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Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für ... · PDF...

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Kommunikation – Konflikt - Kontakt Praxis für Supervision, Coaching und Mediation email: [email protected] Norbert Scholz: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen
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Kommunikation – Konflikt -

Kontakt

Praxis für Supervision, Coaching

und Mediation

email:

[email protected]

Norbert Scholz: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen

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Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen

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Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Supervision

Würzburg, Karlstadt, 2015

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Scholz, Norbert: Supervision und Konfliktklärung – für Teams und Organisationen

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Konfliktklärung – in der Supervision

Ein Grenzgang zwischen Supervision, Mediation und Klärungshilfe Steigender Blutdruck, feuchte Hände, leicht gerötete Hautmaserung oder

abgewandter Blick, verkrampfte Körperhaltung, minimaler Ausdruck – die

somatischen Ausdrucksformen von Betroffenen, wenn sie einen Konflikt erleben,

sind so vielschichtig, aber oft auch gut wahrnehmbar für Außenstehende.

Konflikte sind in der Arbeit alltäglich und in der Regel kein personifizierbares

Problem, sondern das Nadelöhr zur Weiterentwicklung der Alltagskommunikation,

der Aufgaben- und Strukturklärung in Teams und Organisationen.

Fragt man die Personalentwicklerin heute nach Lösungsstrategien für Konflikte fällt

ihm ganz schnell "Mediation" als Unterstützungsinstrument ein. Mediation hat sich

in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert geschaffen, einen, der sich auch im

Alltagssprachgebrauch verankert hat und von dem Supervisoren nur träumen

können.

Die unübersichtliche Vielfalt methodischer Herangehensweisen, die bisweilen

überschaubar-knappe Ausbildung der Praktizierenden und die Beliebigkeit der

Einsatzfelder, die sich unter Mediation subsummieren, lässt indes viele fragend

zurück.

Jetzt hat sich in den letzten 10 Jahren noch ein drittes Format zur Unterstützung in

Konfliktlagen zunehmend etabliert, die Klärungshilfe, wie sie C.Thomann erstmalig

formulierte.

Als Supervisor in nahezu 20-jähriger selbständiger Praxis sind mein primärer

Auftragsgegenstand aber auch Konflikte, weniger die kochenden, eher die

eingefrorenen oder zunehmend heißer werdenden. Wie viele Teams suchen

Teamsupervision, wenn nicht Konflikte, die zudem oft noch ganz anders bezeichnet

werden, die eigenständige Aufgabenklärung behindern? Dies heißt dann

"Störungen", das "Team muss mehr zusammenkommen", "Vereinbarungen werden

nicht eingehalten", "Diskussionen laufen mühselig". Diese Störungsbeschreibungen

werden bisweilen nur dezent und von einzelnen wahrgenommen geschweige denn

artikuliert.

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Manchmal liegt der gefühlte Konfliktverursacher auch im außen, das ist dann der

zaudernde Chef, die undankbare Organisation, die dominante Parallelabteilung.

Auch Menschen in der Einzelsupervision/ -coaching suchen in der Regel die

Beratung

(in diesem Kontext verwende ich Supervision und Coaching synonym, deren

vorhandene Unterschiede müssen an anderen Orten definiert werden)

als Unterstützung in Konfliktkonstellationen und seien es Konflikte mit eigenen

divergenten Anteilen (einerseits....andererseits). Eine konfliktfreie Auftragslage

erlebe ich im Kern nur in Gruppensupervisionen, in denen die Teilnehmenden keine

gemeinsame Arbeitsaufgabe teilen. (auch dort können sich welche entwickeln, sind

aber nicht offener oder versteckter Auftrag).

In meiner Alltagspraxis fällt mir Immer wieder auf, dass zwar häufig meine

Kompetenz bei Konflikten nachgefragt werde, oft aber nicht als Supervisor (das ist

meine berufliche Kernidentität), manchmal als Mediator, nicht selten mit einem

"da müsste man mal was machen". Andererseits wird Supervision naiv bei

hocheskalierten Konflikten gewünscht, wofür dieses Format dann wirklich nicht

mehr hinreichend ist.

Im Folgenden möchte ich aufzeigen, welchen Grenzgang der drei genannten

Formate ich als wegweisend empfinde, unter der Prämisse, dass Supervision die

erste Anlaufstelle für Konfliktlagen ist. Dem Berater/Supervisor kommt die

Kernaufgabe zu,

- die Auftragslage gut zu verstehen (was oft erst im laufenden Prozess

möglich ist),

- ein tiefes Verständnis zu (und im Prozess weiterzu-)entwickeln: Was ist

eher ein strukturbedingter Organisationskonflikt, ein gruppendynamischer

Team-, oder ein persönlichkeitsbedingter Beziehungskonflikt. Bzw., welche

Anteile wirken hier wie zusammen.

- eine innere Konfliktbearbeitungsstrategie zu entwickeln,

- variabel in der Gestaltung der Settings aufzutreten und

- nicht zuletzt methodische Elemente aus allen drei Formaten zur Verfügung

zu haben, um auf die entsprechende Auftragslage adäquat zu antworten.

Der Begriff des "Formats" (Buer) hat für mich hier eine hohe Relevanz. Er

unterscheidet hier zwischen "Verfahren", also intensiv konzeptualisierte

Denkschulen, wie z.B. der Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, Psychodrama,

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nondirektive Gesprächstherapie und "Methoden" (= zirkuläres Fragen, leerer Stuhl,

fish-bowl......). Als Formate lassen sich strukturierte Rahmenbedingungen

verstehen, Gefäße, in denen die Verfahren praktiziert werden wie Unterricht,

Psychotherapie, Fortbildung oder eben auch Supervision und Mediation. Die

Klärungshilfe will sicher auch ein Format sein (oder ist sie nur ein komplexes

Methodenbündel?).

1. Supervision und Konfliktlagen

Ganz selten erlebe ich bei Supervisionsanfragen, dass die Existenz von Konflikten

frühzeitig geschildert wird. Wenn Teamteilnehmer anfragen, dann will "das Team

zusammenwachsen", die "Integration neuer Mitglieder klappt nicht",

unterschiedliche "Interessenslagen erschweren die Zusammenarbeit", etc.. Aus

deren Sicht scheint das Wort Konflikt oft noch derart angstbesetzt und mit hoher

Eskalationsstufe verbunden, dass sie von dieser Beschreibung zurückschrecken.

Wenn Führungskräfte für Ihre Mitarbeiter um Supervision anfragen, formulieren sie

"Störungen, auch mal gravierendere Störungen, in der Zusammenarbeit", eine

konflikthafte Beteiligung ihrer Person am Geschehen wird selten genannt, wenn

dann "kann sein, dass ich auch nicht ganz unbeteiligt bin". Aufgrund dieser

Situationsdeutungen bin ich ja bereits gefordert, zumindest für das

Auftragsklärungsgespräch ein stimmiges Setting und stimmig betroffene Personen

für diese Kontraktsitzung vorzuschlagen. Inwieweit sich hinter diesen ersten

Beschreibungen in welcher Art eskalierte Konflikte verstecken, sind aufgrund von

großer Erfahrung zu ahnen, aber noch nicht zu benennen. Unter Umständen - gar

nicht als Ausnahme - hat der bisher Ruhigste und „Zurückhaltendste“ aus dem

Team den größten Konflikt, einer, der für die Auftragsklärung leicht übersehen

hätte werden können. Im Laufe eines offen gestarteten Sv-prozesses kann ich für

mich nach der Auftragsklärung erste Hypothesen bilden, die zu diesem Zeitpunkt

noch kaum bestätigt werden würden, würde ich sie laut artikulieren. Gerade Teams

haben oft eine große Meisterschaft im Verstecken der Kernkonflikte entwickelt und

bieten durchaus überzeugend und nicht bewusst inszeniert spannende

Nebenbaustellen zur Reflexion an.

