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Richterliche vs. marktbezogene Preisfindung bei M&A ... · Investment-Bank Houlihan Lokey Capital...

Date post: 23-Jun-2020
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GesKR 2 2017 215 Deal Watch raisal action) i.S. DFC Global 1 den fairen Wert des Un- ternehmens festzulegen. Seine mathematischen Künste haben einen Sturm ausgerechnet im US-Staat Delaware ausgelöst, der sich rühmt, das erfahrenste Handelsge- richt der USA zu beheimaten. 2 Wir wollen diesen Fall näher anschauen, nicht weil wir die Beherrschung von Bewertungsmethoden und -be- rechnungen durch Chancellor Bouchard thematisieren wollen, sondern vielmehr weil wir die grundsätzliche Frage, ob Handelsrichter Zeit damit verbringen sollen, «Investmentbanker ohne angemessene Entschädigung zu spielen» 3 näher untersuchen wollen. Diese Frage stellt sich bekanntlich auch in der Schweiz, u.a. im Rahmen der Überprüfungsklage nach Art. 105 FusG. 1. Sachverhalt Die Vorgeschichte zum Fall beginnt im April 2012. DFC Global Corporation war eine an der Börse NASDAQ kotierte US-Gesellschaft, welche Kurzzeitkredite (pay- day lending) in zehn Ländern anbot. Sie mandatierte die Investment-Bank Houlihan Lokey Capital Inc. um ei- nen Verkauf des Unternehmens zu evaluieren. Der Ent- scheid, die Gesellschaft zu verkaufen, wurde u.a. durch ein verändertes regulatorisches Umfeld (v.a. in Grossbri- tannien und in den USA), eine hohe Verschuldung und offene Fragen bei der Nachfolge auf Stufe Management getrieben. In den darauffolgenden zwei Jahren ging DFC Global durch einen langwierigen Verkaufsprozess in dem 43 Finanzinvestoren und drei potenzielle strategi- sche Käufer kontaktiert wurden. Dieser Prozess führte nur zu einer Handvoll unverbindlicher Interessenerklä- 1 In re Appraisal of DFC Global Corp., C.A. No. 10107-CB (Del. Ch. July 8, 2016). 2 Vgl. Sujeet Indap, Judges second-guess value established in competitive M&A process, Financial Times, 27. März 2017, ab- rufbar unter <https://www.ft.com/content/6897299a-0f6c-11e7- b030-768954394623> (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017). 3 Vgl. Wei Jiang / Tao Li / Danqing Mei / Randall S. Thomas, Appraisal: Shareholder Remedy or Litigation Arbitrage? (April 20, 2016), Columbia Business School Research Paper No. 16–31; Van- derbilt Law and Economics Research Paper No. 16–11, abrufbar unter <https://ssrn.com/abstract=2766776> (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017). Inhaltsübersicht I. Der Stein des Anstosses: In re Appraisal of DFC Global Corp. 1. Sachverhalt 2. Die Kernaussagen des Courts of Chancery 2.1 Bewertung auf Basis von Fortführungswerten ohne Berücksichtigung von Synergien 2.2 Berücksichtigung der geeignetsten Bewertungsmethoden 2.3 Die Kehrtwende: das Konzept eines funktionierenden Markts 2.4 Gewichtung der Bewertungsmethoden für die Bestimmung des fairen Werts II. Inwiefern kann man die US-Rechtslage mit der Rechtslage in der Schweiz vergleichen? 1. Die Fragestellung 2. Unterschiede in den Transaktionsformen 3. Limite der Rechtsvergleichung III. Bedeutung des Transaktionspreises 1. USA 1.1 Transaktionspreis als fairer Wert …? 1.2 ... oder kann sich das Gericht über den Markt setzen? In re Appraisal Dell 1.3 Unsicherheiten nach DFC Global: vom Gericht bestimmte Marktbedingungen und -funktionalität sind nicht verlässlich 2. Fusionsgesetz 2.1 Angemessenheit als prozeduraler Beurteilungsmassstab 2.2 Angemessenheit als eine Bandbreite IV. Schlussfolgerung I. Der Stein des Anstosses: In re Appraisal of DFC Global Corp. Die Geschichte ist wahr und läuft im Jahr 2016 ab; sie ist noch nicht abgeschlossen: Die Excel-Tabelle, welche beim Discounted Cashflow Bewertungsmodell verwen- det wurde, war falsch. Besser gesagt: es gab einen Tipp- fehler im Nettoumlaufvermögen. Der Fehler wurde nachträglich entdeckt und die entsprechenden korrekten Zahlen eingefügt. Dieses Excel-Drama unterlief nicht einem Junior-Analysten einer Investment-Bank oder ei- nem MBA-Studenten, sondern einem Richter des Dela- ware Chancery Court, Chancellor Andre G. Bouchard, als er versuchte, im Rahmen der Ausgleichsklage (app- Frank Gerhard* Richterliche vs. marktbezogene Preisfindung bei M&A Transaktionen: Sollen die Richter eigentlich rechnen? * Dr. iur. Frank Gerhard, LL.M., Partner, Homburger AG.
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Page 1: Richterliche vs. marktbezogene Preisfindung bei M&A ... · Investment-Bank Houlihan Lokey Capital Inc. um ei-nen Verkauf des Unternehmens zu evaluieren. Der Ent-scheid, die Gesellschaft

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raisal action) i.S. DFC Global1 den fairen Wert des Un-ternehmens festzulegen. Seine mathematischen Künste haben einen Sturm ausgerechnet im US-Staat Delaware ausgelöst, der sich rühmt, das erfahrenste Handelsge-richt der USA zu beheimaten.2

Wir wollen diesen Fall näher anschauen, nicht weil wir die Beherrschung von Bewertungsmethoden und -be-rechnungen durch Chancellor Bouchard thematisieren wollen, sondern vielmehr weil wir die grundsätzliche Frage, ob Handelsrichter Zeit damit verbringen sollen, «Investmentbanker ohne angemessene Entschädigung zu spielen»3 näher untersuchen wollen. Diese Frage stellt sich bekanntlich auch in der Schweiz, u.a. im Rahmen der Überprüfungsklage nach Art. 105 FusG.

1. Sachverhalt

Die Vorgeschichte zum Fall beginnt im April 2012. DFC Global Corporation war eine an der Börse NASDAQ kotierte US-Gesellschaft, welche Kurzzeitkredite (pay-day lending) in zehn Ländern anbot. Sie mandatierte die Investment-Bank Houlihan Lokey Capital Inc. um ei-nen Verkauf des Unternehmens zu evaluieren. Der Ent-scheid, die Gesellschaft zu verkaufen, wurde u.a. durch ein verändertes regulatorisches Umfeld (v.a. in Grossbri-tannien und in den USA), eine hohe Verschuldung und offene Fragen bei der Nachfolge auf Stufe Management getrieben. In den darauffolgenden zwei Jahren ging DFC Global durch einen langwierigen Verkaufsprozess in dem 43 Finanzinvestoren und drei potenzielle strategi-sche Käufer kontaktiert wurden. Dieser Prozess führte nur zu einer Handvoll unverbindlicher Interessenerklä-

1 In re Appraisal of DFC Global Corp., C.A. No. 10107-CB (Del. Ch. July 8, 2016).

2 Vgl. Sujeet Indap, Judges second-guess value established in competitive M&A process, Financial Times, 27.  März 2017, ab-rufbar unter <https://www.ft.com/content/6897299a-0f6c-11e7-b030-768954394623> (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017).

3 Vgl. Wei Jiang / Tao Li / Danqing Mei / Randall S. Thomas, Appraisal: Shareholder Remedy or Litigation Arbitrage? (April 20, 2016), Columbia Business School Research Paper No. 16–31; Van-derbilt Law and Economics Research Paper No. 16–11, abrufbar unter <https://ssrn.com/abstract=2766776> (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017).

InhaltsübersichtI. Der Stein des Anstosses: In re Appraisal of DFC Global Corp.

1. Sachverhalt2. Die Kernaussagen des Courts of Chancery

2.1 Bewertung auf Basis von Fortführungswerten ohne Berücksichtigung von Synergien

2.2 Berücksichtigung der geeignetsten Bewertungsmethoden

2.3 Die Kehrtwende: das Konzept eines funktionierenden Markts

2.4 Gewichtung der Bewertungsmethoden für die Bestimmung des fairen Werts

II. Inwiefern kann man die US-Rechts lage mit der Rechtslage in der Schweiz vergleichen?1. Die Fragestellung2. Unterschiede in den Transaktionsformen3. Limite der Rechtsvergleichung

III. Bedeutung des Transaktionspreises1. USA

1.1 Transaktionspreis als fairer Wert …?1.2 ... oder kann sich das Gericht über den Markt setzen?

In re Appraisal Dell 1.3 Unsicherheiten nach DFC Global: vom Gericht

bestimmte Marktbedingungen und -funktionalität sind nicht verlässlich

2. Fusionsgesetz2.1 Angemessenheit als prozeduraler Beurteilungsmassstab2.2 Angemessenheit als eine Bandbreite

IV. Schlussfolgerung

I. Der Stein des Anstosses: In re Appraisal of DFC Global Corp.

Die Geschichte ist wahr und läuft im Jahr 2016 ab; sie ist noch nicht abgeschlossen: Die Excel-Tabelle, welche beim Discounted Cashflow Bewertungsmodell verwen-det wurde, war falsch. Besser gesagt: es gab einen Tipp-fehler im Nettoumlaufvermögen. Der Fehler wurde nachträglich entdeckt und die entsprechenden korrekten Zahlen eingefügt. Dieses Excel-Drama unterlief nicht einem Junior-Analysten einer Investment-Bank oder ei-nem MBA-Studenten, sondern einem Richter des Dela-ware Chancery Court, Chancellor Andre G. Bouchard, als er versuchte, im Rahmen der Ausgleichsklage (app-

Frank Gerhard*

Richterliche vs. marktbezogene Preisfindung bei M&A Transaktionen: Sollen die Richter eigentlich rechnen?

* Dr. iur. Frank Gerhard, LL.M., Partner, Homburger AG.

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dabei auf einen viel niedrigeren Durchschnittswert von USD 7.94 je Aktie schloss. Die Beklagte forderte sodann den Court of Chancery auf, in Anbetracht des robusten Verkaufsverfahrens, welches zum Abschluss der Trans-aktion führte, den effektiv bezahlten Transaktionspreis von USD 9.50 als den zuverlässigsten Indikator für den fairen Wert des Unternehmens zu berücksichtigen.

Chancellor Bouchard hielt fest, dass der faire Wert ei-ner Aktie der DFC Global USD 10.21 war, also 71 Cent höher als der Transaktionspreis von USD 9.50 (Gesamt-wert: USD 1.3 Mrd.). Bei der Festsetzung des fairen Werts berücksichtigte Chancellor Bouchard die drei vor-gebrachten Bewertungsmethoden – DCF, Multiples von ähnlichen Unternehmen und Transaktionspreis – und kam zum Schluss, dass nicht der Transaktionspreis, son-dern eine gleichwertige Gewichtung der drei Methoden der zuverlässigste Indikator des fairen Werts war.

