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Politische Berichte Nr.6 / 1998

Date post: 29-Nov-2015
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Politisches MagazinZeitschrift für Sozialistische Politik
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Politische Berichte Politische Berichte – Zeitschrift für Sozialistische Politik Ausgabe Nr. 6 am 19. März 1998, Jahrgang 19, Preis 2.– DM 6 98 PROLETARIER ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH! PROLETARIER ALLER LÄNDER UND UNTERDRÜCKTE VÖLKER VEREINIGT EUCH ! Menschenrechte in Mexiko und deutsche Politik – Massaker in Chiapas interessieren die Bundesregierung nicht S. 10
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Politische Berichte

Politische Berichte – Zeitschrift für Sozialistische Politik Ausgabe Nr. 6 am 19. März 1998, Jahrgang 19, Preis 2.– DM

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LAUSCHANGRIFF:Nach den Abstimmungen im Bun-desrat und Bundestag wird derLauschangriff jetzt in Kraft treten.Artikel 13 GG („Die Wohnung ist un-verletzlich“) ist damit erheblich ein-geschränkt.Bei Verdacht auf „beson-

ders schweren Straftaten“ dürfen künf-tig auch Privatwohnungen akustischüberwacht werden. Bisher war das nurzur Vorbeugung gegen drohende schwereStraftaten erlaubt. Geschützte Berufs-gruppen (§53 StPO) dürfen nicht ab-gehört werden: Geistliche, Strafverteidi-ger, Abgeordnete, Anwälte, Notare,Wirt-schaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer,Steuerberater und -bevollmächtigte,Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Hebam-men, Journalisten, Mitglieder anerkann-ter Beratungsstellen (z.B. Schwanger-schaftsberatung). Zur „Abwehr dringen-der Gefahren für die öffentliche Sicher-heit“ oder bei Lebensgefahr aber darfüberall abgehört werden. Gleichzeitigtreten schärfere Vorschriften gegen„Geldwäsche“ in Kraft.

NS-VERBRECHER / RENTEN: Nach-dem seit 21.1. eine Änderung des Bun-desversorgungsgesetzes in Kraft ist, die(53 Jahre nach Kriegsende!) vorsieht,daßLeistungen nicht erfolgen, wenn eine Be-teiligung an NS-Verbrechen nachgewie-sen ist, hat Minister Blüm eine Überprü-fung der 996.000 Kriegsopferrenten an-geordnet. Sofern Rentenbezieher gefun-den werden, die an NS-Verbrechen be-teiligt waren, soll ihnen die Rente gestri-chen werden.Zuerst,so Blüm,würden die437.000 noch lebenden Versehrten ge-prüft,danach die Verwandten von Kriegs-opfern, die noch Leistungen beziehen.Insbesondere die Bonner Zahlungen anfrühere SS-Angehörige in Osteuropa beigleichzeitiger Verweigerung z.B. jederEntschädigung von Zwangsarbeiternund NS-Opfern im Ausland waren inletzter Zeit wiederholt kritisiert worden.

AKTIENSPEKULATION / RENTEN:Nachdem am 9. März auch der Bundes-rat das „Finanzmarktförderungsgesetz“gebilligt hat, will die Finanzbranche so-fort eine große Anzeigenkampagne star-ten. Es geht um ein „Megageschäft mitder Altersvorsorge“ (Handelsblatt,11.3.).Sog. „Altersvorsorge-Sondervermögen“wollen mit Rentenfonds auf Aktienbasisden Lebensversicherungen den Marktstreitig machen. Die ständig weiterbe-triebene Verunsicherung über die Zu-kunft der gesetzlichen Rentenversiche-rung hat offenbar ganze Arbeit geleistet.„Experten taxieren das deutsche Markt-potential für Altersvorsorgeprodukte auf2,6 Billionen Mark“. Herkömmliche pri-vate Lebensversicherungen garantierenwenigstens eine geringe Verzinsung – derRest ist Risiko. Die jetzt erlaubten Ren-tenfonds dagegen garantieren gar nichtsmehr - locken dafür aber mit Teilhabe amKursanstieg der Aktien. Renten auf Ak-tienbasis seien in den USA schon weit-

verbreitet.Nun soll „Shareholder-Value“im Alter auch in der BRD einziehen – dierotgrüne Zustimmung im Bundesrathat’s möglich gemacht.

DAIMLER/STEUERN: Mit einer spek-takulären „Schütt-aus-hol-zurück“-Ak-tion lenkt der Daimler-Benz Konzern er-neut die Diskussion auf das Thema Kon-zerne und Steuerzahlung. Der Konzern,der seit Jahren praktisch keine Steuernmehr zahlt (u.a. wegen „Verlustvorträ-gen“), will 10,3 Milliarden DM an seineAktionäre auszahlen. 7,4 Mrd. DM davonseien „Gewinnrücklagen“ aus den 80erJahren, 2,9 Mrd. DM kommen hinzu als„Steuerrückzahlung“ der Finanzbehör-den, weil neue Bewertungsvorschriftenfür solche Rücklagen in Kraft treten.Die-se 2,9 Mrd. DM sollen über die spekta-kuläre Aktion bei den Aktionären landen,die 7,4 Mrd. DM will sich Daimler durchAusgabe neuer Aktien wieder zurückho-len.Waigel hat kein Geld? Doch, 2,9 Mrd.DM allein für arme Daimler-Aktionäre!

„LEBENSRAUM“ / STAATSBÜR-GERSCHAFT: Wutschnaubende Reak-tionen in Bonn hat der türkische Mini-sterpräsident Yilmaz mit seinen Äuße-rungen über die deutsche Ostexpansionin der Financial Times vom 6. März aus-gelöst.Yilmaz,der die deutsche Politik alsenger Verbündeter genau kennt,hatte u.a.erklärt, die Ostorientierung der Bundes-regierung erinnere an die Lebensraum-strategie der Nazis. Zwei Tage später be-stätigte er in der Zeitung „Hürriyet“: ersei korrekt wiedergegeben, aber überbe-wertet worden. Der außenpolitischeSprecher der CDU/CSU im Bundestag,Lamers,tobte: „Wer so rede,habe die tief-greifenden Veränderungen in Europa wegvom Nationalismus und Chauvinismusnicht verstanden“. Das Auswärtige AmtKinkels sprach von einer „unentschuld-baren Verleumdung der deutschen Poli-tik“. Zeitgleich damit beschlossen CDU/CSU und FDP im Bundestag, das völ-kisch-großdeutsche „Blutsrecht“ imStaatsbürgerschaftsrecht nicht anzuta-sten. Sowohl die Verweigerung staats-bürgerlicher Rechte an alle Einwandererin der BRD wie die Rekrutierungsog.“Blutsdeutscher“ im Ausland bei derRekolonisierung des Ostens bleiben da-mit unverändert in Kraft.

WAS KOMMT DEMNÄCHST? Am 26.März berät der Bundestag über den Jah-reswirtschaftsbericht und die Reform desStaatsbürgerschaftsrechts, über die Ca-stor-Transporte, in erster Lesung überden umstrittenen Gesetzentwurf desBundesrats zur Streichung der Sozialhil-fe für viele Asylbewerber,über die Recht-schreibreform sowie über einen PDS-An-trag zur Änderung des Arbeitszeitgeset-zes und Abbau von Überstunden. Am 27.März steht dann die NATO-Osterweite-rung und das „Immunitätsprotokoll“ fürEuropol-Bedienstete auf der Tagesord-nung des Bundestags.

2 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 06/98

Politische Berichte Nr. 01/1998 – Inhalt__________________________________________

Aktuell aus Politik und WirtschaftAktuell in Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . 2Anklage gegen „Werwolf-Aktivitäten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Krisenzeichen aus Fernost . . . . . . . 4Anhörung für RAF-Gefangene . . . 5Bonn blockiert „Zukunftsfonds“ . . 5Bundesweite Petition „Aufhebungdes PKK-Verbots“ gestartet . . . . . . 6

AuslandsberichterstattungDie ERNK zur Krise EU–Türkei . . 8Sri Lanka: Tamilischer Befreiungs-kampf geht unter Opfern weiter . . 8Serbien: LIT in der FAZ . . . . . . . . . 9Baskenland: ETA-Anschlag contraMassenmobilisierung . . . . . . . . . . . 9Brasilien: Landlosenbewegung gegen Cardosa . . . . . . . . . . . . . . . . 10Meldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Regionales West und OstLokaler Widerstand . . . . . . . . . . . 12Hessen: Kappel (Ex-FDP) gründet „Offensive“ nach rechts . . . . . . . . 13Frankfurt: Flughafen-erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Köln: Bildungsklau – nein danke! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Essen: Krankenhausnotopferstößt auf Widerstand . . . . . . . . . . . 14Bayern: Flüchtlingsrat gegen Ab-schiebung von Kosovo-Albanern . 15Sachsen-Anhalt: Die PDS und ihre Sünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Mecklenburg-Vorpommern: Für einen Politikwechsel . . . . . . . 16O-Ton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Kommunale Politik . . . . . . . . . . . 17

Aus Betrieben und GewerkschaftenWas war? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18ÖTV: Tarifrunde 1998, der Beschluß der Tarifkommission . . . 19Aktion gegen Stadthaushalt . . . . 19IG BCE: Konflikt in der Tarif-kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20ABB: Streik gegen Maßregelung . .21Kodak: Gegen Entlassungen . . . . 21

Diskussion und DokumentationReaktionäre Politik schürt Angstvor Verbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . 22In und bei der PDS . . . . . . . . . . . . 24Baskische Gewerkschafter inHannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Letzte SeitenBesprechung: Windkraft: Chanceoder Irrweg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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PB 06/98 • AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT 3

Von Ulla Lötzer

Vertreterinnen und Vertreter der Arbeits-loseninitiativen, Gewerkschafterinnenund Gewerkschafter, Studentinnen undStudenten, Schülerinnen und Schüler,Jugendbündnisse, Initiativen der „Erfur-ter Erklärung“, kirchliche Organisatio-nen, antirassistische Gruppen und wel-che der Friedensbewegung, der Frauen-bewegung, sie alle waren der Einladunggefolgt. Das allein stellt schon einengroßen Erfolg des Bochumer Ratschlagsdar, hat es doch in den letzten Jahren kei-nen so großen Kongreß in einem solchenBündnis gegeben.

Der Ratschlag zeigte aber auch deut-lich, daß das Interesse an gemeinsamerDiskussion und gemeinsamem Handelnder Kräfte der demokratischen Opposi-tion sehr groß ist. Die Teilnehmerinnenund Teilnehmer waren sich einig, daß fürdie Ziele einer neuen Politik ein gesell-schaftlicher Aufbruch einer außerparla-mentarischen Opposition notwendigeVoraussetzung ist.Um diesen Zielen auchim Wahlkampf Gehör zu verschaffen,brauchen wir ein gemeinsames Vorgehen.„Kohl muß weg“ reicht uns nicht, wirbrauchen nicht nur den Austausch vonPersonen, sondern ein Bündnis, daß „derparlamentarischen Politik die Erneue-rung von Grund auf abverlangt“, hieß esin einem Vorschlag für einen gemeinsa-men Aufruf und diese Bewegung mußweit über die Wahl hinausgehen.

Der Ratschlag selbst sollte Teil davonsein. Im ersten Teil stellten verschiedeneKräfte dieses Bündnisses ihre Vorstellun-gen,Erfahrungen und Positionen vor.Be-wegungen stellten sich vor, dabei: Ange-

lika Beier für die Koordinierungsstelleder gewerkschaftlichen Arbeitsloseni-nitiativen, Felix Stumpf für die studenti-sche Bewegung, Probst. Dr. Heino Falckeund Prof. Dr. Ulrich Duchrow für die Er-furter Erstunterzeichner und DieterLattmann, der insbesondere die Brückezwischen den Kräften aus Ost und Westthematisierte.Als besondere Gäste nahmeine Vertreterin des nationalen Komiteesder CGT-Arbeitsloseninitiativen ausFrankreich mit einem Grußwort an dereinleitenden Diskussion teil.

Im zweiten Teil des Ratschlags wurdenGrundfragen für die Vorbereitung einerbundesweiten Demonstration diskutiertund eine Beschlußfassung dazu herbei-geführt. In diesem Teil erreichte der Rat-schlag eine neue Qualität insofern, daßein Aktionsbündnis der unterschiedli-chen Kräfte, die auch Teilnehmerinnenund Teilnehmer geschickt hatten, zumTräger der gemeinsamen Demonstrationwurde.Die politische Vorbereitung soll ineinem Koordinierungskreis erfolgen, andem die Erstunterzeichner und Erstun-terzeichnerinnen der „Erfurter Er-klärung“ wie auch Vertreter der Initiati-ven, die Student/innen und Schüler/in-nen, DGB-Organisationen und die Ge-werkschaft Holz und Kunststoff, kirchli-che Kreise, das Kuratorium ostdeutscherVerbände, die VVN-BdA, Arbeitsloseni-nitiativen, Frauen- und Friedensbewe-gung teilnehmen.

Mit großer Mehrheit entschied sich dieKonferenz für Berlin als Ort der gemein-samen Demonstration.Die Entscheidungüber den Zeitpunkt wurde zum Konflikt,der mit einer ca. 70%-igen Mehrheit fürden 20.6.1998 endete. In einem drittenTeil wurde die Beratung in Arbeitsgrup-

pen fortgesetzt. Sie hatten im wesentli-chen die Zielsetzung, die Vorbereitungund Mobilisierung zur Demonstration zudiskutieren. Dabei sollten auch einzelneBewegungen ihre Aktionen,Forderungenund ihre Entwicklung vorstellen können,um auch in der Breite des Bündnisses einStück zu gemeinsamen Anforderungenan eine „neue Politik“ zu kommen.

Im letzten Teil des Ratschlag ging esum den gemeinsamen Aufruf für eine De-monstration.Der Entwurf der Erstunter-zeichnerinnen und -unterzeichner der„Erfurter Erklärung“ wurde als Basis derDiskussion angenommen und ergänzt.Schwerpunkte der Ergänzungen warenneben vielen Einzelthemen vor allemFragen des Antirassismus und Antimili-tarismus. Die Änderungs- und Ergän-zungsanforderungen wurden von einerRedaktion aufgenommen,die für den Ko-ordinierungsrat eine geänderte Fassungvorbereiten wird.

Das Bündnis stellt ein Dach für eineaußerparlamentarische Bewegung dar.Neben dem gemeinsamen Aufruf werdenalle Teile auch mit eigenen Beiträgen fürdie Demonstration mobilisieren. Darü-ber hinaus wird die Diskussion um eineKonkretisierung gemeinsamer Auffas-sungen zu den Anforderungen an eine„neue Politik“ ein weiterer Schwerpunktsein, die aber sicherlich über die Wahlhinausgehen wird.

Welche Rolle die PDS dabei spielt, in-wieweit sie zur Klärung der inhaltlichenAnforderungen und zur Mobilisierungfür die Demonstration beiträgt, wie auchdazu, daß die Opposition auch eine par-lamentarische Vertretung braucht, hängtvon der PDS selbst ab, nicht von der Be-wegung. •

„Bis hierher und nicht weiter – wir mischen uns ein!“

Bochumer Ratschlag für bundesweite Demo am20.6. in Berlin

Entwurf anhand der Änderungsanträge überar-beitete Fassung. Die endg. Fassung entscheidet dasAktionsbündnis)Es kommt etwas Bewegung in Deutschland.(…)Wir fordern:•Neue, gerechte Verteilung der ArbeitDurch weitere Arbeitszeitverkürzung bei an-gemessenem Lohnausgleich muß der techni-sche Fortschritt den Beschäftigten und Ar-beitslosen zugute kommen. Neue Arbeit mußgeschaffen werden,die gesellschaftlichem Nut-zen und ökologischer Nachhaltigkeit ver-pflichtet ist. Die Agrarpolitik muß bäuerlicheLandwirtschaft schützen. Aktive Beschäfti-gungspolitik ist auch ohne Wirtschaftswachs-tum möglich.•Soziale und ökologische SteuerreformDie Steuerpolitik muß dem sozialen Ausgleichund dem ökologischen Umbau der Wirtschaftdienen. Steuerflucht des Kapitals und gegen-seitiges Steuerdumping der Regierungen müs-sen durch nationale und internationale Politikbekämpft werden. Bedarfsorientierte soziale

Sicherung setzt voraus, daß die großen Vermö-gen sozialpflichtig gemacht werden und dasSolidaritätsprinzip gestärkt wird.• Gleiche BildungschancenWeil Bildung kein Privileg der Reichen werdendarf, müssen nach jahrelangem Finanzabbaudie Mittel für Ausbildungsförderung erhöhtwerden, Firmen dürfen sich nicht vor Ausbil-dungspflichten drücken. Kürzung der Studien-zeiten und eine Einführung von Studienge-bühren lehnen wir als Lösung ab.•DemokratieWir brauchen eine Zivilgesellschaft der Viel-falt, antifaschistisch und tolerant, in der allegleichberechtigt an Demokratie teilhaben.Nicht länger dürfen acht Millionen Menschen,nur weil sie keinen deutschen Paß haben, vonden Bürgerrechten ausgeschlossen bleiben.Werin Deutschland seinen Lebensmittelpunkt hat,muß politisch mitreden und mitentscheidendürfen.•Friedenspolitik und WeltwirtschaftsordnungFür die Bewahrung des Friedens brauchen wir

keinen Eurofighter. Aus der Bundeswehr darfkeine offensive Trupp gemacht werden, die fürwirtschaftliche Interessen weltweit eingesetztwerden kann. Weil durch die Globalisierungvon Finanzmärkten und Konzernen die natio-nalstaatlichen Instrumente der Währungs-,Zins- und Haushaltspolitik betroffen sind,wer-den internationale Vereinbarungen über einesozial und ökologisch orientierte Weltwirt-schaftsordnung um so dringlicher. Das schließtFragen nach den neuen Bedingungen für Frie-den ein. (…)Das sind Aufgaben über den Wahltag hinaus –Aufgaben, die alle unsere Kräfte erfordern. Ei-ne neue Politik, die Arbeit und soziale Gerech-tigkeit schafft, läßt sich nicht allein mit einemKreuzchen auf dem Stimmzettel herbeiführen.Sie braucht Antrieb durch eine starke und wi-derstandsfähige außerparlamentarische Bewe-gung, die auf das parteipolitische Spannungs-feld von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen undPDS für einen Politikwechsel einwirkt. …

(aus Patzgründen erheblich gekürzt)

Mehr als 500 Menschen nahmen am 7.3.98 an dem vom Initiativkreis „Erfurter Erklärung“ orga-nisierten Bochumer Ratschlag teil. Dabei waren die unterschiedlichsten Kräfte und Initiativen.

A u f r u f z u r G r o ß d e m o n s t r a t i o n a m 2 0 . J u n i ’ 9 8 i n B e r l i n

4 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 06/98

Von Christian Simmert

„Im ökologisch, sozial und emanzipato-risch orientierten ,Reformlager‘ der Ge-sellschaft ist grundsätzlich Konsens: Dieliberalkonservative Koalition, die seit 18Jahren Deutschland unsicher macht (...)muß weg.Sie muß abgelöst werden durchRot-Grün, damit der buchstäblich NOT-wendige grundlegende Politikwechselstattfinden kann. Dennoch zweifeln Vie-le daran, daß der Sieg über die amtieren-de Koalition tatsächlich gelingt. Undebenso fragen sich Viele nicht ohneGrund, ob Rot-Grün nicht beim bloßenRegierungswechsel steckenbleiben wird,ob der soziale, ökologische und emanzi-patorische Politikwechsel ‘von oben’tatsächlich zu erwarten ist.Um die Chan-cen zu verbessern, die Koalition von Ka-pital und Kabinett tatsächlich zu been-den und den Politikwechsel tatsächlichdurchzusetzen, hilft nur eins: Einmi-schung von unten!“

Daniel Kreutz, grüner Landtagsabge-ordneter aus NRW, hat vor dem Magde-burger Bundesparteitag in seinem Papier„Initiativen ‘Rot-Grün von unten’ orga-nisieren! Ein Vorschlag zur Demokrati-sierung des Bundestagswahlkampfes“genau das skizziert, was 275 grüne Dele-gierte bewegt hat, Sfor-Einsätze mitdeutscher Beteiligung nicht ins grüneWahlprogramm zu stimmen – Einmi-schung von unten!

Eine Stimme für den „Frieden“

Das grüne Wahlprogramm vermeintlichregierungstauglich zu stimmen, war dieIntention der Parteitagsregie, nicht nurin Sachen „Peace-Keeping“. Die zumBeispiel vom grün-alternativen Jugend-bündnis (GAJB) – Bundesjugendverbandder Grünen – eingebrachten „legalize it“-Anträge zur Drogenpolitik, schmecktenden Chef-Strategen genauso wenig, wiezu viel Wachstumskritik im Programmund wurden größtenteils abgelehnt.

Die denkbar knappe Abstimmung ge-gen null Uhr im „Nachtprogramm zurAußenpolitischen Debatte“ hingegenmacht deutlich, wie die Partei-Arithme-

tik mittlerweile gestrickt ist: Die Flügeldiskutieren „Kompromisse“ , die in derPartei keine breite Mehrheit finden! Ker-stin Müller, Fraktionsvorsitzende dergrünen Bundestagsfraktion, bezeichnetees als „Kommunikationsproblem“, daßdie Basis nicht auf Flügelkurs ging, undGunda Röstel ließ sich gar dazu hin-reißen, der eigenen Partei in den Rückenzu fallen: „Eine Steilvorlage für den po-litischen Gegner“, kommentierte dieBundesvorstandssprecherin das Ergeb-nis der Peace-Keeping-Abstimmung.

Ein Stimme für den „Frieden“ hatdafür gesorgt, daß die Grünen in ihremWahlprogramm mehr eigenes Profil zei-gen und daß die grüne Basis nicht bereitist, mit einem vorgezogenen rot-grünenKoalitionsvertrag in den Wahlkampf zuziehen.Die Mehrzahl der Delegierten warnicht das staunende Publikum in derAufführung „Programm 98“, sondernschrieb das Stück – ein Stückchen –während der Uraufführung um. Leiderwird sich der hauchdünne Pazifismusnicht auf das Abstimmungsverhalten dergrünen Bundestagsfraktion auswirken.Dort werden auch die grünen Abgeord-neten letztendlich nur ihrem Gewissenverantwortlich sein, wenn es im April umdie Nato-Ost-Erweiterung oder im Som-mer um die Verlängerung des Sfor-Man-dates geht.

Kommunikationsprobleme oderTransportschwierigkeiten der Ergebnis-se von rot-grünen Koalitionsverhand-lungen im Herbst wird sich die grüne Ver-handlungskommission angesichts desengen Zeitkorsetts von drei Wochen nichtleisten können. Aus der knappen außen-politischen Abstimmungsniederlage vonMagdeburg sollten vor allem Partei- undFraktionsvorstand lernen, nicht nurStrategien auszutüfteln, um AutomannSchröder über den Tisch zu ziehen, son-dern vor allem auch Kompromisse oderReförmchen rechtzeitig und ehrlich andie grüne Basis zu transportieren.Wederdie Strategie noch die Ergebnisse der Ko-alitionsverhandlungen in NRW solltenSchule machen!

Kein rot-grünes, sondern grünes Profil

Die Grünen haben sich auf dem Partei-tag nicht über Nacht zur „normalen“Partei gemausert – auch wenn einige Kol-legInnen das gerne so hätten. Zugegeben– der Parteitag war alles andere als einStartschuß der alternativen Öko-Partei,wie wir sie noch ohne „Ü“ kannten! DasDesign mag bei Wahlen ein Rolle spielen,entscheidend sind jedoch immer noch dieInhalte, um eine Partei politisch zu ver-orten. Und da können die Grünen bisher(noch) nicht verwechselt werden!

Die klare Position zur Ökologisch-So-zialen Steuerreform und vor allem zur

Mineralölsteuererhöhung zeigt,daß Grü-ne kein rot-grünes, sondern ein grünesProfil wollen und brauchen. Die Forde-rung nach der Ausbildungsplatzumlage-finanzierung, die in erster Linie aus demHessischen Landesverband gekippt wer-den sollte, hat sich gegen Ausbildungs-Nonsens-Modelle wie in NRW durchge-setzt. Der Bundesparteitag hat deutlichgezeigt, daß die grüne Metamorphosenoch nicht auf Alt-Parteien-Niveau ist.Die über 700 Anträge und leidenschaft-lichen Debatten zeigen klar, daß Bündnis90/Die Grünen noch lange kein „Wahl-verein“ wie CDU oder SPD sind. Es wirdkonstruktiv gestritten und nicht nur die„Patschehändchen“ zum Leitantrag ge-hoben. Die grüne Beschlußlage ist deut-lich: Streichung des diskriminierendenAsylbewerberleistungsgesetzes, Auflö-sung der Geheimdienste oder Abrüstungder Bundeswehr und Abschaffung derZwangsdienste. In Magdeburg haben wiruns nicht dazu hinreißen lassen, Joschkadie Krone aufzusetzen und mit der Sänf-te ins Außenministerium zu tragen. Stattdessen heißt es: „Die Schwarzen habenKohl, die Sozis den Schröder und dieGrünen – 5 Mark!“

Programmatisch klar, aber was bleibt übrig?

Die Erfahrungen der rot-grünen Landes-regierungen und deren Ergebnisse zei-gen, daß die grüne Farbe sich in der Re-gel auf einige Tupfer im Regierungsge-schäft beschränken oder nur in Randbe-reichen der Politik wieder zu finden sind.

Zurecht schreibt Daniel Kreutz im ein-gangs zitierten Papier unter der Über-schrift „Reformdruck von unten organi-sieren!“, daß Rot-Grün sich nur dann ge-gen „schwarz-gelbe Opposition und dieMächtigen in den Vorstandsetagen vonKonzernen und Banken durchsetzenkann“, wenn es gelingt gesellschaftlicheKräfte für „Rot-Grün von unten“ zu mo-bilisieren.Grüne werden den Tanker SPDaber auch nur dann auf Refomkurs lot-sen, wenn wir erstens gestärkt aus denWahlen am 27. September hervorgehenund zweitens der gesellschaftliche Druckauf die Grünen und die Sozialdemokra-ten zunimmt. Nur mit alternativem Re-formdruck kann es einen „Politikwech-sel und nicht bloß einen Sesseltausch“geben, wie BundesvorstandssprecherJürgen Trittin dies in Magdeburg die Par-tei wissen ließ. Ist nur die Frage, an wel-chem Punkt sich Politikwechsel vom Ses-seltausch unterscheidet und wer darüberdie Definitionsmacht besitzt?

Der Autor ist Landesvorstandsmitgliedvon Bündnis 90/Die Grünen NRW undBT-Kandidat auf Platz 10 der NRW-Lan-desreserveliste. Der 25jährige gelernteWerbeassistent lebt in Telgte bei Münster.

