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Prof. Dr. iur. Walter Fellmann1 Haftung aus Vertrag Grundlagen.

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Prof. Dr. iur. Walter Fel lmann 1 Haftung aus Vertrag Grundlagen
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Haftung aus Vertrag

Grundlagen

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Art. 97

1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihmkeinerlei Verschulden zur Last falle.

2 Die Art der Zwangsvollstreckung steht unter den Bestimmungen des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes und der eidgenössischen undkantonalen Vollstreckungsvorschriften.

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Haftpflichtrecht und vertragliches Schadenersatzrecht

• Haftpflichtrecht und vertragliches Schadenersatzrecht schliessen sich nicht aus. Eine Person (z.B. ein Arzt) kann daher für den gleichen Schaden sowohl ausservertraglich wie vertraglich ersatzpflichtig sein.

• In solchen Fällen besteht vom Geschädigten aus betrachtet Anspruchskonkurrenz. Er kann seine Ansprüche auf beide Haftungstatbestände stützen, muss aber die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen (z.B. unterschiedliche Verjährungsfristen) beachten.

• Die Anspruchskonkurrenz hat grosse praktische Bedeutung.

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Voraussetzungen der Haftung

Verschuldenshaftung nach Art. 97 OR

Schaden

Vertragsverletzung

Kausalzusammenhang

Verschulden

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Voraussetzungen der Haftung

Beweisthemen des Art. 97 OR

Schaden

Vertragsverletzung

Kausalzusammenhang

Verschulden

Beweisthema des Gläubigers

Beweisthema des Schuldners

Exkulpations- beweis

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Haftung des Beauftragten

(als Beispiel)

Art. 97 Abs. 1 und 398 Abs. 2 OR

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Art. 398 Haftung für getreue Ausführung

1 Der Beauftragte haftet im allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.

2 Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes.

3 Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird.

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Voraussetzungen der Haftung

Haftung nach Art. 97/398 Abs. 2 OR

Schaden

Sorgfaltspflichtverletzung

Kausalzusammenhang

Verschulden

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Schaden

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Schadensbegriff im Vertragsrecht

Schaden

positives Interesse

negatives Interesse

Herbeiführung des (hypothetischen) Ver-mögensstandes, wie er bei gehöriger Erfüllung vorläge.

Herbeiführung des Ver-mögensstandes, wie er ohne Abschluss des Vertrages bestünde.

Erhaltungs- oder Integritätsinteresse

kann sowohl im Rahmen des positiven wie auch des negativen Interesses geschuldet sein

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Unterschiede zum ausservertraglichen Schadensbegriff

• Im Bereich der positiven Vertragsverletzung, mit der sich das vertragliche Schadenersatzrecht hauptsächlich befasst, steht als Schaden das Erhaltungs- oder Integritätsinteresse im Vordergrund. Dieses deckt sich im Ergebnis mit dem Schadensbegriff des Deliktsrechts.

• Neuenschwander (Die Schlechterfüllung im schweizerischen

Vertragsrecht, Diss. Bern 1971, 12): Im Bereich der positiven Vertragsverletzung gibt es zwischen dem vertraglichen und dem ausservertraglichen Schaden keinen grund-sätzlichen Unterschied. Beides sind Vermögensver-minderungen, bewirkt durch ein schädigendes Ereignis.

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Umfang des Schadenersatzes

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Art. 99 Mass der Haftung und Umfang des Schadenersatzes

1 Der Schuldner haftet im allgemeinen für jedes Verschulden.

2 Das Mass der Haftung richtet sich nach der besonderen Natur des Geschäftes und wird insbesondere milder beurteilt, wenn das Geschäft für den Schuldner keinerlei Vorteil bezweckt.

3 Im übrigen finden die Bestimmungen über das Mass der Haftung bei unerlaubten Handlungen auf das vertragswidrige Verhalten entsprechende Anwendung.

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Verweis des Art. 99 OR

• Grundsätzlich bemisst sich die Grösse des geschuldeten Ersatzes nach dem Recht der unerlaubten Handlung.