Beispiel: eine Mitarbeiterin eines Teams von 9 Beratern in der Migrationshilfe fragt wegen Supervision an. Schon die Dauer bis zum Kontraktgespräch zieht sich über 3 Monate, ebenso lange dauert es, bis das Team inkl. seinem Leiter die Supervision konkret beauftragt. Störungen in der Zusammenarbeit sind schon im

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Kontraktgespräch spürbar, die ich auch thematisiere, worauf ich aber noch keine Resonanz erfahre. Ein großer Strauß an Themen und Zielen wird genannt. Schon zu Beginn des Sv-prozess wird das Bedürfnis nach Beziehungsklärungen formuliert, im Folgenden dann, werden diese, sobald die Beteiligten ausfindig gemacht sind, zurückgeschoben. "Heute bin ich nicht in der Lage dazu", "Ach, das hat sich erledigt, ich habe das gut einsortiert". Selbst der relativ konfliktfreudige Leiter wirkt enttäuscht, wenn er Konflikte anspricht, auf die keiner mehr eingehen will. So dauert es 6 Sitzungen, bis sich die Atmosphäre aufgewärmt hat, ein Grundvertrauen tragbar scheint, und die ernsthafteren Störungen zwischen einzelnen Teilnehmern thematisierbar erscheinen. Diese Konflikte erwiesen sich dann als gar nicht so hoch eskaliert, im Erleben der harmoniebedürftigen Mitarbeiter in einer sehr konfliktvermeidenden Organisation schienen sie ihnen lange unbesprechbar. Bedeutsamere Konflikte kann ich häufig in der dritten bis vierten Sitzung derart

markieren, dass sie benennbar sind und dadurch bearbeitbar werden. Würde ich

diese versteckten Konflikte zu früh als solche benennen, käme eine große Anzahl

von Auftragslagen nicht zustande. In Supervisionen gibt es sensible Phasen, in

denen das Kind beim Namen genannt werden kann und unsensible Phasen, die sich

in Widerstand ausdrücken.

Das klassische Supervisionssetting umfasst eine Sitzungsdauer von 2 (bis zu 3

Stunden) in einem 3-6 wöchigen Turnus und ist heutzutage nicht selten auf eine

engere Sitzungsanzahl (z.B. 6 Sitzungen) begrenzt. (die allerdings bei hilfreicher

Entwicklung auch gerne verlängert wird). Sie passt sich insofern relativ gut in eine

normale Arbeitswoche ein, der Akutaufwand ist überschaubar.

Ein weiterer zentraler Faktor sind die zwischen den Sitzungen liegenden Wochen

des (Zusammen-)Arbeitens. Eingefrorene Konflikte lassen sich in einer Sitzung

"antauen", die Protagonisten nehmen dieses „Angetaute“ mit, machen ihre

Zwischenerfahrungen und entwickeln die Bereitschaft, den "Tauprozess"

fortzusetzen in der folgenden Sitzung. Vereinbarungen oder Erkenntnisse, die

erzielt wurden, können dem Realitätscheck unterworfen werden (Was bewährt sich

wie im Alltag?), werden mit Sicherheit (durchaus auch vom Supervisor) in der

kommenden Sitzung nochmal aufgegriffen, modifiziert oder aus einem neuen

Blickwinkel beleuchtet.

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2. Konfliktklärungshilfe

Die Klärungshilfe, deren prägnanteste Vertreter Thomann und C. Prior sind, haben

ein wohldurchdachtes Vorgehen für eskalierte Konflikte entwickelt. Deren

deutlichste Merkmale sind:

• Arbeiten in längeren Zeitblocks (häufig ein ganzes Wochenende als

Bearbeitungszeitraum)

• höchst intensive Auftrags- und Vorklärung:

- keine Vorklärung mit den Parteien

- aber Intensives Einholen der Beteiligung und der Bereitschaft

beim Hierarchiehöchsten des Konfliktsystems (unter Umständen

sehr lange Auftragsklärungsphase)

• die Notwendigkeit zum emotionalen Kern der Konfliktantagonisten

vordringen zu wollen

• Methode des Doppelns im "Dialog der Wahrheit" (die Phase, die auf die

emotionalen Tiefenschichten fokussiert).

Dieses in sich sehr stimmige, auf hohe Authentizität und Direktheit ausgelegte

Vorgehen, hat viele Vorteile:

- Für ein Wochenende bleiben die Beteiligten intensiv am Konfliktthema dran.

- Die Chefetage ist involviert.

- Echte Klärungen benötigen das Berühren tiefer emotionaler Schichten

An Nachteilen sehe ich jedoch:

- man kann erst anfangen, wenn alle Betroffenen (oder die meisten) auch bereit

sind, die Störung einen „Konflikt“ nennen

- diesen Zeitaufwand en bloc zu fordern, stößt an viele organisationale Grenzen

- die emotionale Tiefenschicht anrühren zu wollen, evoziert bei vielen "normalen"

Arbeitnehmern hohe Widerstandskräfte

In meinem Grenzgang können die Supervisorinnen aber wesentliches aus der

Klärungshilfe lernen:

a) ohne ausführliche Beteiligung und Reflexion mit dem betroffenen

Hierarchiehöchsten haben Konfliktklärungsbemühungen zu wenig sicheren

Boden

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b) die Bereitschaft und Fähigkeit des Konfliktklärers/Supervisors emotionale

Tiefenschichten zu berühren, schützt uns vor oberflächlichen Sachlösungen,

die bisweilen nur eine geringe Karenzzeit besitzen.

c) das Doppeln als Konfliktklärungs- und Verstehensmethode ist ein einzigartiges

Instrument aus der Gestaltpsychotherapie oder dem Psychodrama, das Dialoge

entzerrt, verlangsamt, so dass die unterschiedlichen Deutungen der

Konfliktpartner zunächst nachvollziehbarer und in Folge davon verstehbar

werden.

3. Mediation

Im Unterschied zur Klärungshilfe ist das Feld der Mediation bei weitem nicht so

homogen. Dutzende Ansätze reflektieren derart unterschiedliche Einsatzfelder

(Paar-Mediation, Mediation bei Bauprojekten im öffentlichen Raum,

Wirtschaftsmediation, u.v.a.), dass von einem gemeinsamen Vorgehen kaum

gesprochen werden kann. In Fällen hochstrittiger Paarauseinandersetzungen bei

Scheidung verordnen Familiengerichte und Erziehungsberatungsstellen Mediation

nach einem eng definierten Regelungskorsett. Dies ist die klar umrissene

Mediationsaufgabe einerseits. Bei einem öffentlichen Großkonflikt zwischen

Anwohnern und jugendlichen Festgästen mit täglich wechselnder

Musikbeschallung halten sich öffentlich bezahlte Mediatorinnen wochenlang auf

einer Berliner Brücke auf, um über „Gut-zu-reden“, verständnisweckendem small-

talk und diversen runden Tischen eine Lösung zu finden. Das soll beides das gleiche

Format sein?

Das Harvard-Verfahren, ein wichtiges Mediationskonzept, stellt einige wichtige

Schritte im Aushandeln eher politischer Meinungsdivergenzen in den Vordergrund,

eine Schulmediation versucht Schülern kommunikative Mittel an die Hand zu

geben, Streitigkeiten unter Schülern zu schlichten. Das soll beides das gleiche

Format sein?

Was ist für meinen Grenzgang das Wertvolle an der Mediation?