Bündnis 90/Die Grünen nach dem Magdeburger Parteitag

Grün wird (noch) nicht verwechselt!

Je länger und je gewalttätiger Menschen un-ter staatlicher Unterdrückung leiden, je hef-tiger werden die Ausbruchsversuche ausdem Gefängnis. Wenn diese Versuche aberimmer wieder zerschlagen werden, werdendie Methoden des Ausbruchs mit der Zeitimmer irrationaler und verzweifelter und dieHoffnung auf Rettung durch andere nimmtmerkwürdige Züge an. Diese Situation prägtzur Zeit die Lage in Kosovo.

Ein wenig klarer werden die Dinge,wennman sich die Entwicklung der gesell-schaftlichen Kräfte anschaut, die dieseRegion seit einigen Jahrzehnten bestim-men. Besonders wichtig scheint mir dieDarstellung der Diskussion im sozialisti-schen Zusammenhang, wie er nach derBefreiung des Balkan von deutschen unditalienischen Truppen begann. Es ist jaimmerhin interessant,daß sich die EU of-fenbar darauf verständigt hat, von derjetzigen jugoslawischen Regierung zuverlangen,den Kosovo wieder in den Sta-tus zu versetzen, den er im Sozialisti-schen Jugoslawien hatte.

Nach dem ersten Weltkrieg zum „Südslawischen Königreich“ geschlagen

Das Kosovogebiet wurde nach den Bal-kankriegen 1912-1913 aus der Konkurs-masse des Osmanischen Reiches durchinternationale Verträge der Regierungdes ab 1918 so bezeichneten „südslawi-schen Königreiches“ zugesprochen. DieMenschen in diesem Gebiet bezeichnetensich mehrheitlich als Albaner und gehör-ten der muslimischen Glaubensrichtungan. Die serbische Regierung vertrat aber

die Auffassung, daß der Kosovo Grün-dungsgebiet der serbischen Nation seiund daher es nicht angehe,daß dieses Ge-biet mehrheitlich durch Albaner be-wohnt wird.Von Anbeginn wurde durchdie Methode der Auswanderung und Ko-lonisation versucht, diesen Zustand zuändern. In Belgrad fanden 1937 im „Ser-bischen Kulturclub“ Diskussionen zwi-schen Vertretern der Regierung, des Ge-neralstabs und Wissenschaftlern statt,um eine Lösung der Albanerfrage im Ko-sovo zu finden, weil alle bisherigen Maß-nahmen nach Auffassung der nationali-stischen Serben fehlschlugen.

Der Vorschlag des Vaso Cubrilovic

Der Historiker und spätere Minister Va-so Cubrilovic unterbreitete am 7. März1937 ein Memorandum(1), das sich mitdem Albanerproblem beschäftigte. SeineForderung: Das Albanerproblem könnenur durch Massenvertreibung gelöst wer-den. Die Regierung müsse dabei brutalvorgehen.Man sollte zunächst versuchen,den muslimischen Klerus und einflußrei-che Albaner durch Geld oder Drohungenfür die Umsiedlung zu gewinnen. Wenndas nicht gelänge, solle man Polizeiterroranwenden.

Umgesiedelt werden sollten vor allemdie Bewohner der Grenzdistrikte, beson-ders die Bauern. Man sollte nicht in denFehler verfallen, nur die Armen zu ver-treiben, denn das Rückgrat eines jedenVolkes seien die mittleren und reichenSchichten.

Zwischen der serbischen und der tür-kischen Regierung wurde daraufhin ein

Abkommen geschlossen, das eine Um-siedlung von „türkischen Familien“ ausdem Kosovo bis 1944 festlegte. In einemgeheimen Zusatzprotokoll wurde aus-drücklich bestätigt, daß diese Vereinba-rung nicht nur für die türkische, sondernauch für die gesamte muslimische alba-nische Bevölkerung gelte.

Durch eine großangelegte „slawischeKolonisation“ sollte dann der ethnischeUmwandlungsprozeß des Gebietes voll-zogen werden. Als Kolonistenland stan-den der enteignete Großgrundbesitz deralbanischen Aussiedler zur Verfügung.Diese Gebiete in den Ebenen war frucht-bares Land, was neben den reichen Erz-vorkommen die Begehrlichkeit für diesesGebiet damals erklärt.

Die Methoden, die die serbische Re-gierung zur Umsetzung des Projektes an-wandte, waren entsprechend brutal, sodaß die Nachwirkungen bis heute zuspüren sind, zumal die nachsozialisti-schen serbischen Regierungen mit einerähnlichen Begrifflichkeit über den Koso-vo urteilen und handeln wie in den 20erund 30er Jahren. Damals wie heute warder Protest im Kosovo entsprechend hef-tig. Damals entwickelte sich die Kacak-Bewegung, bewaffnete Gruppen, die inGuerillamanier gegen die serbischen Re-gierung kämpften und zum Teil mit derMethode der „befreiten Gebiete“ zumin-dest eine Zeitlang operieren konnten.DasZiel der militanten und gemäßigte Koso-vo-Albaner war der Anschluß an Albani-en. Auch heute stützen sich die UCK-Gruppen, die im Kosovo operieren, aufdiese Tradition.

Der zweite Weltkrieg und die Interes-sen der Großmächte an der Region ließenden Prozeß in eine andere Richtung lau-fen. Weder siegten die Albaner im Koso-vo, noch konnte die serbische Regierungihr Vertreibungsprogramm vollenden.

Das „Großalbanien“-Konzept deritalienischen und deutschen Faschisten

Die italienischen Faschisten (unterstütztvon Deutschland) versuchten, mit ihremGroßalbanienkonzept – der Vereinigungaller Albaner in einem Staat unter itali-enischer Protektion – eine mächtigesBollwerk auf dem Balkan zu errichten,um dort eine dauerhaft dominante Posi-tion zu halten. England und Frankreichunterstützten die serbische Regierung,um dieses Großalbanien zu verhindern.Mit Unterstützung Belgrads ergriff 1924Achmed Zogu die Macht in Tirana undzerschlug alle Gruppen,die bisher im ita-lienischen Sold standen.Er ernannte sich1928 selbst zum König von Albanien.

Der Zweite Weltkrieg und die kriege-rischen Handlungen auf dem Balkanwandelten das Bild. Italien setzte seinKonzept durch und schloß den größtenTeil des Kosovo an Albanien an. Serbienwurde von deutscher Seite her zer-stückelt. Kroatien als deutsches Protek-torat und Groß-Albanien von der Italie-nischen Seite her bestimmten die Politikauf dem Balkan. Große Teile der albani-

PB 06/98 • AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT 5

Die EU-Außenminister bemühen zur Lösung des Konfliktdie sozialistische Verfassung des früheren Jugoslawien

Einige historische Hintergründedes Kosovo-Konflikts

Einweihung eines Teilabschnitts des Orientexpress, der sogenannte „Leitungs-draht des Fortschritts“. Die durchgehende Eisenbahnverbindung von Wien nachIstanbul war ein besonderes Objekt internationaler Spekulanten. Die Durch-setzung eines gesicherten europäischen Warenverkehr war für die KapitalistenGrund genug, immer wieder die Widersprüche auf dem Balkan aufzumischen.Die Linie des Orientexpress führte über Belgrad und Sofia nach Istanbul undhatte eine Seitenlinie, die über Thessaloniki nach Athen führte, durch den Ko-sovo. (Quelle: M. Weithmann, Balkan Chronik, Wien, 1995)

Trotz massiver Hindernisse und Übergriffenvon Staatssicherheitskräften wurde in derTürkei und in Kurdistan der 8. März gefeiert.Der kurdische Dachverband in der BRD,YEK-KOM, berichtet in seinem „Bülteni“:

In Diyarbakir wurde an einer Barrikadeentschlossener Widerstand geleistet.Auch an vielen anderen Orten ließen sichdie Frauen trotz Angriffen der Polizeinicht einschüchtern. Eine Frauendelega-tion der Gewerkschaft KESK aus Istan-bul, die in die Stadt Diyarbakir einreisenwollte, wurde in Siverek an der Weiter-fahrt gehindert. Selbst eine Presseer-klärung der KESK durfte nicht in diekurdische Stadt gebracht werden.

Eine Feierstunde zum 8. März im Frei-en, die in Kayseri von einer Plattform derFrauen von HADEP,EMEP,ÖDP und IHDgeplant war, wurde nicht genehmigt.Daraufhin wurde die Feier mit ca. 2.000Beteiligten in einen städtischen Hoch-zeitssaal verlegt. Auch dieser Plattformwurde es von der Polizei verboten, einevorbereitete Presseerklärung abzugeben.Vertreterinnen der einzelnen Organisa-tionen hielten Reden; es wurde Volksmu-sik gespielt und getanzt. Außerdem wur-den politische Parolen gerufen: „LeylaZana eingesperrt, Bandenmitglieder inFreiheit“, „Es lebe die Brüderlichkeit derVölker“, „Stoppt den Krieg, Friedenjetzt“ usw. Später versuchte die Polizei,die Vorsitzende der HADEP in Kayseri,Servet Gürbüz, mit der Begründung zuverhaften, es hätte „unter den Parolenauch verbotene Sätze gegeben“.

Auch in der Stadt Denizli wurde derWeltfrauentag mit Begeisterung gefeiert.Die dortige Plattform bestand aus HA-DEP, ÖDP, EMEP, DISK, KESK, IHD,Volkshaus, Kulturverein „Haci BektasVeli“, dem Behindertenverein und einerDelegation von Studentinnen der Pam-akkale-Universität. In Denizli hattensich 3.000 Menschen versammelt.

Im Gazi-Viertel von Istanbul war der8. März ebenfalls gefeiert worden. (…)Der HADEP-Vorstand erklärte, trotz al-ler massiven Hindernisse und Repressio-nen sei der 8. März als Frauentag gefei-ert worden. Im Stadtteil Taksim in Istan-bul seien mehrere Personen verletzt wur-den, die meisten von ihnen durch Trä-nengas.

Der Staat versuche wieder einmal, dieSchuld für die undemokratische Haltungder Sicherheitskräfte auf die HADEP zuschieben. Wieder einmal sollten die Un-terdrückten und Benachteiligten alsschuldig dargestellt werden.

(YEK-KOM Bülteni, Quelle: Özgür Poli-tika, 10.3.98 (Fotos: ebenda)

6 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 06/98

schen Bevölkerung stimmten dem italie-nischen Konzept zu.

Streit unter den Kommunisten

Es war daher für den von der Kommuni-stischen Partei Jugoslawiens (KPJ) gelei-teten bewaffneten Widerstand gegen diedeutschen und italienischen Besatzer im-mer äußerst schwer, im Kosovo einegrößere Anhängerschaft zu gewinnen.Denn die Behandlung des Kosovopro-blems war innerhalb der Kommunistenauf dem Balkan umstritten.

Am 1. und 2. August 1943 trafen sichVertreter der kommunistischen albani-schen „Nationalen Befreiungsbewe-gung“ mit der nationalistischen albani-schen „Nationalen Front“ und beschlos-sen als strategisches Ziel die Schaffungeines ethnischen Albaniens, d.h. diestaatliche Vereinigung aller von Albanerbewohnten Gebiete. Das rief sofort dieKPJ auf den Plan, unter deren Druckmußte die „Nationale Befreiungsbewe-gung“ auf der 2. Konferenz im Septem-ber 1943 die Vereinbarung widerrufen.

Damit war der Konflikt aber nicht bei-gelegt, sondern erst angestoßen. Wenigspäter, vom 31. Dezember 1943 bis Janu-ar 1944, traf sich in Bujan in Nordalba-nien die 1. Konferenz des Nationalen Be-freiungskomitees für den Kosovo undMetohia, an der 49 Delegierte, darunter41 Albaner teilnahmen. Sie einigten sichauf folgende Erklärung: „Kosovo undMetohija bilden eine Region, in der diealbanischen Einwohner überwiegen; die-se wünschen wie eh und je mit Albanienvereinigt zu werden … Der einzige Wegfür die Albaner von Kosovo und Metohi-ja, mit Albanien vereinigt zu werden,führt über den gemeinsamen Kampf mitden anderen Nationen Jugoslawiens ge-gen die Invasoren und ihre Streitkräfte,weil es der einzige Weg ist, die Freiheit zugewinnen, wenn alle Völker einschließ-lich der Albaner in die Lage versetzt wer-den, ihr eigenes Schicksal zu wählen, mitdem Recht auf Selbstbestimmung, dieSezession eingeschlossen.“(2)

Die KPJ erhob gegen diesen BeschlußEinspruch. Nach dem Sieg gegen die Be-satzung sollte das Problem im brüderli-chen Einvernehmen geregelt werden. Ei-ne 2. Konferenz der Nationalen Befrei-ungskomitees des Kosovo beschloß im Ju-li 1945, das Gebiet als autonome Regionan Serbien anzuschließen. Interessant isteine späte Bemerkung des albanischenKP-Vorsitzenden Enver Hodscha, der1981 eine Aussage Titos wiedergab, diedieser 1946 gemacht haben soll(3): „Ko-sovo und die anderen von Albanern be-wohnten Gebiete gehören Albanien; wirwerden sie ihm zurückgeben, doch jetztnoch nicht, denn jetzt dürfte die großser-bische Reaktion dies kaum akzeptieren.“

Die Auseinandersetzung zwischen dergroßserbischen Reaktion in der KPJ undden föderalistischen Kräften prägt dannin der Folgezeit die Auseinandersetzungum das Kosovoproblem.

Eine Lösung nicht nur des Kosovopro-

blems, sondern auch der anderen Natio-nalitätenkonflikte bahnte sich aber an.Das Konzept einer Balkanföderationstieß auf große Zustimmung. Aber genauum dieses Konzept kam es zum Streit mitder sowjetischen Regierung, der mit dembekannten Ergebnis einer Isolierung Ju-goslawiens innerhalb der sozialistischenStaaten endete. Einer fatalen Entwick-lung, machte es doch den positiven An-satz der Vereinigung der Balkanvölkerauf Grundlage der Gleichberechtigungzunichte. Die unmittelbare Folge desStreits war, daß die Albaner im Kosovoals Sezessionisten verfolgt wurden undein Polizeiregime über den Kosovo er-reichtet wurde. Ein Erfolg für die natio-nalistischen Großserben in der KPJ.

Titos setzt Autonomiekonzept durch

Dies änderte sich erst mit der Absetzungdes jugoslawischen Innenministers Ran-kovic. Die Fraktion um Tito setzte sichdurch und es begann die schrittweiseUmsetzung eines Autonomiekonzeptesim Kosovo. Höhepunkt war die 1974 ver-abschiedete Verfassung Jugoslawiens,diesich in der Präambel direkt auf die Ver-fassungsentwürfe der Pariser Kommun-arden bezog und einen sehr weitgehen-den Staatenbund schuf. Für den Kosovobedeutete diese Verfassung eine quasi Re-publikstatus mit fast allen Rechten bisauf das Recht der Lostrennung. Nachdem Tode Titos setzen sich aber die ser-bischen Nationalisten wieder durch undsetzten eine Verfassungsänderung durch,die dann in der Folge den bekannten ak-tuellen Balkankonflikt mit verursachte.

EU-Strategie: Teile und herrsche

Wenn sich nun die EU-Außenministerund insbesondere der BRD-Außenmini-ster Kinkel just auf die 1974er Verfassungberufen, so hat das eine interessante Va-riante. Immerhin wird anerkannt, daß ei-ne Lösung der verzwickten Nationalitä-tenprobleme auf dem Balkan bisher nurmit sozialistischen Vorzeichen funktio-niert hat. Aber hinter dem Kinkel-Vor-schlag steckt auch ein strategischer Plan.Die EU-Außenminister wissen auch, daßdie 74er Verfassung eine Stoßrichtung ge-gen serbischen Nationalismus (im übri-gen auch gegen kroatischen Nationalis-mus) enthielt. Ihr scheinbares Eingehenauf eine solche Option ist deshalb ver-mutlich nur ein neuer Versuch, alle Kräf-te, die in Serbien zur Isolierung des Re-gimes von Milosevic mobilisiert werdenkönnen, auch wirklich gegen dieses zumobilisieren und so auf der serbischenSeite maximale Zwietracht zu säen. Zu-gleich soll der äußere Druck auf Belgradanhalten. Das Ziel bleibt das gleiche wieseit Jahren: Sturz des Regimes von Milo-sevic und Kontrolle des Balkan durch dieEU . hav1) V. Cubrilovic, Die Vertreibung der Albaner.Denkschrift, vorgelegt am 7. März 1937 in Bel-grad. 2) J. Reuter, Die Albaner in Jugoslawien.München 1982. 3) Zeri i Popullit, (Zeitung der KPAlbaniens) , 17.5.1981. Zit. nach: Der ruheloseBalkan, München, 1993

Yek-Kom berichtet:

FRAUENTAG

PB 06/98 • AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT 7

IN DER TÜRKEI UND KURDISTAN

12. März ’98: Tausende demonstrieren im Istanbuler Stadtteil Gazi Osman Pascha

Am 12. März demon-strierten in der TürkeiTausende von Menschenim Istanbuler StadtteilGazi Osman Pascha, woviele Aleviten leben. DreiJahre zuvor waren hier23 Aleviten von Faschi-sten und Polizeieinhei-ten ermordet worden.Die Demonstranten for-derten, daß die Verant-wortlichen zur Rechen-schaft gezogen werden.Am alevitischen Gebets-haus hing ein Spruch-band mit der Aufschrift„Die Märtyrer sind un-sterblich“. Es wurdenTransparente getragenmit den Losungen: „Eslebe PKK, ERNK undARGK“ und „Die Gue-rilla schlägt zu und er-richtet Kurdistan“. EineDelegation der Belgi-schen Arbeiterpartei un-terstützte die Demon-stration. (rub, Bild: Öz-gür Politika)

Von Dagmar Gebhardt

In einer ersten Bestandsaufnahme über dieHinterlassenschaften des Apartheidregimesging die südafrikanische Regierung Ende1995 von 1,5 Millionen fehlenden Wohnun-gen aus. Darüber hinaus wurden 700.000städtische Unterkünfte registriert, die drin-gend in bewohnbare Wohnungen umgebautwerden mußten. Weitere 450.000 Menschenlebten in einfachsten, überfüllten Wohnhei-men, den Massenunterkünften, oft hinterGitterzäunen, die das Apartheidregime denschwarzen Wanderarbeitern aus den Home-lands zugewiesen hatte.

Die rassistische Apartheidregierung hat-te den schwarzen Südafrikanern ledig-lich Aufenthaltsberechtigung in den so-genannten Homelands und in Stadtre-gionen in ausgegrenzten Townships undWohnheimen zugestanden. 1991 wurdeder dieser Segregation zugrunde liegen-de Group Area Act und der PopulationRegistration Act abgeschafft. Mit In-krafttreten der Übergangsverfassung1994 löste man die Homelands auf. Umdie über Jahrzehnte festgeschriebeneund kontrollierte räumliche Ausgren-zung abzubauen,schuf die Regierung un-ter Nelson Mandela neue administrativ-

politische Einheiten: das Land wurde inneun Provinzen, die Städte und Stadtre-gionen in neue Stadtteile aufgeteilt. DieGrenzen zwischen den Stadtteilen ver-laufen heute manchmal quer durch einehemaliges Township oder verbindendiese direkt mit ehemals nur weißen Süd-afrikanern vorbehaltenen Stadtteilen.Dies soll kurzfristig den Zugang fürschwarze Südafrikaner zu öffentlichenEinrichtungen verbessern und örtlicheFinanzmittel für Programme zur Verbes-serung der Anlagen und Häuser in denehemaligen Townships ermöglichen.

Dem Household Survey 1995 ist zuentnehmen, daß 86,8% der weißen Süd-afrikaner über ein Haus verfügen,13% inWohnungen und 2% in Wohnheimenwohnen, und somit alle Strom- und Was-seranschluß sowie Toiletten besitzen.Vonden schwarzen Südafrikanern haben nur30% eine entsprechende Unterkunft,wo-bei es sich hier um Einfachsthäuser oderüberbelegten Wohnraum in Wohnheimenund Wohnungen handelt. Es wird ge-schätzt, daß weitere 30% in traditionel-len Hütten und diversen Anbauten undHinterhöfen leben.

Das Regierungsprogramm des ANCformulierte als eines der vorrangigenZiele, angemessenen Wohnraum für dieschwarzen Südafrikaner zu schaffen. Es

sollten innerhalb von fünf Jahren minde-stens eine Million Wohnungen jährlichbis zu 350.000 Wohneinheiten geschaffenwerden.

In der Regierungserklärung AnfangFebruar dieses Jahres gab Ministerpräsi-dent Nelson Mandela bekannt, daß bis-her annähernd 400.000 Häuser fertigge-stellt wurden bzw. sich im Bau befinden,daß jedoch das anvisierte Ziel von einerMillion bereitgestellter Häuser in den er-sten fünf Jahren nicht erreicht werde.

Heute wird der Wohnungsbedarf aufbis zu 3,5 Millionen geschätzt. Jedes Jahrwächst die Nachfrage aufgrund der ho-hen Zuwanderungsraten in die Städtezwischen 198.000 und 328.000. Die Zahlderjenigen, die in „squatter communi-ties“ (selbsterrichteten Einfachsthüttenauf besetztem Land) leben, wird auf zehnbis zwölf Millionen geschätzt. 21 Millio-nen Familien wohnen in Unterkünftenohne Wasser und sanitäre Anlagen.

Etwa die Hälfte der schwarzen Süd-afrikaner lebt in den Gebieten der ehe-maligen Homelands, doch nimmt die Zu-wanderung in die Städte auf der Suchenach Arbeit rasch zu. 1996 lebten in denBallungsräumen der Städte Johannes-burg und Pretoria sowie in den Regionenum Kapstadt und Durban knapp 30% dersüdafrikanischen Bevölkerung. Für dieZuwanderer heißt hier leben, sich eineUnterkunft auf unbebautem Gelände zu-sammenzustellen, sich in Kleinsthäusereinzumieten, oder einen Ein-Zimmer-Anbau an vorhandenen Einfachhäusernin den ehemaligen Townships vorzuneh-men. Bereits zu Beginn der 90er Jahrewurde geschätzt, daß in der Witwaters-rand-Region 46%, in der Region Durban67% der schwarzafrikanischen Bevölke-rung in solchen sog. „informellen Wohn-strukturen“ leben.

In den citynahen, unter dem Apart-heidregime weißen Südafrikanern vor-behaltenen Wohngebieten stehen Woh-nungen leer. Sie werden zum Teil von denHausbesitzern zu Wucherpreisen vermie-tet und völlig überbelegt. In den ehemals„weißen“ Vorstädten kann man sich auchweiterhin Apartheid erkaufen,da sich diegroße Mehrheit der schwarzen Südafri-kaner hier weder die Mieten noch gar ei-nen Hauskauf leisten kann. Sicherheits-dienste machen hier gute Geschäfte. Esexistieren bereits Pläne, ganze Viertel in„fortified villages“ umzubauen: MehrereEinfamilienhäuser werden mit einerMauer umgeben, da sie sich so besser be-wachen lassen. (The Star, 24.7.1997).

Da der Wohnungsbau dem wachsen-den Bedarf nicht nachkommen wird, bie-tet die Regierung finanzielle Unterstüt-

8 AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG • PB 06/98

Die Versorgung der schwarzen Südafrikaner mit angemessenem Wohnraum ist gefährdet

Südafrikas Wirtschaftspolitik will sich deninternationalen Kapitalinteressen anpassen

M it der von Daimler-Chef Schremp ge-gründeten „Initiative Südliches

Afrika“ machte sich jüngst Bundesprä-sident Herzog auf Reise. In Namibiawurde er mit der Vergangenheit kon-frontiert.Vertreter des Volkes der Here-ro verlangten eine Entschuldigung fürdie Massaker der deutschen Koloni-altruppen an ihrem Volk. Der obersteHäuptling allerHerero KusimaRiruako forderteeine Entschädi-gung für die Nach-kommen der da-mals ermordeten70.000 Angehörigen seines Volkes. EineDokumentation über den Völkermord,bei dem fast 90% der Herero hinge-schlachtet worden, sei bei der Botschaftin Windhuk, an die Vereinten Nationenund den Internationalen Gerichtshof inDen Haag übergeben worden. Die kai-serlich deutsch Koloniale Schutztruppehatte 1904/1905 in Namibia den Schutzden Kaufmann Lüderitz übernommen,der mit Betrug und Gewalt den größtenTeil Namibias in seinen Besitz nahm.Den Widerstand der Hereros gegen die

koloniale Enteignung wurde blutig nie-dergeschlagen. Der Befehlshaber derKolonialen Schutztruppe General v.Tro-tha beschrieb seine Tätigkeit so: „ Ge-walt mit krassem Terrorismus und selbstGrausamkeit auszuüben, war und istmeine Politik. Ich vernichte die aufstän-dischen Stämmen mit Strömen vonBlut.“ Herzog antwortete auf diese Vor-

gang lapidar undunverschämt: „Wirsind uns natürlichbewußt, daß dieAuseinanderset-zung zwischen derdeutschen Koloni-

alverwaltung und den Hereros nicht inOrdnung war.“ (zit. nach Junge Welt,9.3.98). Das war’s. Keine Entschuldi-gung, keine Entschädigung. Die Vertre-ter der Hereros wurden nicht einmalempfangen. Statt dessen viel Lob für diedeutsche Minderheit in Namibia, diesich noch heute unter der alten Reichs-kriegsflagge zu versammeln zu pflegen,und die Forderung an die namibische Re-gierung, gefälligst die deutsche Spracheund die Rechte der Deutschen in Nami-bia stärker zu fördern. (hav)

Herzog in Namibia: Keine Entschuldigung fürMassaker an Hereros

zung beim Ausbau von Einfachstunter-künften (sanitären Anlagen) und beimHausbau in Selbsthilfe, um die Woh-nungsnot zu mindern und eine räumlichkontrollierte Besiedlung zu erreichen. Inder Regel sind die Familien zusätzlich aufBankkredite angewiesen, wofür sie je-doch ein regelmäßiges Einkommen nach-weisen müssen.

Nach Berechnungen von SADEP wer-den 16 Bill. R (1 Rand entspricht ca. 0,40DM) benötigt, um 1,2 Millionen Häuserzu finanzieren, die im Eigenbau und oh-ne sanitäre Einrichtungen errichtet wer-den. Im April beginnt das Haushaltsjahr1998/99, dessen Budget gegenwärtig dis-kutiert wird. Der Haushaltsplan 1998/99sieht Ausgaben von 186,7 Bill. R vor. DieAusgaben des Staates steigen nominell.Berücksichtigt man jedoch die Inflati-onsrate, so werden die Ausgaben für so-ziale Programme real um 3 Bill.R zurück-gehen. Die geplanten Ausgaben für denWohnungsbau betragen vier Bill. R (2%).Hierin sind auch Gelder enthalten,die imvorigen Haushaltsjahr nicht ausgegebenwurden. Im Haushaltsjahr 1995/96 lagder Ausgabenanteil für Wohnungsbau-unterstützung bei 3,4%, im Haushalts-jahr 1996/97 bei 0,8%.

