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Politische Berichte Nr.15 / 1998

Date post: 01-Jan-2016
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Politisches Magazin
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Politische Berichte Politische Berichte – Zeitschrift für Sozialistische Politik Ausgabe Nr. 15 am 24. Juli 1998, Jahrgang 19, Preis 2.– DM 15 98 PROLETARIER ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH! PROLETARIER ALLER LÄNDER UND UNTERDRÜCKTE VÖLKER VEREINIGT EUCH ! Staatsverbrechen Abschiebung Oben: Familie Düzenli Mitte: Familie Kurt Unten: Familie Boskurt S.13
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Politische Berichte

Politische Berichte – Zeitschrift für Sozialistische Politik Ausgabe Nr. 15 am 24. Juli 1998, Jahrgang 19, Preis 2.– DM

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Oben: FamilieDüzenli

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Unten:Familie BoskurtS.13

BEHINDERTENPRO-TEST: Mit einer bundesweiten Unter-schriftensammlung hat die Behin-dertenorganisation „Lebenshilfe“gegen das skandalöse Urteil des Köl-ner Oberlandesgerichts protestiert.Das OLG hatte geurteilt, das Lachen

und Schreien von Behinderten in einemHeim in Düren würde von Anwohnern zuRecht als „störend“ empfunden und müs-se eingeschränkt werden. 238.000 Unter-schriften gegen dieses diskriminierendeUrteil übergab die Behindertenorganisa-tion am 16.Juli in Bonn an Frau Süßmuth.Das Urteil des Kölner OLG, gegen dasnach einer Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts keine Revisionsmög-lichkeit mehr besteht, habe die Integra-tion von behinderten Menschen „erheb-lich zurückgeworfen“, mußte die Bun-destagspräsidentin erklären. Die Behin-dertenorganisationen verlangen, daßnach der Aufrechterhaltung des KölnerUrteils durch das Bundesverfassungsge-richt gesetzlich gegen die Diskriminie-rung von Behinderten vorgegangen wird.

ZWANGSARBEITER-ENTSCHÄDIGUNG:Nach jahrelangen Protesten wächst nunder Druck, daß deutsche Konzerne undRegierungen die wenigen noch überle-benden früheren Zwangsarbeiter derNS-Zeit irgendwie entschädigen. Am 7.Juli teilte der VW-Konzern mit, er werdebis Mitte September einen privatenHilfsfond bilden, aus dem die Ansprüchevon noch lebenden früheren Zwangsar-beitern befriedigt werden sollen. An sei-ner abstrusen „Rechtsauffassung“, derVW-Konzern sei nicht der Rechtsnach-folger der in der NS-Zeit gegründeten„Volkswagen GmbH“, die tausende vonZwangsarbeitern grausam ausgebeutethatte, hält der Konzern aber fest. Kurznach der VW-Entscheidung wurde be-kannt, daß 100 überlebende dänischeZwangsarbeiter Klagen gegen Hochtief(Essen) und Varta (Hannover) eingereichthaben.In Hannover lobte am 16.Juli auchSPD-Kanzlerkandidat Schröder die VW-Entscheidung und forderte andere Un-ternehmen auf, sie sollten „dem Beispielvon VW folgen“. SPD und Grüne stimm-ten für einen Antrag, der eine Bundes-stiftung zur Entschädigung von ehema-ligen Zwangsarbeitern vorsieht. IhreEntschließungsanträge liegen nun im Äl-testenrat des niedersächsischen Land-tags.

KINDER- UND JUGENDARMUT: Obwohlsie verpflichtet ist, in jeder Legislaturpe-riode einen Bericht über die Situation derJugend vorzulegen, hat Bundesfamilien-ministerin Nolte versucht, einen ihr seitFebruar vorliegenden,kritisch ausfallen-den Kinder- und Jugendbericht nicht zuveröffentlichen. Der Bericht, so die Op-positionsparteien, dokumentiere u.a.,daß 12 Prozent der Kinder und Jugendli-chen im Westen in Armut leben, im Ostensogar 22 Prozent. Auch kommt die Ex-pertenkommission, die den Bericht aus-

gearbeitet hat, zu dem nicht sensationel-len, aber CDU und CSU störenden Er-gebnis, daß die BRD aufgrund des mil-lionenfachen Zuzugs längst zu einer„multikulturellen Einwanderungsge-sellschaft“ geworden sei. Erforderlich seinun „ein sicherer Rechtsstatus der Ein-wandererfamilien“ – das Gegenteil des-sen, was CDU und CSU propagieren. Mi-nisterin Nolte hat zugesagt,sie werde denBericht nun doch im September vorlegen.

RENTENPROPAGANDA: Nur propagandi-stisch zu werten sind die Ankündigungender Bundesregierung,evtl.könne der Bei-trag zur Rentenversicherung 1999 um 0,1auf 20,2 Prozent gesenkt werden. Die er-hebliche Verunsicherung von älterenLeuten über die Sicherheit ihrer Rentenund die zunehmende Ansicht, daß Leuteso um die 40 und älter vermutlich vonihren Beiträgen in die gesetzliche Ren-tenversicherung nichts mehr wiederse-hen werden, beeinträchtigt erkennbardie Aussichten der Wahlaussichten derUnion. Also bemüht sich Blüm um posi-tive Signale – die Möglichkeit einer Bei-tragssenkung soll solch ein Signal wer-den. Ob’s ankommt, ist aber fraglich.Denn zeitgleich mußte die Regierung ein-räumen, daß die gesetzliche Rentenversi-cherung auch Ende 1998 nicht die vorge-schriebene Mindestrücklage haben wird.Statt der vorgeschriebenen 26 Mrd. DMerwartet die BfA nur knapp 21 Mrd. DM.Wie da eine Senkung des Rentenbeitragsfinanzierbar sein soll, ohne daß gleich-zeitig die Beitragszahlung aus anderenGründen erheblich ansteigt (z.B. durchAbbau der Arbeitslosigkeit, Ausweitungder Beitragspflicht, Anhebung der Versi-cherungspflichtgrenze u.ä.), ist ein Rät-sel, daß auch Blüm nicht lösen kann.

AUTOBAHNGEBÜHREN: Wie lang ist esher, daß sich Union, FDP und SPD überdie 5-DM-je-Liter-Benzin-Forderungder Grünen nicht genug einkriegen konn-ten? Jetzt kündigt die Bahn breitflächigeKürzungen im Zugnetz an plus neue Prei-serhöhungen, was prompt berechtigteProteste auslöst. Zeitgleich mehren sichdie Ankündigungen von Autobahnge-bühren.Nach Rheinland-Pfalz,Mecklen-burg-Vorpommern und Schleswig-Hol-stein will auch CDU-VerkehrsministerSchaufler in Bad.-Württ. Mautgebühren.Während die FDP tönt, damit käme derMinister nicht durch, unterstützt Bun-desverkehrsminister Wiss-mann seinenParteifreund: „In Anbetracht der ange-spannten Lage der öffentlichen Haushal-te müsse privates Kapital zur Finanzie-rung neuer Projekte herangezogen wer-den“, so ein Sprecher des Ministers.

WAS KOMMT DEMNÄCHST? Bundestagund Bundesrat sind in „Sommerpause“.Vom 1. bis 4. September berät der Bun-destag über Waigels Haushalt für 1999,nächste Bundesratssitzung ist am 25.September, zwei Tage vor der Bundes-tagswahl.

2 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 15/98

Politische Berichte Nr. 15/1998 – Inhalt__________________________________________

Aktuell aus Politik und WirtschaftAktuell in Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . 2„Hartes Durchgreifen“ gegenJugendkriminalität . . . . . . . . . . . . . 3Siemens Geburtshelfer fürtürkische Atombombe . . . . . . . . . . . 4PDS: Atomkraft nichtkontrollierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Festung Europa wird noch skrupelloser . . . . . . . . . . . . . . 7

AuslandsberichterstattungKurdistan: Neuerliche Bemühungenfür eine politische Lösung . . . . . . . 8Kosovo, das Pulverfaß auf dem Balkan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Meldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Regionales West und OstLokaler Widerstand . . . . . . . . . . . 12Mannheim: Abschiebung – Polizei dringt in Kirchenräume ein . . . . . 13Karlsruhe: Wer braucht dieneue Messe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Stuttgart: Kindergartenbetreuung– und zwar gebührenfrei . . . . . . . . 15Rechtsextremisten bald imSchweriner Landtag? . . . . . . . . . . 16O-Ton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Kommunale Politik . . . . . . . . . . . 17

Aus Betrieben und GewerkschaftenWas war? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18PDS-Antrag Arbeitszeitgesetz . . . 18Spitzengespräche IG Metallmit Gesamtmetall . . . . . . . . . . . . . 18Streit um Dienstleistungs-gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .20

Diskussion und DokumentationIn und bei der PDS . . . . . . . . . . . . 22Abschiebung wegen Straftatist Ausbürgerung . . . . . . . . . . . . . . 22

Letzte SeitenTexte von zu lebenslanger HaftVerurteilten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Beilagenhinweis: Diese Ausgabe ent-hält den „Arge-Rundbrief“

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Unter der Überschrift „Wir brechen ihren Willen“ bringt Springer HAMBURGER ABENDBLATT (10.7.) in die Diskussion: „Wie Amerika ju-gendliche Straftäter umerzieht“. Ohne jede Distanz schwärmt es von der „Chance, in einem solchen Camp umerzogen zu werden“.

PB 15/98 • AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT 3

Zwei Jugendliche, Christian und Patrick, bei-de 16 Jahre jung, erstachen Ende Juni inHamburg einen alten Mann in seinem Le-bensmittelladen, raubten die Ladenkasseund sein Portemonnaie. Eine furchtbare, be-unruhigende Tat, die auf einen Schlag dasLeben eines Menschen beendete und zweijungen Menschen das Leben zerstörte, oh-ne daß sie wahrscheinlich je die Chance hat-ten, es zu leben. Die Tat der beiden jungenMenschen ist für viele unfaßbar. Doch daseigentlich Unfaßbare geschieht danach, undseine Akteure sind nicht von ihren sozialenVerhältnissen bedrängte Jugendliche, son-dern Erwachsene, die in vollem Umfang wis-sen, was sie tun.

Die von den großen Medienkonzernen,insbesondere der Springer-Presse ge-lenkte öffentliche Meinung instrumenta-lisiert die Tat für eine gewaltige Kampa-gne und instrumentalisiert dabei beide:Opfer und Täter. Sie mißbraucht den To-ten als Symbol für eine die Gesellschaftangeblich in ihren Grundfesten erschüt-ternde Jugendgewalt („Der neue Mord-fall ist ...beispielhaft für die Lage“,so dieWelt am 7.7.),die beiden Jugendlichen als„Beweis“ für die „Schande der Justiz“(Bild-Aufmacher).Man gewinnt den Ein-druck,daß weit über Hamburg hinaus dieTat für die Strategen der „Inneren Si-cherheit“ von Kanther/Beckstein überSchröder/Schily bis zu Schmidt-Jortzig/Westerwelle etc. der fast schon ersehnteAnlaß ist, Jugendhilfe und Jugendstraf-recht zum Gegenstand des Bundestags-wahlkampfes zu machen und alle in denletzten drei Jahrzehnten hier erreichtenFortschritte hinwegzufegen. Gegenposi-tionen gibt es,aber sie sind selten und ge-raten unter starken Druck,ebenso wie je-ne Jugendrichter, die sich dem seit Jah-ren lauter werdenden Ruf nach „hartemDurchgreifen“ bisher verweigerten.

Beide Jugendliche, die, soweit bisherbekannt wurde, seit ihrer Kindheit vonInstitution zu Institution weitergereicht

wurden, sind mehrfach durch Straftatenund Gewalt auffällig geworden. Sie leb-ten zuletzt nach einem Aufenthalt im Ju-gendgefängnis Hahnöfersand in der be-treuten Jugend-Einrichtung Pulverhof,in der mehrfach straffällig gewordene Ju-gendlich untergebracht waren, um eineUntersuchungshaft zu vermeiden und dieinzwischen geschlossen wurde. DieseTatsache (Bild: „Wer kriminell ist, darfzur Belohnung schöner wohnen“) wurdezum Ausgangspunkt der Kampagne fürdie Wiedereinführung geschlossener Hei-me, ganz nach dem Motto: Wer wegge-sperrt ist, vor dem ist die Gesellschaft ge-schützt. Bayern – eines der vier Bundes-länder, in denen geschlossene Heime exi-stieren – hat eine Bundesratsinitiativegestartet, um die geschlossene Unter-bringung von Kindern,die Straftaten be-gehen oder bei denen eine Rausch-giftsucht erkennbar ist, zu erleichtern.Kanther bringt das auf die einfache Lo-sung: Jugendliche, die nicht mehr reso-zialisierbar seien, dürften „nicht auf dieMenschheit losgelassen werden“. Heri-bert Prantl kommentierte in der Süd-

deutschen Zeitung (4.7.) zutreffend: „Esbesteht der Verdacht, daß die neuen ge-schlossenen Heime eine Art Kinderge-fängnis oder Sicherungsverwahranstaltdarstellen sollen.“ Aber auch kritischeStimmen, wie Prantl oder Grüne, die sol-che Kindergefängnisse ablehnen, akzep-tieren geschlossene Heime als „letztesMittel“.Letztes Mittel? Gewiß ist,daß dieKosten für solche Anstalten durch Um-schichtung der Finanzmittel, vor allemdurch entsprechende Kürzungen bei derJugendhilfe, bei der in den letzten Jahrenohnehin drastisch gekürzt wurde, aufge-bracht werden. Allein schon deshalb istzu befürchten, daß sie, wird dieser Wegeingeschlagen, alternative Lösungenschlicht und einfach ersetzen.

Zudem ist die Forderung nach ge-schlossenen Heimen nur der Aufhänger,den totalen Richtungswechsel einzufor-dern: Mit der „Milde“ gegenüber der Ju-gendkriminalität müsse Schluß sein, derdas Jugendstrafrecht leitende Erzie-hungs- und Resozialisierungsgedankedürfe nicht mehr unterschiedslos auf al-le angewendet werden. Die Strafmün-digkeitsgrenze von heute 14 Jahren müs-se auf 12 Jahre gesenkt werden, dieHöchststrafe für Jugendliche (bisher 10Jahre) auf 15 Jahre erhöht werden ...

Demagogisch wirft die Welt (7.7.) dieFrage auf: „Es geht darum, ob die heuti-ge Ohnmacht vor der Jugend- und Kin-derkriminalität zum Dauerzustand wer-den soll.“ Die Welt am Sonntag (5.7.) läßteinen Oberstaatsanwalt zu Wort kom-men, der sich mit einer „Analyse“ unterdem Titel „Kriminalität in Deutschland– ein Plädoyer für die Abschreckung“hervorgetan hat: „Aus welchem Grundlassen wir Erwachsenen es eigentlich zu,daß ein ungezügelter Teil unseres Nach-wuchses sich untereinander bis aufs Mes-ser bekriegt oder sich gar an unseren äl-teren Mitbürgern vergreift? Wieso ist nie-mand da, der gegenüber den Kids Klar-text redet und ihnen bei kriminellen Re-

Eine Tat wird instrumentalisiert

„Hartes Durchgreifen“ gegen Jugendkriminalität

DAS ERSTE JUGENDGERICHTSGESETZ

datiert aus dem Jahre 1923. Damalswurde die Strafmündigkeitsgrenze von12 auf 14 Jahre heraufgesetzt. 1943wurde die Strafmündigkeit erneut auf12 Jahre gesenkt,„wenn der Schutz desVolkes wegen der Schwere der Verfeh-lung eine strafrechtliche Ahndung for-dert“. Auch war das allgemeine Straf-recht, damit in vielen Fällen auch dieTodesstrafe, auf Jugendliche anzuwen-den, wenn diese in ihrer Entwicklungüber 18 Jahre alten Tätern gleichge-stellt wurden und „wenn das gesundeVolksempfinden es wegen der beson-ders verwerflichen Gesinnung des Tä-ters und wegen der Schwere der Tat for-dert“. Erst 1953 wurden diese Bestim-mungen wieder rückgängig gemacht.

4 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 15/98

Der Münchener Elektromulti Siemens hatsich in der Türkei um die Errichtung einesAtomkraftwerks beworben. Der Standort fürdas geplante Kraftwerk liegt in der Nähe derStadt Silifke an der Mittelmeerküste, 300 kmöstlich von Antalya. Angeboten wird ein Re-aktor der von Siemens entwickelten „Kon-voi-Klasse“ mit einer Leistung von 1480 MW.

Das Atomkraftwerk soll ausgerechnet ineiner erdbebengefährdeten Region er-richtet werden. Eine Untersuchung ausden Jahren 1987-1990 kommt zu dem Er-gebnis, daß der Standort für das geplan-te Atomkraftwerk nur 20-25 km von ei-ner aktiven Erdfalte entfernt liegt. 1995und 1997 gab es in der Region Erdbebenmit einer Stärke von jeweils etwa 5 aufder Richterskala. Eine Siemens-Tochterbestätigte in einer türkischen Zeitung dieErdbebengefahr.

Widerstand in der Türkei

Die 3, 5 Millionen Einwohner und nahe-zu alle Bürgermeister der Region um dieStadt Silifke sind strikt gegen das ge-plante Atomprojekt. Sie kündigen ihrenentschiedenen Widerstand an. Rücken-deckung bekommt die Anti-Atom-Bewe-gung bemerkenswerterweise von der tür-kischen Elektroingenieur-Kammer, diedie Atomenergienutzung ablehnt. DieAnti-Atom-Bewegung der Türkei drohtmit einem Boykott von Siemens-Produk-ten in der Türkei, falls Siemens den Auf-trag für den Kraftwerksbau erhält.

Militärische Nutzung möglich

Die Internationalen Ärzte für die Verhü-tung des Atomkriegs (IPPNW) weisendarauf hin, daß das Atomkraftwerk ne-ben der Stromproduktion auch mi-litärisch für ein türkisches Atomwaffen-programm genutzt werden könnte.So er-klärte der türkische General Öznal in ei-nem Interview am 17. Mai mit dem tür-kischen Nachrichtensender n-tv, daß dieTürkei vor dem Hintergrund einer Atom-waffen-Bedrohung durch Israel, Indien,Pakistan und Iran jetzt „seine eigene nu-kleare Politik entwickeln“ müsse. Sie-mens läuft mit der Lieferung eines Atom-kraftwerks also Gefahr, zum Geburtshel-fer für eine türkische Atombombe zuwerden. Bereits in der Vergangenheitstanden Atomexporte der Siemens AG inZusammenhang mit Interessen an derAtombombe. So vereinbarte Siemens inden 70er Jahren mit der damaligen Bra-silianischen Militärregierung ein Atom-geschäft, das in Zusammenhang mit derEntwicklung von Atomwaffen stand.Auch nach Indien und Pakistan lieferteSiemens Presseberichten zufolge „hoch-sensibles Nuklear-Zubehör“ und „jede

Menge Know-how“ für Atomanlagen.Offensichtlich war Siemens am atomarenRüstungswettlauf im Fernen Osten, dernun im Mai zur Zündung von Atombom-ben in Indien und Pakistan führte, allesandere als unbeteiligt.

Energiealternativen nutzen

Die Türkei im Sonnengürtel Europas istkeineswegs auf Atomstrom angewiesen.Vielmehr sollte das Land die Solarener-gie ausbauen und andere Formen der re-generativen Energiegewinnung nutzen:Wind,Wasser & Biomasse. Ein regenera-tiver Strommix löst die Energieproblemeund verhindert den Bau von Atomwaffen.Erinnern Sie sich noch an den Frühsom-mer 1986, als die radioaktive Wolke aus

Tschernobyl über Deutschland hinweg-zog und Milch und Gemüse verseuchte?Eine derartige Katastrophe ist auch inDeutschland jederzeit möglich. In den 19laufenden, allesamt von Siemens errich-teten Atomkraftwerken versprödet mitzunehmendem Alter der Stahl durch diepermanente Neutronenstrahlung.Wie dieRadreifen an einem ICE irgendwann ein-mal bersten, können auch in Atomkraft-werken die Stähle in Tausenden vonKomponenten unter den extrem hohenTemperaturen und Drücken jederzeitbersten und zur Katastrophe führen.

Es kommt regelmäßig zu Störfallen.Beispielsweise passiert es in deutschenAtommeilern immer wieder, daß strah-lende Brennelemente aus mehreren Me-tern Höhe auf den Boden stürzen. 1994führte im Siemens-Reaktor Biblis-A einKurzschluß zu einem Brand im Bereichder immens wichtigen Reaktorkühlpum-pen, der nur mit erheblicher Mühegelöscht werden konnte.

Jeden Tag wird in den Atommeilernneuer Atommüll produziert, der dann instrahlenden Castor-Behältern hilfloskreuz und quer durch Mitteleuropa ver-schoben wird, ohne über ein Endlager zuverfügen. Der jüngste Atomskandalzeigt: die Atomindustrie schlampt undvertuscht! Die Schlampereien von Sie-mens werden inzwischen weltweit zum

gelverstößen konsequent ihre Grenzenaufzeigt. Die Justiz jedenfalls hat sich –auf dem Holzweg vermeintlich gutge-meinter pädagogischer Überlegungenbefindlich – aus der Verantwortung ge-stohlen ...“

Zweierlei geschieht hier. Der Beunru-higung, die spektakuläre Gewalttatenzweifellos hervorrufen, wird mit demebenso fatalen wie falschen Versprechenbegegnet, daß alles besser werde, wennnur der „ungezügelte Teil unseres Nach-wuchses“ ordentlich rangenommen, hartbestraft, weggesperrt würde. Kein Wortwurde in der Hamburger Presse und vonden Politikern nahezu aller Couleur inden letzten 14 Tagen so strapaziert wiedas von den „Grenzen“, die jugendlichen„Kriminellen“ aufgezeigt werden müß-ten. Aber das Problem liegt gerade dar-in, daß die allermeisten der straffälligwerdenden Jugendlichen ihr ganzes Le-ben immer nur „Grenzen“ erfahren ha-ben.Warum zum Beispiel hat der eine derbeiden,Christian,nie lesen und schreibengelernt, wie berichtet wird? Wie vieleKinder lernen nicht richtig lesen undschreiben, weil sie im „falschen“ Viertel,der „falschen“ Umgebung leben, die des-halb der Blick des Lehrers schon als„Problemfälle“ einstuft, bevor sie auchnur A sagen können? Wie sollten sie, vonKindesbeinen an mit ihren „Grenzen“und immer nur mit ihren „Grenzen kon-frontiert, im Sinne des Wortes ausge-grenzt, nie in ihren Möglichkeiten undFähigkeiten unterstützt, nicht zu „Pro-blemfällen“ werden?

Die vom Zaun gebrochene, gewalthei-schende Kampagne für geschlossene Hei-me und verschärfte Strafen lenkt denBlick von den gesellschaftlichen Ursa-chen von Jugendgewalt ab, spricht dieGesellschaft, ihre Ausgrenzungsmecha-nismen, ihre strukturelle Gewalt, von derVerantwortung für die Gewalt frei.