Kurz nach Zustellung des Urteils verlangte DFC Global eine Revision des Urteils (motion for reargument), da Chancellor Bouchard in der eigenen DCF-Kalkulation einen technischen Fehler begangen hatte. Die Behebung dieses Fehlers hätte zu einer Bewertung von lediglich USD 7.71 je Aktie geführt. Doch Chancellor Bouchard, obwohl er den Fehler einsah, kam zu einer neuen Bewer-tung von USD 10.30 je Aktie (statt USD 10.21 im be-anstandeten Urteil), was einem zusätzlichen Wert von USD 12 Mio. entsprach.8 Das Gericht nahm nämlich die Revision als Anlass, die ewige Wachstumsrate in seinem DCF-Modell von 3.1 % auf 4.0 % zu erhöhen. Es hielt fest, dass es «vernachlässigt hatte, inwieweit die geplan-ten Umsätze einerseits und der Umlaufvermögensbedarf von DFC Global andererseits voneinander abhängig waren und dass ein hoher Bedarf an Umlaufvermögen zwangsläufig einer hohen prognostizierten Wachstums-rate entspricht». Dabei musste das Gericht seine ur-sprüngliche Theorie über Bord werfen, dass die ewige Wachstumsrate eines Unternehmens die risikofreie Rate nie überschreiten sollte. Das Gericht erkannte, dass diese Aussage nur für Unternehmen gilt, die ein stabiles Ent-wicklungsstadium erreicht haben9 – was bei DFC Global nicht der Fall war. Wenn ein Unternehmen während des gesamten Projektionszeitraums ein schnelles Wachstum erwartet, so das Gericht, dann sollte die ewige Wachs-tumsrate in der Tat höher sein als die risikofreie Rate.

Das Urteil wurde von der Beklagten weitergezogen. Das Hearing vor dem Delaware Supreme Court fand am 7. Juni 2017 statt.

plikator (Multiple) multipliziert wird. Um diesen Multiplikator zu bestimmen vergleicht man die Multiplikatoren von vergleichbaren Unternehmen (peer companies).

8 In re Appraisal of DFC Global Corp C.A. No. 10107-CB (Del. Ch. September 9, 2016).

9 Aswath Damodaran, Investment Valuation: Tools and Techniques for Determining the Value of any Asset, Wiley, 3rd ed. 2012, 305.

rungen. Im Februar 2014 bot schliesslich der Private-Equity Fonds Lone Star Fund VIII (US) LLP den Pu-blikumsaktionären der DFC Global USD 11.00 je Aktie in bar. Nachdem kurz darauf DFC Global u.a. ihre fi-nanziellen Projektionen auf Grund der regulatorischen Unsicherheiten nochmals4 reduzierte, senkte Lone Star ihr Angebot auf USD  9.50 je Aktie. Der Verwaltungs-rat der DFC Global kam zum Schluss, dass es besser für die Gesellschaft war, dieses Angebot zu akzeptieren als das Risiko einzugehen, dass das Geschäft sich weiter verschlechtere, die Gesellschaft ihre Verpflichtung unter einer Kreditfazilität nicht mehr erfüllen könne, das Ei-genkapital sich auf Null reduziere und schliesslich dass das gesamte Unternehmen restrukturiert werden müsse. Die Transaktion in Form einer Fusion wurde am 1. April 2014 unterzeichnet. Kein anderer Bieter machte danach ein höheres Angebot. Der Preis entsprach einer Prämie von 6 % gegenüber dem Börsenkurs der Gesellschaft im Zeitpunkt des Abschlusses der Transaktion und von 12 % gegenüber dem durchschnittlichen Börsenkurs der letzten 30 Börsentage vor deren Abschluss.

Nach Bekanntgabe der Transaktion reichten fünf DFC Global Aktionäre, die zusammen ca. 11 % der Aktien der Gesellschaft hielten, separate Ausgleichsklagen (petitions for appraisal) nach § 262 Delaware General Corporation Laws (DGCL)5 gegen die Gesellschaft ein. Sie behaup-teten, die Gesellschaft sei zu einem Abschlag gegenüber dem fairen Wert verkauft worden, in einer Periode als die regulatorischen Unsicherheiten auf den Börsenkurs drückten. Das darauffolgende Gerichtsverfahren endete in einer Schlacht von Finanzexperten. Der Sachverstän-dige der Kläger berechnete einen fairen Wert von USD 17.90 je Aktie mit einem DCF-Modell6, das auf dem 5-Jahresplan des Managements basierte, während der Ex-perte der beklagten Gesellschaft ein DCF-Modell (USD 7.81 je Aktie) und eine Analyse von Multiples von ähnli-chen Unternehmen7 verwendete (USD 8.07 je Aktie) und

4 Dies war die dritte Herabsetzung in weniger als fünf Monate: Der geplante EBITDA verringerte sich in dieser Zeit von USD 300 Mio. auf USD 150–130 Mio.

5 Diese Bestimmung erlaubt es den Aktionären der untergehenden Gesellschaft in einer bar oder einer gemischten bar/Aktien Fusion, den Delaware Court of Chancery einzuladen, den fairen Wert (fair value) ihrer Aktien festzusetzen. Bei reinen Aktientransaktionen, in welchen die involvierten Aktien entweder an der NYSE oder an der NASDAQ kotiert sind, ist die Ausgleichsklage ausgeschlossen (Del. C. §262(b)). Die Ausgleichsklage ist zu unterscheiden von der Sorgfaltspflichtklage (fiduciary duty claim), deren Zweck ist, zu überprüfen ob der Verwaltungsrat seine Sorgfaltspflichten im Rah-men des Verkaufs des Unternehmens eingehalten hat.

6 Beim DCF-Modell werden zukünftige Cashflows (insbesondere der geschätzte Residualwert als letzter Wertzufluss) mit dem Ka-pitalkostensatz diskontiert und die so erhaltenen Barwerte addiert. Wertbildende Faktoren sind bei der DCF-Methode also die zukünf-tigen Cashflows sowie der Kapitalkostensatz.

7 Beim Multiples-Modell geht man davon aus, dass der Unterneh-menswert ein Vielfaches bzw. den Bruchteil einer bestimmten Re-ferenzgrösse (Umsatz, EBIT oder EBITDA) beträgt. Der Unter-nehmenswert wird hier also berechnet, indem die Referenzgrösse des zu bewertenden Unternehmens mit einem bestimmten Multi-

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schied ist das Ergebnis vieler Meinungsverschiedenheiten bezüglich Inputs und Methoden, die von den Experten beim Aufbau ihrer jeweiligen DCF-Modelle verwendet wurden. Danach baute das Gericht auf über 40 Seiten (von insgesamt 65) sein eigenes DCF-Modell auf, welches be-liebig Elemente der von den Parteien beauftragten Sach-verständigen berücksichtigte oder verwarf. Dieses prop-rietäre DCF-Modell führte zu einem Wert je Aktie von USD 13.07 oder 37 % über dem Transaktionspreis.

b. Multiples von ähnlichen Unternehmen

Das Gericht überprüfte sodann auf weniger als zwei Sei-ten die von der Beklagten vorgelegte Analyse der Mul-tiples von ähnlichen Unternehmen und bestätigte dabei den Wert von USD 8.07 je Aktie.14 Das Gericht gab zu, dass es sich bislang weniger häufig auf Multiples von ver-gleichbaren Unternehmen als auf DCF-Analysen oder auf den Transaktionspreis bei der Festsetzung des fairen Wertes stützte. Trotzdem fand das Gericht, dass die Mul-tiples-Methode einen wertvollen Einblick in den fairen Wert des Unternehmens gewährte, umso mehr als der Vergleich von mehreren Peer-Firmen den Wert stabiler und weniger anfällig auf die DCF-spezifischen Probleme der DFC Global machte.

c. Transaktionspreis

Das Gericht brauchte schliesslich knapp drei Seiten um darüber zu entscheiden, ob der Transaktionspreis von USD 9.50 ein zuverlässiger Indikator des fairen Werts des Unternehmens war. Es räumte ein, dass der Transaktions-preis, wenn er das Resultat eines konfliktfreien Verkaufs-verfahrens ist, welches zu Drittkonditionen erfolgte, und an dem ein robustes Bieteruniversum teilgenommen hat, ein starkes Indiz für den fairen Wert des Unternehmens sei.15 Daher sei der Transaktionspreis im DFC Global Fall ein angemessener Faktor um den fairen Wert zu eruieren, da die Gesellschaft von einer Drittpartei im Rahmen ei-nes zu Drittkonditionen geführten zweijährigen Ver-kaufsprozesses erworben wurde, in dem dutzende von Finanzinvestoren sowie mehrere potenzielle strategische Käufer teilgenommen haben. Zudem war die Transakti-on frei von Interessenkonflikten; diese liegen nämlich oft vor, wenn ein Private Equity-Fonds als Käufer auftritt, da er üblicherweise das bestehende Management der Zielge-sellschaft weiter beschäftigt und es auch mit entsprechen-den Anreizen motiviert.16 Im Gegenteil, hier verfolgte die Erwerberin Lone Star den entgegengesetzten Ansatz, da

14 Id., 55–57. 15 Das Gericht erwähnte, dass diese Regel hier von besonderer Bedeu-

tung sei, weil die subjektiven Gedankenvorgänge von zwei sehr res-pektierten Bewertungsunternehmen zu tektonischen Meinungsver-schiedenheiten (chasmic differences) bei den Bewertungen geführt haben, obwohl beide ähnliche Methoden und ähnliche finanzielle Projektionen benutzt haben. Id., 58. Vgl. auch Golden Telecom, 993 A.2d S. 507; Highfields Capital, Ltd. v. AXA Fin., Inc., 939 A. 2d 34, 42 (Del. Ch. 2007).

16 Vgl. den Fall Dell, den wir nachfolgend besprechen.

2. Die Kernaussagen des Courts of Chancery

2.1 Bewertung auf Basis von Fortführungswerten ohne Berücksichtigung von Synergien

Das Gericht hielt zuerst fest, dass es in einem Aus-gleichsverfahren ein weites Ermessen hat und dass es alle relevanten Faktoren (all relevant factors) für die Ermitt-lung des fairen Werts zu berücksichtigen hat.10 Es stell-te jedoch klar, dass es bei der Anwendung von § 262(h) DGCL11 seine Bewertung auf Basis von Fortführungs-werten stützen muss, unter Ausschluss von Werten, die sich aus dem Vollzug der Transaktion ergeben können (Synergien). Nach der Rechtsprechung des Delaware Su-preme Court ist nämlich dem Aktionär dasjenige zu ver-güten, was ihm durch die Transaktion genommen wird, d.h. der wahre bzw. innere Wert seiner Beteiligung am lebenden Unternehmen.12

2.2 Berücksichtigung der geeignetsten Bewertungsmethoden

Das weite Ermessen des Gerichts bei der Beurteilung al-ler relevanten Faktoren erstreckt sich auch auf die Aus-wahl der geeignetsten Bewertungsmethoden um den fai-ren Wert des Unternehmens zu ermitteln. Dabei kann das Gericht sowohl die Bewertungen der Parteien berücksich-tigen, wie auch eigene Bewertungsansätze entwickeln.13 Das Gericht hat auch hervorgehoben, dass es sich in der Vergangenheit auf eine Reihe unterschiedlicher Ansätze und Analysen zur Ermittlung des fairen Werts gestützt hat, insbesondere DCF-Modelle, Multiples von ähnlichen Unternehmen und den vereinbarten Transaktionspreis. Das Gericht startete sodann mit einem Vergleich der Be-wertungsmethoden, ohne zuerst der einen oder anderen eine erhöhte Wichtigkeit zu geben.

a. DCF-Modell

Das Gericht stellte fest, dass zwischen den beiden vor-gelegten DCF-Modellen ein Preisunterschied von USD 10.09 je Aktie lag (USD 17.90 minus USD 7.81), was grösser als der Transaktionspreis selbst war. Dieser Unter-

10 In re Appraisal of DFC Global Corp C.A. No. 10107-CB (Del. Ch. July 8, 2016), 13–14.

11 §  262 (h) DGCL: «[…] Through such proceeding the Court shall determine the fair value of the shares exclusive of any element of value arising from the accomplishment or expectation of the merger or consolidation, together with interest, if any, to be paid upon the amount determined to be the fair value. In determining such fair value, the Court shall take into account all relevant factors».