Im Wohnungsbau wie auch bei den So-zialausgaben werden seit Inkrafttretendes Programmes GEAR (Growth, Em-ployment and Redistribution) starkeKürzungen vorgenommen. Dieses setztpraktisch vorrangige Ziele und Prioritä-ten des mit der Übernahme der Regierungdurch den ANC 1994 entwickelten Auf-bauprogramms RDP (Reconstruction &Development Program) außer Kraft. Sowird dort z.B. gefordert, daß mindestens5% des Haushaltsvolumens dem Woh-nungsbau zugewiesen werden sollen.GEAR entstand 1996 unter dem Druckder Industrienationen, die bereits mitKapitalanlagen, allen voran deutscheKonzerne, in Südafrika vertreten sindund sich günstige Voraussetzungen fürweitere Profitmaximierung schaffenwollen. Es handelt sich dabei um einStrukturanpassungsprogramm nachdem Lehrbuch des IWF. Dem Wirt-schaftswachstum wird oberste Prioritäteingeräumt.In der Folge mögen sich dannArbeitsplätze und sozialer Wohlstandentfalten. Die Privatisierung öffentlicherDienstleistungen und verstärkte privat-wirtschaftliche Investitionsanreize sindSchwerpunkte dieses makroökonomi-schen Programmes. Finanzminister Tre-vor Manuel bot Südafrika so anläßlich ei-ner Konferenz im Juni 1997 in Bonn vorVertretern des BDI, des DIHT und der In-itiative Südliches Afrika der DeutschenWirtschaft als ein Land an, daß sich voneiner nach innen gewandten Wirtschafthin zu einer offeneren Wirtschaft mit in-ternationaler Wettbewerbsfähigkeit ent-wickle. Dazu gehören Maßnahmen wiedie Abschaffung der Devisenbeschrän-kungen,Senkung der Körperschaftssteu-er von 48% auf 35%, Mehrwertsteuer-freiheit für den Export, Steuerfreiheit

von bis zu sechs Jahren für neue Unter-nehmen mit einem Investititonskapitalvon mehr als drei Mio. R.

Gemäß GEAR sollten in den Jahren1996 und 1997 378.000 neue Arbeitsplät-ze geschaffen werden. In 1998 solltenweitere 246.000 Arbeitsplätze hinzu-kommen. Tatsächlich sind seit Ein-führung von GEAR allein im Wirt-schaftsbereich 113.000 Arbeitsplätzeverlorengegangen. Heute sind 4,2 Mio.Menschen arbeitslos und die Zahler de-rer, die von weniger als 301 Rand monat-lich leben müssen, wird auf 21 Millionengeschätzt.

Kritik an diesem Kurs der Regierungregt sich, auch in Gewerkschaften und inder Kommunistischen Partei. Jedoch an-gesichts des Bündnisses der großenführenden Widerstands- und Gewerk-schaftsorganisationen suchen viele Un-terstützung bei Basis- und Nichtregie-rungsorganisationen und organisierensich in Initiativen, um soziale, wirt-schaftliche und arbeitsrechtliche Verbes-serungen einzufordern.

Quellen: Veröffentl. der Botschaft: RSA 2000;Afrika Süd Nr. 6/97, 1/98; Household Survey1995; Facts 1996, 1997; South African HousingOverview 1995,Veröff. von SADEP 1997.

Italiens neues Einwanderungsgesetz

Zufrieden?Nein, danke!Von Cecilia Frati

Nach etwa sieben Jahren seit der Verab-schiedung des inzwischen veralteten Ein-wanderungsgesetzes (Legge Martelli) hatder italienische Senat jetzt endlich ein neu-es Gesetz verabschiedet. Doch nur wenigesind wirklich mit ihm zufrieden: sicherlichnicht die Rechte, die für ein noch schärferesGesetz plädiert hatte, weil sie sich – so wieLega Nord – vor der „Marokkanisierung“ Ita-liens fürchtet, jedoch auch nicht der größteTeil der Linken, die in ihm generell keine Ver-besserung des früheren Gesetzes sieht.

Tatsächlich bringt das neue Gesetz Vor-wie auch Nachteile. Die jetzt neu einge-führten positiven Regelungen waren imgroßen und ganzen schon im früherenGesetz vorgesehen, sie waren aber nie-mals ausgeführt worden – dies betrifftBereiche wie z.B. das Gesundheits- undSchulwesen so wie auch das Bleiberechtfür Kinder, Jugendliche und schwangereFrauen. Wirklich neu und fortschrittlichsind eigentlich nur die Normen gegen dieDiskriminierung bei der Arbeit und fürden gleichberechtigten Zugang zu So-zialwohnungen. In diesen beiden Fällen

werden Migrantinnen und Migrantendurch die neue Regelung mit dem italie-nischen Normalbürger gleichgestellt.

Nicht ganz gleichberechtigt werdenlegale Migrantinnen und Migranten zu-mindest für die nächste Zeit hinsichtlichdes Wahlrechtes bei Gemeindewahlensein. Ein neues Verfassungsgesetz zu die-sem Thema soll aber bis Ende des Jahresvon der Bicamerale (Zweikammerkom-mission) vorgelegt werden.

Bei den Bedingungen für die Einwan-derung nach Italien und beim Thema„Abschiebung“ stellt das neue Gesetzhingegen eher ein Rückfall gegenüberdem Alten dar. Es werden künftig je nachVerfügbarkeit von Arbeitsplätzen neueWege für Flüchtlinge geöffnet, die nocheinwandern wollen: Leider wird hieraber die Einreise z.B. von den Beziehun-gen oder den Abkommen zwischen denRegierungen abhängig gemacht oder vonanderen Voraussetzungen, die die legaleEinreise besonders schwierig gestalten.Außerdem wird die sogenannte Planungder Migrationsflüsse, die die italienischeRegierung glaubt verwalten zu können,mit großer Wahrscheinlichkeit wegen dersehr hohen Kosten, der Ineffizienz derstaatlichen Apparate, der Bestechlich-keit nicht möglich sein. Dadurch werdenMigrantinnen und Migranten wieder indie Illegalität gedrängt.

Diejenigen die sich schon in Italienaufhalten und eine finanzielle und sozia-le Sicherheit haben, bekommen künftignach fünf Jahren eine sog. carta di soggi-orno, also eine unbefristete Aufenthalt-serlaubnis, vorausgesetzt sie lassen sichniemals etwas zu Schulden kommen.

Die anderen, die eine arbeitsmäßigprekäre Situation haben (wie im Grundeauch viele ItalienerInnen) oder eine Si-tuation der Randständigkeit erleben,können jederzeit wieder abgeschobenwerden. Das bedeutet, daß letztere einenStatus als Bürger zweiter Klasse besitzenund ständig Kontrollen über ihre beruf-liche, wirtschaftliche und soziale Situa-tion ausgesetzt sein werden. Auch wennsie einen legalen Aufenthaltsstatus ha-ben, können die zuständigen Polizeibe-amten bei Beanstandungen jederzeit ih-re Ausweisung anordnen.

Jedenfalls ist es für eine abschließen-de Bewertung des neuen Einwande-rungsgesetzes noch zu früh.Wie immer indiesen Fällen wird ein ganz erheblicherEinfluß durch die erst noch zu erlassen-den Ausführungsvorschriften undDurchführungsbestimmungen ausgeübt.Erst wenn diese vorliegen, wird manwirklich sagen können, ob das neue Ge-setz für oder gegen die MigrantInnen ge-macht wurde. In einer Zeit, in der mandurch die zunehmenden weltweiten Da-ten- und Geldströme vom „globalenDorf“ spricht, wirken die Beschränkun-gen, die der freien Bewegung von Perso-nen auferlegt werden, jedenfalls absurdund anachronistisch.Cecilia Frati ist Mitarbeiterin der Itali-en-Redaktion von Radio Dreyeckland.

PB 06/98 • AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG 9

10 AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG • PB 06/98

Alarmierende Nachrichten aus Chiapasrücken die Ereignisse in dem mexikanischenBundesstaat wieder in den Mittelpunkt desInteresses. Menschenrechtsorganisationenmelden eine starke Zunahme politisch moti-vierter Morde. Seit Dezember 1994 seienüber 300 Menschen aus politischen Grün-den getötet worden, so die Tageszeitung „LaReforma“. Das sei in der ersten Hälfte derRegierungszeit Präsident Zedillos eine deut-liche Zunahme im Vergleich zur Amtszeit sei-nes Vorgängers Salinas. Das Massaker vonActeal, Chenalhó/Chiapas, brachte mit bru-taler Deutlichkeit zu Ausdruck, daß die Un-terdrückungspolitik und die Politik des Ge-nozides gegenüber der indigenen Bevölke-rung eine neue Stufe erreicht hat.

Die PRI befindet sich in einer tiefen po-litischen Krise. Präsident Zedillo, der1994 gewählt wurde, hat seit zwei Jahrendie Verhandlungen mit der zapatistischenEZLN und anderen indigenen Gruppenabgebrochen und die Realisierung derabgeschlossenen Verträge von San And-rés Larráinzar blockiert. Er nahm Kursauf die Militarisierung des Konfliktes.Der Armee wurde die Aufgabe übertra-gen, die EZLN zu zerreiben, so daß inChiapas ein „Krieg niederer Intensität“geführt wird, der sich zu allererst gegendie indigene Bevölkerung richtet. NachAngaben von Vertretern der Oppositionwerden mexikanische Offiziere in denUSA für die Führung eines Anti-Gueril-la-Krieges ausgebildet,die mexikanischeArmee erhält US-Militärhilfe und Aus-rüstungen. Paramilitärische Gruppen,die die Unterstützung der lokalen großenLatifundisten und der staatlichen PRI-Organe genießen, terrorisieren die indi-gene Landbevölkerung. Die Gefahr eineserneuten Ausbruchs offener militärischerHandlungen ist nach wie vor groß.

Die Regierung Zedillo versucht, mitpolitischen Manövern dem zunehmendenDruck der Opposition und der interna-tionalen Meinung zu begegnen. Staatsse-kretär Francisco Labastida Ochoa ver-kündete eine Gesetzesinitiative zur Re-gelung der Rechte und Kultur der indi-genen Völker. Er richtete die Bitte an die„Kommission für Übereinstimmung undBefriedung“ (COCOPA), sich zur Zusam-menarbeit zur Verfügung zu stellen. Dieoppositionelle „Partei der Demokrati-schen Revolution“ (PRD) bezeichnetediesen Schritt der PRI-Regierung inihrem „Manifest an die Nation“ vom 4.März als den Versuch, die unabhängigeVermittlerkommission vor den Karrender Regierung zu spannen und der For-derung nach Wiederaufnahme des Dialo-ges mit der (EZLN) aus dem Wege zu ge-hen. Die PRD konstatiert, daß die Regie-rung nichts unternimmt, um die militäri-sche Einkreisung der zapatischen Gebie-te zu beenden und gegen die Tätigkeit der

paramilitärischen Gruppen vorzugehen.Der Nationalkongreß der Indigenen

Völker richtete an die Regierung den Ap-pell, ihre Autonomie anzuerkennen undalles zu unterlassen, was eine Änderungder Verträge von San Andrés Larráinzarohne die Zustimmung der EZLN betrifft.

Die Führung der PRD ist der Auffas-sung, daß die Lösung des Chiapas-Pro-blems Priorität besitzt, und sieht darineinen ersten Schritt zur Durchführungdemokratischer Reformen im Lande, dievon der Regierung der seit über 60 Jah-ren dominierenden PRI verhindert wer-den. Mit dem Ziel, die Weltöffentlichkeitzu mobilisieren und den Druck auf dieRegierung zu verstärken,bereiste vom 12.bis 25. Januar eine Mission der PRD Eu-ropa und suchte Kontakte zu politischenParteien und Organisationen, Parlamen-tariern und dem EU-Parlament. Sie hieltsich in Italien,Frankreich,Großbritanni-en, Spanien, der BRD, Dänemark undBelgien auf. Sie erreichte, daß es z.B. inItalien zu Massenprotesten gegen die Po-litik der Zedillo-Regierung kam, das Eu-ropaparlament sich mit Mexiko – auch imHinblick auf den Abschluß eines Assozi-ierungsabkommens – befaßte und eineReihe Länder Beobachter nach Chiapasentsandten. Zwei Wochen hielt sich eine„Internationale Zivilkommission fürMenschenrechtsbeobachtung“ dort auf,deren deutsche Vertreter sich über dasAusmaß der Menschenrechtsverletzun-gen erschreckt äußerten. Eine Delegati-on belgischer Parlamentarier, die sich ineinem Gespräch mit dem Präsidenten derPRD informierten, äußerten ihre Beun-ruhigung über die Vorgänge in Chiapas.

Im Sitz des Europaparlamentes inBrüssel kam es am 3. März zu einem Ge-spräch, an dem neben dem Außenmini-ster Mexikos, Rosario Green, Vertretervon vier Menschenrechtsorganisationenteilnahmen. „Der gemeinsame Nenner in

Europa besteht in der Absicht, den Han-del mit Mexiko auszuweiten. Es wirdaber befürchtet, daß der Partner, mit demdas Abkommen unterzeichnet werdensoll,keine demokratische Regierung dar-stellt und die Menschenrechte achtet“ er-klärte die Vertreterin der „Kommissionzum Schutz und zur Verteidigung derMenschenrechte“ Reygadas.

Internationale Kritik an der Zedillo-Regierung nimmt also zu. Im Gegensatzdazu klingen Äußerungen aus der BRDgeradezu schmeichelhaft für den Präsi-denten Mexikos. Schrieb doch die FAZam 10.10.97 aus Anlaß seines Besuchersin der BRD, es wäre verwunderlich, daßdeutsche Unternehmen die Chancen, dieihnen Mexiko bietet, nicht nutzten. Es seibisher gut gelungen, „eine siebzig Jahrealte Parteiherrschaft „in eine plurali-stisch Demokratie zu überführen.“Kin-kel erklärte: „Neben Brasilien zählt Me-xiko zu unseren wichtigsten Wirt-schaftspartnern in Lateinamerika. Mehrals 500 deutsche Unternehmen sind in-zwischen in Mexiko präsent. Anderer-seits ist Deutschland innerhalb der EUder wichtigste Handelspartner Mexikos.Dies zeigt: Mexiko ist für die deutsche In-dustrie ein Tor zum amerikanischen Kon-tinent, sowohl zu den USA und Kanadaals auch zu Lateinamerika. Deutschlandwiederum ist ein Tor Lateinamerikas indie EU und die Brücke zu Mittel- undOsteuropa. Also: Viele unserer Möglich-keiten und Interessen gehen konform.Diesen Weg werden wir fortsetzten.“

Zu Chiapas schweigt Bonn. Nichts zuhören oder zu lesen, was Zedillo auffor-dern würde, mit dem Krieg dort Schlußzu machen. Im Gegenteil! Während derKanzler- und Kinkel-Besuche 1997 inMexiko erhielt Zedillo Lob für seine ri-gorose Politik. Über Menschenrechtsver-letzungen kein Wort. Die Bundesregie-rung hat Nachholbedarf! (abe)

Massaker in Chiapas interessieren die Bundesregierung nicht

Menschenrechte in Mexiko und deutsche Politik

PB 06/98 • AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG 11

Simbabwe: Enteignung von 1.500Farmen zurückgenommenSeit 1980 erwarb die Regierung vonSimbabwe ca. 3,5 Mio. ha Land vonweißen Farmern, die das Land verließen,und ermöglichte dadurch ca. 70.000 Fa-milien eine Ansiedlung.Ende letzten Jah-res hatte Präsident Mugabe erklärt, nundas 1991 verabschiedete Gesetz zumLanderwerb konsequent durchzuführen:„Wir werden das Land nehmen und be-zahlten nicht für den Boden. Unser Landwurde nie gekauft, und deshalb gibt esauch keinen Grund, das Land zurückzu-kaufen.“ Lediglich für Investitionen inGebäude und Anlagen waren Augleichs-zahlungen vorgesehen. Der Staatsmini-ster und Vorsitzende des Landausschus-ses, Josef Msika, hatte erklärt, daß weite-re 5 Mio. ha benötigt würden, um weite-ren 80.000 bis 100.000 Menschen Landzur Bewirtschaftung zu geben. Insgesamtwaren 1.776 Farmen dafür ausgesuchtworden: überwiegend Flächen, die vonder britischen Kolonialregierung nachdem 2.Weltkrieg von den Reservaten ab-getrennt und den weißen Siedlern zuge-teilt worden waren. Im November 1997wurden in einer amtlichen Liste 1.500Farmen mit 4 Mio. ha Fläche zur Enteig-nung veröffentlicht. Nach dieser Verkün-digung war es zu Turbulenzen an der Bör-se von Harare gekommen, die Landes-währung mußte um fast 50% abgewertetwerden. Die betroffenen Farmer sollendie Rückzahlung ihrer Bankkredite, dieauf 60 Mio.Pfund Sterling geschätzt wer-den, gestoppt haben. Die britische Regie-

rung forderte, die Enteignungsplänezurückzunehmen, da sie die Kreditwür-digkeit Simbabwes beschädigten. Einefinanzielle Unterstützung erfolge nur,wenn Ausgleichszahlungen vorgenom-men, ein „einwandfreies Landregister“angelegt, das Geld für Armutsbekämp-fung eingesetzt würde und die Regierungihren Verpflichtungen zum Investitions-schutz nachkomme. Eine EU-Delegationreiste an, um den Forderungen Nach-druck zu verleihen. Die Regierung vonSimbabwe beugte sich dem internatio-nalen Druck und stoppte die Enteig-nungspläne: Die EU stellt nach „erfolg-reichen“ Verhandlungen 15 Mio. PfundSterling zur Finanzierung von Kompen-sationszahlungen zur Verfügung. Auchder IWF hob umgehend die Kreditsperrefür 120 Mio. US-Dollar, die seit Monatenwegen „Nichteinhaltung von Struk-turanpassung“ gegen Simbabwe ver-hängt worden war, auf. Die Vereinigungder Farmer Simbabwes (ZFU) begrüßte-die Entscheidung und verfügt so weiterüber 11,5 Mio. ha fruchtbares Farmland.

(Dagmar Gebhardt)

Angola: Neue Entwicklung zwischenMPLA und UNITADie angolanische Regierung hat in derletzten Woche die UNITA für offiziell zu-gelassen erklärt und damit einen wichti-gen Schritt in der Normalisierung der Be-ziehung zu dieser Bewegung unternom-men.Vorausgegangen war eine Erklärungder UNITA zur vollständigen militäri-schen Demobilisierung. Dies war von der

UNO als Voraussetzung defi-niert worden, um das Lusaka-Abkommen zu verwirklichen. Biszum 1.4.1998 soll UNITA nunmehr wei-tere Zugeständnisse machen müssen.

Inwieweit sich dies als (letzte) takti-sche Variante der UNITA-Truppe dar-stellt, wird sich erst nach diesem Datumerweisen. Denn gleichzeitig berichtetedas angolanische Fernsehen von UNITA-Angriffen auf Regierungsstellungen inHuila. (mc)

Solidarität mit den Opfern der Militärdiktatur in ChileEine „demokratische“ Rarität ist dasdurch die chilenische Verfassung demDiktator Pinochet, der 17 Jahre Chile ei-ner blutigen Militärdiktatur unterwarf,zugesicherte Privileg, Senator auf Le-benszeit zu werden. Demonstrationen inChile wenden sich gegen diese Farce.An-gehörige von Verschwundenen forderndie Bestrafung der Schuldigen. Die Re-gierung der „concertación“, der auch dieSozialistische Partei Chiles angehört,setzt Polizei gegen sie ein. Der Haupt-schuldige an den Verbrechen der Militär-diktatur erhält „demokratisch“ einenSitz im Senat des Landes.

Im Januar 1998 hat sich eine GruppeChilenen in Europa,Vertreter politischerund kultureller Vereinigungen, in Malmögetroffen und ein Komitee „EuropäischeFront für die Demokratie in Chile“ ge-bildet. In einer Erklärung verurteilen siedie Knebelung der Demokratie in Chile:„Diese Situation enthüllt uns das wahreChile: ein Land, in dem die militärischeMacht über der Zivilgewalt und demVolkswillen steht.“ Sie rufen dazu auf,die Klage, die Gladys Marin, Generalse-kretärin der Kommunistischen ParteiChiles, wegen Völkermordes und Verbre-chen gegen die Menschlichkeit einge-reicht hat, zu unterstützen. Erreicht wer-den soll eine Verurteilung Pinochets alsVerantwortlicher für die am chilenischenVolk begangenen Verbrechen. RichterGarcia Castellón hat in Spanien ein Ver-fahren gegen Pinochet angestrengt, dasals exemplarische Bestrafung der Ver-letzter von Menschenrechten enden soll.

In einer Erklärung des PDS-Partei-vorstands vor der Ernennung Pinochetszum „Senator auf Lebenszeit“ drücktdieser seine Empörung aus, daß „Ex-Diktator Augusto Pinochet massiv aufseinem Anspruch besteht, … Senator aufLebenszeit“ zu werden.Die PDS schließesich dem weltweiten Protest gegen dieseAnsinnen an. Sie fordert die Bundesre-gierung auf, ihre außenpolitischen undwirtschaftlichen Möglichkeiten im bila-teralen Verhältnis zu Chile … zu nutzen,um diese Verhöhnung der Demokratienicht zuzulassen. Unsere Solidarität giltheute wie damals den Opfern der Pino-chet-Diktatur und allen demokratischenKräften Chiles.“ Die Adresse der Front inder BRD ist: Milo Méndez Escobar, Frei-heitsweg 1, 13407 Berlin. (abe)

TÜRKEI: STREIK GEGEN STREIKVERBOT: Mehrere tausend Beschäftigte im öffentli-chen Dienst der Türkei haben am 4. März trotz Streikverbots ihre Arbeit nieder-gelegt und gegen ein geplantes Gesetz zur Regelung ihrer Rechte demonstriert.Nach dem Gesetzentwurf sollen die 1,8 Mio. beschäftigten Arbeiter im Öffentli-chen Dienst zwar die Möglichkeit erhalten, sich einer Gewerkschaft anzusch-ließen, das Streikrecht bleibt ihnen aber weiterhin versagt. Auch sollen die Löh-ne weiter einseitig von der Regierung festgelegt werden. (hav)

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Abschiebung verhindert –PfarrerInnen fordern FreilassungKÖLN. Mit einer Protestaktion imKöln/Bonner Flughafen konnte am 10.3.die Abschiebung des 28jährigen KurdenNaci A. in die Türkei vorerst verhindertwerden. Etwa 30 Menschenrechtsaktivi-sten verteilten Flugblätter in der Abflug-halle, sprachen mit den Passagieren desFlugzeugs und baten diese, den Flug miteinem Abschiebehäftling zu verweigern.

Ein deutscher Freund von Naci A., der27jährige Erik P., kaufte sich ein Flug-ticket. An Bord der Maschine weigerte ersich, als Fluggast Platz zu nehmen undsich anzuschnallen. Mit Erfolg: Der Ka-pitän des Flugzeugs der Turkish Airwaysverweigerte den Start. Erst als Naci A.und Erik P. das Flugzeug verlassen konn-ten, startete die Maschine. Erik P. wurdefestgenommen. Gegen ihn wird Anzeigewegen Widerstands gegen Voll-streckungsbeamte und gefährlichen Ein-griff in den Luftverkehr erstattet. DerBundesgrenzschutz brachte nach letztenInformationen Naci A. zurück in das Ab-schiebehafthaus Moers. Vier andereFlüchtlinge hingegen wurden mit dersel-ben Maschine abgeschoben.

Naci A.s Leben ist in der Türkei ge-fährdet Elektroschocks und andere Fol-termethoden hat er in der Türkei mehr-fach erlitten, weil er alevitischer Kurdeist, weil er als Gewerkschafter aktiv war,und auch, weil er in der Tageszeitung„Emek“ schrieb: „Auf den Straßen in derTürkei schreien die Mütter „Wo sind un-sere Kinder?“ Die Menschen suchen aufPolizeiwachen, in Leichenschauhäusern,an Flußufern, auf Mülldeponien, in Wäl-dern nach den Leichen der verschwun-denen Kinder“. (16.9.97)

Für die deutschen Behörden ist seineVerfolgungsgeschichte „unerheblich“.Sein Antrag auf politisches Asyl wurdeabgelehnt und seine Abschiebung be-schlossen. Obwohl ein medizinischesGutachten vorliegt, in dem bescheinigtwird,daß die „erheblichen seelischen Be-lastungen wie Angstzustände, Schlaf-störungen, Kopf und Magenschmerzen,Übelkeit mit Erbrechen und Pani-

kattacken“ dringend medikamentös undtherapeutisch behandelt werden müssen.

Das Kölner Netzwerk „kein mensch istillegal“ und die evangelischen Gemein-den, die sich seit dem 21. Januar an derProtestaktion für ein Bleiberecht derFlüchtlinge aus der Türkei einsetzen, ha-ben sich an die zuständige Ausländer-behörde in Neuss und das Innenministe-rium in Düsseldorf mit der Bitte ge-wandt: Die Abschiebung zu stoppen.Herrn A. wird Kirchenasyl angeboten,damit sein Antrag auf Asyl noch einmalgenau geprüft wird und Abschiebehin-dernisse, die sein seelischer und gesund-heitlicher Zustand darstellen, Berück-sichtigung finden. PM Kölner Netzwerk

1.000 demonstrieren gegen Allbau-VerkaufEssen. An die 1.000 Leute haben am25.2.1998 gegen den Verkauf des Allbaudemonstriert.Vor allem Mieterinnen undMieter der städtischen Wohnungsbauge-sellschaft – viel mehr, als erwartet – ha-ben die Aktion der Allbau-Mieter/innen-Initiatve unterstützt. Vom Allbau-Hausging es zum Rathaus, wo vor der Ratssit-

zung schon einmal eine Trauerfeier fürden Allbau organisiert wurde. Daß es zueiner wirklichen Trauerfeier nicht kom-men muß,dafür will die Mieter/innen-In-itiatve nun erst recht sorgen.

