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RestaurierungderMartinskircheMöhringen2001-2007 · Maßnahmenplanung Aedis...

Date post: 14-Jul-2020
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Ein Werkbericht von Gergs und Blum, Partnerschaft freier Architekten Restaurierung der Martinskirche Möhringen 2001-2007
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Ein Werkbericht von Gergs und Blum, Partnerschaft freier Architekten

Restaurierung der Martinskirche Möhringen 2001-2007

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Am 11. November 1855, am Tag des Heiligen Martin, wurde in Möhringen auf den Filderndie Martinskirche eingeweiht. Der gotische Chor der alten Dorfkirche aus dem Jahr 1464und vier Etagen des Turmes aus dem Jahr 1466 wurden in das neue Bauwerkeingebunden. 1852 bis 1853 wurde die baufällige Turmspitze aus Fachwerk durch einneugotisches Glockenhaus mit schiefergedeckter Pyramide und gusseiserner Laterneersetzt. Dem Bau der 3-schiffigen Emporenbasilika mit Triforiumsgalerie, Obergaden undKreuzrippengewölben in den Jahren 1853 bis 1855 lagen die Pläne des ArchitektenChristian Friedrich von Leins zu Grunde.

Nach einem Luftangriff in der Nacht vom 15. auf den 16. März 1944 stürzte der brennendeTurmhelm auf das Mittelschiff. Die Kirche brannte bis auf die Umfassungsmauern nieder.

Am 16.Oktober 1949 wurde nach einer heute fast undenkbaren Aufbauleistung dieWiederherstellung des Gotteshauses gefeiert. Der Aufbau erfolgte in schlichter Form. Derformale, neugotische Manierismus war der nüchternen Geisteshaltung zu dieser Zeit nichtangemessen. Die wirtschaftliche Not hatte zudem nicht einmal die Beseitigung allerKriegsschäden zugelassen.

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1 Ansicht des Turmes von Norden im Jahr 1940Foto: Else Gergs, geb.Günther

2 Ansicht des Turmes nach 1944Foto: Stadtarchiv Neg.Nr.414/468

3 Ansicht des Chors nach 1944Foto: Stadtarchiv Neg.Nr. 414/465

4 Ansicht des Mittelschiffs nach 1944Foto: Stadtarchiv Neg.Nr. 414/472

5 Maßnahmenplan der Südseite desTurmes mit handschriftlichen Eintragungen dereinzelnen PositionenBüro AeDis, Albert Kieferle

6 Erster Wimperg südliches Seitenschiff:abgeplatzte Antragung aus Betonwerkstein

7 Erster Wimperg nördliches Seitenschiffs:verschobene Quader als Folge des Bombenan-griffs 1944

8 Vierpassmaßwerk am nördlichen Obergaden:Das Maßwerk weist neben RückwitterungenRisse & Abplatzungen auf. Der stark wasserbe-lastete unterer Leibungsstein wurde mit Zement-mörtel nicht materialgerecht repariert.

Baugeschichte

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Verbliebene Kriegsschäden und dieVerwendung von Zement beimWiederaufbau für Fugen und Antragungensind neben der aggressiven Witterung inden vergangenen 50 Jahren der Grund fürdie Notwendigkeit denkmalpflegerischerMaßnahmen. Die einzelnen Werkstückeaus Stubensandstein wiesenunterschiedlich große Rückwitterungenund Absandungen auf. Zudem zeigten sichzahlreiche Risse, Schalen und Ausbrüche,die stellenweise mit Zement nichtmaterialgerecht repariert worden waren.Auch führte die Erneuerung von Fugen mitzementgebundenem Mörtel zur Zerstörungder Steinflanken.Auf Grund einer Analyse der einzelnenSchäden wurde vom Büro AeDis einMaßnahmenplan erstellt, der dieGrundlage für eine genaue Ausschreibungder geplanten Arbeiten bildete.In einem ersten Bauabschnitt wurde in denJahren 2001/2002 der Chor und dasQuerschiff und von September 2003 bisJuni 2004 der Turm und das Westwerkrestauriert. Seit Mai 2006 waren dieArbeiten am Mittel - und den beidenSeitenschiffen im Gang. Im April 2007wurden die Arbeiten einschließlich derGestaltung der Außenanlagenabgeschlossen.