• Der Schritt von äußerlich formulierten Anklagepunkten zu inneren Bedürfnissen

und Interessen

• Jeder Protagonist wird vom Berater intensiv mit seiner eigenen Perspektive

interviewt und ernst genommen. Der Berater geht erst dann zum nächsten

Protagonisten, wenn er jeden in seiner Perspektive sehr gut verstanden hat.

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• Die Suche nach win-/win-Lösungen, was bedeutet, dass jeder Beteiligte einen

Gewinn, eine Bedürfnisbefriedigung aus der Lösung erzielen muss

• Der jeweils für das konkrete Feld und Thema festgelegte strukturierte Verlauf,

die der Berater im Vorfeld plant und den Konfliktpartnern transparent macht.

• Die bisweilen konkrete Arbeit mit Fakten und Zahlen.

4. Die individuelle Konfliktspirale Ein Standard-Instrument in der Analyse von Konflikten, sozusagen das

Basishandwerkszeug, ist die Eskalationsspirale nach Friedrich Glasl. Auch wenn sie

beim erfahrenen Leser vorausgesetzt werden kann, möchte sie hier nochmal knapp

skizzieren:

I. Phase I: Harmlose Reibereien verhärten sich und polarisieren

a. Verstimmung, Verärgerung, Verhärtung

b. Debatte, Streit, Polemik

c. Taten statt Worte

II. Phase II: Das eigene Ansehen ist wichtiger als die Sache

d. Koalitionsbildung und Sorge ums eigene Image

e. Gesichtsverlust und Demontage

f. Offene Drohungen

III. Phase III: Sieg oder Niederlage

g. Begrenzte Vernichtungsschläge

h. Zersplitterung

i. Gemeinsam in den Abgrund

Dieses Modell beschreibt nicht nur hervorragend einzelne sich aufschaukelnde

Eskalationsniveaus, sondern macht auch den Kerngedanken deutlich, dass es das

Wesen von Konflikten ist, zu eskalieren, wenn nicht Menschen oder Organisationen

zwischen den Stufen deeskalierend einwirken, oft gar nicht derart bewusst,

sondern weil es überall menschlich deeskalierende Kommunikationsmuster gibt

(eigentlich jeder von uns zur inneren Verfügung hat). Dieses Modell zu verstehen

könnte zur Folge haben, nach durchaus rationaler Überlegung abzuwägen, welche

Verhaltensweise in einem Konflikt eskalierend oder vielleicht auch deeskalierend

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wirken könnte. Auf den Treppenstufen bewusst nach unten zu steuern, ist ein

Handwerkszeug des Konfliktberaters.

Das Modell fokussiert stark auf die Interaktion und hat einen speziellen Blick auf

Konflikte in Organisationen, also mit einer Gruppe von Beteiligten.

Aufgrund dieser Blickwinkel habe ich mich anregen lassen, den Fokus genauer auf

die individuelle Konfliktentwicklung zu legen. Was passiert beim Einzelnen, wenn er

sich zunehmend einer Konflikteskalation ausgesetzt sieht?

Ich habe 12 Konflikteskalationsstufen aus der Sicht des Betroffenen identifiziert, die

den ähnlichen Systemgesetzen entsprechen wie die Glasl’schen Stufen.

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Auf einer ersten Ebene A „befremdet“ unseren Protagonisten (PP) das Verhalten

einer anderen Person (X), ausgehend vom anfänglichen Unverständnis deren

Verhaltensweisen, verstärkt sich dieses Unverständnis zu steigender

Verwunderung, die schon eine Störung beinhaltet und sichert sich ab, indem aus

der Sicht des Individuums (PP), die andere Person (X) auf „meist“ dezente Hinweise

nicht reagiert.

„Auf meine email mit diesem Inhalt muss Kollege (X) doch antworten. Er tut das

nicht, was ich nicht nachvollziehen kann. Bereits zum dritten oder vierten Mal

reagiert Kollege (X) auf emails oder andere Mitteilungen nicht, außerdem habe ich

auf einem Meeting doch in der Runde gesagt „Wir sollten intensiver in der

Diskussion bei wichtigen Fragen bleiben“. (PP) fühlt sich abgesichert und erfährt

dennoch Tage später wiederum eine derartige „Nicht-Reaktion“, die er als

neuerliche Abfuhr einordnet.

Hier landen wir schon in der Ebene B, (PP) fühlt sich irritiert und der Ärger steigt

langsam in ihm höher. Während wir auf der Ebene A=Befremden noch nicht von

einem Konflikt sprechen können, sind wir auf der Ebene B) dort bereits angelangt.

Unser Mitarbeiter (PP) spürt Ärger in sich aufsteigen und wartet innerlich bereits

auf die nächste Situation, die in das erwartete Verhaltensstereotyp passt, worauf

jetzt Anklage gegen Kollege (X) erhoben wird, leise im Selbstgespräch, gegenüber

Dritten oder vorwurfsvoll, vielleicht auch öffentlich, aber nicht direkt.: „Dies ist kein

adäquates Verhalten in einer Abteilung wie der unseren“. Spätestens hier geht

unser Kollege (PP) wieder einmal nach außen, hat inzwischen in der

Ärgerentwicklung einige Stufen übersprungen und drückt bei Kollegen auf

Flurgesprächen oder im nächsten Meeting seine innere Distanz zum Kollegen (X)

aus, meist im Kontext einer neuen Situation „Dieses Schweigen bei derart

wichtigen Entscheidungen von manchen gefährdet unser gesamtes Projekt“.

Da Kollege (X) sein Verhalten noch nicht ändert, ist der Konfliktpegel von (PP)

soweit gestiegen, dass er sich im Umgang mit (X) zunehmend blockiert fühlt, ihn

kaum noch direkt anspricht, ihn vielleicht aus dem mail-Verteiler genommen hat,

die Lockerheit und Sicherheit der Alltagskommunikation ist für ihn verloren.

Inzwischen wertet längst unser (PP) nicht mehr nur das Verhalten ab, sondern die

gesamte Person: integriert das „unkommunikative Verhalten von (X) in ein Bündel

ähnlicher Verhaltensweisen. Kollege (X) ist als Person nicht aushaltbar. Der

eskalierende Gedanke, dass (PP) mit so einem Menschen wie (X) nicht

zusammenarbeiten möchte, liegt nahe. Diese innere Ablehnung einer weiteren

Kooperation wird auch von anderen als „Point of no return“ (Thomann) bezeichnet.

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Eine derartige innere Ablehnung kann sich im konkreten äußeren Verhalten

durchaus noch in weiterer gemeinsamer Projektbearbeitung ausdrücken. (PP) hat

seinen Konflikt „auf Eis gelegt“, „implodierend nach innen verlagert“ - mit der

Gefahr psychosomatischer Beschwerden oder „wartet auf den nächsten richtigen

Ausrutscher, dann wird er es ihm heimzahlen“.

Die nächsten Eskalationsstufen suchen dann die Lösung in äußeren Maßnahmen:

der Kollege (X) wird in der Firma verleumdet, Herr (PP) beschwert sich beim Chef,

droht mit eigener Kündigung, wenn (X) nicht versetzt wird und schlussendlich bleibt

nur die Flucht (d.h. eigene reale Kündigung, innere Kündigung, Krankheit) oder die

Vernichtung von (X) (Kampagne gegen ihn, Boykott der Zusammenarbeit,

Dauerkampf) als Hilfsstrategie übrig.

