen Wert legt man im Unternehmen auch auf Aus- und Weiterbildung der Belegschaft, nur so sind hohe Standards bei der Arbeit gewährleistet.Zürichstraße 838118 Pfaffhausen bei Zürichwww.dietschipianos.ch

STINGRAY CLASSICA

Eine große Auswahl an Musikvideos bietet Stingray Classica auf Amazon in England und Amerika an. Seit Dezember ist der Dienst auch in Deutschland erreichbar. Im Moment befinden sich rund 200 Titel im Sortiment, und das Ange-bot wächst stetig. Klassikliebhaber haben die Wahl: Die Sammlung The Archive präsentiert große Aufnahmen legendärer Interpreten (unter ihnen Arthur Rubinstein, Leonard Bernstein, Martha Argerich, Igor Strawinsky als Dirigent, Maria Calls, Murray Perahia, Emil Gilels, David Oistrach, Mstislaw Rostropowitsch), die mit Hilfe neuester Digitaltechnik remastert und mit Kom-mentaren unterlegt wurden. Eine ebenfalls reiche Auswahl bietet Stingray Classica im Bereich se-henswerter Dokumentationen mit hohem Infor-mationsgehalt, die Serie Discovering Music Mas-terpieces beleuchtet die Themenbereiche Tanz, Ballett, Oper, wirft aber auch einen Blick auf junge Künstler und musikalische Innovationen wie das Pedal Piano.

DAS HERZ VON CHOPIN

„Wir gratulieren dem Klavierfestival Ruhr zu seinem 30-jährigen Jubiläum. Es war und ist uns eine Herzensangelegenheit, das Klavier- festival als Sponsor zu unterstützen, denn der

Duisburger Hafen hat sich stets als Förderer der Kultur verstanden. Das Zusammenspiel von Wirtschaft und Kultur sind in unserer Region ein wichtiger Beitrag für das Zusammenleben.

GLÜCKWÜNSCHE AN DAS KLAVIER-FESTIVAL RUHR

Handel und die Kultur verbinden Menschen, Regionen und Nationen“, so duisports Vor-standsvorsitzender Erich Staake.

Frédéric Chopin ist an den Folgen einer seltenen Komplikation der Tuberkulose gestorben. Das ist die Schlussfolgerung eines Teams polnischer Wissenschaftler nach der Untersuchung seines Herzens. Während sein Körper auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris bestattet wurde, wird sein Herz in einem mit Cognac gefüllten Kelch in der Heilig-Kreuz-Kirche in Warschau verwahrt. Die Untersucher haben das Gefäß nicht geöffnet, konnten aber dennoch feststellen, dass Chopin

an Perikarditis, einer Entzündung des Herzbeu-tels, litt. Der Teamleiter der Untersuchung, Mi-chael Witt, sagte im Observer: „Auf Grundlage des Zustandes des Herzens können wir mit gro-ßer Wahrscheinlichkeit sagen, dass Chopin an Tuberkulose litt und dass die Perikarditis die unmittelbare Todesursache war“. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in The American Journal of Medicine erschienen.

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www.bit.ly/ClassicaAmazon

102 PIANIST 1/18

NEWS

Darmstadt – ChopinIn Darmstadt wurde der 11. Internationale Chopin-Klavierwett- bewerb ausgerichtet, organisiert von der Chopin-Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Wettbewerb wurde 1983 zum ersten Mal abgehalten und richtete sich ursprünglich an Pia-nisten aus Deutschland. Mit der dritten Ausgabe stand der Wett-bewerb dann auch Pianisten aus ganz Europa offen, vollständig international ist der Wettbewerb seit der neunten Ausgabe 2009. Über viele Jahre hinweg war der polnische Pianist Maciej Łukasz-czyk maßgeblich am Wettbewerb beteiligt, 2014 jedoch wurde er als Vorsitzender der Chopin-Gesellschaft von der wesentlich jüngeren polnischen Pianistin Aleksandra Mikulska abgelöst.Der Darmstädter Chopin-Wettbewerb erfreute sich stets einer großen Nachfrage. So meldeten sich etwa im Jahr 2009 ganze 130 Teilnehmer an. Insofern war das nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass im Jahr darauf in Warschau der große Chopin- Wettbewerb stattfand. So diente der Wettbewerb in Darmstadt zahlreichen Pianisten als zusätzliche Teststrecke und ergänzende Vorbereitung auf die Veranstaltung in Warschau. Seine Jury setzte sich dabei stets aus namhaften Pianisten zusammen, von denen die meisten einen besonderen Bezug zu Chopin aufwiesen: Halina