Während die Ratsfraktion von Bünd-nis 90/Die Grünen an der Aktion teil-nahm, kam von der SPD nur Oberbür-germeisterin Jäger zum „Empfang“ ge-schickt. Unter Gelächter, Buhrufen undPfiffen versicherte sie, daß der Rat keineEntscheidung treffen würde, mit der dieMieter nicht „leben“ könnten. Die All-bau-Mieter/innen-Initiative will sich alsnächstes öffnen.Am 12.3.1998 ist eine öf-fentliche Versammlung geplant.Auf brei-terer Basis will sie dann ihre bei der De-monstration begonnene Unterschriften-sammlung für ein Bürgerbegehren fort-führen. Das Ziel ist ehrgeizig: Für einenErfolg müssen 48.000 wahlberechtigteEinwohner der Stadt Essen das Bürger-begehren unterstützen. Immerhin: 4.500Unterschriften kamen bereits in den letz-ten Wochen bei der von B. 90/Die Grüneninitierten Unterschriftensammlung ge-gen den Verkauf des Allbau zusammen.Diese Leute sind sicherlich auch für dasBürgerbegehren ansprechbar. wof

Provokation? – STUTTGART. Dies geschah vor zwei Wo-chen: Betroffen war auch der mesopota-mische Kulturverein in Zuffenhausen,wosich ca.15 Beamte über vier Stunden auf-hielten, um u.a. Bilder und 1000 Fackelnim Wert von 2000 DM zu beschlagnah-men. Die Beschlagnahme der Fackeln istschwerwiegend, denn die werden ge-braucht für das kurdische NeujahrsfestNewroz am 21. März.

Insgesamt ging die Polizei bei denDurchsuchungen wohl „zurückhalten-der“ vor als z.B. vor zwei Jahren: damalswurden Türen eingetreten, Kinder mitgezogenen Waffen erschreckt etc.. Diesalles scheint diesmal nicht der Fall ge-wesen zu sein.

Formale Gründe für einige der Durch-suchungen sind uns bekannt: Ermitt-lungsverfahren einerseits wegen Ver-dacht des Verstoßes gegen das PKK- undERNK-Verbotes,andererseits wegen Ver-dacht auf Spendengelderpressung.

Über die politischen Beweggründedarf gemutmaßt werden:

Will man behördlicherseits heraus-kriegen,was von kurdischer Seite für Ne-wroz geplant ist ? Das hätte man leichterhaben können durch eine einfache An-frage bei den kurdischen Vereinen.

Oder gibt es interessierte Kräfte imStaatsapparat, die die sichtbar auf Dia-log gerichtete Orientierung der kurdi-schen Seite behindern und lieber provo-zieren wollen?

Fest steht: die kurdischen Menschenwerden einfach nicht in Ruhe gelassen.Es steht aber nicht fest, daß diese Pie-sackerei auf Dauer die Duldung desGroßteils der deutschen Gesellschaft er-fährt .heb

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PB 6/98 • REGIONALES AUS WEST UND OST 13

Massive Behinderung der antifaschistischenDemonstration. 200 Neonazis konnten un-gehindert marschieren. Über 200 Verhafte-te im Ersatzgefängnis Unterwellenborn undin Nürnberg.

Ca. 5000 Menschen demonstrierten amSamstag, den 14. März in Saalfeld gegenrechte Gewalt, rechten Konsens und denVersuch, antifaschistisches Handeln zukriminalisieren.

Die Demonstration wurde durch dieAuflagen des Landratsamtes sowie dasVorgehen der Polizei massiv behindert.Bereits im Vorfeld wurden die Teilneh-merInnen der Demonstration durch Vor-kontrollen und Verhaftungen an der An-reise gehindert. Einzelne Busse wurdendrei Mal kontrollliert, wobei alle Insas-sen sich durchsu-chen lassen mußten.

Mindestens 10Busse konnten nichtzum Demonstrati-onsort anreisen.Mindestens 50 Per-sonen wurden, weilsie die Busse an einerversuchten Wegum-leitung verlassenhatten, in Unterbin-dungsgewahrsamgenommen und indas bereits vom 11.Oktober letzten Jah-res berüchtigte still-gelegte GefängnisUnterwellenbornverbracht. Die ver-bleibenden Perso-nen befanden sichbis nach Abschlußder Demonstrationin Polizeikontrollen.

Während der De-monstration verursachte die Polizei mitmassivem Auftreten sowie der „einsch-ließenden Begleitung“ des gesamten De-monstrationszuges durch behelmte Be-amte eine äußerst angespannte Situati-on.Einzelne Beamte griffen wiederholt indie Demonstration ein und verhaftetenmindestens 5 Demonstrationsteilnehme-rInnen. In Gorndorf ließ die Polizei Pro-vokationen von ca. 30 Neonazis zu, diesich mit Baseballschlägern auf die De-monstration zubewegten. Die entstande-ne Unruhe nutzte die Polizei aus, umwahllos auf die DemonstrantInnen ein-zuschlagen. Einige Demonstrationsteil-nehmerInnen wurden verletzt und muß-ten sich in ärztliche Behandlung bege-ben.

Es war für alle TeilnehmerInnen of-fensichtlich, daß die Strategie des Land-ratsamtes und des Thüringer Innenmi-steriums, die Demonstration durch Auf-

lagen zu kriminalisieren, im Handeln derPolizei fortgesetzt werden sollte. Durchdas massive Polizeiaufgebot sollte beiden BürgerInnen der Eindruck erwecktwerden, von der Demonstration ginge ei-ne Bedrohung aus. So wurde es unmög-lich, das Anliegen der Demonstration inder Öffentlichkeit in der von allen Teil-nehmerinnen gewünschten und geplan-ten Art zu vermitteln – eine eklatanteEinschränkung des Demonstrations-rechtes.

Die Strategie, das Bündnis mit derar-tigen Provokationen zu spalten, war in-des nicht erfolgreich. Alle RednerInnender Kundgebung, darunter Peter Gin-gold, Überlebender des Holocaust undTeilnehmer des Widerstandes, und derDGB-Landesvorsitzende Frank Spieth

kritisierten das Verhalten von Behördenund Polizei scharf. Wer den Umtriebender Neonazis tatenlos zusehe und statt-dessen AntifaschistInnen in ihrem Han-deln einschränke, leiste dem Erstarkender extremen Rechten Vorschub.

Nach dem Verbot der antifaschisti-schen Demonstration am 11. Oktober1997 haben die Regierenden der StadtSaalfeld und des Landes Thüringen zumzweiten Mal ihren Ruf bestätigt, Neona-zis gewähren zu lassen und antifaschisti-sches Handeln zu unterbinden.

Die Deutschen könnten, so Peter Gin-gold, aufgrund der historischen Erfah-rungen heute nicht mehr sagen, sie hät-ten von nichts gewußt. Für ihn als Über-lebenden des Holocaust sei es eine großeHoffnung, daß Menschen sich gegen dieRechtsentwicklung engag

Bündnis gegen Rechts Saalfeld,Pressemitteilung, 14.3.

Demonstration gegen rechte Gewalt in Saalfeld

Großaufgebot der Polizei

Festnahme eines Neonazis, eher die Ausnahme in Saalfeld am14. März

„Wir stellen uns quer“ – Aktionswochenin Münster und Ahaus

Castor-Alarm imMünsterlandMünster. Der Castor-Transport rückt näher.Er soll voraussichtlich in der letzten März-Woche rollen. Inzwischen wird in vielenStädten NRWs dagegen mobilisiert. AmSonntag, 15.3., war noch einmal ein „Sonn-tagsspaziergang“. Am Samstag, 21.3., isteine Großdemo in Münster. Sie ist der Auft-akt für die Aktionen der folgenden Woche, inder die Widerstandscamps stattfinden. Un-ter der Überschrift „Castor-Alarm im Mün-sterland – Der westfälische Friede trügt“heißt es im Aufruf zur Demonstration in Mün-ster:

„... Die Mehrheit der Menschen in diesemLand ist für eine Energiewende mit Aus-stieg aus der Atomkraft. Doch statt die-sen Willen zu akzeptieren ..., produziertdie deutsche Atompolitik täglich neuenAtommüll, der auf hunderttausende vonJahren unseren Nachkommen aufgebür-det wird ... Ein starker Widerstand machtes den Herrschenden schwer, ihre Inter-essen gegen die Bevölkerung durchzuset-zen. Transporte nach Gorleben sind we-gen ihrer finanziellen und politischenKosten kaum noch möglich. Ahaus darfkeine Hintertür zur Atommüll-Entsor-gung werden! ...

Am Samstag, bevor die Castoren inRichtung Ahaus rollen ..., wird bei Neck-arwestheim als Urpsprungsort derBehälter demonstriert und gleichzeitigeine bundesweite Demonstration inMünster stattfinden. In Münster ist diefür Ahaus zuständige Bezirksregierungund der Sitz des zuständigen Polizeiprä-sidiums ... Wir werden entschlossen de-monstrieren und all denen Mut machen,die mit kreativen Aktionen und unter ho-hem persönlichen Einsatz den Transportnach Ahaus verhindern werden.“

Angesichts der Breite des Widerstandsfährt die Landesregierung eine Doppel-strategie. Sie hat sich in einer Erklärungpolitisch gegen den Castor-Transportausgesprochen, selbst Landeswirt-schaftsminister Clement bezeichnete denTransport als „Provokation“. Gleichzei-tig bereitet sie sich darauf vor, den Trans-port mit einem riesigen Polizeiaufgebotans Ziel zu bringen, wofür sie verant-wortlich ist. Der Verfassungsschutzmacht seit Wochen mit wüsten SzenariosStimmung, um die örtlichen und regio-nalen Gegner des Atommülllagers zuspalten. Innenminister Kniola hat inzwi-schen erhebliche Einschränkungen desDemonstrationsrechts angeordnet. Fünfder neun geplanten Widerstandscampswurden verboten. Vor dem Lager soll ineinem zwölf Kilometer langen und 600Meter breiten Korridor um die Gleise ab-solutes Demonstrationsverbot gelten.Von 20–30.000 Polizisten ist die Rede, umdiese Verbote durchzusetzen.

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Wohnsitzlose und Arme halten dieseLeitlinien für einen Skandal. Haben sichdie Vertreter der Kirchen und der Wohl-fahrtsverbände von Corts und seinesglei-chen hier nur instrumentalisieren lassen?Sollen SozialarbeiterInnen jetzt gezieltselektieren und entscheiden, wer anpas-sungsfähig ist und wer nicht? Wer gibtden Kirchen und den anderen Teilneh-mern des Runden Tisches eigentlich dasRecht, Maßstäbe aufzustellen, wer sichauf der Zeil aufhalten darf? Die soge-nannte Landstreicherei wurde aus gutemGrund Anfang der 60er Jahre aus demStrafgesetzbuch gestrichen. Offensicht-lich versuchen die Kommunen jetzt, die-sen Paragraphen auf Ebene des Polizei-und Ordnungsrechts wieder einzuführen.Dieser üblen Mischung aus sozialer Aus-grenzung und staatlicher Repressionmuß Widerstand entgegengesetzt wer-den. Lobby plant ein öffentliches Hea-ring, bei dem es um die Verletzung vonBürgerrechten, die diese Verordnungauch begründet, gehen soll. Es liegt ei-gentlich nahe, Protest gegen diese Sorte„Sicherheitspolitik“ auch in den begin-nenden Bundestagswahlkampf einzu-bringen. ola

Mehr Demokratie in Hamburg

Volksbegehren für Volks- und Bürger-entscheide läuftHAMBURG. Vom 9. bis zum 23. März werdendie Volksbegehren für Volksentscheide inHamburg und für Bürgerentscheide in denBezirken durchgeführt. Wahlberechtigte, diediese unterstützen wollen, könne sich zu denangegebenen Zeiten in die Listen in der Ein-tragungsstelle eintragen, die in ihrer Be-nachrichtigung angegeben ist.

124.000 Menschen müssen sich bis zumAbschluß dieser Frist in die Listen in deninsgesamt 27 Eintragungsstellen eintra-gen, damit es - gemeinsam mit den Bun-destagswahlen im September - zu einemVolksentscheid über die Gesetzentwürfeder Initiative „Mehr Demokratie in Ham-burg“ kommt.

Die Forderungen der Initiative richtensich auf eine Erleichterung der Volksge-setzgebung, wie sie bereits seit 1. Sep-tember grundsätzlich in der HamburgerVerfassung vorgesehen ist. Durch einenumfassenden Katalog von Fragen,die vonder Volksgesetzgebung ausgeschlossensind, sowie durch erschwerende Fristenund Quoren wird die tatsächliche Mög-lichkeit der direkten Einflußnahme derBevölkerung jedoch außerordentlich er-schwert. Dagegen richtet sich der Ent-wurf von „Mehr Demokratie in Ham-burg“ (siehe Kasten). Die Forderungnach Bürgerentscheiden auf Bezirksebe-ne ist zugleich eine Forderung nach wirk-licher kommunaler Selbstverwaltung in

den Bezirken, die sich gegen die Ent-mündigung der Bezirksversammlungendurch die zentralistische KonstruktionStadtstaat / Einheitsgemeinde Hamburgrichtet.

Die Initiative wird von einer bunt ge-mischten Zahl von Organisationen un-terstützt, die von der DGB-Jugend, Juso-Gruppen, Bürgerinitiativen, BUND,Bündnis 90/Die Grünen bis hin zumFDP-Landesverband Hamburg, zur Ar-beitsgemeinschaft Selbständiger Unter-nehmer und ÖDP reicht. Entschieden ge-gen die Ziele der Initiative sprechen sichdie großen Parteiorganisationen von SPDund CDU aus. Die CDU fordert ihre Mit-glieder auf, das Volksbegehren zu boy-kottieren und die „Karte in den Papier-korb“ zu werfen. Wie sie malt auch dieSPD in der Stellungnahme des Landes-vorstandes die Gefahr an die Wand, daßbei Erreichen der Ziele der Initiative „ei-ne Minderheit der Bevölkerung über denRest abstimmt“ und gar die durch dieWahlen nach ihrer Ansicht besser legiti-mierten Abgeordneten das Nachsehenhätten. Ex-Bürgermeister Voscherau, derkürzlich noch einen Volksentscheid überdie Euro-Teilnahme der BRD befürwor-tet hatte, sieht in dem Bestreben der In-itiative die Gefahr,daß damit Tür und Tor„für das Risiko der Herrschaft der indi-viduellen, sektoralen oder regionalenPartikularinteressen über das Allgemei-ninteresse“ geöffnet würden.Weil die de-mokratische Ordnung bereits durch eineVielzahl von Einzelinteressen belastetsei, werde er sich nicht für die Initiativeaussprechen.

Interessant ist, daß die ablehnendeHaltung gegen die Erleichterung derVolksgesetzgebung bei SPD-Vorstandwie auch bei Voscherau letztlich mit demDesinteresse der Massen begründet wird:Voscherau spricht davon, daß der Mehr-heit das Allgemeininteresse „so selbst-verständlich erscheint, daß sie an denentsprechenden Prozeduren lau und des-interessiert nicht teilnimmt“, und derSPD-Vorstand beklagt die sinkendeWahlbeteiligung.Daraus wird nicht etwageschlossen,daß das Desinteresse aus denmangelnden Einflußmöglichkeiten („Diemachen ja doch, was sie wollen“)herrührt, sondern diese Resignation wirdgegen die Massen gewendet, der man sol-che Mündigkeit nicht zubilligt und vor-schützt, sie wären dann Spielball vonpartikulären oder populistischen Min-derheiten.Tatsächlich sind ja die auf vieroder fünf Jahre von der direkten Ein-flußnahme der Massen bei Entscheidun-gen befreiten Parlamentarier keineswegsvon den Einflüssen partikulärer Lobbiesetc. frei und ganz dem „Allgemeininter-esse“ verpflichtet, wie hier unterstelltwird. Hinter der Ablehnung der direktenDemokratie scheint deutlich eine elitäreVorstellung hervor, nach der nur eineMinderheit - in diesem Falle von Partei-funktionären und Parlamentariern - derBevölkerung den Weg zum Heil weisenkann. ulj

Damit schränkt die rot-grüne Landes-regierung demokratische Rechte weiterein, als es Schröders SPD-Regierung imWendtland tat. Die Landtags-Grünenlassen es geschehen und nehmen liebermediengerechte Fototermine als Schie-nenblockierer wahr – obwohl der Druckder Basis auch nach dem Garzweiler-Streit stark ist. Roland Appel, Fraktions-sprecher, unterstützte auf einer Veran-staltung in Essen noch nicht einmal dieForderung, in einem „Flächen-Feldver-such“ Namensschilder für alle beteilig-ten Polizeibeamten einzuführen, um derEntfesselung der uniformierten GewaltGrenzen zu setzen. Dabei sieht die vordrei Jahren abgeschlossene Koalitions-vereinbarung solche Maßnahmen vor.

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„Zusammleben im Öffentlichen Raum“

Lassen sich die Kircheninstrumentalisieren?FRANKFURT. Ordnungsdezerent Cortshatte im Dezember 97 angekündigt, daßim ersten Quartal 98 die überarbeiteteFassung der sogenannten Gefahrenab-wehrverordnung vorgelegt und dann zü-gig in der Stadtverordnetenversammlungbeschlossen werden soll (FAZ 12.12.). Of-fensichtlich hat eine große Koalition ausCDU, SPD, FDP und REPs tatsächlichvor, diese Polizeiverordnung, die sich vorallem gegen obdachlos und arme Men-schen richtet, jetzt durchzusetzen.

Vor zwei Jahren mußte Corts seine Vor-lage noch zurückziehen, da sie auf mas-siven Widerstand, u.a. auch aus den Rei-hen der SPD und der Kirchen, stieß.Weileine Mehrheit in der SPD nach den Kom-munalwahlen das Bündnis mit der CDUwollte, haben die Sozialdemokratendann in der gemeinsamen Kommunalpo-litischen Plattform im September 97 derPolizeiverordnung ausdrücklich zuge-stimmt. Jetzt scheinen auch die Kirchengrünes Licht gegeben zu haben. Die FAZvom 4.3. jedenfalls dokumentiert undkommentiert wohlwollend und ausführ-lich sogenannte „Leitlinien zur Gestal-tung des Zusammenlebens im Öffent-lichen Raum“. Diese Leitlinien wurdenvon einem „Runden Tisch“ „erarbeitet“,dem neben Vertretern der Polizei, desstädtischen Präventionsrats, des Ord-nungs- und Sozialamtes, der Stadtwerkeund des Vereins „Zeil aktiv“, auch Re-präsentanten der Kirchen, einiger Wohl-fahrtsverbände sowie des Amtes für mul-tikulturelle Angelegenheiten angehören.Die Leitlinien rechtfertigen ausdrück-lich Polizeigewalt, d.h. Platzverweise,Verbringungsgewahrsam ... gegen Ob-dachlose, Drogenabhängige, Bettler ... inder Innenstadt, und zwar dann, wenn„nachhaltig angebotene Hilfe“ keine Ver-haltensänderung bewirkt und sich dieMenschen nicht „anpassen“.

Jochen Meurers und die Lobby für

PB 6/98 • REGIONALES AUS WEST UND OST 15

Auch die Beschäftigten in den Erzie-hungseinrichtungen der EvangelischenKirche machten am Nachmittag eineMitarbeiterversammlung, verabschiede-ten eine Resolution gegen die Kürzungund forderten Qualitätsstandards unterdem Motto: „Kindertagesstätten sindkeine Verwahranstalten“. Die 500 Erzie-herinnen zogen dann gemeinsam zumVersammlungsort der städtischen Be-schäftigten.

Schließlich mobilisierten auch die El-tern für diesen Tag. Der Konferenz derGesamtelternbeiräte der Kindertages-stätten in Stuttgart hatte dazu aufgeru-fen, im Anschluß an die Personalver-sammlung gemeinsam mit den Erziehe-rinnen zu demonstrieren. Sie schrieben:„Keine Milliarden für Prestigeobjekte!Mehr Geld für Kinder!“

Etwa 5000 Eltern, Erzieherinnen undKinder trafen sich dann am späten Nach-mittag vor dem Rathaus,wo sie allerdingsnicht der Oberbürgermeister persönlichempfing – unterm Balkon blinkte nur dievom OB Schuster als Säuberungsaktionmit viel Propagandaufwand in die Weltgesetzte Leuchtparole „Let’s putz!“

Die Personalversammlung des Jugen-damts, an der ca. 900 Beschäftigte teil-nahmen, stand ganz im Zeichen der Ver-teidigung einer integrierten Kinder- undJugendarbeit. Es wurden viele Argumen-te gegen die Versuche der Ausgliederungeinzelner Dienste des Jugendamts im Zu-ge des Organisationsentwicklungspro-zesses vorgetragen.

Susanne Bretschneider, Personalrätinmit Schwerpunkt der Vertretung der Be-schäftigten im Arbeiterbereich, kritisier-te die Aktionen des OB für ein sicheresund sauberes Stuttgart. Statt guterDienstleistung für den Bürger werde Eh-renamtlichkeit gepredigt,die aber im Be-reich der Reinigung zu noch mehr Stel-lenabbau führen wird. Und stets wirdnach mehr Polizei für Sicherheit gerufen,statt die Ursachen sozialer Konflikte zubekämpfen.

Eine weitere Verschlechterung derQualität der Arbeit in den Kindertages-

stätten und -heimen ist bei Personalkür-zungen abzusehen, obwohl über steigen-de Jugendkriminlität geklagt wird unddie Anforderungen aufgrund der gesell-schaftlichen Krise gestiegen sind. EineKollegin aus dem Elternseminar, das aufder Streichliste steht, nannte in ihremBeitrag Auswirkungen der Krise auf dieFamilien: Die Armut in den Familiennimmt zu durch Arbeitslosigkeit, Krank-heit, Veränderungen der Familienstruk-tur (Zunahme der Alleinerziehenden, vorallem Frauen). Diese Argumente wurdenvom Leiter des Elternseminars HaraldStingele bekräftigt. Er forderte zusätz-lich zur Aufklärung über die steigendeArmut in dieser Gesellschaft einen Be-richt über den Reichtum. Er bezeichnetedas Argument „es ist kein Geld da“ alsLüge, die ständig wiederholt werde, bissie schließlich jeder glaubt. Daß die Ein-nahmen der Kommunen sinken, sei keinNatuerereignis und liege nicht an der ho-hen Arbeitslosigkeit. Die finanzielle Kri-se der öffentlichen Haushalte sei Ergeb-nis der Steuerpolitik.Diese habe dazu ge-führt, daß die den Kommunen zustehen-den Steuern immer mehr gestrichen wur-den.Das Ende der Bescheidenheit sei ein-geläutet.Er bekam großen Beifall für die-sen Beitrag.

Uli Simon, Personalrat und Vertrau-ensleutesprecher der ÖTV im Jugendamt,forderte einen Pranger für die CDU. Anden Pranger stellt er folgende Punkte:• Personalstandard in den Kitas• Eingruppierungen, die die Diskrimi-

nierung von Frauen im BAT fortführen• freie Träger ohne Tarifverträge• Kinderheime mit dem Motto „satt und

sauber“• Sozialarbeit wird auf die Abarbeitung

von Fällen reduziert • Die Abwicklung des Familienkrisen-

dienstes.

Zur Diskussion „Jugendamt ja odernein“ forderte eine betroffene Sozialar-beiterin, daß das Jugendamt Anwalt fürKinder und Jugendliche werden müsse.Nicht Konkurrenz verschiedener Ein-

richtungen gegeneinander, sondern Ko-operation und Zusammenarbeit seien ge-fragt.Jugendamtsleiter Pfeifle bedanktesich beim Personalrat für die Organisie-rung des Aktionstages. Er wies auf denWiderspruch hin, dem er seit Beginn sei-ner Amtzeit im Jahre 1991 im Jugendamtimmer wieder ausgesetzt sei: Einerseitsdas neue Kinder- und Jugendhilfegesetz,das einen neuen Anfang in diesem Be-reich markiert und eine präventiv ange-legte soziale Dienstleistung bewirkensoll. Gleichzeitig die Bestrebungen desGemeinderats nach einer Haushaltskon-solidierung, was den Prozeß der Verwal-tungsreform ausgelöst hat. Er bezeichne-te den Privatisierungsweg als denfalschen Weg. Er fühle sich den Familien,Kindern und Jugendlichen verpflichtetund würde weiter an seinem Platz kämp-fen. Er wäre dabei auf seine Mitarbeiterangewiesen.

Mit dem Theaterstück „Die rote Zora“wurde das Thema vom Ensemble desStaatstheaters eindrucksvoll aufgegrif-fen. Minutenlang anhaltender Beifall amSchluß der Vorstellung war der Dank, derauch der Solidaritätserklärung derSchauspieler galt, die am Ende verlesenwurde und die die ursprünglicheSchlußszene, in der sich Familien der al-leingelasssenen Jugendlichen annehmen,ersetzte: In der Solidaritätserklärungwurde die Aufgabe, die Interessen derKinder und Jugendlichen zu vertrten, anden Jugendamtsleiter der Stadt Stuttgartübergeben.

Im Anschluß an die Personalversamm-lung des Jugendamts ab 15.30 Uhr ver-sammelten sich die Beschäftigten vordem Schauspielhaus zur Demonstration,der sich die Beschäftigten der Evangeli-schen Kirche aus Stuttgart und den um-liegenden Orten sowie Eltern mit ihrenKindern anschlossen. Der Demonstrati-onszug führte am Finanzministerium desLandtags vorbei (eine geplante Kundge-bung dort war nicht genehmigt worden)zum Rathaus, wo symbolisch in einemaufgeführten Sketch (siehe Bild) die letz-te Familie Stuttgart verließ. mok

Aktion Rote Zora:

„Für die Kleinsten nurvom Feinsten,Herr Oberbürgermeister!“STUTTGART. Unter dem Titel „Aktion Rote Zora“ hatte für den 4. März dieÖTV Stuttgart die Beschäftigten des Jugendamtes, d.h. aller städtischenEinrichtungen zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen, zu einer ge-meinsamen Personalversammlung ins Staatstheater eingeladen; für die Kin-dergärten und Horte war ein Notdienst eingerichtet, ansonsten blieben dieKinder zu Hause. Der Protest richtet sich gegen die vom Land Baden-Würt-temberg angekündigte Neuregelung der Personalkostenzuschüsse für dieKinderbetreuung, die allein bei der Stadt Stuttgart zu Mehrkosten von 1,5bis 2 Millionen Mark führen wird. Die Stadtverwaltung hat bereits mitgeteilt,daß sie diesen Betrag dann auch beim Posten Jugendhilfe einsparen will.

16 REGIONALES AUS WEST UND OST • PB 6/98

Das Volksbegehren in Brandenburg gegenden geplanten Transrapid ist knapp ge-scheitert. Knapp 70.000 Menschen konntenmobilisiert werden, zu ihrem örtlichen Rat-haus zu gehen und sich in die (nur dort!)ausliegenden Listen für das Volksbegehreneinzutragen. 80.000 wären nötig gewesen,um eine neuerliche Debatte im Landtag zuerzwingen und – falls die Mehrheit im Land-tag an ihrer Unterstützung des Vorhabensfesthält – einen daran anschließendenVolksentscheid, der dann zeitgleich mit denBundestagswahlen durchzuführen gewesenwäre. Dieses Vorhaben ist nun also ge-scheitert. Aber der Widerstand gegen dasmilliardenteure Projekt geht weiter.