• Dieser Grundsatz wird durch Art. 99 Abs. 2 OR ergänzt. Danach ist zusätzlich „die Natur des Geschäftes“ zu berücksichtigen und die Haftung wird milder beurteilt, wenn das Geschäft für den Schuldner (z.B. infolge Unentgeltlichkeit) keine Vorteile bezweckt.

• Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist vom Richter gemäss Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 OR zu schätzen.

• Der Geschädigte hat Anspruch auf den so genannten Schadenszins (von 5 %).

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Verweis des Art. 99 OR

• Der nachgewiesene oder vom Richter geschätzte Schaden ist nicht immer voll zu ersetzen.

• Der Richter hat vielmehr im Einzelfall die Höhe des geschuldeten Ersatzes zu bestimmen.

• Zur Anwendung kommen dabei insbesondere Art. 43 und 44 OR. Danach bestimmt der Richter die Grösse des geschuldeten Ersatzes nach der Grösse des Verschuldens und nach den übrigen erheblichen Umständen.

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Vertragsverletzung

Sorgfaltspflichtverletzung

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Art. 398 Haftung für getreue Ausführung

1 Der Beauftragte haftet im allgemeinen für die gleiche Sorgfalt wie der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.

2 Er haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes.

3 Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird.

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Schlechterfüllung bei Dienstleistungen

• Verpflichtet sich der Schuldner zu einer Dienstleistung, bereitet die Beurteilung der Schlechterfüllung Schwierigkeiten.

• Hier besteht die Pflichtverletzung regelmässig in einer Sorgfaltspflichtverletzung.

• Diese Sorgfalt ist Teil der geschuldeten Leistung und nicht bloss eine Nebenpflicht des Beauftragten. Es gibt keine Sorgfalt an sich (BK-Fellmann, Art. 398 N 17).

• Verletzung der erforderlichen Sorgfalt ist also Schlecht-erfüllung (z.B. ärztlicher Behandlungsfehler).

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Einige Beispiele

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Sorgfaltspflichten des Gutachters

• Keine objektiv falschen Angaben.• Keine Missachtung des Standes von Wissenschaft und

Technik.• Keine unlogische Gedankenführung oder lückenhafte

Begründung. • Nachvollziehbarkeit bezüglich Argumentationskette und

Schlussfolgerungen.• Vollständige Beantwortung der Gutachterfragen.

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Der Anwalt hat „unter Beobachtung seiner Beratungs-, Belehrungs-, Warn-, Aufklärungs-, Informations-, Hinweis-, Erörterungs-, Prüfungs-, Kontroll-, Schutz-, Sicherungs-, Verhütungs-, Betreuungs- und Interessenwahrungspflicht dafür zu sorgen, dass vermeidbare Nachteile vom Mandanten ferngehalten werden …..“ (Hans Peter Walter, Unsorgfältige Führung eines Anwaltsmandats, N 16.22).

Sorgfaltspflichten des Anwaltes

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Die alte Praxis des Bundesgerichts:

Der Arzt haftet nicht für einfache Fehlgriffe, die bis zu einem gewissen Grad in der Natur seines Berufes liegen, bei dem die Ansichten dermassen vielfältig und widersprüchlich sein können. Er haftet dagegen für einen offenkundigen Irrtum, für eine offensichtlich fehlerhafte Behandlung, für einen klaren Kunstfehler oder die Unkenntnis von allgemein bekannten Grundlagen der ärztlichen Wissenschaft (BGE 105 [1979] II 285).

Die Korrektur:

Die Arzthaftung beschränkt sich nicht auf grobe Verstösse gegen die Regeln der ärztlichen Kunst (BGE 116 [1990] II 521).

Heutige Praxis:

Bei der Behandlung hat der Arzt nach den allgemein anerkannten und zum Gemeingut gewordenen Grundsätzen der medizinischen Wissenschaft zu verfahren, die zur Erreichung des gesteckten Zieles bestimmt und geeignet sind (BGE 110 [1984] II 379).

Sorgfaltpflichten des Arztes

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Vertragsverletzung

Verletzung von Nebenpflichten

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Die Nebenpflichten• Die Nebenpflichten werden aus der auf dem Vertrauens-

grundsatz basierenden Pflicht zu loyalem Verhalten ab-geleitet.

