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Schafft PowerPoint ab!

Date post: 23-Dec-2016
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Schafft PowerPoint ab! Jeff Bezos, Gründer und CEO von Amazon, hat PowerPoint aus den Vorstandssitzungen verbannt. Die Geschäftsleitung des Internethändlers verzichtet auf Präsentationen und beschäftigt sich wieder mit gut lesbaren Berichten. Es folgt ein Plädoyer für den maßvollen und sinnvollen Einsatz von PowerPoint in der Geschäftskommunikation. Man fühlt sich wie ein einsamer Rufer in der Wüste, wenn man die gängige Praxis des Präsentierens in Unternehmen infrage stellt. Was kann an dem schlecht sein, was fast alle tun? Was kann an dem schlecht sein, was uns so leichtfällt – „Slide“ um „Slide“ zu erstellen, ein endloser Fluss an Bildern und Texten, der scheinbar mühelos über den Köpfen des Publikums schwebt und den sparsamen Handbewegungen der Referen- ten gehorcht. Zusammen mit den beruhigenden Geräuschen des Projektionsgerätes (Beamer) und der damit verbundenen unweigerlichen Erwärmung des Raumes ergibt sich eine me- ditative Wirkung, die Frank Patalong 2009 auf Spiegel Online treffend mit dem Titel beschrieb: „Beamer an, Hirn aus“. Jeff Bezos beurteilt die vorherrschende PowerPoint-Kul- tur 2012 in einem Interview mit Charlie Rose folgenderma- ßen: „[PowerPoint] ist einfach für den Referenten, aber schwierig für die Zuhörer. Deshalb orientieren sich alle un- sere Besprechungen an einem sechsseitigen lesbaren Doku- ment.“ Die Geschäftsleitung eines Unternehmens mit 60 Milliarden US-Dollar Umsatz und über 90.000 Angestell- ten nimmt sich in jeder Besprechung 30 Minuten Zeit, um die Sachverhalte zu lesen, die sie im Anschluss behandelt. Ohne PowerPoint. Warum lohnt sich dieser Eingriff in eine weitverbreitete Kommunikationskultur? Warum sollten wir den flächen- deckenden Einsatz von PowerPoint hinterfragen? Schluss mit dem Showbusiness PowerPoint-Präsentationen wurden zum Tummelplatz auf- strebender Führungskräfte. Was kann man sich mehr wün- schen als eine Plattform, um andere Führungskräfte von den eigenen rhetorischen und gestalterischen Fähigkeiten zu überzeugen? Oft geht es nicht mehr um die Sache, sondern um den Eindruck, den man hinterlässt. Die Rationalität der Analyse, die Logik der Argumentation und die Glaubwürdig- keit der Schlussfolgerungen werden vom Auftreten und den visuellen Effekten überlagert. Alles, was zählt, ist der Moment. Willkommen in der Casting-Welt von PowerPoint! Inhalt vor Design Die dominierende Stellung von PowerPoint in der Geschäfts- kommunikation hat dazu geführt, dass wir uns heute oft mehr über Design unterhalten als über Inhalte. Wer das Logo weg- lässt, um mehr Platz für die eigentlichen Inhalte zu schaffen, gilt als moderner Ketzer. Übergroße Schriften führen zu ver- kürzten Aussagen, die sich am Formulierungsniveau von Schulanfängern orientieren. Die Form- und Farbsymbolik des Corporate Designs schreibt uns vor, wie Sachverhalte be- schrieben und dargestellt werden sollen. Nur wenige hinter- fragen diese Vorherrschaft des Designs über die Inhalte. Gutes Design sollte aber nur ein Ziel haben: die Darstellung der Inhalte zu unterstützen. Serie Reporting Roman Griesfelder hinter- fragt in dieser Beitragsserie den Status quo des Repor- tings und zeigt Wege auf, die das interne Berichtswesen wirksam machen. Dabei be- schäftigt er sich mit der Kom- munikationskultur, der Spra- che und den Darstellungsdetails in Diagrammen und Tabellen. Roman Griesfelder studierte BWL und Soziologie und gründete – nach einer langjährigen Zusammenarbeit mit Professor Dr. Rolf Hichert – die aspektum gmbh mit Sitz in St. Gallen (Schweiz). 70 Controlling & Management Review 5 | 2013 Service | Reporting
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Page 1: Schafft PowerPoint ab!

Schafft PowerPoint ab!

Jeff Bezos, Gründer und CEO von Amazon, hat PowerPoint aus den Vorstandssitzungen verbannt. Die Geschäftsleitung des Internethändlers verzichtet auf Präsentationen und beschäftigt sich wieder mit gut lesbaren Berichten. Es folgt ein Plädoyer für den maßvollen und sinnvollen Einsatz von PowerPoint in der Geschäftskommunikation.