Aber dabei bleibt es nicht. In der rech-ten Demagogie wird das Problem der Ge-walt in der Gesellschaft zum Jugendpro-blem umdefiniert und die Jugend, oderdoch jedenfalls relevante Teile „unseresNachwuchses“, zum Bedrohungsfaktorstilisiert,dem die Gesellschaft ausgesetztist und dem sie – zu lange schon – „ohn-mächtig“ gegenüberstehe. Diese Sorte„Kriminalitätsangst“ hat einen wahrenKern: Wachsenden Teilen der jungen Ge-neration nämlich hat diese reiche bür-gerliche Gesellschaft keine Zukunftsper-spektive zu bieten.15% der Jugendlichenbleiben ohne Ausbildung, oft ohne Ar-beit. Der von rechts bis ganz rechts do-minierte Meinungskampf, den wir erle-ben, geht um gesellschaftliche Zielvor-stellungen, darum, den Konsens, den eslange gab, daß jeder irgendwie die Mög-lichkeit haben muß, in der Gesellschaftzurechtzukommen, zu zerstören. DieKampagne gegen die Jugendkriminalitätist die Drohung,daß die Bereicherung derReichen auf Kosten der Ausgegrenztenund Armen verteidigt wird, koste es, wases wolle. (Christiane Schneider)

Geplantes Siemens-Atomkraftwerk in der Türkei

Wird Siemens Geburtshelferfür eine türkische Atombombe?

Ich fordere die Siemens AG mit meiner Un-terschrift auf, die Bewerbung für die Er-richtung eines Atomkraftwerks in der Tür-kei zurückzuziehen und alle Atomgeschäf-te einzustellen. Um meiner ForderungNachdruck zu verleihen, werde ich künftigkeine Siemens-Produkte mehr kaufen undauch Freunde und Bekannte zum Siemens-Boykott auffordern. Mit der Veröffentlichungmeines Namens bin ich einverstanden.KEIN ELEKTROGERÄT VON SIEMENS! BIS SIE-MENS AUS DEM ATOMGESCHÄFT AUSSTEIGT!

PB 15/98 • AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT 5

Sicherheitsproblem: In den USA ver-wendet Siemens seit Jahren schadhafteAtomtransportbehälter, die nicht denAnforderungen der vergebenen Lizenzentsprechen, erklärte kürzlich die US-Nuklearbehörde.

Siemens ist inzwischen das einzigedeutsche Unternehmen, das die Atom-energie technisch wie politisch weiter vo-rantreibt Siemens hat vom Atommüllnoch nicht genug. Der Atomkonzernplant und baut neue Atomkraftwerke:• DEUTSCHLAND: Gemeinsam mit derFirma Framatome entwickelt Siemensden Europäischen Druckwasserreaktor,der einmal die laufenden Siemens-Reak-toren ersetzen soll. Im vergangenen Jahrwurde dazu eigens das Atomgesetz geän-dert, um den neuen Siemens-Reaktor po-litisch durchsetzen zu können. Im Gar-ching bei München baut Siemens denForschungsreaktor FRM II, der mit waf-fenfähigem Uran betrieben werden soll.• SLOWAKEI: In Mochovce war Siemensin den vergangenen Jahren an der Fertig-stellung eines Atommeilers beteiligt, dernun mit katastrophalen Sicherheitsmän-geln ans Netz geht. Ein noch gefährli-cheres Atomkraftwerk hält Siemens inBohunice mit Nachrüstungsmaßnahmenam Laufen.• RUSSLAND & UKRAINE: Nach dem „Mo-dell Mochovce“ möchte Siemens weiterebegonnene Atomkraftwerke fertigstel-len: so im russischen Kalinin und an denukrainischen Standorten Rowno undKmelnitzki.Am Standort Sosnovy Bor inder Nähe der Metropole St.Petersburg istSiemens an der Errichtung eines Proto-typ-Atomkraftwerks vom deutsch-russi-schen Typ WWER-640 beteiligt.• WELTWEIT: Durch unzählige Nachrü-stungsmaßnahmen und mit der Liefe-rung von Brennelementen ist Siemens in-zwischen in Deutschland und auch welt-weit einer der wichtigsten Atomkonzer-ne,die die Atommüllproduktion in Atom-kraftwerken am Laufen halten. Mit derbritischen Skandal-Firma BNFL ver-handelt Siemens seit Monaten über dieBildung eines gemeinsamen Atomkon-zerns, um noch stärker als bislang denWelt-Nuklearmarkt zu durchdringen.

Helfen Sie mit, Semens zur Aufgabe desAtomgeschäfts zu bewegen! Über 130 Organisationen aus Umwelt- undAnti-Atom-Bewegung, Ärzteverbände wiedie IPPNW, kirchliche und politische Grup-pen haben sich im Koordinationskreis Sie-mens-Boykott zusammengeschlossen, umdieses Ziel zu erreichen. Prominente Persönlichkeiten wie Dieter Hild-ebrandt, Hanns Dieter Hüsch und der „Lin-denstraße“-Regisseur Hans W. Geißendör-fer unterstützen die Kampagne.Erklären auch Sie, daß Sie kein Elektrogerätvon Siemens mehr kaufen, bis der Konzernalle Atomgeschäfte aufgibt.WWeeiitteerree IInnffooss ggiibbtt eess bbeeii ddeemm Koordinati-onskreis Siemens-Boykott, Friedrichstr.165, 10117 Berlin Tel. 030 / 2 04 47 84, Fax-85, E-Mail: [email protected]

PDS-Positionen zum Ausstieg aus der Atomenergie

Atomkraft – nicht kontrollierbarVon Rolf Köhne (MdB)

In der Vergangenheit haben schon zahlrei-chen Unfälle und Pannen das Bild von der„sauberen Nutzung der Atomkraft“ in Fragegestellt. Eine saubere Nutzung der Atomkraftkann und wird es wohl niemals geben. DasRisiko eines schweren Kernschmelzunfallesist immer präsent und die Entsorgung nachwie vor völlig ungelöst. Die jüngst bekanntgewordenen radioaktiven Kontaminationenan Transportbehältern machen deutlich, dases auch keine zureichende Kontrolle gibt.Dies wirft natürlich auch Fragen nach derZukunft der Energiewirtschaft allgemein undder Atomkraftnutzung im besonderen auf.

Seit Jahren kontaminierte Transporte

Nachforschungen in Frankreich brach-ten es an den Tag. Seit Jahren treffen mitradioaktiven Partikeln behaftete Trans-portbehälter aus deutschen Atomkraft-werken bei der französischen Wiederauf-arbeitungsanlage in La Hague ein. Beiden Kontrollen am Endbahnhof Valongeswurden 1997 bei 20% der eingetroffenenTransporte Kontaminationen an denTransportbehältern und vor allem in derBodenwanne des Spezialwaggons imMeßprotokoll festgehalten. Dabei wur-den Grenzwerte um das 3000-fache über-schritten und gefährliche alpha-Strahlerentdeckt.Angesichts dieser Tatsachen istes ein haarsträubender Verdummungs-Versuch von Umweltministerin Merkel,wenn sie darin keine gesundheitlichenGefahren entdecken will.Schließlich exi-stieren die einzuhaltenden Grenzwertenicht ohne Grund. Die radioaktiven Par-tikel können sich durch Wind und Witte-rung ablösen, durch Einatmen oder Nah-rungsaufnahme in das Innere von Men-schen,Tieren und Pflanzen gelangen unddort krebserregend wirken. Das diesnicht nur in der Theorie, sondern auch inder Praxis passieren kann,beweisen wie-derum Messungen an innerfranzösischenTransporten, bei denen auch außen amWaggon Kontaminationen erfasst wur-den.

Die genauen Ursachen bedürfen nochder näheren Klärung. Bei den Ausgangs-kontrollen in den deutschen Atomkraft-werken wurden,soweit man den Meßpro-tokollen glauben schenken kann, keineKontaminationen festgestellt, sondernlediglich bei der Eingangskontrolle inFrankreich.. Dies könnte es auf unzurei-chende Meßmethoden zurückzuführensein. Es gibt aber auch die These, daß die-se Kontaminationen erst im Verlaufe desTransportes quasi „ausgeschwitzt“ wer-den. Die Transportbehälter müssen unterWasser beladen werden, um die ständigeKühlung der abgebrannten Brennelemte,die immer noch eine Wärmeleistung von

40kW abgeben, zu gewährleisten. DasKühlwasser ist natürlich kontaminiertund es setzt sich in Fugen, Bohrlöchern,Rissen und Ritzen fest. Bei der ansch-ließenden Dekontamination wird offen-sichtlich nicht alles erfasst und im Ver-laufe des Transportes tritt das Kühlwas-ser aus, verdunstet und hinterlässt diekontaminierten Partikel. Ob diese Thesestimmt,muß allerdings noch genauestensgeprüft werden.Nicht auszuschließen ist,daß die Kontaminationen zumuindestteilweise auch von undichten Deckel-dichtungen herrühren.

Aufsichtsbehörden und Atomindustriewaren informiert

Der eigentliche Skandal ist: das obigeProblem der radioaktiver Kontaminatio-nen von Transportbehältern ist seit denfrühen 80er Jahren zumindest theore-tisch bekannt und wurde der Bundesre-gierung,dem Bundesumweltministeriumund dem Bundesamt für Strahlenschutz(BfS) seitens der Internationalen Atom-energie Agentur (IAEA) zur Kenntnis ge-bracht. Auch wenn UmweltministerinMerkel das Gegenteil behauptet, Fakt ist:Wilhelm Collin, Abteilungsleiter des BfSund dort zuständig für die Genehmigungvon Atomtransporten, ist zugleich derVorsitzende der IAEA-Expertenkommis-sion Transsac, die sich mit diesem Pro-blem befasst hat. Trotz des Wissens umdie Probleme wurde nichts unternom-men, nicht einmal Vorschriften zur Mel-dung von Grenzwertüberschreitungenwurden erlassen. Jetzt rächt sich die Um-weltpolitik der amtierenden Bundesre-gierung, die sich durch das Setzen aufSelbstverpflichtungserklärungen der In-dustrie, Deregulierung der Umweltnor-men und den Abbau der Kontrolldichtedurch eigene Umweltverwaltungenselbst blind gemacht hat.

Außerdem wurden sowohl die deut-schen AKWs wie auch die Transportfir-ma NTL über die Meßergebnisse inFrankreich informiert. Ferner wurdenauch in deutschen Atomkraftwerken re-gelmäßig erhöhte radioaktive Kontami-nationen an rückkehrenden Transport-behältern und Waggons gemessen. DieseFakten waren sowohl den Kraftwerkslei-tern,einigen Gutachtern des TÜV und zu-mindest teilweise den atomrechtlichenAufsichtsbehörden der betroffenen Bun-desländer bekannt. Im Dunkeln ist aller-dings, wer genau Kenntnis hatte und waser mit dieser Kenntnis hätte tun müssen.Hier wird viel Schwarzer Peter gespielt.Merkel beschuldigt die Atomindustrieund die Landesbehörden, erstere siehtkeine gesetzliche Meldepflicht und letz-tere geben den Schwarzen Peter wiederan den Bund zurück.

Fakt aber bleibt: die Betreiber von

6 AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT • PB 15/98

Atomkraftwerken waren bestens infor-miert und sie haben es bewußt ver-schwiegen. Außerdem haben sie über ei-nen Zeitraum von mehr als zehn Jahrenkeine erhellende Forschung über Ursa-chen und Wirkungszusammenhänge be-trieben. Besonders skandalös ist, daß imFalle des Atomkraftwerks GrohndeMeßprotokolle über nichthaftende radio-aktive Partikel gefälscht wurden. InGrohnde wurden Kontaminationen anBehälter und Transportmittel festgestelltund entfernt. Ins Meßprotokoll gelangtejedoch nur das Ergebnis der nachträgli-chen Dekontamination – und nicht etwaüberhöhte Werte, die während des Trans-portes aufgetreten sind. Seitens der Auf-sichtsbehörden muß deshalb ernsthaftgeprüft werden, ob die nach Atomgesetzerforderliche Zuverlässigkeit von Kraft-werksbetreibern und Transport-Firmennoch gegeben ist oder ob Betriebsgeneh-migungen zu widerrufen sind.

Die Bundesregierung hat zunächst miteinem Transportverbot reagiert. IhrHauptziel ist aber, mit einem 10-Punkte-Plan den rapiden Imageverlust der Atom-energie in der Bevölkerung wieder wett-zumachen. Mit der Klärung der techni-schen Ursachen hat sie die atomfreund-liche Gesellschaft für Reaktorsicherheit(GRS) beauftragt und es steht zu be-fürchten, daß nach kurzer Schamfrist al-les beim Alten bleibt.

Offene Fragen müssen geklärt werden

Auch wenn man politisch den Ausstiegaus der Atomenergie will, müssen eineReihe von Fragen geklärt werden. Dennauch zur Abwicklung der Atomindustriewerden Transporte notwendig sein, wer-den sichere Transport- und Lagerbehäl-ter benötigt, und vor allem eben auchBundes- und Landesbehörden, die ihreAufsichtspflicht gegenüber der Atomin-dustrie ernst nehmen und die bestehen-den Gesetze und Verordnungen sicher-heitsgerichtet anwenden.

Geklärt werden muß,ob beim Umgangmit Behältern zum Transport von abge-brannten Brennelementen oder wärme-entwickelnden Abfällen aus der Wieder-aufbereitung gegen Pflichten verstoßenwurde, und warum Grenzwertüber-schreitungen in Kreisen der Technikerund Wissenschaftler seit Jahren bekanntwaren, aber von verantwortlichen Politi-kern und Behörden sowie von Verant-wortlichen der Atomindustrie keine Ak-tivitäten zur Lösung der Probleme inGang gesetzt wurden.

Gefragt werden muß auch nach denzahlreichen Verquickungen zwischenAtomindustrie und Politik. So sitzenSPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schrö-der sowie der schleswig-holsteinischeEnergieminister Claus Möller im Auf-sichtsrat der Preußen Elektra. In Bayernist die Staatsregierung durch Anteile amViag-Konzern, der Mutter der Bayerwer-ke AG, sowie über den ehemaligen Fi-nanzminister von Waldenfels mit derAtomwirtschaft verbunden. Ähnliches

gilt für Baden-Würtemberg.Neben der politischen Verantwortlich-

keit muß auch untersucht werden, obTransportbehälter ausreichend dekonta-miniert wurden und ob die Vorschriftenzur Dekontamination grundlegend über-arbeitet werden müssen. Es kann z.B.nicht ausgeschlossen werden, daß De-kontaminationsvorschriften und Vor-schriften zur Ermittlung von sogenann-ten „nicht festhaftenden radioaktivenTeilchen“ unzureichend sind. Es kannaber auch nicht ausgeschlossen werden,daß generell eine hinreichende Dekonta-mination nach Stand der Technik nichtmöglich ist. Zwecks Ausschluß vonTransport-Risiken hat die PDS deshalbschon zu früheren Zeitpunkten einen ge-nerellen Stopp von Atomtransporten unddie Lagerung abgebrannter Brennele-mente an den Kraftwerksstandorten ge-

fordert. Ein zukünftiges Konzept zumschnellstmöglichen Ausstieg aus derAtomkraft muß bis zur Klärung der Ent-sorgungsfragen eine solche kraftwerks-nahe Lagerung vorschreiben. Die Wie-deraufbereitung im Ausland muß aufGrund der erheblichen radioaktiven Be-lastungen während des Wiederaufberei-tungsprozesses verboten werden.

Das CASTOR-Konzept muß in Frage gestellt werden

Im Rahmen weiterer Untersuchungenmuß aber auch erneut über die weiteren,bisher wenig öffentlich bekannt gemach-ten, grundlegenden Sicherheitsmängelan der deutschen CASTOR-Baureihe be-raten werden, wie sie von Prof. ElmarSchlich bereits seit Anfang der 80er Jah-re formuliert wurden. Schlich sieht ins-besondere die Gefahr, daß im Inneren desBehälters Kühlwasserreste in Rissen undPoren zurückbleiben, die bei der Vaku-umtrocknung nach der notwendigen Un-terwasser-Beladung nicht vollständigentfernt werden können. Kondensierenwird dieses Wasser an der kühlsten Stel-le im Behälter, nämlich an der Metall-

dichtung des Deckels. Mit systemati-schem Dichtungsversagen ist zu rechnen.

Auf Grund dieser nun kaum noch hy-pothetisch zu nennenden Konstruktions-mängel muß das gesamte CASTOR-Kon-zept in Frage gestellt werden. Die Benut-zung von Castor-Behältern ist generell zuuntersagen. Es sind kerntechnisch siche-re, wenn auch kostspieligere Behälter zuentwickeln und zu fertigen, die über einechtes Doppelcontainment verfügen unddie wiederholbare Materialprüfungenermöglichen. Und das Inventar der CA-STOR-Behälter, die sich bereits in Gor-leben und Ahaus befinden, muß in neue,sichere Behälter umgeladen werden.

Der Ausstieg braucht Druck von unten

Der jüngste Atomskandal hat wieder ein-mal deutlich gemacht, das die Atom-kraftnutzung nicht nur mit großen Risi-

ken, sondern auch mit akuten Gefähr-dungen verbunden ist. Dies setzt die For-derung nach einem sofortigen Ausstiegwieder auf die Tagesordnung.Da es großeÜberkapazitäten in der Stromversor-gung gibt, stehen dem technische Hin-dernisse kaum im Wege. Juristisch bietetbereits das bestehende Atomrecht dieMöglichkeit, diesen Ausstieg schnell zuvollziehen.Betriebsgenehmigungen kön-nen entzogen werden, wenn die Zuver-lässigkeit der Betreiber, die Sicherheitder Anlagen oder eine sichere Entsorgungnicht gegeben sind. Argumente dazu bie-tet der neuerliche Atomskandal in Hülleund Fülle. Finanzielle Entschädigungenkönnten die Eigentümer allenfalls inHöhe des Zeitwertes – auch dies ist imAtomgesetz geregelt – geltend machen.Und die meisten Atomkraftwerke sindlängst abgeschrieben. Zumindest diesekönnten, wie es PDS und Grüne bereits1997 im Bundestag forderten, sofort ab-geschaltet werden.Dies ist eine Frage despolitischen Willens und der Kräftever-hältnisse.

Doch es ist äußerst zweifelhaft, ob oh-ne Druck von unten dieser politische Wil-

Aus: Tagesspiegel, Berlin, 22.5.98

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le zu erreichen ist.Die SPD hat sich zwarimmer wieder zum Atomausstieg be-kannt, doch ob dies unter einem KanzlerSchröder noch gilt, ist zweifelhaft.Schröder setzt auf einen parteiübergrei-fenden Energiekonsens; dies hat er erstkürzlich gegenüber Vertretern der Ener-giewirtschaft wieder betont. Und seinepotentielle Umweltministerin EdelgardBulmahn sprach davon,daß frühestens indrei Jahren mit einem Atomausstieg be-gonnen werden könne. Da ist eine Legis-laturperiode schnell vorbei.Andererseitshaben die Atomkraftgegner in der SPD,insbesondere der umweltpolitische Spre-cher der SPD-Fraktion Michael Müller,ebenfalls die sofortige Abschaltung der10 ältesten Atomkraftwerke sowie derSiedewasserreaktoren gefordert.

Druck von unten müßte aber nicht nurden Atomkraftgegnern in der SPD denRücken stärken, sondern sich vor allemauch gegen die Energiekonzerne wenden.Bereits gegen das Stromeinspeisungsge-setz, mit dem die Windenergie gefördertwird, haben diese Konzerne ihre geball-te ökonomische Macht ausgespielt, umdieses Gesetz zu unterlaufen. Und diePreußen Elektra fordert ungeachtet desverhängten Verbots, noch in diesem Jahrweitere Transporte, um ihr KraftwerkBrokdorf wieder anlaufen lassen zu kön-nen. Die Forderung nach einer Demokra-tisierung der Energiewirtschaft, die Ent-flechtung der Energiekonzerne und dieÜberführung der Hochspannungsnetzein gesellschaftliches Eigentum, wie vonder PDS in dieser Legislaturperiode ge-fordert, ist nach wie vor hochaktuell.

Rolf Köhne ist energiepolitischer Spre-cher der PDS-Bundestagsgruppe. AusPlatzgründen wurde sein Beitrag gering-fügig gekürzt.

Kanther will Flüchtlingsbekämpfung künf-tig schon in der Türkei!

Festung Europawird noch skrupelloserAuf Initiative der Bundesregierung tagten am29. und 30. Juni in Budapest Vertreter derInnenministerien der EU-Mitgliedsländer mitVertretern der türkischen Regierung, Albani-ens, Bosniens, Estlands, Mazedoniens,Lettlands, Moldawiens, der Ukraine und derTschechischen Republik, der USA, Interpolsusw. Thema: Vorverlegung der Bekämpfungvon Flüchtlingen an die Ostgrenzen der künf-tigen EU – womöglich sogar noch weiter dar-über hinaus.

„Die Transitländer (gemeint sind dieStaaten im Osten der Europäischen Uni-

on, d. Red.) verpflichteten sich, illegaleEinwanderung bereits ‘beim Versuch desersten Eindringens in die Region mitmassierten Kräften’ abzuwehren’“, be-richtet die „Frankfurter Rundschau“(26.6.) über die Ergebnisse der Tagung.Laut„taz“ sollen u.a.EU-Experten künf-tig türkische Grenzschützer ausbilden,damit diese Flüchtlinge besser erkennenund gleich an der Grenze abweisen odereinsperren können.

Wörtlich heißt es in der Pressemittei-lung des Bundesinnenministeriums überdie Ergebnisse der Tagung in Budapest,die beteiligten Staaten würden künftig:

„1. gründliche und lückenlose Kon-trollen an Straßen- und Eisenbahnüber-gängen sowie auf Flughäfen und in See-häfen entsprechend international festge-legten Standards durchführen …

2. die Überwachung der Land- undSeegrenzen außerhalb der Grenzüber-gänge und im Grenzhinterland durch la-geangepaßten Einsatz mobiler Kräfte zurUnterbindung illegaler Grenzübertritteintensivieren …

3. gegen Beförderungsunternehmen,die Transporte durchführen und es dabeiunterlassen, Reisende ohne die erforder-lichen Dokumente festzustellen, Sank-tionen in Form von Geldbußen und derHaftung der Beförderungsunternehmenfür die Rückbeförderungskosten ein-führen;

4. der Verfolgung der Schleusungskri-minalität … einen besonderen Rang ein-räumen …“

Die Türkei wird sich über die EU-Hil-fe für den „Schutz ihrer Ostgrenze“ freu-en, verläuft diese Ostgrenze doch mittendurch die kurdischen Gebiete.Die EU lei-stet somit wieder einmal direkte Hilfe beider fortdauernden Teilung Kurdistansund bei der Bekämpfung der kurdischenBefreiungsbewegung. Denn gegen diesewerden sich die „Grenzkontrollen“ derTürkei im Osten richten.

Kampf gegen „illegale“ kurdische Flücht-linge: Warum nicht gleich im Irak?

Eigentlich könnte Kanther deshalb mitder Türkei zufrieden sein - schließlich isttürkisches Militär sogar bereits in Süd-kurdistan und bekämpft dort evtl. kurdi-sche „Flüchtlinge“.Was will der Mann al-so noch mehr, könnte man zynisch fragen– wäre da nicht die Erfahrung vor Mona-ten, als dieselben türkischen Regime-kräfte, die die kurdische Bevölkerungmassakrierten, sich auch auf das Ge-schäft der Schleusungskriminalität war-fen und die von ihnen selbst produzier-ten kurdischen Flüchtlinge in ab-wrackreifen Schiffen ins Mittelmeer trie-ben, wo ein Teil auch noch die italieni-schen Küsten erreichte.

