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Perfekt geplant

Date post: 03-Jan-2017
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Chicago Band 6

Perfekt gelpant

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Die wilden Zwanziger. In den USA herrscht Prohibition, doch eine ›tro­cken gelegte‹ Nation konsumiert mehr Alkohol als jemals zuvor. Für den Nachschub sorgen gut organisierte Gangsterbanden, gegen die die Polizei einen vergeblichen Kampf führt. Nicht zuletzt, weil auch sie oft mit am Alkoholschmuggel verdient. Die Sitten sind rau und ein Men­schenleben zählt wenig, wenn es um viele Dollars geht. Die Gangster­bosse unterhalten ihre Privatarmeen von Killern und leben selbst wie Könige.

In Chicago versucht der Privatdetektiv Pat Connor nicht zwischen die Fronten zu geraten und trotzdem der Gerechtigkeit Geltung zu ver­schaffen. Um aber in diesem Haifischbecken zu überleben, muss man selbst auch die Zähne zeigen.

*

Nach dem ausgedehnten Mittagessen hatte ich eigentlich keine Lust, noch einmal ins Büro zu fahren. Ich tat es nur, weil ich auch sonst nichts zu tun hatte. Außerdem wollte ich überprüfen, ob Betty noch gekommen war. Am Vormittag war sie aus irgendeinem Grund verhin­dert gewesen. Ich tippte auf einen neuen Verehrer. Seit Tagen schon gab sie sich noch schnippischer als sonst, was ich als deutliches Zei­chen wertete. Allein am Wetter konnte es jedenfalls nicht liegen. Der Frühling war schließlich schon lange überfällig.

Aber nett war es schon, dass die Sonne nun nicht mehr bloß als Attrappe am Himmel hing, sondern tatsächlich wärmte. Ich ließ mir also auf der Rückfahrt Zeit und kurbelte das Fenster meines betagten Plymouth herunter. Sogar für die Loop war der Verkehr ungewöhnlich dicht. Ich erklärte es mir damit, dass eben auch die Bewohner Chica­gos anfälliger für gewisse meteorologische Erscheinungen waren, als sie es wahrhaben wollten. Irgendwie erinnerte mich das Gewusel sehr deutlich an einen Ameisenhaufen, der soeben aus der Winterstarre erwacht.

Ich parkte meinen Wagen auf dem Hof des Eckhauses South Franklin/Monroe Street, paffte noch ein paar Rauchwölkchen in das leicht diesige Blau über der Stadt und betrat dann das sechsstöckige

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Sandsteinhaus, in dem sich mein Büro befand. Wie üblich war der al­tersschwache Lift soeben abgefahren und so nahm ich die Treppe in den zweiten Stock. Erregte Stimmen hallten über den Flur. Ich ging davon aus, dass sie aus den Räumen des Immobilienmaklers kamen, dort ging es manchmal hoch her. Dann aber erkannte ich eine der Stimmen als die meiner Sekretärin Betty Meyer.

»Wenn er jetzt nicht da ist, kommt er auch nicht mehr«, hörte ich sie ziemlich von oben herab sagen. »Es hat also gar keinen Sinn, dass Sie hier noch länger warten.«

Die gute Seele meines Büros war Betty nie gewesen und ich hatte mir auch nie Illusionen darüber gemacht, dass sie wohl nur deshalb bei mir arbeitete, weil sie keinen besseren Job fand. Aber dass sie an­scheinend einen potenziellen Kunden einfach wegschickte, das ging doch zu weit. Ich trat entschiedener auf und so laut, dass meine Schritte nicht zu überhören waren. Genauso energisch öffnete ich gleich darauf auch die Tür.

»Na so was, Chef, Sie?« Betty fiel der Kiefer herunter. Ich überhörte ihre Bemerkung, entledigte mich meines Huts und

warf meinen Mantel über einen Stuhl. Auf der Couch gleich rechts von der Tür saß ein weibliches Wesen, das die Dürftigkeit der Couch nur allzu sichtbar machte. War Betty deshalb so gereizt? Das blonde Haar der jungen Frau dort war nämlich nicht gefärbt wie bei Betty. Auch kam ihr Kostüm garantiert nicht von der Stange und ihre Zigarette steckte in einer silbernen Zigarettenspitze. Etwas sehr Zartes, Schutz­bedürftiges ging von dieser Frau aus und so verwunderte es mich nicht weiter, dass sie nicht allein gekommen war.

Ihr Begleiter, ein groß gewachsener, ebenfalls sehr sorgfältig und teuer gekleideter, fast schon übertrieben schlanker Mann um die vier­zig durchquerte den nicht allzu großen Raum mit unruhigen Schritten. Er hatte Hut und Mantel nicht abgelegt und in seinem markant ge­schnittenen Gesicht fiel mir sofort der Mund auf. Anscheinend hatte er einen Tick, denn seine Lippen zuckten alle paar Sekunden.

»Na endlich, Connor!« Er blieb vor mir stehen und deutete so et­was wie ein Lächeln an.

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Ich kannte ihn nicht, aber irgendetwas sagte mir, dass er ein An­walt sein musste. In meinem Job lässt es sich einfach nicht vermeiden, dass man mit der Zeit eine gewisse Menschenkenntnis erwirbt. »Sind wir verabredet?« Ich ließ eine Lucky zwischen meine Lippen wandern und setzte mich an meinen Schreibtisch.

»Nein, das nicht. Aber ich bin doch froh, dass Sie nun da sind.« Er reichte mir seine Visitenkarte, wobei mir der Siegelring an seiner ma­nikürten Hand auffiel.

Ben Warden, las ich und der Typ war tatsächlich Anwalt. Und zwar einer von der Sorte, die gut und gern mehr als die bei mir sonst übli­chen 25 Dollar am Tag bezahlen konnte. »Und womit kann ich Ihnen helfen?« Mindestens 40, beschloss ich im Stillen und hatte den Auftrag eigentlich schon angenommen, noch bevor ich überhaupt wusste, wor­in er bestehen würde. So mau, wie die Auftragslage derzeit war, wollte ich mir so einen Fisch nicht entgehen lassen.

»Meine Nichte hier«, Warden wies auf den blonden Engel auf meinem Sofa, »heißt Faye Mellis.«

»Sehr erfreut.« Das war ich wirklich. »Betty, wie wäre es mit Kaf­fee?«

Meine Sekretärin erhob sich, wenn auch leicht unwillig. »Faye kommt vom Land«, fuhr Warden fort. »Natürlich freue ich

mich sehr über ihren Besuch. Nur dass ich derzeit beruflich überaus stark in Anspruch genommen bin. Jemand müsste sich also ein biss­chen um Faye kümmern. Ich habe schließlich ihrem Vater versprochen, dass sie heil wieder aus der Großstadt zurückkommt.« Warden lachte etwas nervös und fingerte an dem Einstecktuch herum, das farblich mit seiner Krawatte abgestimmt war und absolut korrekt in der Brust­tasche seines Jacketts steckte.

Ich musterte die schöne Faye genauer. Ihre Augen hatten die Farbe von sehr hellem Bernstein und ihr Gesicht sah aus, als habe es ein Bildhauer aus Alabaster gemeißelt. Sie war tatsächlich ein Schmuckstück, vom Kopf bis zu den zierlichen Füßen. Offenbar kränkte es sie nicht, was Ben Warden über sie sagte, denn sie lächelte mich freundlich, wenn auch ziemlich zurückhaltend an. Vielleicht war sie es einfach gewöhnt, als kostbares Schmuckstück behandelt zu werden?

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Betty kam aus der Ecke, wo sich die Utensilien zum Kaffeekochen befanden, zurück und warf mir einen vernichtenden Blick zu. Seit wann lassen Sie sich als Babysitter missbrauchen?, las ich in ihren Au­gen.

Ich gebe zu, ein bisschen widersprach das tatsächlich meinen Grundsätzen. Auch Ben Warden schien etwas in der Art durch den Kopf zu gehen. Oder weshalb sonst befand sich plötzlich eine Fünfzig-Dollar-Note in seiner Hand? Und gleich darauf sogar noch eine zweite.

»Es geht nur um ein paar Tage«, sagte er und legte die beiden Grants auf meinen Schreibtisch. »Und natürlich bezahle ich alle anfal­lenden Spesen. Zeigen Sie Faye doch einfach die Stadt. Jedenfalls die Orte, an die man eine wohlerzogene junge Frau guten Gewissens füh­ren kann.« Er zwinkerte mir kurz zu. »Ach ja, ich habe sie übrigens im Stevens einquartiert. Sie wissen doch, wo das ist?«

Wie hätte ich das nicht wissen sollen. Das Stevens galt als das größte Hotel der Welt, mit sage und schreibe dreitausend Zimmern, selbstverständlich alle mit Bad und auch sonst jedem erdenklichen Komfort ausgestattet. Es befand sich an der Michigan Avenue, direkt am Grant Park, also dort, wo sich die Metropole von ihrer besten Seite präsentierte.

»Ja, ich weiß, wo das ist«, bestätigte ich. Dann wandte ich mich der schönen Faye zu. »Wann wollen Sie denn dorthin gebracht wer­den?«

Doch ihr Onkel Ben Warden antwortete an ihrer Stelle. »Es ge­nügt, wenn Sie morgen früh dort sind. Nicht vor zehn, Faye braucht ihren Schönheitsschlaf.«

Betty war jetzt endlich mit dem Kaffee fertig. Warden aber gab Faye schon ein Zeichen. Sie erhob sich auch prompt, wie ein folgsa­mes Kind und als sie mir zum Abschied ihre Hand reichte, hatte ich das Gefühl, nicht mehr als eine Feder zu spüren. Warden verzichtete dar­auf, mir die Hand zu geben, er tippte nur kurz gegen seine Hutkrem­pe. Gleich darauf waren die beiden verschwunden.

»Also wirklich, Chef!«, setzte Betty empört an. »Sie werden doch wohl nicht...«

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»Wenn nicht ich, dann eben Sie!«, fiel ich ihr ins Wort und lächel­te sie breit an.

Sie öffnete ihren Mund, schloss ihn, klappte ihn wieder auf, als wolle sie einem Fisch auf dem Trockenen Konkurrenz machen.

»Ich finde, das hier ist ein ziemlich überzeugendes Argument.« Ich steckte die Grants ein.

»Aber diese Faye ist nie und nimmer seine Nichte!«, fand Betty endlich wieder Worte. »Das kennt man doch. Sie ist seine Geliebte, wetten? Und so durchtrieben, wie das diese engelhaften Wesen immer sind. Und deshalb hat er Angst, sie auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen!«

Ich grinste in mich hinein. Gewisse weibliche Instinkte funktionier­ten bei Betty wirklich gut. »Sie sollen sich ja nicht mit der Unschuld vom Lande anfreunden«, versetzte ich kühl. »Im Übrigen geht es nicht zuletzt auch um Ihr Gehalt. Von irgendwoher muss es schließlich kommen. Ist es da nicht völlig gleichgültig, in welchem Verhältnis Faye und Ben Warden stehen?«

Betty stieß hörbar die Luft aus und schüttelte den Kopf. »Und ich dachte immer, Sie hätten Ihre Prinzipien! Dass Sie sich jetzt wirklich als Kindermädchen hergeben...«

»Nicht ich, Sie«, erinnerte ich. »Morgen Vormittag spiele erst ein­mal ich ein bisschen den Fremdenführer. Sie sind dann ab morgen Nachmittag dran. Ich nehme an, Sie wollen wieder ausschlafen?«

Sie errötete tatsächlich ein bisschen, anscheinend hatte ich ins Schwarze getroffen mit meiner Vermutung, dass sie einen neuen Ver­ehrer hatte. »Aber für heute kann ich gehen, nehme ich doch an?«

Mir blieb nur, zustimmend zu nicken. Denn leider gab es im Mo­ment wirklich nichts für sie zu tun. Ich bat sie, am nächsten Tag pünktlich um zwei Uhr mittags in der Lobby des Stevens zu sein. Dann verließ Betty das Büro, mit einer Miene, als hätte ich ihr in Aussicht gestellt, mindestens ein Dutzend lebender Kröten verschlucken zu müssen.

Das schlug mir dann doch etwas auf den Magen. Denn hatte sie nicht Recht? Den Aufpasser für so ein verwöhntes junges Ding zu spie­len - natürlich war das auch für mich nicht gerade ein Traumjob. Aber

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konnte ich etwas dafür, dass die Zeiten so lausig waren? Und da wa­ren immerhin die hundert Dollar. Wie sie in meiner Tasche knisterten, fand ich, rechtfertigten sie so manches. Und dieses Knistern wiederum brachte mich auf die Idee, dass es jetzt an der Zeit sei für einen or­dentlichen Schluck.

*

Wie immer, wenn ich mit der Welt nicht gerade restlos zufrieden war, beschloss ich, mir den Drink in Dunkys Speakeasy zu besorgen. Das war genau der Ort, den ich jetzt brauchte. Dunky betrieb eine jener Flüsterkneipen, in die man nur eingelassen wurde, wenn man den Co­de kannte, um dann einen Whiskey von meist nur mittlerer Güte ser­viert zu bekommen.

Es war noch wenig los, als ich dort eintraf. So wenig, dass Dunky hinterm Tresen sogar sofort aufsah und seinem fleischigen glänzenden Gesicht so etwas wie ein Lächeln abrang. Er war ein auffallend kleiner Mann, was er mit einer gewissen Breite wettmachte. Am meisten fas­zinierte mich immer wieder sein Gesicht. Es schien in alle Richtungen zu zerfließen, auch sah es immer so aus, als befänden sich Augen, Nase und Lippen bei ihm nur zufällig an den üblichen Stellen. Vielleicht lag es daran, dass er eine Glatze hatte.

»Richtig warm heute, was?«, begrüßte er mich ungewohnt redse­lig. »Das macht durstig.«

Er schob mir schon ein Glas zu. Ich entdeckte außer mir nur zwei Gestalten am anderen Ende des Tresens, beide klein und dürr und unbestimmbaren Alters, sie tuschelten und kicherten unablässig mit­einander. Auch hatten beide ausgeprägte O-Beine, was mich vermuten ließ, dass die beiden zu einem der Schiffe auf dem Lake Michigan ge­hörten. Sie schienen es sehr eilig zu haben, denn sie leerten ihre Glä­ser auffallend schnell. Dunky musste alle paar Minuten nachschenken.

»Trifft sich übrigens ganz gut«, meinte er zu mir, als auch ich Nachschub brauchte.

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Ich sah ihn fragend an. An der Stelle, an der andere Leute Augen­brauen haben, glänzten bei Dunky Schweißperlen. »Hat etwa jemand nach mir gefragt?«

Als Dunky seinen riesigen Schädel schüttelte, sah das so aus, als kämen nicht alle Stellen in seinem Gesicht gleichmäßig mit. Eine merkwürdige Wellenbewegung entstand. »Nein, das nicht. Es war nur so eine Idee. Weil mich da einer um was gebeten hat. Kenn den Typen von früher, bin ihm auch ein bisschen was schuldig. Aber wann komme ich hier schon raus?«

Ich hatte es lange nicht erlebt, dass Dunky so viele Worte aus­spuckte. Nur machten sie für mich noch immer keinen Sinn. Er griff nach einem Umschlag und legte ihn neben mein Glas. Nur ein Name stand darauf: Patsy Dwyer.

»Is 'ne Freundin von 'nem Buchmacher«, fuhr Dunky auf seine nu­schelnde Art fort. »Pete Dolphin heißt der, kennen Sie vielleicht sogar. Für sie war es wichtig, dass sie den Umschlag bekommt.«

»Verstehe ich nicht«, brummte ich. Dunky verstand, dass er mein Glas noch einmal füllen sollte. »Der

Typ hat jedenfalls gesagt, es war wirklich wichtig. Er heißt Philley, Jack oder so. Ist heute erst aus dem Bau gekommen.«

»Und wieso besucht er die Lady dann nicht selbst?« Ich nahm ei­nen weiteren Schluck. Allmählich ahnte ich, worauf Dunky hinauswoll­te. Offenbar erwartete er eine Gegenleistung dafür, dass er mir manchmal einen kleinen Tipp gab oder mich zumindest mit Leuten bekannt machte, die mir weiterhelfen konnten.

Dunky grinste breit. »Hat Angst, dass er wieder in schlechte Ge­wohnheiten verfällt. Deshalb hat er Chicago gleich verlassen. Er will keine krummen Dinger mehr drehen und meint, auf dem Land sei das einfacher.«

Beim Stichwort ›Land‹ erschien in der Rauchwolke vor mir flüchtig das engelsgleiche Wesen namens Faye.

»Aber bis ich hier rauskomme...« Dunky seufzte. Dann musste er sich erst einmal um ein paar neue Gäste kümmern, blutjunge Kerle, die sich hier wohl mit einem kräftigen Schluck auf den Feierabend ein­stimmen wollten. Während er für sie ein paar Gläser füllte, tastete ich

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den Umschlag ab. Er schien nicht viel zu enthalten, höchstens ein, zwei Blätter Papier.

Weil er schon einmal dabei war, füllte Dunky auch mein Glas noch einmal. »Das geht dann natürlich auf mich«, brummte er. »Und diesen Buchmacher, den findest du gleich ein paar Blocks weiter. Und jetzt ist bestimmt auch diese Patsy bei ihm. Wär wirklich kein Aufwand für dich.« Er grinste mich an, so gewinnend wie nur möglich.

Was er mir an diesem Tag einschenkte, schmeckte eindeutig bes­ser als sonst. Und so sagte ich mir, dass nichts dagegen sprach, Dunky den kleinen Gefallen zu tun. Eine Hand wusch nun mal die andere. Ich ließ mir genau beschreiben, wo der Buchmacher zu finden sei, dann nahm ich den Umschlag an mich. Als ich die Kneipe verließ, war es noch immer nicht dunkel. Und ich fragte mich, wo all die Vögel wohl steckten, die so lautstark in den Frühlingsabend zwitscherten. Denn ein Baum stand hier weit und breit nicht.

*

Pete Dolphin ging seinen Geschäften als Buchmacher im Nebenraum einer Kneipe nach. Er war ein Mann mit völlig ausdruckslosem Gesicht, in dem nur die dunklen Knopfaugen für ein bisschen Farbe sorgten. Seine Haut schimmerte wächsern und er bewegte sich, wenn über­haupt, dann seltsam ruckartig. Als ich zu ihm trat, hielt er ein Glas in der Hand und schielte über sie hinweg an mir vorbei. Als ich fragend seinen Namen aussprach, blinzelte er fast wie in Zeitlupe. War das eine Antwort gewesen? Er sah mich noch immer nicht an.

»Wenn Sie Pete Dolphin sind«, unternahm ich einen neuen Anlauf, »dann ist das hier für Sie.« Ich wedelte mit dem Umschlag vor seinen Augen herum.

Mit einem mehr als sparsamen Kopfnicken wies er auf den Platz neben sich. Das war jetzt wohl eine Aufforderung, mich zu setzen. Ich sah, wie er den Umschlag interessiert betrachtete.

»Nicht gerade für Sie«, wurde ich präziser. »Aber für Ihre Freun­din. Patsy Dwyer.«

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Es war verblüffend, wie er auf diesen Namen reagierte. Er schnell­te zurück, dann wieder nach vorn, setzte das Glas hart auf dem nicht sehr sauberen Tisch ab, griff dann aber gleich wieder danach. Aus seinen Lippen löste sich etwas, das wie ein Grunzlaut klang.

»Geben Sie ihr das einfach«, sagte ich und wollte schon wieder gehen. Getrunken hatte ich genug und davon abgesehen lud mich hier nichts zum Bleiben ein.

»Das werde ich nicht tun!«, stieß er da hervor, so scharf artiku­liert, dass ich mich nun doch setzte.

»Und wieso nicht?« »Weil ich die gar nicht kenne«, behauptete er. Glaubwürdig war er damit nicht. Wieso reagierte einer so heftig

auf den Namen einer Frau, wenn diese ihm unbekannt war? »Aber vielleicht wissen Sie wenigstens, wo ich Sie finden kann?« Allmählich wurde ich gereizt. Hatte Dunky nicht gesagt, ich müsse den Umschlag nur hier abgeben und alles sei in Ordnung?

»Das will ich gar nicht wissen!« Der Buchmacher leerte sein Glas in einem Zug. Jetzt erst fiel mir auf, wie betrunken er war. Deshalb bewegte er sich so unkoordiniert.