Maßnahmenplan

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Der Charakter eines Bauwerks wird nicht nur durch seine Gestalt geprägt, sondern auchdurch das Material, welches die Gestalt trägt und die Konstruktion, die das Material zudieser Gestalt zusammenfügt. Jedes dieser drei Merkmale hängt mit dem anderenzusammen. Zerstört man eines, schädigt man zwangsläufig das Ganze. Der Denkmal-schutz bezieht sich daher nicht nur auf die äußere Erscheinung eines Bauwerks, sondernauch auf Material und Konstruktion.Grundsatz aller Maßnahmen war daher, möglichst viel von der originalen Bausubstanz undderen Konstruktion zu erhalten. Die Spuren der Geschichte zu verwischen, um demGebäude das Aussehen eines Neuen zu geben, ist nicht der Zweck denkmalpflegerischerMaßnahmen.

KonservierungDiesem Grundsatz entsprechen die Techniken der Steinkonservierung oderSteinfestigung. Es handelt sich um Maßnahmen zur Stabilisierung der verwittertenSandsteinoberflächen durch Kieselsäureester nach einer Reinigung mit dem FM-Mikro-trockenstrahlverfahren. Kieselsäureester reagiert mit der in den Poren des Steineseingelagerten Feuchtigkeit. Bei dieser Reaktion wird Kieselgel ausgeschieden. Dasmineralische Bindemittel Kieselgel ersetzt so das durch Verwitterung verloren gegangeneursprüngliche Bindemittel zwischen den Körnern des Steins.

Um eine Überfestigung der Oberfläche und damit die Gefahr der Schalenbildung zuvermeiden, wurden an verschiedenen Mustersteinen Bohrwiderstandsmessungen vor undnach der Festigung durchgeführt, um die Gel-Abscheidungsrate des Festigers festlegen zukönnen.Das Absanden der Oberfläche kam vor der Festigung in einem leichten Anstieg desBohrwiderstandes von 0,3 auf 0,5 sec/mm in einer Eindringtiefe von 0-2,5 mm zumAusdruck. Die Festigung mit KSE 300 (Kieselsäureester mit einer Gelabscheidungsratevon 300 g Gel/l) bewirkte eine Zunahme des Bohrwiderstandes über den materialtypischenWert von 0,5 sec/mm hinaus auf maximal 0,9 sec/mm. Die moderate Festigkeitszunahmelässt keine Schalenbildung durch Überfestigung erwarten.Die an einzelnen Mustersteinen gemessenen Werte treffen jedoch nie auf alle Steine zu.Angesichts der unterschiedlichen Beschaffenheit der einzelnen Steine war nach wie vordie Erfahrung und Intuition der Restauratoren gefragt. Stellen, an denen der Stein starksaugte, wurden intensiver, andere Partien weniger oder fast gar nicht geflutet.

Erhalten oder Erneuern ?

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9+10 Bohrwiderstandsmessung11 Steinreinigung mit dem Mikrotrockenstrahlver-

fahren12 Vierpassmaßwerk am nördlichen Obergaden:

Vorfestigung der Risse durch Injektion13 Vierpaßmaßwerk am nördlichen Obergaden:

Beschichtung der Oberfläche mit einerSchlämme

14 Pfeiler am südlichen Obergaden15 Scherrisse in der Konsole eines Pfeilers am

Obergaden

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Verwitterte Natursteinoberflächen weisen häufig eine intensive Schalen - und Schuppen-bildung auf. Die damit verbundenen Risse sind oft so groß, dass sie mit Steinfestiger nichtgeschlossen werden können. Daher wurde ein mineralisch gebundener Mörtel verwendet,der nach Injektion einen kraftschlüssigen Verbund von Schale und Steinkern herstellte.Dieser Injektion ging eine partielle Vorfestigung der mürben Steinzonen voraus, um einetragfähige Grundlage zu schaffen. Die raue Oberfläche des Steines wurde abschließendmit einer feinen, pigmentierten Schlämme geglättet, um die Oberfläche zu schließen undeiner weiteren Verwitterung weniger Angriffsfläche zu bieten.