Czerny-Stefanska, Eugene Indjic, Kevin Kenner, Ewa Poblocka, Dang Thai Son, um nur ein paar Namen zu nennen. Inhaltlich hat sich der Wettbewerb in Darmstadt immer weiter- entwickelt. Auch im vergangenen Jahr gab es eine Reihe von Inno-vationen. Am Ende der ersten Runde erhielten die Teilnehmer nun die Option, noch einmal zusätzlich aufzutreten und über ein Thema zu improvisieren, das man ihnen zwei Stunden zuvor gegeben hatte. Gerade einmal sechs Pianisten waren mutig genug, wobei zwei von ihnen besonders hervorstachen und sich den Sonderpreis hierfür teilen durften: Angelo-Thomas Curuti und Piotr Pawlak. Zu den neuen Besonderheiten gehört auch, dass Kammermusik gespielt wurde: Alle Finalisten hatten nicht nur die Aufgabe, ein Klavier-konzert von Chopin zu interpretieren, sondern mussten auch des-sen Sonate für Violoncello und Klavier vorbereiten. Im Vergleich zu anderen internationalen Klavierwettbewerben zeichnet sich Darmstadt durch die großzügige Anzahl der Finalplätze aus: Seit 2009 werden jedes Mal acht Pianisten zum Finale zugelassen.Insgesamt gab es viel Schönes zu erleben und zu hören. Überraschend war das beeindruckende, lebendige Spiel der gerade 16-jährigen Joanna Goranko. Sie kam ins Finale, konnte aber keinen Haupt-preis mit nach Hause nehmen. Auch der blinde Teilnehmer Luo Xin

Wie in der vorigen Ausgabe

angekündigt, möchten wir

an dieser Stelle über einige

internationale Klavierwett-

bewerbe berichten, die in

den vergangenen Monaten

stattgefunden haben.

Piotr Pawlak, Erster Preis in Darmstadt

Chopin & Beethoven

104 PIANIST 1/18

88 KEYS TO HEAVEN

Piano Days in Luxemburg

SPOTLIGHT LUXEMBURG

Jean Muller, der erst kürzlich mit seiner CD-Aufnahme der Gold-berg-Variationen für Furore sorgte, ist stellvetretender Leiter der Klavierabteilung des Konservatoriums in Luxemburg und koordi-niert das Projekt. „Der 88. Tag des Jahres, der 29. März, ist traditionell Piano Day, und dieses Datum wollen wir mit unserem dreitägigen Festival begehen. Entstanden ist es aus einer früheren Veranstaltung: 88 keys to heaven, einem Konzert von Studenten, das beim luxem- burgischen Publikum immer ein großer Erfolg gewesen ist. Dieses Konzert integrieren wir jetzt in das Festival. Vielleicht werden wir in den kommenden Jahren auch noch mit einem weiteren Schwerpunkt arbeiten, aber wir wollen der Außenwelt vor allem die Dynamik des Konservatoriums zeigen. Alles ist der Öffentlich-keit zugänglich.“ Das Festival wird in einem der größeren Säle in Luxemburg statt-finden, in der Cercle Cité. „Das ist der alte, aus dem 19. Jahrhundert stammende Festsaal der Stadt. Es ist eine sehr schöne Erfahrung, gemeinsam mit der Stadt das Klavier und das Musizieren im All-gemeinen zu promoten.“

Die Piano Days werden in Luxemburg vom 23. bis 26. März ausgiebig gefeiert, dieses Jahr im Rahmen einer Zusammenarbeit des Conservatoire de la Ville de Luxembourg und Cercle Cité. Große Namen stehen dabei auf dem Programm, darunter Alfred Brendel und Anne Queffélec. Der luxemburgische Pianist Jean Muller berichtet.

PROGRAMM

Freitag, 23. März | Cercle Cité (Grande Salle)

18:00 Eröffnung mit Marc Meyers und Alfred Brendel

Vortrag: Beethovens letzte Klaviersonaten

und sein später Stil

20:00 Rezital Anne Queffélec

Samstag, 24. März | Cercle Cité (Grande Salle)

10:00-13:00 Masterclass Anne Queffélec

15:00 88 keys to heaven

Konzert von Schülern des Konservatoriums

19:00 Konzert von Dozenten des Konservatoriums

Sonntag, 25. März | Cercle Cité (Grande Salle)