12 Id., 14. Vgl. Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701, 713 (Del. 1983). Grundlegend schon Tri-Continental Corp v. Battye, 74 A.2d 71, 72 (Del. 1950): «The basic concept of value under the appraisal statute is that the stockholder is entitled to be paid for that which has been taken from him, viz., his proportionate interest in a going concern. By value of the stockholder’s proportionate interest in the corporate enterprise is meant the true or intrinsic value of his stock which has been taken by the merger».

13 Id., 14. Vgl. auch In re Appraisal of Ancestry.com, Inc., 2015 WL 399726, 15 (Del. Ch. Jan. 30, 2015).

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• Die Analyse der Multiples von ähnlichen Unterneh-men, obwohl weniger anfällig als die DCF-Analyse, weil sie nur eine 2-Jahresplanung berücksichtigt, ist wiederum weniger auf die firmenspezifischen An-gelegenheiten ausgerichtet da sie auf peer companies schaut. Deshalb ist auch sie unvollkommen.

• Schliesslich, obwohl sich das Verkaufsverfahren über einen längeren Zeitraum erstreckte, robust zu sein schien und frei von Interessenkonflikten war, waren die zukünftige Erträge von DFC Global unsicher und mehrheitlich ausserhalb der Kontrolle der Gesell-schaft, was dem Gericht nach auch die Zuverlässig-keit des Transaktionspreises in Frage stellte. Zudem war sich die Erwerberin dieser unsicheren Aussichten sehr bewusst und bildete darauf ihren Investitions-entscheid, nämlich Vermögenswerte mit potenzieller Aufwärtsbewegung zu einem günstigen Preis zu er-werben.20 In einer weiteren bedeutenden Passage aus dem Urteil kam das Gericht zum Schluss, dass insofern Lone Star (aber nicht die anderen Bieter) die einzigar-tige Situation von DFC Global verstanden hat, dann wäre der Transaktionspreis nicht unbedingt ein zuver-lässiger Indikator des fairen Werts der Gesellschaft. Diese Schlussfolgerung wird dadurch noch verstärkt, dass die Erwerberin Lone Star als Finanzinvestor da-rauf bedacht war, eine so hoch wie mögliche interne Rendite zu erreichen und ihr Angebot von der Höhe der verfügbaren Fremdfinanzierung abhängig war,21 was nicht dafür spricht, dass sie interessiert war, eine Transaktion zum fairen Wert abzuschliessen.

Diese Umstände veranlassten das Gericht, den Transak-tionspreis (USD 9.50 pro Aktie) nicht als vollkommen verlässlicher Indikator des fairen Werts der Gesellschaft anzuerkennen. So wenig verlässlich waren auch seine ei-gene DCF-Analyse (USD 13.07 je Aktie) und die Analyse der Multiples bei ähnlichen Unternehmen (USD 8.07 je Aktie). Bei der Ausübung seines freien Ermessen nahm das Gericht den mathematischen Durchschnitt der drei Methoden und kam somit auf einen fairen Wert von USD 10.21 je Aktie.

II. Inwiefern kann man die US-Rechts-lage mit der Rechtslage in der Schweiz vergleichen?

1. Die Fragestellung

Das DFC Global Urteil zeigt auf, wie weitgehend und wichtig das Ermessen der Delaware Richter ist, bei einer

20 Id., 62.21 Id., 63. Das Urteil erwähnt, dass Lone Star den Kaufpreis auf USD

9.50 je Aktie reduziert hatte u.a. weil die Fremdfinanzierung im Zuge der zusätzlichen Reduktion des projizierten EBITDA um weitere USD 100 Mio. gekürzt wurde.

sie die meisten Führungskräfte nach Vollzug ersetzte. So stellte das Gericht fest, dass die Umstände es eigentlich rechtfertigten, dass der Transaktionspreis als Massstab für die Bestimmung des fairen Werts der DFC Global ver-wendet werden könnte.

2.3 Die Kehrtwende: das Konzept eines funktionierenden Markts

So weit so gut. Doch das Gericht machte nach dieser Aussage eine abrupte Kehrtwende und qualifizierte die-se bewährte Regel – apodiktisch und ohne jegliches Zitat – indem es hinzufügte,17 dass sie nur in einem funktio-nierenden Markt gelte, d.h. wenn die Marktbedingungen auch förderlich waren, einen fairen Preis zu erzielen. In casu kam das Gericht zum Schluss, dass die alleinige Ab-stützung auf den Transaktionspreis falsch wäre, da die Transaktion in einem Zeitraum von bedeutenden Unsi-cherheiten bezüglich des Unternehmens und seines re-gulatorischen Umfelds verhandelt wurde, was die Zuver-lässigkeit des Transaktionspreises sowie der finanziellen Projektionen des Managements in Frage stellte. Deshalb könne man sich nicht einfach auf den Transaktionspreis stützen, um den fairen Wert des Unternehmens zu be-stimmen.

2.4 Gewichtung der Bewertungsmethoden für die Bestimmung des fairen Werts

Das Gericht kam jedoch zum Schluss, dass nicht nur der Transaktionspreis, sondern auch die beiden anderen vor-gebrachten Bewertungsmethoden «unvollkommen» ge-nug waren, um sich exklusiv auf eine einzige Bewertungs-methode zu verlassen:

• DFC Global navigierte zum Zeitpunkt des Verkaufs in turbulenten Regulierungsströmen, was einerseits ei-nen fatalen Ausgang für die Gesellschaft haben konn-te, oder im Gegenteil sehr positiv sein konnte, falls die Konkurrenten stärker davon betroffen sein würden und die Gesellschaft danach den Markt beherrsche.18 DFC Global war schlicht nicht in der Lage, ihren ei-genen Kurs zu planen; ihr Schicksal lag weitgehend in den Händen von Regulatoren. Wegen den Unwäg-barkeiten bei der 5-Jahresplanung verdiene die DCF-Analyse deshalb hier nicht eine überproportionale Ge-wichtung.19 In der Tat unterminierte eine dreimalige Reduktion der finanziellen Projektionen in fünf Mo-naten das Vertrauen der Teilnehmer nicht nur in die Projektionen selbst, sondern auch in die Fähigkeit des Managements, Projektionen zu machen. Dies schreck-te einige Bieter sogar davor ab, ein Angebot abzuge-ben.

17 Id., 58–59.18 Id., 60.19 Vgl. In re Appraisal of Dell, 2016 WL 3186538 (welches wegen eines

fehlerhaften Verkaufsprozesses 100 % Gewicht der DCF-Methode zuteilte).

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terstellung nach diesem Zeitpunkt nicht berührt wird.26 Damit verlieren auch Minderheitsgesellschafter, die eine im Sinne von Art. 8 Abs. 1 FusG angebotene Abfindung wählen, ihr Anfechtungsrecht nicht und können die Höhe der Abfindung gerichtlich überprüfen lassen, selbst wenn sie zwischenzeitlich als Folge dieser Wahl formell aus der Gesellschaft ausgeschieden sind und damit ihre Gesell-schafterstellung verloren haben.27 Es gilt also die Regel, dass auch ein Aktionär, der nach Ankündigung der Trans-aktion Aktien einer an der Fusion beteiligten Gesellschaft erwirbt berechtigt ist, eine Ausgleichsklage einzureichen. Anders ist die Situation im Übernahmerecht, wo der An-trag auf Parteistellung bzw. die Einsprache gegen eine Verfügung der UEK eines qualifizierten Aktionärs (>3 %) voraus setzt, dass der Aktionär nachweist, dass die quali-fizierte Beteiligung von mindestens 3 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft bereits im Zeitpunkt der elektroni-schen Veröffentlichung der Voranmeldung oder, wenn keine Voranmeldung publiziert wurde, im Zeitpunkt der elektronischen Veröffentlichung des Angebotsprospekts bestand (Art. 56 Abs. 4 lit. a UEV). Damit soll verhindert werden, dass ein Aktionär die qualifizierende Beteiligung aufbauen kann, erst nachdem er vom Angebot Kenntnis erlangt.

2. Unterschiede in den Transaktionsformen

Der Vergleich zwischen dem Rechtschutz bei Fusionen in den USA durch appraisal rights gemäss § 262 DGCL und in der Schweiz durch die Ausgleichsklage gemäss Art. 105 FusG ist nicht immer angebracht. Ganz allge-mein finden Kontrollübernahmen in den USA häufig auf dem Wege von Fusionen statt. In der Schweiz ist das vorherrschende Instrument der Kontrollübernahme das Übernahmeangebot.28 Dies hat damit zu tun, dass:

• Fusionen in der Schweiz grundsätzlich nur gegen Mit-gliedschaftsrechte der übernehmenden Gesellschaft er-laubt sind. Sie bewirken also keinen Exit, sondern eine Kontinuität der Mitgliedschaftsrechte und erlauben dem Aktionär weiterhin am Potential des fusionierten Unternehmens teilzuhaben. Eine Fusion ausschliess-

26 BSK FusG-Dubs/Frehner, Art.  105 N  42; CHK-Hoffmann-Nowotny/Kurth, Handkommentar, Art.  105 N 5; Glanzmann, Umstrukturierung, 3. Aufl., Bern 2014, N 783; HK FusG-Bürgi/Glanzmann, Art.  105 N  14; Vogel/Heiz/Behnisch/Sieber, FusG-Komm., Art. 105 N 11; a.A. ZK-Meier-Dieterle, Art. 105 N 15 ff., Comm LFus-Bahar, Art. 105 N 13; von der Crone et al., N 1033 f.; auch Amstutz/Mabillard, Fusionsgesetz, Art. 105 N 18.

27 Vgl. zur vergleichbaren Interessenlage im Übernahmerecht, wo eine Andienung der Aktien während der Nachfrist nicht zum Verlust der Beschwerdelegitimation gemäss FinfraG 139–141 führt; Urteil des BVGer B-5272/2009 vom 30. November 2010 E. 1.5 i.S. Quad-rant.

28 Ganz allgemein über den Vergleich Fusion–Übernahmeangebot, vgl. Frank Gerhard/Philippe Jacquemoud, Merger vs. Ex-change Offer: Remedies, Procedure, Triangular Merger, Quorum, Appraisal, Conflict of Interests, GesKR 2012, 182 ff.

Ausgleichsklage im Rahmen einer Fusion «alle relevan-ten Faktoren» bei der Festsetzung des fairen Wert zu be-rücksichtigen. Die Frage ist nun, inwiefern die Urteile der Gerichte in Delaware nicht auch wertvolle Hinweise für die gerichtliche Überprüfung der Entschädigung bei ei-ner Fusion nach Art. 105 FusG geben könnte. Dies wurde mehrmals von Rolf Watter in vorgängigen Dealwatches thematisiert.22

Zur Erinnerung: Geht ein Gesellschafter eines an der Fu-sion beteiligten Rechtsträgers – sowohl der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft – der von der Fusion betroffen ist davon aus, das Umtauschverhältnis sei nicht «angemessen», kann er innerhalb von zwei Mo-naten nach der Veröffentlichung des Fusionsbeschlus-ses verlangen, dass das Gericht eine angemessene Aus-gleichszahlung festsetzt (Art. 105 Abs. 1 FusG). Diese so genannte Überprüfungsklage dient der wirtschaftlichen Korrektur einer Verletzung des Prinzips der Kontinuität der Mitgliedschaft. Die Bestimmung ist weitgehend und (noch) unklar und birgt das Risiko, dass ein Richter spä-ter ein ihm richtig scheinendes «iustum pretium» für die Transaktion festsetzt.