Da sich die Sache anscheinend hinziehen würde, besorgte ich mir doch noch einen Schluck. Dolphin ließ den Umschlag nicht aus den Augen. Er wirkte dabei so zornig, als habe er nicht nur diesen Namen vor sich, sondern die dazugehörige Frau selbst. Sie hat ihn vermutlich abserviert, schloss ich daraus und er kommt nicht darüber hinweg.

»Sagen Sie mir einfach, wo ich sie finde«, schlug ich ihm versöhn­lich vor.

»Woher soll ich das wissen?« Ganz plötzlich sah er mich nun doch an. Wie kleine Dolche schoss er seine Blicke ab, hinter Wimpern her­vor, die mit einem Mal zitterten. Ich musste an Kanarienvögel denken, die man in viel zu enge Käfige gesteckt hat. »Das weiß ich nicht und ich will es auch gar nicht wissen.« Er begann mit dem Oberkörper zu schaukeln, immer vor und zurück. Seine Knopfaugen schimmerten verdächtig.

»Sie ist wohl nicht nett zu Ihnen gewesen?«, bemühte ich mich um ein Minimum an Mitgefühl.

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Prompt vergaß er alles, was er bisher gesagt hatte. »Nein, gar nicht nett.« Er griff nach einem Taschentuch und putzte sich umständ­lich die Nase. Auch wenn er gar nicht so aussah, verfügte er offenbar über ein höchst sensibles Gemüt. »Aber sie ist die letzte Frau, von der ich mir so was gefallen lasse. Von jetzt an können sie mir gestohlen bleiben, alle!«

Ich nickte, als sei ich ganz und gar seiner Meinung. »Und wo finde ich sie, diese Dwyer?«

Dass er jetzt zu kichern begann, war genau so überraschend wie alles, was er zuvor an Reaktionen gezeigt hatte. »Lesen Sie keine Zei­tung? Eine wie Patsy will natürlich hoch hinaus, wenn Sie verstehen, was ich meine. So eine kriegt einfach nie genug. So eine tut alles, nur damit...« Ein Hustenfall stoppte ihn und endlich ließ er den Kopf vorn­über sinken.

Ratlos starrte ich auf sein stellenweise schon schütter werdendes Haar. Endlich dämmerte es mir - der Buchmacher war eingeschlafen. Sein Kopf lag genau auf dem Umschlag, den loszuwerden nun plötzlich gar nicht so einfach war. Einen Moment lang überlegte ich, den Um­schlag einfach hier liegen zu lassen. Anscheinend war das alles ja längst nicht so unkompliziert, wie Dunky gemeint hatte. Und sobald dieser Dolphin wieder nüchtern war - vermutlich erinnerte er sich dann doch wieder an Patsy und händigte ihr das Ding aus.

Ich war schon im Gehen, als ich mich doch noch gewisser Prinzi­pien besann und den Umschlag wieder an mich nahm. Zwar war das kein Auftrag im üblichen Sinn und Dunky kein regulärer Kunde. Aber abgelehnt hatte ich die Sache eben auch nicht und deshalb würde ich den Umschlag nun auch an seinen Bestimmungsort bringen. Dolphin wurde nicht wach, als ich ihn unter seinem Kopf hervorzog.

*

Hatte ich zu wenig getrunken oder zu viel - oder war das Zeug einfach zu schlecht gewesen? Die Nacht jedenfalls war ziemlich grauenhaft. Ich schlief nicht richtig, döste nur und träumte. Wobei die Träume leider schrecklich dicht an der Realität waren. Immer wieder schrillte

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Bettys Stimme auf. »Wohin ist es nur mit Ihnen gekommen, Chef? Sind Sie nun Detektiv oder Babysitter?«

Um sie zum Schweigen zu bringen, wies ich immer wieder auf je­nen Briefumschlag. Wenn das nicht gute, alte Detektivarbeit war! Al­lerdings gelang es mir nicht, die Adressatin ausfindig zu machen. Drauf und dran, den Beweis meiner endgültigen Niederlage in möglichst klei­ne Fetzen zu zerreißen, schreckte ich schweißgebadet hoch.

Ich beruhigte mich erst, als ich sah, dass der Umschlag noch im­mer drüben auf dem Tisch lag. Es war schon hell draußen und mit reichlich kaltem Wasser sorgte ich dafür, dass sich auch der Nebel in meinen Gehirnwindungen lichtete. Nach einer ersten Zigarette und einer Tasse starkem Kaffee fühlte ich mich dann wieder ziemlich okay.

Kein Grund, gleich so schwarz zu sehen, sagte ich mir, womöglich hielt schon der eben anbrechende Tag wieder ganz andere Aufgaben für mich bereit. Hatte ich es nicht längst schon gelernt, dass man es nehmen musste, wie es eben so kam? Und wer konnte schon wissen, wozu es gut war, über Faye mit einem Mann wie Ben Warden Kontakt zu haben? Erfolgreiche Anwälte hatten viele Klienten. Und wenn War-den mit mir zufrieden war, konnte es leicht geschehen, dass er mich einem von denen empfiehl. Denn natürlich befasste sich einer wie Warden nicht mit allem.

Ganz flüchtig erschien Bettys hämisches Grinsen vor mir. Aber sie hatte es leicht, sich hochnäsig zu geben. Von mir erwartete sie am Ende doch ihr Gehalt. Also musste ich auch zusehen, wie es herein­kam.

Als das Telefon klingelte, war ich mit mir und der Welt schon wie­der ziemlich im Reinen. Dass ausgerechnet Betty sich meldete, wäre nicht nötig gewesen.

»Ich wollte bloß noch mal hören, Chef, ob Sie mich wirklich erst am Nachmittag brauchen«, flötete sie.

Dass sie mich um diese Zeit anrief, konnte nur bedeuten, dass sie die Nacht nicht zu Hause zugebracht hatte. Was mich natürlich nichts anging. Und immerhin, es sprach für einen Rest von Pflichtbewusst­sein, dass sie sich in so einem Fall bei mir meldete.

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»Natürlich bleibt es dabei«, knurrte ich. Mir schien es besser, das Gespräch kurz zu halten. Wirklich stabil war mein Selbstbewusstsein nämlich noch nicht. »Und zwar am vereinbarten Ort.«

Ich legte auf, bevor sie noch etwas sagen konnte. Dann zog ich mich an, sorgfältiger als sonst. Ich putzte sogar meine Schuhe. Und dabei überlegte ich, wie ich den Vormittag mit meinem hübschen Schützling am sinnvollsten gestalten könnte. Der Umschlag spielte bei meinen Überlegungen eine gewisse Rolle, beziehungsweise mein Scheitern, diese Patsy Dwyer ausfindig zu machen. Auch wenn es al­bern war - ich wollte mir Dunkys Bitte und also diesen Umschlag mög­lichst schnell vom Hals schaffen. Wieso also nicht mit dieser Faye zu­sammen zu Brendon gehen?, überlegte ich.

Brendon Smith war eine Art väterlicher Freund, er arbeitete als Sportreporter für die Chicago Tribune. Und so eine Zeitung von innen zu sehen, das könnte doch interessant sein für eine Landpomeranze wie Faye. Brendon könnte mir vielleicht weiterhelfen, was diese Patsy betraf. Wenn sie wirklich Karriere gemacht hatte, wie dieser Buchma­cher behauptet hatte und deshalb die Zeitungen über sie schrieben -Brendon war meist ganz gut informiert, auch wenn es nicht um Sport ging.

Als ich mein Apartment in der North Clark Street verließ, passte meine Stimmung schon ganz gut zu dem heiteren Frühlingsmorgen. Ich stellte mir vor, dass ich im Stevens vielleicht erst einmal frühstü­cken würde, zusammen mit diesem Engel namens Faye. Und danach würde die Welt doch garantiert gleich ein bisschen besser aussehen.

Mit meinem Plymouth erregte ich vor dem eleganten Hotel durch­aus ein gewisses Aufsehen. Aber ich störte mich nicht daran - auch nicht daran, wie pikiert der Hotelangestellte drein sah, als ich ihm die Autoschlüssel übergab, um die Karre irgendwo zu parken. Ohne nach links oder rechts zu sehen betrat ich dann das Hotel und steuerte die Rezeption an. »Miss Faye Mellis erwartet mich«, ließ ich einen mehr als hochnäsigen Typ wissen.

Seine Mundwinkel zuckten. »Das glaube ich kaum.« »Wie bitte?« Ich schraubte mich ein paar Zentimeter höher. Was

nahm der Kerl sich heraus?

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»Die Lady hat darum gebeten, vor elf Uhr auf keinen Fall geweckt zu werden«, näselte er.

Der Typ brachte mich fast zur Raserei mit seinem Getue. Die schöne Faye allerdings auch. Denn garantiert hoffte sie ja, mich auf diese Weise loszuwerden. Aber da kannte sie mich schlecht. »Gut. Dann sagen Sie ihr eben um elf Uhr, dass ich hier warte.«

In Gedanken strich ich das Frühstück schon mal. In der Lobby steuerte ich eine Sitzgruppe an, von der aus ich alles gut im Blick hat­te. Ich ließ mir Kaffee bringen und ein Sandwich dazu. Und ich kam nicht umhin, Betty zustimmen zu müssen. Diese Faye sah vielleicht aus wie ein Engel - aber sie hatte es faustdick hinter den Ohren. Natürlich ärgerte es mich auch, dass sie glaubte, mich so leicht abhängen zu können. Vielleicht war auch dies noch eine Nachwirkung der letzten Nacht. Seit wann zweifelte ich so leicht an mir selbst?

Ich überließ mich eine Weile dem Stimmengewirr um mich herum. Ein wahrlich babylonischer Wirrwarr herrschte in dem riesigen Kasten. Dabei behielt ich aber alle drei Ausgänge ständig im Blick. Und ich musste auch gar nicht lange warten. Inmitten eines dichten Men­schenpulks trat Faye aus einem der Lifte und wollte sich verkrümeln und zwar in Richtung jenes Ausgangs, der am weitesten von mir ent­fernt lag. Es half ihr nichts, ich war sofort bei ihr.

»Da hätten wir uns doch beinahe verpasst.« Grinsend vertrat ich ihr den Weg.

»Oh!« Sie spielte die Erstaunte und sah zugegeben hinreißend aus in dem korallenroten Wollkostüm. Auch ihre alabasterweißen Wangen verfärbten sich rosig.

»Darf ich bitten?« Ich bot ihr einen Arm, scheinbar die Höflichkeit in Person - und doch in Wahrheit nur eisern entschlossen, den Auftrag Ben Wardens zu erfüllen, ganz gleich, ob dieser nun wirklich Fayes Onkel war oder ihr Liebhaber.

Vor dem Hotel mussten wir einen Moment warten, bis mir mein Wagen gebracht wurde. Natürlich erschrak Faye, als sie ihn sah. Ich tat wieder so, als bemerkte ich nichts und öffnete ihr elegant die Tür. »Keine Angst, er beißt nicht«, witzelte ich. »Nehmen Sie es einfach als

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Teil Ihres Abenteuers. Zu Hause benutzen Sie vermutlich noch Pferde und Kutschen?«

Sie sagte nichts, sondern begann ihr Haar zu ordnen. Also blieb mir nichts übrig, als meinen Part als Fremdenführer zu spielen. »Wir beginnen mit einem Besuch bei der Chicago Tribune«, eröffnete ich ihr. »Die normalen Touristen kommen da gar nicht rein.«

»Wollen sie vermutlich auch gar nicht«, ließ sie sich endlich doch zu einem längeren Satz herab. Sie sah hinreißend aus, selbst wenn sie mürrisch war wie eine alte Betschwester.

»Sagen Sie das nicht!« Ich fädelte mich in den Vormittagsverkehr ein. »In so einer Redaktion pulsiert das Herz der Stadt...«

Ich redete, als musste ich Reklame machen für die Zeitung und ich tat es sogar mit Vergnügen. Irgendwie reizte es mich, dieses feengleiche Geschöpf neben mir noch etwas mehr aus der Fassung zu bringen. Und vielleicht auch ein bisschen mehr über sie zu erfahren.

Doch in diesem Punkt erreichte ich nichts, ganz egal, wie ge­schickt ich gelegentlich versuchte, eine Frage einzuflechten. Sie sagte kein Wort mehr, sondern rauchte nur und schaute dabei unglaublich gelangweilt aus dem Fenster. Ab und zu zog sie geringschätzig die Mundwinkel nach unten. Reagierte so eine junge Frau, die zum ersten Mal in Chicago war? Mich beschlichen gewisse Zweifel.

»So, wir sind da«, machte ich sie aufmerksam, als wir vor dem Gebäude der Tribune eintrafen. Sollte ich ihr etwas über die von aller Welt so bestaunte Architektur erzählen? Von den Preisen, die allein die Pläne für dieses Gebäude erhalten hatten? Noch wurde daran gebaut, einhundertneununddreißig Meter über der Straße sollte es eine Platt­form geben, der Blick auf die Stadt würde fantastisch sein... Nein, be­schloss ich. Denn Fayes Mundwinkel waren noch tiefer gerutscht.

»Eigentlich wollte ich einkaufen gehen«, quengelte sie, als ich ihr aus dem Wagen half.

»Aber das können Sie noch, heute Nachmittag«, beschwichtigte ich sie. »Meine Assistentin wird Sie ins Marshall Fields begleiten. Es ist das größte Warenhaus der Stadt, Sie werden begeistert sein.«

So sah sie keineswegs aus und allmählich ging sie mir richtig auf die Nerven. Sie hatte einfach an gar nichts Interesse. Entschädigt

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wurde ich dann allerdings oben in der Redaktion. Und zwar durch die bewundernden Blicke der Reporter. Mich kannten einige, zumindest vom Sehen, schließlich schaute ich hier öfter einmal vorbei. Aber bis­lang noch nie in Begleitung einer solchen Schönheit.

»Wo hast du die denn aufgegabelt?« Auch Brendon stand schon vor mir. Mit offenem Mund starrte er Faye an.

Sie bekam es nicht mit, weil sich gleich drei jüngere Kollegen von Brendon um sie bemühten.

»Tut nichts zur Sache«, ließ ich Brendon wissen und grinste dabei viel sagend. Es war ein Tag, an dem mir ein bisschen Bewunderung ganz gut tat. »Ich hätte da 'ne Frage an dich.« Ich wedelte mit dem Briefumschlag.

Brendon konnte seine Augen noch immer nicht von der schönen Faye losreißen. »Vielleicht hast du doch den besseren Job«, brummte er endlich und ging zu seinem Schreibtisch. Er setzte sich und zündete sich erst einmal seine Zigarre wieder an. Vor lauter Bewunderung für Faye hatte er sie in seinem Mundwinkel glatt vergessen und ausgehen lassen.

Ich beschloss, möglichst schnell zur Sache zu kommen. Die ganze Zeit über ließ ich Faye nicht aus den Augen. Ich wollte schließlich nicht riskieren, dass sie mir entwischte. Noch aber genoss sie es sichtlich, im Mittelpunkt des Interesses gleich eines ganzen Rudels von Reportern zu stehen. »Patsy Dwyer, sagt dir der Name was?«

Brendon starrte einen Moment reglos vor sich hin, dann schüttelte er den Kopf. »Nie gehört.«

»Es heißt aber, dass in den Zeitungen über sie geschrieben wird«, beharrte ich.

»Auf den Sportseiten jedenfalls nicht«, grummelte Brendon. Er lehnte sich zurück und hakte seine mächtigen Daumen in seinen Ho­senträgern ein. Schon wieder wanderte sein Blick zu Faye. »Jetzt ver­rate mir doch endlich, wo und wie du die Kleine aufgegabelt hast. Wirklich ein selten hübscher Käfer.«

»Sie ist ein Auftrag«, ließ ich ihn wissen, mit einem etwas schiefen Grinsen. »Soll ein bisschen auf sie aufpassen. Aber nun überleg doch bitte mal, Patsy Dwyer...«

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»Auf so eine würd ich auch gern mal aufpassen.« Brendon seufz­te. »Und dafür müsste mir nicht mal einer was bezahlen.«

Ein Kollege von Brendon kam vorbei. Wonach er fragte, interes­sierte mich nicht. Alles, was ich im Moment brauchte, war ein Hinweis auf Patsy Dwyer. Und das möglichst schnell - die schöne Faye sah aus, als begänne sie sich allmählich zu langweilen.

»Sie kennen Mistress Dwyer?« Ich begriff gar nicht gleich, dass Brendons Kollege mich ansprach.

Dann dämmerte mir, dass ich endlich einen Schritt weiter war. Er hatte den Namen auf dem Umschlag gelesen, den ich noch immer in der Hand hielt.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, genau das ist mein Problem. Aber Sie scheinen von der Dame schon gehört zu haben?«

Der Typ grinste und wies auf eines der Exemplare der Chicago Tribune, die überall herumlagen. »Schauen Sie doch einfach mal ins Blatt. Seite fünf.«

Natürlich griff ich sofort nach einer Zeitung. Seite fünf war das Feuilleton. Also die Seite, die ich meist überblätterte. Wer kann sich schon für alles interessieren?

An diesem Tag ging es um eine Ausstellung im Art Institute, die demnächst eröffnet werden sollte. Da mich nicht interessierte, welche Bilder gezeigt wurden, überflog ich den langen Artikel nur, in dem sich die Superlative nur so häuften. Ich war einzig auf der Suche nach die­sem Namen. Und endlich wurde ich auch fündig: Patsy Dwyer war die Sekretärin des Museumsdirektors!

»Vielleicht liest du das später«, versetzte mir da Brendon einen leichten Knuff. »Dein blonder Engel scheint leider schon gehen zu wol­len. Wenn du wirklich auf sie aufpassen sollst...«

Ich murmelte einen Fluch, faltete im Aufstehen die Zeitung ir­gendwie zusammen und beeilte mich, meinem Schützling auf den Fer­sen zu bleiben. Hätte Brendon mich nicht daran erinnert, der Umschlag wäre auf seinem Schreibtisch liegen geblieben.

*

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»Finde ich gar nicht nett, dass Sie nicht auf mich warten wollten.« Ich stand in der Eingangshalle, als Faye den Lift verließ. Ich war ihr zuvor­gekommen, weil ich die Treppe benutzt hatte. Deshalb war ich auch noch etwas außer Atem.

Sie tat so, als sei ich Luft. Gute Manieren hatte sie wirklich nicht oder sie hatte sie zu Hause vergessen. Vorsichtshalber nahm ich sie am Arm, um sie nicht noch auf dem Weg zu meinem Wagen zu verlie­ren. »Was mache ich denn nun mit Ihnen? Gehen Sie vielleicht zufällig gern ins Museum?«

Ich dachte noch immer, eventuell zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Andere Touristen schwärmten schließlich für das Art Institute. Außerdem beschlichen mich allmählich gewisse Zweifel. Konnte ich Faye Mellis wirklich Betty überlassen?

»Bloß nicht«, wehrte sie giftig ab. »Ich habe Kopfschmerzen. Und möchte ins Hotel zurück.«

»Ihr Wunsch ist mir selbstverständlich Befehl«, knurrte ich und steuerte den Wagen wieder in Richtung Norden. »Wieso sind Sie ei­gentlich nach Chicago gekommen?«

»Geht Sie das was an?« Nein, sie war wirklich nicht gut erzogen. Aber so, wie sie jetzt die langen Beine übereinander schlug...

Ich müsste mich auf den Verkehr konzentrieren. Wenn sie wirklich Kopfschmerzen hat, überlegte ich mir, wäre das gar nicht schlecht. Betty müsste dann nur ihre Zimmertür gut im Auge behalten. Das dürfte sie ja wohl schaffen. Und ich könnte mich auf den Weg ins Art Institute machen.

Die Hotelangestellten grinsten süffisant, als ich schon wieder vor­fuhr und ihnen noch einmal meinen Plymouth übergab. Ich begleitete Faye bis zur Rezeption, wo sie ihre Schüssel verlangte und sich etwas Leichtes zu essen aufs Zimmer bestellte. Auch bis zu diesem Zimmer begleitete ich sie.

»Hoffen Sie etwa, dass ich Sie mit rein nehme?« Sie fand ein he­rablassendes Lächeln für mich.

»Keine Sorge, ich habe Besseres vor«, erwiderte ich. Vor ihrem Zimmer im zwölften Stock gab es eine Sitzgruppe - der ideale Platz für Betty. »Heute Nachmittag wird sich sowieso meine Assistentin um Sie

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kümmern«, ließ ich sie wissen und grinste dabei ein bisschen. Wie Betty wohl auf diese Beförderung reagieren würde? »Sie haben Betty ja gestern schon kennen gelernt. Mit ihr können Sie dann ja einen Ein­kaufsbummel machen.«

Faye verdrehte die Augen und ließ offen, ob ich das als Zustim­mung nehmen konnte. Dann verschwand sie in ihrem Zimmer. Eine Wolke ihres Parfüms blieb zurück und ließ mich einen Moment verges­sen, wie ich die Wartezeit auf Betty nutzen wollte.