Der Krieg gegen die Kurden kann nachKanthers Plänen gerne weitergehen,aberdie Flüchtlingsströme nach Westeuropasollen aufhören. Kanther schwebt vor,kurdische und andere Flüchtlinge, diez.B.aus den Kriegsgebieten in den Westender Türkei fliehen und von dort womög-

lich nach Westeuropa weiterfliehenkönnten, bereits in der Türkei in großenSammellagern,also faktisch in Lagerhafteinzusperren.

Über den Umfang der finanziellen Hil-fe der EU für diese Lager gibt es abernoch Streit. Außerdem macht der UNH-CR, der Hohe Kommissar für Flücht-lingsfragen der UNO, dem deutschen In-nenminister und den türkischen Behör-den noch Schwierigkeiten. Der UNHCRverlangt nämlich, zu solchen Flücht-lingslagern regelmäßig Zutritt zu erhal-ten. Die Türkei verweigert diesen Zutritt- warum wohl?

Die „taz“ berichtet abschließend: „Inden Gesprächen mit den EU-Vertreternforderte die türkische Regierung als Ge-genleistung mehr Unterstützung bei derVerfolgung der verbotenen kurdischenArbeiterpartei PKK. Zudem hofft dieTürkei offensichtlich, die polizeilicheZusammenarbeit könne die Chancen aufeinen EU-Beitritt erhöhen.“ (taz, 27.6.)

Über die groteske Menschenverach-tung des Kantherschen Plans, daß ausge-rechnet die Türkei, die durch ihren Kriegin den kurdischen Gebieten mit brutal-ster Gewalt massenhaft Flüchtlinge pro-duziert, nunmehr mit deutscher und EU-Hilfe diese Flüchtlinge in Lagern ein-sperren soll,damit sie vor ihren Peinigernund Verfolgern nicht außer Landes flie-hen können, regt sich in der hiesigenPresse kaum noch jemand auf. Immerhin:die Vertreter Dänemarks, Belgiens undSchwedens haben Vorbehalte gegen diedeutsche Absicht signalisiert, währendman in Bonn schon verbreitet, daß „dievolle Einbeziehung der türkischenBehörden erfolgreich angelaufen“ (nachNeues Deutschland, 26.6.) sei.

Am 14./15. Dezember soll in Warschaueine Nachfolgekonferenz die bis dahinerreichten Fortschritte prüfen und näch-ste Schritte vereinbaren.

PDS protestiert

Dazu die PDS-BundestagsabgeordneteUlla Jelpke: „Die Pläne von Bundesin-nenminister Kanther und einigen seinerEU-Kollegen sind ein weiterer Stein inden Festungsmauern rund um Europa.Zudem: In der Türkei gilt die GenferFlüchtlingskonvention nur für Staatsan-gehörige europäischer Länder.Flüchtlin-ge aus dem Irak, aus Sri Lanka,Afghani-stan und anderen außereuropäischenLändern droht mit finanzieller Hilfe derEU die Abschiebung in den Verfolger-staat. Damit heben Kanther und Co. fak-tisch die Genfer Flüchtlingskonventionaus den Angeln.“ Sie appellierte an alleRegierungen der EU,„diese Pläne schleu-nigst zu den Akten zu legenund ihrer völ-kerrechtlichen Verpflichtung nachzu-kommen, Flüchtlingen Schutz und Auf-nahme zu gewähren.“

Am 16. Juli hat die PDS-Abgeordnetein einer kleinen Anfrage die Bundesre-gierung nach weiteren Einzelheiten undHintergründen der geplanten Flücht-lingslager in der Türkei gefragt. (rül)

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Mit zahlreichen Aktivitäten bemühen sichderzeit Vertreter der PKK und andere kurdi-sche Institutionen um Fortschritte zu einerpolitischen Lösung der kurdischen Frage.„Turkish Daily News“, eine regimenahe Zei-tung in der Türkei, äußerte sich deshalb am6. Juli schon besorgt über die „diplomati-schen Initiativen“ der „kurdischen Separa-tisten“. Tatsächlich hat der Rückschlag aufder parlamentarischen Versammlung desEuroparats die kurdischen Bemühungennicht entmutigt. Kurz vor Redaktionsschlußdieser Zeitung begann in Kopenhagen dieparlamentarische Versammlung der OSZE.Dort wollen kurdische und linke europäischeKreise erneut versuchen, politische Fort-schritte zu erreichen. Am 24./25. Juli folgteine von kurdischen Kreisen initiierte Kon-ferenz von Völkerrechtlern und Politikern imSchweizer Lausanne aus Anlaß des 75. Jah-restags des Lausanner Abkommens, das am24. Juli 1923, knapp fünf Jahre nach der Zer-störung des „Osmanischen Reiches“, diebis heute andauernde erneute Teilung Kur-distans besiegelte, am 28./29. Juli eine Kon-ferenz in Washington. Hier Berichte über er-ste positive Ergebnisse dieser Bemühungenaus Schweden und von einer Konferenz inÖsterreich. (rül)

Die schwedische Regierung bietet ihre Vermittlungsdienste an

Der stellvertretende schwedische Außen-minister und Minister für internationaleEntwicklung Pierre Schorri hat die Be-reitschaft seiner Regierung erklärt, alsVermittler bei einer friedlichen Lösungder kurdischen Frage mitzuwirken.Schorri äußerte diese Bereitschaft derschwedischen Regierung in einem Inter-view mit dem kurdischen SchriftstellerMahmut Baksi im kurdischen FernsehenMED-TV am 26. Juni.

Die Kurden hätten genauso wie alleanderen Menschen ein Recht auf allegrundlegenden Menschenrechte und aufAutonomie in den Ländern, in denen sielebten. Solange diese Rechte nicht gesi-chert seien, bedeute das, daß die Prinzi-pien der Vereinten Nationen nicht einge-halten würden. Die Türkei werde nicht inder Lage sein, nach Europa zu kommen,wie sie diese Rechte den Kurden verwei-gere.

Befragt, wie die schwedische Regie-rung die von türkischer Seite im Zusam-menhang mit der Verhaftung Semdin Sa-kiks erneuerten Gerüchte einer PKK-Be-teiligung am Attentat auf Olaf Palme be-urteile, betonte Schorri, alle vorliegen-den Belege hätten ergeben, daß die Kur-den nichts mit der Ermordung des schwe-dischen Ministerpräsidenten zu tun hät-ten. Die Beschuldigungen der türkischen

Regierung würden von niemandem inSchweden ernst genommen.(nach Kurdish News Bulletin, Brüssel, 23. bis 29.Juni)

Kurdenfrage in der Türkei nur durch Dialog zwischen türkischenund kurdischen Vertretern lösbar

Erklärung von Peter Reichert, Presse-sprecher der Fraktion der Sozialdemo-kratischen Partei Europas

Führende Mitglieder der Sozialdemokra-tischen Fraktion (SPE) im EuropäischenParlament haben am Wochenende ge-meinsam mit Mitgliedern nationaler Par-lamente, Nahostexperten aus sozialde-mokratischen und sozialistischen Partei-en aus den Mitgliedsländern sowie Ver-tretern der Kurden aus der Türkei, Iranund Irak im Rahmen einer Konferenz mitdem Titel „Die Zukunft der kurdischenFrage für die Türkei und ihre Nachbarn“im Wiener Renner-Institut über Politi-kansätze und -maßnahmen zur Lösungder Kurdenfrage diskutiert.

Dazu erklärt die SPE-Fraktionsvorsit-zende Pauline Green: „Wir europäischenSozialdemokraten wollen versuchen, dieKurdenfrage durch Manöver über dieFlanken zu lösen. Die Entwicklung derUnion hat gezeigt, daß man verfeindeteParteien auch zusammenbringen kann,ohne alte Antagonismen aufbrechen zulassen.“ Das grundlegende Dilemma be-stehe derzeit darin, daß die Türkei immernoch die Existenz einer „Kurdenfrage“bestreite. Für die Sozialdemokraten ha-be jedoch die Anerkennung der Grund-rechte des kurdischen Volkes Priorität, sodie SPE-Fraktionsvorsitzende.

In der Abschlußerklärung der Konfe-renz heißt es, daß eine stabile und ge-rechte Lösung der Kurdenfrage wederdurch Militäreinsatz noch andere ge-waltsame Mittel zu erreichen sei,sondernnur über den Prozeß politischer Dialogezwischen Kurden und Regierungsbehör-den sowie zwischen den einzelnen Kur-denorganisationen herbeigeführt werdenkönnen.Für die Türkei bedeutet dies,daßder einzige Weg zur Lösung des Kurden-problems über den direkten Dialog zwi-schen Vertretern der türkischen Behör-den und Vertretern der türkischen Kur-den führe. Die Europäische Union wirdaufgefordert, die entsprechenden inter-nationalen politischen Initiativen zu er-greifen, damit eine Atmosphäre entsteht,in der ein konstruktiver Dialog stattfin-den kann.

Zur Situation der Kurden in Irak heißtes in der Erklärung: „Wir glauben, daßdas derzeitige irakische Regime Fort-

schritte zu einer dauerhaften Lösung fürdie Kurden im Nordirak verhindert unddaß eine demokratisch verantwortlicheFührung notwendig ist, um ernsthafteVerhandlungen über die Zukunft des ira-kischen Kurdistan zu führen. JeglicheLösung muß eine weitreichende Autono-mie für die Region beinhalten.“

Zur Lage der kurdischen Bevölkerungin Iran heißt es: „Wir sind übereinge-kommen, die Möglichkeiten für die Ent-sendung einer Delegation nach Iran zuprüfen, um direkte Informationen überdie Entwicklung im iranischen Kurdi-stan zu sammeln sowie um die derzeitigeHaltung der iranischen Regierung hin-sichtlich der Perspektiven für einen Dia-log und eine politische Lösung auszulo-ten.“Quelle: Presseinformation der Fraktion Sozialde-mokratischen Partei Europas, 6. Juli 1998

ERNK: Österreich soll im Kurdenkonfliktvermitteln

Der in Wien weilende Europasprecher derERNK, Herr Hasan Akif, meint anläßlichder Österreichischen EU-Präsident-schaft im zweiten Halbjahr 1998:

1. Die österreichische Regierung soll dieChance in der EU-Präsidentschaft nüt-zen, um eine Vermittlerrolle zwischen dertürkischen Regierung und den kurdi-schen Interessen zu übernehmen.

2. Die österreichische Regierung sollder internationalen Lösung des „Kur-denproblems“ vordringliche Prioritäteinräumen.

3. Österreich soll im Ratsvorsitz da-nach trachten, daß die Empfehlung derEU-Außenminister,„Waffen nicht in Kri-sengebiete zu liefern,die dieselben für in-nere Konflikte verwenden“, besondersbezüglich der Türkei striktens zu beach-ten.(ERNK-Vertretung in Österreich, 30. Juni 1998)

Konferenz in Brüssel

Am 3. und 4. Juli fand in Brüssel die indieser Zeitschrift vor kurzem angekün-digte Konferenz von KON-KURD zurMenschenrechtssituation in der Türkeiund Kurdistan mit etwa 60 Teilnehmernaus Norwegen, Dänemark, der Schweiz,der Türkei, Belgien, Großbritannien undder BRD statt. Durch extreme Schikanenbei der Erteilung der Visa gelang es hierleider den türkischen und belgischenBehörden, die Anreise von 12 der 14 ein-geladenen Referenten aus der Türkei zuverhindern. Lediglich ein Vertreter derHADEP und der Mesopotamischen Kul-turvereine konnte rechtzeitig nach Brüs-sel kommen.

„Turkish Daily News“ besorgt über kurdische „diplomatische Offensive“ / OSZE-Tagung

Neuerliche Bemühungen um eine politische Lösung der kurdischen Frage

PB 15/98 • AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG 9

In der gegenwärtigen Auseinandersetzungum den Kosovo wird insbesondere von denMedien der Eindruck erweckt, als ob erst seitder „Aufhebung der Autonomie“ durch Milo-sevic 1989 von einer Krisenregion gespro-chen werden kann. Das ist falsch und be-wußt so dargestellt, um die Serben für dieSpannungen verantwortlich zu machen.

Sowohl von den Serben als auch von denAlbanern werden in den Auseinanderset-zungen historische Gründe für ihre An-sprüche auf den Kosovo angeführt. EineMethode, die auch in anderen Ländern,Deutschland hat dabei ganz besondersschlimme Erfahrungen, zu Revanchis-mus und blutigen Auseinandersetzungengeführt hat und noch führt.

Heute wird von den Kosovo-Albanerbehauptet, daß sie Nachfahren der Illy-rer seien, die schon 1000 v. Chr. den We-sten des Balkans besiedelten und sie des-halb einen historischen Anspruch aufKosovo hätten.

Tatsache ist, daß Serbien bereits 1878seine Unabhängigkeit erhielt und nachdem Balkankrieg 1912 und der endgülti-gen Befreiung von den Türken auch Ko-sovo zurück bekam. Das Königreich Ser-bien brachte im Dezember 1918 auch dasGebiet Kosovo und Metohien (so die of-fizielle Bezeichnung) in das erste Jugos-lawien (zunächst Königreich der Serben,Kroaten und Slowenen) ein.In diesem Ju-goslawien waren die Kosovo-Albanerpraktisch rechtlos, was es den faschisti-schen italienischen und später deutschenBesatzern im Zweiten Weltkrieg erleich-terte, die profaschistischen albanischenBalisten für sich zu gewinnen.Durch die-se wurden die Serben massenhaft ausdem Kosovo vertrieben.

Nach dem Krieg und dem Sieg desVolksbefreiungskampfes der Völker Ju-

goslawiens wurde auch der albanischennationalen Minderheit das Recht auf Au-tonomie zugebilligt. Dabei ist allgemeinkaum bekannt, daß das Nationalkomiteeder Befreiung Jugoslawiens am 6. März1945 einen Beschluß faßte, der den ver-triebenen Serben die Rückkehr nach Ko-sovo verbot. Offensichtlich sollten damitRacheakte verhindert werden.

In dem Maße, wie den Kosovoalbanerdurch Titos Regierung immer mehr Rech-te eingeräumt wurden, erhöhten sich de-ren Forderungen nach mehr Eigenstän-digkeit. 1963 wurde die bis dahin auto-nome Region Kosovo und Metohien in-nerhalb der Republik Serbien zur auto-nomen Provinz Kosovo und staatsrecht-lich der multinationalen Provinz Vojvo-dina im Norden Serbiens gleichgestellt.Es konnte ein Provinzparlament gewähltwerden und im Rahmen der serbischenDelegation wurden 5 Vertreter Kosovos indie Nationalitätenkammer des Bunde-sparlaments entsandt. Trotzdem kam es1968 zu ernsthaften Unruhen, bei denenerste Forderungen nach einer eigenen Re-publik laut wurden. Die Unruhen wur-den niedergeschlagen und durch die Er-weiterung der Autonomierechte über-deckt.Mit der neuen Verfassung der SFRJvon 1974, die die Selbstverwaltung er-weitern und die Selbständigkeit der Re-publiken stärken sollte, in der Praxis vorallem aber den Nationalismus förderte,wurde auch der Status der autonomenProvinzen in Serbien verändert.Vojvodi-na und Kosovo blieben zwar formell wei-ter Bestandteile Serbiens, wurden aberpraktisch den Republiken gleichgestellt.Sie erhielten 20 Sitze im Bundesparla-ment und je einen Platz im jugoslawi-schen Staatspräsidium. So stellte Koso-vo zwischen 1974 und 1989 zweimal denVorsitzenden des Staatspräsidiums

(Staatsoberhaupt) der SFRJ. In dieserZeit besetzten die Albaner alleFührungspositionen in Politik und Wirt-schaft der Provinz. Die Universität vonPristina wurde zu einer albanischen Ein-richtung, die wie die Schulen, Fach- undHochschulen mit aus Albanien einge-führten Lehrbüchern arbeitete. Das trugeinerseits zur Stärkung des albanischenNationalismus bei, führte andererseitsaber auch dazu, daß viele Hochschulab-solventen ohne Arbeit blieben, weil sie inanderen Teilen Jugoslawiens wegen un-zureichender Sprachkenntnisse keineArbeitsplätze fanden.

Kosovo war zwar praktisch den Repu-bliken gleichgestellt, allerdings ist auchfür die heutige Situation wichtig, daß inTitos Jugoslawien niemals daran gedachtwurde, dem Kosovo den Status einer Re-publik mit dem Recht auf Lostrennungzu gewähren. Dem lag die staatsrechtli-che Auffassung zu Grunde,daß innerhalbJugoslawiens nur die Völker ein Recht aufeine eigene Republik haben, die keinenanderen Mutterstaat haben. Diejenigen,die wie die Albaner, Ungarn usw. einenMutterstaat hatten, galten als nationaleMinderheiten bzw. Völkerschaften. Da-mit wandte sich die jugoslawischeFührung gegen eine Zweistaatentheorie,was übrigens 1990 die jugoslawischeHaltung zur Vereinigung der beiden deut-schen Staaten beeinflußte.

Eine fast logische Schlußfolgerung deswachsenden albanischen Nationalismuswar die Tatsache,daß die albanischen Se-paratisten im Kosovo 1980, nach dem To-de Titos, massiv mit der Forderung „Ko-sovo-Republik“ auftraten, was 1981 zuschweren Unruhen führte. Das Ergebniswaren nach offiziellen Angaben 9 Tote,275 Verletzte und ein drei Monate an-dauernder Ausnahmezustand. Späte-

Bild- und Textdokument aus: A. MEURER,H. VOLLMER, H. HOCHBERGER, DIE IN-TERVENTION DER BRD IN DEN JUGOSLAWI-SCHEN BÜRGERKRIEG. HINTERGRÜNDE,METHODEN, ZIELE. Die 1992 im GNN-Verlag erschienene und – vor allem, wasdie deutsche machtpolitisch motivierteSchürung der Konflikte auf dem Balkanangeht, immer noch aktuelle Broschüreschildert die Geschichte der deutschenInterventionen und Okkupationen aufdem Balkan in diesem Jahrhundert biszur aktuellen Intervention in den jugos-lawischen Bürgerkrieg. Die Broschüre(56 Seiten, ISBN 3-926922-15-X) ist er-hältlich bei den örtlichen GNN-Verlagen,über den Buchhandel oder direkt beimGNN-BUCHVERSAND, BADEWEG 1, 04435SCHKEUDITZ, TEL. (03 42 04) 6 57 11, FAX

(03 42 04) 6 58 93.

Die westliche Presse erweckt vielfach falsche Eindrücke von den Hintergründen und Verantwortlichkeiten im Kosovo-Konflikt

Kosovo, das Pulverfaß auf dem Balkan

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stens seit diesem Zeitpunkt entwickeltesich das Kosovoproblem zu einer bis heu-te andauernden Krise, die im Zusam-menhang mit dem vom Westen geförder-ten Zerfall Jugoslawiens Anfang der 90erJahre einen neuen Höhepunkt fand. Gehtman dabei davon aus, daß der Westenheute einer Lostrennung Kosovos vonSerbien/Jugoslawien keinesfalls zustim-men will, dann muß man aber feststellen,daß die serbische Reaktion auf die Un-abhängigkeit der Kosovoalbaner vom Ju-li 1990 in jeder Hinsicht gerechtfertigtwar. Man muß hinzufügen, daß die serbi-sche Führung unter Slobodan Milosevicoffensichtlich danach nicht genügend ge-tan hat, um dazu beizutragen, daß derKrisenherd Kosovo durch einen demo-kratischen Dialog dauerhaft gelöst wird.Die Anerkennung des Kosovo als eine derbeiden autonomen Provinzen in der Re-publik Serbien in der neuen Verfassungreicht dazu nicht aus. Andererseits mußbetont werden, daß im Zusammenhangmit den Parlamentswahlen 1992 BelgradBereitschaft signalisiert hat, einen Dia-log über alle offenen Fragen zu führen,unter der Bedingung, daß von den Alba-nern anerkannt wird, daß Kosovo undMetohia integraler Bestandteil Serbiensist. Die separatistischen Führer der Al-baner ließen und lassen bis heute keinenZweifel daran, daß sie sich besondersnach den illegalen Parlaments- und Prä-sidentenwahlen vom Mai 1992 als unab-hängig fühlen und es nur Verhandlungenwie zwischen zwei unabhängigen Staa-ten über offene, noch zu regelnde Fragengeben könne. Diese Haltung hatte auchpraktische Folgen, die von den Medienund von führenden Politikern vor allemauch in Deutschland immer wieder alsVerletzungen der Minderheitsrechtedurch die Serben und in jüngster Zeit so-gar als „ethnische Säuberungen“ darge-stellt werden. Auf Weisung der albani-schen Führer weigerten sich viele Alba-ner in „ihren“ Betrieben und Einrich-tungen für die „serbischen Okkupanten“zu arbeiten, was zu Entlassungen undVerschärfung der so schon schwierigensozialen Lage der albanischen Bevölke-rung führte.

Im Bildungswesen weigerte man sich,die Anordnungen nicht mehr nach aus-ländischen (albanischen) Lehrplänen,sondern nach serbischen Lehrplänen, dieauch die Ausbildung in der Mutterspra-che vorsehen, umzusetzen. Der Unter-richt wurde boykottiert, was zur Folgehatte,daß Lehrer,die sich weigerten,demserbischen Staat ihre Loyalität zu er-klären, entlassen wurden.

Massive Vorwürfe wegen angeblicherfehlender Minderheitenrechte gibt es nurvon den Albaner, bzw. deren Führer imKosovo und das, weil sie nicht Menschenund Minderheitenrechte fordern, son-dern weil sie nicht bereit sind, die Ver-fassung und Gesetze Serbiens anzuer-kennen. Gleichzeitig nehmen sie aber dieRechte, die ihnen Vorteile bringen, in An-spruch. Dazu gehören die Nutzung der

kulturellen und sprachlichen Besonder-heiten,die Glaubensfreiheit und die Frei-heit, sich politisch zu organisieren. ImKosovo erscheinen rund 50 Tages und Wo-chenzeitungen in albanischer Sprache.Bemerkenswert ist dabei, daß diese nichtnur frei verkauft werden, sondern offenstaatsfeindliche Propaganda verbreitenbis hin zum jüngsten Aufruf der s.g. Be-freiungsarmee (UCK), zu den Waffen zugreifen und gegen die „serbischen Okku-panten“ zu kämpfen.

In diesem Zusammenhang wird oftdarauf verwiesen, daß der illegal ge-wählte und übrigens völlig unbehelligt inPristina lebende s.g. Präsident der „Re-publik Kosovo“, Ibrahim Rugova, für ei-ne friedliche Lösung und Widerstandnach dem Vorbild von Ghandi eintritt unddie radikalen bzw. militanten Kräfte inder Minderheit seien. Die Wahrheit liegtaber darin, daß alle entscheidenden Füh-rer der Kosovoalbaner das gleiche Zielverfolgen und nicht müde werden zu be-tonen, daß für sie nur ein unabhängigesKosovo in Frage kommt. Im Gegensatz zuRugova, der übrigens vor einigen Wochennoch behauptete, daß er von der UCKnichts wisse, sind der Vorsitzende derParlamentarischen Partei Adem Deman-ci oder das Akademiemitglied Prof.Rexep Qosja direkter und treten offen fürden bewaffneten Widerstand bzw. dasEndziel der Vereinigung aller Albaner ineinem Großalbanien ein. Auch Rugovahat trotz seiner angeblichen „ghandi-schen“ Haltung in keiner Weise die ter-roristischen Aktionen verurteilt, ge-schweige denn etwas gegen die UCK un-ternommen. Genau das Gegenteil ist derFall. Die rund 500.000 im Ausland leben-den Kosovoalbaner sind seit Jahren ver-pflichtet,drei Prozent ihres Einkommensfür die „Republik Kosovo“ abzuführen.Ein Teil dieses Geldes wurde nach jetztvorliegenden Informationen für die Aus-bildung von Terroristen der UCK und de-ren Bewaffnung verwendet.