Konnten Schalen nicht hinreichend mit Hinterfüllmaterial gefestigt werden, wurden für be-sonders gefährdete Bereiche eine Vernadelung mit V4A-Stahl oder Glasfaserstiften alsmechanische Sicherung angewendet. An der Martinskirche wurden 16 mm V4A-Gewinde-stangen auch zur Sicherung der Pfeiler vor dem Obergaden eingesetzt. Diese Pfeilervor-lagen stabilisieren nicht wie gewöhnlich durch eine kraftschlüssige Verbindung die Wand,sondern sind vollständig vorgeblendet. Ihre Last wird durch Konsolen im Bereich desTriforiums abgetragen. Die Sicherung durch jeweils zwei Nadeln wurde notwendig, weil inden Konsolen senkrechte Scherrisse sichtbar waren.

Steinkonservierung

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DieHöheder Schädenkonnteoft erst imLauf derArbeit amDenkmal genauerkanntwerden. Entsprechendmussteneinmal getroffeneEntscheidungendurchneugewonneneErkenntnisse revidiert werden.War der bestehendeStein für eineKonservierungzubrüchig, musstenacheingehenderBetrachtunggegendenobengenanntenGrundsatz der unbedingtenErhaltungverstoßenwerden. Entsprechendder Höheder SchädenwurdendieTechnikender Restaurierung infolgendendrei Stufenangewendet:Antragung, Vierung, Steinaustausch.

HatteeinOriginalteil nur kleinere Fehlstellen, wurdemit einemRestauriermörtel ergänzt.Ziel war dieWiederherstellungvonzerstörtenOberflächenundProfilierungen.DieAbstimmungauf Struktur undFarbe des Steineserfolgtedurch Zugabe vonentsprechendgefärbtemundgekörntemSandoder Steinmehl. AuchdiekapillarenEigenschaftensolltendenjenigendesSteines entsprechen.DieAnpassungdesmit 1-2 mmÜberhöhungaufgetragenenMörtelserfolgt mit einemSpachtel, sobald dieser vor der vollständigenAbbindungrieselt.Antragungen, die stärker als4cmwaren, wurdenzur Sicherheit mit V4A-Klammernarmiert, die mit Epoxydharzspannungsfrei indenSteineingeklebt wurden.

Antragung

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Vierung

AbeinemVolumenvonca. 0,5dm3 war eineAntragungmit Steinersatzmaterial nicht mehrsinnvoll. EswurdenkleinereNatursteinstücke, diesogenanntenVierungenmit 5mmÜber-höhung inpräzisegeradlinigundrechtwinkligausgestemmteTascheneingesetzt undvonHandandieOberflächedesSteines angepasst.Für dieVierungenwurde gesundesMaterial aus demAbbruchvon Steinenverwendet, dieausgetauscht werdensollten.

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Vierpassmaßwerk am nördlichen Obergaden

16 vor der Restaurierung17 nach der Restaurierung18 farbige Sande zur Anpassung des

Restaurierungsmörtels19 Restaurierung von Fehlstellen durch

Antragung

Wimperg am südlichen Seitenschiff

20 Vierung vor der Anpassung21 Bearbeitung der Vierung22 Ansicht vor der Restaurierung23 Ansicht nach der Restaurierung

24-27 Einbau einer Vierung in die Leibung einerRosette am Obergaden

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Die inder Werkstatt nachAufmaßvorgefertigten Werkstücke aus Sandsteinwurden inexakt ausgearbeiteteTascheneingesetzt. DieEinbindetiefesolltemindestens12 cmbetragen. Auchhier erfolgtedie abschließendeAnpassungaller sichtbaren Oberflächenan dieumgebendenWerkstückevonHand.DurchdenSteinaustausch wirdzwar dieLebensdauer desBauwerks verlängert, mit derOriginalsubstanzverschwindenaber wesentliche Informationenüber das Denkmal selbst,wiedieArt des Gesteins, Bearbeitungsspuren, SteinmetzzeichenundVerfugungstechnik.