Aber nur einen Moment. Ich setzte mich in einen der weich ge­polsterten Sessel und befasste mich noch einmal mit der Seite fünf der heutigen Tribune. Diesmal las ich den Artikel sorgfältiger. Wie immer, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit so groß war, ging es auch gar nicht allein um Kunst. Im Mittelpunkt stand vielmehr ein Mann namens Wesley Chromwell. Es hieß, er habe in Europa ein Vermögen gemacht und fast alles in Kunst investiert - und zwar in amerikanische Malerei. Alles, was modern, gut und teuer war, fand sich in seiner Sammlung. Und diese war er nun bereit, im Art Institute zu zeigen. Daran lag ihm offenbar sehr viel, denn im Gegenzug hatte er sich bereit erklärt, eini­ge Stücke seiner Sammlung dem Museum zu vermachen.

Darüber war nun Charles Galown, der Direktor des Art Institute, so erfreut, dass er Chromwell in den höchsten Tönen lobte. Vor allem natürlich dessen kunsthistorischen Sachverstand.

Die Ausführungen des Direktors überflog ich wieder. Ein Kellner erschien und brachte Faye das gewünschte Essen. Mein Magenknurren erinnerte mich daran, dass auch ich Hunger hatte. Und nur, um mich davon abzulenken und weil es noch immer ein paar Minuten dauerte, bis ich mit Bettys Eintreffen rechnen konnte, las ich dann doch noch weiter. Edward Hopper, J. M. Whistler, M. Prendergast, W. Homer und noch ein paar andere - ich gebe es zu, diese Namen sagten mir so gut wie nichts, auch wenn sie als Ikonen der modernen Malerei galten. An einer Stelle blieb ich dann aber doch hängen.

Es ging um einen Maler namens J. S. Sargent, von dem es hieß, dass er im europäisch-impressionistischen Stil male. Aber nicht das entlockte mir ein Grinsen. Der Mann befasste sich anscheinend haupt­sächlich mit Porträts und auf die Frage, was das überhaupt sei, ein

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Porträt, wurde er mit folgender Antwort zitiert: »Ein Porträt ist das Bild einer Person, bei der am Mund was nicht stimmt.«

Die Antwort gefiel mir. Anscheinend verfügten auch Maler über ei­nen gewissen Humor. Und wer weiß, wenn ich später in diesem Muse­um war und dort hoffentlich auf Patsy Dwyer stieß - vielleicht würde ich mir sogar so ein Porträt von diesem J. S. Sargent anschauen.

Nun war es erst einmal Zeit, in die Lobby hinunter zu fahren. Ich konnte ja nicht völlig ausschließen, dass Betty einmal pünktlich war.

Sie lehnte tatsächlich schon am Tresen der Rezeption, trommelte mit ihren glutrot lackierten Nägeln auf dem blank polierten Holz herum und tat so, als warte sie bereits eine Ewigkeit. Dabei war es eben erst zwei Uhr.

»So wie Sie grinsen, scheint der Vormittag mit dem blonden Gift ganz nett gewesen zu sein«, begrüßte sie mich schnippisch.

Ich hielt es für überflüssig, ihren Irrtum aufzuklären. Betty hätte es mir sowieso nicht geglaubt, dass es der Ausspruch eines Malers war, der sich so günstig auf meine Stimmung auswirkte. »Miss Mellis hält sich derzeit auf ihrem Zimmer auf.« Ich nannte Betty die Zimmer­nummer. »Und sie ist nicht sonderlich erfreut über unsere Fürsorge. Sie sollten also...«

»Meinen Sie wirklich, ich durchschau so eine nicht?«, fiel Betty mir herablassend ins Wort. »Keine Sorge, Chef, mich lenkt die nicht ab wie gewisse andere Leute.«

Es war klar, dass sie zu diesen anderen Leuten auch mich zählte. Offenbar war Betty davon überzeugt, dass man eine Frau sein müsse, um einem Wesen wie Faye gewachsen zu sein. Mir sollte es recht sein - wenn Betty das nur auch wirklich war! »Machen Sie mit ihr, was Sie wollen. Aber sorgen Sie dafür, dass sie heute Abend um acht wieder hier ist, auf ihrem Zimmer. So verlangt es...«

»Natürlich, der liebe Onkel«!, fiel Betty mir grinsend ins Wort. Ich nickte und wollte nun aufbrechen, aber Betty hielt mich zu­

rück. »Es könnte sein, dass heute Nachmittag Spesen anfallen.« Sie hielt die Hand auf und ich fand, dass fünf Bucks genügen müssten.

Betty schien das auch so zu sehen. Sie lächelte mich jedenfalls richtig freundlich an und dann ließ sie sich auf das Angebot eines Pa­

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gen ein, sie zu Miss Mellis' Zimmer zu bringen. Als ich sah, dass Betty sofort ziemlich hemmungslos mit dem noch sehr jungen Mann zu flir­ten begann, deutete ich das so, dass meine Sekretärin sich offenbar ganz und gar als Herrin der Lage sah. Da konnte ich wohl beruhigt gehen und mich endlich meines Umschlags entledigen. Und vielleicht, wenn ich schon mal im Museum war, sogar einen Blick auf eines der Porträts riskieren.

*

Das Art Institute hätte ich vom Stevens aus mühelos zu Fuß erreichen können. Aber ich wollte die Hotelangestellten nicht noch länger mit der Bewachung meines Plymouth belästigen. Außerdem erinnerte mich mein knurrender Magen daran, dass es Zeit war, etwas zu essen. Und es erschien mir sinnvoll, danach erst einmal im Büro vorbeizugehen. Ganz auszuschließen war es ja nicht, dass sich ein Klient dorthin verirr­te. Und welchen Eindruck machte dann ein unbesetztes Büro? Jeden­falls hatte ich nicht das Gefühl, besondere Eile an den Tag legen zu müssen. Nun wusste ich ja, wo diese Patsy Dwyer zu finden war und wie alle öffentlichen Angestellten musste sie bestimmt bis mindestens fünf Uhr nachmittags arbeiten.

Ich machte mir also ein paar ruhige Stunden und fuhr dann von der Monroe Street die paar Blocks nach Norden. Es dauerte nicht lang, bis ich an einem der Eingänge zum Grant Park eintraf.

Das Museum selbst hatte ich natürlich noch nie besucht und so wunderte ich mich nicht schlecht, wie viele Menschen sich am Eingang drängelten. Die meisten davon waren wie Brendon von der schreiben­den Zunft.

»Warum lässt man uns nicht endlich rein? Die Pressekonferenz hätte doch längst beginnen müssen!«

Ich bahnte mir einen Weg durch den Pulk der Reporter und ent­deckte endlich einen Portier. Breitbeinig und die Arme über der Brust gekreuzt stand er in seiner Livree vor dem Eingang und hielt die Re­porter auf Distanz.

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Das hatte er wohl auch mit mir vor. Erst sagte ich mir, dass es überflüssig sei, mich mit so einem Mann herumzustreiten. Bestimmt hatte Patsy Dwyer bald Feierabend und ich könnte ihr den Umschlag gleich draußen übergeben. Andererseits wusste ich nicht, wie sie aus­sah. Und so aufgeregt, wie die Stimmung hier draußen war, konnte das leicht bedeuten, dass die Angestellten drin heute länger arbeiten müssten.

Also versuchte ich mein Glück. »Ich hab hier was für Miss Dwyer«, ließ ich den Portier wissen.

Er musterte mich von Kopf bis Fuß, mit einem Blick, als habe er nie eine verdächtigere Gestalt gesehen.

»Etwas, das ziemlich wichtig für Patsy sein dürfte«, ergänzte ich und wählte mit voller Absicht den vertraulichen Vornamen.

»Dann geben Sie es mir«, verlangte er, ohne einen Schritt zur Sei­te zu weichen.

»Würde ich ja wirklich gern tun«, versetzte ich. »Aber es ist ein­fach zu wichtig. Deshalb muss ich...«

Vermutlich hätte ich ewig reden können und bei dem Panzer­schrank doch nichts erreicht. Aber mir kam der Zufall zu Hilfe. Die Tür hinter dem Portier öffnete sich, jemand kam heraus und redete eifrig auf ihn ein. Worum es ging, konnte mir egal sein - ich schlüpfte jeden­falls rasch durch die Tür.

Eigentlich hatte ich immer gedacht, in einem Museum würde Stille herrschen. In diesem hier traf das nicht zu. Jede Menge Leute rannten in der großen Eingangshalle herum und aus ihrem Benehmen schloss ich, dass sie alle hier arbeiteten. Auch etliche Handwerker waren dar­unter und alle redeten laut durcheinander. Und wieder kümmerte ich mich nicht darum, was alle so in Erregung versetzte. Nur Patsy Dwyer interessierte mich und so steuerte ich einen Flur an, der nach Verwal­tungstrakt aussah. Ein verhuschtes, schon älteres weibliches Wesen kam mir entgegen, grau die Haare, grau das Kleid, ihr Gesicht war aschfahl.

»Können Sie mir sagen, wo ich Miss Dwyer finde?«, sprach ich sie an.

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Sie richtete ihre kugelrunden, aus irgendeinem Grund völlig ent­setzten Augen auf mich und wies dabei mit der Hand vage hinter sich. Gleich darauf war sie verschwunden. So setzte ich meinen Weg aufs Geratewohl fort. Mit jedem Schritt wurde es stiller und endlich gelang­te ich zu einer Tür, die im Unterschied zu all den anderen halb geöff­net war. Durch den Spalt sah ich gleich links von der Tür eine Kommo­de, dann kam ein Stück Linoleumboden, endlich ein flauschiger Tep­pich in ziemlich grellen Farben. Und darauf lag ein linker Fuß, männ­lich. Das schloss ich hinreichend eindeutig aus dem glänzend polierten schwarzen Schuh sowie aus der ebenfalls schwarzen Socke, die ein bisschen sehr viel weißes Fleisch sehen ließ, weil das Hosenbein an­scheinend hoch gerutscht war.

Mehr als dieses Stillleben ließ mich der Türspalt nicht erkennen. Aber es war gewissermaßen ein so stilles Stillleben, das ich sofort wusste: Wem immer dieser Fuß gehörte, es konnte nur ein toter Mann sein. Das faszinierte mich, zumal an diesem Ort, so sehr, dass ich die Tür aufstieß, ohne auf das Namensschild darauf zu achten.

Sehr weit ließ sich die Tür nicht öffnen, denn der Tote lag gleich hinter ihr auf dem Boden. Sein rechter Fuß war bizarr abgewinkelt, auch der Kopf war merkwürdig verdreht. Das Gesicht schimmerte in einem bläulichen Weiß und seine Augen waren ein schwaches, trübes Schielen unter nicht ganz geschlossenen Lidern. Links auf seiner Stirn war ein dunkler Fleck, der gegen das Weiß der Haut abstach.

»Da sind Sie ja endlich!«, sprach mich eine Frau an, die in einiger Entfernung von dem Toten stand, kalkweiß im Gesicht, ansonsten eine ganz adrette Erscheinung mit sorgfältig frisiertem kastanienbraunem Haar. Sie trug ein Kostüm aus dunkelblauem Wollgeorgette zu einer weißen Bluse. Alles in allem wollte sie wohl möglichst zugeknöpft aus­sehen, aber sie hatte doch eine ganz gute Figur.

»Ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen.« Ich schob die Tür wieder etwas zu und stieg über den Toten hinweg. »Ich bin nicht von der Polizei. Ich will eigentlich nur was abgeben. Sie sind nicht zufällig Patsy Dwyer?«

»Doch!« Sie schrie leise auf und machte einen Schritt rückwärts, die Hände in ängstlicher Abwehr erhoben. »Was wollen Sie? Ich mei­

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ne, wenn Sie nicht von der Polizei sind... Genügt Ihnen das nicht?« Sie streckte eine zitternde Hand nach dem Toten aus.

»Damit hab ich auch nichts zu tun«, versuchte ich sie zu beruhi­gen. Ich zog den Umschlag aus meiner Jackettasche. Er war schon reichlich zerknittert. »Jack Philley, der Name müsste Ihnen doch etwas sagen?«

Sie starrte abwechselnd auf mich und den Toten. Offenbar stand sie unter Schock. Ich ging zu ihr und fasste sachte nach ihrem Arm. Dann zog ich sie durch eine offene Tür in ein angrenzendes Zimmer. Sie leistete keinerlei Widerstand. Aus der Art, wie sie sich auf den Stuhl am Schreibtisch sinken ließ, folgerte ich, dass dies ihr Arbeits­platz war. Sie beruhigte sich auch prompt etwas und in ihr Gesicht kehrte die Farbe zurück. Gleich darauf begann sie zu reden, sehr leise und schnell.

»Ich war doch gar nicht lange weg! Und als ich zurückkam... Mis­ter Galown wollte noch einen Kaffee. Wir wollten noch die letzten De­tails für die Pressekonferenz besprechen. Aber als ich zurückkam... Nein, ich begreife das einfach nicht! Wie konnte das geschehen? Und dann auch noch ausgerechnet heute...«

Sie verstummte abrupt und starrte mich an, als könnte ich ihr eine Antwort geben.

»Der Name Philley sagt Ihnen doch bestimmt was«, versuchte ich mein Glück noch einmal. Sosehr ich ihre Aufregung wegen des Toten nebenan auch verstand, ich hatte nichts damit zu tun. »Und wenn nicht der, dann vielleicht Pete Dolphin?« Ich fächelte mir, ohne es gleich zu bemerken, etwas Luft mit dem Umschlag zu. Es war ziemlich stickig hier drin.

Sie schien mich noch immer nicht zu hören. Oder sie war im Mo­ment einfach an anderem interessiert. »Was meinen Sie, ob der Direk­tor erschossen wurde?« Sie brachte die Worte nur flüsternd über die Lippen.

»Wenn das nebenan der Direktor ist, dann würde ich sagen - ja.« Ich nickte ein paar Mal.

»Aber wer tut so etwas? Und wieso ist die Polizei noch nicht hier? Ich hab doch sofort angerufen!«

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Was Letzteres betraf, verrieten gleich mehrere Sirenen, dass sie nicht länger warten müsste.

»Endlich!« Sie sprang auf und verließ den Raum durch ein Zim­mer, durch das man direkt auf den Flur kam, ohne das Zimmer des Direktors passieren zu müssen.

Ich verstand ja, dass ich nicht eben in einem günstigen Moment kam. Natürlich hatte Patsy Dwyer jetzt andere Sorgen, als diesen Um­schlag entgegenzunehmen. Einen kurzen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, ihn einfach auf ihrem Schreibtisch zu deponieren und mich dann unauffällig aus dem Kunsttempel zu entfernen. Ich verspür­te kein Bedürfnis, Captain Hollyfield oder gar seinem dümmlichen Adla­tus Lieutenant Quirrer zu begegnen.

Aber ich entdeckte einfach keinen freien Platz auf dem Schreib­tisch, da stapelte sich jede Menge Papier, vor allem Listen voller Zah­len. Und dann erschien es mir auch, dass Patsy Dwyer doch irgendwie eine ganz interessante Person war - auch ich lernte nicht alle Tage jemanden kennen, der entsetzt hinter einer Leiche stand. Außerdem hatte sie so gleichgültig auf die Namen Philley und Dolphin reagiert, dass ich mir gar nicht sicher sein konnte, wirklich die richtige Patsy Dwyer vor mir zu haben. Es schien mir jedenfalls besser, das dem­nächst noch einmal zu klären und zwar von Angesicht zu Angesicht.

So weit war ich ungefähr, als die zum Flur führende Tür wieder aufgerissen wurde - und Quirrer vor mir stand, mit gezücktem Revol­ver. Wen immer er erwartet haben mochte, mich garantiert nicht. Und so sah er noch etwas dümmlicher drein als sonst. »Connor, Sie? Haben Sie etwa...?«

»Hören Sie mit dem Unsinn auf«, fiel ich ihm ins Wort. »Natürlich habe ich nicht! Und wenn Sie nun die Freundlichkeit hätten, beiseite zu treten? Ich wollte nämlich gerade gehen.«

»Und ich habe Order, niemanden vom Tatort entkommen zu las­sen!«, bellte er in seiner tölpelhaft beflissenen Manier.

»Quirrer, was ist denn los?«, ertönte nun der Bass seines Vorge­setzten. Hollyfield füllte fast die ganze Türöffnung aus - gute hundert­zehn Kilo, verteilt auf imposante ein Meter neunzig.

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Quirrer fuchtelte noch einmal mit seinem Revolver herum, dann sah er endlich ein, wie überflüssig das war.

»Wie kommen Sie hierher, Connor?«, sprach Hollyfield mich an. »Reiner Zufall«, beteuerte ich. »Und eigentlich wollte ich auch

schon längst wieder weg sein.« »Dann tun Sie das, möglichst sofort«, knurrte Hollyfield. »Und Sie,

Quirrer, sichern erst einmal den Tatort. Und sorgen dafür, dass hier keiner mehr reinkommt, kapiert?«

Natürlich gefiel es Quirrer nicht, so angeraunzt zu werden, wäh­rend ich noch dabei war.

*

Als ich dann wieder im Auto saß und zurück ins Büro fuhr, fiel mir auf, wie absurd mein Abstecher ins Museum verlaufen war. Da hatte ich doch tatsächlich vorgehabt, mir bei der Gelegenheit ein oder zwei Bil­der anzuschauen - und stattdessen hatte ich eine Leiche erblickt. Wäre das beispielsweise einem Autohändler ebenfalls passiert? Oder lag es an meinem Beruf, dass ich einen Ort der Kunst ausgerechnet in dem Moment betrat, in dem dort ein Verbrechen geschehen war?

Doch ich hielt dieses Detail eher für einen Zufall. Mehr beschäftig­te mich die Frage, was um alles in der Welt dieser Umschlag enthalten mochte, den anscheinend kein Mensch haben wollte? Trug ich ihn nun nicht schon lange genug mit mir herum, um ihn endlich zu öffnen? Sobald ich im Büro war, würde ich mir den Inhalt ansehen. Mit ein bisschen Wasserdampf ließ es sich leicht bewerkstelligen.

Das Ergebnis war insofern dürftig, als der Umschlag tatsächlich nur ein einziges Blatt Papier enthielt. Dieses allerdings war dicht be­schrieben, mit nichts als Zahlen und ein paar Buchstaben dazwischen. Nichts, was mir irgendetwas sagte. Oder doch?

Vielleicht kam ich deshalb nicht gleich darauf, weil es erst so kurze Zeit zurücklag - und weil sich das Bild des toten Museumsdirektors auch bei mir über alles mögliche andere geschoben hatte. Aber endlich fiel es mir doch wieder ein. Hatten nicht auf Patsy Dwyers Schreibtisch ganz ähnliche Listen gelegen? Anscheinend waren diese Zahlen in ih­

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rem Beruf von irgendeiner Bedeutung. Fragte sich nur, weshalb einer, der eben aus dem Knast kam, ihr solch eine Liste zustellen ließ.

Aber was ging mich das überhaupt an? Ich stieß einen leisen Fluch aus und spielte für einen Moment mit dem Gedanken, die Liste samt Umschlag einfach in den Papierkorb zu werfen. Wirklich verpflichtet war ich Dunky schließlich nicht. Und hatte ich nicht schon mehr als genug getan, um den Brief loszuwerden?

Während ich mir eine weitere Lucky ansteckte, kam mir noch ein­mal der tote Museumsdirektor in den Sinn. Und dass es irgendwie ja doch ein verdammt merkwürdiger Zufall war, dass ich ihn noch vor der Polizei gesehen hatte. Was, wenn das irgendwie doch mit diesem Um­schlag zusammenhing? Ich brachte ihn jedenfalls wieder in seinen ur­sprünglichen fest verschlossenen Zustand und beschloss, dass es nun an der Zeit für einen guten Schluck sei. Was sprach dagegen, wenn ich mir den bei Dunky genehmigte? Und dabei gleich noch mal ein biss­chen auf den Busch klopfte?

Ich war bereits wieder in Hut und Mantel, als die Tür aufging und eine wüst schimpfende Betty eintrat. Es war schon erstaunlich, was für Flüche sie kannte und wie hemmungslos sie sie gebrauchte.