Wie im Glasl’schen Modell haben wir unendlich viele kommunikative

Kompetenzen, dieser Eskalation Einhalt zu gebieten, persönliche Strategien, die

charakterlich sehr unterschiedlich ausfallen, ob wir

- Bei bestimmten Eskalationsstufen eine innere Bremse ziehen, weil wir eine

Eskalation nicht aushalten

- Erst bei bestimmten Eskalationsstufen einsteigen, weil wir für die

vorhergehenden kein ausreichendes Empfindungsvermögen haben

- Unheimlich schnell von Stufe 1 in Stufe 8 springen (innerhalb eines Tages),

weil unsere Muster eine Zwischenabstufung nicht kennen oder

- im Gegenteil unendlich langsam realisieren, schon in Stufe 9 angekommen zu

sein (nach 3 Jahren), weil wir innerlich die kleinen Eskalationssteigerungen

kaum bewusst wahrnehmen.

5. Was heißt das für die Konfliktklärung in der Supervision?

Eine Grundvoraussetzung von Mediation oder Klärungshilfe ist, dass alle beteiligten

Personen ihre Störung bereit sind, einen Konflikt zu bezeichnen. Jeder hat

entsprechend unserer Stufen sich bereits oberhalb der Stufe 6 verortet. Dies

bedeutet, dass für diese beiden Formate nicht nur hocheskalierte, sondern auch für

alle Parteien emotional hocheskalierte Konflikte als Auftragsgrundlage die

Voraussetzung sind.

Die Realität der Auftragsformulierungen zeigt mir, dass ein sehr großer Teil von

durchaus gravierenden Konfliktkonstellationen dadurch außen vor bleiben.

- Eine der häufigsten Anfragen bezieht sich auf Konflikte, in der nur ein

Teammitglied oder Partner einen Konflikt verspürt, der subjektiv durchaus

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auch schon auf Stufe 9 angekommen sein kann. Nicht wenige Menschen

behalten ihr persönliches Konfliktbarometer für sich, vielleicht teilen sie sich

dem (Ehe-)Partner mit. In der Organisation schweigen sie, aus dem Gefühl

heraus, durch das Ansprechen „alles noch viel schlimmer zu machen“. Dieser

„Schweigeschutz“ wird erst recht dann aufgebaut, wenn der Konfliktpartner

hierarchisch höhergestellt ist, oder die Atmosphäre in der Abteilung sehr

„harmoniebedürftig“ erscheint. „Jetzt habe ich schon mein Problem mit X,

jetzt will ich es mir nicht noch mit allen anderen verscherzen“.

- Ein Kernbestandteil von Konflikten liegt genau hierin, dass ein Protagonist

(PP) eine erheblich emotional belastende Störung wahrnimmt, Antagonist (X)

nur von einer sachbezogenen Meinungsdifferenz ausgeht (und, weil er sich

durchsetzen konnte, schon längst wieder vergessen hat)

- Auch assoziiert für viele Mitarbeiter das Wort „Konflikt“ bereits die

beidseitige Störung und Belastung. Erlebt sich nur (PP) belastet (z.B. Stufe 6),

nimmt aber Kollegen (X) entspannt wahr, kann er das zwar als „unsensibel“

sich gegenüber interpretieren, bleibt aber dennoch unsicher, dies mit dem

hochaufregenden Wort „Konflikt“ zu belegen. Hierdurch überschreitet er eine

gefühlte Schwelle der Dramatik, in der seine Unsicherheit über die

Unwägbarkeit der Reaktionen anderer (des Chefs?) sich unermesslich

steigern kann.

- Diese begriffliche Schwelle kann durchaus auch dann entstehen, wenn beide

Partner ihre Störung als Konflikt bezeichnen würden. „Ich/Wir wollen uns

doch nicht als Versager abstempeln lassen“. Kognitiv ist doch den meisten

Menschen klar, dass ein Ansprechen hilfreich sein könnte, sie schaffen es

dennoch nicht, oft, weil ihre Worte bereits eine derart abwertende oder

beleidigende Ausdrucksform wählen würden („Sie sind so ein Idiot, wenn sie

nicht kapieren, dass…“), die ihnen wiederum in der Arbeitskonstellation nicht

angemessen erscheint (jedoch ihrer Gefühlslage auf hoher Eskalationsstufe

entspricht ).

- In der Komplexität vielfältigster Team- oder Organisationssysteme hängt

jeder bipolare Konflikt von derart vielen anderen Beziehungssystemen

zwischen den Mitgliedern ab, dass sich der eine Konflikt mit X und Y mit den

gefühlt konstruktiven Beziehungen zu B,C und E kompensiert. Obwohl diese

Konstellation andere ganz erheblich in Ihrer Souveränität einschränken kann.

Supervisionsaufträge sind häufig offener gestaltet, es sollen die gesamten

Arbeitsbeziehungen reflektiert werden. Hierdurch kann ich als Supervisor mit dem

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entsprechend geschulten Blick den Eskalationen frühzeitig vorbeugen, einseitig

eskalierte Konflikte können identifiziert und dem Konfliktpartner seine

Verantwortung bei der Klärung bewusst gemacht werden. Erst mit der

Bewusstwerdung einer Störung entsteht die Möglichkeit einer Bearbeitung. Diese

Identifizierung benötigt zum einen ein Vertrauen, dass sich oft erst über mehrere

Sitzungen im „gefahrfreien Raum“ entwickelt, zum zweiten die Wahrnehmungen

Dritter, also relativ unbeteiligter Teammitglieder, die als Katalysatoren zur

Bewusstmachung wirken (über den wachsamen Blick und das

Interventionsrepertoire des Supervisors hinaus).

Grundsätzlich habe ich als Supervisor in der Klärung konflikthafter Konstellationen

immer fünf Ebenen oder Folien im Blick. Der Begriff der Folie ist hier sehr hilfreich,

weil sie erst übereinander gelegt ein tieferes Verständnis ermöglichen. Sie wollen

sowohl einzeln und unabhängig betrachtet, erst recht in ihrem „Aufeinander-

bezogen-Sein“ verstanden sein:

Die Folie der Organisationskultur

Wie werden grundsätzlich in der Organisation Konflikte

verstanden und interpretiert und welche etablierten

Lösungsstrategien werden angewendet oder vermieden?

Die Folie des Leitungsverständnisses

Welche Aufgabe kommt der Leitung in Konfliktklärungen

zu? Wird Leitung einbezogen oder ausgeklammert.

Welches Leitungs-verständnis existiert grundsätzlich und

wie wird es gelebt? (die besondere Bedeutung von

Führungskräften und Konfliktlösung wäre in einem

eigenen Artikel zu betrachten)

Die Folie der Teamverständnisses

Welcher Anspruch wird an Teamarbeit gelegt, wie

abhängig oder autonom handeln Teams innerhalb der

Organisation? Welche Strukturen sind zu erkennen und

definieren die Konfliktregelung?

Die Folie der Beziehungsgestaltung

Wie werden zwischen den Beteiligten Beziehungen

gestaltet und welche Grunderwartung liegt diesen

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zugrunde? Welche Beziehungsmuster laufen quer zu den

üblichen in der Organisation?

Die persönliche Folie der Protagonisten

Jeder der Beteiligten hat seine persönlichen

Konfliktbearbeitungs- oder auch –vermeidungsmuster.

Wie hoch ist das eigene reflexive Bewusstsein hierüber,

was wird bei den Kolleginnen wahrgenommen?