Albanische Dependancen in der BRD

Wesentlichen Anteil daran hat der seitJahren in Deutschland lebende „Mini-sterpräsident“ der offiziell nicht aner-kannten Exilregierung Bujar Bukoshi.Dieser hat erst vor wenigen Tagen alleKosovoalbaner in den westlichen Indu-striestaaten aufgerufen 1000 DM zusätz-lich für den „Befreiungskampf“ zu spen-den. Von der Bonner Regierung wurdebisher nichts unternommen, um dieseAktivitäten zur Unterstützung von Ter-roristen zu unterbinden. Der „Haupt-stab“ der UCK hat alle Albaner aufge-fordert,Spenden auf das Konto des Fonds„Die Heimat ruft“ einzubezahlen. InDeutschland hat dieser Fonds seinen Sitzin Siegburg bei Bonn. Er weist in seinenVeröffentlichungen darauf hin, daß dieSpenden in der BRD von der Steuer ab-gesetzt werden können.Verbunden wer-den die Aufrufe mit der Drohung, daßdiejenigen,die nicht spenden,„eine großeVerantwortung“ auf sich laden. Bekannt

ist, daß eine Weigerung die UCK zu un-terstützen oder gar ein Bekennen zumserbischen Staat schon vielen Albanerndas Leben gekostet hat.

Wenn sich die EU und die USA jetztdarauf berufen, daß für sie eine Lostren-nung des Kosovo von Serbien bzw. derBRJ nicht akzeptabel sei, gleichzeitigaber nur einseitigen Druck auf Belgradausüben und Sanktionen verhängen, soist das mehr als Demagogie. Auch dieDrohung eines militärischen Eingreifensder NATO, wenn es sein muß auch ohneZustimmung des Sicherheitsrates derUNO, um angeblich ein zweites Bosnienzu verhindern, weil Milosevic angeblichnur die Sprache der Gewalt versteht, er-weist sich in der Praxis als eine direkteErmunterung der Terroristen und Sepa-ratisten. Dabei entspricht diese Behaup-tung nicht einmal den Tatsachen, dennMilosevic hat im Falle Bosniens bereitsein Jahr vor den NATO-Angriffen gegendie bosnischen Serben die Vorschläge derKontaktgruppe unterstützt und sogar einEmbargo gegen die Republika Srbskadurchgesetzt.Sein Beitrag zum Abschlußdes Daytoner Abkommens wurde von derFührung in Pale, allen voran die heutigePräsidentin Biljana Plavsic, als Verratserbischer nationaler Interessen verur-teilt. Die einseitige Verurteilung der Ser-ben und mehr oder weniger direkte Par-teinahme für eine der Konfliktparteien,bis hin zur Anerkennung der terroristi-schen UCK als möglicher Verhandlungs-partner, droht auch im Kosovokonfliktwieder zum Hindernis für eine allseitigakzeptable Kompromißlösung zu wer-den. Nicht die Politik der BRJ stellt eineBedrohung des Friedens in der Regiondar, sondern die separatistische Politikder Albaner, die schon heute keinen Hehldaraus machen, daß nach Kosovo die Un-abhängigkeit der Albaner in Mazedoni-en und die Schaffung eines Großalbani-en auf der Tagesordnung stehen.

Die Praxis beweist, die zwischen denPräsidenten Jelzin und Milosevic getrof-fenen Vereinbarung zur Lösung der Ko-sovokrise ist bisher der einzige reale Wegund sollte besonders auch von Deutsch-land unterstützt werden. Dazu gehörenaber nicht nur wortreiche Appelle z.B. anRugova bei seinen zahlreichen Visiten inBonn. Wirksamer wäre es, die Tätigkeitdes Fonds in Siegburg zu unterbindenund auch dem militanten Bujar Bukoshiund seinen Aktivitäten zur Unterstüt-zung der UCK sowie für die Lostrennungdes Kosovo von Serbien die Unterstüt-zung und Gastfreundschaft zu entziehen.Das Problem besteht doch nicht mehrdarin die Serben an den Dialogtisch zubekommen, sondern die Kosovoalbanerzu zwingen, ihre terroristischen Akti-vitäten und separatistischen Ziele aufzu-geben und ohne Vorbedingungen mit denSerben über alle offenen Fragen Ge-spräche zu führen, um eine dauerhafteAutonomielösung entsprechend den in-ternationalen Normen zu finden, wie sieBelgrad zugesagt hat. (M.W.)

PB 15/98 • AUSLANDSBERICHTERSTATTUNG 11

Spanische Regierung veranlaßtSchließung der Tageszeitung „egin“Baltazar Garzon, Richter des spanischenNationalgerichts, ließ entsprechend denWünschen der PP-Regierung am Mitt-woch, den 15. Juli, die baskische Tages-zeitung „egin“ und den Radiosender„egin irratia“ schließen; 11 Mitgliederdes Verwaltungsapparats von „egin“ und„egin irratia“ wurden verhaftet.

Der „egin“ nahm bisher von den ammeisten gelesenen Tageszeitungen inner-halb des spanischen Baskenlandes so-wohl in Gipuzkoa als auch in Bizkaia denzweiten Platz ein; seine politische Aus-richtung entsprach der Herri Batasunas,gefordert wurden echte Demokratie unddas Selbstbestimmungsrecht. Der „egin“bildete das wichtigste offene Diskussi-onsforum und eine zentrale Informati-onsquelle für die baskische Linke insge-samt, für die verschiedenen Richtungendes baskischen Nationalismus und fürprogressive Bewegungen von unten.

Der spanische Innenminister Oreja be-gründete die Schließung der Zeitung da-mit,daß „egin“ der Untergrundorganisa-tion ETA helfe.Wenn es auch zutrifft, daßdie über das Baskenland verstreuten Mit-glieder von ETA-Kommandos aus im„egin“ veröffentlichten Kommuniquesihrer Führung Instruktionen ableitenkonnten, so zielt die Maßnahme des spa-nischen Staates doch kaum darauf ab,ETA auszuschalten, sondern darauf, derbaskischen Unabhängigkeitsbewegunginsgesamt und den diversen kritischenStrömungen entscheidenden Schadenzuzufügen.

Für dieses Anliegen ist der beauftrag-te Richter, Garzon, genau der richtigeMann: Politisch weit rechts stehend, hat

er wiederholt erklärt, ihm gehe die De-mokratie in Spanien zu weit.

(Manfred Ostrowski, Köln)

Kolumbien: Wiederannäherung vonELN und FARC(Bogotá, 10. Juli 1998, pulsar-Poonal).-Die beiden wichtigsten GuerillagruppenKolumbiens haben in den vergangenenWochen mehrere Treffen in den Bergenabgehalten. Sie versuchen, sich über ge-meinsame Themen bei künftigen Frie-densgesprächen mit der Regierung einigzu werden.

Antonio García,militärischer Chef derNationalen Befreiungsarmee (ELN), in-formierte die Führung der Revolu-tionären Streitkräfte Kolumbiens(FARC) über Details des in Mainz statt-findenden Dialogs mit VertreterInnen derkolumbianischen Gesellschaft.

Ziel der Annäherung ist es auch, dieGuerillakoordination Simón Bolívarwiederzubeleben, in der sich mehrere be-waffnete Aufstandsbewegungen desLandes in der vergangenen Dekade ab-sprachen.

Laut García gibt es große Überein-stimmung mit der FARC bei der Beurtei-lung der Probleme des Landes. Die ELNunterstütze zudem die FARC in ihrer For-derung, daß die Regierung fünf Land-kreise entmilitarisieren müsse, damitFriedensverhandlungen begonnen wer-den könnten.

Einigkeit bestehe ebenso darin, daßder Dialog mit der kolumbianischen Ge-sellschaft und nicht mit der Regierunggeführt werden solle.

Ein geschlossenes Vorgehen der beidenGuerillabewegungen könnte die Aus-sichten für Frieden in Kolumbien ver-

bessern. Dazu kommt das Tref-fen des neugewählten Präsiden-ten Andrés Pastrana mit der FARC-Spitze am 9. Juli. Damit werden Erwar-tungen geweckt, die während der Amts-zeit des scheidenden Präsidenten Erne-sto Samper nie bestanden.

Puerto Rico: Generalstreik gegenPrivatisierung(San Juan, 14. Juli, pulsar/alc/comcosur-Poonal).- Am 9. Juli endete ein zweitägi-ger Generalstreik, an dem etwa eine hal-be Million ArbeiterInnen teilnahmen.Die Gewerkschaften hatten ihn aus Pro-test gegen die vorgesehene Privatisierungder staatlichen Telefongesellschaft aus-gerufen. Zwar wurde der Aufruf nichtvollständig befolgt, dennoch handelte essich um die größte und wichtigste Mobi-lisierung der Bevölkerung in der Ge-schichte Puerto Ricos.

In der Hauptstadt San Juan blieben dieGeschäftszentren, Banken und Restau-rants fast allesamt geschlossen. Auch dieBusse verkehrten nicht. Es gab sogar dieUnterstützung von Gruppen, die nichtgrundsätzlich gegen die Privatisierungsind, das selbstherrliche Vorgehen desGouverneurs Pedro Rosselhó aber ableh-nen. Selbst der Senatsvorsitzende Char-lie Rodríguez, der der Regierungsparteiangehört, gab den Erfolg des General-streiks sowie die Teilnahme einiger Par-teimitglieder zu.

Vor dem Generalstreik hatte es auch inden USA Unterstützung für die Privati-sierungsgegner gegeben. Mitglieder ver-schiedener Gewerkschaften demon-strierten in der Nähe des RockefellerCenters in New York. Dort befinden sichsowohl die zentralen Büros von GTE Ser-vices Corporation, des interessiertenKäufers der Telefongesellschaft,wie auchdie Büros der Citibank, die das Geschäftfinanzieren soll.

Auch in anderen Städten gab es Pro-teste. Die Beschäftigten des Telefonun-ternehmens kämpfen seit Wochen gegenden Privatisierungsbeschluß und führenihre Streikaktionen auf Betriebsebeneweiter. „Der Streik wird weitergehen, bisdie Regierung ihre Privatisierungspolitikals falsch eingesteht“, so die Gewerk-schafterin Annie Cruz. Sie und ihre Kol-legInnen wollen einen Stopp des Regie-rungsvorgehens oder eine Volksbefra-gung über den Verkauf der Telefongesell-schaft. Die Privatisierung des beträchtli-chen Gewinn abwerfenden Unterneh-mens ist nach ihrer Auffassung widersin-nig und ein Angriff auf das Staatsvermö-gen.

Innenminister Morey sagte, die Ent-scheidung,die Telefongesellschaft zu ver-kaufen, sei endgültig und es gebe ein Ge-setz dafür. Die Verhandlung mit denStreikenden werde über ganz konkretePunkte sein.Die Regierung trete dabei alsRepräsentant eines Käufers „ohne Na-men“ der Telefongesellschaft auf.

(Zusammenstellung: hav)

Mehrere zehntausend Menschen haben am vergangenen Samstag in der nord-spanischen Stadt San Sebastian gegen das Verbot der Zeitung EGIN und desRadiosenders EGIN-IRRATIA protestiert. „Ihr bringt uns nicht zum Schwei-gen“, hieß es auf den Spruchband von Angestellten der Zeitung.

12 REGIONALES AUS WEST UND OST • PB 12/98

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GelöbNiX – Kein Gelöbnis auf demKieler RathausmarktKIEL.Am 18.August will die Bundeswehrein öffentliches Gelöbnis auf dem KielerRathausplatz durchführen,es ist eins vonca. 500 öffentlichen Gelöbnissen allein indiesem Jahr. Oberbürgermeister NorbertGansel (SPD) hat auf Anregung der Rats-fraktionen der SUK und CDU und aufAntrag der SPD die Bundeswehr zu die-sem Spektakel eingeladen.Während eineStadt wie Frankfurt/Oder die Selbstein-ladung des Militärs dankend abgelehnthat,werden nach Kiel extra Rekruten ausEckernförde herangeschafft. In Kielselbst gibt es keine Soldaten, denen nochdas Gelöbnis abgenommen werden könn-te. Als besonderer Ehren-. oder besserWahlkampfgast wird Verteidigungsmini-ster Volker Rühe anwesend sein, um zu-sammen mit Norbert Gansel die Reihender strammstehenden Soldaten abzu-schreiten. Dagegen hat sich ein Bündnis„GeböbNiX – Kein Gelöbnuis auf demKieler Rathausmarkt“ gebildet, das fürden 18. August zu Protestaktionen auf-ruft.Den Aufruf haben bereits zahlreicheArbeitskreise, Initiativen, Einzelperso-nen, Gruppen und linksstehende Partei-en aus Kiel und Umgebung unterstützt.Koordinierungsbüro Infoladen, Hansa-straße 48, Tel/Fax donn.: 0431 / 56 37 17

Taschengeld an Abschiebehäftlingewird endlich ausgezahltMANNHEIM. Nach dem Asylbewerberlei-stungsgesetz steht jedem Abschiebehäft-ling seit Juli 1997 ein Taschengeld von 56DM im Monat zu. Dieses Geld wurde je-doch bis vor drei Wochen nicht an die Ab-schiebehäftlinge in der Abschiebehaft-anstalt Mannheim ausbezahlt. Wie dieArbeitsgemeinschaft für Menschen inAbschiebehaft, Mannheim mitteilte, ge-lang es nach längerem Briefwechsel undVorsprachen, das Innenministerium unddas Justizministerium zu bewegen, die-sen ungesetzlichen Zustand zu beenden.Nachdem es zwischen den beiden Mini-sterien wegen der Finanzierung des Ta-schengeldes zu einer Einigung kam, dau-erte es aber nach der Anweisung des Gel-des an die JVA Mannheim, die mit derAuszahlung beauftragt wurde,wiederum

einige Wochen, bis nun endlich die erstenZahlungen vorgenommen wurden. DieArbeitsgemeinschaft für Menschen inAbschiebehaft sieht sich angesichts die-ses Vorgangs in ihrer Ansicht bestätigt,daß es sich bei der Abschiebehaft weit-gehend um einen „rechtsfreien Raum“handelt. Kommunal Info Mannheim

Grüne fordern Einstellung derWachparade der „Langen Kerls“POTSDAM. Beim jüngsten Aufmarsch der„Langen Kerls“ kam es zu Übergriffenvon Neonazis auf friedliche PassantIn-nen. Die Neonazis bedrohten einzelnePersonen namentlich. Schon im Vorfeldwurde von rechtsextremen Kreisen be-kannt, jetzt bei jeder Wachparade anwe-send zu sein. „Damit wird deutlich, wel-ches Publikum vom militaristischenMummenschanz der PTM angezogenwird. Die Wachparade wächst sich mehrund mehr zu einem Imageschaden fürPotsdam aus“, so Alex Kruschat vonBündnis 90/Die Grünen. Er fordert da-her, die Wachparade sofort einzustellen.

Aus: CL-Netz 18. Juli

Für die sofortige Auflösung desKommandos Spezialkräfte in CalwTÜBINGEN. Die Informationsstelle Mili-tarisierung in Tübingen, das Friedens-netz Baden-Württemberg und der bun-desweite Friedensratschlag in Kassel

VILLINGEN. „Lieber solidarisch als solidearisch“, so lautete eineder Parolen auf der An-tifa-Demonstration am11. Juli. Anlaß war einÜberfall auf den Rott-weiler Direktkandida-ten der PDS, MichaelLilienfeld, durch rechteNazischläger. WinfriedWolf (MdB, PDS) wiesauf den zunehmendenRechtsruck hin.

CHEMITZ. 6000 Menschendemonstrierten am 11. Juli,in Chemnitz gegen einenAufmarsch der NPD. DieStadt Chemnitz hatte einVerbot verhängt, aber Ver-waltungsgericht und Ober-verwaltungsgericht hobendas Verbot auf. Aus „Si-cherheitgründen“ wurdeder NPD nur eine Kundge-bung genehmigt. 400 Neo-nazis kamen. Ein starkesPolizeiaufgebot schirmtesie ab. 300 Leute wurdefestgenommen, hauptsäch-lich aus den Reihen der Ge-gendemonstration.

sammeln Unterschriften für den folgen-den Aufruf: „Bundeswehr in alle Welt?Wir sagen Nein! Ich protestiere gegen je-den Kriegseinsatz der Bundeswehr. Fürdie sofortige Auflösung des KommandosSpezialkräfte in Calw! – Das 960 Mannstarke Kommando Spezialkräfte in Calwist die Speerspize der Krisenreaktions-kräfte (KRK) der neuen Bundeswehr. DieEinführung und der Einsatz der KSK alsEingreiftruppe hat mit Landesverteidi-gung nichts zu tun und stellt eine Aufrü-stung völlig neuer Qualität dar.Das Kom-mando Spezialkräfte ist eine Kampf- undKriegstruppe.Wir fordern deshalb die so-fortige Auflösung des Kommandos Spe-zialkräfte als ersten Schritt einer quali-tativen Abrüstung!“ Wer den Aufruf unterschreiben möchte,wendet sich an das Friedensnetz, Rosen-bergstr. 45, 70176 Stuttgart.

REP-Veranstaltung verhindertJENA. 500 meist jugendliche Demon-strantInnen verhinderten am 18. Juli inJena eine Kundgebung der „Republika-ner“. Der Bundesvorsitzende Dr. RolfSchlierer mußte seine vor Rassismusstrotzende Wahlkampfrede unter demSchutz des „Thüringer Heimatschutzes“und der Polizei vor weniger als 20 REP-AnhängerInnen halten.

Sirenengeheul, Trillerpfeifen und an-tifaschistische Losungen der 500 Gegen-demonstrantInnen ließen seine Worte un-gehört verhallen. Mit Phantasie gegenRechts! Insbesondere die Junge Gemein-de Jena bereicherte die Gegenaktion mitphantasievollen Beiträgen. In einemStraßentheater stellten die Jugendlichendar, wie sie Faschismus im Alltag, dasWegschauen der Mehrheit und die Mit-läufer rechter Organisationen erleben.Auch die Parteien, die sich in der Regelmit Tatenlosigkeit auszeichnen, SPD,CDU, FDP sahen sich genötigt, sich beiden DemonstrantInnen zu bedanken undsich gegen Rechts zu stellen. Der Ober-bürgermeister (FDP) machte jedochdeutlich, daß es ihm um den Kampf ge-gen den Extremismus ging – also Rechtsund Links. A. Lucifero

PB 12/98 • REGIONALES AUS WEST UND OST 13

MANNHEIM. Am Dienstag, 14. Juli, ging allesganz schnell und überraschend. Die von Ab-schiebung bedrohte kurdische Familie Dü-zenli hatte in der protestantischen Gemein-de in Mutterstadt (Landkreis Ludwigsha-fen/Rheinland-Pfalz) endlich ein „vorüber-gehendes Obdach“ gefunden. Am 13.7. wur-de dies in einer Presseerklärung bekannt-gegeben.

Am Nachmittag,den 14.7., ließ der Land-rat des Kreis Ludwigshafen, Bartholomé(CDU), ca. 20 Polizisten in einer gehei-men Blitzaktion die Gemeinderäume derprotestantischen Gemeinde stürmen, umden kurdischen Deserteur der türkischenArmee, Abdul Menaf Düzenli, seine Frauund seine beiden Kinder festzunehmen.Der Familie wurde nicht einmal Zeit ge-lassen, das Notwendigste wie Kleidungoder Babysachen mitzunehmen. Sogareinem anwesenden kirchlichen Mitarbei-ter werden vorübergehend Handschellenangelegt, so daß es unmöglich ist,Hilfe zuholen.

Die Familie wurde dann in Polizeiau-tos zum Flughafen Frankfurt am Mainverfrachtet, wo sie einige Stunden späterum 18 Uhr 32 mit einem Flugzeug der„Turkish Airlines“ nach Istanbulzwangsabgeschoben wurde.

In der kurzen Zwischenzeit versuchteder Rechtsanwalt von Düzenli,WolfgangSchmidt, durch einen Eilantrag am Ver-waltungsgericht Neustadt/Weinstraße,die Abschiebung noch abzuwenden.Doch vergebens - der Eilantrag wurdeabgelehnt. Genauso vergeblich wie derVersuch einiger Unterstützer, auf demFrankfurter Flughafen auf das Schicksalder kurdischen Familie aufmerksam zumachen.

Umgehend wurde der türkische Men-schenrechtsverein (IHD) benachrichtigt.

Der Ludwigshafener Land-tagsabgeordnete Braun(Bündnis 90/Grüne) und dieLandtagsabgeordneteKlamm (SPD) versuchtennoch gegen die Abschiebungzu intervenieren, aber wederim Landratsamt noch im In-nenministerium war jemandverantwortliches zu errei-chen.

In der nun folgenden Zeitwird nun heftig die Frage ge-stellt werden: Wie konnte dasnur passieren? Wähnte mandie Familie Düzenli zu si-cher? Hat man die Staats-macht unterschätzt? Es wirdauch der Frage nachgegangen: Handelteder Landrat im Alleingang oder im Ein-verständnis mit Innenmister Zuber(SPD). Landrat Bartholomé ließ von An-fang an keinen Zweifel, daß er Düzenliunbedingt abschieben will. Das Engage-ment einiger Kirchenleute lehnte er alsEinmischung in „seinen“ Kompetenzbe-reich strikt ab. Innenminister Zuber sollschon mal erklärt haben,daß er keine Po-lizei in kirchliche Räume schicken wer-de, um Asylbewerber abzuschieben. Hatder Innenminister von nichts gewußtoder hat er sein Wort gebrochen.

Das Presbyterium (Ältestenkreis) desÄltestenkreises von Mutterstadt wirdsich die Frage gefallen lassen, ob es dennausreichend war, statt Kirchenasyl nurein auf den 27. Juli befristetes „Obdach“zu geben. Der ökumenische Arbeitskreis„Solidarität mit Ausländern“ und ein Teildes Ältestenkreises hatten zuvor Kir-chenasyl gefordert, um die Abschiebungzu verhindern. Ein anderer Teil des Älte-stenkreises und ein Teil der Pfarrer woll-ten die sich abzeichnende Auseinander-

setzung mit dem Staatsapparat unbe-dingt vermeiden. Mit dem kirchlichen„Obdach“ glaubten sie, einen Dreh ge-funden zu haben, der Familie DüzenliSchutz bis zur Aufnahme eines Asylfol-geantrags geben könnte.

Es ist zu hoffen, daß die Proteste gegendie zwangsweise Abschiebung von Dü-zenli heftig ausfallen werden. Es wird si-cherlich von bundesweiter Bedeutungsein, ob das gewaltsame Betreten kirch-licher Räume durch die Polizei entspre-chenden Protest auslöst. In Sachen Kir-chenasyl galten Kirchenräume für diePolizei bis jetzt als Tabuzone. In Mutter-stadt wurde also ein Tabu gebrochen!