Worum es ging, war nicht schwer zu erraten. Ich wartete, bis sie endlich einmal innehielt und nach Luft schnappte. »Das hübsche Vö­gelchen ist Ihnen also davongeflogen?«

Wieder folgte erst einmal eine Reihe wüster Beschimpfungen, be­vor sie zur Sache kam. »Sie hat sich Tee bringen lassen. Als der Kell­ner ihr Zimmer betrat, dachte ich, es sei ein günstiger Moment, um mal eben in den Waschräumen zu verschwinden. Als ich zurückkam, ging ich natürlich davon aus, sie trinke jetzt ihren Tee. Aber Pusteku­chen!« Wieder folgte eine Kanonade von Flüchen.

»Wie haben Sie es denn bemerkt?«, fragte ich und konnte mir ein leicht süffisantes Grinsen nicht verkneifen. War die gute Betty nicht absolut überzeugt gewesen, der perfekte Babysitter für Faye Mellis zu sein?

»Ein Page ist gekommen«, beichtete sie zerknirscht. »Mit irgend­einer Nachricht für sie. Aber da war sie schon weg.«

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»Tja, dumme Sache.« Ich seufzte. »Was machen wir denn nun? Um acht Uhr wird Ben Warden im Hotel sein - und ganz und gar nicht erfreut, wenn er seine Nichte nicht antrifft.«

Betty sagte kein Wort mehr. Noch nie hatte ich sie so schuldbe­wusst ihre Fingernägel betrachten sehen.

»Sieht so aus, als hätten wir beide den blonden Engel unter­schätzt«, bemerkte ich. Obwohl das in erster Linie natürlich auf mich zutraf, schließlich bezahlte ich Betty nur als Sekretärin.

Sie war so zerknirscht, dass ihr sogar die fünf Dollar wieder einfie­len, die sie sich in Erwartung etwaiger Spesen von mir hatte geben lassen. Sie kramte sie aus ihrer Handtasche heraus und legte sie auf meinen Schreibtisch. Jetzt tat sie mir fast schon Leid.

»Jeder macht mal einen Fehler«, versuchte ich sie zu trösten. »Ich werde um acht im Stevens sein und mit Ben Warden reden. Vielleicht liegt das Problem ja in erster Linie bei ihm. Schließlich ist Faye Mellis kein Kind mehr.«

Als ich den Namen unseres Schützlings aussprach, verdüsterte sich Bettys Miene und es sah so aus, als würden ihr noch ein paar nicht eben freundliche Bezeichnungen für diese junge Dame einfallen. Dann aber schluckte sie sie doch hinunter. Sie setzte sich an ihren Platz und nahm sich endlich all jene Schreibarbeiten vor, an die ich sie schon seit Tagen erinnerte.

So hatte auch ihr schlechtes Gewissen sein Gutes, sagte ich mir. Am besten, ich störte sie nicht weiter. Dunky fiel mir wieder ein, der ominöse Umschlag sowie mein Bedürfnis nach einem Schluck. Als ich das Büro verließ, hämmerte Betty wild auf der Schreibmaschine her­um.

*

Meine Fahrt zu Dunky dauerte länger als gedacht. Die Polizei hatte ganze Straßenzüge abgesperrt, aber an mir war man anscheinend nicht interessiert. Ein Polizist steckte nur eben kurz seinen Kopf in mein Auto, dann winkte er mich durch. Natürlich ließ er sich nicht ent­locken, nach wem da so aufwendig gefahndet wurde. Aber ich sagte

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mir, dass so ein Museumsdirektor den Aufwand vermutlich schon wert war.

Wie immer, wenn es in der Stadt unruhig war, konnte Dunky über durstige Kundschaft nicht klagen. Ich zwängte mich an den Tresen durch und legte wie üblich gleich ein paar Münzen auf den Tisch. Dun­ky füllte mir sofort ein Glas, aber er schien nicht mit mir reden zu wol­len. Deshalb sprach ich ihn an, als er mir das Glas zum zweiten Mal füllte. »Ist gar nicht so leicht, den Postboten zu spielen.«

Er verzog keine Miene. Erst führte ich es darauf zurück, dass schon wieder neue Gäste eintrafen. Natürlich musste er da ans Ge­schäft denken. Als es etwas ruhiger wurde, unternahm ich einen neu-en Versuch. »Ist wirklich komisch. Keiner ist wirklich interessiert an dem Umschlag.« Ich nahm ihn so eisern ins Visier, dass er reagieren musste.

»Umschlag? Was denn für 'n Umschlag?«, nuschelte er.

»Hm«, machte ich. »Pete Dolphin hat erst mal behauptet, die Dame gar nicht zu kennen. Und Patsy Dwyer war dann so sehr mit anderem beschäftigt, dass sie...«

»Ich versteh kein Wort«, unterbrach mich Dunky.

Danach vermied er es, sich in meiner Nähe aufzuhalten. Okay, das konnte Zufall sein, immer mehr Leute drängelten sich in der Kneipe. Und außerdem, sagte ich mir, war es bestimmt kein günstiger Moment gewesen, um Patsy Dwyer zu erwähnen. Denn immerhin war ihr Chef ermordet worden. Nur zu verständlich, dass Dunky da lieber von nichts etwas wissen wollte.

Aber als ich die Kneipe nach dem dritten Glas verließ, hatte sich in meinem Hinterkopf ein Verdacht eingenistet. Zugegeben, eigentlich war es mehr ein Gefühl. Aber eins von der Sorte, das mich noch selten getrogen hat. Ich hielt es jedenfalls für immer weniger unwahrschein­lich, dass es zwischen dem Umschlag, der sich noch immer in meinem Besitz befand und dem so plötzlichen und gewaltsamen Ableben des Museumsdirektors womöglich doch einen Zusammenhang gab. Es konnte kein Fehler sein, das im Kopf zu behalten, nahm ich mir vor.

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Darm fuhr ich ins Stevens. Ich hoffte, noch vor Ben Warden dort zu sein. Dass mir seine hübsche Nichte entwischt war, konnte er mir natürlich vorwerfen. Aber nicht, dass ich kneifen würde.

Ich machte mich auf eine nicht eben erfreuliche Auseinanderset­zung mit ihm gefasst. Aber wen erblickte ich, als ich die Lobby des Hotels betrat? Die schöne Faye, vertieft in ein anscheinend höchst an­geregtes Gespräch mit Betty, meiner Sekretärin!

Als Betty mich sah, kam sie sofort herüber. »So furchtbar viel war ja nicht zu tun im Büro«, begann sie. »Und außerdem wollte ich das einfach nicht auf mir sitzen lassen. Und ich hab mir gesagt, dass schließlich keiner so spurlos verschwindet. Schon gar nicht jemand wie Faye.«

»Sie scheinen sich inzwischen ja mit ihr angefreundet zu haben«, stellte ich mit unverhohlener Ironie fest.

»So würde ich das nicht nennen«, verbesserte Betty sofort. »Ich halte sie nach wie vor für eine verwöhnte Zicke. Eine, der nicht zu trauen ist. Aber wo es nun mal ein Auftrag ist...« Sie warf den Kopf mit den wasserstoffblonden Haaren in den Nacken und zwinkerte mir kumpelhaft zu. »Und ein bisschen was für Spesen wäre auch nicht schlecht. Ist Ihnen doch recht, wenn ich mich morgen Vormittag um sie kümmere?«

So wechselten die fünf Dollar noch einmal den Besitzer. Ich be­hielt den Eingang im Auge. Es war inzwischen acht Uhr, eigentlich hät­te jetzt jeden Moment Ben Warden eintreffen müssen. Jedenfalls hatte er das angekündigt.

»Ich geh wieder zu ihr«, ließ mich Betty wissen. »Und bespreche mit ihr, wie wir das morgen machen. Sie sagt, sie würde gern einkau­fen gehen.«

»Tun Sie das«, stimmte ich zu. Eine halbe Stunde wartete ich noch. Aber Warden ließ sich nicht

blicken. War seine Sorge um die schöne Nichte etwa doch nicht so groß? Als Betty sich von Faye verabschiedete und Letztere auf ihr Zimmer ging, sah auch ich keinen Grund mehr, hier noch länger aus­zuharren.

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Noch von zu Hause aus telefonierte ich am nächsten Morgen mit Patsy Dwyer. Der Stimme nach schien sie sich wieder halbwegs gefasst zu haben. Aber sie erinnerte sich nicht an mich. Ich nannte ihr meinen Namen. »Ich bin der, den Sie für einen Polizisten gehalten haben«, half ich ihrem Gedächtnis auf die Sprünge.

Sie schwieg einen Moment. »Richtig. Sie wollten mir etwas geben. Ich war leider nicht in der Verfassung, um...« Sie seufzte halb unter­drückt.

»Das verstehe ich gut, Madam«, versicherte ich ihr. »Deshalb rufe ich jetzt ja auch an. Ich möchte nicht noch einmal ungelegen kommen. Passt es Ihnen, wenn ich jetzt gleich im Museum vorbeischaue?«

Wieder dauerte es einen Moment, bis sie antwortete. »Lieber nicht hier«, sage sie dann. »Hier herrscht ja noch immer das blanke Chaos. Aber wie wäre es in dem Teesalon, gleich neben dem Blackstone Ho­tel? Ich könnte in einer halben Stunde dort sein.«

Ich war einverstanden und nach einer zweiten Tasse Kaffee sowie ein paar Zigaretten fuhr ich los. Ich traf vor Patsy Dwyer in dem Tee­salon ein. Der Gegend entsprechend ging es ziemlich elegant zu, die Gäste bestanden größtenteils aus Touristen. Miss Dwyer schien hier keine Fremde zu sein, wie ich aus der Begrüßung des Doorman schloss. Sie wirkte heute nicht ganz so zugeknöpft, auch war sie nicht so blass wie am Tag zuvor. Sie sah sich um, erkannte mich dann im­merhin wieder und kam mit ziemlich energischen Schritten an meinen Tisch.

»Tut mir Leid, dass Sie meinetwegen solche Umstände haben«, bemerkte sie und reichte mir eine sehr gepflegte Hand. Schon wäh­rend sie sich setzte, holte sie ein silbernes Zigarettenetui aus ihrer Handtasche. Ich gab ihr Feuer. »Aber Sie haben ja selbst gesehen, was gestern bei uns im Museum los war. Der arme Mister Galown.« Sie inhalierte den Rauch ihrer Zigarette sehr tief.

»Ist die Polizei inzwischen schon zu einem Ergebnis gekommen?«, erkundigte ich mich.

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Sie seufzte und zog die Schultern hoch. »Selbst wenn, die sagen einem ja nichts.«

Ein Kellner kam und erkundigte sich nach unseren Wünschen. Ich überließ es Patsy Dwyer, sich für eine der vielen Teesorten zu ent­scheiden, die hier angeboten wurden. Davon verstand ich nichts. Da­nach wechselte sie das Thema. »Sie wollten mir etwas überbringen?«

Ich nickte und legte den Umschlag auf den Tisch. Aber ich ließ meine Hand darauf liegen. Ein paar Dinge hätte ich von der Lady schon noch gerne gewusst. »Es erstaunt mich etwas, dass Sie in Kon­takt zu jemandem stehen, der im Gefängnis war.« Ich schaute ihr di­rekt in die dunkelbraunen Augen. »Zu jemand, der Philley heißt und es sehr eilig hatte, Chicago zu verlassen.«

Sie blinzelte kurz, hielt meinem Blick aber stand. »Das ist der Sohn einer Bekannten«, sagte sie dann. »Er ist eigentlich kein schlechter Kerl. War nur mit den falschen Leuten zusammen. Und ich hab mich halt ein bisschen um ihn gekümmert. Außerdem...«

Sie stockte, denn nun wurde uns der Tee gebracht. Mit mehreren Sorten Zucker, Milch, auch Zitrone und alles in silbernem Geschirr ser­viert. Man veranstaltete hier eine richtige Zeremonie rund um das bräunlich gefärbte Wasser.

»Ich war nicht immer die Frau, die ich heute bin«, fuhr Patsy dann fort. »Es war harte Arbeit nötig und auch ein bisschen Glück, um Mis­ter Galowns Sekretärin zu werden.« Sie betrachtete jetzt unentwegt den Umschlag. »Wieso sollte ich da anderen nicht gelegentlich ein bisschen behilflich sein?«

Ich nickte. »Und was ist mit Pete Dolphin? Wieso ist der so schlecht auf Sie zu sprechen?«

Sie errötete flüchtig. »Ach, der wird einfach nicht damit fertig, dass ich ihm den Laufpass gegeben habe«, murmelte sie. »Aber was hätte ich denn mit ihm schon für ein Leben gehabt? Die Zeiten sind hart, da muss jeder sehen, wo er bleibt.«

Sie war eine seltsame Frau, fand ich. Denn einerseits sprach sie erstaunlich offen über ihre privaten Verhältnisse. Andererseits hatte ich das Gefühl, dass sie das nur tat, um von etwas anderem abzulenken.

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Womöglich davon, dass sie mehr als nur die Sekretärin des Museums­direktors gewesen war?

»Und wie wird das nun weitergehen für Sie?«, fragte ich sie. »Ich meine, wo Ihr Chef ja nun tot ist.«

Als sie wieder nach einer Zigarette griff, zitterte ihre Hand etwas. »Hab keine Ahnung, was nun werden wird. Überhaupt, wenn ich an Mister Chromwell denke...« Sie stockte und zog gierig an ihrer Zigaret­te.

Dank meiner Zeitungslektüre erinnerte ich mich, dass Chromwell dieser Sammler war. »Was wird denn nun aus der Ausstellung?«

»Tja, gute Frage.« Patsy Dwyer stieß ein hektisches Lachen aus. »Heute sollte sie ja eröffnet werden. Gegen Mittag erwarte ich Mister Chromwell. Ich fürchte, er weiß noch gar nicht, was geschehen ist. Er lebt nämlich ziemlich abgeschieden und hat all die Schrullen, die man reichen Leuten so zuschreibt. Er wird toben.«

»Weil Mister Galown tot ist?«, fragte ich verwundert. »Weil nun aus der Ausstellung nichts werden kann«, verbesserte

mich Patsy Dwyer. Dann schaute sie auf ihre Uhr. »Ich müsste allmäh­lich zurück ins Museum.«

Sie gab dem Kellner ein Zeichen, aber ich bestand darauf zu be­zahlen. Und nun schob ich ihr endlich auch den Umschlag zu. Sie ließ ihn sofort in ihrer Handtasche verschwinden. Was immer die Ziffern und Buchstaben auf dem Papier, das er enthielt, bedeuten mochten - es war offenbar wichtig für sie. Aber ich konnte ihr ja nicht gut sagen, dass ich den Inhalt kannte. Das Gekritzel blieb also ein Rätsel für mich.

»Ich begleite Sie noch ein Stück«, schlug ich vor, als wir das Lokal verlassen hatten. Bislang war das Gespräch mit ihr so unergiebig ge­wesen, dass ich hoffte, ihr doch noch etwas entlocken zu können. Das Dumme war nur, dass ich selbst nicht wusste, was es überhaupt sein könnte.

Ihr schien meine Begleitung nicht unbedingt angenehm zu sein. Sie ging jedenfalls sehr schnell und sie ließ sich auf kein Gespräch mehr ein. Trotzdem endete diese Begegnung für mich noch mit einer Überraschung. Als wir nämlich vor dem Museum eintrafen, vor dem auch an diesem Morgen etliche Polizeifahrzeuge parkten, fuhr dort ein

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Wagen vor. Ich staunte nicht schlecht, als aus dem Fond ausgerechnet Ben Warden ausstieg, mein derzeit einziger Auftraggeber.

»Was will der denn hier?«, entfuhr es mir unwillkürlich. Patsy Dwyer strich sich mit der Hand durchs Haar und setzte ein

offizielles Lächeln auf. »Mister Warden ist der juristische Berater von Mister Chromwell.« Die Information rutschte ihr wohl nur so heraus und war ihr gleich darauf unangenehm. Denn natürlich ging mich das gar nichts an. »Also, einen guten Tag!« Sie wollte mich jetzt wirklich loswerden.

Nun aber hatte Warden mich entdeckt. Stirnrunzelnd und mit die­sem leisen Zucken um den linken Mundwinkel kam er auf uns zu. »Sie hier, Mister Connor? Habe ich Ihnen nicht einen gewissen Auftrag er­teilt?«

Ich blieb stehen, Patsy Dwyer ging auf Warden zu. Vielleicht verlor Warden deshalb das Interesse an mir. Gleich darauf wandten mir je­denfalls alle beide den Rücken zu. »Stimmt das denn?«, hörte ich Warden aufgeregt fragen. »Alle Bilder sind weg?«

Was Patsy Dwyer antwortete, konnte ich nicht verstehen. Aber ich sah, dass sie nickte.

Dann verschwanden beide im Museum und ich ging ziemlich nachdenklich zu meinem Wagen zurück. Vom Mord an Charles Galown berichteten sämtliche Zeitungen an diesem Morgen. Aber nirgends war davon die Rede, dass Wesley Chromwells wertvolle Gemäldesammlung verschwunden war. Natürlich lag da die Vermutung nahe, dass Ga­lowns Tod damit etwas zu tun hatte. Fragte sich nur was. Ob Brendon vielleicht mehr wusste? Auf meinem Weg zurück ins Büro machte ich einen kleinen Umweg zur Chicago Tribune.

*

Ich fand Brendon in der hauseigenen Kantine, wo er ziemlich schlecht gelaunt über einer Tasse Kaffee brütete. »Bloß weil die den Kerl vom Museum umgelegt haben, wird jetzt wieder mit Platz für Sport geknau­sert«, klagte er mir sein Leid. »Dabei herrscht Nachrichtensperre. Es gibt also gar nichts weiter zu schreiben, außer dass er tot ist.«

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»Hab zufällig aufgeschnappt, was der Grund für das Loch in sei­nem Kopf sein könnte«, bemerkte ich beiläufig. »Anscheinend sind sämtliche Gemälde verschwunden, die in der Ausstellung als Leihgabe gezeigt werden sollten.«

Brendon nickte nur, anscheinend war das für ihn nichts Neues, Nachrichtensperre hin oder her. »Bilder im Wert von Millionen«, brummte er. »Kannst du dir das vorstellen? Ich meine, dass jemand so viel Geld rausrückt für eine mit Farbe beschmierte Leinwand?«

Deswegen etwa die Razzien gestern?, überlegte ich. Hoffte die Po­lizei etwa, die verschwundenen Bilder zu finden? »Das wird ja dann wohl ein Fall für die Versicherung«, sagte ich laut.

»Davon kannst du ausgehen.« Brendon nickte. »Aber wieso klaut jemand solche Gemälde?«, überlegte ich laut.

»Die sind doch garantiert so bekannt, dass kein Hehler sie abnimmt.« »Was fragst du da mich? Meiner Ansicht nach sind das alles Irre.«

Brendon lachte grimmig. »Ich geh jetzt zurück in die Redaktion. Viel­leicht kann ich dem Chef vom Dienst doch noch klarmachen, dass mir ein Zehnzeiler nicht genügt.«

Ich beschloss, Brendon zu begleiten. Vielleicht konnte ich ja von einem seiner Kollegen vom Feuilleton noch etwas mehr erfahren.

Aber meine Hoffnungen wurden enttäuscht. Es kam schließlich nicht allzu oft vor, dass es so spektakuläre Nachrichten im Feuilleton gab. Da wollte man mir, einem Außenseiter, natürlich keine Einzelhei­ten verraten. Alle verschanzten sich hinter der Nachrichtensperre, die Hollyfield verhängt hatte. Ich bat Brendon, doch vielleicht ein bisschen die Ohren zu spitzen - auch wenn ich kaum erwartete, dass er das tun würde.

Dann ging ich und traf im Büro zusammen mit Betty ein. Das hatte ich nicht erwartet. »Ist Ihnen die schöne Faye etwa schon wieder ab­handen gekommen?«

Sie warf einen ziemlich verächtlichen Blick auf mich. »Momentan kümmert sich ihr angeblicher Onkel um sie«, ließ sie mich wissen. »Ben Warden speist mit ihr.«

Ich wunderte mich etwas. Warden nahm sich für ein Mittagessen mit seiner Nichte Zeit? Wo er doch an diesem Morgen erst vom Ver­

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schwinden der Bilder erfahren hatte und jetzt eigentlich mit der Versi­cherung reden müsste, als Chromwells Berater?

Betty schien sich nicht setzen zu wollen, auch ihren Hut legte sie nicht ab. »Beim Essen hätte ich natürlich gestört«, bemerkte sie grin­send. »Aber demnächst muss ich wieder im Hotel sein.«

»Der Job scheint Ihnen allmählich ja richtig Spaß zu machen.« Ich zündete mir eine Lucky an.