• Sie verpflichten die Parteien, aufeinander in umfassen-der Weise Rücksicht zu nehmen.

• Diese Pflicht konkretisiert sich im Einzelfall in Sorgfalts-und Obhutspflichten sowie in Aufklärungs-, Informations- und Beratungspflichten.

• Diese Pflichten sind in der Regel nicht selbstständig klagbar. Ihre Verletzung begründet aber eine Schaden-ersatzpflicht.

• Die Anerkennung solcher Pflichten führt zu einer Haftungsausweitung und -verschärfung!

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Beratungs- und Belehrungspflichten

Was ist erforderlich, um das angestrebte Ziel zu erreichen?

Welche Erfolgsaussichten hat der Klient?

Welche Risiken sind mit den möglichen Massnahmen verbunden?

z.B. Beratung und Belehrung des Anwalts

Welches ist das sinnvolle Ziel des Einsatzes des Anwaltes?

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z.B. Aufklärungspflichten des Anwalts

Pflicht zur Aufklärung

Aufklärung über die erforderlichen Massnahmen

Aufklärung über die Kosten dieser Massnahmen

Aufklärung über die (Kosten-) Risiken der Massnahmen

Aufklärung über die gewählte Taktik

Aufklärung über eigene Fehler ?

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Folgen der Verletzung der Aufklärungspflicht

Übernimmt der Anwalt vorbehaltlos ein (Prozess-) Mandat, ohne auf spezifische Risiken hinzuweisen, „begründet er mit dem erweckten Vertrauen die tatsächliche Vermutung, der angestrebte Erfolg lasse sich mit dem gebotenen Einsatz erreichen, und obliegt ihm (…) der Gegenbeweis dazu.“ (Hans Peter Walter, a.a.O., N 16.74).

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Exkurs: Aufklärungspflicht des Arztes

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Eingriff als Verletzung der körperlichen Integrität

Einwilligung des „Verletzten“ erforderlich

Eingriff ist widerrechtlich

Gültige Einwilligung setzt Aufklärung voraus

Zustimmung des aufgeklärten

Patienten

keine Zustimmung

Zustimmung ohne Aufklärung

Eingriff ist zulässig

Grundlagen der Aufklärungspflicht

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Haftungsfolgen

Haftung für Kunstfehler (Vertragsverletzung)

Haftung wegen fehlerhafter oder

fehlender Aufklärung

keine Haftung für „normale“ Risiken des

ärztlichen Eingriffes

Haftung für sämtliche Risiken des ärztlichen

Eingriffes

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Beweis der Vertragsverletzung

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Beweis der Vertragsverletzung

• Bei Nicht- oder Schlechterfüllung ist die Pflichtverletzung in der Regel leicht zu beweisen.

• Problematischer ist hingegen der Nachweis eines Sorgfaltsverstosses bei Dienstleistungen.

• So muss der Geschädigte beispielsweise bei der Ver-letzung einer Informationspflicht nicht nur diese Pflicht-verletzung nachweisen, sondern auch dartun, dass er sich bei richtiger Information anders verhalten hätte.

• Die Rechtsprechung behilft sich oft mit natürlichen Vermutungen oder Beweislastumkehr.

• Schwierig ist bei Sorgfaltspflichtverletzungen die Abgrenzung zwischen Vertragsverletzung (Beweislast des Geschädigten) und Verschulden (Beweislast des Schuldners).

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Kausalzusammenhang

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Kausalzusammenhang

• Auch im Vertragsrecht muss zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen.

• Die Beweislast für den Kausalzusammenhang trägt der geschädigte Gläubiger.

• Der Inhalt der massgebenden Begriffe deckt sich mit demjenigen des Deliktsrechts.

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Verschulden

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Verschulden

Ein Verhalten ist schuldhaft, wenn es dem Handelnden persönlich zum Vorwurf gereicht, weil er in der gegebenen Situation anders hätte handeln sollen und anders hätte handeln können. Dabei handelt vorsätzlich, wer den vertragswidrigen Erfolg will oder zumindest in Kauf nimmt. Fahrlässig handelt, wer – bewusst oder unbewusst – aus mangelnder Sorgfalt Schaden verursacht.