Störend an Art. 105 FusG ist neben der im Gesetz nicht angesprochenen Frage, ab welcher Abweichung vom ver-handelten Preis der Richter eingreifen kann, vor allem die erga omnes Wirkung23, die es auch Aktionären, die der Transaktion zustimmen, ermöglicht, nachträglich noch einen höheren Preis zu erhalten – es ist nicht einmal ausge-schlossen, dass sie sogar selber als Kläger auftreten, auch wenn die Lehre hier richtigerweise versucht, Gegensteuer zu geben.24 Anders ist die Situation im Rahmen eines öf-fentlichen Übernahmeverfahrens, wo die Andienung der Aktien nicht zum Verlust des Anfechtungsrechts bezüg-lich allfälliger Verletzungen der Mindestpreisvorschriften führt.25 Dieselbe Lehre verlangt jedoch zu Recht, dass der Kläger eine Gesellschafterstellung (nur) zum Zeit-punkt der Beschlussfassung hat und davon ausgeht, dass die Klagelegitimation durch die Aufgabe der Gesellschaf-

22 Rolf Watter, Der Dell MBO: Alles richtig gemacht und dennoch gezwungen, mehr zu zahlen? GesKR 2/2016, 233  ff.; Rolf Wat-ter, Ancestry Inc.: weitere Lehren für Art.  105 FusG?, GesKR 2/2015, 267 ff; Rolf Watter, MFW Shareholders Litigation revisi-ted – Lehren für die Auslegung von Art. 105 FusG? GesKR 2/2014, 251 ff.

23 Das Recht des US-Bundesstaates Delaware ist diesbezüglich viel vernünftiger als das Schweizer Recht, als nur klagende Aktionäre, und auch nur solche, die der Fusion nicht zugestimmt haben, in den allfälligen Genuss einer Ausgleichzahlung kommen.

24 statt vieler BSK FusG-Dubs/Frehner, Art.  105 N 42; Amstutz/Mabillard, FusG-Komm., Art.  105 N  20; Comm LFus-Bahar, Art.  105 N  14; von der Crone et al., Das Fusionsgesetz, Zü-rich 2004, N  1031; Glanzmann, Umstrukturierungen, 3. Aufl., Bern 2014, N 781; HK FusG-Bürgi/Glanzmann, Art. 105 N 13; Vogel/Heiz/Behnisch/Sieber, FusG-Komm., Art. 105 N 10; a.A. CHK-Hoffmann-Nowotny/Kurth, Handkommentar, FusG 105 N 6; ZK FusG-Meier-Dieterle, Art. 105 N 12.

25 Urteil des BVGer B-5272/2009 vom 30. November 2010, E.  1.5 i.S. Quadrant.

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re.35 Auch wenn grundsätzlich die Synergien den Fusionsparteien symmetrisch, d.h. proportional zu ih-rem Unternehmenswert zugeteilt werden sollten, liegt hier viel Potential für Unklarheiten.36

Diese Unterschiede wiederspiegeln sich demnach in der Schweiz auch im Rechtsschutz der Aktionäre in der Fu-sion und im Übernahmeangebot: Bei der Fusion werden die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft zwangs-weise mit Aktien37 der übernehmenden Gesellschaft ab-gefunden, wenn die notwendigen Mehrheiten für die Fu-sionsbeschlüsse erreicht werden. Dies rechtfertigt auch die Ausgleichsklage zu Gunsten des ausgeschlossenen Aktionärs. Beim Übernahmeangebot handelt es sich nicht um einen gesellschaftsrechtlichen Vorgang mit zwingen-der Wirkung für die Minderheitsaktionäre, sondern um eine individuelle Transaktion zwischen dem Anbieter und den Aktionären. Entsprechend gibt es keine Ausgleichs-klage, da der Aktionär frei wählen kann, ob er andienen will oder nicht. Der einzige Schutz ist die Mindestpreisre-gel, welche verlangt, dass der im Rahmen des öffentlichen Angebots angebotene Preis mindestens dem Börsenkurs entspricht.38 Aus Sicht des nicht-andienenden Aktionärs stellt diese Regel sicher, dass im Falle des Squeeze-out der ausgeschlossene Aktionär mindestens den Preis erhält, den er auch erhalten hätte, wenn er die Aktien auf dem Markt verkauft hätte.

3. Limite der Rechtsvergleichung

Der Vergleich zwischen den US-Regeln und den Schwei-zer Regeln hinkt insofern als:

• Die USA ein System kennen, in dem üblicherweise eine Übernahme mittels einer zwangsweisen Struktur-massnahme (Merger) gegen Cash mit Prämie und ein-fachen Mehrheit erfolgt; überspitzt formuliert kann in den USA auch durch blossen Mehrheitsentscheid ein «Exit» bzw. ein «Squeeze-out» erreicht werden.

• Die Schweiz ein System kennt, in dem grundsätzlich eine Übernahme mittels eines individuellen Angebots erfolgt; die zwangsweise Strukturmassnahme (Fusi-on) wird üblicherweise für Transaktionen eingesetzt, welche ohne Prämien und gegen Aktien erfolgen und daher der Aktionär weiterhin am Potential vom kom-binierten Unternehmen profitieren kann.

Dieser Unterschied ist u.E. beträchtlich und rechtfertigt auch einen differenzierten Rechtschutz für den zwangs-weise ausgeschlossenen Aktionär. In den USA nimmt man

35 Vgl. I.2.1.36 BSK FusG-Tschäni/Gaberthüel, Art. 7 N 9.37 Wie erwähnt ist in der Schweiz eine Abfindung in Cash nur mög-

lich, falls 90 % der Aktionäre der Zielgesellschaft der Transaktion zugestimmt haben. In den USA unterliegt die Abfindung in Cash nicht einem qualifizierten Quorum, sondern dem normalen Quo-rum der 50 % Mehrheit.

38 Vgl. Art. 135 Abs. 2 FinfraG.

lich gegen Cash (oder beispielsweise in Aktien einer Muttergesellschaft, was sogenannte Dreiecksfusionen ermöglicht) wie in den USA ist nur als eine Ausnahme möglich, nämlich wenn 90 % der stimmberechtigten29 Gesellschafter der Zielgesellschaft zustimmen;30

• Übernahmen von Schweizer Gesellschaften häufig durch ausländische Unternehmen erfolgen und in in-ternationalen Konstellationen die grenzüberschreiten-de Fusion sehr oft rechtlich nicht möglich oder steu-errechtlich ineffizient31 ist. Im Gegensatz dazu ist der US-interne Kontrollmarkt für Unternehmen so leben-dig, dass er genügend Anschauungsmaterial liefert um eine eigenständige Praxis zu bilden;

• Dreiecksfusionen die weitgehende Unmöglichkeit der grenzüberschreitenden Fusion nicht heilen können (indem der ausländische Erwerber in der Schweiz eine Tochtergesellschaft inkorporiert, welche dann mit der Zielgesellschaft fusioniert und die Aktionäre der Zielgesellschaft Aktien vom ausländischen Erwerber erhalten),32 da in der Schweiz bei einer Dreiecksfusion eine Zustimmung von mindestens 90 % der stimmbe-rechtigten Gesellschafter der Zielgesellschaft verlangt wird;33

• Übernahmen im Kleid der Fusion in der Schweiz schwierig mit einer Prämie zu verknüpfen sind, da der Erwerber selbst das Risiko einer Ausgleichsklage (Art. 105 FusG) seiner eigenen Aktionäre läuft, deren Gesellschaft bei der Bestimmung des Umtauschver-hältnisses ohne Prämie bewertet wird. Dies wird zu-sätzlich erschwert, weil bei der Berücksichtigung aller «weiteren relevanten Umstände» bei der Festsetzung des Umtauschverhältnisses nach Art.  7 Abs.  1 FusG die Synergien zu berücksichtigen sind.34 Das ist gera-de nicht so unter Geltung des Rechts von Delawa-

29 Teilweise strittig ist, ob und welche ruhenden oder nicht ausübba-ren Stimmrechte bei der Berechnung allenfalls ausgeklammert wer-den dürfen oder müssen.

30 Art. 8 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 5 FusG. Im Gegensatz dazu sieht § 251(c) DGCL vor, dass lediglich die Mehrheit der ausstehenden Aktien einem Fusionsvertrag zustimmen muss.

31 Eine Emigrationsfusion aus der Schweiz hinaus gilt steuerrechtlich als Liquidation.

32 Vgl. Frank Gerhard/Emanuel Schiwow, Übernahmen mit Hilfe von Tochtergesellschaften im internationalen Verhältnis – Transak-tionsstrukturierung mittels Dreiecksfusion anhand einer Fallstudie, GesKR 2009, 191 ff.

33 Art. 8 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 5 FusG.34 Botschaft zum Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung

und Vermögensübertragung (Fusiongesetz, FusG) vom 13. Juni 2000, BBl 2000 4337 ff. (zit. Botschaft FusG), 4401; Urteil des BGer vom 21  März 2012, 4A_341/2011, E.  5.1.3; BSK FusG-Tschäni/Gaberthüel, Art. 7 N 9; ZK FusG-Burckhardt, Art. 7 N 34; von der Crone et al., Fusionsgesetz, Rz. 142 ff., 145; vgl. auch Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2009, § 3 Rz. 89a, allerdings m.H. darauf, dass bei der Berücksichtigung von Synergien Vorsicht geboten sei, da diese im Zuge einer Fusi-on oftmals überschätzt würden; a.M. hinsichtlich der Berücksich-tigung der Synergien Amstutz/Mabillard, Fusionsgesetz, Art.  7 N  12, mit der Begründung, dass es bei der Berechnung des Um-tauschverhältnisses lediglich um die Erfassung bestehender Werte gehe und nicht um Zukunftsprognosen.

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als alleinigen Indikator des fairen Wert immer wieder zu-rückgewiesen.41

Im Jahr 2013 gab schliesslich der Court of Chancery im Fall Huff seine eigene Interpretation des Supreme Court in Golden Telecom zum Ausdruck: Während das Gericht den Transaktionspreis nicht einfach hinnehmen oder gegenüber anderen Bewertungsmethoden favorisie-ren kann, sollte es den Transaktionspreis als Teil seiner gesamten Beurteilung des fairen Werts berücksichtigen – zumindest in Fällen wo die Zuverlässigkeit anderer Bewertungsmethoden in Frage gestellt werden kann.42 Nach der Huff-Entscheidung schien die Relevanz des Transaktionspreises als Indikator des fairen Werts davon abzuhängen, ob die Situation eine «interessierte Trans-aktion» war (d.h. mit beherrschenden Aktionären oder anderen Insidern (wie z.B. ein Management Buy-out), die bei der Preisgestaltung involviert waren) oder eine «uneigennützige Transaktion» war (d.h. der Transakti-onspreis wurde zu Drittbedingungen in einem kompeti-tiven Verfahren festgelegt): Im ersten Szenario waren die gerichtlichen Festsetzungen des fairen Werts bedeutend höher als der Transaktionspreis; im zweiten Szenario wa-ren sie gleich oder nur leicht über den Transaktionspreis.

In einer Reihe von Fällen im Jahr 2015 entschied sodann der Court of Chancery, dass der verhandelte Transakti-onspreis dem fairen Wert entsprach.43 Diese Urteile las-

41 Vgl. In re Appraisal of Orchard Enterprises, Inc. 2012 WL 2923305 (Del. Ch. 2012) («declining to give weight to merger price and re-jecting argument that a go-shop provision supported the use of merger price as indicative of fair value since in determining ap-praised fair value, unlike in fiduciary duty litigation, the Court’s fo-cus is to be on going-concern value without regard to a sale process and any resulting price»); Merion Capital LP v. 3M Cogent, 2013 WL 3793896 (Del. Ch. July 8, 2013) («relying on Golden Telecom and Orchard, declining to rely on merger price as evidence of fair value as a presumption in situation where acquirer itself chose not to use merger price in its value proposal and instead relied on its expert’s determination of fair value, which was less than the merger price»).