Betty überhörte die Bemerkung. »Ich bin in der Nähe geblieben, als Warden und Faye ihren Aperitif getrunken haben. Ein bisschen was hab ich mithören können.«

»Und das wäre?« Ich fand, dass Betty sich etwas zu wichtig machte.

»Ich nehme doch an, Sie haben schon Zeitung gelesen«, versetzte sie reichlich spitz. »So ein toter Museumsdirektor wirbelt natürlich mächtig viel Staub auf. Irgendwie scheint Warden mit dem zu tun ge­habt zu haben.«

»Nicht mit ihm, mit Wesley Chromwell, dem Besitzer der Samm­lung«, verbesserte ich. Betty sollte sich bloß nicht zu viel einbilden.

Sie sah mich kurz an. »Na, das wird ja wohl aufs Gleiche hinaus­laufen«, meinte sie dann. »Ich hab jedenfalls gehört, wie er Faye er­zählt hat, dass alle Bilder verschwunden sind. Alle - bis auf eines.«

Da hatte mir Betty nun doch eine Information voraus, wie ich ver­blüfft feststellen musste. Ich gab mir Mühe, es sie möglichst nicht merken zu lassen.

»Es ist aber kein besonders wertvolles«, fuhr sie fort. »Der Typ, der es gemalt hat, heißt Edward Hopper. Nicht mehr ganz jung, aber noch am Anfang seiner Karriere.«

»Seit wann verstehen Sie was von Kunst?«, blaffte ich sie an. »Bitte, wenn Sie das nicht interessiert!« Betty gab sich beleidigt.

»Dabei bin ich nur deswegen hierher gekommen. Finden Sie das nicht komisch? Warden ist Jurist, das sind doch eigentlich immer verschwie­gene Leute. Außerdem herrscht Nachrichtensperre. Wieso tischt er dann all diese Einzelheiten ausgerechnet seiner angeblichen Nichte auf?«

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Ich musste im Stillenzugeben, dass Betty mit dieser Frage einige Intelligenz bewies. Vielleicht sollte ich mich allmählich doch selbst mit Faye Mellis befassen. Ich erinnerte Betty daran, dass sie nur halbtags für mich arbeitete. »Ich fahre gleich selbst ins Stevens.«

»Aber jetzt wird es doch gerade interessant!«, protestierte sie. »Eben drum«, knurrte ich. »Sie haben jetzt Feierabend. Und sind

hier meines Wissens als Sekretärin engagiert.« Bevor sie widerspre­chen konnte, verließ ich das Büro. Schließlich wollte ich nicht zu spät ins Stevens kommen und auf dem Weg dorthin wollte ich auch noch eine Kleinigkeit essen.

Ich saß schon halb im Wagen, als mich plötzlich jemand ansprach. Es war Pete Dolphin, der Buchmacher. »Haben Sie Patsy gesehen?« Er sah erbärmlich aus und seine Stimme erinnerte an das Jaulen eines Hundes.

Ich nickte und ließ den Motor an. »Wie geht es ihr?«, wollte er wissen. »Ich meine jetzt, wo doch

ihr Chef... Ich könnte mir vorstellen... Also wenn sie möchte, ich mei­ne, sagen Sie ihr doch...« Er verstummte.

Zum Glück, wie ich fand. Denn es tat mir richtig weh, einen er­wachsenen Mann derart hündisch leiden zu sehen. Ob eine Frau wie Patsy Dwyer das wert war? Überhaupt eine Frau? »Sie kommt be­stimmt nicht zu Ihnen zurück.« Ich musste fast schreien, um den Mo­tor zu übertönen. Aber ob meine Worte auch in die Gehörgänge des Buchmachers gelangten?

Er trat immerhin einen Schritt beiseite und ich konnte endlich wenden. Im Rückspiegel sah ich Dolphin noch eine ganze Weile. Mit hängenden Schultern stand er da und starrte mir nach.

*

Um niemanden in Verlegenheit zu bringen, parkte ich meinen Ply­mouth schon einen Block vor dem Stevens. Bei dem schönen Wetter sprach nichts gegen einen kleinen Spaziergang. Ich hatte das Hotel schon fast erreicht, als mir Hollyfield entgegenkam. Wieder einmal wunderte er sich, mich zu sehen. »Da leben an die drei Millionen Men­

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schen in dieser Stadt, Connor. Wieso eigentlich laufen Sie mir da dau­ernd über den Weg?«

Ich vermutete, dass er mit Ben Warden gesprochen hatte und da er anscheinend gut gelaunt war, sprach ich den Leiter der Mordkom­mission auch ganz direkt darauf an. »Verdächtigen Sie etwa diesen Anwalt?«

Hollyfield winkte grinsend ab. »Seit wann weihe ich Sie in laufen­de Ermittlungen ein?«

»Ehrlich gesagt, kann ich nicht erkennen, dass Warden ein Motiv haben sollte«, blieb ich hartnäckig beim Thema. »Er ist Chromwells Berater und dürfte als solcher ein erhebliches Interesse daran gehabt haben, dass die Ausstellung gezeigt wird. Hab mir sagen lassen, dass so eine Ausstellung in einem Museum den Wert eines Gemäldes ganz schön erhöhen kann.«

»Was Sie nicht sagen!« Hollyfield grinste breit. Dann näherte sich ein Polizeiwagen, am Steuer erkannte ich Quirrer. Anscheinend hatte Hollyfield ihn losgeschickt, um den Wagen zu holen. »Aber wenn es Sie beruhigt - meine Unterredung mit Warden war nichts als Routine.« Er tippte sich flüchtig an den Hut, dann stieg er in den Wagen. Quirrer hatte bereits beflissen die Tür für seinen Chef aufgerissen.

Nicht allzu rasch setzte ich meinen Weg fort. Schließlich konnte ich davon ausgehen, dass Warden noch mit seiner Nichte zusammen war. An der Rezeption erfuhr ich, dass beide tatsächlich noch im Speisesaal waren. Ich trat in den großen, rundum verspiegelten Raum und ent­deckte die beiden an einem Tisch ganz in der Nähe des Eingangs.

Sobald Warden meiner ansichtig wurde, sprang er auf. »Lobenswert, dass Sie sich endlich selbst um meine Nichte küm­

mern. Ihrer Assistentin fehlen eindeutig gewisse Umgangsformen.« Ich kam gar nicht dazu, etwas zu entgegnen, so eilig verschwand

er nun. Also wandte ich mich an die schöne Faye. »Sie haben sich be­schwert über meine Assistentin?«

»Gouvernanten konnte ich noch nie leiden«, versetzte sie prompt und blies einen Rauchkringel in die Luft. »Auch dann nicht, wenn sie männlich sind.«

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Ich begriff, dass das auf mich gemünzt war. »Tut mir Leid, aber das müssen Sie mit Ihrem Onkel regeln. Wenn er es für notwendig hält...«

»Schon gut.« Sie drückte ihre Zigarette aus und stand auf. »Kön­nen wir dann aufbrechen? Ich möchte jemanden besuchen. Einen gu­ten Freund der Familie, wenn Sie das beruhigt.«

»Weit weg?«, erkundigte ich mich, während ich ihr folgte. Mit den Blicken taten das übrigens so ziemlich alle männlichen Gäste im Raum. »Ziemlich«, bestätigte sie. »Tja, dann warten Sie vielleicht hier einen Moment. Ich hab den Wagen ein bisschen weiter weg geparkt.«

»In das klapprige Ding steige ich nicht noch mal«, erklärte sie entschieden. »Wir nehmen ein Taxi.«

Natürlich musste ich das akzeptieren. Aber selten kam ich mir so überflüssig vor wie während dieser Fahrt. Um es zu überspielen, ver­suchte ich den Fahrer in ein Gespräch zu verwickeln. Aber er reagierte einsilbig. Wir fuhren ziemlich weit, in jenen Teil auf der North-Side, in dem die oberen Zehntausend unserer Stadt unter sich sind. Schicke Villen, die meisten im englischen Landhausstil, umgeben von aus­ufernden Gärten, mit hohen Zäunen bewehrt. Vor einem dieser Paläste ließ Faye den Fahrer anhalten. »Hier können Sie warten«, beschied sie ihm. »Und Sie natürlich auch. Wenn Sie wirklich nichts Besseres zu tun haben.«

Die letzten beiden Sätze galten mir, ebenso wie ihr höhnisches Lä­cheln, mit dem sie nun ausstieg.

Auch ich verließ den Wagen. »Und wie lang wird das dauern?«, rief ich ihr nach.

Sie hielt es nicht für nötig, sich umzudrehen, sondern zuckte nur die Schultern. Gleich darauf verschwand sie hinter einem riesigen schmiedeeisernen Tor, das von innen geöffnet und gleich auch wieder geschlossen wurde.

»Reiche Leute haben komische Gewohnheiten, nicht?« Der Taxi­fahrer hatte sein Fenster heruntergekurbelt und streckte das Gesicht der Sonne entgegen. Er grinste dabei, bestimmt dachte er daran, wie gut ihm diese Fahrt bezahlt wurde.

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Auch ich versuchte mich auf diesen finanziellen Aspekt zu kon­zentrieren, als ich ein paar Schritte auf und ab ging. Rechts von der Straße erstreckte sich der Michigan-See, genauer gesagt der Yachtha­fen. Über dem Weiß der Boote war das Wasser kaum zu sehen. Ein Geruch nach Teer und Farbe hing in der Luft, beflissene Arbeiter machten die Boote nach dem Winter wieder seetauglich. Alles in allem ergab das ein sehr friedliches Bild. Ich hatte Zeit nachzudenken. Der tote Museumsdirektor, die verschwundenen Gemälde, die seltsame Liste, die ich Patsy Dwyer übergeben hatte - bestand da irgendein Zu­sammenhang? Und wenn ja, welcher?

Laute Stimmen rund um das Haus, in dem Faye verschwunden war, erregten meine Aufmerksamkeit. Noch waren Büsche und Bäume rund um die Villa nahezu kahl, so dass ich einen Teil des Gartens ü­berblicken konnte. Aber nun war es dort wieder ganz ruhig. Ich ent­deckte einen auffallend kleinen Mann, der mit einer Harke unterwegs war. Also ein Gärtner, folgerte ich. Er zog sein linkes Bein nach und hatte einen vollkommen kahlen Schädel. Dabei wirkte er, zumindest auf die Entfernung, aus der ich ihn sah, noch eher jung.

Ich wollte mich schon wieder abwenden, als ich sah, dass Faye durch den Garten rannte und zwar genau auf den hinkenden Kahlkopf mit der Harke zu. Gehörte sie zu den Frauen, die sich zum Personal hingezogen fühlen? So was sollte ja gar nicht so selten vorkommen. Jedenfalls tuschelte die schöne Faye mit diesem Ausbund an Hässlich­keit ziemlich lange. Ich hätte viel darum gegeben zu hören, worum es dabei ging.

Nach einer Weile verschwand sie wieder im Haus und ich fürchtete schon, dass sich die Wartezeit noch länger hinziehen würde. Aber gleich darauf wurde das Eingangstor geöffnet, ein sehr seriös wirken-der älterer Herr mit silbergrauem Haar begleitete Faye. Er gab sich gar keine Mühe zu verbergen, wie hingerissen er von ihr war, während sie auch dann eher spöttisch lächelte, als er einen Kuss auf ihre Hand hauchte.

»Ja, natürlich, bis bald«, hörte ich Faye sagen.

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Das hörte auch der Taxifahrer, der wohl ein bisschen in der Sonne gedöst hatte. Er sprang jedenfalls beflissen aus dem Wagen und öffne­te für Faye die Tür zum Fond.

Ich stieg wieder vorne ein und drehte mich halb zu Faye um. »Und nun?«

Sie wartete mit der Antwort, bis der Fahrer wieder am Steuer saß. »Ins Hotel bitte. Ich brauche jetzt dringend meinen Schönheitsschlaf.«

Sie tat wieder einmal so, als sei ich gar nicht da. Aber immerhin, sie ließ es dann doch zu, dass ich ihr Feuer gab. Ihre Hochnäsigkeit reizte mich immer mehr. »Wieso wohnen Sie eigentlich im Hotel und nicht bei Ihrem Onkel?« Mir war klar, dass dies eine viel zu intime Fra­ge war. Aber ich wollte sie endlich doch einmal aus der Fassung brin­gen. Vielleicht gelang es ja durch Überrumpelung. »Wäre das nicht in mancherlei Hinsicht viel bequemer?«

»Ich weiß ja nicht, was Sie für bequem halten«, erwiderte sie ge­dehnt und pustete den Rauch in meine Richtung aus. »Aber ehrlich gesagt, es interessiert mich auch gar nicht.«

»Und heute Nachmittag?«, fragte ich und versuchte, so gelassen wie nur möglich zu wirken - obwohl ich das nicht war.

»Ich bleibe im Hotel und hab nicht vor auszugehen«, ließ sie mich hoheitsvoll wissen.

Damit lehnte sie sich zurück, schlug die schönen Beine übereinan­der und sah zum Fenster hinaus. Kein Wort kam mehr über ihre Lip­pen. Ich sah, wie der Taxifahrer die ganze Zeit vor sich hingrinste. Bestimmt machte er sich Gedanken darüber, in welcher Verbindung ich zu der schönen Frau im Fond stand. Und offenbar fielen seine Überle­gungen nicht günstig aus für mich.

Womit er ja auch Recht hatte. Ich nahm mir vor, so bald wie mög­lich mit Ben Warden zu reden und diesen albernen Auftrag zu kündi­gen. Alles, was Faye tat, konnte sie genauso gut ohne mich tun. Es war weder sonderlich spektakulär noch irgendwie gefährlich, wie sie sich den Tag vertrieb. Ihr Onkel sah eindeutig ganz ohne Grund ein hilfloses, schutzbedürftiges Wesen in ihr. Höchste Zeit, dass ich ihm das klarmachte.

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*

Den Nachmittag verbrachte ich im Büro. Mehrmals versuchte ich, Ben Warden telefonisch zu erreichen. Doch es gelang mir nicht, seine Sek­retärin konnte oder wollte mir auch keinerlei Auskunft geben, wann ich ihn sprechen könnte.

Ansonsten geschah nicht viel. Ich kannte das und leider nur zu gut - immer, wenn ich darauf wartete, schien niemand in dieser gottver­dammten Stadt meine Dienste zu benötigen. So blieb mir nichts ande­res übrig, als durch den Rauch unzähliger Luckys hindurch zu beo­bachten, wie sich draußen ganz langsam die Dämmerung herabsenkte.

Wenn das nicht genau der richtige Zeitpunkt war, um diesen gan­zen sinnlosen Tag mit einem Schluck Whiskey hinunterzuspülen! Es war der einzige Entschluss, den ich in meiner Lage fassen konnte und ich wurde belohnt. Denn genau jetzt klingelte das Telefon. Brendon schlug vor, zusammen essen zu gehen und etwas zu trinken, wie üb­lich in Henry's Steak Diner.

Ich machte mich sofort auf den Weg. Brendon saß schon am übli­chen Tisch, es war ziemlich voll. Angestellte und die Verkäufer der kleinen Läden in der Gegend verkehrten hier und da auch sie jetzt Feierabend hatten, waren die meisten in weiblicher Begleitung. Ein ohrenbetäubender Lärm hing in der Luft, vermischt mit dichtem Ziga­rettenqualm.

Brendon begrüßte mich gut gelaunt und nach einem ersten Schnaps hellte sich auch meine Stimmung wieder auf. Zumal Brendon mit einem ziemlich interessanten Detail herausrückte.

»Die Sache mit dem Museumsdirektor wird übrigens immer myste­riöser«, verriet er mir. »Die Nachrichtensperre ist noch immer nicht aufgehoben worden. Aber du kannst dir ja vorstellen, wie das die Spe­kulationen nur noch mehr anheizt. Und ein bisschen was sickert ja immer durch.« Grinsend ließ er seine Eiswürfel aneinander klirren.

Ich wusste, wie sehr er es gelegentlich genoss, mich auf die Folter zu spannen. So drängte ich ihn nicht, sondern gab dem Kellner ein Zeichen, unsere Gläser noch einmal zu füllen.

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»Irgendwie sieht das ja nach einem perfekten Verbrechen aus«, fuhr Brendon fort und stieß genüsslich den Qualm seiner Zigarre aus. »Weit und breit kein Mensch, der ein Motiv haben könnte. Dazu die verschwundenen Gemälde, die sich regelrecht in Luft aufgelöst zu ha­ben scheinen. Und dann noch dieses eine Bild, das im Museum zu­rückblieb.«

Ich spürte, dass Brendon nun gleich seinen Trumpf ausspielen würde und spitzte die Ohren.

»Es heißt, es wurde gestohlen.« Er sah mich viel sagend an. »Was heißt gestohlen? Ich denke, es ist als Einziges noch da?«,

fragte ich. Brendon kicherte in sich hinein. »Gestohlen, bevor es ins Museum

kam. Jedenfalls gab es da eine Anzeige, das liegt jetzt ein paar Wo­chen zurück. Nur dass diese Anzeige dann wieder zurückgezogen wur­de. Verstehst du?«

»Nein«, gab ich zu. Brendon nickte, er wirkte sehr zufrieden. »Genauso ist es. Kein

Mensch versteht das. Und die Polizei natürlich am allerwenigsten. Und worauf läuft das dann hinaus?« Verschmitzt sah er mich über sein Glas hinweg an. »Die Jungs vom Feuilleton können sich endlich nicht mehr so wichtig machen. Und unsereins kann wieder seiner Arbeit nachge­hen und gute Berichte liefern, über ehrlichen Sport!«

Sosehr ich Brendon verstehen konnte, interessierte mich doch e­her der Mord an Charles Galown. »Ein Motiv könnte doch sein«, über­legte ich laut, »dass er den Leuten in die Quere gekommen ist, die die Gemälde haben verschwinden lassen. Das wäre dann nichts anderes als Raubmord.«

Brendon schüttelte den Kopf. »Wann die Gemälde aus dem Muse­um geräumt worden sind, steht noch nicht fest. Jedenfalls vor dem Mord an dem Museumsdirektor. Und der ist erst am frühen Nachmittag erschossen worden. Der Pförtner hat ihn kommen sehen, er hatte sich wohl mit jemandem zum Mittagessen getroffen. Wird nicht nett für ihn gewesen sein. Alle Bilder weg und das kurz vor Ausstellungsbeginn!«

»Fast schon ein Grund, um sich selber die Kugel zu geben«, mur­melte ich vor mich hin. »Für Galown stand ja viel auf dem Spiel.«

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Brendon winkte ab. »Nee, Selbstmord war es nicht. Das steht zweifelsfrei fest.«

Unsere Tassen waren wieder einmal leer. Wir sorgten für Nach­schub und dann kam Brendon auf anderes zu sprechen. Ein besonders unterhaltsamer Gesprächspartner war ich vermutlich nicht an diesem Abend. Denn meine Gedanken kreisten weiter um den toten Muse­umsdirektor, die verschwundenen Bilder und dieses eine Bild, das wo­möglich gestohlen worden war. Wenn Letzteres zutraf, dann war es eine ungeheure Frechheit, es einem Museum anzubieten. Aber von wem? Von Chromwell, dem großzügigen Sammler? Nach allem, was man über ihn in den Zeitungen hatte lesen können, war er ein Schön­geist durch und durch, so etwas wie kriminelle Energie ging ihm gänz­lich ab.

Aber möglich war es natürlich, dass so einer naiv genug war und sich ein geklautes Bild andrehen ließ. Vielleicht war es ein Bild, das er unbedingt hatte besitzen wollen. Solche Leute bringen einem Bild ja ähnlich leidenschaftliche Gefühle entgegen wie andere Menschen zum Beispiel einer Frau. Und dann stellte man natürlich nicht viele Fragen...

»Hey, Pat, was ist heute nur los mit dir?«, beschwerte sich Bren­don. »Ich hab das Gefühl, du hörst mir überhaupt nicht zu!«

»Stimmt«, räumte ich ein. »Irgendwie ist das einfach nicht mein Tag. Am besten, ich geh nach Hause.«

Brendon kannte mich lang genug, um mir diesen frühen Aufbruch nicht übel zu nehmen. Ich achtete kaum darauf, was auf der Straße los war und so fielen mir die beiden Gestalten neben meinem Ply­mouth auch erst im letzten Moment auf. Es sah aus, als wollten sie sich prügeln und ich tippte auf zwei Betrunkene. Als ich näher kam, rannten beide davon. Der kleinere der beiden Männer war nicht son­derlich schnell - und er zog sein linkes Bein nach.