Man fühlt sich wie ein einsamer Rufer in der Wüste, wenn man die gängige Praxis des Präsentierens in Unternehmen infrage stellt. Was kann an dem schlecht sein, was fast alle tun? Was kann an dem schlecht sein, was uns so leichtfällt – „Slide“ um „Slide“ zu erstellen, ein endloser Fluss an Bildern und Texten, der scheinbar mühelos über den Köpfen des Publikums schwebt und den sparsamen Handbewegungen der Referen-ten gehorcht. Zusammen mit den beruhigenden Geräuschen des Projektionsgerätes (Beamer) und der damit verbundenen unweigerlichen Erwärmung des Raumes ergibt sich eine me-ditative Wirkung, die Frank Patalong 2009 auf Spiegel Online treffend mit dem Titel beschrieb: „Beamer an, Hirn aus“.

Jeff Bezos beurteilt die vorherrschende PowerPoint-Kul-tur 2012 in einem Interview mit Charlie Rose folgenderma-ßen: „[PowerPoint] ist einfach für den Referenten, aber schwierig für die Zuhörer. Deshalb orientieren sich alle un-

sere Besprechungen an einem sechsseitigen lesbaren Doku-ment.“ Die Geschäftsleitung eines Unternehmens mit 60 Milliarden US-Dollar Umsatz und über 90.000 Angestell-ten nimmt sich in jeder Besprechung 30 Minuten Zeit, um die Sachverhalte zu lesen, die sie im Anschluss behandelt. Ohne PowerPoint.

Warum lohnt sich dieser Eingriff in eine weitverbreitete Kommunikationskultur? Warum sollten wir den flächen-deckenden Einsatz von PowerPoint hinterfragen?

Schluss mit dem ShowbusinessPowerPoint-Präsentationen wurden zum Tummelplatz auf-strebender Führungskräfte. Was kann man sich mehr wün-schen als eine Plattform, um andere Führungskräfte von den eigenen rhetorischen und gestalterischen Fähigkeiten zu überzeugen? Oft geht es nicht mehr um die Sache, sondern um den Eindruck, den man hinterlässt. Die Rationalität der Analyse, die Logik der Argumentation und die Glaubwürdig-keit der Schlussfolgerungen werden vom Auftreten und den visuellen Effekten überlagert. Alles, was zählt, ist der Moment. Willkommen in der Casting-Welt von PowerPoint!

Inhalt vor DesignDie dominierende Stellung von PowerPoint in der Geschäfts-kommunikation hat dazu geführt, dass wir uns heute oft mehr über Design unterhalten als über Inhalte. Wer das Logo weg-lässt, um mehr Platz für die eigentlichen Inhalte zu schaffen, gilt als moderner Ketzer. Übergroße Schriften führen zu ver-kürzten Aussagen, die sich am Formulierungsniveau von Schulanfängern orientieren. Die Form- und Farbsymbolik des Corporate Designs schreibt uns vor, wie Sachverhalte be-schrieben und dargestellt werden sollen. Nur wenige hinter-fragen diese Vorherrschaft des Designs über die Inhalte. Gutes Design sollte aber nur ein Ziel haben: die Darstellung der Inhalte zu unterstützen.

Serie Reporting

Roman Griesfelder hinter-fragt in dieser Beitragsserie den Status quo des Repor-tings und zeigt Wege auf, die das interne Berichtswesen wirksam machen. Dabei be-schäftigt er sich mit der Kom-munikationskultur, der Spra-

che und den Darstellungsdetails in Diagrammen und Tabellen.Roman Griesfelder studierte BWL und Soziologie und gründete – nach einer langjährigen Zusammenarbeit mit Professor Dr. Rolf Hichert – die aspektum gmbh mit Sitz in St. Gallen (Schweiz).

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Die Komplexität endet nicht am SeitenendePowerPoint kennt keine Seitenumbrüche. PowerPoint kennt nur Seiten. Warum das so ist? Weil PowerPoint vor allem eine Software zur Betrachtung von Bildern ist. Bilder benötigen kei-nen Seitenumbruch. Aber umfassende Darstellungen von kom-plexen Sachverhalten machen nicht am Seitenende halt. Diese starre Seitenorientierung führt dazu, dass wir unser Wissen in kleine Seiten-Portionen verpacken müssen, um es an unser Publikum zu verfüttern. Dabei kommt es zu einem problema-tischen Nebeneffekt: Durch die seitenweise Präsentation von Inhalten erhält jede einzelne Seite die gleiche Wichtigkeit. „Klick“ – und wieder eine wichtige Seite … „klick“ – und wie-der eine wichtige Seite … „klick“ – und wieder eine wichtige Seite. 64 gleich wichtige Seiten kann aber niemand verstehen.