42 Huff Fund Inv. P’ship v. CKx, Inc., 2013 WL 5878807 (Del. Ch. Nov. 1, 2013), aff’d, 2015 WL 631586 (Del. Feb. 12, 2015). Das Ge-richt hielt fest, das CKx’s Projektionen unzuverlässig waren, da sie nur erstellt wurden um das Bieterverhalten in der Auktion anzu-kurbeln; die Projektionen wurden ausserdem auch als spekulativ angesehen, weil das Geschäft zu dieser Zeit unsicher war und ein Vertrag (der 75 % des Cash-Flows der Gesellschaft generierte) kurz vor seinem Ablauf stand und es unklar war, ob und unter welchen Bedingungen er verlängert würde. Diese Unsicherheiten untermi-nierten die Zuverlässigkeit der beiden Parteigutachten. Auch die Multiples-Analyse von ähnlichen Unternehmen hielt das Gericht für unzuverlässig.

43 Vgl. In re Ancestry («merger price determined to be better evidence of fair value in sponsor-led transaction where experts’ DCF anal-yses and Court’s own DCF analysis viewed as questionable since based on «imperfect» projections, and where robust auction in-volving contacts with more than 12 parties was unlikely to have left significant value unaccounted for»); Merlin P’rs LP v. AutoInfo, Inc., 2015 WL 2069417 (Del. Ch. Apr. 30, 2015) («merger price de-termined to be better evidence of fair value in sponsor-led transac-tion where Court rejected petitioners’ DCF, which was based on management projections where management had never prepared multi-year projections and doubted its own ability to do so, and Court also rejected petitioners’ comparable companies analysis as

dem Aktionär definitiv etwas weg; in der Schweiz gibt man ihm ein Anteil am kombinierten Unternehmen zu-rück. Daher geht das amerikanische Recht auch weiter als das Schweizer Recht, indem dem Kläger allgemein das Recht anerkannt wird, vom Gericht zu verlangen, dass es einen fairen Wert für die Aktien festsetzt, während das Schweizer Recht eine (wenn auch ungenügend definierte) materielle Hürde setzt, indem der Kläger die Unangemes-senheit darlegen und beweisen muss. Dennoch finden wir den Vergleich hilfreich für jene Fälle, wo die Fusion trotz-dem als Akquisitionsinstrument gebraucht wird und für diejenigen Fälle, wo eine Abfindungsfusion (Fusion gegen Cash) eingesetzt wird. Deshalb werden wir unten einen Vergleich zwischen der US-Praxis und dem Fusionsgesetz machen.

III. Bedeutung des Transaktionspreises

1. USA

1.1 Transaktionspreis als fairer Wert …?

Die Relevanz des Transaktionspreises als Indikator des fairen Werts kennt vor den Gerichten in Delaware einen Zick-Zack Kurs.

Historisch hatten die Delaware-Gerichte den in einer Transaktion erzielten Preis als einen gewichtigen Faktor bei der Ermittlung des fairen Werts berücksichtigt.39

Im Jahr 2010 entschied jedoch der Delaware Supre-me Court im Golden Telecom Fall40, dass der Court of Chancery sich nicht einfach auf den Transaktionspreis verlassen könne um den fairen Wert zu bestimmen. Dies würde «den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verlet-zen», welches das Gericht anweist, unter Berücksichti-gung aller relevanten Umstände ein eigenes unabhängi-ges Urteil zur Ermittlung des fairen Wert zu treffen. Für eine gewisse Zeit nach der Golden Telecom Entscheidung hat sodann der Court of Chancery den Transaktionspreis

39 Vgl. allgemein: Jesse A. Finkelstein & John D. Hendershot, Ap-praisal Rights in Mergers & Consolidations, Vol. 38–5th C.P.S., § V (Arm’s Length Transaction Value Less Synergies), Arlington 2010 mit Verweis auf verschiedene Entscheide wie Highfields Capital, Ltd. v. AXA Fin., Inc., 939 A.2d 34, 42 (Del. Ch. 2007); M.P.M. En-ters., Inc. v. Gilbert, 731 A.2d 790, 796 (Del. 1999) («A merger price resulting from arms-length negotiations where there are no claims of collusion is a very strong indication of fair value.»); Prescott Group Small Cap, L.P. v. Coleman Co., 2004 Del. Ch. LEXIS 131, S. 96 (Del. Ch. Sept. 8, 2004) («the price actually derived from the sale of a company as a whole…may be considered so long as syner-gies are excluded»); Van de Walle v. Unimation, Inc., 1991 BL 692, 18 (Del. Ch. Mar. 6, 1991) («[t]he fact that a transaction price was forged in the crucible of objective market reality (as distinguished from the unavoidably subjective thought process of a valuation ex-pert) is viewed as strong evidence that the price is fair»).

40 Vgl. Golden Telecom, Inc., v. Global GT, LP, 11 A.3rd 214, 217.

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sem Fall kein verlässlicher Indikator des fairen Werts war. Es zog eine DCF-Analyse vor. Obwohl das Gericht aus-drücklich erwähnte, dass der Ausschuss der unabhängigen VR-Mitglieder von Dell im Verkaufsprozess vieles richtig gemacht hatte,46 befand es, dass in einem MBO (weil das Management Teil der Käuferschaft ist) der Transaktions-preis mit vertiefter Sorgfalt überprüft werden sollte.47 Sei-ne Ablehnung, den Transaktionspreis als fairen Wert zu berücksichtigen, begründete das Gericht wie folgt:

• Abwesenheit von strategischen Investoren in der Pre-Signing Auktion: Es gab vor dem Abschluss der Transaktion nur einen begrenzten Bieterwettbewerb mit lediglich Finanzinvestoren (neben Silver Lake, welche mit Michael Dell ein Team gebildet hatten, wurden nur noch KKR und TPG eingeladen; stra-tegische Bieter (wie z.B. Hewlett-Packard) wurden nicht einmal eingeladen); eine Auktion lediglich zwi-schen Finanzinvestoren wird in erster Linie durch das LBO-Preismodell getrieben, und ein solches Mo-dell zielt nicht darauf, den fairen Wert eines Unter-nehmens aufzuspüren.

• Eingeschränkter Post-Signing Bieterwettbewerb: Obwohl es einen Post-Signing Markttest über einen 45-tägigen Go-shop gegeben hatte, wurde ein Go-Shop nach Abschluss der Transaktion vom Gericht nicht als ein besonders effektiver Mechanismus emp-funden, um ein höheres Angebot zu bewirken: In ei-nem MBO – wo man das Management abholen muss – kann ein Post-Signing Markttest gegen einen Pre-Signing Bieterwettbewerb schlicht nicht mithalten; zudem hatten Michael Dell/Silver Lake ein (einma-liges) Recht, ein Drittangebot am Ende der Go-Shop Periode zu matchen, was vom Gericht als abschre-ckend qualifiziert wurde.48 Schliesslich war es ange-sichts der Grösse und Komplexität vom Unterneh-men und des Umstands, dass es sich um einen MBO handelte auch unwahrscheinlich, dass sich jemand in einen solchen Deal einlassen würde.

Das Gericht stütze sich stattdessen auf eine DCF-Ana-lyse. Interessanterweise lehnte das Gericht die internen Projektionen des Unternehmens als übermässig optimis-

46 Id., 29. Konkret hatte Dell folgende Massnahmen befolgt: ein hoch-karätiger Ausschuss von unabhängigen Verwaltungsräten gebildet, der sich unabhängig beraten liess; weiteren Bietern Auslagenersatz geleistet; ein «Go-shop» mit einer vergleichsweise geringen break fee vereinbart (USD 180 Mio., falls eine bessere Offerte in der Peri-ode angenommen würde; USD 450 Mio. bei Ablehnung der Fusion ohne bessere Offerte) und sichergestellt, dass der Erstbieter nur be-schränkt Möglichkeiten hatte, Konkurrenten zu überbieten (in den Prozess wurden 60 potentielle Bieter miteinbezogen); eine Prämie von 25 % über den letztbezahlten Kurs vereinbart und eine solche von 37 % über einen 90-Tage-VWAP.

47 Id., S. 28.48 In der Tat, auch wenn ein strategischer Käufer einen höheren vor-

behaltenen Preis (wegen Synergien) hat als der höchste Preis, wel-chen einen PE-Fonds bezahlt hat, würde er wahrscheinlich wegen dem Vorkaufsrecht nicht mehr bieten. In einer Pre-Signing Auktion wäre das wohl anders.

sen den Schluss zu, dass die Frage, ob der Transaktions-preis als vernünftiger Indikator des fairen Werts dienen kann, hauptsächlich davon abhängt, ob der Verkaufspro-zess robust war bzw. ob ein aussagekräftiger Markttest stattfand.44 Die Gerichte schlossen sich der Meinung an, dass professionelle Aktionäre, die heute überall im Ak-tionariat eine bedeutende Rolle spielen, ökonomische Entscheidungen für sich selbst treffen können und sich nicht auf divergierende finanzielle Bewertungen von Klägern oder sogar auf Ansichten von juristisch ausge-bildeten Richtern stützen müssen.

1.2 ... oder kann sich das Gericht über den Markt setzen? In re Appraisal Dell

Doch dann – noch vor DFC Global – veröffentlichte im Mai 2016 der Court of Chancery sein Urteil im Fall des Management-Buyout Dell, Inc.45. Das Gericht stellte fest, dass der faire Wert USD 17.62 je Aktie betrug – oder rund 28 % über dem Transaktionspreis von USD 13.75 je Aktie (Gesamtwert: USD 25 Mrd.), der vom Private Equity-Fonds Silver Lake Partners und Dells Gründer, CEO und 16 % Aktionär Michael Dell bezahlt wurde. Der Transaktionspreis entsprach sogar einer Prämie von 37 % über dem 90-Tage-Durchschnittskurs der Dell Aktie vor Ankündigung der Transaktion, welche nach einem öffentlich-wirksamen und über einjährigen Ver-kaufsprozess abgeschlossen wurde.

Im Gegensatz zu den jüngsten Präzedenzfällen kam das Gericht zum Schluss, dass der Transaktionspreis in die-

involving non-comparable companies, and where Court declined to adjust merger price downward to reflect theorized cost-saving synergies because amounts were not subject to objective meas-urement»); LongPath Capital, LLC v. Ramtron Int’l Corp., 2015 WL 4540443 (Del. Ch. June 30, 2015) («merger price determined to be better evidence of fair value in strategic transaction where in response to hostile bid, target tested market for months to find a white-knight but no other bid emerged and Court rejected peti-tioners’ DCF analysis based on management projections that Court found unreliable, and where Court commented as to expert-fueled valuation claims that «[m]uch has been said of litigation-driven val-uations, none of it favorable,»»); and Merion Capital LP v. BMC Software, Inc., 2015 WL 6164771 (Del. Ch. Oct. 21, 2015) («merg-er price ($ 46.25) determined to be best indication of fair value in sponsor-led transaction where experts’ DCF analyses led to widely divergent results ($ 67.08 v. $ 37.88 per share) due to differences and inputs, and Court questioned its own DCF analysis that resulted in an in-between price ($ 48 per share) as compared to a robust, arm’s-length, competitive sale process found to have occurred»).

44 Der Trend wurde auch im Jahr 2016 fortgesetzt. Zum Beispiel wur-de im Fall Merion Capital vs. Lender Processing Services, Inc. (Del. Ch. Dec. 16, 2016) lediglich auf den Transaktionspreis verwiesen, obwohl die Finanzprojektionen der Zielgesellschaft vom Gericht als vollständig angesehen wurden. Bisher hatte das Gericht behaup-tet, dass es sich auf den Transaktionspreis nur dann stützen würde, wenn er ein besonders verlässlicher Indikator für den fairen Wert sei (weil die Zielgesellschaft bei mehreren Interessenten nach Ab-schluss der Transaktion herumgeboten worden sei) und eine finan-zielle Bewertung besonders unzuverlässig sei (wegen unzuverlässi-ger Projektionen).