Natürlich dachte ich sofort an den Mann mit der Harke vom Vor­mittag. Aber was konnte so ein Gärtner hier in der Innenstadt wollen? Ich sagte mir, dass ich jetzt schon Gespenster sah und griff nach den Autoschlüsseln in meiner Manteltasche.

Da stach mir etwas in die Augen, ein sehr grelles Gelb lugte unter meinem Auto hervor. Ich bückte mich, griff danach und hatte ein Bild

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in der Hand. Ohne Rahmen war es nur ein in sehr bunten Farben be­maltes Stück Leinwand. Wie kam es hierher, ausgerechnet unter mei­nen Wagen? Konnte das wirklich ein Zufall sein? Ich nahm das Bild an mich und bohrte meine Augen in die Richtung der Straße, in der die beiden Typen verschwunden waren. Aber ich konnte sie nicht mehr sehen.

Einer der beiden hat mir das Bild zukommen lassen wollen, über­legte ich und stieg ein. Und der andere ist damit nicht einverstanden gewesen. Aber welchen Sinn ergab das? Eine Weile noch starrte ich auf das Farbenwirrwarr auf dem Beifahrersitz. Es war viel zu dunkel, um etwas zu erkennen. Ich fuhr endlich los und auch zu Hause dauer­te es noch einige Zeit. Dann aber war ich mir sicher - das Bild zeigte ein Porträt, zwar sehr frei und alles andere als in realistischer Genau­igkeit. Aber ein Porträt war es eben doch.

Unwillkürlich musste ich grinsen. Wie hatte dieser Maler in der Zei­tung noch geheißen? Sargent oder so ähnlich. Mir fiel wieder ein, wo­mit er zitiert worden war: Ein Porträt sei ein Bild von jemandem, bei dem mit dem Mund was nicht stimme.

Dabei traf das auf dieses Bild gar nicht zu. Der Mund war nämlich das Einzige, das halbwegs deutlich zu erkennen war.

*

Am nächsten Morgen hatte ich mich eben mit Kaffee und einer ersten Zigarette versorgt, als Betty anrief. »Ich wollte Ihnen vorschlagen, dass ich mich heute Vormittag wieder um das blonde Gift kümmere. Im Büro langweile ich mich einfach zu Tode.«

Angenehm fand ich es nicht, mit einem so unüberhörbaren Vor­wurf begrüßt zu werden. Ich murmelte etwas Unverständliches.

»Außerdem hab ich das Gefühl, dass mit dieser Faye was nicht stimmt«, fuhr Betty fort. »Die ganze Nacht hab ich darüber nachge­dacht.«

Hatte sie ihrem neuen Verehrer etwa schon wieder den Laufpass gegeben?

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»Ich glaub inzwischen auch nicht mehr, dass dieser Anwalt ihr Liebhaber ist«, fuhr sie fort. »Mit dem stimmt übrigens auch was nicht.«

»Wissen Sie zufällig auch was?«, raunzte ich sie an. Es gefiel mir nicht, dass sie sich meinen Kopf zerbrach.

»Nö, aber das krieg ich schon noch raus.« Sie war unerträglich gut gelaunt. »Das sagt mir mein Gefühl. Weibliche Intuition, wenn Sie wis­sen, was ich meine.«

Immer wieder fiel mein Blick auf die Leinwand, die mir unter so merkwürdigen Umständen zugespielt worden war. Bei Tageslicht er­kannte ich noch deutlicher, dass es sich wirklich um ein Porträt handel­te. Womöglich war es ja eins der Bilder, die aus dem Museum ver­schwunden waren?

»Ich werde heute Warden sagen, dass ich nicht länger den Baby­sitter für Faye Mellis spiele«, ließ ich Betty wissen.

»Würd ich mir gut überlegen, Chef«, wandte Betty in einem Ton ein, der ihr absolut nicht zustand. »Für zwei Tage hat er bezahlt und die sind um. Das heißt, heute wäre wieder ein Schein fällig. Mindes­tens einer.«

Natürlich hatte Betty Recht mit diesem Hinweis. Trotzdem ärgerte es mich. »Okay, dann kümmern Sie sich meinetwegen um die Kleine. Aber fallen Sie nicht allzu sehr aus der Rolle, ja? Auch wenn Sie Faye nicht leiden können.«

Sie verabschiedete sich mit einem Kichern. Mir wurde bei der nächsten Zigarette klar, dass ich mehr über die­

ses Porträt in Erfahrung bringen musste. Und wo könnte mir das bes­ser gelingen als im Art Institute? Und wenn es wirklich eines der ver­schwundenen Bilder war - man würde mir dankbar sein. Vielleicht würde es ja sogar Hollyfields Ermittlungen in der Mordsache auf die Sprünge helfen. Ich rollte die Leinwand zusammen, schlug sie in eine alte Zeitung ein und machte mich auf den Weg. Die Vorstellung, dass ich da womöglich ein Bild im Wert von vielen tausend Dollar durch die Gegend fuhr, hatte durchaus etwas Prickelndes.

Das Museum war für den Publikumsverkehr noch immer gesperrt. Als ich eintraf, verhandelte eine aufgeregte Gruppe Touristen mit dem

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Pförtner. Doch dieser ließ sich natürlich nicht erweichen. Auch mich wollte er abweisen.

Ich tat so, als hätte ich nichts gehört. »Befindet sich zufällig Mister Warden im Haus? Und vielleicht auch jemand von der Versicherung? Ich hab da etwas, das für die beiden Herren von Bedeutung sein könn­te.«

Womöglich hätte mich der Pförtner dennoch abgewiesen. Doch nun erschien Hollyfield. »Schon wieder Sie, Connor?« Er grinste mich breit an.

Der Pförtner gab angesichts des Leiters der Mordkommission so­fort die Tür frei und an Hollyfields Seite gelangte nun auch ich ins Mu­seum.

»Ich hab hier was, das vielleicht mit dem Fall zu tun hat«, be­merkte ich und entrollte die Leinwand.

Hollyfield warf kaum einen Blick darauf. Er winkte ab. »Darum können sich die Kollegen vom Raub kümmern. Ich bin für Mord zu­ständig. Haben Sie das vergessen?«

Damit ließ er mich stehen. Ich sprach auf gut Glück jemanden an, der eilig durch die Halle ging. »Ich müsste dringend einen sprechen, der was von Bildern versteht. Einen Kurator oder so.«

»Das dürfte im Moment schwierig sein«, erwiderte der Mann. »Die sind doch alle in einer Besprechung mit dem Mann von der Versiche­rung.«

Ich nickte. »Umso besser. Sagen Sie mir, wo diese Besprechung stattfindet?«

»Dritte Tür links«, murmelte der Mann und wies in einen der Flu­re, die von der Halle abgingen.

Es war derselbe Flur, den ich kürzlich schon betreten hatte und die dritte Tür links lag jener exakt gegenüber, hinter der ich den toten Museumsdirektor gesehen hatte. Ein Siegel verschloss diese Tür heute. Ich klopfte an jene gegenüber und trat ein, bevor ich dazu aufgefor­dert wurde.

Einige Leute saßen mit ernsten Mienen um einen großen Tisch. Ben Warden ging erregt auf und ab. »Was soll ich meinem Klienten

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raten? Mister Chromwell hat sich natürlich darauf verlassen, dass man hier...«

Als er mich erkannte, stockte der Anwalt verärgert. »Connor, was wollen Sie denn hier? Sollten Sie jetzt nicht bei meiner Nichte sein?« Der Tick machte ihm wieder einmal zu schaffen, immer wieder zuckte sein Mundwinkel unkontrolliert.

Noch einer, bei dem am Mund was nicht stimmt, dachte ich belus­tigt und beschloss, Warden zu ignorieren. Stattdessen legte ich die Leinwand auf den Tisch. Die Wirkung, die ich damit erzielte, glich in etwa jener, als hätte ich eine brennende Zündschnur auf dem Tisch deponiert. Alle Männer, es waren fünf, sprangen auf, mit allen Anzei­chen des Entsetzens im Blick. Während sie verstört einen gewissen Abstand zum Tisch herstellten, kam Ben Warden näher. Er wurde aschfahl und das Zucken um seinen Mundwinkel hörte gar nicht mehr auf.

»Woher haben Sie das, Connor?«, brachte er endlich hervor, wo­bei seine Stimme wie ein verrostetes Scharnier klang.

»Gefunden«, erwiderte ich. »Auch wenn Sie mir das nicht glauben werden.«

Ein weißhaariger Mann trat an den Tisch und beugte sich über das Bild. »Wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das doch eines der ver­schwundenen Bilder!« Er kramte in einem Stapel Papiere herum, of­fenbar war er von der Versicherung, die für den Schaden aufzukom­men hatte.

»Und zwar eins der Glanzstücke aus der Sammlung«, knurrte Warden. »Dieses Porträt von J. S. Sargent ist ein Vermögen wert. Connor, woher haben Sie es?«

Der Ton, in dem Warden mit mir sprach, gefiel mir ganz und gar nicht. Ich ignorierte ihn. »Mich würde vor allem interessieren, ob es überhaupt echt ist«, wandte ich mich an die anderen Männer. Einer von ihnen war garantiert ein Sachverständiger. »Denn wie gesagt, ich hab es gefunden. Auf der Straße, im Dreck und deshalb...«

»Aber natürlich ist es echt!«, unterbrach mich ein blonder Mann mittleren Alters. Er war hochrot im Gesicht vor Aufregung. Auch er beugte sich jetzt über das Bild, offenbar war er ein Kurator des Muse­

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ums, wie seine nächsten Worte auch bestätigten. »Ich erkenne es ein­deutig wieder. Das ist ein Meisterwerk! Strichführung, Farbauftrag, Komposition - darin ist Sargent unerreicht. Und schauen Sie, hier auf der Rückseite...« Er drehte es um und wies auf ein unleserliches Ge­kritzel. »Das macht er immer so, er signiert vorne und hinten.«

»Es ist ohne jeden Zweifel eines der Bilder, die wir letzte Woche hier im Haus haben rahmen lassen«, bestätigte ein anderer Mann, der anscheinend ebenfalls hier im Museum arbeitete.

Nun wollte Warden das Bild an sich nehmen. »Sicher ist sicher. Ich denke, Mister Chromwell wird froh sein, wenn er wenigstens...«

»Nein!«, griff da der Mann von der Versicherung ein. »Ich kann Ihnen das Bild derzeit leider noch nicht überlassen, Mister Warden. Erst einmal müssen sich das unsere Sachverständigen ansehen. Viel­leicht sind ja gewisse Rückschlüsse möglich, die uns dann auf die Spur der anderen Bilder führen.«

»Aber es ist eines der wertvollsten Stücke der Sammlung!«, pro­testierte Ben Warden.

»Das ist mir klar«, stieß der Weißhaarige hervor. »Von uns wollen Sie schließlich die nicht gerade unerhebliche Versicherungssumme da­für erhalten. Und deshalb muss ich darauf bestehen...«

An dem Streit, der sich da entwickelte, war ich nicht mehr interes­siert. Hatte ich, indem ich das Bild hierher gebracht hatte, nicht erle­digt, was von einem braven Bürger zu erwarten war? Ich nutzte den nun einsetzenden erregten Wortwechsel, um mich unauffällig zurück­zuziehen.

In der Halle begegnete ich noch einmal Hollyfield. Diesmal war Patsy Dwyer bei ihm. Sie schlug die Augen nieder, aus ihrem sonst so sorgfältig frisierten Haar hatte sich eine Strähne gelöst. Und weshalb hielt Hollyfield sie so fest am Arm und grinste so zufrieden dabei?

»Endlich!«, rief er, als Quirrer mit zwei weiteren Kollegen die Ein­gangshalle betrat. »Bringen Sie die Lady bitte aufs Präsidium. Ich den­ke, sie wird uns dort einiges zu erzählen haben.«

Der unsägliche Quirrer fuchtelte mit Handschellen herum. »Lassen Sie das«, wies Hollyfield ihn an. »Die Lady wird keine

Schwierigkeiten machen.«

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Patsy Dwyer sah in der Tat nicht aus, als wolle sie Schwierigkeiten machen. Die Situation war ihr sichtlich peinlich, sie musterte ständig ihre Schuhe. Als Quirrer sie von seinem Chef übernahm, zuckte sie zusammen. »Also gehen wir!«, herrschte er sie an und zückte seinen Revolver.

Hollyfield schüttelte darüber zwar den Kopf, aber er ließ Quirrer gewähren. »Tja, der Fall wäre so gut wie gelöst«, wandte er sich dann sichtlich zufrieden an mich. »Und zwar ungefähr so, wie ich es erwar­tet habe.«

Er ließ mir Zeit, um es selbst auszusprechen. »Sie halten Patsy Dwyer für die Mörderin des Direktors?«, tat ich ihm den Gefallen.

»Da bin ich mir sogar ziemlich sicher«, antwortete er. »Irgendwas in der Richtung habe ich ja sofort vermutet.«

»Aber was sollte ihr Motiv sein?«, wandte ich ein. Hollyfield lachte. »Das älteste Motiv der Welt. Sie kommt von ganz

unten und hat es bestimmt nicht leicht gehabt in ihrem Leben. Da war der Job hier fast schon die Erfüllung all ihrer Träume. Aber eben doch nur fast - sie wollte noch etwas höher hinaus. Galown war ja unverhei­ratet. Genau wie Patsy Dwyer. Und da hat sie wohl in einer Ehe die größte Sicherheit gesehen. Bis sie dann gemerkt hat, dass Galown doch eine kleine Freundin hat... Eifersucht, verstehen Sie? Eifersucht und enttäuschte Hoffnungen. Das älteste Motiv der Welt.«

Hollyfield strotzte nur so vor Gewissheit. Was mich allerdings den­noch nicht überzeugte. »Und was ist mit den verschwundenen Bil­dern?«, erinnerte ich.

»Ach, Connor, damit sollen sich andere befassen«, winkte er ab. »Wetten, es dauert nicht mehr lang und Patsy Dwyer gesteht? Ihre Nerven sind sowieso nicht die besten. Im Übrigen drängt es die meis­ten Mörder früher oder später zu einem Geständnis. Und richtig abge­brüht ist sie ja nicht.«

Ich ging mit Hollyfield bis zum Ausgang. Quirrer fuhr bereits ab, für einen kurzen Moment sah ich Patsy Dwyer. Es war eher maßloses Erstaunen als Angst, was ich in ihren Augen sah. Offenbar hatte sie die neue Wendung der Dinge noch gar nicht richtig begriffen.

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Dann stapfte Hollyfield zu einem weiteren Polizeiwagen und wäh­rend ich noch überlegte, was ich nun tun sollte, stand plötzlich Ben Warden neben mir. Seine Wut schien sich gelegt zu haben, auch sein Mundwinkel zuckte nicht.

»Ich nehme an, Sie kommen deshalb.« Er ließ zwei Geldscheine in seiner Hand knistern. »Das reicht doch, um die kleine Faye zwei weite­re Tage zu beschützen?« Er grinste so überheblich, dass ich am liebs­ten sofort gegangen wäre - ohne das Geld zu nehmen.

Doch das wäre nicht sehr vernünftig gewesen, da hatte Betty am Morgen völlig Recht gehabt.

»Aber vielleicht sollten wir beide uns vorher noch unterhalten«, fuhr er fort. »Zum Beispiel darüber, wo Sie dieses Bild gefunden ha­ben. Da wäre dann leicht auch noch etwas mehr drin.« Damit ich auch verstand, was er meinte, rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander.

»Es war, wie ich gesagt habe«, beteuerte ich. »Es lag auf der Straße.«

»Und wo war das?«, hakte er nach. »Könnte es nicht sein, dass da noch weitere Bilder liegen? Mister Chromwell ist alles andere als klein­lich, wenn es um seine liebsten Stücke aus der Sammlung geht.«

»Tut mir leid, aber mit mehr Bildern kann ich nicht dienen«, be­harrte ich wahrheitsgemäß. Damit ließ ich ihn stehen.

Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass Betty auch in diesem Punkt Recht hatte: Irgendetwas stimmte mit diesem Mann nicht. Erst später, als ich schon am Steuer meines Plymouth saß, fiel mir auf, was der Grund dafür war. Dieser Ben Warden, der seine Nichte in einem der teuersten Hotels der Stadt einquartierte, der über Visitenkarten aus feinstem Bütten verfügte - er trug Schuhe mit schiefen Absätzen. Während er mit mir gesprochen hatte, hatte ich ohne es zu merken die ganze Zeit darauf gestarrt. Nun erst wurde mir klar, dass solche Schu­he ganz und gar nicht zu einem erfolgreichen Anwalt passten.

*

Betty saß in der Eingangshalle des Hotel Stevens, als sei das ihr ange­stammter Platz. Mit einer lässigen Geste winkte sie mir zu. Mit dem

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Honorar für zwei weitere Aufpassertage in der Tasche fühlte ich mich in der Lage, meiner geldgierigen Sekretärin unter die Augen zu treten.

»Warden hat also für Nachschub gesorgt?«, kommentierte sie meine gute Laune grinsend.

Ich ging nicht darauf ein. »Wie war es mit Faye?« »Nichts Besonderes.« Betty seufzte. »Ich werd einfach nicht

schlau aus ihr. Heute hat sie sich wirklich benommen wie eine Touris­tin. Ich hab sie zum Friseur begleitet, danach zu einer Schneiderin. Sie war brav wie ein Lämmchen. Na ja, bis auf einmal.« Betty zog ihre hübsche Stirn kraus. »Das war nach dem Friseur. Ich war damit be­schäftigt, ein freies Taxi anzuhalten. Und da hat sie mit so 'nem Typen geredet. Ziemlich schräge Gestalt. Kein Haar auf dem Kopf, dabei war er noch jung. Und gehinkt hat er.«

Natürlich machte es bei mir sofort klick im Kopf. Der Typ mit der Harke, an der Villa draußen! Und womöglich derselbe, der sich gestern Abend an meinem Auto mit jemandem geprügelt hatte.

»Und dann hat hier so ein Silbergrauer auf sie gewartet«, fuhr Betty eifrig fort. »So einer, der richtig nach Geld stinkt, wenn Sie wis­sen, was ich meine. Ich glaube, er ist es auch, der hier im Hotel alles für sie bezahlt. Deshalb glaubt er wohl auch, so eifersüchtig sein zu dürfen.« Sie kicherte in sich hinein.

»Eifersüchtig?«, fragte ich eher automatisch. Mit meinen Gedan­ken war ich noch bei dem Hinkenden.

»Na ja, er hat sich an der Rezeption ganz genau erkundigt, nach Anrufen und Besuchen, die sie bekommt. Von wegen Diskretion - die haben ihm alles erzählt. Weil er zahlt, hab ich da begriffen. Und dann hat er Essen bestellt, auf ihr Zimmer, für zwei Personen. Und Faye hat gesagt, sie geht heute nicht mehr aus.« Betty sah mich viel sagend an.

»Das kann uns doch nur recht sein«, murmelte ich ziemlich geis­tesabwesend. »Und überhaupt, Sie haben nun doch Feierabend.«

»Stimmt«, gab Betty zurück. »Aber ich bleib noch 'n bisschen. Könnte ja sein, dass Faye doch noch was vorhat, zusammen mit dem Silbergrauen. Außerdem sitzt es sich hier ganz nett.«

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Jetzt erst wurde mir klar, dass sie mit dem Mann ein paar Meter entfernt schon die ganze Zeit geflirtet hatte. Er jedenfalls ließ sie nicht aus den Augen.

»Na, dann will ich mal nicht stören«, sagte ich und stand auf. Denn ganz plötzlich wusste ich, wie ich vielleicht weiterkommen konn­te. Pete Dolphin, der Buchmacher, der nicht über die Trennung von Patsy Dwyer hinwegkam. Der brannte ja nur darauf, über sie zu reden - und vielleicht, wenn ich ihn nicht wie das letzte Mal gleich unter­brach, würde er ja auch noch auf anderes zu sprechen kommen.

Ich verabschiedete mich von Betty, als ich sah, wie Ben Warden das Hotel betrat. Was hatte er vor? Wusste er, dass seine Nichte der­zeit Besuch hatte? Oder erfuhr er es eben erst an der Rezeption und sah deshalb so verärgert drein? Er schlug sogar mit der Faust auf den Tresen, bevor er eilig wieder ging. Keine Frage, für ihn lief derzeit nichts wie geplant. Woraus dieser Plan bestehen könnte, das wusste ich immer noch nicht. Aber ich hatte das Gefühl, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis ich alles begriff. Zuversichtlich machte ich mich auf den Weg zu dem Billardsaloon, wo ich hoffte, auf Pete Dolphin zu treffen, den verschmähten Liebhaber Patsys.