10:00-12:00 Wettbewerb für junge Pianisten I

14:00-16:00 Wettbewerb für junge Pianisten II

18:00-19:00 Preisverleihung und Preisträgerkonzert

WettbewerbZunächst gibt es einen Klavierwettbewerb, der allen offensteht, die an einer der Musikschulen der Stadt oder am Konservatorium Klavierunterricht erhalten. Es gibt drei Alterskategorien: 7-10 Jahre, 11-14 Jahre und 15-20 Jahre. In jeder Kategorie ermittelt die Jury einen Preisträger, der die Möglichkeit erhält, im kommenden Schul- jahr ein Stück für Klavier und Orchester mit dem Ensemble des Konservatoriums aufzuführen. Jean Muller: „Das Konservatorium in Luxemburg hat eine große Klavierabteilung mit zwölf Dozenten, die Meisterkurse werden von verschiedenen Professoren aus ganz Europa abgehalten. Die Meisterkurse finden am 24. und 26. März statt, am 26. März mit Konstanze Eickhorst, Professorin in Lübeck, und Thomas Duis, vormals Direktor der Universität in Saarbrücken. Michael Schäfer habe ich ebenfalls eingeladen, er ist einer meiner Lehrer, und Helen Krizosis ist Leiterin der Klavierabteilung an der Hochschule in Manchester.“Geplant ist, die Veranstaltung künftig alle zwei Jahre abzuhalten, darüber hinaus führt das Konservatorium für seine Studenten ein neues Meisterkurs-Programm ein, das fünf Mal im Jahr stattfinden soll. Wie schätzt Muller den Effekt von Meisterkursen ein? „Es ist sehr gut für Studenten, mit diversen Ideen und Auffassungen in Kon-takt zu kommen. Das regt die Motivation an.“

BrendelDaher ist Muller auch froh über die Zusage von Alfred Brendel, einen Vortrag über die drei letzten Sonaten von Beethoven zu hal-ten. „Es ist wirklich eine sehr wertvolle Erfahrung, einem seiner Vorträge beizuwohnen. Es ist wichtig, dass wir eine Stimmung von Neugier und Kreativität erzeugen und echte Expressivität auf die Bühne bringen. Deshalb organisieren wir auch ein Lehrerkonzert und Studentenkonzerte, in denen die besten Studenten spielen. So schaffen wir die Atmosphäre eines dynamischen Happenings, eines Events, das Menschen inspirieren kann, selbst Musik zu machen.“

ERIC SCHOONES

www.cerclecite.lu www.conservatoire.luFO

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SPOTLIGHT LUXEMBURG

111PIANIST 1/18

Ein einzelner Klavierton ist im Vergleich zu einem mit Vibrato gestalteten Einzelton auf der Violine oder Oboe eine unspektaku-läre Angelegenheit. Farbig und schön wird ein Klavierklang erst durch die akustischen Wechselwirkungen, die zwischen mehreren gleichzeitig erklingenden Tönen entstehen. Doch wenn auf einem Flügel die Tasten angeschlagen werden, dann schwingen nicht nur die Saiten, sondern auch die Teile der akusti-schen Anlage wie der Gussrahmen, die hölzerne Raste mit Stimmstock und der Resonanzboden. Dies ist auch so gewollt, denn anders kann gar kein raumfüllender Klavierklang erzeugt werden. Allerdings entstehen dabei auch dissonant klingende Schwingun-gen, die von der gewünschten Grundfrequenz eines Tones abwei-chen. Der Schweizer Psychoakustiker Corrado Faccioni entwickelte nach vielen Jahren an Forschung Akustikelemente, die versprechen, diese störenden Frequenzen zu reduzieren. phiTon-Resonatoren nannte er sie, nach dem griechischen Buchstaben phi. Hierbei han-delt es sich um gerillte Elemente aus Stahl mit einem Kupferkern. Für ein Klavier reichen drei Resonatoren, für einen Flügel benötigt man sieben Elemente.Beim Klavier wird ein großer Resonator links neben der Klaviatur platziert, während das kleinere phi-Ton-Element rechts vom Tasten-feld aufgestellt wird. Fehlt nur noch die Klammer mit zwei kleinen Resonatoren, die wird in der Mitte des Oberrahmens bei geöffne-tem Klavierdeckel angeklemmt.