45 In re Appraisal of Dell Inc., CA No 9322-VCL (Del. Ch. May 31, 2016). Vgl. auch die detaillierte Besprechung durch Watter (FN 22), 233 ff.

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1.3 Unsicherheiten nach DFC Global: vom Gericht bestimmte Marktbedingungen und -funktionalität sind nicht verlässlich

Wie auch in Dell spürt man in DFC Global, dass die Fra-ge, ob der Transaktionspreis den fairen Wert wiederspie-gelt, kontextuell beurteilt wird und von den konkreten Tatsachen und Umständen abhängt. Neu in DFC Global ist die Erkenntnis, dass das Gericht über die sachlichen Kriterien hinaus, wie z.B. Länge des Verkaufsprozesses, Anzahl und Qualität der beteiligten Bieter, Konkurrenz-fähigkeit der Angebote, Wirksamkeit einer Post-Signing Auktion, auch die Marktbedingungen und Umstände allgemein überprüft – auch wenn der Verkaufsprozess einwandfrei war. In DFC Global befand das Gericht schliesslich, dass die Gesellschaft sich im Zeitpunkt des Verkaufs in wesentlichen regulatorischen Unsicherhei-ten befand, welche insgesamt nicht förderlich waren, einen Verkaufsprozess zu gestalten, der zu einem Trans-aktionspreis führt der den fairen Wert des Unternehmens widerspiegelt. Deshalb gewährte es dem Transaktions-preis nur 33.33 % Gewicht für die Festsetzung des fai-ren Werts, neben der DCF-Analyse und der Analyse der Multiples von ähnlichen Unternehmen.

Die Beurteilung des Gerichts – dass der Transaktions-preis nur dann als Massstab für den fairen Wert dienen kann, wenn er nicht nur das Resultat eines robusten und konfliktfreien Verkaufsprozesses zu Drittkonditionen ist, sondern auch eines gut funktionierenden Marktes, und dass der Transaktionspreis nur dann belastbar ist, wenn die Marktbedingungen förderlich sind für die Er-reichung eines fairen Preises – katapultiert die Delaware-Richter in einer einzigartigen Rolle der Beurteilung von verschiedenen Aspekten von Marktbedingungen und Marktfunktionalität. Diese Rolle ist aus mehreren Grün-den fragwürdig:

a. Risiken werden vom Markt eingepreist

Unsicherheiten über zukünftige Erträge sind Risiken und Risiken werden üblicherweise vom Markt eingepreist. Die regulatorische Unsicherheit macht u.E. den Preis der aus einem robusten Verkaufsprozess stammt nicht unzuverläs-sig – sie ist einfach ein Merkmal von DFC Global und wird entsprechend im Transaktionspreis reflektiert. Jede Gesell-schaft steht vor Risiken und diese Tatsache alleine genügt nicht, um den Transaktionspreis – nach einem einwand-freien Verkaufsprozess – als verlässlichen Indikator des fairen Werts zu verwerfen. Kein Verkauf in der realen Welt wird genau einem perfekten, theoretischen Modell folgen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Transaktionspreis den wirklichen Wert der Gesellschaft nicht wiedergibt.

b. Marktkontrolle ist verlässlicher als theoretische Berechnungen

Der zwischen bereitwilligen Käufern und Verkäufern (unter der Annahme eines robusten und konfliktfreien

tisch ab und konzentrierte sich stattdessen auf Projektio-nen des Finanzberaters des unabhängigen VR-Ausschus-ses sowie auf Projektionen, welche für die Kreditgeber der Buy-Out-Gruppe erstellt wurden. Letztlich bewer-tete das Gericht Dell mit USD 17.62 je Aktie, was einer Kaufpreiserhöhung von ungefähr USD 6 Mrd. entsprach. Da jedoch nur wenige Aktionäre an der Ausgleichsklage teilnahmen, wird Dell den ehemaligen Aktionären vor-aussichtlich nur noch USD 35 Mio. zusätzlich zahlen müssen.49

Das Urteil bestätigt, dass das Gericht immer noch die Fakten und Umstände des Verkaufsprozesses heran-zieht, um den fairen Wert zu bestimmen und nicht ein-fach eine «tick the box» Kontrolle macht. Auch wenn der Verkaufsprozess nämlich prima facie einwandfrei schien, lässt eine vertiefte Analyse den Schluss zu, dass der Verkaufsprozess eigentlich nicht förderlich war, um den fairen Wert auszuloten. Die Abwesenheit von stra-tegischen Bietern in der Pre-Signing Auktion und eine kurze Post-Signing Auktion50 mit einem Vorkaufsrecht des designierten Käufers lassen den Verkaufsprozess in einem LBO/MBO als nicht robust, konfliktfrei und at arm’s length erscheinen (das Gericht berücksichtigte den Transaktionspreis bei der Festsetzung des fairen Wertes überhaupt nicht, da der faire Wert ausschliesslich auf Ba-sis einer DCF-Bewertung fixiert wurde).

Man kann sich also auf den Standpunkt stellen, dass Dell lediglich ein weiteres Kapitel im gegenseitigen Austausch zwischen Gerichte und Praktiker betreffend Design des Verkaufsprozesses bildet. Praktiker hecken innovative Verkaufsprozesse aus, Gerichte signalisieren Akzeptanz, Praktiker versuchen dann die Deal-Technologie wei-terzutreiben und tasten ab wie weit die Gerichte ihnen folgen… und manchmal fallen sie auf die Nase, wie in Dell.51 Bemerkenswert bei Dell ist jedoch das Resultat, dass (i) der faire Wert weit höher war als der Preis, den irgendein Marktteilnehmer bereit war zu zahlen, nach-dem das Unternehmen während einem Jahr auf dem Markt war, und (ii) der Transaktionspreis, der nach ei-nem vom Gericht gelobten Verkaufsprozess entstand, in einem Ausgleichsverfahren kein Gewicht erhält.

49 Wie von Watter erwähnt wäre in der Schweiz, wegen der in Art. 105 FusG enthaltenen sog. erga omnes-Wirkung, der Bieter bei einem analogen Vorgehen und einer Ausgleichsklage wohl in Konkurs ge-gangen und die Transaktion hätte rückabgewickelt werden müssen. Vgl. Watter (FN 22), 233 ff.

50 Es war unbestritten, dass ein post-signing Go Shop die sog. Revlon-Pflichten des Verwaltungsrats im Grundsatz erfüllen. Das matching right nahm jedoch dieser Auktion in einem MBO jegliche Wirk-samkeit.

51 Man muss hier nochmals erwähnen, dass ein Transaktionspreis, der gut genug ist für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten (fiduciary duties) – was im Dell Fall vom Gericht auch bestätigt wird – nicht unbedingt genügt, um den Test der «fair value» zu bestehen.

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und nicht auf der Basis des fairen Werts der DFC Glo-bal». Auch schon in Dell hatte das Gericht das LBO-Preismodell beanstandet. Post-DFC Global und Dell erscheinen Finanzinvestoren exponierter als strategische Käufer, zumindest wenn der Transaktionspreis auf der Basis eines LBO-Preismodell, welches bestrebt ist, eine bestimmte Rendite zu erreichen, ausgehandelt wird. Die-se Preise variieren von Firma zu Firma, von Transaktion zu Transaktion, umfassen eine Vielzahl von Annahmen und können sich während dem Halten eines Portfolio-Unternehmens auf der Grundlage einer Vielzahl von nachträglichen Entwicklungen ändern. Man kann jedoch den Finanzinvestoren kaum vorwerfen, dass sie Preis-modelle verwenden, die ihre Finanzierungskosten, die Erwartung ihrer Aktionäre und vor allem das einzuge-hende Risiko adäquat berücksichtigen. Und was sowie-so nicht stimmt, ist, dass die Verwendung eines solchen Finanzmodells automatisch bedeutet, dass der von einem Finanzinvestor bezahlte Transaktionspreis nicht dem fai-ren Wert entspricht.

2. Fusionsgesetz

2.1 Angemessenheit als prozeduraler Beurteilungsmassstab

Das Prozessthema, welches von DFC Global aufgewor-fen wird, ist ob der Transaktionspreis den fairen Wert des Unternehmens wiedergibt. Das Prozessthema der Klage nach Art. 105 FusG ist lediglich, ob die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte angemessen gewahrt bzw. die Abfindung angemessen festgelegt worden ist. Was als an-gemessen gilt, ist auf der Grundlage der transaktionsspe-zifischen Regeln zu entscheiden. Für die Fusion verlangt Art. 7 FusG ausdrücklich, dass bei der Bestimmung der Wertverhältnisse nicht nur das Vermögen der beteiligten Rechtsträger sowie die Stimm-, Vermögens- und weite-ren Rechte der einzelnen Gesellschafter, sondern – wie im Delaware-Recht – auch «alle anderen relevanten Um-stände» berücksichtigt werden. In der Schweiz wird dies so verstanden, dass nicht nur Entwicklungspotenziale oder Synergien,52 sondern auch andere als wertmässig festlegbare tatsächliche Gegebenheiten der Umstruktu-rierung zu berücksichtigen sind.53 Somit beinhaltet die richterliche Angemessenheitsprüfung auch – genauso wie im Recht vom Delaware – einen prozeduralen Be-urteilungsaspekt: Wie sind die Umstände des Zustande-kommens der Umstrukturierung und der Bestimmung der Wertverhältnisse zu beurteilen? Namentlich folgen-

52 Vgl. nur BSK FusG-Tschäni/Gaberthüel, Art.  7 N  9. Diesbe-züglich unterscheidet sich das FusG vom Delaware-Recht, welches ausdrücklich vorsieht, dass Synergien nicht berücksichtigt werden dürfen.

53 BSK FusG-Dubs/Frehner, Art. 105 N 16.

Verkaufsprozesses zu Drittbedingungen) ausgehandel-te Transaktionspreis ist ein verlässlicherer Beweis der «Marktbedingungen» als derjenige, welcher von einem Gericht bestimmt wird, indem es versucht die Markteffi-zienz mittels eines Bewertungsmodells nachzubilden. Wie das Beispiel DFC Global zeigt sind die Bewertungen der von den Prozessparteien bestellten Experten gleichzeitig auch bezahlte Parteigutachten und die Bandbreite ist oft sehr weit. Auch wenn das Gericht sich von den Partei-gutachten distanziert bzw. selektiv Elemente daraus he-rauspickt oder anpasst, sind diese Wertungen angreifbar. Auch sie sind per se unsicher, unpräzis und daher speku-lativ. Nicht nur sind Richter schlecht ausgerüstet, um Be-wertungen zu machen, sondern auch unbeholfen wenn es darum geht, sichere Prognosen und «Marktbedingungen» zu definieren. Der Transaktionspreis ist der einzige Wert der von beiden Parteien, Käufer und Verkäufer, akzeptiert wurde und entsprechend auch die Annahmen der jeweili-gen Bewertungsmodelle validiert.

c. Objektivierte «Marktbedingungen« verhindern opportunistische Akquisitionen

Eines der Kennzeichen einer Auktion ist, dass verschie-dene Bieter unterschiedliche Analysen und Risikoein-schätzungen zu einer Investitionsmöglichkeit haben. Das gleiche gilt sowohl für Finanzinvestoren wie auch für strategische Käufer. Wenn ein Investor über einen bestimmten Angebotspreis hinaus ein Risiko sieht, kann ein anderer die gleichen Fakten durch ein anderes Prisma analysieren und dabei eine Opportunität sehen, wie sich zukünftige Ergebnisse entwickeln können. In Abwe-senheit solcher divergierenden Einschätzungen wäre die Wertmaximierung der Transaktionen für die Aktionäre im Rahmen von Auktionen geringer.