Als ich das Hotel dann wirklich verließ, konnte ich noch beobach­ten, dass Bettys Flirt sich wohl ganz gut entwickelte. Der Typ saß jetzt neben ihr, er hatte anscheinend etwas zu essen bestellt. Prompt knurr­te mein Magen. Auf dem Weg zu Dolphin würde ich mir irgendwo ein Hacksteak einverleiben, dachte ich.

Der Buchmacher ging seiner Arbeit nach, als ich etwa dreißig Mi­nuten später in die Kneipe kam, in der er seine Geschäfte betrieb. Mehrere Männer unterschiedlichen Alters standen um Dolphins Tisch und schoben ihm Scheine zu. Er nahm sie an sich und verzeichnete den Erhalt gewissenhaft in einer dicken, schon ziemlich abgegriffenen Kladde. Sosehr ihn das auch in Anspruch nahm, hatte er mich doch sofort bemerkt. Immer wieder schielte er nervös zu mir herüber. Bei einem Schluck an der Bar wartete ich darauf, dass er allein sein würde. Seine Kunden machten größtenteils einen nicht gerade wohlhabenden Eindruck. Vermutlich setzten sie das Gehalt einer ganzen Arbeitswoche auf die vage Hoffnung, es durch eine gewonnene Wette zu vervielfa­

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chen. Ich fragte mich, wieso eigentlich immer genau die Leute, die doch längst begriffen haben mussten, dass es etwas wie Glück für sie nicht gab, doch immer wieder genau darauf setzten.

Endlich saß Pete allein an seinem Tisch, er hatte sich einen Schluck bringen lassen. Während ich zu ihm ging, sah ich, dass die Hand, mit der er das Glas an den Mund führte, zitterte.

»Kann ich mich setzen?«, sprach ich ihn an. Er nickte, räusperte sich und spülte mit einem weiteren Schluck

nach. »Und?«, fragte er dann und sah mich mit seltsam starren Augen an.

»Was und?«, gab ich die Frage zurück. Er wurde um einige Nuancen blasser. »Das Bild«, stieß er dann

hervor. »Sie haben es doch gefunden?« »Ach«, entfuhr es mir. »Dann waren Sie das an meinem Auto?« Er nickte und kratzte sich hinterm Ohr. »Und wer war der andere?«, schob ich die nächste Frage nach.

»Der, mit dem Sie sich geprügelt haben.« Er zuckte die Schultern. »Den kannte ich nicht. Weiß auch nicht,

was der von mir wollte. Aber das Bild...« »Woher haben Sie es?«, fiel ich ihm ins Wort. »Tut das was zur Sache?« Anscheinend war er ebenso entschlos­

sen wie ich, anstatt zu antworten lieber Fragen zu stellen. Jetzt fragte sich nur, wer länger durchhielt.

»Wieso haben Sie es mir unters Auto gelegt?« Ich sah ihn unver­wandt an, was ihm sichtlich unangenehm war, denn ziemlich rasch senkte er den Kopf.

»Ich dachte, es könnte Sie interessieren.« Dem Inhalt nach war das zwar belanglos, aber immerhin der Form

nach endlich doch eine Antwort. Ich verzeichnete es als Pluspunkt für mich. »Und wieso sollte es mich interessieren?«

Diesmal sagte er nichts, er spielte nur mit seinem inzwischen lee­ren Glas. Mit einer Handbewegung forderte ich einen Kellner auf, es noch einmal zu füllen und wo er schon einmal dabei war, das meine ebenfalls.

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Aber auch der nächste Schluck machte Dolphin nicht gesprächiger. Ich musste wohl eine andere Taktik wählen. »Dass man Patsy heute verhaftet hat, wissen Sie schon?«

Es dauerte einen Moment, bis der Sinn meiner Worte Eingang in seine Gehirnwindungen fand. Endlich schien er es begriffen zu haben. Ich sah es daran, wie er sich versteifte und seine Fingerknöchel um das Glas ganz weiß wurden. »Nein«, murmelte er dabei ein paar Mal.

»Doch«, bekräftigte ich. »Hab es zufällig selbst gesehen. Ich fürchte, es sieht nicht gut aus für sie.«

»Als hätte ich das nicht immer gewusst!« Er sprach nur ganz leise, mehr wie zu sich selbst. »Von Anfang an hab ich es so kommen sehen. Die benutzen Patsy, genau wie sie mich benutzt haben. Deshalb hab ich ihr ja auch gesagt, dass wir beide die Finger davon lassen sollten. Aber sie hat ja nicht auf mich hören wollen.«

Ich musste mich richtig anstrengen, um ihn zu verstehen. Es war kaum mehr als ein Flüstern, was über seine Lippen kam und er wurde noch etwas blasser. In seltsamem Kontrast dazu standen seine Augen, denn diese schienen permanent dunkler zu werden.

»Und wer ist das, der Patsy benutzt?«, hakte ich nach. »Von wel­chen Leuten reden Sie da?«

Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und schüttelte unablässig den Kopf.

»Ich denke, Ihnen liegt was an ihr«, fuhr ich fort. »Wenn ich ihr helfen soll, müssten Sie schon noch ein bisschen deutlicher werden.«

»Noch deutlicher geht nicht«, versetzte er dumpf. »Es war riskant genug, Ihnen das Bild zukommen zu lassen. Was haben Sie denn da­mit gemacht?«

»Es dorthin gebracht, wo man es seit kurzem vermisst«, ließ ich ihn wissen.

Er stieß ein seltsam krächzendes Lachen aus. »Na, dann wird es ja nur noch eine Frage der Zeit sein.« Ruckartig stand er auf.

Ich dachte, er würde zur Toilette gehen. Doch als er nach etwa zehn Minuten noch immer nicht wiedergekommen war, begriff ich, dass es dort einen Hinterausgang gab. Durch den war Dolphin ver­schwunden.

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*

Während der ganzen Rückfahrt ins Büro ärgerte ich mich, dass ich mich von diesem hölzernen, im Grunde doch eher simpel gestrickten Buchmacher hatte abhängen lassen wie ein Anfänger. Erfahren hatte ich so gut wie nichts von ihm, jedenfalls nichts, was sich verwerten ließ.

Nachdem ich den Wagen auf dem Hof geparkt hatte, stellte ich fest, dass ich Zigaretten brauchte. Während der paar Schritte zu dem kleinen Laden begegnete mir ein Zeitungsjunge, der lauthals eine Ext­raausgabe verkündete. Ich kaufte ihm eine ab. ›Neue Wendung im Mordfall Galown‹, las ich die fett gedruckte Titelzeile.

War damit nicht zu rechnen gewesen? Ich besorgte mir eine Pa­ckung Zigaretten und ging dann ins Büro hinauf. Dann studierte ich den Zeitungsartikel. Hollyfield führte seine These vom Mord aus Eifer­sucht aus.

Von Patsy Dwyer war allerdings nicht die Rede in dem Bericht. Er war auch so interessant genug. Obwohl er größtenteils nur aus Andeu­tungen bestand, konnte ich mir doch so viel zusammenreimen: Das Bild, das ich am Morgen ins Museum gebracht hatte, war eine Fäl­schung. Sehr gut gemacht, aber eben doch kein echter Sargent. Und dies nun hatte die Leute von der Versicherung auf den Gedanken ge­bracht, auch die anderen Bilder könnten Fälschungen gewesen sein. An diesem Punkt setzte offenbar Hollyfield an. Und zwar so, dass er in Patsy Dwyer nun erst recht eine Hauptverdächtige sah. Wesley Chromwell hingegen, der Besitzer der verschwundenen Ge­mäldesammlung, widersprach in diesem Punkt heftig. Nicht er selbst tat es, sondern sein juristischer Berater Ben Warden. Der drohte sogar mit einer Anzeige wegen Verleumdung und kündigte jede Menge Gut­achten an, die die Echtheit der Chromwellschen Sammlung eindeutig beweisen sollten. Die Leute aus dem Art Institute, darunter auch ein Mr. Bensley, der als kommissarischer Direktor eingesetzt worden war, schienen auf Wardens Seite zu stehen. Man habe die Sammlung im Museum eingehend geprüft, an ihrer Echtheit habe zu keiner Zeit auch

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nur der geringste Zweifel bestanden. Das offensichtlich gefälschte Bild, das am Morgen abgegeben worden sei, könne nur den Zweck erfüllen, die Behörden auf eine falsche Spur zu locken...

Ich ließ die Zeitung sinken. Wenn das keine verworrene Lage war. Irgendwie hatte hier jeder jeden in Verdacht. Mir fiel Dolphins rätsel­hafte Bemerkung wieder ein, wonach alles nur eine Frage der Zeit sein würde. Hatte er das gemeint? Dass die Fälschung auffliegen würde? Und war dies auch der Grund gewesen, dass er mir das Bild hatte zu­kommen lassen?

Aber was bedeutete das nun? Konnte man wirklich daraus schlie­ßen, dass auch alle anderen Bilder gefälscht waren? Und worin be­stand Patsys Rolle, die Hollyfield ja immer noch als Mörderin des Direk­tors verdächtigte? Aber wieso hätte sie ihren Chef umbringen sollen, wenn sie wirklich hoffte, ihn heiraten zu können? Vor allem dann, wenn sie mit dem gefälschten Bild etwas zu tun hatte, wie Dolphin ja ebenfalls hatte durchblicken lassen. Hätte sie da nicht alles unterlas­sen, was die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Art Institute lenken musste?

Ich sah ein, dass ich noch immer nicht weitergekommen war. Noch immer wusste ich einfach zu wenig. Als das Telefon klingelte, hoffte ich, es sei Brendon, der das Verlangen nach einem Schluck so­wie meiner Gesellschaft verspürte. Aber zu meiner Überraschung mel­dete sich Hollyfield.

Nach dem Zeitungsbericht hätte ich eigentlich erwartet, dass er glänzender Laune sein würde. Doch ich irrte mich. »Ich hab sie laufen lassen müssen«, raunzte er ins Telefon.

»Wen? Patsy Dwyer?«, fragte ich. »Wen sonst«, ächzte Hollyfield. »Der Haftrichter sah keinen

Grund, sie noch länger festzuhalten. Die Knarre, die wir bei ihr zu Hau­se gefunden haben, ist leider auch wirklich kaum mehr als ein Spiel­zeug. Ein ganz anderes Kaliber als das, mit dem Galown erschossen wurde. Und außerdem konnte sie plötzlich ein Alibi vorweisen.« Holly­field knurrte etwas Unverständliches. »Als sie ins Museum kam, muss ihr Chef längst tot gewesen sein.«

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»Und ihr Alibi?«, hakte ich rasch nach, um vielleicht noch von Hol­lyfields Mitteilungsbedürfnis zu profitieren.

»Ach, so ein junges Ding aus der Provinz. Ziemlich hübsch, aber ein völlig unbeschriebenes Blatt. Und jede Menge Leute haben es ge­sehen, wie sie zusammen mit Patsy Dwyer Tee getrunken hat.«

»Heißt sie etwa Faye Mellis?«, warf ich ein. Hollyfield schwieg erst einmal verblüfft. »Ja. Woher wissen Sie das

schon wieder?« Er ließ einen kräftigen Fluch folgen. Dann kam er zum eigentlichen Grund seines Anrufs. »Ich mache mir nichts aus Gemäl­den, auf denen kaum was drauf ist, was man erkennen kann. Und ich verstehe auch nichts davon. Aber es sieht ganz so aus, als müsste ich mich doch damit befassen. Und deshalb, Connor - wie sind Sie an die­ses Bild gekommen, das mittlerweile als Fälschung gilt?«

Ich wiederholte, was ich schon im Museum gesagt hatte. Nur dass ich Hollyfield doch auch noch den genauen Ort wissen ließ, an dem ich es gefunden hatte. »Es lag einfach unter meinem Auto, mitten im Straßendreck.«

»Hm«, brummte Hollyfield. Dann schwieg er einen Moment, an­scheinend dachte er nach. »Komischer Zufall, was? Kann es nicht sein, dass da jemand wollte, dass ausgerechnet Sie dieses Bild finden?«

»Könnte sein«, gab ich zu. »Und wer? Aus welchem Grund? Connor, reden Sie!« Auch ich dachte nun erst einen Moment nach. Und da ich mir si­

cher sein konnte, dass Hollyfield mir trotz aller Redseligkeit doch eini­ges verschwieg, schien mir, dass auch er auf größere Offenheit von meiner Seite keinen Anspruch hatte.

»Über genau solche Fragen zerbreche ich mir auch den Kopf, Cap­tain«, erwiderte ich höflich. »Und leider habe ich noch keine Antworten darauf gefunden.«

Damit log ich nicht einmal, zumindest nicht komplett. Denn was hätte Hollyfield davon, wenn ich jetzt Pete Dolphin ins Spiel brachte? Nichts als womöglich doch einen kleinen Vorsprung mehr, in Verbin­dung mit allem Möglichen, das er mir wahrscheinlich verschwieg. Und diesen Vorsprung wollte ich ihm einfach nicht gönnen.

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Hollyfield stocherte noch ein bisschen herum, bis er einsah, dass ich mehr nicht ausspucken würde. Nachdem er aufgelegt hatte, be­gann ich, mir einige Notizen zu machen. Nun war also auch die schöne Faye Mellis ins Spiel gekommen. Aber wie, zu welchem Zweck? Ich notierte ihren Namen ebenso wie den aller anderen Beteiligten und versuchte Verbindungen herzustellen.

Faye Mellis kannte also Patsy Dwyer. Diese hatte für Galown ge­arbeitet und sie hatte dafür Pete Dolphin sitzen lassen. Faye Mellis war überdies, wenn nicht Ben Wardens Nichte, so doch mit ihm bekannt. Hatten alle vier etwas miteinander zu tun? Und dann war da noch je­ner hinkende Gärtner, den die schöne Faye ebenfalls zu kennen schien. Pete Dolphin womöglich auch? Und was war mit dem silber­grauen Verehrer von Faye, in dessen Diensten der Hinkende an­scheinend stand?

Es waren bald ziemlich viele Namen, die auf dem Blatt Papier vor mir standen. Ich grübelte lange. Zu einem Ergebnis kam ich allerdings nicht. Ausgenommen vielleicht eines - Wesley Chromwell, fiel mir auf, der Besitzer der Bilder, blieb auffallend im Hintergrund bei der ganzen Sache. Einerseits lag das in der Natur der Dinge - die richtig reichen Leute scheuten ja immer das Rampenlicht. Und da es sich bei ihm um einen feinsinnigen Kunstsammler handelte, war nicht zu erwarten, dass er selbst in Erscheinung trat.

Oder gab es dafür doch noch andere Gründe? Um dies herauszu­bekommen, fiel mir im Moment nur eines ein: Ich musste mich an Ben Warden halten, seinen juristischen Berater. Der sich derzeit keine neu-en Schuhe leisten konnte. Warf das etwa auch ein Licht auf Chrom­well, seinen so angesehenen und vermögenden Auftraggeber?

Noch ein Verdacht beschlich mich. Dieser alberne Job, auf Faye Mellis aufzupassen, den sich Warden weit mehr kosten ließ, als er es sich augenscheinlich leisten konnte - war das etwa nur ein Ablen­kungsmanöver? Wollte er mich damit beschäftigt halten, damit ich ihm bei ganz anderen Dingen nicht in die Quere kam?

Ich verließ das Büro mit dem Gefühl, dass mich am nächsten Tag einiges an Arbeit erwartete - und vielleicht endlich auch ein paar Ein­sichten. Also alles in allem genau der richtige Moment, um diesen Tag

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mit einem guten Schluck ausklingen zu lassen und mich solchermaßen zugleich für alles zu stärken, was mir morgen bevorstand. Denn Über­eifer im falschen Moment hatte noch nie zu etwas geführt. Hatte das Hollyfield nicht mal wieder bewiesen?

*

Gleich nach dem Aufstehen führte ich noch von zu Hause aus mehrere Telefongespräche. Besser gesagt, ich versuchte es. Denn ich konnte Ben Warden so wenig erreichen wie Betty. Zu Hause hielt sich meine Sekretärin ebenso wenig auf wie im Büro. War sie, diesmal ohne Ab­sprache mit mir, etwa schon wieder ins Stevens gefahren? Da mir Faye Mellis vielleicht etwas über den momentanen Aufenthaltsort von Ben Warden sagen konnte, beschloss ich, zunächst dorthin zu fahren. Betty würde ich dann ins Büro schicken, ich hatte immer deutlicher das Ge­fühl, dass die Sache allmählich heiß wurde - zu heiß für eine junge Frau, die ich als Sekretärin bezahlte.

Doch im Hotel traf ich Betty nicht an. Und Faye Mellis, so erfuhr ich an der Rezeption, habe ihr Zimmer noch nicht verlassen. Noch einmal versuchte ich, Betty zu Hause oder im Büro zu erreichen, wie­der ohne Erfolg. Ich war ziemlich verärgert über sie und glaubte mir vorstellen zu können, was sie trieb. Vermutlich steckte sie noch mit diesem Kerl zusammen, den sie gestern hier im Hotel kennen gelernt hatte. Normalerweise interessierten mich Bettys Liebschaften nicht. Aber es war natürlich etwas anderes, wenn sie darüber ihre Pflichten vergaß.

Ich paffte gereizt einige Zigaretten und beschloss endlich, nicht länger auf Fayes Schlafbedürfnis Rücksicht zu nehmen. Kurz angebun­den bat ich den Mann an der Rezeption, ihr meinen Besuch anzumel­den. Er wollte zuerst Einwände erheben, doch als ich nichts darauf sagte, sondern einfach zum Lift ging, griff er doch zum Telefon.

Faye erwies mir sogar die Gnade, ihre Tür zu öffnen. Sie wirkte schon ziemlich munter, auch wenn sie noch nicht richtig angekleidet war. Wobei ihr der seidene Morgenrock mit vermutlich nicht sehr viel darunter so gut stand wie jedes Kostüm. Ihre Munterkeit führte ich auf

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die Flasche Champagner zurück, die zur Hälfte geleert auf einem klei­nen Tisch stand.

»Auch ein Glas?«, fragte sie mich ungewöhnlich charmant und wartete darauf, dass ich ihr Feuer gab.

Mit einem Kopf schütteln lehnte ich ab. »Haben Sie heute zufällig schon mit Betty Mayer gesprochen?«

»Wieso sollte ich das tun?« Als sie die wirklich sehenswerten Bei-ne übereinander schlug, rutschte der Pantoffel von ihrem linken Fuß und ließ rosa lackierte, sehr zierliche Fußnägel sehen.

»Dann haben Sie vielleicht gestern eine Verabredung mit ihr ge­troffen?«

Sie ließ ein gurrendes Lachen hören, das fast zu volltönend war für ihre elfenhafte Gestalt. »Ich verstehe, Ihre Assistentin ist Ihnen abhanden gekommen. Aber was habe ich damit zu tun? Schließlich soll nicht ich auf sie aufpassen, sondern sie auf mich. Da Sie ja anschei­nend keine Zeit dafür haben.« Sie zog einen Schmollmund.

Dieses Detail hätte mich ebenso stutzig machen müssen wie alles an ihrem Verhalten an diesem Morgen. Schließlich war sie sonst immer betont abweisend zu mir gewesen. Aber ich schöpfte keinen Verdacht. Schon möglich, dass sie mir schmeichelte. Aber vor allem - es ging mir ja gar nicht nur um Betty, sondern vor allem um Ben Warden.

»Ich müsste Ihren Onkel wirklich dringend sprechen«, sagte ich so sachlich wie möglich. Was, ich gebe es zu, nicht ganz einfach war. Denn nun rutschte auch der zweite Pantoffel von ihrem Fuß. »Können Sie mir nicht sagen, wo ich ihn erreichen kann?«

»Das wüsste ich selbst gern.« Sie lehnte sich tief in das Polster des Sessels zurück und pustete Rauchringe gegen die Decke. »Aber er ist ja leider immer so schrecklich beschäftigt. Und wo nun die Ausstel­lung geplatzt ist... Entschuldigen Sie.«

Ihr Telefon klingelte. Sie sagte ein paar Mal Ja und Nein, ich konn­te nichts daraus schließen. Verwirrend war, dass sie mich auch wäh­rend dieses Telefonats unentwegt ansah, auf eine Weise, die ich bis­lang nicht an ihr kennen gelernt hatte. Ja, sie flirtete mit mir.

Und ich wurde noch immer nicht stutzig. Erst als sie das Telefon­gespräch beendete und sich dann wieder setzte, ging mir ein Licht auf.