Steinaustausch

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28-29 südliches Glockenhausfenster:Einbau der 0,8t schweren Fensterbank

30 Werkstücklager (Leibungssteine)31 Einbau eines Leibungssteins unter das

restaurierte Vierpassmaßwerks einerRosette

32 Blick in die Bauhütte am 24.10.200333 Maßwerk am nördlichen Glockenhausfenster34+35 Verdachungsstein über dem 1. Pfeiler des

südlichen Seitenschiffs36-39 Austausch des Kaffgesimes an einem Pfeiler

des nördlichen Seitenschiffs

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Bedenklich ist dieTatsache, dassmeistensnicht das kompletteWerkstückausgetauschtwird, sondernnur die Sichtseitemit einer Einbindetiefevon12cm. Mächtige, oft mauer-tiefeQuader werdenauf dieseArt zerstört. Besonders deutlichwird dieser Verlust amBeispiel des Kaffgesimsesder Strebepfeiler. InWirklichkeit handelt essichum0,9mbreiteundca. 1,50mlangemonolithischeSandsteinplatten, diedenPfeiler mit der WanddesSeitenschiffeskraftschlüssigverbinden.DieKaffgesimsesindstarkwasserbelastet undentsprechendausgewaschen. Aus diesemGrundwar andieser StellederAustauschdes umlaufendprofiliertenRandsdieserKaffgesims-Platteunumgänglich.

Steinaustausch

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Eineweitere, über dieKonservierungundRestaurierung hinausgehendeTechnik ist dieRekonstruktion. Hierbei geht esumdieWiederherstellungnicht mehr erhaltener, abernachweisbarer Formen, MaterialienundKonstruktionen.Vonbesonderer Bedeutung war dieFrage, welchegotischenElementesowesentlichsind,dasssieunter Würdigungder Absicht, dasGebäudenachdemKrieg inschlichter Formwieder herzustellen, rekonstruiert werdensollten, ohne denZeugniswert desDenkmals zubeeinträchtigen. DasSchwierigedabei war, dassdie FragenachdemWesentlichenalleineine fast unauslotbareTiefe hat. Wiebei der Entscheidung über dieAnwendungeiner an-gemessenenTechnik bliebauchhier nur dieÜberzeugung, dass sorgfältigeundgenaueGedankenzueiner angemessenenLösungder durch WidersprüchebestimmtenAufgabeführen.

DieAbsicht zu rekonstruieren wurdedamit einer Zensur der Vernunft unterworfen, umzuvermeiden, demGebäudeUnwesentliches, Pittoreskeszuzufügen. IntellektuelleRedlichkeit solltevor der dabei drohendenArroganz gegenüber überliefertenFormenbewahren. Essei aber nicht verschwiegen, dass auch finanzielle ErwägungendasSchwelgen inÜberflüssigemunterbanden.