Dies ist genau was in DFC Global geschah: Lone Star sah Wertschöpfungspotential dort wo andere keines sa-hen und war deshalb der einzige Bieter, der eine oppor-tunistische Investition wagte. Gerade deshalb – weil das Nichtvorhanden von zuverlässigen Finanzprojektionen die Bieter von der Abgabe eines Angebots abhielt – ist es bemerkenswert, dass das Gericht das Nicht-Funktionie-ren des Markts bemüht, um eine theoretische Bewertung dem einzigen vereinbarten Transaktionspreis vorzu-ziehen. Das Gericht scheint, Schnäppchen verbieten zu wollen, doch Schnäppchen gibt es (unter der Annahme eines robusten und konfliktfreien Verkaufsprozesses zu Drittbedingungen) keine, sondern sie sind nur die Kon-sequenz der unterschiedlichen Einschätzung einer Inves-titionsmöglichkeit.

d. Private Equity Preismodell (LBO) widerspricht dem fairen Wert nicht

Wie bereits erwähnt, stellte das Gericht fest, dass Lone Star als Finanzinvestor bestrebt war «auf die Erreichung einer gewissen internen Rendite und auf den Abschluss eines Deals im Rahmen ihrer Finanzierungsvorgaben

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cher Angebote oder attraktive Fusionen sieht.61 Auch wenn er entsprechende Anfragen erhält, muss er we-der auf diese eingehen, noch spontan eine Auktion organisieren, um den Aktionären einen hohen Preis zu sichern.62 Wenn der Verwaltungsrat aufgrund ei-ner Analyse des Unternehmens zur Überzeugung kommt, dass der Zusammenschluss mit dem ande-ren Unternehmen richtig ist, kann er auch exklusiv nur mit diesem verhandeln und zum Abschluss einer Fusions- oder Transaktionsvereinbarung kommen, ohne dass er Konkurrenzofferten einholt.63

• Kein beherrschender Aktionär anlässlich der Be-schluss fassung in der Generalversammlung: Sofern der Um strukturierungsbeschluss nicht durch einen Mehrheitsaktionär oder eine Gruppe von Mehrheits-aktionären bestimmt wurde, haben die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte bzw. hat die Abfindung eher als angemessen zu gelten, als wenn ein Mehrheitsaktionär bei der Beschlussfassung den Ausschlag gegeben hat.64 Auch hier könnten im Sinne der US-Rechtsprechung betreffend Going Private Transaktionen mit Mehr-heitsaktionären gewisse cleansing devices eingebaut werden, welche die Problematik der Unangemessen-heit des Umtauschverhältnisses bei einer Zustimmung zur Fusion durch den beherrschenden Aktionär ent-schärfen (es geht hier um die «Richtigkeitsvermutung» der Beschlussfassung der Generalversammlung): z.B. durch Errichtung eines unabhängigen Verwaltungs-ratsausschuss, der definitiv «nein» sagen kann65 oder durch die Zustimmung in der Generalversammlung einer «Mehrheit-der-Minderheit».66

• Ordentliches oder erleichtertes Umstrukturierungs-verfahren: Die Regel von Art.  105 FusG erlaubt es

61 Urs Schenker, Der Bieterwettbewerb um Starwood, GesKR 2016, 485 ff., 491; Henry Peter/Sonja Blaas/Lukas Roos, Ausgewählte Aspekte des Übernahmerechts: sneaking tactics, level playing field und Auktionspflicht, SZW 2010, 173 ff., 184.

62 Schenker (FN 61), 173 ff., 184; Andrin Schnydrig/Markus Vischer, Die Transaktionsvereinbarung bei öffentlichen Übernah-men, AJP 2006, 1192 ff., 1198.

63 Vgl. Jakob Höhn, Macht sich Freundlichkeit für einen Unter-nehmer bezahlt?, in: Tschäni (Hrsg.), Mergers & Acquisitions XI, Zürich 2009, 41 ff., 46 f. Zudem ist im Kontext einer Fusion in der Schweiz ein Vergleich mit den Revlon-Pflichten noch weniger ange-bracht, da die Transaktion gegen Aktien erfolgt (d.h. die Aktionäre können weiter von steigenden Kursen des fusionierten Unterneh-mens profitieren) und die Fusion selten als Übernahmeinstrument eingesetzt wird.

64 BSK-FusG Dubs/Frehner, FusG 105 N 16.65 Vgl. Watter (FN  22), GesKR 2/2014, 251  ff.; Rudolf Tschä-

ni, Going Private einer Publikumsgesellschaft auf dem Wege einer Fusion: MFW Shareholders Litigation C.A. No. 6566-CS (Del. Ch. May 29, 2013), GesKR 2014, 89 ff., 92.

66 Es gibt keine Pflicht im Fusionsgesetz eine solche Mehrheit herbei-zubringen. Die Rechtslage ist bekanntlich anders im Übernahme-recht, wo die «Mehrheit-der-Minderheit» Regel bei der nachträg-lichen Einführung eines Opting-out von der Angebotspflicht gilt (vgl. Verfügung der UEK 518/01 i.S. Advanced Digital Broadcast Holdings AG vom 11. Oktober 2012, N 16–20; zuvor schon Verfü-gungen der UEK 490/01 i.S. LEM Holding SA vom 22. November 2011, N 12 f). Vgl. Daniel M. Häusermann, Minderheitenschutz in der «Aktionärsdemokratie», GesKR 2014, 210 ff.

de prozedurale «Umstände» der Umstrukturierung gilt es beim Test der Angemessenheit zu beurteilen;54

• Informierte und konfliktfreie Verhandlungen: Die reichhaltige gerichtliche Praxis der Gerichte in Dela-ware zeigt auf, dass wenn ein robuster konfliktfreier Verkaufsprozess zu Drittkonditionen stattgefunden hat, der Transaktionspreis prima facie als zuverläs-siger Indikator des fairen Werts des Unternehmens gilt. In der Schweizer Lehre wird lediglich postu-liert, dass sofern die beteiligten Parteien «informiert» über die Wertverhältnisse verhandelt haben und bei diesen Verhandlungen keine Interessenkonflikte der Mitglieder der obersten Leitungs- oder Verwaltungs-organe vorhanden waren (oder diese durch geeignete Massnahmen «entschärft» wurden), die der Umstruk-turierung zugrundeliegenden Wertverhältnisse eher angemessen sind.55 Beide Umstände, genügende In-formation und kein Vorliegen von Interessenkonflik-ten, sind Elemente der Business Judgment Rule.56 Die Überprüfung der Angemessenheit beschränkt sich auf das Einhalten der Sorgfaltspflichten des Verwal-tungsrat ein. Eine sogenannte Marktkontrolle über eine pre- oder post-signing Auktion wie in Delaware wird nicht verlangt.57 Der Grund dafür ist, dass in der Schweiz der Verwaltungsrat rechtlich58 nicht an einer systematischen und formalisierten Auktionspflicht wie in den USA gemessen wird,59 sondern daran, ob die Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber dem Un-ternehmen (und nicht gegenüber den Aktionären, Art. 717 OR) eingehalten wurden, was im Einzelfall zu beurteilen ist.60 Im M&A Geschäft bedeutet dies, dass der Verwaltungsrat keine Verpflichtung hat, für hohe Kurse bzw. attraktive Übernahmeangebote für die Aktionäre zu sorgen. Er hat daher auch keine Auktionspflicht, wenn er die Möglichkeit öffentli-

54 Zum Ganzen vgl. auch BSK FusG-Dubs/Frehner, Art. 105 N 16; CHK-Hoffmann-Nowotny/Kurth, Art.  105 N  10; Vogel/Heiz/Behnisch/Sieber, FusG-Komm., Art. 105 N 4.

55 Vgl. BSK FusG-Dubs/Frehner, Art. 105 N 16.56 Vgl. Frank Gerhard, Business Judgment Rule und Rechtsrisiken:

Anerkennung einer Legal Judgment Rule für rechtlich gebundene Entscheide von Unternehmensorganen, SZW 2016, 254 ff. und auch Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858 (Del. 1985).

57 Nach dem Fall Dell wäre wahrscheinlich eine Verhandlung mit einer pre-signing Exklusivität gefolgt von einem post-closing «Go Shop» mit einem nachgelagerten Vorkaufsrecht kein robuster Ver-kaufsprozess.

58 Aktionäre werden aber Verwaltungsräte, die ihre Erwartungen ent-täuschen bzw. ihre Vorschläge nicht aufnehmen, kaum wiederwäh-len. Daher richten sich auch in der Schweiz viele Verwaltungsrä-te nach den finanziellen Wünschen der Aktionäre aus und suchen mindestens Kompromisse, um ihren Forderungen nachzukommen.

59 Diese Pflicht basiert in den USA auf den sog. Revlon duties, welche vom Delaware Supreme Court in Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986) festgesetzt wurden. Falls der Verwaltungsrat entschieden hat, dass er die Gesellschaft verkaufen will (proaktiv oder nach Aufgabe eines Widerstandes ge-gen einen unfreundlichen Bieter) muss er eine Auktion starten um den Erlös für die Aktionäre zu maximieren.

60 Rudolf Tschäni, Lyondell – Pflichten des Verwaltungsrates beim Kontrollwechsel, GesKR 2010, 72 ff., 74.

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aber auch immer dann eine gerichtliche Korrektur angezeigt sein, wenn anerkannte Bewertungsgrund-sätze und -methoden nicht oder nur unzutreffend an-gewandt wurden.68

Eine grössere Bedeutung hat die Klage nach Art.  105 FusG bei Umstrukturierungen im erleichterten Verfah-ren, da kein Fusionsbericht zu erstellen ist und auch kei-ne Prüfung stattfindet. Bei der erleichterten Fusion er-möglicht somit erst die Klage nach Art. 105 FusG eine umfassende Prüfung.

2.2 Angemessenheit als eine Bandbreite

Nach Ansicht der herrschenden Lehre69, der Botschaft70 und des Bundesgerichts71 ist die gesetzliche Vorgabe der «Angemessenheit» der Wahrung der Anteils- oder Mit-gliedschaftsrechte und der Abfindung eingehalten, wenn als Folge der Umstrukturierung die vermögens- und mit-gliedschaftsrechtliche Position jedes einzelnen Gesell-schafters der beteiligten Rechtsträger nicht willkürlich beeinträchtigt wird. Daraus folgt, dass eine Verschlech-terung der vermögens- und mitgliedschaftsrechtlichen Position eines Gesellschafters nicht zur Unangemes-senheit führt, solange diese Verschlechterung sachlich begründbar und nachvollziehbar ist und der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt wird.72 Im Ergebnis räumt der Beurteilungsmassstab «Angemessenheit» den beteiligten Rechtsträgern somit einen erheblichen Er-messensspielraum ein.73 Angemessenheit ist eine Band-breite und keine Punktlandung.74 bei der Festlegung des Wertes eines Unternehmens besteht ein gewisser Spiel-raum und die Überprüfungsklage dient nicht dazu, die Ermessensausübung innerhalb dieses Spielraums zu kor-rigieren, sondern erst dessen Überschreitung.75 Sofern

68 Urteil des BGer vom 20. September 2011, 4A 96/2011, E. 5.4; HK FusG-Bürgi/Glanzmann, Art. 105 N 8.

69 Böckli (FN 34), § 3 Rz. 86 ff.; BSK FusG-Dubs/Frehner, FusG 105 N  18; CHK-Hoffmann-Nowotny/Kurth, Art.  105 N  9; von der Crone et al., Fusionsgesetz, N 1019; Thomas Reutter/Mariel Hoch Classen, Fusionsgesetzliche Ausgleichsklage und börsenrechtliche Preisvorschriften – Auflösung eines Normwider-spruchs, in: Vogt/Stupp/Dubs (Hrsg.), Unternehmen – Transakti-on – Recht, Liber Amicorum für Rolf Watter zum 50. Geburtstag, Zürich/St. Gallen 2008, sowie Urteil des BGer vom 20. September 2011, 4A_96/2011, E. 5.4, bestätigt in Urteil des BGer vom 21. März 2012, 4A_341/2011, E. 5.1.4.