Die im Brandenburger „Bündnis gegenden Transrapid“ vereinigten Gruppenund Parteien (PDS, Grüne, Grüne Liga,BUND und andere Gruppen, in Berlinz.B. die „Bürgerinitiative Staaken gegenden Transrapid“) wollen nun im benach-barten Berlin eine „Volksinitiative“ star-ten. Laut Berliner Verfassung sind dafürzwar knapp 90.000 Unterschriften nötig,also 20.000 mehr, als in Brandenburg zu-sammenkamen.

Aber: in Berlin sind auch die Bedin-gungen günstiger. Erstens, weil in demStadtstaat auch mehr Menschen leben(knapp 3,5 Millionen verglichen mit 2,5Millionen in Brandenburg), so daß pro-portional zur Bevölkerungszahl wenigerUnterschriften gesammelt werden müs-sen. Zweitens sind die Menschen in Ber-lin auch räumlich leichter erreichbar.Vorallem aber: Für die Volksinitiative darflaut Berliner Verfassung sechs Monate

lang gesammelt werden (in Brandenburgknapp 3 Monate), und die Unterschriftenkönnen auch auf öffentlichen Infostän-den gesammelt werden.

Ende März / Anfang April soll das Vor-haben in Berlin offiziell starten, so daßdann bis etwa Anfang Oktober gesam-melt werden kann – also z.B. auchwährend des gesamten Bundestagswahl-kampfes. Die Berliner Landesvorständevon PDS, Bündnis 90/Grüne, BUND,Grüne Liga u.a. in Berlin haben bereitszugestimmt.

Auch die verkehrspolitische Spreche-rin der Brandenburger PDS-Landtags-fraktion, Anita Tack, war deshalb trotzdes Mißerfolgs der Brandenburger Akti-on nicht entmutigt. Sie bekräftigte viel-mehr die vielen guten Gründe, das Vor-haben abzulehnen, und kündigte weite-ren Widerstand an. Hier ihre Erklärungzum Ausgang des Brandenburger Volks-begehrens. (rül)

„Das Volksbegehren gegen den Transra-pid ist gescheitert. Dem Aktionsbündnisist es nicht gelungen, Gegnerinnen undGegner in ausreichender Zahl zu mobili-sieren.

Für uns bleibt die Erfahrung einer gut-en Zusammenarbeit mit Bürgerinitiati-ven, mit BUND, Grüner Liga, mit Bünd-nis 90/Die Grünen Brandenburg und an-deren im Aktionsbündnis gegen denTransrapid. Es bleibt die Erfahrung vie-ler Gespräche mit Bürgerinnen und Bür-gern zur Verkehrspolitik. Und es bleibt

Das ursprünglich für den 13. August, denJahrestag des Mauerbaus, geplante öffent-liche Gelöbnis der Bundeswehr in Berlinsoll nun am 10. Juni stattfinden. Das hat Ver-teidigungsminister Rühe (CDU) mit demBerliner CDU-Regierungschef Diepgen ver-einbart. Vertreter der Berliner SPD, die bis-her strikt gegen ein Gelöbnis am 13. Augustaufgetreten waren, haben darauf sofort ih-re Teilnahme an dem neuen Gelöbnis zu-gesagt. Für die Berliner „Kampagne gegendie Wehrpflicht, Zwangsdienste und Mi-litär“ ist dagegen die Verschiebung zwarein „wichtiger Etappensieg für eine demo-kratische, zivile Gesellschaft“. Der Wider-stand müsse aber weitergehen:

„Der Druck auf die Führung der Bun-deswehr, auf Bundesregierung und Ber-

liner Senat war zu groß. Die Seifenbla-se ist vorerst geplatzt, die Bundeswehrals Sieger über die DDR am Tag desMauerbaus in Ostberlin aufmarschierenzu lassen.

Zentral bleibt die Kritik an öffentli-chen Gelöbnissen. Militärische Ritualeund öffentliches Säbelrasseln habennichts mit demokratischen und zivilenWerten gemein.

Wenn mehrere hundert Rekruten imGleichschritt vor dem Berliner Rathausaufmarschieren, sich nur auf Komman-do bewegen dürfen und eine Gelöbnis-formel nachsprechen, wird sinnbildlich,wie undemokratisch die innere Strukturder Bundeswehr ist.

Die Hauptstadt Berlin muß sich alszivile Stadt präsentieren. Und nicht als

Hauptstadt eines größer gewordenenDeutschland, in der an zentralen Plät-zen die Bundeswehr aufmarschiert undmilitaristische Zeremonien abhält.

Festzuhalten bleibt, daß mit derGelöbniskampagne des Verteidigungs-ministeriums im Wahljahr 1998 von denständigen rechtsextremistischen Skan-dalen der Bundeswehr abgelenkt wer-den soll. Für dieses Jahr sind etwa 100öffentliche Gelöbnisse geplant. Diestrukturelle Anziehungskraft der Bun-deswehr auf Rechtsextreme wird mitpreußisch-militaristischen Ritualen wiedem Gelöbnis aber gestärkt.

Wir rufen zu gewaltfreien Aktionenund Protesten gegen das öffentlicheGelöbnis auf.“

(Berlin, 10.3.98)

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Arbeitslos und FrauIn der ersten Märzausgabe der alle zwei Wo-chen in Sachsen erscheinenden linken Zei-tung „Leipzigs Neue“ schildert Günter Lip-pold einige Folgen der anhaltenden Mas-senarbeitslosigkeit speziell für Frauen inOstdeutschland.

Wenngleich die Arbeitslosenquote beiFrauen – im Amtsbezirk Leipzig jetzt 20,9Prozent – allerwärts und ständig höherliegt als bei Männern, zeigt sich darindoch nicht die ganze Wahrheit über dieFrauenarbeitslosigkeit.

Vier Faktoren machen das Bild für Ost-deutschland noch düsterer, als eszunächst erscheint.

• Erstens ging hier die Anzahl er-werbstätiger bzw. arbeitsuchender Frau-en je 1.000 Frauen zwischen 15 und 65Jahren seit 1991 von 772 auf 730 zurück,was aber nicht Ausdruck sinkender „Er-werbsneigung“ ist, sondern zumeist vonResignation angesichts der aussichtslo-sen Lage. Das bestätigt der Anteil Lang-zeitarbeitsloser, die im Amtsbezirk beiMännern bei 21,1, bei Frauen aber 36,6Prozent der Arbeitslosen beträgt.

• Zweitens gehen dramatische Situa-tionen auf dem Arbeitsmarkt vor allemzu Lasten der Frauen.Waren noch im De-zember 44 Prozent aller vom ArbeitsamtLeipzig in ein Arbeitsverhältnis Vermit-telten Frauen, so waren es im Januar nurnoch 36.

• Drittens sind es vor allem Frauen,diesich mit 520-Mark-Jobs begnügen müs-sen – mit Putzen in Haushalten (23,5 Pro-zent) und Betrieben (14,7), Aushilfe imKrankenhaus, Saisonjobs usw.,Tätigkei-ten meist fernab von der gegebenen Qua-lifikation.

• Viertens ist in jüngster Zeit die An-zahl der Alleinerziehenden unter den Ar-beitslosen überproportional gestiegen.Rund 7.000 sind es im Raum Leipzig.Unddas sind ja vorwiegend Frauen.(aus: Leipzigs Neue, Nr. 5/98, 6.3.98)

Nach dem Mißerfolg des Volksbegehrens in Brandenburgbeginnt nun eine Volksinitiative in Berlin

Transrapid:Der Widerstand geht weiter

Berlin: Truppengelöbnis auf 10. 6. verlegt – Rühe und Diepgen beugen sich Protesten!

ENERGIE-EINKAUFS-GESELLSCHAFT: Elms-

horn. Das neue Energiewirt-schaftsgesetz ist im Bundestag

durch die Koalitionsmehrheit verab-schiedet und kann somit zum 1. Mai inKraft treten.Mit der Liberalisierung desEnergiemarktes wird die Existenz vielerStadtwerke in Frage gestellt. In denKommunen werden Möglichkeiten dis-kutiert, um diese Gefahr abzuwenden.Als ein Weg wird von bisher 34 Kommu-nen in Schleswig-Holstein gesehen, eineEnergie-Einkaufsgesellschaft in Formeiner GmbH mit Sitz in Elmshorn zugründen. Die Einkaufsgesellschaft trittals Großkunde auf und kann für alle be-teiligten Stadtwerke bei den Energie-monopolen günstigere Preise aushan-deln als jedes Stadtwerk allein für sich.Dieser Ansatz ist zu begrüßen, wenndann auch an alle Kunden die günstige-ren Tarife weitergegeben werden, undnicht, wie in Schweden nach der Libe-ralisierung des Strommarktes gesche-hen, die Großkunden ihre Energie 30 %billiger bekommen und die Klein- undMittelverbraucher eine Preissteigerungvon 7 % hinnehmen müssen. In Elms-horn fordert die CDU, die örtlichenStadtwerke über die Umwandlung in ei-ne GmbH „fit“ zu machen.Bedenken ge-gen eine Umwandlung äußerten bisherdie Bürgermeisterin, die WEG/Die Grü-nen und die ÖTV. Anfang März erschie-nen zur Kollegiumssitzung etwa 60 Be-schäftigte der Stadtwerke, um ihre Sor-ge um den Fortbestand der Arbeitsplät-ze zum Ausdruck zu bringen.

FLUGHAFEN-PRIVATISIERUNG:Hamburg. Der Flughafen Hamburg(FHG), an dem Hamburg mit 64 %, derBund mit 26 und Schleswig-Holstein mit10 % beteiligt sind, soll zum Teil an pri-vate Interessenten veräußert werden.Darüber will der Senat nach Angabender Wirtschaftsbehörde noch im Som-mer entscheiden. Hamburg will aller-dings mindestens 50 % der Anteile hal-ten, um weiterhin maßgeblichen Einflußauf den Flughafen zu nehmen. Als In-teressenten gelten der Essener Hochtief-Baukonzern sowie verschiedene Flugha-fen-Betreibergesellschaften. „Banken-kreise“ sehen die möglichen Erlöse derAnteilsverkäufe durch die Politik derrot-grünen Koalition geschmälert, diezunächst die S-Bahn-Anbindung desFlughafens auf Eis gelegt hat. Offen-sichtlich soll der Preis für die lukrativenAnteile gedrückt werden. Immerhinrechnet die FHG bei einem Jahresum-satz von 330 Mill. DM 1997 mit einemÜberschuß von über 44 Mio. DM.

FUSSBALL-FANPROJEKTE: Aue/Dresden. Vom 9. bis 11. März tagte dieBundesarbeitsgemeinschaft Fanprojek-te beim FC Erzgebirge in Aue. Die ju-gendpolitische Sprecherin der PDS-

Fraktion im Sächsischen Landtag for-derte hier die Rücknahme der Kürzun-gen für Jugendarbeit überhaupt. Sie be-gründete das so: „Gerade in der letztenZeit haben die Auseinandersetzungenzwischen ostdeutschen Fangruppen amRande von Fußballspielen zugenommen.Dem zu begegnen sind Fanprojekte eineMöglichkeit.Allerdings werden Fanpro-jekte vom DFB nur dann finanziell un-terstützt, wenn die Vereine in der 1. oder2. Liga spielen. Um die Gewaltspirale insächsischen Stadien und am Ende vonSpielen sächsischer Fußballmannschaf-ten zurückzudrehen, muß die sächsischeStaatsregierung nicht nur die sächsi-schen Fußballfanprojekte fördern, son-dern vor allem die Kürzungen der Mit-tel für die präventive Jugendarbeit ummehr als 4 Mio DM zurücknehmen.“

ESSENZUSCHUSS: Emmendingen. ImRahmen der Beschlüsse zum Haushalt1998 hat der Emmendinger Gemeinde-rat den Essenzuschuß für die Bedienste-ten der Stadtverwaltung gestrichen. Diebesondere sozialdemokratische Notebekam dieser Vorgang dadurch, daß derPersonalrat dazu nicht gehört wurde,obwohl das vorgeschrieben ist. Der Per-sonalrat seinerseits läßt das nicht aufsich beruhen und beginnt eine Unter-schriftensammlung gegen die Strei-chung des Zuschusses. In der darauffol-genden Gemeinderatssitzung meldetsich der Personalratsvorsitzende zuWort, um den Protest des Personals zumAusdruck zu bringen. Er schlägt vor, daßdie Mitglieder des Gemeinderates wegender angespannten Haushaltslage auf dasWurst- oder Käseweckle verzichten, dassie in den Pausen der Gemeinderatssit-zungen verzehren – bzw. daß sie diesesWeckle durch Abzug vom Sitzungsgeldbezahlen. Ein regelrechter Tumult brachlos, die Empörung war parteiübergrei-fend. Einer der rechtesten Gemeinderä-te nutzt nun diese Situation, indem er ei-nen Antrag stellt auf Streichung der Ge-meinderatsweckle. Anscheinend hatkein anderer Gemeinderat genug politi-sches Gespür (plus Parteilichkeit), umdie Bedeutung dieses Vorgangs zu er-kennen – vermittelt wird: gespart wirdin erster Linie bei den kleinen Leuten.

BÜRGERRECHTE: München.Die Bür-gerversammlung in Bayerns Gemeindensollen allen Gemeindemitgliedern offen-stehen. Das hat der Bayerische Gemein-detag bei einer Versammlung AnfangMärz in München gefordert. Bislang istdie Teilnahme und das Recht, sich auf ei-ner Bürgerversammlung zu Wort zu mel-den, an die Wahlberechtigung geknüpft.Bei einer Öffnung der Bürgerversamm-lungen könnten auch ausländische Ge-meindemitglieder und Jugendliche ihreVorstellungen und Forderungen einbrin-gen.. Zusammenstellung: baf/ulj

PB 6/98 • REGIONALES AUS WEST UND OST 17

KKOOMMMM

UUNNAALLEE

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PPOOLLIITTIIKK

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der Eindruck, daß das Projekt Transra-pid in Brandenburg von sehr vielen Men-schen abgelehnt wird. Die Ablehnunggründet sich nicht, wie von den Befür-wortern immer wieder behauptet, auf ei-ne blinde Fortschritts- und Technik-feindlichkeit.

Die Ablehnung stellt den verkehrspo-litischen Sinn des Vorhabens in Frage.DieBürgerinnen und Bürger lehnen das Pro-jekt ab, weil sie die über 10 MilliardenDM, die der Staat dafür ausgibt, ange-sichts der fortgesetzten Einschnitte beiSozialleistungen, bei der Förderung derregionalen Wirtschaft, bei der Kommu-nalfinanzierung oder bei der Finanzie-rung des öffentlichen Personennahver-kehrs für unzulässig halten.

In Brandenburg werden zum Fahr-planwechsel im Regionalverkehr derBahn voraussichtlich am 24. Mai ‘98 wei-tere 14 Strecken stillgelegt – weil dasLand kein Geld für leistungssteigerndeInvestitionen einsetzt. Die Tarife werden1998 für die meisten ÖPNV-Nutzer inBerlin und Brandenburg wieder steigen– hier liegen die Gründe für die Ableh-nung eines Projektes,das in Brandenburgkein einziges Problem löst.

Daran wird der Mißerfolg des Volks-begehrens nichts ändern.

Der Widerstand geht weiter. Wir wer-den im Aktionsbündnis weitere Aktivitä-ten wie Massenpetitionen an den Deut-schen Bundestag, Klagen zum Planfest-stellungsverfahren und die beabsichtig-te Volksinitiative im Land Berlin unter-stützen.

Nach wie vor gilt:1. Die Transrapidstrecke ist verkehrspo-

litisch unsinnig, weil die für die Pla-nung erstelle Bedarfsprognose vonjährlich 14 Millionen Passagieren jederGrundlage entbehrt.

2. Der Transrapid verschwendet Steuer-milliarden. Die finanziellen Risikenliegen nicht bei den Transrapid-Her-stellern Siemens,Thyssen und Adtranz,sondern ausschließlich bei der öffent-lichen Hand, und in das Finanzie-rungskonzept sind nicht alle Kosteneinbezogen.

3. Der Transrapid zerstört Natur undLandschaft, erzeugt Lärm, verschwen-det Energie und schädigt Menschen,Pflanzen und Tiere.

4. Der Transrapid widerspricht den Zie-len der Landesplanung und Raumord-nung Brandenburgs und verhindert ei-ne zukunftsfähige Strukturentwick-lung für das Land.

5. Der Transrapid entwertet Häuser undGrundstücke, reduziert die Lebens-qualität, erzeugt gesundheitlicheSchäden durch Lärm und vernichtetArbeitsplätze.Die, wie schon im Falle des Havelaus-

baus erneut deutlich gewordenenSchwächen des Verfahrens „Volksbegeh-ren“ werden wir analysieren und in Ab-stimmung mit den Beteiligten eine No-velle der gesetzlichen Grundlagen anre-gen.“ (Potsdam, 3. März 1998)

BERLIN WIEDER MIT-GLIED IM ARBEITGEBER-VERBAND: Nach vierjähri-gem Ausschluß ist die „Ar-beitsrechtliche VereinigungBerlin“ wieder Mitglied in derVereinigung Kommunaler Ar-beitgeberverbände (VKA).DerArbeitsrechtlichen Vereini-gung Berlin gehören 50 öffent-liche Arbeitgeber an, bei de-nen allein ca. 65 000 Arbei-ter/innen beschäftigtigt sind,darunter die großen Versor-gungsbetriebe (BSR,BVG,Ga-sag, Wasserbetriebe). Die Ta-rifgemeinschaft deutscherLänder (TdL) hält dagegen amAusschluß Berlins fest.

Der Ausschluß Berlins er-folgte aufgrund der Tatsache,daß Berlin 1994 die Tarifein-kommen für die Landesbe-schäftigten im Ostteil derStadt per Gesetz in wenigenStufen auf 100% hochsetzte,während in den anderen neu-en Bundesländern das Ein-kommensniveau zur Zeit 85%beträgt. Diese Erhöhung hat-ten sich die Beschäftigten so-wohl durch eigene Aktivitätenals auch mittels von Gerichtenerkämpft. har

TEILZEITBESCHÄFTIGTE:Bundesarbeitsgericht setztDiskriminierung ein Ende.Nach dem Bundesangestell-tentarifvertrag-West (BAT-W)ist die ordentliche Kündigungvon Arbeitnehmer/innen, dieeine Beschäftigungszeit von15 Jahren zurückgelegt unddas 40. Lebensjahr vollendethaben, ausgeschlossen. DieseUnkündbarkeitsregelung sollnach dem Wortlaut des BAT-Wnur für Angestellte gelten, de-ren arbeitsvertraglich verein-barte durchschnittliche regel-mäßige wöchentliche Arbeits-

zeit mindestens die Hälfte derregelmäßigen Arbeitszeit ei-ner/s vollbeschäftigten Ange-stellten beträgt. Für den Ar-beiterbereich galt sogar dieVoraussetzung, daß die regel-mäßige wöchentliche Arbeits-zeit mindestens 30 Stundenbetragen muß. Das Bundesar-beitsgericht hat dieser diskri-minierenden Regelung ein En-de gesetzt. Mir Urteil vom18.9.97 (2 AZR 592/96) hat esfestgestellt, daß die Differen-zierung zwischen Teil- undVollzeitbeschäftigten im BAT-W gegen den Gleichheits-grundsatz verstößt und daßdieser Gleichheitsverstoß nurdadurch geheilt werden kann,wenn die sogenannte Unkünd-barkeitsregelung auch auf un-terhälftig beschäftigte Ange-stellte angewandt wird. DasBAG hat darauf hingewiesen,daß dies auch für Änderungs-kündigungen gilt. harQuelle: Information der ÖTV Berlin,Bezirksfrauensekretariat

SWR-STAATSVERTRAG:IG Medien fordert Novellie-rung. Die IG Medien Baden-Württemberg fordert die Lan-desregierungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf, umgehend denStaatsvertrag des Süd-westrundfunks staatsfernerzu gestalten. Es sei zum Bei-spiel nicht verfassungsgemäß,daß die aus dem Rundfunkratgewählten VertreterInnen zumVerwaltungsrat keine Stell-vertreterInnen in diesem Gre-mium hätten, im Gegensatz zuden von der Landesregierungbenannten Mitgliedern. DieseRegelung würde den Einflußdes Staates bei der an sichschon unerträglich hohenStaatsquote beim Verwal-

tungsrat noch verstärken.Darüber hinaus sollten bei

der Novellierung des SWR-Staatsvertrages auch gleicheinige andere verfassungs-rechtlich bedenkliche Schön-heitsfehler getilgt werden, wiezum Beispiel die nicht vorhan-dene Frauenquote in den Gre-mien, das Entfernen derSchriftstellerInnen aus demRundfunkrat und die Fest-schreibung der Programme imStaatsvertrag selbst.

Zu der gegenwärtig erar-beiteten Satzung des Süd-westrundfunks fordert die IGMedien,daß die Stellen der lei-tenden Persönlichkeiten aus-geschrieben werden müssenund nicht vom Intendantenbenannt werden können. Dar-über hinaus sei es notwendig,daß in der Satzung grundsätz-lich ein Redaktionsstatut fürdie RedakteurInnen des Süd-westrundfunks verankert sei.

PAPIER- U. KUNSTSTOFF-VERARBEITUNG: Lohn- undGehaltserhöhung für 1998noch nicht in Sicht. Die zwei-te Lohn- und Gehaltsverhand-lung für die Papier- undKunststoffverarbeitung am12. März 1998 in Frankfurt/Main führte in der Einkom-mensfrage zu keinem Ergeb-nis. Ein Thema jedoch, das seitOktober 1997 die Gesprächemit dem Hauptverband derPapier, Pappe und Kunststoffverarbeitenden Industrie(HPV) und die Diskussion inden Betrieben geprägt hat,konnte abschließend geklärtwerden: Die Forderung derUnternehmer nach Streichungder 35-Stunden-Woche istendgültig vom Tisch. Ab 1.April 1998 gilt für alle Be-schäftigten in den Betrieben

der Papier- und Kunststoff-verarbeitung die 35-Stunden-Woche. Mit dem HPV konntedie ab 1. April 1998 geltendeneue Lohntabelle vereinbartwerden, die sich aus dem Ta-riflohnausgleich für die Ver-kürzung der Wochenarbeits-zeit von 36 auf 35 Stunden er-gibt. Die Stundenlöhne er-höhen sich damit um 2,86 Pro-zent.Die IG Medien machte zuBeginn der Verhandlungen er-neut deutlich, die Tarifrunde1998 sei eine reine Lohn- undGehaltsrunde. Auch die aktu-ellen statistischen Daten zurwirtschaftlichen Lage zeigten,daß es in der Papier- undKunststoffverarbeitungdurchaus Produktionszu-wächse gibt. Für 1998 sei einAnstieg der Produktivität von2,5 bis 3 Prozent zu erwarten.Eine Erhöhung der Löhne,Gehälter und Ausbildungs-vergütungen sei demzufolgedurchaus zu verkraften.

Der HPV lehnte dagegen für1998 weiterhin jegliche Er-höhung der Einkommen fürdie Beschäftigten ab. SeinerMeinung nach gibt es über denLohnausgleich hinaus in die-ser Tarifrunde nichts zu ver-teilen, es sei denn, die IG Me-dien wäre bereit, die durch dieArbeitszeitverkürzung entste-henden Kosten durch Zuge-ständnisse an anderer Stelleauszugleichen. Ohne daß derbekannte "Gruselkatalog" vonGegenforderungen im einzel-nen benannt wurde, ist zu er-kennen,daß die Arbeitgeber inder Tarifrunde 1998 erneut ei-nen Angriff auf den ungekün-digten Manteltarifvertragstarten wollen.

Die nächste Tarifverhand-lung wurde für den 6.Mai 1998vereinbart. PM IG Medien

18 AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN • PB 6/98

Am 5. März fand der zweite bundesweite Aktionstag der Ar-beitsloseninitiativen statt. „Fleißige Vorarbeit, vielseitigesProgramm“, so der Kommentar der Schweinfurter Initiati-ve, die unter dem Motto „Aufstehen für Arbeit“ 200 Men-schen mobilisieren konnte (siehe Bild oben). Auch in Mann-

heim (Bild unten) nahmen mit rund 300 Menschen wenigerteil als am 1. Protestag. Dagegen waren in Essen mit 200 bis300 mehr gekommen, um mit einer Demonstration vom Ar-beitsamt zur IHK auf die Situation von Arbeitslosen auf-merksam zu machen.

PB 6/98 • AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN 19

Tarifrunde öffentlicher Dienst

Verhandlungen gescheitertWie nicht anders zu erwarten,sind die Ta-rifverhandlungen im öffentlichen Dienstin der 6. Runde am 3./4. März gescheitert.Die Arbeitgeberseite hat unmittelbar da-nach die Schlichtung angerufen. Somitherrscht ab sofort Friedenspflicht. Bisspätestens Ende dieses Monats müssendie Schlichter den Tarifvertragsparteieneinen Schlichtungsvorschlag unterbrei-ten. Anschließend haben diese drei TageZeit,darüber nochmals in Verhandlungeneinzutreten. Stimmberechtigter Schlich-ter ist dieses Mal der von der Gewerk-schaftsseite vorgeschlagene ehemaligenBremer Bürgermeister Hans Koschnik(SPD). Nach den ersten Gesprächen amvergangenen Mittwoch und Donnerstaghat Koschnik bereits angekündigt, daß ersich bis Ende März Zeit nehmen will.

Gäbe es keine Friedenspflicht, sowären weitere spontane Streiks durchausim Bereich des Möglichen.Das in den Me-dien immer sehr verkürzt dargestellte„Angebot“ der Arbeitgeberseite beinhal-tet eine ganze Reihe von Angriffen auf Ta-rifvertragsbestandteile, die bei den Be-schäftigten im öffentlichen Dienst Erbit-terung hervorriefen. Im Schnitt, so dieBerechnung der Gewerkschaften, stehendem 1%-Angebot der Arbeitgeber Kür-zungen von insgesamt 5,6% gegenüber.Und das ohne irgendein Zugeständnis beiBeschäftigungssicherung, bei Arbeits-zeitverkürzung oder Angleichung Tarif-gebiet Ost an West.

Die Gewerkschaften hätten erst ein-mal diese Kürzungen als Vorbedingungakzeptieren müssen, nur dann stand das1%-Angebot überhaupt. Neben dieserVorbedingung verärgerte auch das Auf-treten und die Argumentation der Ar-beitgeberseite die Beschäftigten. Nachihren Äußerungen soll der öffentlicheDienst im Osten erst einmal warten, bisdas Einkommensniveau des Privatsek-tors um 5 Prozentpunkte gestiegen ist,wobei ausdrücklich nicht das Tarifniveaugemeint war. Hinzu kommt, daß die öf-fentlichen Arbeitgeber vertreten, die An-gleichung der Lebensverhältnisse werdenoch 30 Jahre auf sich warten lassen, undder Einigungsvertrag, der die Anglei-chung vorschreibt, sei unwichtig.