6. integrierte Formate

Ich hoffe, aufgezeigt zu haben, dass Supervision oft erst den Rahmen schafft, in

denen der Konflikt überhaupt bearbeitbar wird. Ist der Konflikt jedoch identifiziert,

wird es quasi zur Voraussetzung, dass der Berater ein konzeptionelles Bewusstsein

und methodisches Repertoire aus den beiden anderen Formaten heranziehen

kann, will er den Auftrag nicht an andere Mediatoren abgeben. Diese

Weiterreichung könnte zwar durchaus ein professionelles Vorgehen sein, der

bisherige Prozess basiert jedoch zu einem erheblichen Teil auf Vertrauen zum

Supervisor und einem gefestigten Beziehungsverständnis aller Beteiligten. Ein

„Weiterreichen“ bedeutet nicht selten einen kompletten Neustart. Der neue

Mediator wählt divergierende Settings, Rahmenbedingungen, Strategien und setzt

auf anderen Prämissen auf, die letztlich oft sogar den Ursprungsprozess entwerten.

Also liebe Supervisorinnen und Berater, nicht das Weiterreichen lautet hier die

Maxime, sondern die Kompetenzentwicklung im Handeln identifizierter Konflikte.

Meine konkrete Arbeit basiert auf der Integration der Formate mit der zentralen

Prämisse: Supervision stellt das weitreichendste, und gleichzeitig präziseste Format

dar, was eine Integration von Mediation oder Klärungshilfe in die Supervision zur

Folge haben sollte.

a) Mediation im Kontext eines Supervisionsprozesses Beispiel. Team in Behindertenhilfe: Ein 9-köpfiges Team in der Behindertenhilfe beschreibt im Erstgespräch Ihre eingefahrenen Abläufe, ihr in den letzten Jahren geringeres Engagement, da sie doch schon seit über 10 Jahren in ähnlicher Besetzung zusammenarbeiten. Auch um die Rolle des erfahrenen und stark auftretenden Gruppenleiters drehen sich einige Fragen. Eine bedrückend schwermütige Stimmung geht von diesem Team aus. Es

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benötigt eine weitere Sitzung, bis ich diese verzagte Ausstrahlung thematisieren kann, wofür ich allgemein Zustimmung erhalte und ich die Mitarbeiter nach ihrer Betroffenheit dieser Schwermütigkeit aufstellen lasse. Es identifiziert sich ein Innenkreis von drei Frauen, von denen sich zwei miteinander solidarisiert (Thea und Vanessa) haben gegen eine dritte (Sabine). Hier wird klar, dass Vanessa eher eine Randrolle spielt, sie ist die jüngste und neueste in diesem Team, sie wurde von Thea als Vertrauensperson gewonnen, da ihr Konflikt mit Sabine schon seit Jahren schwelt und sie sich enttäuscht von ihr abwendete. Dieser Kernkonflikt zwischen Thea und Sabine hat sehr viele private Anteile (gekränkte Freundschaft), zu deren Bearbeitung ich nicht das Team wähle. Ich schlage eine Mediationssitzung nur dieser beiden vor, die beide gerne annehmen. In zwei 1-stündigen Sitzungen können wir die Kränkungen der beiden gut aufarbeiten, beide erscheinen sehr erleichtert über die Überwindung ihrer gegenseitigen Blockade zu sein. Das Team wird nachher von beiden kurz über ihre Einsichten, ihr neues aufeinander bezogenes Gefühl und den Prozess informiert, ohne dass die restlichen Mitglieder alle persönlichen Fragen zwischen den beiden nachvollziehen müssen. Der Supervisionsprozess findet dann weiterhin mit dem gesamten Team statt.

b) Supervision im Anschluss an eine Konfliktklärung Beispiel Klinik:

Die interne Personalentwicklerin einer großen Klinik in Süddeutschland kontaktiert

mich bzgl. einer heftigen Konfliktlage in einem Dozententeam einer angegliederten

Fachschule. Ich vereinbare ein Auftragsklärungsgespräch mit ihr und der

Schulleiterin. Eine Kollegin dieses 8er Teams hat sich über viele Jahre ins Abseits

gestellt, kooperiert kaum noch mit den restlichen Kollegen, das Team ist

weitgehendst erschöpft und resigniert über den Konflikt, die Schulleiterin sucht nach

einer Haltung in dieser Konstellation. Ich vereinbare zunächst zwei Sitzungen

Konfliktklärung (nicht en bloc, aber immerhin 4 Stunden im Abstand von 3 Wochen).

in diesen 2 Sitzungen wird vieles deutlich auf den Tisch gelegt, der große Mut der

Außenseiterin, dem Restteam die Stirn zu bieten, aber auch die Resignation der

anderen MitarbeiterInnen über deren sehr ichbezogene Denkweise. im Abschluss

zeigt sich, dass die zukünftige Perspektive nicht mehr über ein "Wir" gehen kann,

sondern nach Wegen gesucht werden muss, wie die Kollegin Z, bzw. Schulleitung

und Kollegen für (Z) einen Sonderrahmen innerhalb dieser Schule gestalten können -

auch zum Schutz der anderen Betroffenen, solange eine Trennung noch nicht

möglich ist. Es schließen sich 5 Supervisionssitzungen an, an denen Z nicht mehr

teilnimmt, in denen das Restteam inkl. der Schulleiterin Strategien des Nicht-

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Involvieren-Lassens reflektiert, des Schutzes, um die im Kern sehr zufriedenstellende

Arbeitsaufgabe wieder befriedigend bewältigen zu können. Hieran schließt sich

wiederum ein Einzelcoaching der Schulleiterin an, mit dem Ziel für die Schulleiterin,

Z einen adäquaten Platz im Schulganzen zu organisieren.

c) Mediation als Vignette in der Supervision

Der Begriff der Vignette wurde im Psychodrama geprägt und beschreibt im

Unterschied zu ausführlichen und zeitintensiven Inszenierungen eines Themas eine

kurze Rollenspiel-Sequenz, quasi aus dem Stehgreif in der Situation. Ich möchte mit

der „Mediations-Vignette“ die Form beschreiben, die ebenso spontan in einem

Supervisionsprozess eingeschoben wird. Stoßen wir in einer Supervisionssitzung auf

eine akut verschärfte Konfliktsituation zwischen 2 oder 3 Beteiligten, arbeite ich

gerne im Sinne einer solchen Vignette an den aufgeworfenen Fragen. Beide

Parteien werden gefragt, ob sie sich hier auf eine stark strukturierte Sequenz zur

Klärung einlassen (entspricht der Kontraktphase).

a. Jeder der Protagonisten erhält ohne Zwischenfragen der anderen

Teilnehmer einen angemessenen zeitlichen Rahmen (10 Min.), um seine

Sicht des Konflikts darzustellen.

b. Als deutlich steuernder Supervisor frage ich intensiv nach, bis ich (und die

restlichen Teilnehmer) die Zusammenhänge und in der Regel das

wechselseitige Aufschaukeln verstanden haben (Phase der

Perspektivendarstellung) und

c. versuche, die Entwicklung und Aspekte in eine chronologische Reihenfolge

zu stellen (evtl. am Flip-Chart).

d. Darauffolgend werden Motive, Interessen und Hintergründe beleuchtet.

e. Im weiteren frage ich nach dem Verstehen der Erlebensweisen des

jeweiligen anderen und

f. erste Wünsche an den anderen formuliert.

g. Inwieweit werden die Wünsche verstanden, wie klar sind sie formuliert,

welche davon kann der andere annehmen, welche nicht?

h. Dies wird ergänzt durch die Identifikationen und Wünsche der anderen Sv-

teilnehmer.

i. Abschließend können erste Vereinbarungen getroffen werden.