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Verschuldensbegriff ist objektiviert

• Während man im Deliktsrecht über einen subjektivierten Verschuldensbegriff diskutieren kann, muss im Vertragsrecht in jedem Fall ein objektivierter Verschuldensbegriff gelten.

• Hier verdient das Vertrauen des Gläubigers Schutz, der Schuldner verfüge über mindestens durchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten.

• Übernimmt der Schuldner trotz fehlender Kenntnisse oder Fähigkeiten einen Auftrag, trifft ihn den Vorwurf eines Übernahmeverschuldens.

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Vertragsverletzung und Verschulden• Bei Dienstleistungsobligationen ist der vom Gläubiger

zu erbringende Beweis der Pflichtverletzung (Vertrags-verletzung) durch den Nachweis eines Verstosses gegen die vom fraglichen Berufsstand zu erwartende Sorgfalt („Kunstfehler“) zu erbringen.

• Der Schuldner kann sich exkulpieren, wenn er beweist, dass ihn kein Verschulden trifft.

• Aufgrund des objektivierten Verschuldensbegriffs decken sich die Begriffe der (vertraglichen) Sorgfalts-pflichtverletzung und der Fahrlässigkeit weitgehend.

• Mit dem Nachweis der vertraglichen Pflichtverletzung ist daher in der Regel auch der Verschuldensnachweis geleistet. Für eine Exkulpation bleibt kaum Raum!

• Im Ergebnis besteht daher im Vertragsrecht praktisch die gleiche Beweislast wie im Deliktsrecht.

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Haftung für Hilfspersonen

Art. 101 OR

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Art. 101 Haftung für Hilfspersonen

1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung einesRechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.

2 Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden.

3 Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden.

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Hilfsperson nach Art. 101 OR

• Jede Person, die mit Wissen und Willen des Schuldners an der Erfüllung einer Schuldpflicht oder an der Ausübung eines Rechts beteiligt ist.

• Es spielt keine Rolle, in welchem Verhältnis die Hilfsperson zum Schuldner steht. Sie muss ihr daher insbesondere nicht untergeordnet sein. Denkbar ist ein Arbeitsvertrag, ein Auftrag oder ein Werkvertrag (Subunternehmer).

• Keine Hilfspersonen sind die Organe einer juristischen Person; deren Handlungen werden der juristischen Person als eigene Handlungen zugerechnet (Art. 55 Abs. 2 ZGB).

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Persönliche Erfüllung (Art. 68 OR)

• Der Beizug einer Hilfsperson ist nicht zulässig, wenn es bei der Leistung des Schuldners auf seine Persönlichkeit ankommt. „Si duo faciunt, idem non est idem.“ Schulbuchbeispiel: Porträt eines Malers.

• Eine Pflicht zur persönlichen Erfüllung kann sich aus den konkreten Verhältnissen ergeben; die Parteien können aber auch eine persönliche Leistungspflicht ausdrücklich vereinbaren. Bei Sachleistungen ist eine persönliche Leistungspflicht selten, bei Dienstleistungen demgegen-über verbreitet.– Persönliche Leistungspflicht im Arbeitsvertrag (Art. 321 Abs. 1

OR).– Persönlich Erfüllungspflicht des Arztes.

• Unbefugter Beizug einer Hilfsperson: Vertragsverletzung i.S. von Art. 97 OR.

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Haftung für Hilfspersonen (Art. 101 OR)• Nach Art. 101 muss der Schuldner für das Verhalten

seiner Hilfsperson einstehen, wie wenn es sein eigenes wäre.

• Der Schuldner haftet ohne eigenes Verschulden, also „kausal“. Ein Verschulden der Hilfsperson ist ebenfalls nicht erforderlich.

• Zwischen dem Verhalten der Hilfsperson und der Erfüllung der vertraglichen Pflicht muss ein so genannter „funktioneller Zusammenhang“ bestehen. – Dieser ist gegeben, wenn die schädigende Handlung

zugleich eine Nichterfüllung oder Schlechtleistung der Schuldpflicht des Geschäftsherrn ist.

– Umstritten ist, ob es genügt, dass der Schaden „bei Gelegenheit“ der Erfüllung verursacht wurde.