70 Botschaft FusG, 4401,71 Urteil des BGer vom 21. März 2012, 4A_341/2011, E. 5.1.4.72 Vgl. nur BSK FusG-Dubs/Frehner, Art. 105 N 17.73 Vgl. auch Botschaft FusG, 4404 und BGer 20.9.2011,

4A_96/2011,E. 5.4, bestätigt in Urteil des BGer vom 21. März 2012, 4A_341/2011, E. 5.1.4

74 Diesbezüglich ist bemerkenswert, dass im Übernahmerecht die Be-wertung der Aktien durch die Prüfstelle im Falle deren Illiquidität (vgl. Art. 42 Abs. 4 FinfraV- FINMA) einen exakten Preis (Punkt-landung) und nicht lediglich eine Preisspanne (wie in einer Fairness Opinion) wiedergeben muss. Vgl. Verfügung der UEK 0403/06 Harwanne Compagnie de participations industrielles et financières SA vom 29. Mai 2009, E.1.

75 BSK FusG-Dubs/Frehner, Art. 105 N 17; CHK-Hoffmann-No-wotny/Kurth, Art. 105 N 9; Reutter/HocH (FN 69), 390; Urteil

dem Richter, in einen Vertrag einzugreifen, der nicht nur vom Verwaltungsrat zweier Fusionsparteien als fair empfunden, sondern auch von zwei Dritteln der in der Generalversammlung vertretenen Aktionäre genehmigt wurde. Ist die Umstrukturierung in An-wendung des ordentlichen Verfahrens durchgeführt worden – d.h., es ist ein Fusionsbericht erstellt und von einem besonders befähigten Revisor geprüft worden – ist eher davon auszugehen, dass die An-teils- oder Mitgliedschaftsrechte angemessen gewahrt wurden, als wenn ein erleichtertes Verfahren ange-wendet worden ist (Art. 23 f. FusG).

Im ordentlichen Verfahren ist die Ausgleichsklage Teil eines umfassenden Kontrollmechanismus: Ver-waltungsrat und Generalversammlung konnten sich erstens auf einen Fusionsbericht stützen, der sich zum «Umtauschverhältnis für Anteile und gegebe-nenfalls die Höhe der Ausgleichszahlung» (Art.  14 Abs. 3 lit. c) und zu «Besonderheiten bei der Bewer-tung der Anteile im Hinblick auf die Festsetzung des Umtauschverhältnisses» (Art. 14 Abs. 3 lit. e) äussern muss und zweitens auf eine Fusionsprüfung vertrau-en, die sich darüber aussprechen muss, «ob das Um-tauschverhältnis für Anteile beziehungsweise die Ab-findung vertretbar ist» (Art. 15 Abs. 4 lit. b), «nach welcher Methode das Umtauschverhältnis bestimmt worden ist und aus welchen Gründen die angewandte Methode angemessen ist» (Art. 15 Abs. 4 lit. c), ferner «welche relative Bedeutung gegebenenfalls verschie-denen angewendeten Methoden für die Bestimmung des Umtauschverhältnisses beigemessen wurde» (Art. 15 Abs. 4 lit. d), endlich «welche Besonderhei-ten bei der Bewertung der Anteile im Hinblick auf die Festsetzung des Umtauschverhältnisses zu beach-ten waren» (Art. 15 Abs. 4 lit.  e). Zudem unterliegt der Fusionsprüfer den strengen Unabhängigkeits-vorschriften des Revisionsaufsichtsgesetzes (Art.  4 RAG) und der revisionsrechtlichen Verantwortlich-keit gemäss Art.  755 OR. Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht richtig sein kann, dass der Richter ein-fach sein Ermessen an Stelle desjenigen der involvier-ten Stellen (Verwaltungsrat, Fusionsprüfer, 2⁄3-Mehr-heit der Aktionäre) setzt – umso weniger als eine Korrektur durch ihn ja zwangsläufig zur Frage führt, ob denn der Verwaltungsrat, der Fusionsprüfer und die Aktionäre der anderen Partei dem «Deal» auch zugestimmt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass der Preis vom Richter noch angepasst wird.67 Auf die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses nach Art. 105 FusG wird der Richter eher dann schliessen, wenn der geprüfte Bericht fehlerhaft ist. Dies wird regelmässig der Fall sein, wenn die vorgesehene Ent-schädigung auf falschen oder unvollständigen tat-sächlichen Annahmen beruht. Darüber hinaus wird

67 Watter (FN 22), GesKR 2/2014, 253.

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ist,84 Delaware ist ein richtiges Eldorado für spezialisier-te Hedge Fonds geworden. Die Delaware Gesetzesän-derungen von August 2016, welche das Ziel hatten, die Ausgleichsklage weniger attraktiv zu machen, haben die-sen Trend nicht gestoppt.85 Auch wenn Delaware Rich-ter spezialisierte Richter sind, die in der Lage sind, sich mittels genauer Befragungen in die Experten und deren Meinungen hineinzudenken und einen fairen Preis zu bestimmen, zeigt u.E. der Fall DFC Global dass auch Delaware Richter Grenzen haben.86 Ein sog. Safe harbor ist bei Ausgleichsklagen mehr denn je notwendig, da je-der Aktionär quasi-willkürlich behaupten kann, dass die «Marktbedingungen» nicht förderlich waren, um einen fairen Preis zu finden.

Die Situation in der Schweiz ist demgegenüber heilig. Dies ist auch gut so, da der Richter insgesamt nicht am besten ausgerüstet ist, um Bewertungen zu machen. Er soll sich auf die «prozedurale Beurteilungsmomente der Angemessenheit» konzentrieren. Jeder würde dem Rich-ter in Ancestry wohl zustimmen, der immerhin zur Be-rechnung des Diskontsatzes sagt: «I freely admit that the formulas did not spring from the mind of this judge, sof-tened as it has been by a liberal arts education».87 Wenn es darum geht, die Angemessenheit des Umtauschver-hältnisses zu beurteilen, tun die Schweizer Gerichte da-her gut, weiterhin Zurückhaltung auszuüben und nicht Zeit damit verbringen zu wollen, «Investmentbanker ohne angemessene Entschädigung zu spielen».

84 In 2016 wurden 62 Ausgleichsklage mit einem Gesamtstreitwert von USD 1.9 Mrd. eingereicht; im Jahr 2012 waren es noch 16 Kla-gen mit einem Gesamtstreitwert von lediglich USD 129 Mio.; vgl. Liz Hoffman, Database of Appraisal Claims, zitiert in Guhan Subramanian, Using the Deal for Determining «Fair Value» in Ap-praisal Proceedings, abrufbar unter <https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2911880> (zuletzt abgerufen am 19. Juni 2017), 2.

85 Die Änderungen sahen unter anderem vor, dass (1) das Gericht eine Ausgleichsklage abzuweisen hat, es sei denn, dass die Gesamtzahl der klagenden Aktionäre mindestens 1 % der ausstehenden Akti-en halten und der Wert der Gegenleistung für diese Aktien in der Transaktion den Betrag von USD 1 Mio. übersteigt (siehe DGCL §  262 (g)) und (2) die Erwerberin den Lauf der Zinsen auf den Ausgleichsbetrag stoppen kann, indem sie freiwillig und jederzeit diesen Betrag den klagenden Aktionären ausbezahlt (siehe DGCL §262 (h)).

86 Wegweisend diesbezüglich ist die Aussage von Vice-Chancellor (heute Delaware Supreme Court Chief Justice) Leo Strine in Un-ion Illinois v. Union Financial (Del. Ch. 2004): «[F]or me (as a law-trained judge) to second-guess the price that resulted from that pro-cess [a competitive auction] involves an exercise in hubris and, at best, reasoned guess-work.»

87 In re Appraisal of Ancestry.com Inc., C.A. No 8173-VCG (Del.Ch. Jan 30, 2015), erwähnt in Watter (FN 22), GesKR 2015, 267 ff, 271.

die Erläuterungen und Begründungen im Fusionsbericht korrekt und nachvollziehbar sind, soll das Gericht bei der Prüfung der Angemessenheit nur mit grösster Zu-rückhaltung mittels Gutheissung der Ausgleichsklage in ein Fusionsprojekt eingreifen.76 Wenn der General-versammlungsbeschluss zudem nicht durch einen Mehr-heitsaktionär bestimmt wurde und keine Interessen-konflikte vorhanden waren, sind kaum Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Ausgleichsklage gutzuheissen wäre.77 Schliesslich wird das Gericht auch die Erklärun-gen des Prüfers bei der Beurteilung der Angemessenheit der Wahrung der mitgliedschaftlichen Kontinuität zu würdigen haben. Bei dieser Würdigung ist davon auszu-gehen, dass der Beurteilungsmassstab «Vertretbarkeit» (Art. 15 Abs. 4 lit. b) bedeutet, dass mit dem Wissen, das dem Prüfer zuzurechnen ist, die der Fusion zugrundelie-genden Wertverhältnisse sachlich erklärbar sind und sich im Rahmen des Gesetzes bewegen («Vertretbarkeit» und «Angemessenheit» sind somit materiell nicht zwingend gleichzusetzen).78 Der Richter wird also kaum selbst eine Bewertung machen. Im seltenen Fall wo er zum Schluss kommt, dass eine Bewertung notwendig ist, wird er ein Experte beauftragen – Judex non calculat.79

IV. Schlussfolgerung

Gemäss Delaware Recht ist jeder Aktionär, der auch nach80 Ankündigung der Transaktion Aktien der Zielge-sellschaft erworben hat, berechtigt eine Ausgleichsklage einzureichen. Eine aktuelle Studie81 ergab, dass rund ein Viertel aller all-cash Akquisitionen in den USA in einem Ausgleichsverfahren münden. Dabei sind die klagenden Aktionäre selten Witwen und Waisen, sondern spezia-lisierte Hedgefonds82. Die durchschnittliche jährliche Rendite solcher Ansprüche beträgt 33 %.83 Der Haupt-grund, weshalb die Ausgleichsklagen in den vergangenen zehn Jahren massiv explodiert sind, liegt darin, dass in einem Tiefzinsumfeld das Ausgleichs-Arbitrage Ge-schäft zu einem eigenen Investment-Thema geworden

des BGer vom 21. März 2012, 4A_341/2011, E. 5.2.76 Gl.A. Amstutz/Mabillard, Fusionsgesetz, Art, 105 N  37; BSK

FusG-Dubs/Frehner, FusG 105 N  18; CHK-Hoffmann-No-wotny/Kurth, FusG 105 N 10; von der Crone et al., Fusions-gesetz, N  1020  f.; HK-Vogel/Heiz/Behnisch/Sieber, FusG-Komm., FusG 105N 4a; im Ergebnis auch Urteil des BGer vom 20. September 2011, 4A_96/2011, E. 5.4 f.

77 BSK FusG-Dubs/Frehner, Art. 105 N 18.78 Id.79 Vgl. Ganz allgemein, Frank Gerhard, Evaluation d’entreprise –

pertinence pour le conseiller juridique, in: Ojhea (Hrsg), Aspects pratiques du droit de l’entreprise, CEDIDAC, Lausanne 2010, 1 ff.

80 Vgl. Transkaryotic Therapies, Inc. (Del. Ch. May 2, 2007).81 Vgl. Jiang/Li/Mei/Thomas (FN  3), 699, vgl. auch, Charles R.

Korsmo/Minor Myers, Appraisal Arbitrage and the Future of Pu-blic Company M&A, 92 Wash. U. L. Rev. 1551, 1567–68 (2015).

82 Die tragen Namen wie Merion, Magnetar, Verition, Fortresss oder Third Point.

83 Vgl. Jiang/Li/Mei/Thomas (FN 3), 699.

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