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In der Regel fühlen sich die Betroffenen sehr erleichtert und sind wieder in der

Lage, aktiv die Beziehung zum Gegenüber zu gestalten, ohne dass alle emotionalen

Fragen genau beleuchtet sind. In der darauffolgenden Sitzung wird zu dieser

Klärung nochmal ausführlich Bezug genommen, die Konflikteskalationsstufe der

Beteiligten gemeinsam - jetzt, 4 Wochen später - erhoben und überlegt, inwieweit

hieran verstärkt gearbeitet werden muss oder die Betroffenen Ihre zukünftige

Arbeitsbeziehung wieder selbst konstruktiv gestalten können. In dieser Vignette

strukturiert der Supervisor sehr stark, definiert, welche Redebeiträge möglich sind,

welche jetzt zurückgehalten werden, welche emotionalen Dimensionen bearbeitet,

welche ein besonderes Setting benötigen. Eine derartige Mediationsvignette

innerhalb einer Supervisionssitzung kann zwischen 30 und 60 Minuten dauern.

d) Doppeln in Supervisionsklärungen

Die Klärungshilfe hat das Doppeln nicht erfunden, aber als Kunst der

Konfliktklärung weiterentwickelt. Als Hilfs-ich kommt diese Doppeln aus dem

Psychodrama, in der Gestalttherapie wurde es auch schon vor 40 Jahren eingesetzt.

Als Berater hole ich mir die Zustimmung seitens der Protagonisten und versuche

aus einer Position seitlich neben oder hinter dem Protagonisten dessen

Äußerungen zu präzisieren (als Zuspitzung), zu wiederholen (zur Verlangsamung)

oder potentielle, aber noch nicht artikulierte Bedürfnisse oder Gefühle

auszusprechen. (dabei kann ich deeskalierend oder eskalierend formulieren, je

nach Klarheit des Konflikts), muss mir aber die Zustimmung des Protagonisten

einholen, bzw. lasse ihn es selbst nochmal verändern oder präzisieren. In der

Klärungshilfe erfährt das Doppeln speziell im "Dialog der Wahrheit" seinen Platz, in

vielen kleineren oder größeren Klärungen innerhalb der Supervision ist dies ein

hervorragendes, sehr situativ einsetzbares Handwerkszeug des Supervisors.

e) Exakte Auftragsklärung mit Top-Leitung vor Supervisionen

Die Klärungshilfe hat sich sehr intensiv mit relevanten Fragen der Vorklärung vor

Beginn des Beratungsprozesses auseinandergesetzt. Da gerade Konflikte meist eine

lange - oft institutionsrelevante - Vorgeschichte haben, sind meist auch höhere

Führungsebenen in die Konfliktfragen und -beteiligten involviert, evtl. haben schon

andere Lösungsideen intendiert, die fehlschlugen oder versandeten. Das Paradigma

der Klärungshilfe, den Hierarchiehöchsten aus dem betroffenen System um einen

aktiven Auftrag für die Klärung zu bitten, sollten sich auch die Supervisorinnen

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regelmäßig zu eigen machen. Wie leicht werden wir von Teammitgliedern in

Absprache mit dem Restteam oder von der Personalleitung angefragt, der

Hierarchiehöchste im System stimmt dem dann eher formal zu und erteilt sein ok.

Dies ist sicherlich Praxis vieler Supervisionsaufträge. Spätestens, wenn uns die

Eskalationsstufe möglicher Konflikte bewusst wird und wir auch strukturelle

Komponenten hierin entdecken, müssen wir uns von den Supervisionsteilnehmern

nochmal die Zustimmung holen, einen diesbezüglichen Auftrag und eventuell

Beteiligung des Hierarchiehöchsten einzuholen. Ich erlebe durchaus, dass

Supervisoren hiermit nicht immer sehr pedantisch umgehen, hier verweist uns die

Klärungshilfe auf eine manchmal verdrängte Notwendigkeit. Eine Anwesenheit des

Hierarchiehöchsten kann im SV-prozess nicht immer gewährleistet werden, sollte

aber vom Supervisor bei eskalierteren Konfliktlagen thematisiert und gewünscht

werden. Oft bieten diese deutlichen und transparenten Wünsche die Grundlage im

weiteren Verlauf, den Hierarchiehöchsten doch noch direkter einzubeziehen. die

Grundprämisse des Dreiecksauftrags im supervisorischen Verständnis ist der

Vorgehensweise der Klärungshilfe nahe, letztere hat sich hier nur noch mit einigen

Fallstricken intensiver auseinandergesetzt.

7. Konkrete Schritte in der Konfliktbearbeitung

Im Folgenden blicke ich auf die Schritte, die jeder der am Konflikt beteiligten

Protagonisten zur Klärung gehen sollte. Dieses Phasenmodell orientiert sich an

meinen Stufen der Konflikteskalation, wie ich sie unter 4. skizziert habe.

Gleichzeitig hat ein derartiges Phasenmodell nichts statisches, nichts, was sklavisch

von oben nach unten durchlaufen werden muss, sondern soll vielmehr eine

Interpretations- und Wahrnehmungsfolie für die Konfliktklärerin darstellen, an der

sie das Erleben der Konfliktpartner erkennen und unterstützen kann.

Jedes Konfliktgeschehen impliziert eine ausgeprägte Einmaligkeit,

- durch die beiden oder mehrere beteiligte Personen,

- den jeweiligen Organisationskontext,

- die Historie des Teams,

- deren Größe und grundsätzliche Dynamik,

- deren Leitungsstruktur

- das Tätigkeitsfeld mit seinen gesellschaftlichen Zuschreibungen

Jedes Konfliktgeschehen ist ein Unikat, insofern hat auch jede Konfliktklärung

ein Unikat zu sein. Diese Komplementarität aus Einzigartigkeit und

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Phasenablauf ist kein Paradoxon, sondern die künsterlisch-handwerkliche

Aufgabe des Supervisors.

a) vom Flucht- oder Ausschlussimpuls zur Wahrnehmung des Phänomens Bei einer eskalierten Konfliktauseinandersetzung liegt zumindest bei einem der

Beteiligten meist schon länger ein Trennungsimpuls vom anderen vor. "ich will ihn

loshaben", wünscht sich (oft heimlich) der Protagonist. „Näheorientiertere“

Menschen (s.8.) verbieten sich selbst bisweilen schnell diesen Impuls, schämen sich

hierfür oder werden krank, handlungsorientiertere äußern ihn durch Anklage beim

Vorgesetzten, bei Kollegen oder durch eigene Strategien der Flucht (Kündigung,

innere Kündigung). Der erste Schritt auf der Deeskalationsspirale ist die

Rückführung dieses Handlungsimpulses auf die neu zu gewinnende Wahrnehmung

der Gesamtsituation, auf die Konfliktgeschichte der Beteiligten. Wie kann der

Protagonist die Erkenntnis wiedergewinnen, dass der „Trennungs-„Impuls auf einer

Geschichte beruht, in der auch er an der Eskalationsspirale geschraubt hat. In

dieser Phase muss zunächst ein Bild der Konfliktgeschichte mit den jeweiligen

"Interpunktionen" aufgezeichnet werden, d.h. den Markierungspunkten der

Eskalation, die beide Protagonisten sehr unterschiedlich setzen. Eine

chronologische Darstellung der Entwicklung am Flipchart ist hier sehr hilfreich.

b) Von äußeren („nach außen gerichteten“) Denkweisen zu äußeren Menschen In einer stark belastenden Konfliktkonstellation werden von den Protagonisten

meist die Denkweisen, die grundlegende Einstellung (zur Arbeit, zu den Kollegen,

zum Leben) des jeweiligen anderen abgewertet und verurteilt: „So verhält man sich

nicht!!“. Ein weiterer Schritt in der Konfliktbearbeitung ist es, den anderen

Menschen mit seiner Erlebnisweise und unterschiedlichen Wahrnehmung der

Situation wieder gewahr zu werden. Hinter den verurteilten Denkweisen stehen

Menschen mit eigener Bedürfnislage und emotionaler Einschätzung der jeweiligen

Situationen.