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Haftung für Hilfspersonen (Art. 101 OR)

• Massgebend ist die „hypothetische Vorwerfbarkeit“. Danach fragt es sich, ob die Handlung dem Schuldner vorzuwerfen wäre, wenn er selbst gehandelt hätte.

• Der Schuldner kann sich demnach entlasten, wenn er beweist, dass ihn kein Verschulden treffen würde, wenn er an Stelle der Hilfsperson gehandelt hätte.

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Unterschied OR 55 und OR 101

OR 55• Schaden• Widerrechtlichkeit• adäquater Kausal-

zusammenhang• Schädigung in Ausübung

dienstlicher Verrichtung• Subordinationsverhältnis

zwischen Geschäftsherr und Hilfsperson

• kein Sorgfaltsbeweis

OR 101• Schaden• Vertragsverletzung• adäquater Kausal-

zusammenhang• funktioneller Zusammenhang

mit Erfüllung der Schuldpflicht• kein Verschulden der

Hilfsperson aber hypo-thetische Vorwerfbarkeit

• kein Subordinationsverhältnis

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Substitution im Auftragsrecht

Art. 398 Abs. 3 und 399 OR

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Art. 398 Haftung für getreue Ausführung

1…..

2…..

3 Er hat das Geschäft persönlich zu besorgen, ausgenommen, wenn er zur Übertragung an einen Dritten ermächtigt oder durch die Umstände genötigt ist, oder wenn eine Vertretung übungsgemäss als zulässig betrachtet wird.

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Art. 399 Bei Übertragung der Besorgung auf einen Dritten

1 Hat der Beauftragte die Besorgung des Geschäftes unbefugterweise einem Dritten übertragen, so haftet er für dessen Handlungen, wie wenn es seine eigenen wären.

2 War er zur Übertragung befugt, so haftet er nur für gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Dritten.

3 In beiden Fällen kann der Auftraggeber die Ansprüche, die dem Beauftragten gegen den Dritten zustehen, unmittelbar gegen diesen geltend machen.

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Spezialität nur des Auftragsrechts

Beauftragter Erfüllung durch Dritte

Hilfsperson nach OR 101

Substitut nach OR 399 Abs. 3

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Die Substitution nach Art. 399 Abs. 3 OR

• Voraussetzung der Zulässigkeit der Substitution (OR 399 Abs. 3):– zur Übertragung ermächtigt– durch die Umstände genötigt– Übertragung übungsgemäss zulässig

• Eine Substitution liegt vor, wenn der Beauftragte die Erfüllung durch einen wirtschaftlich selbstständigen Dritten vornehmen lässt, ohne diesen zu leiten oder zu beaufsichtigen und sich das damit verbundene Haftungsprivileg bei gegenseitiger Abwägung der Interessen des Beauftragten und des Auftraggebers rechtfertigen lässt.

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Die Substitution nach Art. 399 Abs. 3 OR

• Das Haftungsprivileg ist nur gerechtfertigt, wenn der Beizug des Dritten im Interesse des Auftraggebers erfolgt.

• Merke: Wenn Substitution nicht zulässig ist, heisst dies noch lange nicht, dass auch der Beizug von Hilfspersonen für untergeordnete Arbeiten nicht zulässig ist (z.B. Beizug Laborantin durch Arzt).

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Haftung bei Substitution

Beizug eines Substituten

Substitution zulässig

Substitution unzulässig

Haftung nur für gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Dritten (OR 399 Abs. 2).

Beauftragter haftet für Handlungen des Substituten („kausal“), wie wenn es seine eigenen wären (OR 399 Abs. 1).

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Wegbedingung der Haftung

Art. 100 und 101 OR

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Wegbedingung der Haftung

• Grundsätzlich sind die Parteien aufgrund der Privat-autonomie frei zu vereinbaren, ob, von wem und wie ein allfälliger Schaden zu tragen ist.

• Sie sind insbesondere zur vertraglichen Wegbedingung der Haftung befugt. Die Haftung kann ganz oder teilweise (z.B. Haftung nur für grobes Verschulden, nur bis 25 Mio. Euro etc.) beschränkt werden.

• Erforderlich ist eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien im Sinn von Art. 1 OR.