Am Donnerstag ,den 16.Juli um 16 Uhr30, fand wie schon den Donnerstag zuvorvor dem Landratsamt am Europaplatz inLudwigshafen eine Mahnwache statt.Am9. Juli ließen die Teilnehmer der Mahn-wache dem Landrat Bartholomé einenoffenen Brief mit u.a. folgendem Inhaltzugehen: „Jeder, der die Lebensumstän-de der kurdischen Familie kennt, weiß,daß die Familie, insbesondere aber dasLeben des Herrn Düzenli, bei einer Ab-schiebung höchst gefährdet sind. HerrDüzenli ist als Kurde aus der türkischenArmee desertiert. In Deutschland hat erden türkischen Behörden mitgeteilt, daßer den Kriegsdienst aus Gewissensgrün-den verweigert...

Wir fordern Sie auf,Herrn Düzenli undseiner Familie eine Duldung/Aufenthalt-serlaubnis zu geben - zumindestzunächst einmal solange wie das Asylfol-geverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Wie wir wissen, läßt Ihr Handlungs-spielraum es zu, eine Duldung aus hu-manitären Gründen (insbesondere beiGefahr für Leib und Leben) auszuspre-chen. Wenn Sie Herrn Düzenli und seineFamilie abschieben, schieben Sie siemöglicherweise in den TOD ab. Dafürwären Sie dann verantwortlich!“ scr

Dramatische Zuspitzung im Falle der kurdischen Flüchtlingsfamilie Düzenli

Polizei dringt in Kirchenräume ein: Festnahmeund Zwangsabschiebung!

Familie Düzenli am 13. Juli 1998

SCHWEIFURT. Am 18. Juli fand inSchweinfurt eine Demonstration„Schützt die Flüchtlinge! Gegen Kri-minalisierung und Abschiebung!“statt. Die Bürgerinnenaktion „Soli-darität statt Rassismus“ und Mitglie-der von HADEP setzen sich insbe-

sondere für den Vater Salim der Fa-milie Bozkurt (oben) und die MutterGurbet der Familie Kurt ein.Beide El-tern sind Flüchtlinge, müssen ge-trennt von ihren Familien leben. Sieleben illegal in der BRD und sind jetztvon Abschiebung bedroht.

14 REGIONALES AUS WEST UND OST • PB 12/98

Für den Ausbau der Karlsruher Messe aufder fünffachen Fläche, vorläufig mit umdie 150 Millionen DM beziffert, die ent-sprechenden Betriebs- und Folgekostenkommen hinzu, werden die Eigentümer -die städtische Karlsruher Kongreß- undAusstellungs-GmbH KKA und die priva-te Hinte Messe- und Ausstellungs-GmbH– nur einen kleinen Beitrag aus selbst er-wirtschafteten Mitteln aufbringen kön-nen. Im Fall der Messe, oder Regional-messe, geht es um viel öffentliches Geld.Keine andere städtische Aktivität darf soviel kosten und muß so wenig einbringenwie das Kongreß- und Messewesen. DieKostendeckung liegt bei einem Viertel. ImSozialwesen wird gekürzt, in der Kulturebenso, die Stadtverwaltung gibt Stellenauf – da sind Fragen angebracht: Ist dieöffentliche Investition in die Messe ge-rechtfertigt? Was ist wirtschafts-, regio-nal- und kulturpolitisch der Sinn dieserMesse? Wer braucht sie?

Das Sagen hat hier die interessierteWirtschaft selbst zusammen mit der so-genannten Wirtschaftsförderung derStadt. Sie argumentieren mit Begriffenwie „Sekundärnutzen“, „Umwegrenta-bilität“, „Multiplikator-Wirkung“ und„indirekten Effekten“ für Stadt und Re-gion. Demnach entstehen 1000 neue Ar-beitsplätze – aber nicht etwa im Messe-betrieb, sondern die meisten angeblich inBranchen, die näher oder entfernter mitder Messe zu tun haben. Demnach ver-dient die Region 150 Millionen DM jähr-lich durch die Messe dazu – aber wie die-se Summe sich verteilen soll, bleibt spe-kulativ. In solche Rechnungen gehen je-de Menge Faktoren und Ursache-Wir-kungs-Zusammenhänge ein, die auf An-nahmen beruhen oder sich nicht nach-prüfen lassen. Es wird zwar einmal ver-netzt gedacht, und solche Effekte gibt esauch, aber wie bedeutend sie sind und inwelche Richtung sie laufen,ist kaum fest-stellbar. Es fehlt die Erfolgskontrolle, diesonst in der Wirtschaft zu den Grunder-fordernissen der Betriebsführung gehört.Stattdessen kann mit Gutachten, „Un-tersuchungen“ und Zahlen ein Allge-meininteresse vorgeschoben werden. Mitwissenschaftlichem Anspruch wird ver-schleiert, wem die Investitionen direktund hauptsächlich zugute kommen: denausstellenden Unternehmen von überall-her, die eine hochsubventionierte Platt-

form für Werbung und Geschäftskontak-te erhalten, der halbprivaten Messege-sellschaft und einigen weiteren Privat-unternehmen in Gastronomie, Messebauund der PR-Branche.

Was bringt die Messe aber den Bürge-rinnen und Bürgern, die sie bezahlen sol-len? Darauf muß es nachvollziehbareAntworten geben.

Eine Antwort kann nicht sein, daß Ar-beitsplätze geschaffen würden. GrößereHallen bedeuten kaum mehr Stellen,auch nicht in den beteiligten Dienstlei-stungsfirmen. Der Messebetrieb wirdhäufig mit Billigarbeitsverhältnissenoder Studijobs abgewickelt, an denensich auch anderweitig Bedarf fände. Einindirektes Stellenplus durch die Kauf-kraft der Messebesucherinnen und -be-sucher ist nicht plausibel: Sie würdenauch ohne Messe Geld ausgeben, und denUmsätzen in der Region durch die Gästevon auswärts entsprechen langfristigziemlich genau die Ausgaben, die der Re-gion dadurch entgehen, daß Menschenvon hier Messen woanders besuchen. Injedem Fall ist abzuwägen, ob derart im-mense Fördermitteln nicht besser direkt,sichtbar und ohne Streuverluste in Ar-beitsplätze investiert werden können.

Eine Antwort kann auch nicht sein,daß die regionale Wirtschaft gefördertwerde. An erster Stelle wird dabei mei-stens die Gastronomie genannt. Dabeihandelt es sich um eine willkürliche in-direkte Subvention für eine Branche. Mitgleichem Recht könnten andere Bran-chen eine entprechende Millionen-För-derung ihrer Mitglieder verlangen. Mitfreier Marktwirtschaft,Leistungsprinzipund gerechten Chancen hat dies nichts zutun.

Eine Antwort kann weiter nicht sein,daß der Informationsaustausch auf einerMesse für den Wirtschaftsstandort undseinen Wohlstand wichtig sei. Die übli-chen Messen werden gerade für eingrößeres räumliches Gebiet – und sei esals „Schaufenster der Region“ – veran-staltet und bieten Ausstellern oder Gä-sten von weiter her das Gleiche. Sie ver-schärfen so allenfalls die Konkurrenz. Imallerorten expandierenden Messege-schäft ergibt sich volkswirtschaftlich einNullsummenspiel.

Eine Antwort kann auch kaum sein,daß Messen einen Unterhaltungswert

hätten. Für ein weiteres Freizeitangebot,das wie Einkaufssonntage auf Konsumausgerichtet ist, sind die öffentlichenMittel nicht zu rechtfertigen.Kultur wirdauf andere Weise sicher besser gefördert.Richtig ist nur,daß ein kleiner Teil des öf-fentlichen Aufwandes über Steuern wie-der in öffentliche Kassen zurückfließt.

Der öffentliche Nutzen einer Messe istim übrigen meist nur ein Versprechen,während der Schaden Gewissheit ist:Stadt und Region verpulvern Steuermit-tel, die dann bei der Daseinsvorsorge fürdie Bürgerinnen und Bürger fehlen: beiKindergärten, Schulen, Krankenhäu-sern,Verkehrswegen,Energieversorgung,Abfallentsorgung, Beratungsstellen,Kultureinrichtungen. Die Allgemeinheitträgt schließlich auch noch das wirt-schaftliche Risiko, wenn das Messege-schäft durch die Konjunktur oder aus an-deren Gründen ein Mißerfolg wird.

Ökologisch bedeutet eine Messe Ver-kehr und Transporte, die selten umwelt-verträglich abgewickelt werden.Die neu-en Messen mit ihrem Flächenverbrauchversiegeln außerdem Böden, zersiedelndie Landschaft, erfordern Straßenbau,verstellen Frischluftschneisen. SolcheBelastungen entstehen an jedem neuenStandort, der in Frage kommt.

Geht es auch anders? Denkbar ist fürKarlsruhe und die Region eine Messe, dievorhandene Gebäude und Infrastrukturnutzt, die mit den Möglichkeiten media-ler Vernetzung arbeitet, die nicht aufGröße, sondern auf Qualität setzt. Siekönnte ein Forum für Forschung, Ent-wicklung, Produktion, Anwendung undDienstleistungen in der Region sein.Dortkönnten Wissenschaft und Wirtschaft mitder Gesellschaft ins Gespräch kommen.Die Bürgerinnen und Bürger hätten ei-nen Ort, um anhand von konkreten Bei-spielen über Technologien und deren Fol-gen zu diskutieren, um gemeinsam Leit-bilder der wirtschaftlichen Entwicklungder Region zu entwerfen, um sich überLösungen ökologischer und sozialer Pro-bleme zu verständigen. Eine solche Mes-se würde den Einsatz von Steuermittelnrechtfertigen. Andernfalls kann die Mes-se öffentliche Zuschüsse nur erwarten,wenn sie keine Umweltschäden verur-sacht, und auch dann nur in Höhe ihrernachgewiesenen Leistungen für die All-gemeinheit. Matthias Kunstmann

Überlegungen zur Diskussion – am Beispiel Karlsruhe

Wer braucht die Messe ?Regionalflughafen Baden-Airport, Thermoselect-Müllverbrennungsanlage Kar-lsruhe, Festspielhaus Baden-Baden, Post-Einkaufsgalerie, Multiplex-Kino undMendelssohnplatz-Zentrum in Karlsruhe – diese Großprojekte in der Regionwurden in letzter Zeit von privaten Wirtschaftsinteressen durchgesetzt, gegengut begründete Einwände ökologischer, volkswirtschaftlicher, verkehrspoliti-scher, stadtplanerischer und kultureller Art. Dabei nehmen die Betreiber zumTeil erhebliche Steurmittel in Anspruch, oder sie wälzen Folgelasten auf dieAllgemeinheit ab. In dieser Reihe ist das nächste millionenschwere Vorhabendie „Neue Messe Karlsruhe“.

PB 12/98 • REGIONALES AUS WEST UND OST 15

STUTTGART. In einer gemeinsamen Diskus-sionsveranstaltung von Eltern des Gesamt-elternbeirats (GEB) Stuttgart und Er-zieherinnen der ÖTV-Betriebsgruppe wurdenochmals festgehalten: Kindererziehung inden Kindertagesstätten muß gebührenfreisein! (Siehe auch PB Nr. 13/98)

Dazu muß die Diskussion um den Bil-dungsauftrag der Kitas erneut in die Öf-fentlichkeit gestellt werden. Das jahre-lange Zurückschrecken vor der offensi-ven Propagierung dieser Forderung zu-gunsten der Spardiskussion, es sei haltkein Geld in den Kassen, ist nicht weitereinzusehen. Geld ist da, aber es wirdfalsch verteilt.

Das Jugendamt legt eine neue Ge-bührenordnung vor, die für alle Kinder-einrichtungen gelten soll. Neu ist dabei,daß auch die Gebühren für die Kinder-gärten einkommensgestaffelt erhobenwerden sollen. Gegen diesen Vorschlagsprechen u.a. die vorgesehene Öffnungfür stundenweise Betreuung und Platz-splitting von Kinderplätzen.

Jedes Kind hat ein Recht auf eine min-destens sechsstündige Kindergartenbe-treuung und -förderung. Und solangediese noch nicht gebührenfrei ist,muß siesehr billig sein, denn sie muß für alle Fa-milien bezahlbar sein.

In der vorgeschlagenen Gebührenord-nung wird ausgegangen vom Sozialhilfe-satz als Berechnungsgrundlage für dieGebühren.(Wir berichteten bereits in denPolitischen Berichten 13/98). Sie siehtaußerdem vor, daß das Sozialamt für al-le Nutzer der Einrichtungen einen Fami-lienpaß erstellen will,das würde im Klar-text heißen, jede Familie muß ihre Ein-kommensverhältnisse dem Sozialamt of-fenlegen. Die Überlegungen scheinen aufden ersten Blick unsinnig, denn der Auf-wand, der dadurch entstehen würde, wä-re enorm.Außerdem ist uneinsichtig, wasdas Sozialamt mit allen Familien, die ei-nen Kindergartenplatz brauchen, zu tunhaben soll. Wie immer steckt eine knall-

harte Rechnung dahinter. Das Zurück-schrecken der Familien vor diesem Gangzum Sozialamt wird als Einsparung vonca. 3 Millionen Mark vorausberechnet!Denn wer diese Offenlegung nicht will,wird dann den Höchstsatz bezahlen müs-sen.

In drei Stufen soll das neue Modell ge-gliedert sein, bei der geltenden Ordnungsind es 9 Stufen. Bei Sozialhilfeempfän-gern übernimmt die Stadt die Kosten wiebisher auch. Gut ist, daß es eine Grund-stufe geben soll, die für alle Betreuungs-arten gleich ist, dann aber ein Ganztags-betreuungszuschlag und ein Essenszu-schlag erfolgen. Dies würde der Forde-rung nach einer Mindestbetreuung ent-gegenkommen.

Die Hortdiskussion ist um einigeskomplizierter ausgefallen. Denn hier hatdie Stadt schon erreicht, was bei denGanztagseinrichtungen vorgesehen ist:Durch hohe Gebühren ist der „Bedarf“zurückgegangen. Immer mehr Elterngreifen auf die Kernzeitenbetreuung inder Schule zurück, die weder denpädagogischen Anforderungen und nochnicht einmal den zeitlichen Anforderun-gen entgegenkommt.Aber sie ist eben vielbilliger. In den Familien muß immer mehrgerechnet werden.

Dieses Rad zurückzudrehen scheintfast aussichtslos. Nötig ist es aber immermehr, denn die Verwahrlosung nimmtenorm zu, und weder Eltern noch Erzie-her wünschen mehr und härtere Straf-maßnahmen gegen Kinder und Jugendli-che,deren Frust sich eventuell in den Kri-minalstatistiken zeigt oder in großen per-sönlichen Problemen, die nicht in Stati-stiken auftauchen.

Hier gab es schon Programme, die We-ge für die verschiedenen Altersstufenaufzeigten. Ein reduziertes Angebot, bei-spielsweise ein Mittagessen und Haus-aufgabenbetreuung, oder ein Mittages-sen und die Ansprache einer Bezugsper-son, nach der Schule, wären in dieser Al-tersstufe vorstellbar. Aber zugunsten derbilligeren Lösung Kernzeit kamen allediese Vorschläge hinter Verschluß.

Um hier etwas entgegenhalten zu kön-nen, ist eine gemeinsame Artikelserie inden beiden örtlichen Publikationen derEltern („Dreikäsehoch“) und der Erzie-herinnen („Betrifft Jugendamt“) geplant.Hier sollen die wichtigsten Themen ausbeiderlei Sicht aufgearbeitet werden.Zunächst ist ein Artikel vorgesehen zuden Themen: Bildungsauftrag, Wünscheder älteren Kinder und Jugendlichen unddie Summen, die diese Aufgaben demStadthaushalt kosten werden. unb

Protest gegen Bosnier-Abschiebungen

Berliner Vertreibungs-politikBerlins Innensenator Schönbohm (CDU)sorgte wieder einmal für bundesweiteSchlagzeilen: In einer Nacht- und Nebel-Ak-tion wurden von seiner Innenbehörde am 9.und 10. Juli 74 bosnische Flüchtlinge ge-waltsam abgeschoben.

Bereits am zweiten Tag der Aktion gab esheftige Kritik in der Öffentlichkeit. Dergrüne Abgeordnete Riza Baran forderteSchönbohm auf, seine Aktion sofort zubeenden. Die Abgeschobenen seien vorder Aktion nicht informiert worden undhätten so nicht einmal die Chance gehabt,ihre Abschiebung vom Verwaltungsge-richt überprüfen zulassen. Die flücht-lingspolitische Sprecherin der PDS, Ka-rin Hopfmann, warf Schönbohm „Ver-treibungspolitik“ vor und nannte dasSchicksal einer kroatischen Familie, diein den Abschiebegewahrsam gebrachtworden war, obwohl ein Familienmit-glied, Mutter von drei Kindern, ein ärzt-liches Attest vorgelegt habe. Die Spre-cherin von „Asyl in der Kirche“, Elisa-beth Reese, protestierte gegen die men-schenunwürdigen Umstände der Ab-schiebungen. So sei ein Mann im Pyjamaabgeschoben worden. Sie appellierte andie Ausländerbeauftragte, Frau BarbaraJohn (CDU), die Massenabschiebungenzu verhindern.

Am 15. Juli griff der frühere EU-Ad-ministrator in Mostar, der SPD-PolitikerHans Koschnick, Innensenator Schön-bohm schroff an: „Die Form dieser Ab-schiebungen war verhängnisvoll, wennman nachts einbricht wie zu Gestapo-Zeiten“. Die Abschiebungen seien ein„Akt der Unmenschlichkeit“. Der kriti-sierte Innensenator fand diese Kritik„unglaublich“.

Am nächsten Tag schlossen sich dannauch die beiden Berliner Bischöfe Wolf-gang Huber (evangelische Kirche) undGeorg Kardinal Sterzinsky (katholischeKirche) der Kritik an Schönbohm an. Ineinem gemeinsamen Brief an den Regie-renden Bürgermeister Diepgen kritisier-ten sie,mit der Aktion habe Berlin zudemeine internationale Übereinkunft unter-laufen. Sie forderten Diepgen auf, „dieUmstände der Festnahme- und Abschie-beaktion zu untersuchen und geeigneteMaßnahmen zu ergreifen“, damit sichdies nicht wiederhole.

Nach Angaben des Senats lebten inBerlin Anfang 1997 ca. 28.000 bosnischeFlüchtlinge. Seitdem seien etwa 8.000freiwillig zurückgekehrt. Seit Jahresan-fang 1998 wurden in Berlin 107 bosnischeFlüchtlinge gegen ihren Willen abge-schoben, 2.058 seien im gleichen Zeit-raum freiwillig zurückgekehrt. 3.795Flüchtlinge hatten vor der Abschiebeak-tion bereits angekündigt, im Sommerzurückkehren zu wollen. rül

Gesamtelternbeirat und Erzieherinnen fordern gemeinsam: Recht auf eine mindestenssechsstündige Kindergartenbetreuung für alle Kinder – und zwar gebührenfrei!

Kindergartenbetreuung – und zwar gebührenfrei !

16 AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN • PB 15/98

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Neonazi-Radio wieder imoffenen Kanal

Von Alice Ströver

Nun sendet er wieder. Der stadtbekannteNeonazi Mike Penkert, Kopf der Kamerad-schaft Beusselkiez, darf nach einem Jahrwieder im Offenen Kanal Berlin sein „RadioGermania“ verbreiten.

Nachdem es im vergangenen Jahr hefti-ge Auseinandersetzungen über diesesProgramm auch im Medienausschuß desAbgeordnetenhauses gegeben hat warvom Medienrat in der MedienanstaltBerlin-Brandenburg ein Sendeverbotverhängt worden. Dieses Sendeverbotwurde für ein Jahr ausgesprochen. Des-wegen konnte „Radio Germania“ nunwieder im Offenen Kanal in der Volta-straße erscheinen und sein vorprodu-ziertes Programm senden lassen.

Am 12. Mai um 23.00 Uhr war es so-weit, mit „Heil, ihr Kameraden“ be-grüßte Penkert seine Hörer.Passend zum8. Mai verbreitete er sich über die „Be-freiungslüge“ und erklärte Adolf Hitlerzum „letzten legitimen deutschen Kanz-ler“. Er kritisierte die „Systempolizei“,

die die Linken am 1. Mai in Leipzig un-behelligt gelassen,den NPD-Aufmarschaber nicht ausreichend geschützt hät-ten. Neben einer Vielzahl von antisemi-tischen Sprüchen wurde Ignatz Bubis,Vorsitzender des Zentralrates der Judenin Deutschland, persönlich diffamiert.

Nazilieder wurden eingespielt, dochanders als im vergangenen Jahr wurdennun keine Titel und Interpreten derbraunen Lieder genannt. Das vermut-lich in der Absicht, die Prüfung, inwie-weit es sich um verbotene oder indizier-te Gesänge handelt,zu erschweren.Auchdie Verlegung der Sendezeit auf nach23.00 Uhr wird jetzt erneute Sanktionenerschweren, denn Jugendschutzbestim-mungen sind nach 23.00 Uhr nur nocheingeschränkt anzuwenden.

Schwere Jugendgefährdung hatte derGutachter des Medienrates vor einemJahr dem Neonazi-Radio bescheinigtund damit den Medienrat zum Handelngezwungen. Damals hat der Medienraterst auf erheblichen öffentlichen undpolitischen Druck überhaupt das befri-stete Sendeverbot ausgesprochen. Eswar ein schwerer politische Fehler, daßder Medienrat nicht schon im vergange-nen Jahr ein dauerhaftes Sendeverbotausgesprochen hatte, dann wäre man

zumindest Penkert und seine brauneSoße im Offenen Kanal los geworden.Der Offene Kanal wird mit den wachs-weichen Entscheidungen, die ein Me-dienrat bei eindeutigen Verstößen aus-spricht, immer mehr in Mißkredit ge-bracht. Manchmal hat man den Ein-druck, daß es dem Medienrat ganz rechtist, wenn der Offene Kanal Negati-vschlagzeigen macht. Dabei ist es wich-tig, daß der Offene Kanal bleibt, daß eroffen ist für alle, grundsätzlich Mei-nungsfreiheit ermöglicht. Dafür wird eraus Rundfunkgebühren finanziert. An-dererseits ist höchste Aufmerksamkeitvonnöten, wenn eindeutige Rechtsver-stöße vorliegen.Doch hier hat man in derVergangenheit das Gefühl, daß die Mit-glieder dieses Gremiums auf dem rech-ten Ohr schlecht hören.

Es ist zu hoffen, daß uns die DVU-Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt unddie NPD-Aufmärsche in Leipzig und dergeistige Müll der Neonazis á la Penkerterspart bleiben sowie, daß der Medien-rat wach wird und schnell und eindeu-tig handelt.

Alice Ströver ist Abgeordnete für Bünd-nis 90/Die Grünen im Berliner Abge-ordnetenhaus.

Von Peter Ritter

Sonntag, 26. April 1998 – Landtagswahl inSachsen-Anhalt. Mit 13 Prozent zieht dieDVU in den Landtag ein. Die Reaktion fastüberall: Bestürzung. Dieses Wahlergebnisjedoch ist kein Naturereignis, das plötzlichüber uns gekommen ist. Es ist das Ergebniseiner Politik, die blühende Landschaften ver-sprach, aber Arbeitslosigkeit, Demokratie-und Sozialabbau brachte.