Besondere Beachtung aber fand diemehrfach geäußerte Position vonKanther, der öffentliche Dienst hätte dievom Gesetzgeber erlassenen Gesetze –trotz Öffnungsklauseln für tarifvertrag-liche Regelungen – schlicht und einfachzu übernehmen. Dies bezieht sich nichtnur auf die Verschlechterungen bei derBeamtenversorgung (von denen im übri-gen keine B-Besoldungsempfänger, alsodie wirklich gut dotierten Positionen, be-troffen sind), die Übertragung von ge-setzlichen Regelungen bezieht sich eben-so auf die Verschlechterung bei der Lohn-

fortzahlung oder auf Arbeitszeitregelun-gen. Hier bahnt sich ein Wechsel an in derEinstellung des „Arbeitgebers ö.D.“ alsTarifvertragspartner hin zum Dienst-herrn als Gesetzgeber. Fordern die Ge-werkschaften für die Beamten „Verhan-deln statt Verordnen“, so stellt sichKanther auf die Position „Verordnenstatt Verhandeln“ für alle.

Im folgenden sollen einige Details derden Gewerkschaften abverlangten Vor-leistungen erläutert werden.

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall:Für jeden Tag einer krankheitsbedingtenArbeitsunfähigkeit wird die Zuwendung(Weihnachtsgeld, derzeit ca. 93% einesGehalts) um einen Prozentpunkt gekürztund zwar für jeden Krankheitsfall bis zurDauer von sechs Wochen. Für 5 Tage Ar-beitsunfähigkeit kann stattdessen auchauf 1 Tag Erholungsurlaub verzichtetwerden. D.h. je Krankheitsfall kann biszu 30 Prozentpunkte des Weihnachtsgel-des gekürzt werden. Außerdem wird dieLohnfortzahlung noch dadurch gekürzt,daß Zuschläge für Schicht-, Wechsel-schichtarbeit oder Rufbereitschaft nichtmehr berücksichtigt werden soll.

Beschäftigungssicherung Ost und kol-lektive Teilzeitarbeit: Zur Vermeidungvon betriebsbedingten Kündigungenkönnen bezirkliche Tarifverträge verein-bart werden, die eine Verkürzung der re-gelmäßigen wöchentlichen Arbeitzeit fürlängstens 5 Jahre beinhalten. Dabei sollgelten: Bei einer Herabsetzung auf bis zu65% der regelmäßigen wöchentlichenArbeitszeit kann ein Teillohnausgleichvereinbart werden. Erst bei einer weite-ren Herabsetzung der regelmäßigenwöchentlichen Arbeitszeit auf unter 65%ist für diese zusätzliche Herabsetzung einTeillohnausgleich zu vereinbaren. DieseRegelung soll aber nicht für Lehrer unddas wissenschaftliche Personal an Hoch-schulen gelten. Hier rächt sich, daß dieGEW bereits häufig tarifliche Vereinba-rungen abgeschlossen hat, die eineZwangsteilzeit ohne jeglichen Teillohn-ausgleich beinhalten.

Für das Tarifgebiet West wird zumThema Beschäftigungssicherung garnichts vorgeschlagen.

Arbeitszeit: Kein Angebot zur Arbeits-zeitverkürzung. Samstagsarbeit wirdkünftig wie normale Arbeitszeit bezahlt,Zuschläge entfallen. Überstundenzu-schläge soll es nur noch außerhalb derRahmenzeit von Montag bis Freitag 6–20Uhr und Samstag 6–14 Uhr geben. DieArbeitgeber verlangen, daß über die imGesetz mögliche Ausdehnung der Ar-beitszeit über die Grenzen des Arbeits-zeitgesetzes hinaus verhandelt wird.

Zusatzversorgung: Einführung einerEigenbeteiligung ab 1.7.98 von 0,4%, diein den folgenden Jahren stetig steigen

Aktionen der ÖTV in der 1. Märzwoche.Von oben nach unten: Elmshorn, Köln,Stuttgart, Freiburg

20 AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN • PB 6/98

soll. Zusätzliche Versteuerung des soge-nannten geldwerten Teils der Zusatzver-sorgung, was nach ersten Schätzungenca. 2% Einkommenskürzungen (im We-sten) bedeuten würde. Verlängerung desBemessungszeitraums auf 45 Beitrags-jahre, Anpassung, sprich Senkung, derAnrechnung von Zulagen. ErheblicheAbschläge bei den Leistungen, die insbe-sondere Frauen und Erwerbsunfähigetreffen werden, wobei hier die tariflicheVerschlechterung noch vor der gesetzli-chen in Kraft treten soll.

Diese erneuten Angriffe auf die Zu-satzversorgung empört vor allem dielangjährig Beschäftigten im öffentlichenDienst, da sie bis 1973 ihre Eigenbeteili-gung erbracht haben und außerdem mitdem Hinweis auf diese Zusatzversorgungvon ihnen jahrelang Lohnmäßigung ver-langt wurde.

Die Angriffe der öffentlichen Arbeit-geber in diesem Paket treffen vor allemdie unteren und mittleren Einkommen,insbesondere in den Bereichen, woschwere körperliche und Arbeit zuungünstigen Zeiten erbracht wird. Dienächsten Wochen werden zeigen, ob dieWut hiergegen anhält und der Wider-stand zu mehr ausreicht, als Stimmen füreinen Regierungswechsel zu mobilisie-ren. har

IG-Medien-Ortsverein Stuttgart

Schwungvolle Mit-gliederversammlung Fünfzig Anwesende auf einer Mitglie-derversammlung sind nicht viel, wennder Ortsverein einer Gewerkschaft 4 000Mitglieder hat. Aber eigentlich doch,wenn man in Betracht zieht, daß die Be-teiligung bei anderen Vereinen auch nichtbesser ist, und der Besuch in den letztenJahren oft noch viel geringer war.Vor al-lem aber hatte der Stuttgarter Ortsvereinder IG Medien damit zu kämpfen,daß dervor drei Jahren gewählte Vorstand durchRücktritte schon in der Mitte seinerAmtsperiode nicht mehr arbeitsfähigwar.

Die Mitgliederversammlung am 7.März im „Merlin“ war jedenfalls diegrößte der letzten Zeit, und sie verlief er-folgreich. In der kurzen politischen Dis-kussion über den Rechenschaftsberichtder Unentwegten,die die Vorstandsarbeitkommissarisch weitergeführt hatten,spielte die Entwicklung der neuen„Dienstleistungs-Gewerkschaft“, in derdie IG Medien in wenigen Jahren aufge-hen soll,fast keine Rolle.Den Mitgliedernscheint es wichtiger, die Arbeit „an derBasis“ von ihren Bedürfnissen her zu or-ganisieren, der große Rahmen scheint ih-nen dabei nicht soooo wichtig zu sein.Ar-beitslosigkeit, Betriebsschließungen,Veränderungen in den Betrieben warendie Diskussionspunkte.

Sehr erfreulich war die Beteiligung an

der Wahl des neuen Ortsvereinsvor-stands. Elf Mitglieder sollte er umfassen,war der Vorschlag. Es meldeten sich aberdreizehn, die mitarbeiten wollen: ein äl-terer Kollege, der schon vor zwanzig Jah-ren mal Vorstandsarbeit gemacht hat,undeine ganz junge Schriftsetzerin, die neuin die Arbeit einsteigen will, der Vertre-ter einer Arbeitsloseninitiative, ein jun-ger Buchbinder, der gesehen hat, daß indiesem Bereich die Arbeit brachliegt,Kolleginnen aus dem Rundfunk, ein aus-ländischer Kollege usw. – eine gute Mi-schung der Fachgruppen und Erfahrun-gen.

So ist zu hoffen, daß die Ortsvereins-arbeit der IG Medien einen neuen Auf-schwung nimmt. Neben den weiterenWahlen hatte die Versammlung auchihren kulturellen Teil. Das ist bei der IGMedien in Stuttgart schon gute Traditi-on. ulk

Betriebsrätearbeitskreis Einzelhandel

Solidarisch mit Kaufhof-BelegschaftFREIBURG. Als Reaktion auf den Einigungs-stellenspruch Kaufhof und den sich durch-setzenden 19.00 - Ladenschluß wurden beimKaufhof 9 Kündigungen ausgesprochen undModernisierungsgelder gestrichen.

Mit diesem Maßregelungsversuch willder Kaufhof-Konzern Druck auf Be-triebsrat und Belegschaft ausüben. „Na-hezu die gesamte Kaiser-Joseph-Straße(die Freiburger Einkaufsstraße, d.Red.)hat beim neuen Arbeitszeitende mitgezo-gen. Selbst der EinzelhandelsverbandSüdbaden e.V. hat erklärt, daß das Ar-beitszeitende 19.00 Uhr ein FreiburgerModell werden könnte. Dieses Ergebnisist der Verdienst der HBV-Betriebsräte,die sich energisch für ein einheitlichesArbeitszeitende von Montag bis Freitageingesetzt haben – mit Erfolg!“ schreibtdie Gewerkschaft HBV in ihrem Flug-blatt. Gegen die Maßnahmen des Kauf-hof Konzern schreiben die Betriebsrätedes Betriebsrätearbeitskreises Einzel-handel Freiburg in ihrer gemeinsamenErklärung:

„ In seiner Sitzung am 16.2.hat der Be-triebsrätearbeitskreis Einzelhandel Frei-burger Innenstadt diskutiert, mit wel-chen Mitteln der Vorstandsvorsitzendeder Kaufhof AG, Herr Mandac, versucht,die Belegschaft und den Betriebsrat beiKaufhof Freiburg unter Druck zu setzen.Mit Wut und Empörung nimmt der Be-triebsrätearbeitskreis Einzelhandel inder Freiburger Innenstadt zur Kenntnis,daß dringend notwendige Umbauinvesti-tionen im Kaufhof Freiburg, die noch vordem Spruch der Einigungsstelle beimKaufhof Freiburg vom Aufsichtsrat derKaufhof AG abgesegnet worden waren,einseitig über den Aufsichtsrat hinwegvon Herrn Mandac zurückgezogen wur-

de. Dem nicht genug, wird von der örtli-chen Geschäftsleitung der Versuch unter-nommen,durch Ausspruch von insgesamt9 Kündigungen, die Belegschaft beiKaufhof zu „disziplinieren“. Dieseselbstherrlich getroffene unternehmeri-sche Entscheidung des Herrn Mandacund der weitere Personalabbau trotz be-reits bestehender Personalknappheit beiKaufhof Freiburg stößt auf das völligeUnverständnis der Betriebsräte des Be-triebsrätearbeitskreises in der Freibur-ger Innenstadt. Hinter den neun Kündi-gungen und der Streichung der bereitsbewilligten Umbaukosten steckt dieIdeologie, mit Biegen und Brechen ohneRücksicht auf Verluste an einem Arbeits-zeitende 20.00 Uhr festzuhalten. Da indem Einigungsstellenverfahren beiKaufhof Freiburg anders entschiedenwurde, sollen die Kolleginnen und Kolle-gen bei Kaufhof als abschreckendes Bei-spiel vorgeführt werden, um andere Fi-lialen der Kaufhof AG daran zu hindern,ebenfalls ein früheres Arbeitszeitende inihrer Filiale zu fordern.

Wir, die Betriebräte des Betriebsräte-arbeitskreises des Einzelhandels in derFreiburger Innenstadt erklären uns soli-darisch mit den Kolleginnen und Kolle-gen bei Kaufhof Freiburg und fordernHerrn Leers als Geschäftsleitung auf, die9 Kündigungen umgehend zurückzuneh-men und für den Erhalt des StandortesKaufhof Freiburg durch die Umsetzungdes Galeria-Konzeptes zu sorgen.“

(Betriebsräte Hertie, Oberpaur, Kauf-hof, Rombach, Herder, Walthari, Kaiser-Damen, Kaiser-Herren, Hettlage, Wool-worth und Breuninger) clm

KAUTEX, Waldkirch

Bilanz einer Beschäfti-gungsgesellschaftWALDKIRCH. Auf der letzten Sitzung desDGB-Ortskartells am 2.2.98,war Thema:Möglichkeiten und Perspektiven einerörtlichen Beschäftigungssicherungs-Ge-sellschaft. Hierzu war auch der Waldkir-cher Bürgermeister Leibinger eingela-den. Im Verlauf der lebhaften Diskussionberichteten auch Betriebsräte von KAU-TEX über den Stand der Umsetzung ih-rer Qualifizierungsbemühungen im Rah-men der letztjährigen Massenentlassung.An dem „Modell Kautex“ wurden in derSitzung Zweifel und Kritik geäußert.

Der folgende Bericht basiert auf einemanschließenden Gespräch mit dem Be-triebsratsvorsitzenden von Kautex, Kol-legen Scherer.

Der „Unterstützungs- und Qualifizie-rungsverein KAUTEX“, gebildet aus 7Kautex-Mitarbeitern (darunter Be-triebsräte) und einem Mitglied der Wald-kircher Geschäftsleitung, war letztesJahr aus einer ganz bestimmten Patt-Si-tuation heraus entstanden. In den Sozi-alplanverhandlungen um die damals

PB 6/98 • AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN 21

über 100 von Entlassung Bedrohten gingüberhaupt nichts mehr. Der vom Be-triebsrat vorgelegte Beschäftigungssi-cherungsplan für das Waldkircher Werkwurde von der Gegenseite vom Tisch ge-wischt. Die Kautex-Geschäfts- und auchKonzernleitung wollte unter keinen Um-ständen das Sozialplan-Volumen er-höhen, u.a. auch weil in anderen Kautex-Konzernteilen bereits schlechtere Pläneverabschiedet worden waren.

Die Idee, über die Schiene „Qualifi-zierung“ weitere Gelder locker zu ma-chen, kam u.a. auch auf Anregung ver-schiedener Diskussionen, die letztes Jahrauf Unterstützerversammlungen geführtworden waren.

Schließlich wurde in zähen, von vielenaus der Bevölkerung, Parteien und Ge-meinderat getragenen Aktionen begleite-ten Verhandlungen eine höhere Sozial-plansumme erreicht. Das Verhältnis vonausgezahlten Sozialplanbeträgen undQualifizierungsfinanzierung ist 3:1.

Einzelne Betriebsräte haben darauf-hin in enger Zusammenarbeit mit demArbeitsamt Waldkirch und der Bera-tungsfirma BIT alle Betroffenen ange-schrieben, zig Beratungs- und auchÜberzeugungsgespräche geführt, mitzahlreichen Firmen im gesamten Kreisverhandelt und können bis heute folgen-de Bilanz vorweisen:

Von ca. 80 Entlassenen konnten 60 bis70 Betroffene in Arbeitsverhältnisse,ver-bunden mit Qualifizierungsmaßnahmen,die aus dem Verein bezahlt werden, ver-mittelt werden. Allerdings viele davonnur in befristete Verhältnisse, bei denenjedoch die Qualifizierungsgelder nur beiendgültiger Übernahme ausbezahlt wer-den. Etwa 15 der 70 vermittelten ehema-ligen Mitarbeiter befinden sich in Um-schulungsmaßnahmen, während dereraus dem Qualifizierungstopf 20% aufsUnterhaltsgeld aufgezahlt werden.

Warum mußte viel Zeit auf Beratungund auch Überzeugungsarbeit verwen-det werden? Viele Kollegen waren sehrskezptisch gegenüber dem Qualifizie-rungskonzept, hatten Scheu, vor allem ineinem bestimmten Alter, nochmal etwasNeues zu lernen. Außerdem konnten sichmanche nicht vorstellen, daß angesichtsder seit Jahren auf uns einprasselndenKürzungen und Sparmaßnahmen ausge-rechnet die „Kautex-Masche“ funktio-nieren sollte.

Fazit: aus der Not geboren, ist das„Kautex-Modell“ sicher nicht das einzigmögliche und sollten in die aktuelleDGB-Diskussion auch andere Erfahrun-gen mit einfließen. Aber eine Alternativezur (sofortigen) Arbeitslosigkeit und Ver-besserungen von Umschulungsmöglich-keiten wurden erreicht.

Die neuesten Aussichten bei Kautexsind allerdings weiterhin düster: der Be-reich Automobilzulieferung ist inzwi-schen völlig ausgegliedert. Als nächstessoll die Konstruktion dran kommen. DerBetriebsrat wird weiterhin massiv er-preßt: z.B. 40-Stundenwoche ohne Lohn-

ausgleich oder Austritt aus dem Arbeit-geberverband oder Bestrebungen, denwesentlich niedrigeren Kunststoff-Tarifdurchzusetzen. mab

Betriebsratswahl Mannesmann Sachs

CGM gestärktSCHWEINFURT. Die Christliche Gewerk-schaft Metall (CGM) gewann bei Man-nesmann Sachs je einen Sitz im Arbeiter-und Angestelltenbereich hinzu und be-setzt jetzt 5 der 29 Betriebsratsmandate,die IG Metall fiel um einen Sitz auf 23Mandate, die Deutsche Angestellten Ge-werkschaft (DAG) büßte einen ihrer bei-den Sitze ein. Das genaue Ergebnis wirdhier dokumentiert (siehe Tabelle unten).Da die Betriebsratswahlen in vielen an-deren Betrieben der VerwaltungsstelleSchweinfurt der IG Metall erst in dennächsten Wochen stattfinden, sind ge-nauere Einschätzungen des Ergebnissesnoch verfrüht, es kann jedoch bereits fol-gendes ausgesagt werden:

• Der Wahlkampf der CGM richtetesich ausschließlich gegen die IG Metall,eine wie auch immer geartete Formulie-rung von Arbeitnehmererinteressen ge-gen Konzerninteressen ließ sich nicht fin-den. Erstmals waren auf der Liste derCGM auch drei türkische Arbeiter als

Kandidaten vertreten, Leute aus demäußerst rechten politischen Spektrumder türkischen Arbeitsemigranten inSchweinfurt.Auf den ersten Blick scheintes so, daß die CGM sich die politischeRechtsentwicklung bei den türkischenArbeitern zu Nutze machen konnte undeine Allianz mit nationalistisch-faschi-stisch gesinnten türkischen Arbeiternbilden konnte.

• Zusätzlich zu den IG-Metall-Verlu-sten von jeweils 2,7 % im Arbeiter- undAngestelltenbereich muß die um 5–6 Pro-zent gesunkene Wahlbeteiligung beach-tet werden, d.h. die Bindung der Be-schäftigten insgesamt zur IG Metall ist inauffällig stärkerem Maße als das relativeWahlergebnis gesunken, was die Interes-senvertretung gegenüber dem Kapitalnicht erleichtern wird.

• Die Verluste der DAG über ein Jahr-zehnt hinweg haben jetzt existenzielleAusmaße ausgenommen. Nachdem beiden letzten Wahlen offensichtlich DAG-Wähler im großen Umfang zur IG Metallwechselten, verlief jetzt der WechselRichtung CGM. Ob es sich dabei um eineReaktion auf die aktuelle Orientierungder DAG hin zur Bildung einer gemein-samen Dienstleistungsgewerkschaft mitverschiedenen DGB-Gewerkschaft han-delt, läßt sich ebenfalls einzig aus demWahlergebnis bei Mannesmann Sachsnoch nicht beurteilen. cls

Angest. 1987 1990 1994 1998Wahlbeteil. 75.9 % 74,3 % 74,5 % 68,5 %IG Metall 55,4 % / 4 Sitze 60,7 % / 5 Sitze 67,9 %/6 Sitze 65,2 %/5 SitzeDAG 31,5 % / 2 Sitze 28,5 % / 2 Sitze 22,7 %2 Sitze 16,5 %/1 SitzCGM 13,1 % / 1 Sitz 10,8 % / 1 Sitz 9,4 %/0 Sitze 18,3 %/1 SitzArbeiter 1987 1990 1994 1998Wahlbeteil. 74,9 % 74,8% 79,5 % 73,8 %IG Metall 79,6 %/21 Sitze 82,6 %/21 Sitze 82,2 %/18 Sitze 79,4 %/18 SitzeCGM 20,4 % 5 Sitze 17,4 %/4 Sitze 17,8 %/3 Sitze 20,6 %/4 Sitze

ESSEN. Mehrere hundert Siemens-Beschäftigte demonstrierten am 2.3.98 zur Be-triebsversammlung im Saalbau. Mit Transparenten wie „Siemens – wir ver-nichten Familien“ protestierten sie gegen die Ausgliederung der Montageberei-che und die Anwendung der schlechteren Handwerks-Tarifverträge (s. vorigeAusgabe). Die Betriebsversammlung war mit über 1 600 Beschäftigten viel bes-ser besucht als erwartet. Etliche Teilnehmer hatten nicht einmal einen Sitzplatz.

22 DISKUSSION UND DOKUMENTATION • PB 6/98

Christian Klar soll, wir berichteten, minde-stens 26 Jahre, das heißt weitere elf Jahre,in Haft bleiben müssen. Dies gebiete die„besondere Schwere der Schuld“, urteiltedas Oberlandesgericht Stuttgart, das damitdem Antrag der Bundesanwaltschaft folgte.Einen Zweck – den der Einschüchterung –scheint die Entscheidung bereits erfüllt zuhaben. Öffentliche Kritik blieb bisher fastvollständig aus. Der Linken, aber auch libe-ralen Kritikern, die sich gegen den großenLauschangriff oder andere Entwicklungenhin zum autoritären Staat immerhin noch zuWort gemeldet haben oder die einen teilwei-se langen Kampf gegen die lebenslange Frei-heitsstrafe führen, hat das Urteil augen-scheinlich die Sprache verschlagen. Das istgleich in mehrfacher Hinsicht bedrückend.

Die Praxis des Lebenslang ...

Es gibt die weitverbreitete Auffassung,daß zu lebenslanger Haft verurteilte Ge-fangene – und das sind fast ausschließ-lich nach § 211 („Mord“) verurteilte Ge-fangene – in der Regel nach 15 bis aller-höchstens 20 Jahren entlassen werden.Sowandte Oliver Tolmein in einer der ganzwenigen kritischen Stellungnahmen zumUrteil gegen Christian Klar im Freitag“(6.3) ein: „Zwar wird gemeinhin mit Mör-dern, auch NS-Massenmördern, wennüberhaupt je wegen Mordes verurteilt,Sexualstraftätern, die Frauen und Kin-der gequält und getötet haben, andersumgegangen – sie sitzen in der Regelnicht länger als 20 Jahre ein.“ Das trifftzu für die NS-Verbrechen an der jüdi-schen Bevölkerung Europas, den Völkerndes europäischen Ostens und der Bevöl-kerung in anderen besetzten Gebieten,anden Roma, an zu „Volksfeinden“ erklär-ten Minderheiten ..., also für jene Verbre-chen, die im Namen Deutschlands und inAusübung des staatlichen Gewaltmono-pols verübt wurden.Ansonsten trifft die-se Aussage jedoch nicht zu. Die lebens-lange Freiheitsstrafe wird in der BRDdurchschnittlich 21 Jahre lang voll-streckt, länger als in jedem anderen Landin Europa.Viele Gefangene sind mehr als25 Jahre inhaftiert, und in den vom Ko-mitee für Grundrechte und Demokratiedurchgeführten Anhörungen gegen dielebenslange Freiheitsstrafe (im Mai 1993und März 1994) wird sogar von Fällen be-richtet, in denen Vollstreckungskammerneine Mindesthaftdauer von 40 und sogarvon 50 Jahren (!) für „schuldangemes-sen“ halten. Für jeden sechsten der zu le-benslang Verurteilten wird das Urteilbuchstäblich bis zum Tode vollstreckt:Sie sterben im Gefängnis.

Der OLG-Entscheid gegen ChristianKlar ist nicht deshalb so unerträglich,weil die Länge der Mindesthaft völligeinzigartig wäre, sondern er ist auch des-

halb unerträglich, weil die angeordneteMindesthaftzeit nicht einzigartig ist. Erwirft ein Licht auf die Praxis des „Le-benslang“ und müßte Anlaß für einenneuen Anlauf sein, die lebenslange Frei-heitsstrafe als grausam und „Todesstra-fe auf Raten“ zu ächten. Darüber hinausallerdings hat das Urteil angesichts desgegen die Gefangenen aus der RAF prak-tizierten Sonderrechts und der immernoch praktizierten Sonderhaftbedingun-gen und angesichts des zugrundeliegen-den politischen Konfliktes eine besonde-re Bedeutung.

... unter den Bedingungen der Isolations-haft für die Gefangenen aus der RAF

Jede langdauernde Haft widersprichtdem Grundrecht auf körperliche Unver-sehrtheit und der freien Entfaltung derPersönlichkeit.Leben kann sich nur in ei-ner vielfältigen Wirklichkeit, im freienAustausch mit anderen Personen ver-wirklichen und entwickeln. Den Men-schen, denen diese Möglichkeit auf langeZeit entzogen wird,wird Furchtbares an-getan. Ihre psychische, soziale und wirt-schaftliche Existenz wird vernichtet undauch ihre physische Existenz irreparabelbeschädigt. Um wieviel mehr gilt dies für

Der Staat statuiert ein Exempel

Freiheit für Christian Klar!

Widerstand gegen das staatliche Gewaltmonopolin Aktion

Menschen, die wie die Gefangenen ausder RAF jahre- und jahrzehntelang Iso-lationshaftbedingungen bis hin zur völ-ligen Kontaktsperrung unterworfen wa-ren und immer noch sind und die, als po-litische Menschen, in ganz hohem Maßeauf Kommunikation angewiesen sind.

Gerade Christian Klar ist bis heute instarkem Maße Sonderhaftbedingungenausgesetzt: wenig Besuche, Postkontrol-le,Verbot, an einem Informatik-Fernstu-diengang teilzunehmen, Verbot von In-terviews, selbst für das Recht, mit An-gehörigen zu telefonieren, mußte er fünfWochen in den Hungerstreik treten.

Auch wenn es schwer sein mag, die po-tenzierte Gewalt langjähriger Isolations-haft zu (er)messen, gibt es in anderenLändern Regelungen, erschwerte Haft-bedingungen mehrfach anzurechnen.Selbst das Celler Oberlandesgericht hatdie Haftbedingungen von Kani Yilmaz imHochsicherheitsgefängnis Belmarsh-Prison, wo er 1014 Tage lang in Ausliefe-rungshaft saß, mit dem Faktor 1,2 ange-rechnet.Würden die Gerichte im Fall derRAF-Gefangenen zu einer halbwegs an-gemessenen Anrechnung der Sonderhaftgezwungen werden können, könnten, jamüßten nahezu alle sofort entlassen wer-den.

Umgekehrt bedeuten die 26 Jahre Min-desthaft für Christian Klar unter den be-kannten Bedingungen, daß Bundesan-waltschaft und OLG mit kalter Berech-nung jede Lebensperspektive zu vernich-ten, in Raten ein Todesurteil zu vollstrek-ken suchen.