• Unter Umständen hat der eine Partner den andern über die Tragweite der vorgeschlagenen Erklärung aufzuklären.

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Wegbedingung der Haftung für Handlungen des Schuldners

Art. 100 OR

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Art. 100

1 Eine zum voraus getroffene Verabredung, wonach die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein würde, ist nichtig.

2 Auch ein zum voraus erklärter Verzicht auf Haftung für leichtes Verschulden kann nach Ermessen des Richters als nichtig betrachtet werden, wenn der Verzichtende zur Zeit seiner Erklärung im Dienst des anderen Teiles stand, oder wenn die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes folgt.

3 Vorbehalten bleiben die besonderen Vorschriften über den Versicherungsvertrag.

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Schranken der Freizeichnung (OR 100)

• Art. 100 OR stellt für die Wegbedingung der Haftung des Schuldners selbst gewisse Schranken auf.

• Ein Haftungsausschluss für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ist nichtig. Zulässig sind also nur Freizeichnungen für gewöhnliche („mittlere“) oder leichte Fahrlässigkeit.

• Unter gewissen Bedingungen kann auch die Wegbedingung der Haftung für leichte Fahrlässigkeit vom Richter für nichtig erklärt werden:– wenn der Verzichtende im Dienst der andern Partei stand, oder– wenn die Verantwortlichkeit aus dem Betrieb eines obrigkeitlich

konzessionierten Gewerbes folgt.

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Schranken der Freizeichnung (OR 100)

• Allenfalls verhindern andere Bestimmungen eine Freizeichnung, so etwa Art. 8 PrHG.

• Umstritten ist, ob die Haftung des Beauftragten für sorgfältige Erfüllung wegbedungen werden kann. Nach meiner Auffassung ist dies der Fall.

• Grundsätzlich umfasst eine Freizeichnung für die Haftung aus Vertrag auch eine allfällige Haftung aus Delikt.

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Wegbedingung der Haftung für Handlungen von Hilfspersonen

Art. 101 OR

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Art. 101

1 Wer die Erfüllung einer Schuldpflicht oder die Ausübung eines Rechtes aus einem Schuldverhältnis, wenn auch befugterweise, durch eine Hilfsperson, wie Hausgenossen oder Arbeitnehmer vornehmen lässt, hat dem andern den Schaden zu ersetzen, den die Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen verursacht.

2 Diese Haftung kann durch eine zum voraus getroffene Verabredung beschränkt oder aufgehoben werden.

3 Steht aber der Verzichtende im Dienst des andern oder folgt die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes, so darf die Haftung höchstens für leichtes Verschulden wegbedungen werden.

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Schranken der Freizeichnung (OR 101)

• Art. 101 OR stellt für die Wegbedingung der Haftung für Hilfspersonen gewisse Schranken auf.

• Die Wegbedingung der Haftung kann vom Richter für nichtig erklärt werden, wenn– der Verzichtende im Dienst der andern Partei stand, oder– die Verantwortlichkeit aus dem Betrieb eines obrigkeitlich

konzessionierten Gewerbes folgt.• Ein Haftungsausschluss für rechtswidrige Absicht oder

grobe Fahrlässigkeit ist aber grundsätzlich zulässig!• Grundsätzlich umfasst eine Freizeichnung für die

Haftung aus Vertrag auch eine allfällige Haftung des Schuldners aus Delikt, insbes. nach Art. 55 OR.

• Allenfalls verhindern andere Bestimmungen eine Freizeichnung, so etwa Art. 8 PrHG.

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Weitere Schranken der Freizeichnung

• In der neueren Lehre wird die Auffassung vertreten, Freizeichnungsklauseln, die die Haftung des Schuldners für Körperschäden beschränken würden, seien nach Art. 20 OR nichtig (Schwenzer, N 24.14 m.w.H.).

• An Freizeichnungsklausel in allgemeinen Geschäfts-bedingungen werden zusätzliche Anforderungen gestellt:– Sie sind grundsätzlich eng und im Zweifel zulasten des

Ausstellers auszulegen,– sie müssen eindeutig und klar sein und– dürfen sich im Einzelfall nicht als ungewöhnlich erweisen.


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