Reaktionen von führenden CDU-Politi-kern belegen ihre Unfähigkeit und Un-willigkeit, an dieser Politik etwas zu än-dern. Der Ministerpräsident des LandesMecklenburg-Vorpommern stellt wenigeTage nach der Wahl in Sachsen-Anhaltfest, daß rechtsextreme Parteien auch inden Schweriner Landtag einziehen wer-den,allerdings nicht so stark wie in Sach-sen-Anhalt. Punkt. Ursachenforschung –Fehlanzeige! Lösungsmöglichkeiten –Fehlanzeige!

Die PDS-Fraktion im Landtag vonMecklenburg-Vorpommern machte nichterst seit dem Wahlergebnis von Magde-burg auf diese Entwicklung aufmerksam.Mit Anträgen, Anfragen und AktuellenStunden haben wir Fragen des Rechtsex-tremismus thematisiert, Lösungsmög-

lichkeiten gefordert und aufgezeigt. Re-aktionen: Bei uns ist ja alles noch nichtso schlimm, wir haben alles im Griff.

Die Realität aber ist eine andere. 1997gab es nach Angaben des LKA 434Straftaten mit rechtsextremer Motivati-on, davon 82 Gewalttaten, davon wieder-um 51 mit mutmaßlicher fremdenfeind-licher Motivation (1996: 45/31). Musik-veranstaltungen mit rechtsextrememHintergrund waren auch 1997 einSchwerpunkt. 23 solcher Konzerte fan-den statt, mit 200 bis 600 Besuchern. Ca.250 Personen werden derzeit dem Neo-nazismus zugeordnet, diese treten anlaß-bezogen (Heß-Gedenkveranstaltungen,Sommersonnenwendfeiern …) in Er-scheinung.

Rechtsextreme Gewalt ist, wie nachden Zeltplatzrandalen der letzten Jahre,im öffentlichen Gespräch. Über die gei-stigen Hintermänner solcher Entwick-lungen war bisher kaum etwas zu lesenoder zu hören. Im Verfassungsschutzbe-richt 1997 für Mecklenburg-Vorpom-mern ist zu lesen: „Auch im Jahr 1997 wares den rechtsextremistischen Parteien -abgesehen von Erfolgen der ‘Nationalde-mokratischen Partei (NPD)’ – nicht mög-lich, in Mecklenburg-Vorpommern funk-tionierende und arbeitsfähige Struktu-ren aufzubauen.“

Ich glaube nicht, daß die rechtsextre-men Parteien in Sachsen-Anhalt solche„funktionierenden Strukturen“ hatten,dennoch erreichten sie die bekannten Er-gebnisse. So wie es NPD-Vormann Ei-senecker ankündigte, marschiert dieNPD „mit Fahnen und Transparenten“durchs Land, wobei „einheimische Ka-meraden über die Lager des Landes spre-chen“. So ist es am 13.6. in Anklam ge-schehen, so soll es am 19.9. bei der NPD-Wahlabschlußkundgebung in Rostockpassieren.

Auch ohne die Herausgabe von per-sönlichen Daten durch die Meldeämterverschickt DVU-Chef Frey gezielt Wahl-werbung per Post. So erhielten vor kurz-em Gewerbetreibende eines Einkaufs-zentrums in Stavenhagen einen Brief mitWahlprogramm, Eintrittserklärung undSpendenformular. Eine der „Wahlaussa-gen“: „Mecklenburg-Vorpommern mußdeutsch bleiben“. Bei einem Anteil von1,7% Ausländerinnen und Ausländern imLand eine mehr als absurde Forderung.

PDS-Aktivitäten: Appelle gegen Rechts, Volksinitiative für die Jugend …

Noch ist es ein Wahlkampf ohne Gesich-ter, aber mit vielen ebenso einfachen wiemenschenverachtenden Parolen.

Mit dem Wissen um die Wahlergebnis-

PDS-Aktivitäten vor den Landtagswahlen am 27. September in Mecklenburg-Vorpommern

Rechtsextremisten bald im Schweriner Landtag?

PB 15/98 • AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN 17

620-DM-JOBS: Köln.DiePDS hat an den Rat der

Stadt Köln einen Bürgeran-trag gestellt, mit dem die Ver-

waltung aufgefordert wird, über die An-zahl ungesicherter Arbeitsverhältnissebei der Stadt sowie bei den stadteigenenGesellschaften Auskunft zu geben unddarzulegen, in welchem Umfang beiAuftragnehmern der Stadt solche Ar-beitsverhältnisse bestehen. Außerdemwird die Kommune aufgefordert, in Zu-sammenarbeit mit den jeweiligen Perso-nalräten Vorschläge zur Umwandlungdieser Verträge in sozialversicherungs-pflichtige (Teilzeit-)Arbeitsverhältnissezu erarbeiten und bei der Vergabe öf-fentlicher Aufträge bzw. Fördermittelentsprechende Maßstäbe an die Firmenanzulegen.Ende Juni wurde dieser Bür-gerantrag im Beschwerdeausschuß desRats verhandelt und gegen den erklär-ten Willen der Verwaltung mit den Stim-men von SPD und Grünen vertagt. In derDiskussion bezog sich eine Vertreterinder Grünen positiv auf den Antrag; undin der zunächst zögerlichen SPD-Frak-tion hatte sich schließlich die Erinne-rung an gewerkschaftliche Positionendurchgesetzt.

UMWELTSTANDARDS: Rosstal. Umeinem bereits eingeleiteten Bürgerbe-gehren zuvorzukommen, erteilte dasFürther Landratsamt schon nach zehnWochen die Genehmigung für die An-siedlung eines japanischen Chemiekon-zerns zur Wiederaufbereitung vonLeuchstoffschlämmen – ohne Umwelt-verträglichkeitsprüfung. Das brachtedie Bürgerinitiative in dem 700-Ein-wohner-Ort auf die Barrikaden: Scheib-chenweise geben Amt und Konzern „im-mer nur das zu, was wir ihnen beweisenkonnten,“ protestieren sie. Der BundNaturschutz spricht von einem bayern-weit einmaligen Vorgang des Abbaus vonUmweltstandards.

GEDENKTAFEL: Frankfurt/Main. Seitüber 7 Jahren bemüht sich die Roma-Union um die Anbringung einer Mahn-tafel am Stadtgesundheitsamt. Sie sollauf die in der Zeit des Nationalsozialis-mus ermordeten Roma und Sinti hin-weisen und die beiden maßgeblichenNS-Rassenforscher Robert Ritter undEva Justin benennen, die trotz ihrer Ver-brechen nach 1947 im GesundheitsamtFrankfurt Anstellungen fanden. MitStimmen der SPD, der CDU und einerStimme der Republikaner entschied derOrtsbeirat Gallus am 7.7.98, das Anlie-gen der Roma-Union abzulehnen. Le-diglich die Fraktion der Grünen befür-wortete geschlossen die Anbringung derTafel. Die Mehrheit der Beiratsmitglie-der behauptete, daß durch die Nennungder beiden Namen von anderen Täternund Helfershelfern abgelenkt würde.Darüber ist die Roma-Union sehr ent-

täuscht: „Dort, wo Geschehnisse auchkonkret maßgeblich verantwortlichenPersonen zuzuordnen sind, müssen de-ren Namen genannt werden.“

SELBSTHILFE: München. WährendSozialministerin Barbara Stamm in derPresse ein Lob auf die Selbsthilfeinitia-tiven verbreiten läßt,geht sie gerade die-sen Gruppen an den Kragen. Daraufwies jüngst die Bayerische Krebsgesell-schaft hin.1996 gab es für ein Gruppen-mitglied noch 100 Mark pro Jahr. In die-sem Jahr sind es nur noch 50 Mark. „Wirmüssen damit rechnen, daß 1999 über-haupt kein Geld mehr zur Verfügungsteht“, befürchtet Luwig Lutz, Oberarztam Münchner Krankenhaus in Harla-ching und Generalsekretär der Bayeri-schen Krebsgesellschaft. Daß es fürSelbsthilfegruppen meist nur Lob, aberkein Geld gibt, liegt seiner Ansicht nachan der minimalen politischen Lobby,„aber die Zeit, in der Krebsbetroffenekuschen, ist vorbei“.

SPORTSTÄTTEN: Berlin. Dr. WalterKaczmarczyk, der sportpolitische Spre-cher der PDS-Fraktion, kritisiert diedrohende Schließung von 8 Bäderein-richtungen. Er erklärt: „Nicht nur dieKondition der Berliner Bäder, die Kon-dition der Berliner Sportstätten insge-samt ist jämmerlich. Hatte Ex-Sportse-nator Klemann wenigstens noch einenSanierungsbedarf von 2 Mrd.DM für dieSportstätten angemeldet, so drohen un-ter der Politik der jetzigen SenatorinStahmer Berlins Sportstätten imwahrsten Sinne des Wortes baden zu ge-hen. Das Vereinsbautenförderprogrammist auf eine lächerliche Größe zusam-mengeschrumpft. Wird diese Sarpolitikfortgesetzt, müssen in drei Jahren 100Kunstrasenplätze geschlossen werden.Nachdrücklich unterstütze ich deshalbdie Forderungen des Sportbundes, fürdie Sanierung der Sportstätten jährlich50 Millionen DM bereitzustellen und dasVereinsbautenförderprogramm mitjährlich 15 Millionen DM einzuplanen.

STADT-UMLAND: Dresden.Die Abge-ordneten der CDU-Mehrheitsfraktionhaben im Landtagspräsidium am 16. Ju-li Anträge der SPD sowie der PDS ab-gelehnt, die darauf hinausliefen, die ab-schließende Beratung der Stadt-Um-land-Gesetze im Zuge der Gebietsre-form so lange auszusetzen, bis über deneingereichten Volksantrag zu dieser The-matik im Landtag entschieden wordenist. SPD und PDS argumentierten übe-reinstimmend, daß die Volksgesetzge-bung konterkariert werde, wenn eine er-gebnisoffene Behandlung de facto nichtmehr möglich ist. Die CDU jedochdrückte die 2. bzw. 3. Lesung durch.Bleibt abzuwarten, was das Plenum da-zu sagt – oder gar der Verfassungsge-richtshof. Zusammenstellung: baf

KKOOMMMM

UUNNAALLEE

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PPOOLLIITTIIKK

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se in Sachsen-Anhalt, mit dem Wissen,daß 8 Prozent auf jeden Fall und 8 Pro-zent in besonderen Situationen rechtsex-treme Parteien wählen wollen, müssenwir in den nächsten Wochen bis zu denLandtags- und Bundestagswahlen in dieOffensive gehen. Mögliche Schritte dafürdiskutierten PDS-Landesvorstand undLandtagsfraktion sowie die Vorsitzendender Kreisverbände und Kreistagsfraktio-nen.

Die in die Kommunalparlamente ein-gebrachten „Appelle gegen Rechts“gehören genauso dazu wie die Anfang Ju-ni gestartete Volksinitiative „Der Jugendeine Zukunft – Berufliche Erstausbil-dung und Beschäftigung für Jugendli-che“.

In den letzten Wochen haben sich inverschiedenen Städten des Landes Akti-onsbündnisse gegen rechts gebildet, dieaufklären wollen und Protest z.B. gegenNazi-Aufmärsche organisiert haben undorganisieren werden.

Aufklärung und das Vermitteln vonArgumenten ist aber auch in den Reihender PDS selbst notwendig.„Unbequeme“Politikinhalte werden oft nicht coura-giert und offensiv genug in der Öffent-lichkeit vertreten. Stimmungen gegenAusländerinnen und Ausländer dürfennicht geduldet werden, denn die Ver-knüpfung von sozialen Spannungen undRassismus ist ein Grundprinzip desRechtsextremismus. Die Informationüber die Lebensbedingungen der Aus-länderinnen und Ausländer, über dieGründe, warum sie ihre Heimat ver-ließen, über die alltägliche Diskriminie-rung, die sich auch in unserem Land er-fahren müssen, ist daher ein wichtigerBestandteil der gegenwärtigen Arbeit.

Wir wissen, daß der „rechte Rand“längst in die Mitte der Gesellschaftgerückt ist.Deshalb ist es wichtig,daß je-de/r dazu beiträgt, daß sich Rechtsextre-mismus als Alltagskultur nicht verstärktund ausbreitet.Die Argumentation gegenRechts ist daher auch fester Bestandteilder „PDS-Städte-Tour“, die durch 48Städte des Landes führt.

Alle Argumentation aber hilft nicht,wenn die Bürgerinnen und Bürger imLand nicht merken,daß ihre Sorgen ernstgenommen werden.Wer wie der Hamsterauf dem Laufrad alle vier Jahre zur Wahlrennt und dann merkt, daß er sich dochnur im Kreis dreht,sieht allzu schnell denAusweg im Wahldenkzettel. 69 Prozentvon Befragten im Juni in Mecklenburg-Vorpommern gaben als Motivation fürrechtsextreme Wahl an: „weil nur danndie etablierten Parteien aktiv werden“.Die „Weiter-so-unser-Kurs-ist-richtig“-Politik der Regierung auch dieses Landeszeigt, daß diese Warnungen bis heute un-gehört blieben. Ist sich der Ministerprä-sident des Landes deshalb so sicher, daßRechtsextreme auch in den Landtag vonMecklenburg-Vorpommern einziehen?

Peter Ritter ist Landtagsabgeordneterder PDS in Mecklenburg-Vorpommern.

18 AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN • PB 14/98

WEITERES BAG-URTEIL GEGENSCHEINSELBSTÄNDIGKEIT: Pau-schal bezahlte Journalisten könnenrechtlich gesehen Arbeitnehmer sein,wenn sie beispielsweise durch Dienstplä-ne fest in den Arbeitsablauf einer Re-daktion eingeplant sind und Aufträge imGrunde nicht ablehnen können. Das ent-schied das Bundesarbeitsgericht (BAG)in Kassel am Freitag im Fall eines säch-sischen Fotoreporters (AZ: 5 AZN154/98).

Der Fotograf war vertraglich ver-pflichtet, monatlich mindestens 80 Fotosabzuliefern. Hierfür erhielt er eine Pau-schale von 5500 Mark. Laut Vertrag warer „selbständiger Unternehmer“, mußtejedoch „im Rahmen betrieblicher Prio-ritäten freie Arbeitskapazitäten bereithalten“.

Das sächsische Landesarbeitsgericht(LAG) gab der Klage auf einen festen Ar-beitsplatz statt: Der Verlag habe im Um-fang eines vollen Arbeitsverhältnissesüber den Fotografen verfügt. Sein Rechtzu Absagen von Aufträgen habe nur for-mal bestanden. Der Verlag habe vielmehrerwartet und sei auch darauf angewiesengewesen, daß der Fotograf die ihm zuge-teilten Dienste wahrnehme.

Eine Revision ließ das BAG nicht zu.Der Verlag hatte argumentiert, das LAG-Urteil widerspreche der höchstrichterli-chen Rechtsprechung, wonach bei Foto-Aufträgen die feste Vorgabe von Ort undZeit noch nicht zu einem Arbeitsverhält-nis führt. Nach Ansicht des BAG bestehtein solcher Widerspruch jedoch nicht; dasBAG wies die Beschwerde ab.

(aus dem CL-Netz)

TARIFABSCHLUß KINO: Schlich-tungsergebnis: 2,9 Prozent mehr LohnJahressonderleistung 600 DM – Verhandlungen über Großkinos ab Au-gust. Die Löhne und Gehälter sowie dieMehrtheaterzulagen der Kinobeschäf-tigten sollen rückwirkend zum 1. Juli1998 um 2,9 Prozent steigen, die Jahres-sonderleistung wird von 500 auf 600 DMangehoben. Dies sieht ein Schlichtungs-spruch vor, der am 9. Juli nach zweitägi-gen Verhandlungen in Köln ergangen ist.Die Laufzeit des Tarifvertrags soll zwölfMonate betragen.

Das zentrale Ziel der IG Medien, dieEinkommensbedingungen der Kino-Be-schäftigten wirklich spürbar zu verbes-sern, wird mit dem Schlichtungsspruchnicht erreicht.

Die IG Medien entscheidet am 15. Ju-li über die Annahme des Schlichtungser-gebnisses. Sollte der Schlichtungsspruchvon den Tarifparteien angenommen wer-den, kommt es durch die lineare Er-höhung von 2,9 Prozent – die über denAbschlüssen der meisten anderen Bran-chen liegt – zur Anhebung der Stunden-löhne zwischen 31 und 51 Pfennigen. Ei-ne einheitliche Erhöhung aller Stunden-löhne um 40 bis 50 Pfennige ließ sichnicht durchsetzen. Die IG Medien hatteursprünglich eine Anhebung um eineMark gefordert. Zusammen mit der Er-höhung der Jahresleistung beträgt dieSteigerung der Tarifeinkommen imSchnitt 3,3 Prozent. Die IG Medien wirdam 15. Juli darüber entscheiden, ob derSchlichtungsspruch angenommen wird.Die Erklärungsfrist endet am 17. Juli.

PM

PDS-Antrag Arbeitszeitgesetz:

1 Million Arbeitsplätzedurch Änderungdes Arbeitszeit-gesetzes!Kürzlich brachte die PDS einen Antrag aufeine Arbeitszeitgesetznovelle in den Bun-destag ein: „Überstunden abbauen und dieWochenarbeitszeit auf 35 Stunden begren-zen - Das Arbeitszeitgesetz beschäfti-gungsorientiert novellieren“ (DS 13/10015).

Die Arbeitszeitgesetznovelle soll am 1.Januar 1999 in Kraft treten und minde-stens die folgenden Regelungen enthal-ten: • Die regelmäßige Wochenarbeits-zeit beträgt 35 Stunden. Sie istgrundsätzlich auf fünf Tage - in der Re-gel von Montag bis Freitag - gleichmäßigzu verteilen. • Die regelmäßige täglicheArbeitszeit darf sieben Stunden nichtüberschreiten. • Die zulässige wöchent-liche Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitge-setz ist von gegenwärtig 60 Stunden auf40 Stunden zu senken. • Die tägliche Ar-beitszeit kann auf bis zu acht Stunden -und nur in sachlich besonders gut be-gründeten Ausnahmefällen darüberhin-aus - verlängert werden; sie ist innerhalbeines Ausgleichszeitraumes von maximalsechs Monaten auf durchschnittlich sie-ben Stunden auszugleichen. • Die Jah-resarbeitszeit darf 1.540 Stunden nicht

IG Metall und Gesamtmetall:

Phönix stört „neuePartnerschaft“Die „Spitzengespräche“ der IG Metall mitden Metallarbeitgebern Anfang dieses Mo-nats erbrachten eine Reihe von Überein-stimmungen. Für die von vielen Kommenta-ren festgestellte „Entspannung“ gegenüberden schroffen Auseinandersetzungen zurZeiten der Streiks um die Lohnfortzahlung imKrankheitsfall ist jedoch wohl weniger einangeblicher Stimmungswandel, als vielmehrdas „gute Geschäft“ verantwortlich.

So stellten die beiden Tarifvertragspart-ner als erstes gemeinsam fest,daß sich dieWettbewerbsposition der Metallindu-strie seit dem vergangenen Jahr deutlichverbessert habe und dazu ihre Tarifpoli-tik einen wesentlichen Beitrag geleistethabe. Die Arbeitgeber sind in der Regel

E twa 8000 Teilnehmer haben nachAngaben der IG Metall am 11.

Juli an der Kundgebung auf dem Stuttgar-ter Schloßplatz teilgenommen, „für Arbeitund soziale Gerechtigkeit“, für einen Re-gierungs- und Politikwechsel. Die Teilneh-mer kamen aus dem Großraum Stuttgart,aus Gewerkschaften, kirchlichen Gruppenund Sozialverbänden. Die Transparenterichteten sich gegen den Abbau sozialerRechte, gegen Arbeitslosigkeit und prekä-re Beschäftigung, für mehr Arbeitsplätzeund Arbeitszeitverkürzung. Auszubildendeund Jugendvertretungen hatten ihre Kritikund Forderungen zu einem mehrere hun-dert Meter langen Transparent zusammen-geknüpft.Als Hauptredner faßte der IG-Metall-Vorsitzende Zwickel die gewerk-schaftliche Kritik an der Regierungspolitikder letzten Jahre zusammen und forderteeine politische Wende mit Schwerpunkt„Bündnis für Arbeit“. Den designiertenWirtschaftsminister einer Schröder-Regie-rung, Stollmann, kritisierte Zwickelscharf. Konkrete Forderungen an eine neueRegierung mied er gleichwohl. Ebenso je-den Hinweis auf sein Spitzengespräch mitdem Unternehmerverband Gesamtmetallwenige Tage zuvor mit Stichworten wieAusbildung und „holländisches Modell“gegen Arbeitslosigkeit. (rok)

PB 14/98 • AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN 19

mit Provokationen etwas zurückhalten-der geworden.Kein Wunder,das Geschäftbrummt, jedenfalls im großen undganzen. Und in solchen Zeiten istzunächst mal Ruhe an der Tariffront an-gesagt. Konflikte oder gar Produktions-ausfall durch Streiktage sind nun kon-traproduktiv. So sind denn u. a. auch ge-meinsame Grundsätze zur Erneuerungder Tarifautonomie verabschiedet wor-den, die neben dem üblichen Bekenntniszum Flächentarifvertrag zwei bemer-kenswerte Formulierungen enthalten.Erstens wollen beide die Diskussion überdie Notwendigkeit von Änderungen dergesetzlichen Rahmenbedingungen derTarifautonomie beenden und die Proble-me selber lösen. Das trifft beispielsweisedie FDP. Sie hat nach den jahrelangenDiskussion um die Änderung des Be-triebsverfassungsgesetzes im Sinne be-trieblicher Tarifpolitik ihr Wahlpro-gramm darauf abgestellt. Dieses Pro-gramm ist nunmehr mindestens für die

Metallindustrie ein Muster ohne Wert.Zweitens wollen beide Tarifparteien prü-fen, inwieweit industrienahe Dienstlei-stungsbereiche durch beide Verbände imSinne von Tariflösungen vertreten wer-den können. In diesen Bereichen (debis,Siemens-Nixdorf und andere) hat die IGMetall in jüngster Zeit sogenannte Er-gänzungstarifverträge abschließen kön-nen und bemerkenswerten Mitgliederzu-wachs erzielt.Nur „Phönix“ sorgte für bitteren Nach-geschmack. Unter dem Namen „Phönix“war im Mai zwischen der ChristlichenGewerkschaft Metall (CGM) und den Ver-bänden der Metall- und Elektroindustriein Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin-gen ein Tarifvertrag vereinbart worden,der in Konkurrenz zum Flächentarifver-trag mit der IG Metall die Mindestbedin-gungen weit unterschreitet und sogar einStreikverbot beinhaltet (wir berichte-ten). Der IG Metall-Vorsitzende Zwickelließ dann auch sogleich nach den Spit-

zengesprächen erklären: „Mit Phönixkeine neue Partnerschaft“. Die IG Me-tall-Funktionäre sind gereizt bei diesemThema,kann doch die sogenannte Christ-liche Gewerkschaft in Ostdeutschland le-diglich 150 Mitglieder vorweisen. HassoDüwel ist als Bezirksleiter der IG Metallfür Brandenburg/Sachsen beauftragt,Gespräche mit den dortigen Arbeitge-berverbänden zu führen, um auszuloten,inwieweit die Arbeitgeber grundsätzlicheine Anpassung der Tarifbedingungen andie westlichen Bundesländer wollen odernicht. Gegenwärtig erhalten effektiv dieBeschäftigten in der ostdeutschen Metal-lindustrie 82 Prozent der im Westen üb-lichen Leistungen. Die Arbeitgeber ha-ben bis September Zeit, sich zu erklären.Wenn dies nicht zur Zufriedenheit der IGMetall geschieht, wird der zum Ende desJahres auslaufende Manteltarifvertrag inden ostdeutschen Bundesländern gekün-digt und für den Streik mobilisiert.