Der endlose Strom des Vergessens64 scheinbar gleich wichtige Seiten widersprechen allen Er-kenntnissen der Forschung zu Wahrnehmung und Verständ-

Kernthesen

• Rund um PowerPoint ist eine verheerende Kommu-nikationskultur entstanden. Wir beschäftigen uns zu häufig mit endlosen und strukturlosen Informatio-nen, die uns im schlimmsten Fall wortwörtlich vor-gelesen werden.

• Bei Amazon wird PowerPoint in den Vorstandsbe-sprechungen nicht mehr verwendet. Im Gegenteil: Der Vorstand nutzt die ersten 30 Minuten einer Sit-zung, um Berichte still für sich zu lesen.

• Ausformulierte, gut lesbare Berichte können kom-plexe Sachverhalte objektiver beschreiben. Autoren von Texten arbeiten gewissenhafter und präziser als Moderatoren von PowerPoint-Schaubildern.

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nis (das gilt übrigens auch für 24, ja sogar für 14 Seiten). Wir sind zum Nichtverstehen verdammt, wenn wir keine schlüs-sige Bedeutungshierarchie bilden können. Was ist wirklich wichtig? Was ist weniger wichtig? Und in welchem Zusam-menhang stehen alle diese Informationen zueinander? Ohne Struktur bleibt uns nur ein oft praktizierter Überlebensme-chanismus: Abschalten.

Leider wird aber nicht der Beamer abgeschaltet, um den Referenten zu fragen, was er uns denn eigentlich sagen will. Meistens schalten die Zuhörer sich selbst ab. Sie begeben sich in einen Dämmerzustand, der die kognitiven Prozesse auf ein überlebensnotwendiges Niveau herunterfährt, oder sie beschäftigen sich mit den Geräten, die sie zum Glück weiterhin mit der realen Welt verbinden.

Dass sich viele Referenten zum Schluss für die Aufmerk-samkeit bedanken, sollte uns als Zuhörer wenigstens ein klein wenig beschämen. Interessanterweise tut es das aber nicht. Wir sind froh, dass es zu Ende ist.

Bitte nicht vorlesen!Mein jüngster Sohn freut sich darüber, wenn man ihm vor-liest. Er ist dann ganz aufgeregt und kann den Beginn kaum erwarten. Es ist faszinierend, wie er sich in die Geschichte hi-neinbegibt, plötzlich in einer anderen Welt lebt und nur ab und zu vorsichtig eine Frage stellt, wenn er meint, nicht alles verstanden zu haben.

In Präsentationen wird auch viel vorgelesen. Ich habe je-doch noch niemanden getroffen, der sich darüber freut. Im Gegenteil: Die Praxis, Texte auf Slides zu schreiben, hat zu unhaltbaren Zuständen in unzähligen Besprechungsräumen auf der ganzen Welt geführt. Warum lassen wir es zu, dass uns Worte, Halbsätze, Sätze, ja ganze Absätze vorgelesen

werden? Wieso hören wir den Referenten beim Ablesen ihrer Informationen zu, obwohl wir die Inhalte in einem Bruchteil der Zeit quergelesen und verstanden haben? Wieso erwarten wir von den Referenten nicht, dass sie die wesentlichen Aussagen ihrer Präsentation in freier Rede vortragen können?

Die Kunst des Vortragens wurde durch den falschen Ein-satz von PowerPoint abgeschafft. Der Vortragende ist zum Moderator seiner Slides geworden, die er möglichst fließend und launig kommentiert und begleitet.

PowerPoint bietet viele tolle Funktionen, um Präsenta-tionen interessant und verständlich zu gestalten. Wenn ein Tool jedoch unsere Art des Denkens und der Entschei-dungsfindung negativ beeinflusst und sein falscher Einsatz zu unzähligen ineffizienten und ineffektiven Arbeitsstun-den führt, dann ist es Zeit für eine kleine Revolution, wie Jeff Bezos es bei Amazon vorgemacht hat.

LiteraturBezos, J.: The ultimate disrupter, http://management.fortune.cnn.com/2012/11/16/jeff-bezos-amazon/.

Patalong, F.: Im Powerpoint-Nirvana: Beamer an, Hirn aus, http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/im-powerpoint-nirvana-beamer- an-hirn-aus-a-630918.html.

Rose, C.: Interview mit Jeff Bezos am 16.11.2012, http://www. charlierose.com/watch/60148245 (ab ca. 5:30 Minuten).

Handlungsempfehlungen

1. Reduzieren Sie den Einsatz von PowerPoint auf ein unbedingt notwendiges Minimum.

2. Lassen Sie nicht mehr zu, dass Ihnen Texte vor-gelesen werden, die Sie gleichzeitig an der Wand lesen können.

3. Erwarten Sie gut lesbare Dokumente zu wichtigen Präsentationen.

4. Stellen Sie den Inhalt Ihrer Präsentation in den Vordergrund und nicht das Design.

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