Rekonstruktion

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Rekonstruiert wurdendieKreuzblumenüber denvier Glockenhausfenstern. DieKreuz-blume ist einelementaresBauteil des gotischenStils, umbesondersmarkanteStellenmiteinemdekorativenAkzent zuversehen.AllegrößerenWimpergean der Martinskirchetragen diesenSchmuck. Dies war Grundgenug, auchdie Fenster des Glockenhauseswieder angemessenzugestalten.Bei der FestlegungvonGröße, ProportionundDekor wurdeauf einenaltenAufriss undFotosdesWestwerkszurückgegriffen. DadieseDokumenteeinevergleichbareKreuzblumeüber demWimpergdes Hautportals ausweisen, wurdediesenochvorhandeKreuzblumeals unmittelbares Vorbild für dieKopien gewählt.Kopiert wurden auchdieKreuzblumenüber denbeidenPortalenandenSeitenschiffen.Währenddie Kreuzblume über demsüdlichenPortal fehlte, war diejenigeüber demnörd-lichen Portal nochvorhanden. Sie war jedoch ineinemsoschlechtenZustand, dassmansich für eineKopieentschied. Das Original soll innerhalbder Kircheaufgestellt werden.DieMaßverhältnissedieser Kreuzblumenberuhenwie bei denOriginalenauf demPrinzipder Quadratur.

Rekonstruktion

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40 Kreuzblume neben dem Aufstand über demsüdlichen Wimperg

41 Blick in die Bauhütte: Im Hintergrund dasVorbild für die Kopien der Kreuzblumen

42 Ansicht der Kreuzblume43 Ansicht des Glockenhauses von Süd-Westen44 vollständig zermürbte Kreuzblume mit abge-

brochenem Knauf ü. dem nördl. Seiteneingang45 rekonstruierte Kreuzblume über dem südlichen

Seiteneingang46 Quadratur der Kreuzblume über den Glocken-

hausfenstern47 Quadratur der Kreuzblume über den

Seiteneingängen

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Der Denkmalschutz umfasst nicht nur denursprünglichen Zustand des Gebäudes,sondern auch dessen Veränderungen imLauf der Zeit. In unserem Fall betrifft diesdie Art des Wiederaufbaus bis 1949. Trotzdes Respekts vor der nüchternenGeisteshaltung, die diesen Aufbau prägte,müssen diese Maßnahmen auf ihrenDenkmalwert hin überprüft werden.Rekonstruktive Korrekturen sind imEinzelfall erlaubt, sofern jüngereÜberarbeitungen des Kulturdenkmals vongeringer materieller, handwerklicher undkünstlerischer Qualität sind.

Ein Beispiel ist die Dachdeckung desTurmhelms. Die geometrisch scharfenKonturen der Pyramide treten nach derRekonstruktion der Schieferdeckung(Spitzwinkeldeckung) wieder klar inErscheinung. Eine Ziegeldeckung mitgerundeten Walmziegeln hatte nach demWiederaufbau 1949 diesen Eindruckgestört.

Beim Wiederaufbau wurde das Dach desMittelschiffes um ca. 20 cm über demOriginalzustand angelegt. Die Traufkanterückte infolge dessen um ca. 10 cm vor diePfeiler der beiden Obergaden, wodurchderen vertikale Wirkung starkbeeinträchtigt wurde. Die Vorderkante derTraufe wurde nun durch Kürzung derSparren im Rahmen der Erneuerung derDachdeckung wieder bis hinter die Frontder Pfeiler gerückt. Die Pfeiler sind jetztwieder vollständig sichtbar.Der Anschluss des Seitenschiffdaches anden Obergaden wurde durch Entfernungvon Aufschieblingen um ca. 8 cm abge-senkt, damit die Oberkante des Anschluss-bleches die Kreise der Fensterrosettennicht mehr tangiert. Das Blech endet jetzt8 cm unter den runden Fensterleibungen.Die Abdeckung wurde zudem 2 cm tief indie hinterschnittene Unterkante derQuader eingelassen, um ohne dauer-elastische Verfugung auszukommen.

Rekonstruktive Korrekturen

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In Zusammenhang mit der Rekonstruktionstand auch die Absicht, Kriegsschäden zubeseitigen, die nach dem Wiederaufbau1949 verblieben waren. Verschiebungenzwischen einzelnen Werkstücken solltenbeispielsweise am ersten Wimperg desnördlichen Seitenschiffes durch Abbau underneute Fügung ausgeglichen werden.Beim Abbau der ersten Werkstücke stelltesich jedoch heraus, dass es sich ummauertiefe Quader handelt. EineFortsetzung der geplanten Maßnahmewäre mit starken Eingriffen in denInnenraum verbunden gewesen. Es wurdedaher beschlossen, die Verschiebungenals Erinnerung an den Krieg zu belassen.