(brr)

überschreiten. • Um den vollen Lohn-ausgleich für Beschäftigte mit Jahresnet-toeinkommen bis zu 60.000 DM zu ge-währleisten, ist Betrieben und Einrich-tungen, die die Wochenarbeitszeit ummindestens zehn Prozent verkürzen undmit Neueinstellungen in entsprechendemUmfang verbinden, eine befristete undstufenweise zu regelnde Beihilfe für denLohnausgleich aus dem Bundeshaushaltzu gewähren.Warum diese Vorschläge? Sicher,Arbeits-zeitpolitik ist vordringlich Aufgabe derTarifpartner. Das Arbeitszeitgesetz gibtdafür den rechtlichen Rahmen ab. Dar-um werden im Arbeitszeitgesetz Höchst-grenzen festgeschrieben. Für Tarifver-handlungen über die Verkürzung von Wo-chenarbeitszeiten sind die gesetzlichenRahmenbedingungen jedoch denkbarschlecht, denn das Arbeitszeitgesetz ausdem Jahre 1994 erlaubt die 60-Stunden-Woche mit einer täglichen Arbeitszeitvon zehn Stunden innerhalb eines halb-jährlichen Ausgleichzeitraumes. Einneugefaßtes Arbeitszeitgesetz ist not-wendig, um die Rahmenbedingungen fürdas Entstehen neuer, rechtlich geschütz-ter Arbeitsplätze zu verbessern. Ein Ar-beitszeitgesetz, dessen ausgewiesenesZiel es ist, dazu beizutragen, die vorhan-dene Arbeit umzuverteilen, wäre nichtdas einzige, aber ein entscheidendes In-strument im Kampf gegen die Massenar-beitslosigkeit. Viele Fachleute sind sicheinig: Wir brauchen eine Politik der kon-sequenten Arbeitszeitverkürzung.

Unsere Nachbarn machen es vor.Frankreich und Italien werden die 35-Stunden-Woche bald gesetzlich ein-führen. Deutschland wäre also nicht iso-liert, wenn es seine Verantwortung für ei-ne gerechtere Verteilung der Erwerbsar-beit wahrnähme. Und diese Verantwor-tung ist groß: Nach vorsichtigen Schät-zungen würde die 35-Stunden-Woche

bzw. eine Jahresarbeitszeit von maximal1.540 Stunden in der Bundesrepublikmehr als eine halbe Million Arbeitsplät-ze entstehen lassen, davon allein im Öf-fentlichen Dienst 130.000. Und: Durchdie von der PDS vorgeschlagene Anglei-chung der Arbeitszeiten in Ost- undWestdeutschland könnten 134.000 neueArbeitsplätze entstehen.Sofort bis zu 600.000 Arbeitsplätze durchAbbau der Überstunden: Eine Sofort-maßnahme gegen die Massenarbeitslo-sigkeit ist der drastische Überstunden-abbau. Überstunden zu reduzieren for-dert selbst der Bundeskanzler, ohne je-doch irgendetwas zu tun. Rund 1,8 Milli-arden Überstunden pro Jahr entsprechenrechnerisch 1,17 Millionen Arbeitsplät-zen. Darum schlägt die PDS vor, die heu-te geleisteten Überstunden radikal ein-zuschränken.Wenn - durchaus realistisch- nur die Hälfte der jährlich geleistetenbezahlten Überstunden in neue Beschäf-tigungsverhältnisse umgewandelt wür-den, gäbe es bis zu 600.000 Arbeitsplätzemehr. Dabei sind die unbezahlten Über-stunden noch nicht einmal mitgerechnet.Mittelfristig gilt: 30 Stunden an fünf Tagen sind genug!Um zu verhindern, daßdie beschäftigungschaffenden Potentialeder Arbeitszeitverkürzung durch Pro-duktivitätssteigerungen zunichte ge-macht werden, muß die Arbeitszeit inmöglichst großen Schritten verkürztwerden, z.B. durch die Einführung der30-Stunden-Woche. ZurückhaltendeSchätzungen gehen von einem tatsächli-chen Arbeitsplatzeffekt von 1,9 MillionenArbeitsplätzen aus, wenn niemand mehrals gut 1.300 Stunden im Jahr arbeitet.Rechnerisch wären es sogar sieben Mil-lionen neuer Arbeitsplätze. Wenn esgelänge, die Arbeitszeit generell umzwanzig Prozent zu verkürzen, hätten al-le Menschen, die arbeiten können undwollen, die Chance, einen existenzsi-

chernden Arbeitsplatz zu bekommen.DiePDS unterstützt alle arbeitszeitverkür-zenden Maßnahmen, wenn sie die Zeit-souveränität der Beschäftigten erhöhenoder nicht mindern,aber besonders wich-tig ist es, die Wochenarbeitszeit und dietägliche Arbeitszeit zu verkürzen. War-um? Ein kürzerer Arbeitstag ermöglich-te es Frauen und Männern, zu gleichenTeilen an bezahlter Erwerbsarbeit undunbezahlter Haus-, Erziehungs- undPflegearbeit teilzuhaben. Dies sprichtdafür, an der Fünf-Tage-Woche festzu-halten; und weil die soziale Funktion desWochenendes nicht eingeschränkt wer-den darf, soll in der Regel von Montag bisFreitag gearbeitet werden.Voller Lohnausgleich ist nötig: Die Net-toeinkommen der abhängig Beschäftig-ten sinken seit Jahren. Deshalb dürfenArbeitszeitverkürzungen nicht mit fi-nanziellen Einbußen verbunden sein.Auch ökonomische Gründe sprechen fürden vollen Lohnausgleich, denn Kauf-kraftverluste wären Gift für die schwa-che Binnennachfrage. Um sicherzustel-len, daß ArbeitnehmerInnen mit Jahres-nettoeinkommen von 60.000 DM und we-niger unabhängig von tariflichen Verein-barungen weiter ihr volles Einkommenerhalten, will die PDS Arbeitgebern, diedie Wochenarbeitszeit um mindestenszehn Prozent verkürzen und mit Neuein-stellungen in entsprechendem Umfangverbinden,eine befristete und stufenwei-se zu regelnde Beihilfe für den Lohnaus-gleich aus dem Bundeshaushalt ge-währen.Überstundenabbau und Arbeits-zeitverkürzung sind sozial gerecht, dennsie wirken der ungerechten Situationentgegen, in der die einen zu viel arbei-ten müssen und die anderen nicht arbei-ten dürfen.Matthias W. Birkwald, Mitarbeiter derAbgeordneten Heidi Knake-Werner(aus dem CL-Netz)

20 AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN • PB 14/98

DokumenteDer Gewerkschaftstag möge beschließen:I. Der Gewerkschaftstag der Gewerk-

schaft HBV begrüßt die Bemühungen umeine Neustrukturierung der Gewerk-schaften in traditionellen, in neuen sowiein industrienahen Dienstleistungsberei-chen und bekräftigt die formulierten Zie-le hinsichtlich – einer Erhöhung der ta-rifpolitischen Durchsetzungsfähigkeitdurch Bündelung von Kampfkraft, – ei-ner besseren Bewältigung neuer Anfor-derungen durch Veränderungen in derArbeitswelt, – einer Stärkung ehrenamt-licher Strukturen, – einer weitestgehen-den Dezentralisierung der Willensbil-dung, der Entscheidungsbefugnisse undder Verantwortlichkeit für die Umset-zung von Entscheidungen sowie demEinsatz von Ressourcen,– einer besseren,gemeinsamen Nutzung von Ressourcen, –einer Minimierung der gewerkschaftli-chen Konkurrenz um Organisationsbe-reiche und Mitgliederbeiträge.II. Der Gewerkschaftstag begrüßt ins-

besondere, daß Wege zur Aufhebung dergegensätzlichen Eigeninteressen vonEinzelgewerkschaften sowie zur Behe-bung von gewerkschaftspolitischen De-fiziten des DGB gesucht werden, um denDGB zu befähigen, künftig seinen Funk-tionen als gemeinsamer Dachverband,gemeinsame Serviceeinrichtung und vorallem als durchsetzungsfähige Clearing-stelle für Konflikte zwischen Einzelge-werkschaften gerecht zu werden.Deshalb beauftragt der Gewerkschafts-tag den Hauptvorstand und den Ge-werkschaftsausschuß, zusätzlich auchGespräche mir allen Industriegewerk-schaften über neue Formen der Zusam-menarbeit bei einer Interessenvertretungim industrienahen Dienstleistungsbe-reich mit dem Ziel zu führen, Projektevon gemeinsamem Nutzen zu vereinba-ren und durchzuführen.III. Der Gewerkschaftstag der Gewerk-

schaft HBV lehnt jedoch den mit der „Po-litischen Plattform“ eingeschlagenenWeg der Neustrukturierung ab. Die un-mittelbare Bildung einer „Mega“ -Dienstleistungsgewerkschaft mit einereinheitlichen Mitgliedschaft sowie dervereinbarte undemokratische Zeitplansind nicht geeignet,die angestrebten Zie-le zu erreichen und eine bessere Vertre-tung der Mitgliederinteressen zu ge-währleisten.

IV. Daher bekräftigt der Gewerk-schaftstag, daß die Eigenständigkeit derGewerkschaft HBV solange erhaltenbleibt, bis demokratisch legitimierteStrukturen auf allen Organisationsebe-nen einer neuen Dientsleistungsgewerk-schaft ihre gesellschafts-, tarif-, be-triebs- und gewerkschaftspolitischeÜberlegenheit bewiesen haben.V. Der Gewerkschaftstag der Gewerk-

schaft HBV beauftragt den Hauptvor-stand,den Gewerkschaftsausschuß sowiedie Landesbezirksvorstände mit allenkooperationsbereiten Einzelgewerk-schaften 1) die Gründung von „joint ventures“ fürjene Wirtschaftsbereiche zu initiierenund im Einvernehmen mit den Fach-gruppen auf allen Organisationsebenendurchzuführen, in denen die faktischenOrganisationsbereiche der kooperieren-den Gewerkschaften Schnittstellen auf-weisen und/oder in denen die Vergütungsowie die Arbeitsbedingungen von Be-schäftigten tarifvertraglich nicht odernur unzureichend geregelt sind.Diesen „Tochtergewerkschaften“ sindbis auf weiteres tarifrechtliche Kompe-tenzen, Mitgliederbestände, Personalund Sachmittel zu übertragen. Mit demBeitritt wird zugleich die Mitgliedschaftin einer „Muttergewerkschaft“ erwor-ben.Eine Anschubfinanzierung für einendefinierten Zeitraum ist zuzusichern;2) die Bildung von Tarifgemeinschaftenfür gemeinsame, bundesweite wie regio-nale Tarifbereiche zu initiieren und im

Einvernehmen mit den jeweiligen Fach-gruppen durchzuführen;3) die Bildung von örtlichen und regio-nalen Gewerkschaftsverbünden zu initi-ieren und zu fördem, und die materiellenBedingungen gewerkschaftlicher Inter-essenvertretung durch gemeinsame Nut-zung von Verwaltungspersonal, Gebäu-den, technische Ausrüstungen sowie ei-nem gewerkschaftsübergreifenden Ein-satz von SekretärInnen zu verbessern.VI. Dcr Gewerkschaftstag verpflichtet

die Orts-, Bezirks- und Landesbezirks-vorstände, die Hauptfachabteilungen so-wie den Hauptvorstand unverzüglich imSinne der Beschlußpunkte II - V, tätig zuwerden, Budgetmittel aus dem „Umbau-topf“ zur Verfügung zu stellen und demGewerkschaftsausschuß regelmäßig übereingeleitete Aktivitäten, deren Ziele undErgebnisse Bericht zu erstatten.Dem Ge-werkschaftsausschuß obliegt, diese Pro-zesse gem. § 38 Ziffer 6 b der Satzung zuüberwachen.

Begründung:

1. Die „Politische Plattform“ stellt ei-nen Aufriß von Tendenzen und Proble-men der Entwicklung von Gewerkschaf-ten im vergangenen Jahrzehnt dar.Sie ig-noriert jedoch die Ursachen für diese ne-gative Entwicklung. Deshalb bleibt völ-lig im Dunkeln, ob eine große Dienstlei-stungsgewerkschaft die in der Plattformverkündeten Ziele überhaupt erreichenkann. Die Entscheidung über den Beginneines Prozesses der Selbstauflösung vonHBV soll vielmehr auf der Grundlage vonSpekulationen und Wünschen getroffenwerden.Mit der „Politischen Plattform“ wird dieallgemeine Überzeugung verfochten, daßdie gegenwärtigen Strukturen der Ge-werkschaften, die Gremien und Formenalso, in denen wir hauptamtliche wie eh-renamtliche Mitglieder in Betrieben undim gewerkschaftlichen Raum zusam-menarbeiten, unsere Zuständigkeiten,

Im Vorfeld des HBV-Gewerkschaftstages im Oktober:

Streit um Dienstleistungsgewerkschaft

Kommentar: Die Neustrukturierung der Gewerk-schaften im öffentlichen und privatenDienstleistungsbereich, die so zügig undoptimistisch begann, scheint in eine Kri-se zu geraten. Am deutlichsten wird diesdurch die Aussetzung der Gesprächsbe-teiligung durch die GEW, die von vielenals Abbruch gewertet wird. Aber auch inanderen Gewerkschaften regt sich Kritik.So lehnt z.B. der Bezirksvorstand derHBV Berlin den mit der „PolitischenPlattform“ eingeschlagenen Weg ab undwill die Eigenständigkeit erhalten. Einentsprechender Antrag an den Gewerk-

schaftstag ist nachfolgend auszugsweisedokumentiert. Kritik kommt ebenfallsaus den Reihen der IG Medien. Beide Ge-werkschaften haben vom 24. bis 29. Ok-tober Gewerkschaftstage. Erst dann wirdman wissen, ob der Neustrukturierungs-prozeß noch Sinn macht.Die Gründe für die Kritik und den Aus-stieg sind größtenteils die gleichen: Es istdie Angst vor dem Verlust der Eigenstän-digkeit. Diese Angst haben jedoch über-wiegend die Funktionäre der Gewerk-schaften. Bei den Mitgliedern hängt dieZustimmung oder Ablehnung je nachBranche und Bereich mit den vor Ort ge-machten Erfahrungen ab. Hier sind es

eher Ressentiments hinsichtlich inhaltli-cher, tarifpolitischer Positionierungen,die beispielsweise gegenüber der DAG be-stehen, denn Fragen, ob die Eigenstän-digkeit bei Finanzen u.a.aufgegeben wer-den.Die HBV Berlin schlägt statt Zusam-menschluß zur „Mega“-Dienstleistungs-gewerkschaft die Bildung von „joint ven-tures“, von Tarifgemeinschaften sowieörtlichen und regionalen Gewerkschafts-verbünden vor.Dagegen ist grundsätzlichnichts zu sagen.Warum sollte eine solche„pragmatische“ Zusammenarbeit jedochjetzt plötzlich funktionieren, wo sie bis-her nicht zustandekam? Auf die vielen

PB 14/98 • AUS BETRIEBEN UND GEWERKSCHAFTEN 21

Befugnisse und Arbeitsergebnisse, unzu-reichend und deshalb verantwortlich fürdie Misere der Gewerkschaften seien.Nicht nachvollziehbar ist insbesondere,aus welchen Gründen tiefgreifende Ver-besserungen der gewerkschaftlichen In-teressenvertretung nur durch eine Ver-schmelzung von Einzelgewerkschaftenzu erreichen ist: (…)Die Ursächlichkeit der gegenwärtigenGewerkschaftsstrukturen für die Defizi-te und Mißstände der gewerkschaftlichenInteressenvertretung wird pauschal be-hauptet aber nicht konkret belegt. Indieser Allgemeinheit ist diese Ansichtauch falsch.Erst durch die konkrete Benennung derUrsachen gegen derartiger Mißständekönnen die Anforderungen an neue ge-werkschaftliche Organisationsstruk-turen präzisiert und Kriterien zur Be-wertung der Erfolgsaussichten einerVerschmelzung von 6 Einzelgewerk-schaften entwickelt werden. Wer dieBenennung der Ursachen gegenwärti-ger Mißstände unterläßt, läuft Gefahr,die Fehler der Vergangenheit zu wie-derholen. (...)2. (...)3. (...) Eine Gleichberechtigung der

Gründungsgewerkschaften wird zwarproklamiert, sie kann gewünscht abernicht ernsthaft erwartet werden. Mit1,6 Mio. Mitgliedern verfügt die ÖTVüber einen größeren Mitgliederbestandals alle anderen Mitgliedergewerk-schaften zusammengenommen. Beihalbwegs demokratischen Entschei-dungsstrukturen in einer Dientslei-stungsgewerkschaft müssen Problem-wahrnehmungen und Lösungsansätzeaus diesem gewerkschaftlichen Milieuvorherrschend werden, weil aus diesemBereich die Mehrzahl der Delegierten,Funktions- und Mandatsträger kom-men wird. Andere organisationspoliti-sche Sichtweisen und Interessen-schwerpunkte laufen somit stets Ge-fahr, überstimmt zu werden.Da aus dem Bereich der ÖTV das höch-ste, wenn auch sinkende Beittragsauf-kommen erlöst wird, verfügen die Ver-treter dieses Bereichs auch über gün-stige Durchsetzungsbedingungen für

ihre Strukturvorstellungen.Andere Organisationsbereiche mit nied-rigeren Mitgliederbeständen, geringemBeitragsaufkommen und noch unzurei-chenderer Personal- und Sachausstat-tung wird hingegen tendenziell dieDurchsetzungsmacht fehlen, um bessereBedingungen für ihre Gewerkschaftsar-beit zu erreichen.Diese müssen eine stär-kere Zentralisierung der Meinungsbil-dung und der Entscheidungsbefugnisseauf der Ebene von Hauptvorständen unddamit großer Mitgliederferne organisie-

ren. Wer zuwenig Mitglieder, zuwenigGeld und zuwenig Durchsetzungsmachtzu beklagen hat, der kann seinen Inter-essen nur noch mit der Androhung einerZustimmungsverweigerung Nachdruckverleihen. Hierfür muß er das Recht ha-ben und in der Lage sein, „Nein“ sagenzu können. (...)

4. Eine grundsätzliche Zustimmungzum Beginn der Selbstauflösung vonHBV und ihre Verschmelzung mit 6 an-deren Einzelgewerkschaften erfordertaußerdem und vor allem höchstmögliche

Klarheit darüber, – ob die in der „Poli-tischen Plattform“ niedergelegten An-sprüche an eine Dienstleistungsge-werkschaft mit den gemeisamen, aufunabsehbare Zeit weiter schrumpfen-den Beitragseinnahnen finanziert wer-den können; – wieviel Dienstleistungs-gewerkschaft gegebenfalls mittelfri-stig mit den zu erwartenden Beitrags-einnahmen finanziert werden können;– ob das anderen Gewerkschaften un-terstellte Vermögen ausreichen würde,den Aufbau einer großen Dienstlei-stungsgewerkschaft zu finanzieren; –ob dieses Vermögen, falls es denn exi-stiert, überhaupt für die Finanzierungdes Aufbaus der Dienstleistungsge-werkschaft bereitgestellt werden undggf. zu welchen Konditionen verfügbarsein wird; – welche Auswirkungen dieeventuelle Bereitstellung von Vermögenauf die angestrebte Gleichberechti-gung der Gründungsgewerkschaftenhaben wird,da die Erfahrung lehrt: Werdas Geld hat, hat die Macht – Wer dieMacht hat, hat das Geld; – nach wel-chen Regeln die erlösten Beitragsein-nahmen auf die einzelnen Organisati-onsbereiche, Regionen und Standorteder Dienstleistungsgewerkschaft ver-teilt werden soll und in welchem Um-fang dort mittelfristig Personal- undSachmittel bereitstehen wird;– Nach welchen Regeln die Personal-und Sachmittelausstattung der jewei-ligen Organisationsbereiche, Regionenund Standorte an die insgesamtschrumpfenden Beitragseinnahmenangepaßt werden wird. (...)

(Antrag aus CL-Netz)

Presseinformation der GEWv. 11.7.1998

„Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft(GEW) hat beschlossen, ihre Beteiligung an denGesprächen zur Neustrukturierung der Gewerk-schaften im Bereich der öffentlichen und priva-ten Dienste, Bildung und Kultur auszusetzen.Diesen Beschluß haben der GeschäftsführendeVorstand und die Vorsitzenden der 16 Landes-verbände der Bildungsgewerkschaft auf einerKlausurtagung am 9./10. Juli 1998 in Dresden ge-fasst.Die endgültige Entscheidung soll auf einer außer-ordentlichen Sitzung des GEW-Hauptvorstandesam 25./26. September getroffen werden. Ein be-reits beschlossener außerordentlicher Gewerk-schaftstag Ende des Jahres soll die Weichen fürdie Reform der Bildungsgewerkschaft stellen. ...Anlass für den Beschluss des GEW-Vorstandessind Befürchtungen bei einer wachsenden Zahlvon Funktionären und Landesgremien, in einerneuen Gesamtorganisation an Eigenständigkeitzu verlieren.Die GEW hat das Ziel verfolgt, eine weitgehendeigenständige Fachgewerkschaft im Rahmen derneu entstehenden Organisation aufbauen zu kön-nen. Dies lässt sich, so der Diskussionsstand imgroßen Teilen der GEW, aufgrund einer jetzt vor-liegenden „Ideenskizze“ zur künftigen Strukturder neuen Gewerkschaft, nicht mehr im erwarte-ten Umfang realisieren.Ungeachtet der Entscheidung will die GEW je-doch die enge Kooperation mit den beteiligtenDGB-Gewerkschaften und der DAG, insbeson-dere in Fragen der Bildungs- und Tarifpolitik, fort-setzen.“

Fragen im HBV-Antrag, warum und wes-halb wurde nicht schon früher ..., werdenkeine Antworten gegeben.Große Sorgen macht der Ausstieg derGEW. Der Beschluß, sich nicht weiter anden Gesprächen zu beteiligen, ist vor al-lem auf den Druck des Lehrerbereichszurückzuführen, der innerhalb der GEWmit Abstand am mitgliederstärksten ist.Die Lehrer befürchten, in einer solchgroßen Gewerkschaft als einheitlicherBlock unterzugehen, während sich ande-re GEW-Teile, wie z.B. die BereicheHochschule und Wissenschaft sowie So-zialpädagogik eher Vorteile gemeinsa-men Arbeitens versprochen haben. Die

hochgesteckten Bedingungen (wir habendarüber berichtet) der GEW sah diese inden vorliegenden, zur Diskussion ste-henden Strukturen für eine neue Ge-werkschaft nicht erfüllt. Ob diese Ein-schätzung richtig ist oder nur Vorwandist, mag dahingestellt sein. Zu befürchtensteht allerdings, daß die GEW mit derEntscheidung, lieber klein und eigen-ständig und beamtendominiert zu blei-ben, sich vom DGB weg und hin zur stän-dischen Gewerkschaft entwickelt.(Manch einer sieht sie bereits beim Be-amtenbund landen.) Hilferufe von GEW-Mitgliedern, das verhindern zu helfen,wurden schon gehört.