Bei der Verwendung am Flügel wird je ein Element rechts und links vom Notenpult sowie rechts und links von der Klaviatur aufgestellt. Ein weiterer Resonator findet Platz auf der hinteren Kante des Rim, außerdem erhält die die Deckelstütze eine Klammer mit zwei klei-nen Resonatoren. Anstatt zwei Elemente an beide Seiten des Noten-pults zu stellen, kann man diese auch auf den Kreuzungspunkten des Gussrahmens unterbringen.Nun sollte das System im Test zeigen, was es wirklich bringt. Wir spielten einen Flügel der Premiumklasse zunächst ohne Resonato-ren. Das Instrument klang sehr ausgewogen, es bereitete Spaß, dar-auf zu spielen. Nun wurden die Resonatoren angebracht und der Effekt war sofort zu vernehmen. Insbesondere die Mittellage klang deutlich klarer, die einzelne Töne waren schärfer voneinander abge-grenzt, das Instrument tönte schlichtweg reiner, da der klangliche „Schmutz“ beseitigt wurde, und auch das Spielgefühl änderte sich, der Flügel spielte sich geschmeidiger. Fazit: eine lohnende Klang-modifikation, die sich leicht installieren und im Köfferchen überall hin mitnehmen lässt. Das Set mit drei Resonatoren fürs Klavier kostet 480 Euro, die sieben Resonatoren für den Flügel sind für 1.140 Euro zu haben.

MARIO-FELIX VOGT

Beim Klavierspiel durch Schwingungs-

überlagerungen entstehen Oszillationen, die mitunter

klanglich als beeinträchtigend empfunden werden.

Die phiTon-Resonatoren versprechen eine

Reinigung des Klangs. Wir haben sie getestet.

Die Klangreiniger

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115PIANIST 1/18

BEETHOVENTRIPELKONZERT – KLAVIER-KONZERT NR. 3Lars Vogt (Klavier, Leitung),

Christian Tetzlaff (Violine),

Tanja Tetzlaff (Violoncello),

Royal Northern Sinfonia

Ondine ODE 1297-2 • 70’

Bewertung: 10

Dass Lars Vogt ein begnadeter Pianist ist, dürfte allgemein bekannt sein. Dass er auch als Orchesterleiter ein hervorragendes Händchen besitzt, ist relativ neu. Wer die orchestrale Einleitung des ersten Satzes von Beethovens drittem Klavierkonzert hört, wird angenehm überrascht sein: Die Balance zwischen den verschiedenen Orchester-gruppen, in der jede Gegen-melodie und jede Begleitfigur ihr eigenes Gewicht bekommt, könnte kaum stimmiger sein. Besonders hervorstechend: die prachtvollen Bläserfarben. Dabei geht er frisch und dynamisch ans Werk, es gibt subtile, treffsichere, winzige Nuancierungen im Tempo. Vogt selbst spielt bis in die feinste Schattierung hinein durchdacht, er zeigt sich insbesondere im zweiten Satz als Meister der Farbgebung. Auf jeden Fall gehört diese Einspielung des Tripelkonzer-tes nicht auf den Stapel mit den soundsovielten Aufnah-men dieses Kronjuwels in Beethovens Œuvre: Nicht nur das Trio der Solisten arbeitet hervorragend zusammen und kennt seine Rollenverteilung, auch das Orchester atmet auf einem Atem mit. Und die Noten bekommen alle Auf-

merksamkeit, die sie verdie-nen, ob sie nun dem Gesang dienen oder die Revolution predigen. Ist es angesichts der zahlreichen Vergleichsauf-nahmen auch schwierig, noch aufzufallen, so ist es Vogt und seinen Mitstreitern dennoch gelungen. Maurice Wiche

BEETHOVEN/LISZTSÄMTLICHE SINFONIENYury Martynov

(Érard 1837 –

Blüthner ca. 1867)

ALPHA 374 • DDD-6.07’

(6 CD)

Bewertung: 10

Hier kämpfen Bewunderung und Wertschätzung darum, ob dem Komponisten oder dem „Bearbeiter“ der Vorrang gebührt. Natürlich hat Beethoven überall und immer die Nase vorn. Aber ohne Frage erweist sich Liszt bei der Transposition einer derartigen orchestralen Palette auf das Klavier als schlichtweg genial. Hier stellt er keine „freien“ Bearbeitungen her wie in seinen Opern- und Orches-terparaphrasen, sondern eine möglichst buchstabengetreue Übersetzung der Partitur, die jede Note berücksichtigt. Angereichert ist sie mit raffinierten Einfällen, die Orchesterklänge von Holzblä-sern, Blechbläsern, Streichern und Pauke suggerieren und diese auf verblüffende Weise auf dem Klavier hörbar machen. Und dann ist ja auch noch Yury Martynov da, der in der Lage ist, diese Vielfalt an