Beseitigung von Kriegsschäden

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48 nördlicher Obergaden vor derRestaurierung

49 südlicher Obergaden nach derRestaurierung

50 Ansicht des Turmes von Südwesten

Erster Wimperg am nördlichen Seitenschiff

51 vor der Restaurierung52 nach der Restaurierung53+54 mauertiefe Quader, sichtbar nach

Abnahme der Spitze des Wimpergs

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Maßnahmenplanung

AedisKieferle, Reiner. Schmid GbRPostfach 1248, 71693 Möglingen

Planung, Ausschreibung, Bauleitung

Gergs & BlumPartnerschaft freier ArchitektenMühlhaldenstr. 20, 70567 StuttgartTelefon: 0711 726210Telefax: 0711 7262120E-mail: [email protected]: www.gergs-blum.de

Turm und WestwerkVolker Jüngling (Freier Mitarbeiter)

Besonderer Dank gebührt dem Steinmetzmeister der Firma Schönfeldt, Herrn Becker undden Mitarbeitern der Firma Bauer-Bornemannn:Ivana und Jacek Pochyla, Sven Jaworski, Reinhard Guhlmann, Achim Heil, Mark Krämer

Die Arbeiten wurden mit einer denkmalgerechten Abdichtung der Fundamente bis 1m Tiefemit Dernoton abgeschlossen, um das Eindringen von Feuchtigkeit aus dem umgebendenErdreich zu verringern. Dernoton ist eine nur aus Mineralien bestehende Tonmischung, diedauerhaft sogar gegen drückendes Wasser abdichtet. Entscheidender Vorteil ist neben derMaterialverträglichkeit jedoch die Möglichkeit, klüftige Fundamente ohne Glättung derOberfläche abdichten zu können.

Im Zuge dieser Maßnahme wurde unter dem südlichen Querschiff ein 1,50 m tiefes und1,05 m breites Tonnengewölbe aus Sandstein entdeckt . Über dem Gewölbe befinden sichin der Giebelseite des Querschiffs zwei Epitaphe aus den Jahren 1576 und 1589. Diesesind beim Bau der Kirche 1855 hier eingesetzt worden. Damals wurde der Friedhof um denmittelalterlichen Vorgängerbau aufgelassen. Die Gebeine wurden möglicherweise wiederin geweihter Erde bestattet. Eventuell steht das Gewölbe mit einer Art "Ossarium" oderBeinhaus unter dem Altarraum in Verbindung. Hierbei handelt es sich ausdrücklich um eineVermutung. Die Rückseite des Gewölbes bleibt unangetastet und wird weiterhin einGeheimnis hüten.

Transformation, Adaptation und Erweiterung, verbunden mit weitgehenden Eingriffen in dieBausubstanz, standen nicht zur Diskussion, da die Art der Nutzung des Gotteshausesweder geändert noch erweitert wurde.

In welchem Umfang gegen den Grundsatz der Erhaltung originaler Bausubstanz verstoßenwerden sollte, musste in jedem einzelnen Fall von neuem festgelegt werden. Sich im Laufder Arbeit von dabei gewonnenen Erkenntnissen führen zu lassen, bedeutete vor allem,nie an methodischen Grundsätzen zu haften. Methoden verändern sich im Lauf der Arbeitim Sinne einer Präzisierung, um damit schließlich eine erstaunliche Entsprechungzwischen Aufgabe und Lösung herzustellen

Fundamente

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56+57 Gewölbe unter dem südlichen Querschiff

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Liste der beteiligten Firmen und der verwendeten Materialien

beteiligte FirmenGerüstarbeiten Schlatter Gerüstbau GmbH Steinbeisweg 4, 70794 Filderstadt

Steinreinigungsarbeiten Maar Fassaden-Restaurierungs GmbH Hohmannstraße 28, 97421 Schweinfurt