Die Botschaft des Urteils

In diesen Tagen wurde Peter-JürgenBoock,zu dreimal lebenslanger Haft plus15 Jahren verurteilt, nach 17 Jahren Haftentlassen,nachdem er bereits viereinhalbJahre Freigänger war.Peter Jürgen Boockgehörte wie Christian Klar der RAF an,war wie dieser im Zusammenhang mitder Tötung von Ponto und Schleyer ver-urteilt. (Andere in diesem Zusammen-hang Verurteilte wie Susanne Albrechtund Monika Helbig sind als Kronzeugin-nen zu Zeitstrafen verurteilt und nachwenigen Jahren entlassen worden.) ImUnterschied zu Peter-Jürgen Boock hatChristian Klar keine Aussagen über (an-

PB 6/98 • DISKUSSION UND DOKUMENTATION 23

gebliche) Sachverhalte und die (angebli-che) Beteiligung anderer gemacht, wedermit den Verfolgungsbehörden zusam-mengearbeitet noch sich als „Ex-Terro-rist“ der Öffentlichkeit präsentiert undals Kronzeuge für die politische und mo-ralische Verwerflichkeit der RAF und ih-rer Politik und die Legitimität der staat-lichen „Antiterrorismusbekämpfung“ zuMarkte getragen. Dafür wird er mit wei-teren elf Jahren mindestens abgestraft.

Beides zusammen – die Entlassung Pe-ter-Jürgen Boocks und die maßlose Aus-dehnung der Haft für Christian Klar –enthält eine an die Öffentlichkeit gerich-tete Botschaft: daß der Staat durchaus„Milde“ walten lasse gegen die, die ihreTaten bereuen, Härte aber gegen die, diedas nicht tun. Tatsächlich legitimiert dievermeintliche „Milde“ gegen Boock, sei-ne „vorzeitige“ Entlassung, die maßloseHärte gegenüber Christian Klar.

Daß weder Christian Klar noch ein an-derer Gefangener aus der RAF sich nacheiner Entlassung in den Untergrund ab-setzen, um den bewaffneten Kampf wei-terzuführen, weiß die Bundesanwalt-schaft,die die Gefangenen bis in den letz-ten Winkel kontrolliert,nur zu genau.Daskann jeder wissen, der sich mit denBeiträgen der Gefangenen zur Diskussi-on auch ihrer Geschichte befaßt. Nichtdarin also liegt der Grund für die weite-re Inhaftierung. Das Gericht behaupteteine „besondere Schwere der Schuld“,die nicht nur darin besteht, daß die RAFdas staatliche Gewaltmonopol offen inFrage gestellt hat. Vor allem besteht siedarin, daß Christian Klar sich von derÜbermacht des Staates nicht hat über-wältigen lassen, daß er den Kniefall ver-weigert, daß er an seinen politischen Mo-tiven, an der Kritik der imperialistischenPolitik der BRD auch in der Haft festhält.Mit den 26 Jahren Mindesthaftzeit hältder Staatsapparat an der vom faschisti-schen Staatstheoretiker Carl Schmitt be-gründeten und im Kampf gegen die RAFstets praktizierten Linie fest, politischeGegner als Feinde aus der Gesellschaftauszugrenzen und zu vernichten.

In den 60er Jahren hatte die BRD mitder Unterstützung für den US-Aggressi-onskrieg gegen Vietnam damit begonnen,erneut offene Gewalt zur Gestaltung po-litischer Verhältnisse anzuwenden. Daswar eine der Entstehungsbedingungenfür die RAF. Heute ist die BRD auf die-sem Weg weit fortgeschritten. PolitischerWiderstand, wie schwach er momentanauch scheinen mag, ist unvermeidlich.Mit dem Urteil gegen Christian Klar sta-tuiert der Staat ein Exempel, um nichtnur das Prinzip des staatlichen Gewalt-monopols, sondern den aggressiven Ge-brauch staatlicher Gewalt nach innenund außen zu bekräftigen und Oppositi-on und Widerstand einzuschüchtern. Inden Versuchen, den Widerstand dagegenzu organisieren, muß die Forderung nachder Freilassung der Gefangenen aus derRAF auch deshalb stets gegenwärtig sein.

scc

Die Organisation „Witikobund“, die dasäußerst rechte Ferment der Sudetendeut-schen Landsmannschaft darstellt, be-stimmt ihre Politik hinter den Kulissen,und zwar von der Formulierung der stra-tegischen Konzeption der Landsmann-schaft bis zu den grundlegenden politi-schen Schritten ihrer Umsetzung. DenWitikobund haben kurz nach dem zwei-ten Weltkrieg die ehemals aktiven Nazis(vor allem die einstigen Aktivisten vonHenleins Sudetendeutscher Partei SdPund später der NSDAP im sogenanntensudetendeutschen Gau) gegründet, umunter neuen Bedingungen die Tätigkeitfortzusetzen, die die Erhaltung des scharfnationalistischen („völkischen“) anti-tschechischen Charakters der Bewegungverfolgt; einer Bewegung, die ihre histo-rische Aufgaben schon seit Beginn desJahrhunderts in der „Befriedung destschechischen Raums“, als „Schutzwalldes deutschen Siedlungsgebietes“ oder„Vorposten des Deutschtums“ sah.Die re-lativ geringe Mitgliederzahl des Witiko-bundes steht im umgekehrten Verhältniszum Einfluß, den diese Organisation imRahmen der Landsmannschaft ausübt.

Der Schwerpunkt der Programmatikund der praktischen Politik des Witiko-bundes liegt in dem Bemühen der Revi-sion der Resultate des 2. Weltkriegeseinschließlich der Rückkehr der sog. Su-detendeutschen in die tschechischenGrenzgebiete und ihrer Entschädigung.In den Konzeptionen des Witikobundesspielen dauerhaft der antitschechischeChauvinismus, Rassismus, Antisemitis-mus eine bedeutende Rolle, ebenso dierechtsstaatlichen Konstruktionen, Teileder tschechischen Grenzgebiete („Sude-tenland“) aus der Souveränität des tsche-chischen Staates herauszulösen. Die Wi-tikobund-Mitglieder haben die entschei-denden Positionen in der Führung derLandsmannschaft inne; der Sprecherund Vorsitzende der SL Franz Neubauer,obwohl kein Mitglied des Witikobundes,respektiert seine Mission und arbeiteteng mit ihm zusammen. Schon anläßlichdes Jahrestreffens des Witikobundes 1982in Bad Mergentheim erklärte Neubauer:„Mir ist nichts bekannt, was auch nur imgeringsten die freiheitlich-demokrati-sche Grundeinstellung des Witikobundesin Zweifel zu ziehen vermöchte. Die po-litischen und Sicherheits-Verhältnisse inder Bundesrepublik Deutschland sähenbesser aus, wenn sich alle Einrichtungenund Bewegungen unseres Staates dergleichen demokratischen Grundhaltungbefleißigt hätten ... Erlauben Sie mir, daßich bei Ihnen ein Freund unter Freunden,ein Kamerad unter Kameraden zu blei-ben vermag!“ Erinnern wir daran,daß im

höchsten Gremium der SL - der Bundes-versammlung - sogenannte Witikonen al-le Schlüsselpositionen besetzen.Der Prä-sident der Bundesversammlung (HansSehling), beide Vizepräsidenten (RolandSchnürch und Werner Nowak) sowie dieVorsitzenden von mindestens fünf vonacht Ausschüssen der Bundesversamm-lung sind WB-Mitglieder.

Der derzeitige Vorsitzende des Witiko-bundes Horst-Rudolf Übelacker meint,daß „die Rückgabe des sudetendeutschenSiedlungsgebietes als Ganzes und dieRückerstattung des sudetendeutschen In-dividual- und Kollektiv-Eigentums mit,neuen Vertreibungen‘ nicht das geringstezu tun (hat). Wenn ein Tscheche vom su-detendeutschen Eigentümer aufgefordertwürde,das Haus zurückzugeben,so könn-te er sich jederzeit ,einige Häuser weiter‘eine andere Bleibe suchen, ohne daß mandeshalb von ,Vertreibung’sprechen könn-te und zugleich - unzulässige - Assozia-tionen zu den Schreckensereignissen von1945/46 herstellen müßte“.

1996 veröffentlichte Übelacker NeunForderungen der Sudetendeutschen, dieder Witikobund offen vertritt und die al-so auch die SL-Führung akzeptiert. Die-se „Forderungen“ enthalten u.a.: „2.Rückgabe des gesamten sudetendeut-schen Eigentums. 3. Entschädigung fürnicht rückgebbares sudetendeutsches Ei-gentum. 4. Entschädigung für durchTschechen verursachte Personenschädenan Deutschen bzw. Sudetendeutschen. 5.Entschädigung für sudetendeutschesKollektivvermögen. 6. Verhandlungenüber die Gewährung kollektiven sude-tendeutsch/deutschen Selbstbestim-mungsrechts einschließlich des Rechtsauf die Heimat ...“

Die Lage nach 1989 ermöglichte demWitikobund, seine Tätigkeit auf das Ter-ritorium der Tschechischen Republik zuerstrecken und dort ungestört zu ent-wickeln, und zwar bei ausgiebiger Unter-stützung durch die pro(sudeten)deutscheLobby in tschechischen Regierungskrei-sen, im Parlament, in rechten politischenParteien und öffentlichen Institutionen.Getreu seiner Taktik des Hinter-den-Ku-lissen-Taktierens dringt der Witikobundin die Tschechische Republik nicht unterseiner eigenen Flagge,sondern mittels an-derer Organisationen, Institutionen, Ein-richtungen und Gremien ein, die er infil-trierte und die er ausgeprägt, sogargrundsätzlich beeinflussen kann.

Die Hauptorganisation, durch die derWitikobund sich in der TschechischenRepublik fest verankerte, ist das schein-bar unpolitische Sudetendeutsche Sozi-al- und Bildungswerk (SSW). Sein Bun-desvorsitzender ist Wolfgang Egerter, der

Zu einigen Aspekten der tschechischen Variante des„Drangs nach Osten“

Im Netz des Witikobundes

24 DISKUSSION UND DOKUMENTATION • PB 6/98

stellvertretende Vorsitzende des Witiko-bundes und einer der größten Strategender Sudetendeutschen Landsmann-schaft. Sein Stellvertreter im SSW istReinfried Vegler, der ehemalige WB-Vor-sitzende. Laut Egerter muß sich das SSW„stärker den Aufgaben widmen, die sichdurch die Wiedervereinigung Deutsch-lands und durch die Öffnung der Gren-zen im Osten ergeben“. Das bedeutet inder Praxis, daß das SSW hinter der Bil-dung der SL-Organisationen in den neu-en Bundesländern stand und steht unddaß das SSW (bzw. der Witikobund) vonder SL-Führung den Auftrag bekam,Trä-ger der Zusammenarbeit mit den Orga-nisationen der deutschen Minderheit undHauptinstrument der Festigung der SL-Positionen in der Tschechischen Repu-blik zu sein.

Der SSW-Landesvorsitzende in Bay-ern, Dieter Max (Mitglied des Witiko-bundes),sagte in diesem Zusammenhang:„Wir knüpfen vielmehr an die Traditionder Schutzverbände in der alten Heimat,dem Bund der Deutschen und dem Deut-schen Kulturverband, an, die sich durchtatkräftige Hilfe gegen die Entnationali-sierungsversuche des tschechischenStaates zur Wehr setzten und deren Zieldie Erhaltung der sudetendeutschenVolksgruppe war.“ (Erinnern wir uns,daßdiese „Schutzverbände in den 30er Jah-ren ein sehr wirksames Instrument wa-ren, mit dessen Hilfe die Henlein-LeuteEinfluß unter der deutschen Bevölkerungin der damaligen Tschechoslowakei ge-wannen.)

Einer der wichtigsten Bestandteile derTätigkeit des SSW ist deshalb - laut Max- „die grenzüberschreitende Arbeit hin-über in die Tschechische Republik,mit derja gerade in der letzten Zeit schon erfol-greich begonnen wurde“. Eine sehr engeZusammenarbeit knüpfte das SSW in derTschechischen Republik v.a. mit der Uni-on für gute Nachbarschaft mit deutsch-sprachigen Ländern an, und diese beidenOrganisationen arbeiten zugleich mitdem Prager Büro der Hanns-Seidel-Stif-tung zusammen. Die erwähnte Union hatgute Kontakte nicht nur mit den rechtentschechischen Parteien,sondern auch,vorallem mittels ihrer Mitglieder in Deutsch-land,direkt mit dem Witikobund.Als Bei-spiel für solche „persönlichen Verbindun-gen“ kann der WB-Funktionär HorstLöffler dienen, der zugleich als Beraterdes Franz Neubauer wirkt.

Immer stärkeren Einfluß entwickeltdas SSW auf die Organisationen dertschechischen Bürger deutscher Natio-nalität - vor allem auf die „überdachen-de“ Landesversammlung der Deutschenin Böhmen, Mähren und Schlesien. ImHauptpresseorgan der Landesversamm-lung (dem Landesanzeiger) z.B. stand,„Unterstützung fanden und finden diedeutschen Verbände in der TschechischenRepublik im Sudetendeutschen Sozial-und Bildungswerk e.V. ...Aus kleinen An-fängen entwickelte sich diese ,grenzü-berschreitende Arbeit’ des Sozial- und

Bildungswerkes zu einer inzwischen sehrwichtigen Säule seiner Bildungs- undBegegnungsveranstaltungen.“

Eine erhebliche Vertiefung der „grenz-überschreitenden Arbeit“ ermöglichten -wieder laut Landesanzeiger - die Kon-takte des SSW mit der WestböhmischenUniversität in Pilsen und mit der StiftungEuropäisches Comenium in Cheb (dieStiftung leitet der BRD-Bürger FrankBoldt, der zugleich den Lehrstuhl „Ge-schichte“ an der Pädagogischen Fakultätder Westböhmischen Universität leitet).

Im September 1997 hat das SSW zu-sammen mit der Landesversammlungund mit der Stiftung Europäisches Co-menium das Symposium „Deutsche undTschechen“ veranstaltet. Die Hauptrefe-rate haben W. Egerter und F. Boldt gehal-ten.Die Teilnehmer haben sich u.a.für dieTeilnahme der Sudetendeutschen an demGesprächsforum ausgesprochen, und zu-gleich haben sie die Standpunkte dertschechischen Vereinigung der Bürger,dienach 1938 aus dem Grenzgebiet vertrie-ben wurden,also die Organisation,die diePolitik der Sudetendeutschen Lands-mannschaft kritisiert, ausgegrenzt. F.Boldt erklärte in diesem Zusammenhang,daß „die Chance zur Annäherung undVersöhnung nur im Dialog und in kon-kreter Basisarbeit, nicht aber in monolo-gisierenden Stereotypen zu suchen sei“;als ein positives Beispiel nannte er gera-de seine Stiftung.

W. Egerter sagte auf dem Symposium,daß in den letzten zwei Jahren das SSWinsgesamt 33 sogenannte „grenzüber-schreitende Seminare“ und andere Ver-anstaltungen mit mehr als 1.000 Teilneh-mer veranstaltet habe. Wer die Stellun-gnahmen Egerters, die oft in der sude-tendeutschen Presse veröffentlicht wer-de, kennt, der muß sich notwendig darü-ber klarwerden, welche Resultate die„grenzüberschreitende Arbeit“ des SSW(und das heißt des Witikobundes und derSudetendeutschen Landsmannschaft)haben soll. „Die Erkenntnis, daß die Sta-bilität und die Förderung der Demokra-tien in den jungen Staaten des immernoch auseinanderbrechenden Ost- undMittelosteuropas zutiefst deutsche Wirt-schafts- und Sicherheitsinteressenberührt, muß auch Richtschnur für dasHandeln der SL sein, will sie erfolgreichdie Interessen der ganzen Volksgruppeberücksichtigen. Jede Investition dort isteine den deutschen Interessen dienendeInvestition“, meint Egerter.

Man kann voraussetzen, daß in demvor uns liegenden Zeitrum,, d.h. in derZeit, in der der Zukunftsfonds und dasDialogforum entstehen, der Witikobundmit Hilfe der tschechischen Helfer alleMöglichkeiten ausnutzen wird, um sei-nen Einfluß zu erweitern und seine Zieleschrittweise zu realisieren. Die davonnicht zu trennenden Bedingungen, derriesige ökonomische und politische Ein-fluß Deutschlands in der TschechischenRepublik, sind für den Witikobund be-sonders günstig. E.H., Pilsen

Den Wahlkampf gegenRechts führen ...Auf dem Wahlparteitag der PDS-Hessenam 22.3. wird der ehemalige Frankfur-ter SPD-Vorsitzende Fred Gebhardt fürPlatz 1 der Landesliste zu den Bundes-tagswahlen kandidieren. Er war EndeFebruar aus der SPD ausgetreten.Er hatseinen Austritt aus der SPD, der er seit1945 angehörte, unter anderem mit derZustimmung zum sog. großenLauschangriff, der fehlenden kämpferi-schen, politischen Auseinandersetzungmit der reaktionären und unsozialen Po-litik von CDU und FDP und der kampf-losen Aufgabe sozialdemokratischer Po-sitionen in der Ausländerpolitik be-gründet. Fred Gebhardt gehörte 13 Jah-re der SPD-Fraktion des Landtags anund war zeitweilig Mitglied des SPD-Parteirats und des Frankfurter Magi-strats. Seine Entscheidungen stehen ineinem Zusammenhang mit politischenDiskussionen im Umfeld der Frankfur-ter SPD, insbesondere dem „Forum fürsozialistische Verständigung“. Diesesvon dem Frankfurter SPD-Politiker Dr.Dieter Dehm im Hinblick auf die Bun-destagswahlen initiierte Forum trat jetzt

mit einer Erklärung an die Öffentlich-keit, die wir hier auszugsweise doku-mentieren. Mitglieder des FrankfurterSPD-Vorstandes und des Landesvor-standes haben mit Drohungen undGehässigkeiten auf die durch das „Fo-rum“ initiierte Diskussion reagiert.Gegen UnterzeichnerInnen der Er-klärung, die der SPD angehören, wur-den Parteiordnungsverfahren einge-leitet. – Fred Gebhardt, der der PDSnicht beitreten will, hat erklärt, daß,

für den Fall, daß die PDS-Landesver-sammlung ihn wählt, er nicht versuchenwird, der SPD Stimmen abzujagen. ola

„In Erwägung, (…) • daß Arbeits-und Ausbildungsplätze, mittelständi-sche Unternehmer, die ca. 30 000 Kon-kurse in 1997 zu verzeichnen hatten,ebenso wie lebensnotwendige Umwelt-ressourcen und sozialstaatliche Leistun-gen mit einer weiteren Schwächung derLinken um so ungezügelter vernichtetwürden.• daß gesellschaftliche Alterna-tiven für ein anderes Wirtschaften, zurUmverteilung von Arbeit,Vermögen undKapital, für regionale Märkte mit weni-ger Müll-, Stoff- und Energievergeu-dung ohne eine stärkere sozialistischeLinke noch mehr von Resignationgelähmt würden, • daß es für die SPDein „ziemliches Kunststück wäre, dienächste Bundestagswahl zu verlieren“(Erhard Eppler). Aber daß es dann wei-ter so kapitalhörig zugehe, wenn esaußer den Gewerkschaften keine ande-re Kraft links von der SPD gäbe - zumalsich die Grünen zügig von ihren linkenInhalten abnabeln, • aber auch, daß diePDS ihren Teil der Geschichte noch nichtausreichend aufgearbeitet hat. Auch inden Augen vieler, die die PDS in der Par-teienlandschaft für unverzichtbar hal-

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ten,• daß sowohl eine große Koalition, ei-ne absolute „rotgrüne“ Mehrheit,als aucheine verfassungsgemäße Minderheitsre-gierung ebenso, wie ein innersozialdemo-kratisches, linkes Korrektiv, eine außer-parlamentarische Bewegung und im Bun-destag mehr Sozialistinnen und Soziali-sten braucht, • daß der mühsame Ausbauvon Verständigung und Solidarität unterSozialistinnen und Sozialisten - beson-ders in SPD und PDS - zur Verteidigungsozialer, ökologischer, demokratischerund kulturelle Rechte gegen die Willkürder Herrschenden notwendig ist, • daß ei-ne erfolgreiche Mobilisierung „gegenrechts“ und für Frieden mit einem über-zeugenden Entwurf für ein besseres Le-ben mit einer neuen öffentlichen Diskus-sion über Demokratischen Sozialismusgelingen kann, • daß das gesellschafts-und sozialpolitische Engagements der Ge-werkschaften und der beiden großen Kir-chen auch aus dem Parlament heraus dau-erhaft begleitet werden muß, • daß derLinken, den Interessen der Menschen mitund ohne Arbeit, auch den kleinen undmittleren Unternehmen, dem Sozialstaatund dem Umweltschutz also mit einerstarken Sozialdemokratie und konse-quenten und kooperativen Linksoppositi-on im Bundestag einmalige Möglichkeitenerhalten bleiben müssen, haben wir be-schlossen, nunmehr alles uns mögliche zutun, damit Sozialistinnen und Sozialistenfür die Interessen der Mehrheit unseresVolkes in größerem Konsens handeln, da-mit die Verdrängung der PDS aus demParlament nicht zum Wahlziel der SPDwird, sondern SPD und PDS endlich ler-nen, respektvoll miteinander umzugehenund sich gegenseitig als Chance füreinan-der zu begreifen, statt sich … zu bekämp-fen.Der Wahlkampf der Linken wird nichtgegen Linke geführt, sondern gegenRechts und den neoliberalen Zeitgeist!“

Kandidatenintrigen inBaden-WürttembergWie das Neue Deutschland berichtete,willsich Dorothee Piermont, ehemals Europa-abgeordnete der Grünen, heute parteilos,für den Listenplatz 1 auf der Landeslisteder PDS Baden-Württemberg bewerben.Was das „Neue Deutschland“ nicht er-wähnte, daß es bereits mit Winfried Wolfeinen Abgeordneten gibt, der sich wiederbewerben will. Frau Piermont hatte be-reits vor vier Jahren versucht, in Bayernein PDS-Ticket in den Bundestag zu er-halten, allerdings vergebens, weil die dor-tige PDS jemanden aus dem Lande denVorzug geben wollte. Aus dem Landestammt Frau Piermont, sie betreibt in Of-fenburg ein Buchantiquariat. Was sie po-litisch anders machen will als der bishe-rige Abgeordnete, ist nicht bekannt. Kri-tik an Winfried Wolfs Arbeit hat sie nichtgeäußert, so wenig wie ein politisches Pro-gramm vorgestellt, noch hat sie dargelegt,wie sie mehr Stimmen für die PDS sam-meln will als Wolf. Bekannt ist aber, daß

es im Landesverband Baden-Württem-berg rund um die Pitterle-Plattform Kräf-te gibt, die den jetzigen Abgeordneten„abschießen“ wollen, und daß diese Kräf-te Unterstützung von Teilen des Bundes-vorstands der Partei haben.

Die Situation für die aufstellende Lan-desversammlung am 25. April wird vondiesen Leuten gegenwärtig präpariert.Gespräche des Bundesgeschäftsführersder Partei, Dietmar Bartsch, mit FrauPiermont. Anfang März dann Kandidaturvon Piermont für den Wahlkreis Offen-burg, was von der dortigen Versammlungeinhellig begrüßt wird. Auf dieser Ver-sammlung Vorschlag, Frau Piermont sollefür Platz 1 der Landesliste kandidieren;14 sind dafür, 5 enthalten sich. Dann dererwähnte Artikel im Neuen Deutschland.Fortsetzung am 16. März in Stuttgart.Winfried Wolf hatte seit längerem Inter-esse geäußert, als Direktkandidat für denWahlkreis 162 in Stuttgart aufgestellt zuwerden. Er hielt es für möglich, zusätzlichentscheidende Zweitstimmen für die PDSzu sammeln, wenn er mit Sachkompetenzin Verkehrsfragen gegen die Kandidatender anderen Parteien antritt, nämlich ge-gen den CDUler Henke, Staatssekretär imVerkehrsministerium, gegen Ulrich vonWeizsäcker, Wuppertaler Umweltinstitut,der für die SPD kandidiert, und RezzoSchlauch für die Grünen. Bei Gesprächenim Vorfeld wurde Winfried Wolf auch vonden Leuten aus der Pitterle-Fraktion, diein Stuttgart die Mehrheit bilden, zugesi-chert, daß sie sich für ihn aussprechenwürden. Auf der Versammlung am 16.

März, an der 13 stimmberechtigte Mit-glieder der PDS aus Stuttgart teilnahmen,stimmten dann 5 für Winfried Wolf, 8Stimmen erhielt der Gegenkandidat MaxEifler, der als Bürokraft für die PDS Ba-den-Württemberg arbeitet und der nochnachmittags auf Anfrage geäußert hatte,ihm sei kein Gegenkandidat gegen Wolfbekannt. Damit ist ein Kandidat aufge-stellt, der nicht viel mehr als die 8 Leute,die auf dieser Versammlung für ihn ge-stimmt haben, für den Wahlkampf derPDS mobilisieren kann. Aber wahr-scheinlich hat der Gedanke, einen Direkt-kandidaten zu haben, der zahlreiche neueKräfte für die PDS mobilisiert, diesenClub ziemlich erschreckt. alk

Druck von links …Am 15.3. hat die PDS Niedersachsen denBundestagswahlkampf eröffnet. Sie willihrerseits einen Beitrag dazu leisten,Kohl abzulösen, und für einen Wechselhin zu einer sozialen und solidarischenPolitik eintreten. Hierfür ist der Druckvon links durch eine gestärkte PDS un-verzichtbar. Die PDS Niedersachsen willihren Stimmanteil verdoppeln undzukünftig 2 Abgeordnete nach Bonnschicken. Auf einer Pressekonferenz desLandesverbandes hatten der Bundes-tagsabgeordnete Rolf Köhne und HeidiLippmann-Kasten, bisher für Bündnis90/Grüne im niedersächsischen Landtag,ihre Bereitschaft zur Kandidatur erklärt.Über die Landesliste entscheidet derLandesparteitag am 9. Mai in Hannover.