Nuancen zu vermitteln, und zwar auf zwei prachtvollen historischen Instrumenten aus der Sammlung von Edwin Beunk. Der Érard von 1837 klingt hell und kraftvoll (in der ersten, zweiten, sechsten und siebten Symphonie), der Blüthner von 1867 ist kräftig und etwas weicher im Klang (in der dritten, vierten, fünften, achten und neunten Symphonie). Freilich, diese Einspielung ist nicht die erste ihrer Art, und es waren nicht die Geringsten, die hier vorangingen. Cyprien Katsaris (Teldec) und Leslie Howard (Hyperion) haben hier auch schon reüssiert, jedoch ohne den „Wow-Faktor“, den Martynov hervorkitzelt. Er spielt so, wie ein energischer Dirigent ein Orchester leiten würde, hat aber im Gegensatz zu diesem den Vorteil, dass er alles, bis in die feinsten Nuan-cen hinein, buchstäblich selbst in der Hand hat und so sub-tiler reagieren kann als jedes Orchester. Martynov färbt je-den Takt nach der Instrumen-tierung. Er legt die Struktur frei und macht Details hörbar, die in der symphonischen Besetzung untergehen. Sein Sinn für Phrasierung und seine rhythmische Präzision machen die Auseinandersetzung mit seinem Spiel zu einem aufregenden Prozess. Das ist alles von einer solchen Güte, dass es schwierig wäre, einen Höhepunkt herauszuheben. Man achte beispielsweise nur einmal auf die optimistische Leichtigkeit, mit der die erste Symphonie gefärbt ist, oder auf die Helligkeit und Präzisi-on im Schlussteil der vierten. Hörenswert auch, wie er die Vitalität der Siebten erzeugt. Die neunte Symphonie ist in jeder Hinsicht ein Kraftakt, sowohl für den Komponis-ten Liszt, der alles auf die

Möglichkeiten eines Klaviers übertragen musste, als auch für Yury Martynov, dessen Auf-gabe es ist, die Spannkraft der langen und komplexen Teile aufrecht zu erhalten. Von der Bedrohlichkeit der absteigen-den Quinten im Eröffnungs-satz über das aufgepeitschte Scherzo und den melodischen Gestus des Adagio molto bis zum hoch sich aufschwingen-den, supervirtuosen Finale, alles ist makellos und in den Proportionen gut abgestimmt. Als Liszt seine Transkriptionen veröffentlichte (1865), leistete sein Werk unschätzbarem Hilfe dabei, ein breiteres Pu-blikum mit Beethovens Sym-phonien vertraut zu machen. Heute bieten diese Ausführun-gen für alle Beethoven-Lieb-haber die Gelegenheit, diese Werke in einem anderen Licht quasi neu zu genießen. Hans Quant

ALBÉNIZ, RAVELEVOCACIÓN (AUSWAHL AUS IBERIA – LE TOMBEAU DE COUPERIN)Mengjie Han (Klavier)

Cobra Records 0058 • DDD-

63’

Bewertung: 9

Der Titel des Albums Evocación ist wohlbedacht. Das Wort Evokation bedeutet das Hervorrufen von inneren Bildern. Oder von Gefühlen, und genau das macht diese CD mit ihrem Hörer. Gleichzei-tig handelt es sich dabei auch um den Titel eines der Stücke aus Iberia von Albéniz. Der Zy-klus ist eine Hommage an das Geburtsland des Komponisten.

Das ausgesprochen impres-sionistische Werk kombiniert spanische Volksmusik mit dem transzendentalen Idiom von Liszt. Wasser auf den Mühlen von Mengjie Han, dem jungen niederländischen Pianisten, der 2014 als einer der Sieger aus dem International Franz Liszt Piano Competition hervorgegangen ist. Eine Geschichte verbirgt sich aber auch hinter Ravels Le tom-beau de Couperin. Besser ge-sagt: sechs Geschichten, denn jeder Teil dieses Werkes ist einem von sechs Freunden des Komponisten gewidmet, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Mengjie Han gehört zu den Pianisten, die die Vorstel-lungskraft anzuregen wissen, eine Fähigkeit, die unmittelbar aus seinem farbigen, fantasie-vollen Spiel entspringt. Dank vollkommener Beherrschung der Technik kann er sich auf die Geschichten hinter den Noten konzentrieren und sie – augenscheinlich mühelos – dem Zuhörer vermitteln. Sein Spiel ist dermaßen fesselnd, dass ich ihm endlos zuhören könnte. Und das mache ich auch: Die Repeat-Taste ist gedrückt. Basia Jaworski

J. S. BACHGOLDBERG-VARIATIONENJean Muller (Klavier)

Hänssler Classic 17059 •

DDD-49’

Bewertung: 9

Im Juli 2017 zum Künstleri-schen Leiter des Orchestre de Chambre du Luxembourg avanciert, ist Jean Muller

REZENSIONEN REZENSIONEN

116 PIANIST 1/18


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