Bei aller Kritik und vielleicht auch etwasHäme gegenüber dem Gesagten, müssendie Befürchtungen seitens der Funk-tionäre und Mitglieder ernstgenommenwerden. Bisher wird seitens des Len-kungsausschusses (besetzt mit den jewei-ligen Vorsitzenden der beteiligten Ge-werkschaften) - aus nicht wirklich trans-parenten Gründen - weiterhin zeitlicherDruck gemacht. Eine Beteiligung derMitglieder an der Basis ist faktisch nichtmöglich. Deshalb befürchten z.B. immermehr ehrenamtliche Funktionäre in derÖTV Berlin, daß es ein „böses Erwachen“geben könnte.

(har)

22 DISKUSSION UND DOKUMENTATION • PB 15/98

Aus der Diskussion der PDS München

Abschiebung wegen Straftaten istAusbürgerungDer „Fall Mehmet“ hat bundesweites Aufsehenerregt. Beinahe schlagartig hat sich der rechts-extreme Gedanke: Raus damit! einer ganzen Be-völkerung bemächtigt. Der Vertrauensschwunddurch die überwältigende Zustimmung derdeutschsprachigen Bevölkerung zu einer Akti-on, die die zugewanderten Mitbürger existentiellbedroht, wird jahrelang nachwirken. In der AGInterkulturelle Solidarität in und bei der PDSMünchen, in der v.a. kurdische, türksche unddeutsche Linke zusammenarbeiten, haben wirüber Gründe und Auswege gesprochen.

Zuerst noch mal zum Fall M., München.Ein junger Mensch wird „auffällig“, be-geht, noch strafunmündig, viele Strafta-ten. Der rechtsextreme zwischen CSUund Brunners „Bund“ stehende Kreis-verwaltungsreferent betreibt die Ab-schiebung des in der BRD Geborenensamt Eltern. Die Öffentlichkeit istempört. Das Jugendamt versucht eineSondermaßnahme. Aber M., inzwischen14, gerät wieder in Konflikt mit dem Ge-setz. Nun kippt die öffentliche Meinungum. Als erstes der OberbürgermeisterUde, SPD, der nun die Abschiebung desM. befürwortet. Als nächstes diLorenzo,SZ-Journalist und Initiator der berühm-ten Lichterkette gegen Ausländerfeind-lichkeit.Er denkt sich in der SZ Fälle aus,in denen Abschiebung Jugendlicher zurechtfertigen wäre. Schließlich noch derleitende Staatsanwalt Wick. Er will, umdie Abschiebung nicht zu gefährden, aufweitere Ermittlungen verzichten.

In der Münchner Linken geht die Dis-kussion zäh. Der Ärger v.a. über den um-fallenden Oberbürgermeister ist das ei-ne, das andere aber die bittere Erfahrungmit dem Umschwung der öffentlichenMeinung, denn plötzlich scheinen - nachUmfragen und persönlichem Eindruck -über 90% der Bevölkerung für die Ab-schiebepolitik zu sein. Die gängigen Ge-

MaßnahmenDie Faulen werden geschlachtetdie Welt wird fleißigDie Häßlichen werden geschlachtetdie Welt wird schönDie Narren werden geschlachtetdie Welt wird weiseDie Kranken werden geschlachtetdie Welt wird gesundDie Traurigen werden geschlachtetdie Welt wird lustigDie Alten werden geschlachtetdie Welt wird jungDie Feinde werden geschlachtetdie Welt wird freundlichDie Bösen werden geschlachtetdie Welt wird gut

Erich Fried

PDS Hamburg

Kein Ende der KriseDie PDS Hamburg hat inzwischen siebenKandidatinnen und Kandidaten für die Lan-desliste zur Bundestagswahl und drei Di-rektkandidaten gewählt (s.a. PB 13, S. 22),hat sich jedoch mit Einwendungen gegen dieListe und der Androhung einer Klage ausein-anderzusetzen. Vorgebracht werden die Ein-wendungen von einer Gruppierung, die erstin den letzten Wochen und Monaten in derPDS auftrat. Der gesamte Vorgang ist dunkelund in jeder Hinsicht unerquicklich.

Äußerst knapp zusammengefaßt:Zunächst meldete sich im Februar ein Pe-ter Alexander von der Marwitz von derPDS Mecklenburg-Vorpommern nachHamburg um, um alsbald persönlich unddurch die Presse seinen Anspruch auf Li-stenplatz 1 und die Direktkandidatur inHarburg anzumelden. In gut einem Vier-teljahr warb er über 60 Mitglieder an, oh-ne daß eine entsprechende politischeTätigkeit erkennbar wurde, bildete ohneEinhaltung der statuarischen Bestim-mungen einen „Kreisverband“ und mach-te mit privaten Mitteln eine „Kreisge-schäftsstelle“ auf. Der Versuch, die Spal-tung im Landesverband auszunutzen, umdie „Spitzenkandidatur“ durchzusetzen,scheiterte, da der Kandidat in den ver-schiedenen Strömungen fast keine Unter-stützung fand. Die Liste der „Bedenken“,die die Gruppierung nun gegenüber demLandeswahlleiter anmeldet, ist lang. Ambemerkenswertesten ist jedoch, daß dieMitglieder, die jetzt über Monatezurückreichend die Verletzung ihrerRechte geltend machen,in der ganzen Zeitzwar mehrfach mit dem Gericht gedroht,aber nicht einen einzigen Versuch gemachthaben, die behauptete Verletzung auf deminnerparteilichen Weg abzustellen, dendas Statut vorsieht, sondern statt dessennun die Landesliste anfechten. Immerhinhat die PDS bei der letzten Bundestags-wahl in Hamburg über 20.000 Stimmenerhalten, die am Ende genau für den Wie-dereinzug der PDS fehlen könnten.

Angesichts dessen gibt es, wie leichtvorstellbar,über die treibenden Motive ei-ne Reihe von Gerüchten und Spekulatio-nen. Das Problem wird dadurch noch er-heblich verschärft, daß die Befürchtung,die PDS Hamburg solle zum Spielball un-durchsichtiger Interessen gemacht wer-den,den Arbeitsausschuß zu gravierendenpolitischen Fehlern verleitet hat.

Unter denjenigen, die von der Gruppeum von der Marwitz für den Eintritt in diePDS geworben wurden, sind auch Men-schen türkischer Herkunft. Nun ist inHamburg wie andernorts festzustellen,daß das Interesse von Migrantinnen undMigranten an der PDS, gerade auch unterder türkischen und kurdischen Bevölke-rungsgruppe, enorm zunimmt. Statt je-doch das Interesse der Eintrittswilligenaufzuklären, statt Vorschläge zu machenoder sich auch nur dafür zu interessieren,

ob und wie die Entwicklung interkultu-reller Zusammenarbeit möglich ist, ließsich der Arbeitsausschuß von Anfang anvon dem durch nichts bewiesenen Ver-dacht leiten, bei den türkischen Eintritts-willigen handele es sich um „Graue Wöl-fe, die es – folgerichtig – zu „entlarven“gelte. Dazu diente eine Kurdistan-Reso-lution, die auf einer der letzten Mitglie-derversammlungen vor der Tagesordnungbehandelt werden sollte – es war dies be-zeichnenderweise das erste Mal, daß sicheine Landesversammlung der PDS mit ei-ner Kurdistan-Resolution befassen sollte– und mit der nach Auffassung von An-wesenden erreicht werden sollte, die tür-kischen Migranten zu nationalistischenÄußerungen zu provozieren, was teilwei-se gelang.Berichtet werden muß überdies,daß die türkischen Migrantinnen und Mi-granten nicht nur als „Graue Wölfe“ ver-dächtigt, sondern auf dieser wie auf dervorherigen Mitgliederversammlung foto-grafiert wurden. Daß kurdische Migran-ten, die während der Versammlungen zu-fällig zum Versammlungsort kamen, aus-drücklich vor „den Türken“ und davor,daß diese sie bei der Polizei denunzierenkönnten, „gewarnt“ wurden, wodurch dietürkischen Migranten wiederum den Ein-druck erhielten, sie sollten „der PKK“ als„Graue Wölfe“ serviert werden. Im Er-gebnis ist eine Situation entstanden, inder türkische Migranten vor kurdischenMigranten und kurdische Migranten vortürkischen Migranten Angst haben, eineSituation, die Dritte reizt, eskalierendeinzugreifen, wie jeder wissen kann, dereine politische Lösung der Kurdenfrageunterstützt und deshalb alle Bestrebun-gen bekämpft, die Kurdenfrage auch nurim Ansatz als Konflikt zwischen „Türkenund Kurden“ zu behandeln.

Deshalb ist es auch unmöglich,daß mandie Vorgänge in der PDS Hamburg auf sichberuhen läßt. Die politische und rechtli-che Auseinandersetzung mit der Grup-pierung, die die Liste anfechtet, ist eineSache. Die andere ist die Unterstützungder politischen Lösung der Kurdenfrageauch durch die PDS Hamburg; dabei kannes weder nach der einen Seite – der Kri-tik der Politik der BRD und der Türki-schen Republik - noch nach der anderenSeite – zu verhindern,daß der Konflikt alsKonflikt zwischen „Türken und Kurden“geschürt wird – irgendwelche Abstrichegeben. Nach dem voraussichtlichenScheitern der Anfechtung bietet derKampf für die Unterstützung der Petiti-onskampagne „Dialog statt Verbot. Fürdie Aufhebung des PKK-Verbots“ dieChance, die politischen Verhältnisse zuklären und Solidarität gegen die Kurden-verfolgung zu entwickeln. Für das Ab-schneiden der Landesliste bei der Wahlwird es bedeutsam sein, ob es der PDSHamburg doch noch glückt,das in der tür-kischen und kurdischen Bevölkerungs-gruppe spürbare Interesse an einer sozia-listischen Partei aufzugreifen; der Wahl-kampf bietet dafür reichlich Anlaß.

scc

PB 15/ 98 • LETZTE SEITE 23

Seit Jahren setzt das Komitee für Grund-rechte und Demokratie e.V. seinenSchwerpunkte auf die Auseinanderset-zungen mit den Auswirkungen des Straf-vollzuges und insbesondere mit der le-benslangen Freiheitsstrafe. Unter ande-rem führte es 1993 und 1994 Anhörungendurch, die auch in zwei Dokumentatio-nen festgehalten sind: 1993 zur Kritikvon Konzept,Praxis und Begründung derlebenslangen Freiheitsstrafe, 1994 zumThema „Staatliches Gewaltmonopol,bürgerliche Sicherheit, lebenslange undzeitige Freiheitsstrafe“. Die Argumentegegen die lebenslange Freiheitsstrafewurden zum einen in einem Manifest zu-sammengefaßt, das im Anhang des im Ja-nuar erschienenen Buchs „Lebensläng-lich. Texte von zu lebenslanger Haft Ver-urteilten“ abgedruckt ist.

Im Vorwort schreib die Herausgeber:„Die wissenschaftlich-argumentatori-sche Auseinandersetzung mit der lebens-langen Freiheitsstrafe versuchen wir nunzu ergänzen, indem wir betroffene Täterund Täterinnen selbst zu Wort kommenlassen. 1996 haben wir mit einem Brief,den wir in entsprechenden Strafanstal-ten und Gefangenenzeitungen veröffent-lichten, zu lebenslanger Haft Verurteilteangeregt, ihre Erfahrungen in der Aus-einandersetzung mit der geschehenen Tatund den strafrechtlichen Folgen aus per-sönlicher Sicht aufzuschreiben. Hiermitveröffentlichen wir diese Berichte. Siemachen deutlich, wie schwierig es oft ist,sich mit der eigenen Tat und ihren Folgenauseinanderzusetzen. Weder der Prozeßnoch die Situation im Gefängnis förderndiese notwendige Auseinandersetzung.Im Gegenteil: sie be- oder verhinderndies. Die in diesem Buch versammeltenBeiträge bilden insgesamt ein eindring-liches, leidenschaftliches Plädoyer fürdie Abschaffung der lebenslangen Frei-heitsstrafe.

Immer wieder taucht in den Berichtender Vergleich mit der Todesstrafe auf Ra-ten auf. Erst nach der Verbüßung von 15Jahren erfolgt eine Umrechnung derSchuldschwere, wenn diese im Urteilfestgestellt wurde, in dann noch zusätz-lich zu verbüßende Jahre. Eine Begut-achtung wird noch später vorgenommen.Fällt dabei die ,Gefährlichkeitsprognose’zuungunsten des Täters aus, kann belie-big lang weiter vollstreckt werden. Sowird die Freiheitsstrafe zu einer unkal-kulierbaren Strafform, die die Betroffe-nen an das Kreuz der Perspektivlosigkeitnagelt.“

Steffen Meyer etwa schreibt: „Fürmich ist dieses Urteil schlimmer als dieTodesstrafe, denn da kommt man irgend-wann an die Reihe, und es ist vorbei. DasUrteil LL ist deshalb so grausam, weil esso perspektivlos ist und man sich nichtsvorstellen kann, was irgendwie reali-

stisch ist.“ (S. 58) Guido Sawallisch:„Wenn man also schon Begriffe wie ,hu-maner Vollzug’oder ähnliche Floskeln zurPolitik macht und trotzdem nichts un-ternehmen will,dann halte ich persönliches für wesentlich humaner, nach dem Ur-teil eine Kugel verpaßt zu bekommen,an-statt 20 Jahre lang zunächst meinen emo-tionalen Tod zu erleiden und dann in densozialen Tod entlassen zu werden, bevormich der physische Tod letztendlich er-löst.“ (93)

Uwe Zimmermann, der sich Anfangdes Jahres in der JVA Lübeck erhängte (s.PB 2/98), betont in seinem Beitrag dieOhnmacht, die, gerade weil kein Strafen-de feststeht, für zu lebenslanger Haft Ver-urteilt noch erdrückender ist als für an-dere Gefangene: „Sie werden wie Spiel-bälle innerhalb der beteiligten Behördenund Ämter (Staatsanwaltschaft, Voll-zugsanstalt, Vollstreckungskammer,Gnadenbehörde,Justizministerium,Voll-zugsamt usw.) als Akten und Nummernhin- und hergeschoben. Durch diese Ver-zögerungstaktik wird der ,Lebenslängli-che’ systematisch zermürbt und gebro-chen. Für mich ist daher die lebenslangeFreiheitsstrafe eine von den Justizbehör-den gewollte und vom Staat tolerierteHinrichtung auf Raten, die den ,Lebens-länglichen’ entweder schon während derHaftzeit vernichtet oder ihn als willenlo-se Marionette zum Krepieren in die Ge-sellschaft entläßt.“

Perspektivlos ist die Situation der„Lebenslänglichen“ nicht nur wegen derunbestimmten Strafdauer. „Zukunfts-perspektiven - die gibt es nicht, und diesehe ich auch nicht. Denn bei der Längeder Haft ist die Verdammung zu einemSozialhilfeempfänger und so zu einemAusgestoßenen vorprogrammiert,“ soManfred Nicolai (S. 32).

„Eine Gesellschaft macht sich unfähigzur Reform, wenn sie ihre Probleme, diein ihren Mitgliedern unterschiedlich zumAusdruck kommen, auslagert und ab-kapselt.Viel teurer als die ,normal’ über-sehenen Haftanstalten und der gesamteStrafvollzug sind die Kosten,die eine Ge-sellschaft täglich bezahlt, wenn sie nichtwahrnimmt, was die Strafen und dieStrafformen mit ihr selbst zu tun haben“,schreibt Wolf-Dieter Narr in seinemNachwort. Wer sich damit auseinander-setzen will, kann aus den hier veröffent-lichten Beiträgen der Gefangenen vieleslernen. scc

Lebenslänglich. Texte von zu lebenslangerHaft Verurteilten. Herausgeber und Verle-ger: Komitee für Grundrechte und Demo-kratie e.V. Preis DM 10,–, Bestellungen aus-schließlich gegen Vorauszahlung (bitte Ver-rechnungsscheck beifügen) an:Komitee für Grundrechte und Demokratiee.V., An der Gasse 1, 64759 Sensbachtal

Eine Leseempfehlung

Texte von zu lebenslanger Haft Verurteiltengenargumente wollen nicht greifen. Esfolgen Aspekte aus unserer Diskussion.

Die Rechtsverschiebung der öffentli-chen Meinung, die hier gelungen ist, hateine Vorgeschichte in der Meinungsbil-dung. Es ist ein Drama in drei Akten.Akt1: Deutsche und Ausländer konkurrierenum Arbeitsplätze.Ausländer raus! Akt 2:Hamburger Voscherau-Wahlkampf. DieAnständigen sind nicht mehr sicher. Kri-minelle leben auf Deine Kosten. DerStaat muß einschreiten! Akt 3: Die Ju-gend.Es gibt sie noch,leistungswillig und-fähig und zu fördern. Aber, es gibt auchdas „junge Monster“,an dem Hopfen undMalz verschwendet ist. Als es im Fall M.gelang, ein ausländisches, kriminellesjunges Monster zu kreieren, überlagertensich die durch eine breite Reklame in dieöffentliche Meinung eingearbeiteten Vor-urteile. Der SPD-Bürgermeister, derlinksliberale Journalist, der konservativeStaatsanwalt formieren sich zum Mob.Die öffentliche Meinung folgt ihnen.Abergerade sie, die Geschäftsträger der Ge-sellschaft, handeln gegen besseres Wis-sen. Der Oberbürgermeister, weil er wis-sen kann und muß, daß die Abschiebungkein Mittel der Ordnungspolitik seinkann. Die Abschiebung Ansässiger istden Tatsachen nach eine menschenrecht-lich geächtete Ausbürgerung. Ein Bür-germeister, der Probleme in der Stadtdurch Ausbürgerung von Einwohnern lö-sen wollte, wird zum gefährlichen Bür-gerschreck.

Der Journalist lernt, Ereignisse, überdie zu berichten ist, als Fälle aufzufas-sen, in denen verschiedene gesellschaft-liche Kräfte aufeinander einwirken. EinJournalist kann sich nicht darauf einlas-sen, aus einem komplexen Geschehen ei-ne Komponente herauszugreifen, solchesgehört in den Anzeigenteil. Die Ver-strickungen des jungen M. sind unbe-dingt Verstrickungen innerhalb der Ge-sellschaft der BRD. Wer in der Darstel-lung von Sachverhalten geübt ist unddiesen Tatbestand verschweigt, täuschtdie Öffentlichkeit über den Zustand derGesellschaft. Schließlich der Staatsan-walt. Wenn der Fall M. schon die Öffent-lichkeit so bewegt, wie dies unstrittig ist,hat die Öffentlichkeit auch ein starkes In-teresse, den genauen Sachverhalt aufge-klärt zu sehen. Ein Staatsanwalt, der dieErmittlungen einstellt, weil der Fallwichtig ist, tritt aus der bürgerlichen De-mokratie heraus in die Dunkelzone ge-walttätigen Abstrafens.

In unserer Diskussion sind wir dabeigeendet, daß klargestellt werden muß,was es für eine bürgerliche Demokratiebedeutet, wenn sie systematisch, auf-grund einer gefestigten Rechtspraxis undeiner breit eingehämmerten öffentlichenMeinung, die Abschiebung aus Strafmit-tel einsetzt. Es ist schon klar, daß dieseEntwicklung schleichend geschah. Aberjetzt wäre es an der Zeit, politische Wegezu suchen, um klarzumachen, daß Ab-schiebung als Mittel der Strafjustiz ge-gen die Menschenrechte verstößt. maf

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Kalschnikow

– Redaktion –

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Politische BerichteZZEEIITTUUNNGG FFÜÜRR SSOOZZIIAALLIISSTTIISSCCHHEE PPOOLLIITTIIKK–– EERRSSCCHHEEIINNTT VVIIEERRZZEEHHNNTTÄÄGGLLIICCHH

Herausgeber: Arbeitskreis Politische Berichte, Gutenberg-straße 48, 70176 Stuttgart. Herausgeber für den ArbeitskreisPolitische Berichte: Selman Arslan, Christoph Cornides, Ulri-ke Detjen, Martin Fochler, Emil Hruška, Herbert Stascheit.

Verantwortliche Redakteure und Redaktionsanschriften:

Aktuelles aus Politik und Wirtschaft: Rüdiger Lötzer; GNN-Ver-lag, Dieffenbachstr. 33, 3. Hof, Eing. C, 10967 Berlin, Tel.030 / 69 40 10 39, Fax: 030 / 69 40 10 41.Auslandsberichterstattung: Hardy Vollmer; GNN-Verlag, Wil-helmstraße 15, 79098 Freiburg, Fax : 0761/ 34961Regionales West und Ost: Jörg Detjen, (West),GNN-Verlag,Post-fach 260 226, 50515 Köln. Hausadresse GNN-Verlag, ZülpicherStr. 7, 50674 Köln, Tel. 02 21 / 21 16 58, Fax : 02 21 / 21 53 73.;Rüdiger Lötzer, (Ost) s.o. „Aktuelles…“. Regionales West undOst wird in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Linke Kom-munalpolitik hergestellt.Aus Betrieben und Gewerkschaften: Alfred Küstler, GNN-Ver-lag, Gutenbergstr. 48, 70176 Stuttgart, Tel. 07 11 / 62 47 01,Fax : 0711 / 62 15 32.Diskussion / Dokumentation und Letzte Seiten: ChristianeSchneider, Hamburg: GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20, Fax : 040 / 43 18 88 21.

Vierteljährliche Beilage: Rundbrief der „ARGE, Arbeitsge-meinschaft Konkrete Demokratie, soziale Befreiung bei derPDS“.

Verlag: GNN-Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH,50674 Köln,Zülpicher Str. 7 und GNN-Verlag,Gutenbergstr. 48,70176 Stuttgart, Tel. 07 11 / 62 47 01, Fax : 0711 / 62 15 32.

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ADRESSAUFKLEBER

MINETE

R

15. August: Zentraler Wahlkampfauftakt-der PDS-Westverbände in Köln

28. August:. CSU-Parteitag in München

29.8. FDP-Parteitag in Bonn soll Wahl-aufruf beschließen

13. September: Landtagswahl in Bayern

14./17. September: Ordentlicher Bun-deskongreß Gewerkschaft der Polizei

21. bis 24. September: Herbstvollver-sammlung der Deutschen Bischofskonfe-renz in Fulda

27. September: Bundestagswahl, Land-tagswahl in Mecklenburg-Vorpommernund Kommunalwahlen in Brandenburg

G E Ä N D E R T : 17./18. Oktober: Herb-sttagung des Forums KommunistischerArbeitsgemeinschaften in Köln

11. Oktober a.o. Gewerkschaftstag der IGMetall in Mannheim

16. Oktober: Bundeskongreß der JungenLiberalen in Berlin

23. bis 25. Oktober: 11. o. Bundesver-sammlung von B90/Die Grünen in Bonn

24.-29. Oktober: Gewerkschaftstag HBVin Bremen und IG Medienin Würzburg

11.-6. November: 3. Tagung der 9. Synodeder EKG

9.-13. November: Gewerkschaftstag derNGG in Hamburg

27. bis 29. November: JU-Deutschlandtagin Weiden

29. bis 30.November: 11. Parteitag derCDU in Bonn

7.2.99 Landtagswahlen in Hessen

13./14. März 1999: Frühjahrskonferenzdes "Forums" in Köln

23. Mai 1999: Bundesversammlung wähltBundespräsidenten

Juni 1999 Europawahlen •


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