Der gegenseitige Blickkontakt ist ein deutliches Signal für die Anerkennung, dass es

sich hier um einen anderen eigenständigen Menschen handelt. Die

Blickvermeidung, die Augen auf den Supervisor gerichtet, auf den Boden oder an

die Wand, sind kennzeichnend für eine Gesamtabwertung der Person. Das

konsequente Ansprechen dieser Blickvermeidung, die Frage, was den

Protagonisten hindert, Blickkontakt zum Gegenüber aufnehmen zu können, sind

Interventionen, die ich als sehr hilfreich erlebt habe.

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c) Von äußeren Menschen zu äußeren konkreten Verhaltensweisen Diese konkreten Menschen mit ihren Bedürfnissen und Interessen haben sich in

gewissen Situationen zu speziellen Verhaltensweisen entschlossen. In dieser Phase

liegt die Aufmerksamkeit auf der Unterscheidung dieser Menschen und ihren

Verhaltensweisen. (X) hat sich entschieden, auf die mail von (PP) zur

Projektabstimmung nicht zu reagieren, weil er befürchtete, seine Reaktion, die

sachlich noch im Widerspruch stand, könnte von (PP) missinterpretiert werden.

Deshalb entschloss er sich zum Schweigen - für (X) eine gefühlte

Deeskalationsmaßnahme, für (PP) ein weiterer dramatischer Eskalationsschritt. Erst

wenn die konkreten Verhaltensweisen nicht mehr identisch mit der Person

betrachtet werden, sondern nur als ein möglicher Ausdruck, kann (PP) sich wieder

mit dem Verhalten von (X) auseinandersetzen und im positiven Fall erkennen, dass

auch für (X) diese Reaktion nur eine von mehreren Optionen war.

d) von äußeren Verhaltensweisen zur inneren Resonanz dieser Verhaltensweisen Der nächste Schritt, der sehr nah beim letzten liegt, bedeutet die Hinarbeitung auf

das Erkennen, dass es nicht die abgewertete und Ärger auslösende

Verhaltensweise von X ist, die A) hat so wütend werden lassen, sondern die eigene

Interpretationsfolie dieser Verhaltensweise. Vielleicht hat A) auch schon

abgewogen, X nicht mehr eine mail-info zukommen zu lassen, aber aufgrund der

eigenen Werthaltungen oder Prioritäten hat er hiervon abgesehen und eine noch

dezidiertere mail geschrieben. Hier wäre die Einsicht anzustreben, die Abwertung

als Ausdruck eigener Bedürfnisse anzusehen. Dieser Schritt bedeutet das

Ankommen beim Protagonisten selbst, weg vom anderen hin zu eigenen

Maßstäben.

e) aus der „inneren Resonanz“ hin zu eigenen Bedürfnissen

Jetzt kommen wir auf der Ebene der Bedürfnisse des jeweiligen Protagonisten an.

Was brauche ich, was sind meine Prioritäten, was fühle ich unter welchen

Bedingungen und bei welchen Auslösern. "ich bin ein Mensch, der im

kontinuierlichen Kontakt zu den anderen stehen muss, der wissen möchte, was

andere denken und wie sie es einschätzen, fehlt mir das, fühle ich mich unsicher.“,

wäre eine mögliche Einsicht in unserem Beispiel bei A).

Das Doppeln stellt hier eine hilfreiche Technik der Gesprächsverlangsamung und

des Förderns im Verstehen dar (s.5b)

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f) von eigenen Bedürfnissen zu inneren Mustern In der Abwärtsspirale (die im Konfliktklärungssinne eine Aufwärtsbewegung zum

positiven ist) folgend, wäre der darauffolgende Schritt die Einsicht, dass es mir

nicht nur in Bezug auf (X) so geht, sondern ich diese Reaktion als ein

wiederkehrendes Muster bei mir wiedererkenne. Schon in diesen und anderen

Situationen habe ich ähnlich reagiert. (Da wir hier in die Tiefenschichten der

Persönlichkeit gelangen, bleibt die Frage, was hiervon in Supervisionsprozessen in

Teamkonstellationen wirklich erarbeitet werden kann. Hier hat die Klärungshilfe

sicherlich das Plus, über einen längeren gemeinsamen Zeitraum des

Zusammenarbeitens im Klärungssetting, Schutzmuster der Personen zur Abwehr

genau dieser Mustererkenntnis reduzieren zu können. Dies bringt uns auf der

Rückseite der Medaille jedoch zur Frage, inwieweit die Erhaltung dieser

Schutzmuster für einige der Beteiligten notwendig sein könnte, da die

Protagonisten ja weiterhin zusammenarbeiten müssen und - aufgrund neuer

Aufgabenstellungen oder Organisationsinterventionen - wieder gebraucht werden.

Wir können in den Klärungsprozessen nicht davon ausgehen, dass unsere

Beteiligten immer so lernfähig sind, die in diesem Kontext erkannten Muster ohne

weiteres auf neue Situationen anzuwenden. Dies ist der Idealfall, aber nicht die

Regel. Eine für die Konfliktklärung sehr hilfreiche Durchlässigkeit dieses

Schutzmechanismus kann sich als offene Flanke in zukünftigen (auch neuen oder

auf andere Teilnehmer bezogenen) Konflikten erweisen. Aus diesem Grund möchte

ich hier nur so weit gehen, wie es der grundsätzlich Charakter des Teams/der

Organisation zulässt (eine Behörde hat hier sicherlich andere Begrenzungen als ein

freies Projektteam einer Pionierinitiative)

g) vom kognitiven Verstehen zum emotionalen Empfinden dieser Muster. Für die Konfliktklärung extrem hilfreich wäre, wenn, darauf aufbauend, nicht nur

ein rationales Verstehen und Benennen dieser Muster, sondern auch ein

emotionales Zulassen der Gefühle möglich wird. Keine Tiefenänderung ohne

Wahrnehmen der eigenen Gefühle. “Wie einsam fühle ich mich, wenn in derartigen

Situationen nicht auf mein Kontaktbedürfnis eingegangen wird?“

Mit ihrem faszinierenden Gefühlsrepertoire hat die Klärungshilfe hier auch eine

Sprache gefunden, die die Beschreibung dieser Ebene fördert. Tränen, die die

Beteiligten zulassen können, sind ein wahrnehmbarer Schritt des Berührens dieser

Ebene. Die Klärungshilfe arbeitet im Dialog der Wahrheit direkt auf das Erreichen

dieser Ebene hin, was ich unter den gleichen Vorbehalt wie im vorhergehenden

Schritt stellen möchte. Gleichzeitig können sich manche Menschen so weit öffnen

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und diese emotionale Ebene zulassen, anderen ist sie in Organisationskontexten

weitgehend versperrt. Diese Akzeptanz solch unterschiedlicher Bereitschaft und

unterschiedlicher Notwendigkeit eines Schutzraums für sich selbst, setze ich für

mich voraus.

8. Supervision und Raum-Zeit-Modell Das Raum-Zeit-Modell oder auch Riemann-Thomann-Kreuz genannte Modell der

Persönlichkeit und der Teamstrukturen stellt meine Basis der Konfliktdiagnose dar.

Fritz Riemann hat dieses zentrale Persönlichkeitsmodell in seinen „Grundformen

der Angst“ erstmals dezidiert beschrieben, C. Thomann kommt das Verdienst zu,

diese Dimensionen aus dem psychiatrischen Denkhintergrund in die Wirklichkeit

nicht-kranker Menschen, Mitarbeiter und Organisationen gehoben zu haben.