Konservierende Arbeiten Steinrestaurierung Bauer-Bornemann GmbH Oberer Stephansberg 37, 96049 Bamberg

Steinmetzarbeiten Mittel / Seitenschiffe Steinrestaurierung Bauer-Bornemann GmbH Oberer Stephansberg 37, 96049 Bamberg

Steinmetzarbeiten Turm und Westwerk Schönfeldt GmbH Hackstraße 16A, 70190 Stuttgart

Steinmetzarbeiten Chor und Querschiff Reinhold Stange GmbH Schlosserstraße 14, 73257 Köngen

Holzbauarbeiten Holzbau Haug Schimmelreiterweg 35, 70567 Stuttgart

Klempnerarbeiten Haustechnik Wörner Leinenweberstraße 74, 70567 Stuttgart

Dachdeckerarbeiten Mittel / Seitenschiffe Berger Bedachungen Stellestraße 40, 72135 Dettenhausen

Dachdeckerarbeiten Turm und Westwerk Scholtz GmbH Nielsenstraße 24, 73760 Ostfildern

Schlosserarbeiten Schlosserei Beck Leinenweberstraße 82A, 70567 Stuttgart

Verglasungsarbeiten Glaswerkstätten Neumann Aischbachstraße 8, 74343 Sachsenheim

Putz- und Stuckarbeiten Rückle GmbH & Co. KG Handwerkstraße 33, 70565 Stuttgart

Elektroinstallation Elektro-Hübner GmbH Vaihingerstraße 66, 70567 Stuttgart

Blitzschutzarbeiten Riepl Blitzschutz-Systemhaus Handwerkstraße 50, 70565 Stuttgart

Glockentechnik Eisenhart Turmuhrenbau Leonorenstraße 3, 70597 Stuttgart

Landschaftsbauarbeiten Stier Gartenbau GmbH & Co. KG Handwerkstraße 17 A, 70565 Stuttgart

Seitenportale Freier Restaurator Erwin Raff Mozartstraße 18, 73770 Denkendorf

verwendete MaterialienSteinreinigung FM-Mikrotrockenstrahlverfahren, Strahlmedium: Aluminiumsilikat: 0,09mm

Steinfestigung Steinfestiger: Kieselsäureester, Produkt: Funcosil 100 und 300, Hersteller: Remmers

Riss - und Schalensicherung Mineralischer Injektionsmörtel, Produkt: M 30, Hersteller: Jahn

Antragungen Ergänzungsmörtel: 6 RT Rajasil Steinersatzmörtel, 4 RT brauner Sand, 2 RT Antrag-Mineros, Hersteller: Krusemark, 1 RT M70, Hersteller: Jahn

Fugeninstandsetzung Fugendeckmörtel: 2 RT gewaschener Flusssand, 2 RT Grabsand, 1 RT Trasskalk,Hersteller: Märker, 1/5 RT Kalkhydrat

Steinaustausch Umfassungsmauer: Steigerwalder Quarzit,Mittel-und Seitenschiffe: Postaer Sandstein für wasserbelastete Werkstücke,Bucher Sandstein für MauerquaderTurm und Westwerk: Wünschelburger Sandstein,Chor und Querschiff: Bucher Sandstein,Fugenversetzmörtel: Trasskalkmörtel TKM, Hersteller: Quickmix

Fundament-Abdichtung Dernoton, Hersteller: Heinrich Dernbach

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ImpressumHerausgeber

Evangelische Gesamtkirchengemeinde MöhringenOberdorfstraße 12, 70567 StuttgartTelefon: 0711 711510Telefax: 0711 713412Email: [email protected]: http://www.ev-kirche-moehringen.de

Text & Layout

Gergs & BlumPartnerschaft freier Architektenwww.gergs-blum.de

Fotos

Gergs & BlumStadtarchiv Stuttgart (Bild 2-4)Werner Hennig (Seite 1&16)

Druck

Richard Wahl Druckerei


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