Presseinformation, 16.3.98

HHEERRUUMMGGEETTRRAAMMPPEELLTT:: Letztes Wo-chenende trat der Wahlkampfleiter derPDS Bund, André Brie zurück, tags dar-auf vom Rücktritt zurück. Die Aufstel-lung der Landeslisten der PDS geht mitRandale und Skandal voran. Der Wahl-kampfleiter legt es darauf an, aus allenEcken der Milieus Kandidatinnen undKandidaten herauszukehren, wahr-scheinlich meint er, dadurch die PDS inallen Milieus wählbarer zu machen. DiePresse zeigt sich von der bisherigen Kan-didatenfindung nicht beeindruckt. EinGrund dafür dürfte sein, daß bis jetzt we-niger Parteilose im Gespräch sind, son-dern Leute, die ihren Einfluß in anderenParteien oder Verbänden aus irgendwel-chen Gründen verloren. Hat Brie recht,wenn er die fehlende Begeisterung derPartei auf das Wirken von Gruppen- oderRegionalinteressen zurückführt, die mitdrastischen Mitteln auf das Allgemeinin-teresse der Partei hinzuweisen wären?Wenn Kandidatinnen und Kandidatenaufgestellt werden, die durch ihre bishe-rige Praxis mit der Partei nicht verbun-den sind und folglich keinen eigenen Ein-fluß in der Partei haben, so sind diese kei-neswegs unabhängig, sondern, falls ge-wählt, von der Personengruppe, die fürsie eingetreten ist, so gut wie ganz ab-hängig. Könnte man nicht mal in Ruhedarüber nachdenken, daß Kandidatin-nen und Kandidaten, die ohne Fürspra-

che der Parteiprominenz die Aufstel-lungsversammlungen nicht überzeugenkönnten, ganz ähnliche Schwierigkeitenauch bei der Überzeugung von Wählerin-nen und Wählen haben dürften? Brie hatseine Sache dadurch zu vertreten ver-sucht, daß er von seiner Arbeit zurück-trat, um nach „Gesprächen“ wieder ein-zusteigen. Brie, der andere Leute damitseckiert, daß sie wohl noch „nicht im We-sten angekommen“ wären, muß gesagtwerden, daß jede wohlgeordnete bürger-liche Institution einen Manager, derdurch Ausstieg in einer Krisensituationwas zu erreichen sucht, umstandslos ab-schafft. Brie kann damit nur in einer Kul-turtradition durchkommen, die von derAngst geprägt war, daß die Leute einfachweglaufen.Die Folgen des Spektakels für den Wahl-kampf? Kaum welche. Bisherige Wahler-fahrungen zeigen, daß es den Wählernnicht wichtig ist, wer für die PDS kon-kret kandidiert. (Gysi auf der Landesli-ste der PDS NRW: Nulleffekt! Müller, denkeiner kannte, in Berlin: Direktmandat!)Vor allem aber werden die Kandidatin-nen und Kandidaten, die letztlich aufge-stellt werden, in korrekten geheimenWahlen aufgestellt worden sein, und dieParteitage der PDS verdienen Vertrauen.Auf die Mitgliedergewinnung wird sichdas autoritäre Gehabe der Parteiführungallerdings schädlich auswirken. maf

26 DISKUSSION UND DOKUMENTATION • PB 6/98

PDS AG Kommunalpolitik und AG Betrieb und Gewerkschaft Stuttgart

Linke Wirtschaftspolitik in der DiskussionMit Christine Ostrowski, Kommunal- undLandtagsabgeordnete der PDS aus Dresden,Ronald Weckesser, ebenfalls aus Dresden,Mitarbeiter der PDS-Fraktion im Landtag, da-vor Selbständiger in einem Kleinunterneh-men, das aus dem Großkombinat Robotronhervorging, sowie Frank Iwer aus Stuttgart,Regionalwissenschaftler mit gewerkschaft-licher Orientierung und Mitarbeiter im IMU-Institut, einem selbstverwalteten Unterneh-men, waren sachkundige Referenten einge-laden, die zusammen mit einem ebensosachkundigen und interessierten Publikumdafür sorgten, daß ein lohnender Diskussi-onsabend zustande kam.

Für Freitagabend, 6. März, hatten diePDS Arbeitsgemeinschaften Kommunal-politik Stuttgart und Betrieb und Ge-werkschaft eingeladen zum Themenfeld:Förderung von Klein- und Mittelbetriebcontra Einhalten von Tarifverträgen? Ge-kommen waren 17 Leute.

Zunächst schilderten die Dresdner Ge-nossen anschaulich die Lage von kleinenund mittleren Unternehmen in Sachsen(Betriebe bis zu etwa 50 Beschäftigten).Viele Neugründungen von solchen Be-trieben waren aus der Auflösung vonKombinaten und Großbetrieben der ehe-maligen DDR entstanden, weil dort Be-schäftigte einen Arbeitszusammenhang,ein Projekt fortsetzen wollten,keine Aus-sichten auf dem Arbeitsmarkt sahen undähnlichen Gründen.Diese Leute,die häu-fig vorher leitende Positionen innehatten(Abteilungsleiter, Kombinatsleiter) oderhochqualifizierte Arbeiten ausübten, ha-ben eine „sozialistische Sozialisation“hinter sich und orientieren sich ideolo-gisch links.Sie sahen sich,zumindest wardas in der Gründungszeit so, nicht als„Chefs“. Die Betriebsform ist häufig ei-ne GmbH, das Eigenkapital von meistnicht mehr als dem Mindestbetrag von50000 DM, wurde oft nicht persönlichoder aus der Familie aufgebracht; der Ge-schäftsführer war nicht Eigentümer, son-dern wurde „ausgeguckt“.

Die PDS in Sachsen war auf das Pro-blem kleine und mittlere Unternehmengestoßen, als sie bei Wahlanalysen fest-stellte, daß ein beträchtlicher Teil ihrerWähler selbständige Unternehmer sind,und sich diese auch direkt an die Parteiwegen politischer Unterstützung wand-ten. Die Probleme dieser Selbständigensind: Mangelnde Eigenkapitalausstat-tung, nur geringe Chancen, staatlicheFördermittel zu erhalten; viele dieser Fir-mengründungen gingen schon nach kur-zer Zeit wieder ein. Die Politik der säch-sischen Staatsregierung unter Bieden-kopf setzt auf sogenannte „Leuchtfeuer-Förderung“, d.h. einige hochtechnisier-ten Inseln von Firmen aus der alten BRD

oder dem Ausland werden aufgezogen,siesollen dann im Umfeld weitere Entwick-lungen nach sich ziehen, was aber nichtstattfindet: So gab es z.B. durchaus dieTechnologie für Mikrochip-Chemie inAusgründungen aus dem Robotron-Kombinat, diese kamen aber nicht zumZuge, weil Siemens oder Motorola ihreChip-Rohstoffe per Flugzeug beschaffen.

Die PDS Sachsen richtete zunächst ei-nen Arbeitskreis Klein- und Mittelunter-nehmen ein, aus dem dann eine selbst-ständige Arbeitsgemeinschaft (OWU, Of-fener Wirtschafts- und Unternehmerver-band) hervorging, die mit ihrer erstenKonferenz im vergangenen Jahr für hef-tige Diskussion in der gesamten PDSsorgte: In ihren sogenannten Mittel-standsthesen, die Ulrike Küstler als Mo-deratorin für die AG Betrieb und Ge-werkschaft noch einmal zusammenge-faßt referierte, stellten die PDS-Selbst-ändigen fest: „Der Arbeitsmakrt wirddurch die sozialen Sicherungssystemezunehmend gefährdet“ (hohe Beitrags-last). Sie forderten u.a.: Freigabe der Ar-beitszeit (keine starren Tarifmodelle),Aufhebung von tarifvertraglichen Rege-lungen für Klein- und Mittelbetriebe,Be-grenzung der Lohnfortzahlung beiKrankheit auf 80%. u.ä. – demgegenüberwurde vorgetragen die Schweriner Be-schlußfassung der PDS: Tarifautonomieverteidigen, öffentliche Fördermittel undAufträge nur an tarifgebundene Anbie-ter, Flächentarifvertrag erhalten.

Frank Iwer vom IMU-Institut wolltenicht in eine allgemeine Verurteilung die-ser Thesen einstimmen,er bezeichnete sieals einen Hilferuf. Die fehlenden theore-tischen Überlegungen führten hier aller-dings zur Übernahme neoliberaler Re-zepte. Umgekehrt sei auch die Antwort:Verteidigung des Flächentarifvertragesnicht sonderlich intelligent; seiner Mei-nung nach handle es sich hier um einenMythos.

Die wirklichen Probleme seien größer:Das Biedenkopf-Modell einer nachho-lenden Entwicklung funktioniert nichtunter den heutigen Bedingungen von Ka-pitalakkumulation und Produktivität.Ebensowenig funktionierten Modelle fürendogenes Wachstum, also abkoppelnvom Weltmarkt zur Entwicklung regio-naler Kreisläufe, die arbeitsplatzintensi-ver sind. Denn heute sei klar, das gingenicht ohne Wohlstandseinbrüche,und dassei in den „erfolgreichen“ Regionen nichtmachbar.

In den Gewerkschaften sehe er einDrama sich abspielen, weil die Wider-sprüche nicht diskutiert werden. DerFlächentarifvertrag habe einen konkur-renzgeschützten Raum geschaffen, deraber nie Fläche war. Die Großbetriebe

konnten übertariflich zahlen, der Ab-stand zu den Zulieferern war da. Wennheute aber (z. T. freiwillig) auf die Zula-gen in den Großbetrieben verzichtetwird, ist der Druck auf die Zulieferer da.Über diesen Konflikt groß gegen kleinwird in der IG Metall nicht offen disku-tiert.

Auch hätte er feststellen müssen, daßdie Entwicklung von Wirtschaftskonzep-ten, die statt der Weltmarktausrichtungregionale Strukturen fördern sollen, ein-fach in ihr Gegenteil verkehrt werdenkönnen: Wenn Stoiber aus Bayern und imGefolge Teufel aus Baden-Württembergmit dem Argument des Regionalismusheute die Standortkonkurrenz der Re-gionen gegeneinander betreiben, sei dasnicht das, was er sich vorgestellt hätte.Ohne eine gesellschaftspolitische Kon-zeption seien Lösungen schwer denkbar.

Verschiedene Gesichtspunkte und Ar-gumente kamen in der dann folgendenDiskussion zur Sprache: AlternativeWirtschaftsformen – ist da mehr möglichals Nischenwirtschaft? Warnung davor,Notlösungen, die Betriebs- und Perso-nalräte in konkreten Fällen treffen müs-sen, zum allgemeinen Konzept zu er-heben. Eine Neuformulierung dessen,was gesellschaftlich, durch staatlicheund gesetzliche Normen als Mindest-standards zu garantieren ist, sei not-wendig: Gegenwärtig habe man beider Linken und der PDS häufig denEindruck sie erwarteten von einervom Staat vorgenommenen Umver-teilung die Lösung aller Probleme.Beider Entwicklung von alternativenProdukten und Dienstleistungenkann es nicht darum gehen, geschützteRäume zu schaffen, die Projekte müssensich der Kritik aussetzen und eine För-derung muß endlich sein.

Von Ronald Weckesser wurde daraufhingewiesen, daß man bei der Beurtei-lung der Forderungen der Mittelstands-vereinigung die DDR-Vergangenheitberücksichtigen müsse: so seien 80%Lohnfortzahlung die gesetzliche Rege-lung in der DDR gewesen.

Zum Mythos Flächentarif: Eine Re-form von Tarifverträgen ist in mehrfacherHinsicht nötig: im Industriebereich wa-ren sie eine Abbildung der tayloristischenArbeitsteilung,die so nicht mehr existiertund die auch niemand mehr will.Was mußtarifvertraglich, was gesetzlich geregeltwerden? So gibt es in Frankreich und Ita-lien ganz anders als hier Bestrebungen,die Arbeitszeit gesetzlich zu verkürzen.

Fazit der Veranstaltung: ein gelunge-ner Anstoß zur Diskussion über linkeWirtschaftspolitik.alk, aus: Kommunale Berichte Stuttgart

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Einladung zum Kongreß

Jahrhundertbilanzder Gewerkschaften8. bis 10. Mai 1998 in HamburgHochschule für Wirtschaft und Politik (HWP)Von-Melle-Park 9 (Nähe Bhf. Dammtor)

VVeerraannssttaalltteerr:: „Freiheit – Gleichheit –Brüderlichkeit“, Bürgerinitiative fürSozialismus • (gegr. 14.7.89 in Han-nover) • Hochschule für Wirtschaftund Politik (HWP) • Gewerkschaft Er-ziehung und Wissenschaft (GEW),Lvb. Hamburg • Deutscher Gewerk-schaftsbund, Kreis Hamburg • Zeit-schrift „Sozialismus“

Der Neoliberalismus ist zur vorherr-schenden Staats- und Wirtschaftsdoktringeworden. Der „Kapitalismus pur“(Klaus Zwickel) mit neuen Technologien,Produktionskonzepten und Verwer-tungsbedingungen stellt die Gewerk-schaften vor kaum lösbare Aufgaben.Ka-pital und Kabinett haben den „Klassen-kompromiß“ der Nachkriegsära aufge-kündigt. Das Sozialstaatsgebot und dieEigentumsverpflichtung des Grundge-setzes werden mit Füßen getreten; Indu-strie-Funktionäre rufen zum Rechts-bruch auf. Sie wollen die Gesellschaft inden „Radikalkapitalismus“ (PierreBourdieu) treiben.

Unter dem Druck der Massenarbeits-losigkeit und veränderter Arbeitsbedin-gungen sinkt die Durchsetzungskraft derGewerkschaften. Wichtige Errungen-schaften,als wichtigste der Flächentarif-vertrag, der einheitliche Arbeitsbedin-gungen sichern soll, werden ausgehöhlt.Der gewerkschaftliche Organisations-grad erreicht einen historischen Tief-stand. Zugleich ändern sich die An-sprüche und Erwartungen der Gewerk-schaftsmitglieder an die Organisation.

Einzelne Gewerkschaften versuchensich jetzt durch Fusionen aus der Krisezu retten. Dadurch erhalten sie eine stär-kere Spitze - aber werden sie auch an derBasis stärker? Durch die Blockbildungwerden hergebrachte gewerkschaftlichePrinzipien (Industriegewerkschaft, Ein-heitsgewerkschaft) brüchig. Führt derWeg zu Richtungsgewerkschaftenzurück? Der Umstrukturierungsprozeßfindet ohne Moderation des DGB statt, sodaß sich die Frage stellt, welche Aufga-ben ihm noch verbleiben. Müßte viel-leicht über ganz andere Strukturen dis-kutiert werden - wie etwa die direkte Mit-gliedschaft im DGB?

Schon wachsen Zweifel,ob es im näch-sten Jahrhundert überhaupt noch Ge-werkschaften geben wird. Vor diesemHintergrund wollen wir Bilanz ziehen.Eine Jahrhundertbilanz gewerkschaftli-cher Arbeit, ihrer Erfolge, Defizite undNiederlagen.Keine Abschlußbilanz,viel-mehr ein Blick zurück nach vorn, um fürdie Auseinandersetzungen heute und

morgen zu lernen. Dabei wollen wir unsexemplarisch auf die deutsche Geschich-te konzentrieren, ohne internationaleZusammenhänge zu vernachlässigen.

Kongreßprogramm

Freitag, 8. Mai, Beginn: 18 Uhr, Einlaß:16.30 UhrEröffnung: Eckart Spoo (BI f. Sozialis-mus, Hannover) Grußworte: Prof. Dr. Lo-thar Zechlin (Präsident der HWP, Ham-burg), Rolf Fritsch (ÖTV-Bezirksvors.Hamburg)

Einleitungsreferat: Prof. Dr. ArnoKlönne (Paderborn)

Zeitzeugencollage mit Beteiligten derKämpfe Septemberstreiks 1969, Heinze-Frauen (Gleicher Lohn für gleiche Ar-beit), Bischofferode, Rheinhausen, Werf-ten, u.a. mit Jakob Moneta (ehem. „Me-tall“,Frankfurt a.M.),Werner Pfennig (IGMedien, Stuttgart), Jupp Bergmann(ehem. GBR Vors. GEG-Konsum Ham-burg), Bonno Schütter (ehem. GBR Vors.Klöckner, Bremen), Reinhard Kniesch(DGB-Kreisvors. Rostock)

Sonnabend, 9. Mai, Beginn: 9 Uhr, Ein-laß: 8.30 UhrKurzreferate im Plenum:• Am Ende der kurzen Prosperität - DieEntwicklung des Kapitals - Prof. Dr.Klaus- Peter Kisker , (Berlin)• Die Entwicklung der sozialen Milieusund Klassen - Dr. Heiko Geiling (Hanno-ver)• Gewerkschaftliche Aufgaben und Mög-lichkeiten - Gisbert Schlemmer (Vors.Gew. Holz /Kunststoff, Düsseldorf)• Organisatorische Probleme und Verän-derungen - Prof. Dr. Bodo Zeuner (Ber-lin)• Unter den Rädern der Globalisierung?Internationalismus - ein gewerkschaftli-ches Fremdwort - Prof. Dr. Frank Deppe(Marburg)

Jeweils anschließend kurze Diskussi-onParallele Arbeitsgruppen: 14. 30 - 18 Uhr

AG 1: Parteien und politische Arbeitmit Frank Spieth (DGB-Landesvors.Thüringen), Rolf Fritsch (Vors. ÖTVHamburg)

AG 2: Gewerkschaften und internatio-nale Beziehungen mit Pierre Levy (Paris),Dr. Peter Strutynski (Kasseler Friedens-forum)

AG 3: Gewerkschaften und Tarife mitErnst Heilmann (BR Springer), MichaelWendl (Vors. ÖTV Bayern), SybilleStamm (Landesvors. IG Medien, Stutt-gart), Prof. Dr. Ulrich Zachert (HWPHamburg), Dr. Richard Detje (Redaktion„Sozialismus“, Hamburg)

AG 4: Gewerkschaften und Bildungmit Prof. Dr. Jörg Wollenberg (Bremen),Udo Achten (Düsseldorf), Horst Bethge(Lehrer,GEW Hamburg),Albrecht Buch-steiner (DGB Nordmark, Abt. Bildung u.Wissenschaft), Stefanie Odenwald (Be-rufsschullehrerin, GEW)

AG 5: Gewerkschaften und ihre Arbeitim Betrieb mit Dr. Michael Hartmann,

(Paderborn), Viktor Kalla (BRVors.Frankfurter Rundschau)

AG 6: Innergewerkschaftliche Demo-kratie mit Hans- Jürgen Arlt (Presse-sprecher des DGB - Bundesvorstandes),Wolfgang Teuber (Journalist, Hannover)

AG 7: Gewerkschaften und ihre Orga-nisationsprinzipien mit Manfred Klöp-per (DGB-Kreisvors. Oldenburg/Wil-helmshaven),Prof.Dr.Bodo Zeuner (Ber-lin)

AG 8: Wirtschaftsdemokratie mit Prof.Dr. Michael Buckmiller (Hannover), Dr.Udo Winkel (Nürnberg)

AG 9: Ende der Arbeitsgesellschaft?mit Prof. Dr. Heinz Bierbaum (Saar-brücken), Dr. Klaus Grehn (Vors. Ar-beitslosenverband Dtschlds., Berlin)

AG 10: Gewerkschaften und DeutscheEinheit mit Gerald Kemski (Sprecher Be-tr. u. Gewerkschaft PDS, Hamburg), Bo-do Ramelow (Landesvors. HBV- Thürin-gen),

19 Uhr: Der Weg der Gewerkschaften- Ein literarischer Streifzug von und mitRolf Becker (Hamburg)

Sonntag, 10. Mai, Beginn: 9.30 Uhr, Ein-laß: 9 UhrReferat im Plenum: Organisation undSpontaneität - Prof. Dr. Michael Buck-miller (Hannover)

Diskussion: Kapitalismus ohne Ge-werkschaften? oder: „Welche Perspekti-ve haben die Gewerkschaften im Über-gang zum 21. Jahrhundert? mit KerstenArtus (BR Vors. Bauer Verlag, Hamburg),Karl-Heinz Roth (Hamburger Institut f.Sozialforschung), Dr. Joachim Bischoff(Redakteur „Sozialismus“, Hamburg),Horst Schmitthenner (Vorstandsmitgliedder IG Metall, Frankfurt a.M.). Modera-tion: Rainer Butenschön (Hannover)

Ende des Kongresses: 13 Uhr

Technische Hinweise

1.Anmeldung / nähere Information: Kon-greßbüro c/o GEW,Landesverband Ham-burg, Rothenbaumchaussee 15, 20148Hamburg, Fax: 0 40 / 4 50 46 58, Tel. nurin der Zeit 4. - 8. Mai 0 40 / 44 73 49, 9-13 Uhr, vorher: Uwe Schwalbe priv. 0 40/ 40 83 55, Horst Bethge priv. 0 40 /601 5212,Tel. während des Kongresses: 0 40 / 4123 22 92 (AStA HWP) 2. Kongreßgebühr: DM 30,-, ermäßigt fürStudenten, Rentner, Arbeitslose, ZivisDM 15.-, bitte beim Einlaß entrichten(…) 8. Info-Stände / Bücherstände: Wäh-rend der gesamten Kongreßzeit im Foyerder HWP.Wer selber einen Info-/Bücher-stand machen möchte, gebe das bei derAnmeldung an.9. Buchveröffentlichung: Es ist geplant,die Beiträge des Kongresses als Buch imVSA-Verlag anschließend herauszubrin-gen (ca.32.-).Teilnehmer können ein Sub-skriptionsexemplar bestellen (DM 25.-)Bestellscheine befinden sich in der Kon-greßmappe.10. Kongreßmappe: Wird am Einlaß beider Anmeldung ausgegeben.

Politische BerichteZZEEIITTUUNNGG FFÜÜRR SSOOZZIIAALLIISSTTIISSCCHHEE PPOOLLIITTIIKK–– EERRSSCCHHEEIINNTT VVIIEERRZZEEHHNNTTÄÄGGLLIICCHH

Herausgeber: Arbeitskreis Politische Berichte, Gutenberg-straße 48, 70176 Stuttgart. Herausgeber für den ArbeitskreisPolitische Berichte: Selman Arslan, Christoph Cornides, Ulri-ke Detjen, Martin Fochler, Emil Hruska, Herbert Stascheit.

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Aktuelles aus Politik und Wirtschaft: Rüdiger Lötzer; GNN-Ver-lag, Dieffenbachstr. 33, 3. Hof, Eing. C, 10967 Berlin, Tel.030 / 69 40 10 39, Fax: 030 / 69 40 10 41.Auslandsberichterstattung: Hardy Vollmer; GNN-Verlag, Wil-helmstraße 15, 79098 Freiburg, Fax : 0761/ 34961Regionales West und Ost: Jörg Detjen, (West),GNN-Verlag,Post-fach 260 226, 50515 Köln. Hausadresse GNN-Verlag, ZülpicherStr. 7, 50674 Köln, Tel. 02 21 / 21 16 58, Fax : 02 21 / 21 53 73.;Rüdiger Lötzer, (Ost) s.o. „Aktuelles…“. Regionales West undOst wird in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Linke Kom-munalpolitik hergestellt.Aus Betrieben und Gewerkschaften: Alfred Küstler, GNN-Ver-lag, Gutenbergstr. 48, 70176 Stuttgart, Tel. 07 11 / 62 47 01,Fax : 0711 / 62 15 32.Diskussion / Dokumentation und Letzte Seiten: ChristianeSchneider, Hamburg: GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20, Fax : 040 / 43 18 88 21.

Vierteljährliche Beilage: Rundbrief der „ARGE, Arbeitsge-meinschaft Konkrete Demokratie, soziale Befreiung bei derPDS“.

Verlag: GNN-Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH,50674 Köln,Zülpicher Str. 7 und GNN-Verlag,Gutenbergstr. 48,70176 Stuttgart, Tel. 07 11 / 62 47 01, Fax : 0711 / 62 15 32.

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Unterschrift: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Einsenden an: GNN-Verlag, Gutenbergstr. 48, 70176 Stuttgart

ADRESSAUFKLEBER

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17./18. März: An verschiedenen Orten fin-den um diese Tage herum Veranstaltungenzum 150. Jahrestag der Märzrevolutionvon 1848 statt.

20./21. März: Veranstaltung 150 Jahre„Manifest der Kommunistischen Partei“ ;in Frankfurt, Haus der Jugend • Veran-stalter: Zeitschriften Sozialismus und spw.Anmeldung: Redaktion Sozialismus, St.Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg, Tel.040 - 280 505 60, Fax 040 - 280 505 68 / Re-daktion spw, Fresienstr. 26, 44289 Dort-mund,Tel. 0231 / 40 14 11, Fax 0231 / 40 2416, E-mail: [email protected]

22. März: Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein

30. März: Eröffnungskonferenz in Londonfür die EU-Osterweiterung

5. April: Oberbürgermeisterwahlen inLeipzig:

3.-5. April: PDS-Wahlparteitag in Rostockverabschiedet Bundestagswahlprogramm

19. April: FDP-Bundesparteitag verab-schiedet Bundestagswahlprogramm.

20./21. April: SPD-Bundesparteitag inLeipzig wählt Kanzlerkandidat und ver-abschiedet Wahlprogramm

25. April: Kongreß gegen das MAI in Bonn

26. April 1998: Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

2./3. Mai: EU-Konferenz entscheidet Teil-nehmerkreis der EU-Währungsunion ab1.1.1999

17./19. Mai: CDU-Bundestagswahlpartei-tag in Bremen

22./23. Mai: Kongreß „Renaissance derGrundrechte" in München. Bestandsauf-

nahme des Abbaus der Grundrechte undPlanung gemeinsamer Aktivitäten. Bisheran der Vorbereitung beteiligt: IAF, ProAsyl, Humanistische Union, Humanisti-sche Bewegung, Bündnis 90/Die Grünen,Bayer. Flüchtlingsrat, VDJ, Neue Richte-rInnen Vereinigung, Republikanischer An-wältinnen- und Anwälteverein, Arbeiter-wohlfahrt. Infos über Büro MdEP ClaudiaRoth, Tel. 0228/1687939.

22./24. Mai: DKP-Parteitag in Hannover

29.–31.Mai: Peace Congress Osnabrück 98,Vom Westfälischen Frieden zu einem frie-densstifenden Europa. Europäischer Frie-dens- und Kriegsdienstverweigerer-Kon-greß. Infos unter Tel. 05 41 / 26 06 50, Fax:26 06 80.

8.–12. Juni 1998: 16. o. Bundeskongreß desDGB in Düsseldorf

13./14. Juni: Bundestreffen der AG Betrie-be und Gewerkschaften der PDS in NRW

13./14. Juni: Bundeskongreß der VVN-BdAin Braunschweig, Motto: „Zukunft Antifa-schismus“. Infos bei der Bundesgeschäfts-stelle der VVN-BdA, Rolandstr. 16, 30161Hannover.

13. September: Landtagswahl in Bayern17./19.9. a.o. Gewerkschaftstag der IG Me-tall in Mannheim

27. September: Bundestagswahl, Land-tagswahl in Mecklenburg-Vorpommernund Kommunalwahlen in Brandenburg

10./11. Oktober: Herbsttagung des ForumsKommunistischer Arbeitsgemeinschaftenin Köln

24.-29. Oktober: HBV-Gewerkschaftstagin Bremen und IG-Medien-Gewerk-schaftstag in Würzburg

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