Eine ausführliche Darstellung überschreitet diesen Rahmen hier.

Der Dimension zwischen Nähe- und Distanzorientierung begegnen wir in Konflikten

zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsmustern von Mitarbeiterinnen:

Einerseits eher selbstbewusst, rational oder sachbezogen, starke Emotionen und

Betroffenheiten aus einem gewissen Abstand noch gut betrachten können,die ein

Problem - sei es persönlich oder organisationsbezogen – gerne thematisieren oder

anklagen können. Auf der anderen Seite sind Mitarbeiter beteiligt, die sich schnell

emotional betroffen fühlen, evtl. zu einer gewissen konfliktscheu neigen, weil sie

niemanden verletzten und die Harmonie nicht auf Spiel setzen wollen.

Die andere Polarität spannt das Verhältnis von Dauer- oder Wechselorientierung

auf: „Dauerorientiertere“ Menschen, für die klare Strukturen und Abläufe, Regeln,

Konzepte einen sehr hohen Stellenwert haben, suchen nach Vereinbarungen oder

Qualitätstandards. Hingegen betonen Menschen aus einer ausgeprägteren

Wechselhaltung heraus, die notwendige Flexibilität und Spontaneität, das Handeln

nach konkreten situativen Herausforderungen und der Fähigkeit mit direkter

Kommunikation und Charme Probleme schnell lösen zu können.

Dieses Modell hat in der Konfliktbearbeitung viele Einsatzbereiche:

a) Als Diagnoseinstrument des Supervisors

b) Als theoretische Einordnungshilfe nach einer Klärung

c) im methodischen Einsatz in Teams und Organisationen, um in

Aufstellungen Haltungen und Bedürfnisse zu veranschaulichen und

Teamtendenzen beschreibbar zu machen.

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d) als Entwicklungsinstrument, um zukünftige Schritte zu vereinbaren.

„Wenn sie jetzt einen Schritt in Richtung mehr Distanz gehen, was würden

sie da konkret vereinbaren?“

Ich mache sehr gute Erfahrungen in den unterschiedlichsten Einsatzbereichen mit

diesem Modell, da es einerseits für wenig reflektierte Menschen oder Mitarbeiter

mit geringer pädagogisch-psychologischer Ausbildung eine erste

Persönlichkeitsunterscheidung bedeutet, die schnell nachvollzogen werden kann.

Aber gerade auch für hochreflexionsfähige Mitarbeiter lassen sich hier Störungen in

der Zusammenarbeit auf ein neues Erkenntnisniveau heben.

9. Supervision und Humor

Konflikte sind eine sehr ernste Angelegenheit. Für die betroffenen zunächst

überhaupt nicht mit Humor zu nehmen. Der Humor ist den betroffenen geradezu

verlorengegangen.

Darf ich als Supervisor/ Konfliktklärer in derartigen Situationen mit einer gewissen

Leichtigkeit herangehen?

Ich mache die Erfahrung, wenn ich selbst Konflikte als etwas allzu menschliches

betrachte, sie aus dem Dunstkreis des persönlichen Versagens herauslöse, ihnen

einen Sinn in der Erkenntnis zentraler Fragestellungen in der Organisation oder im

Team zuspreche, können wir auf sie mit höherer Entspanntheit herantreten.

Wenn der Konflikt kein Fehler war, sondern bei unterschiedlichen

Persönlichkeitshaltungen (s.8.) eine zwangsläufige Folge in der Organisation

darstellt, wenn die beteiligten Protagonisten nicht den Stempel der

„Teamunfähigkeit“ erhalten, sondern ihnen die Fähigkeit zugeschrieben wird,

vorhandene Ungereimtheiten nur deutlich zum Ausdruck zu bringen, dann können

wir auch hierüber lachen, auch wenn sie emotional für die Betroffenen schwer

auszuhalten sind.

Die zentrale Botschaft des Humors heißt: „Der Konflikt ist nichts peinliches, dafür

muss man sich nicht schämen, es ist eine Stärke von dir Betroffener, dass du

Differenzen nicht wegschiebst, sondern in dir spürst und ausdrückst. Lass uns

gemeinsam nach hilfreicheren Kommunikations- und Ausdrucksformen für die

Unterschiede und ihre Bewältigung suchen!“

Wenn Humor nicht ins Auslachen der Beteiligten und Ihren eskalierenden

Verhaltensweisen umschlägt, und Konflikte und deren Austragung als positiver

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Gewinn des Teams gesehen werden, darf der Berater auch in zugespitzten

Konflikten einen Scherz wagen, der die Problematik auf eine andere Ebene hebt.

Er kann dadurch zum Ausdruck bringen, dass Konflikte genauso wie Zuneigung zum

Leben gehören und wir keine Angst vor ihnen haben brauchen.

In den meisten Fällen löst sich durch Humor zunächst die Anspannung der anderen,

weniger betroffenen Teammitglieder, bis diese Entspannung auch auf die

unmittelbaren Protagonisten übergehen kann. Allerdings muss der Berater bei

denjenigen, die noch in ihrer emotionalen Verstrickung gefangen sind, hier auch

höchste Sensibilität für deren Schutzbedürfnisse an den Tag legen.

Fazit: Die Unterscheidung zwischen Mediation und Supervision kann nicht lauten: Für Konflikte bitte Mediation wählen, für alle anderen reflexiven Beratungsanfragen probieren Sie es doch mit Supervision. Die Klärungshilfe ist irgendetwas dazwischen. Supervision ist das Kernformat der Konfliktbearbeitung und –klärung. Dadurch, dass in der Mediation und erst recht in der Klärungshilfe die Beteiligten Ihre Arbeitsstörung bereits „zum Konflikt erhoben“ haben, und in der Supervision nicht zwangsläufig, findet nur eine Selektion der Konfliktanlässe statt. Hieraus kann ein gesteigertes Eskalationsniveau abgeleitet werden, muss aber nicht zwangsläufig. Will der Supervisor/ die Supervisorin jedoch sich adäquat auf eine Klärung des Konfliktgeschehens einlassen, braucht er/sie Handwerkszeug aus den beiden anderen Formaten. Und der/die Mediatorin und der/die Klärungshelferin kommen noch weniger um supervisorisches know-how herum, wenn sie sich nicht auf eng umgrenzte Felder spezialisieren und auf die komplexe organisatorische Einbettung von Konflikten adäquat reagieren wollen.

Literatur: Thomann, Christof: Klärungshilfe: Konflikte im Beruf, Reinbek, 1998

Prior, Christian und Thomann, Christof: Klärungshilfe 3, Reinbek 2007

Pühl, Harald: Konfliktklärung in Teams und Organisationen, Berlin, 2010

Pühl, Harald (HRSg.): Mediation in Organisationen, Berlin, 2006

Schreyögg, Astrid: Konfliktcoaching, Frankfurt, 2002

Glasl, Friedrich: Konfliktmanagement, Bern, 2004

Buer, Ferdinand: Praxis der psychodramatischen Supervision, Wiesbaden 2004

Altmann G., Fiebinger H., Müller R.: Mediation: Konfliktmanagement für moderne

Unternehmen, Weinheim, 1999

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Impressum: Kommunmikation- Konflikt- Kontakt

Praxis für Supervision, Coaching und Mediation Norbert Scholz

Domstraße 8 97070 Würzburg Josef-Zöller-Str. 10 97753 Karlstadt 09353/9090090 www.supervision-scholz.de [email protected]

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…die Energie entfalten

für die Dinge, die ich

verändern kann…,

die Gelassenheit

entwickeln, für die

Dinge, die ich nicht

ändern kann…,

…Und die

Weisheit suchen, das eine

vom anderen

unterscheiden zu

können.!


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