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Denn sie zog sie Beine an sich, scheinbar völlig unbekümmert darum, wie viel nacktes Fleisch dabei sichtbar wurde. Davon zunächst auch wirklich in den Bann gezogen, sah ich das berechnende Lauern in ih­rem Blick fast zu spät.

Aber eben nur fast. Endlich begriff ich, was hier gespielt wurde. Sie versuchte, mich abzulenken, mich hier festzuhalten.

»Wollen Sie denn wirklich schon gehen?«, gab sie sich bestürzt, als ich aufstand. »Schade. Ich habe eben entdeckt, dass Sie eigentlich ganz sympathisch sind.«

»Tja, tut mir leid, ich hab nun keine Zeit mehr«, murmelte ich und ging zur Tür. Es war mir ein bisschen peinlich, dass ich ihr überhaupt so lange auf den Leim gegangen war. Als ich ihr Zimmer dann ohne weitere Erklärung verließ, überlegte ich schon fieberhaft, was der Sinn ihres Manövers gewesen war. Wo wollte man mich im Moment auf gar keinen Fall haben?

Eine wirklich überzeugende Antwort fiel mir nicht ein. So fuhr ich erst einmal zum Art Institute. Denn dort war ein Mord geschehen, von dort waren die Bilder verschwunden und dort würde heute vermutlich auch Hollyfield wieder seine Ermittlungen aufnehmen. Vielleicht fand ich dort einen Ansatzpunkt.

Vor dem Museum wimmelte es von Menschen. Auch reichlich Poli­zei befand sich darunter. Im Gedränge erkannte ich Quirrer, der einen Teil des Gartens absperrte. »Hier kann keiner mehr durch!«, ließ er mich albern grinsend wissen.

Etwa fünf Meter entfernt sah ich Hollyfield stehen, neben einer Gestalt, die ziemlich reglos auf dem noch wintergrauen Rasen lag. Als der Leiter der Mordkommission mich sah, winkte er mich zu sich.

Quirrer müsste mich also passieren lassen, was er mit einem lei­sen Fluch quittierte.

»So bedauernswert so etwas auch immer ist«, rief Hollyfield mir zu, »in gewisser Weise erleichtert es mich doch. Denn das hier«, er wies auf die Gestalt auf dem Boden, »ist ein ganz ordentlicher hand­fester Mord. Was mir eindeutig lieber ist als die Sache mit den Bildern. Der Mann wurde mit derselben Waffe erschossen wie der Mu­seumsdirektor. Kennen Sie ihn zufällig?«

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Er trat einen Schritt beiseite, so dass ich den Toten mühelos er­kennen konnte. Es war kein anderer als Pete Dolphin. Im Unterschied zum Museumsdirektor war die Kugel bei ihm nicht in die Schläfe, son­dern mitten ins Herz gegangen. Nur ein schwach schimmernder, noch nicht ganz trockener Blutfleck auf seiner Tweedjacke zeugte davon.

»Den Namen kenne ich«, gab ich zu - Hollyfield würde ihn ohne­hin demnächst in Erfahrung bringen. »Pete Dolphin, ein Buchmacher. Mehr weiß ich nicht von ihm.«

»Und was will so einer hier beim Museum?«, blaffte Hollyfield mich an.

»Tja, das wüsste ich auch gern«, erwiderte ich. Und Hollyfield konnte nicht ahnen, dass ich damit wirklich nur die Wahrheit sagte und nichts als die Wahrheit.

*

Was hatte Pete Dolphin beim Museum gewollt? Und wieso hatte er dran glauben müssen? Diese Fragen beschäftigten mich, als ich den Tatort wieder verließ. Und ich sagte mir, dass es nun an der Zeit war, Dunky ein paar sehr ernsthafte Fragen zu stellen.

Da es noch relativ früh am Vormittag war, konnte Dunky nicht so tun, als hätte er keine Zeit für mich. Ich war sein einziger Gast. Als er nach einem Glas griff, winkte ich ab. »Dazu ist es noch zu früh. Kaffee wäre mir lieber.«

Sein Mund wirkte in dem riesigen Gesicht auch dann klein, wenn er ihn wie jetzt zu einem spöttischen Grinsen verzog. Weil mich das ärgerte, platzte ich ohne Vorwarnung mit der Neuigkeit heraus. »Pete Dolphin ist tot.«

»So was soll vorkommen«, erwiderte er ungerührt. »Ist aber nicht einfach so passiert. Man hat ihn durchlöchert, an

der entscheidenden Stelle.« »Hm«, machte Dunky. Vielleicht war er ja wirklich zu keiner normalen menschlichen Re­

gung in der Lage? Letzten Endes war mir das egal. Aber er wusste garantiert mehr über den Buchmacher, als er mir bislang verraten hat­

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te. Und das sollte er endlich ausspucken. »Wer könnte das denn ge­wesen sein?«

Dunky zuckte die Schultern. »Einer wie Dolphin hat viele Leute ge­kannt.«

»Was weißt du von ihm?«, bohrte ich weiter. »Bloß, was alle wissen«, wich Dunky immer noch aus. »Er war

eben Buchmacher, da gibt es leicht Ärger. Obwohl er überall als ehrli­che Haut galt.«

»Hat er vielleicht nebenbei noch was gemacht?«, hakte ich nach. »Früher schon«, räumte Dunky ein. »Gib mir doch einen Schluck«, verlangte ich. Zum einen schmeck­

te der Kaffee wie Waschwasser und zum anderen nervte mich Dunkys ständiges Ausweichen.

Er nickte und füllte mir ein Glas. »'ne Zeit lang hat er mal mit 'nem Antiquitätenhändler zu tun gehabt«, brummte er dabei.

Ich konnte mir denken, was er damit andeuten wollte. Vermutlich ging das in Richtung Hehlerei. Aber deswegen war Dolphin bestimmt nicht erschossen worden.

»Aber das ist schon 'ne ganze Weile her«, fuhr Dunky fort. »Er hat nie wirklich Glück gehabt. Schon gar nicht mit Frauen. Und als diese Patsy ihn verlassen hat, das hat ihn richtig umgeworfen.« Er grinste auf eine Weise, die klar machte, dass ihm so etwas nie passieren könnte.

Meine Gereiztheit wuchs. Wusste Dunky wirklich nicht mehr? Ich machte einen neuen Versuch und warf auf gut Glück einen anderen Namen ins Gespräch. »Jack Philley, der Typ, der den Umschlag unbe­dingt loswerden wollte - was weißt du von ihm?«

»Den hab ich nur dieses eine Mal gesehen, als er mit dem Um­schlag gekommen ist«, brummte Dunky. »Auch von den anderen hat ihn keiner gekannt.«

Nicht einmal der Whiskey schmeckte mir. »Wie hat er ausgese­hen? Du wirst ihn doch beschreiben können?«

Dunky legte sein Gesicht in fleischige Falten. »'ne Schönheit ist er nicht gerade. Und mit seinem Fuß war was.«

»Mit seinem Fuß?« Ich wurde hellhörig.

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»Na ja, er hat gehinkt.« Ob Dunky wusste, welchen Gefallen er mir da tat? Meine Stim­

mung besserte sich augenblicklich. »Und keine Haare mehr auf dem Kopf?«

Dunky nickte nur. Dann kamen zwei Männer herein und verlang­ten etwas zu trinken. Ich warf ein paar Münzen auf den Tresen und ging. Mehr würde ich von Dunky sowieso nicht erfahren.

Auf der Fahrt ins Büro überlegte ich mir, was ich von dieser neuen Information hatte. Wieso spielte der Mann namens Jack Philley drau­ßen in der Villa den Gärtner? Wenn er Chicago gar nicht verlassen hat­te, wieso hatte er Patsy dann den Umschlag nicht einfach selbst über­geben?

Er wollte auf keinen Fall mit ihr in Verbindung gebracht werden, sagte ich mir. Aber wieso lag ihm daran so viel? Mir ging bald auf, dass mit diesem zusätzlichen Namen alles nur noch undurchsichtiger ge­worden war. Um ganz ehrlich zu sein - ich verstand immer weniger, was hier gespielt wurde. So wurde meine Laune schon wieder schlech­ter.

Und sie ging noch mehr in den Keller, als ich Betty nicht im Büro antraf. Wo trieb sie sich die ganze Zeit herum? Ich rief noch mal bei ihr zu Hause an, aber dort war sie anscheinend auch nicht. Oder sie nahm einfach den Hörer nicht ab. Verdammt, was nahm sie sich da heraus? Ich stieß einen kräftigen Fluch aus. Während ich nach einer Zigarette griff, schoss mir durch den Kopf, dass sie sich mit ihrer Pflichtvergessenheit womöglich an mir ein Beispiel nahm. Sie hatte ja mitgekriegt, dass ich mich zwar bezahlen ließ von Ben Warden, aber seinem Auftrag nicht nachkam. Dies allerdings aus gutem Grund und das wusste Betty nicht.

Ein Klopfen an der Tür ließ mich aufschrecken. Es war ein Bote, mit so rotem Haar, dass man über seine Abstammung nicht rätseln musste. Schließlich hatte ich selbst irische Vorfahren, nur dass mein Haar nicht ganz so rot war.

»Mister Connor?«, sprach der Typ mich an. »Sehen Sie hier sonst noch jemand?«, fragte ich ruppig zurück.

Mein Blick fiel flüchtig auf den leeren Schreibtisch zu meiner Linken -

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noch etwas, was ganz und gar nicht geeignet war, meine Stimmung zu heben. Joe Bonadore saß dort schon eine ganze Weile nicht mehr und mein Kompagnon hatte diese Welt alles andere als freiwillig verlassen.

»Ich frag ja nur«, rechtfertigte sich der Bote. »Weil ich den Brief hier ausdrücklich nur Mister Connor übergeben soll. Persönlich.«

»Dann tun Sie das endlich«, raunzte ich ihn an. »Und dann ver­schwinden Sie wieder.«

Auf dem Brief stand nicht mal ein Name, geschweige denn ein Ab­sender. Ich wartete, bis die Tür hinter dem Rotschopf zufiel, dann schlitzte ich den Umschlag auf. Er enthielt ein Stück Papier, auf dem wie in gewissen Romanen Worte klebten, die aus Zeitungen herausge­schnitten worden waren. »Kümmern Sie sich um Faye Mellis und um sonst gar nichts!«

Das Ausrufezeichen fand ich besonders lachhaft. Aber passte so ein Drohbrief zu Ben Warden? Wenn ich an seine abgetretenen Schuhe dachte - ja. Aber trotzdem, irgendwie war so etwas nicht sein Stil. Es sei denn, er trickste wieder einmal herum und hatte es darauf abgese­hen, mich noch einmal auf eine falsche Fährte zu locken. In meinem Kopf setzte eine Art Karussell ein, das meinem Wohlbefinden absolut nicht zuträglich war. So beschloss ich, erst einmal essen zu gehen. Ich rief Brendon an und erfuhr von einem Kollegen, dass er bereits in Hen­ry's Steak Diner saß.

*

»Hab gerade an dich gedacht«, begrüßte mich Brendon und säbelte sein Steak in kleine Stücke.

Ich setzte mich und bestellte mir dasselbe. Dazu ein ordentlicher Schluck und ich sah hoffentlich endlich wieder klar.

»Es gibt nämlich Neuigkeiten im Mord an dem Museumsdirektor«, fuhr Brendon fort. »Da gab es jetzt noch einen Toten.«

»Weiß ich schon«, winkte ich ab. »Und auch, dass man nun doch wieder diese Frau verhaftet hat?«

So wie Brendon grinste, wusste er, dass mir das neu war. »Patsy Dwyer?«, fragte ich ungläubig.

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Brendon nickte. »Der zweite Mord hat sie anscheinend überführt. Sie war mit dem Typen nämlich früher mal zusammen und er hat nicht akzeptieren wollen, dass Schluss ist. Ein typisches Beziehungsdrama, heißt es. Und nachdem die Lady ihre Hoffnungen auf den Museumsdi­rektor begraben musste und ihn umgelegt hat, sind jetzt anscheinend sämtliche Sicherungen bei ihr durchgebrannt.«

Was Brendon da vortrug, kam mir reichlich absurd vor. »Und was ist dann mit den verschwundenen Bildern?«

Brendon spülte seinen letzten Bissen mit einem kräftigen Schluck hinunter. »Das ist 'ne ganz andere Baustelle. Hat nichts mit den Mor­den zu tun. So jedenfalls kannst du es morgen in unserer Zeitung le­sen.«

Da war Hollyfield also zu seiner alten Theorie zurückgekehrt. Ich kannte ihn als vorsichtigen Mann. Dass er mit dem ersten Versuch, Patsy Dwyer einen Mord anzuhängen, nicht durchgekommen war, hat­te ihm garantiert mächtig zugesetzt. Wenn er es nun noch einmal tat, dann musste er neue Erkenntnisse haben. Einblicke, die mir fehlten. Mir dämmerte, dass mir auch dieses Mittagessen auf den Magen schlagen würde. Und daran hatte die Qualität meines Steaks keine Schuld.

Brendon entging natürlich nicht, in welcher Verfassung ich war. Und wie es seine Art war, kam er bald auch ganz direkt darauf zu sprechen. »Wieso interessiert dich diese Sache überhaupt so sehr? So verbissen kenne ich dich gar nicht.« Er hatte sich schon eine Zigarre angesteckt und musterte mich aufmerksam.

»Weil ich diese Patsy ausgerechnet in dem Moment kennen ge­lernt habe, als ihr Chef tot vor ihr auf dem Boden lag«, brummte ich.

»Ihr Chef und ihr Exliebhaber«, glaubte Brendon mich verbessern zu müssen.

»Meinetwegen auch das«, gab ich nach, ohne davon überzeugt zu sein. »Und dann ist es doch ein bisschen seltsam, dass ausgerechnet der Mann, der mir einen mehr als undurchsichtigen Auftrag erteilt, ganz plötzlich ebenfalls in diesem Museum auftaucht. Er spielt mit mir und das mag ich einfach nicht.«

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Brendon nickte. »Kann ich verstehen. Trotzdem hab ich das Ge­fühl, du verbeißt dich da in was. Manchmal gibt es eben gewisse Zufäl­le.«

Zufälle? Wenn, dann traten sie in dieser Angelegenheit reichlich gehäuft auf. Jede Menge Leute, die alle irgendwie miteinander in Ver­bindung standen. Klar, so was konnte vorkommen und musste nichts zu bedeuten haben. Oder befand ich mich doch auf dem Holzweg? Der Drohbrief fiel mir wieder ein und ich überlegte, ob ich Brendon davon erzählen sollte. Ich unterließ es, weil es mir einfach zu abgeschmackt vorkam.

Brendon redete weiter, aber ich hörte nicht richtig zu. Erst, als er den Namen Ben Warden aussprach, wurde ich aufmerksam.

»Der Anwalt hat jetzt erklärt, dass er das Museum verklagen will«, ließ Brendon mich wissen. »Anscheinend macht die Versicherung Schwierigkeiten und nun versucht er sich auf diese Weise schadlos zu halten. Beziehungsweise sein Mandant. Dürfte so ziemlich seine letzte Chance sein.«

»Du redest von Warden?«, vergewisserte ich mich. Und ich sah dabei wieder seine schiefen Absätze vor mir.

Brendon nickte. »Man redet so allerlei. Es heißt, er hat an der Bör­se spekuliert. Und dabei kein Glück gehabt. Auch hat er in letzter Zeit ein paar Prozesse verloren. Ein Mandant wie dieser Chromwell ist da ziemlich wichtig für ihn.«

War das endlich, gewissermaßen rein zufällig, die Information, die mir weiterhalf? Warden steckte also in ernsthaften Schwierigkeiten, er musste beweisen, dass er etwas konnte. Da dürfte ihm der Mord an Charles Galown ganz und gar nicht gelegen gekommen sein. »Er ist es übrigens, der versucht, mich an der Nase herumzuführen«, verriet ich Brendon endlich.

Er war baff. »Warden ist dein Klient?« Ich nickte. »Anfangs hatte ich keine Ahnung, wen ich da vor mir

hatte. Aber er hat gut bezahlt. Der Job schien eher lächerlich zu sein, aber was will man machen in solchen Zeiten.« Da ich schon mal dabei war, erzählte ich Brendon auch, dass Warden sich als Onkel der schö­

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nen Faye Mellis ausgegeben hatte. »An die erinnerst du dich doch wohl noch?«

Er nickte und schloss lächelnd für einen Moment die Augen. »So­gar ganz genau! Tja, aber auch die schönste Nichte hilft nichts, wenn man gewisse Probleme hat.« Er schaute auf seine Uhr. »Schon ziem­lich spät, ich muss in die Redaktion zurück. Halt die Ohren steif, alter Knabe!«

Als Brendon gegangen war, genehmigte ich mir noch einen Spezi­alkaffee. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte ich mich halbwegs gut. Ich tendierte nun auch dazu, Hollyfield Recht zu geben - die beiden Toten im Museum waren das eine, die verschwundenen Bilder etwas ganz anderes. Und vielleicht war Patsy Dwyer ja wirklich eine Mörde­rin. Während ich mir von Ben Warden ganz gut vorstellen konnte, dass er etwas mit den verschwundenen Bildern zu tun hatte. Vielleicht ver­suchte er da, gewisse Nebengeschäfte zu tätigen? Wenn er wirklich aus dem letzten Loch pfiff, wie Brendon angedeutet hatte, war alles denkbar.

Und in dem Fall wurde nun wirklich auch dieser Chromwell inte­ressant. Ich nahm mir vor, demnächst mehr über diesen Mann in Er­fahrung zu bringen, der es schaffte, sich so dezent im Hintergrund zu halten. Womöglich ja mit Ben Wardens Hilfe? Profitierten gar beide von dieser Zusammenarbeit?

*

Mit solchen Fragen im Kopf fuhr ich erst noch einmal ins Büro. Aber Betty war noch immer nicht da und auch jetzt blieb mein Anruf bei ihr erfolglos. So fuhr ich zum Hotel Stevens. Womöglich machte Betty sich ja dort wieder als Fayes Aufpasserin wichtig.

An der Rezeption erfuhr ich, dass Faye Mellis ausgegangen sei. Betty hatte niemand gesehen. Ich überlegte eben, ob ich mir allmäh­lich doch ernsthafte Sorgen machen müsste um meine Sekretärin, als mich jemand ansprach. Es war der Silbergraue, Fayes Verehrer.

»David Jackson«, stellte er sich mit einem leichten Kopfnicken vor. »Könnte ich Sie einen Moment sprechen?« Er lächelte seltsam verle­

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gen. Vermutlich war es nicht seine Art, fremde Menschen einfach so anzusprechen. Dann wies er auf eine etwas entfernte Sitzgruppe in der Lobby und ging mir dorthin voran. »Ihren Namen kenne ich bereits, Mister Connor«, bemerkte er dabei. »Faye hat ihn einmal erwähnt.«

»Und womit kann ich Ihnen helfen?« Ich setzte mich in den Sessel ihm gegenüber. Eine dermaßen distinguierte Aura ging von ihm aus, dass ich einigermaßen verunsichert war. Mit Männern wie ihm hatte ich noch nie zu tun gehabt.

»Ich war mit Faye verabredet, aber sie hat mich versetzt.« Ein Ausdruck leiser Selbstironie blitzte in seinen Augen auf. »Das geschieht in letzter Zeit immer öfter.«

»Das ist sicher bedauerlich für Sie«, entgegnete ich. »Aber warum erzählen Sie das mir?«

Er räusperte sich und zog ein goldenes Zigarettenetui aus seiner Jacketttasche, zusammen mit einem ebenfalls goldenen Feuerzeug. Er nahm eine Zigarette heraus, aber dann vergaß er offenbar, sie anzu­zünden. »Faye hat mir erzählt, dass Sie Detektiv sind. Das sind doch verschwiegene Leute, nicht wahr?« Wieder spielte dieses selbstironi­sche Lächeln um seinen Mund. Oder war seine Ironie doch eher auf mich gemünzt?

Er entzündete endlich seine Zigarette und starrte dann dem auf­steigenden Rauch hinterher. »Dass ich Faye liebe, sieht man mir ver­mutlich an«, begann er leise.

Ich rutschte etwas tiefer in meinen Sessel hinein und fühlte mich nun doch ziemlich peinlich berührt. Was erwartete mich da? Das Ges­tändnis einer unglücklichen Liebe? Was ging mich das an?

»Liebe, ja, das war es anfangs«, hörte ich ihn sagen. »Die dum­me, verzweifelte Liebe eines alten Mannes zu einer schönen jungen Frau. Etwas, womit man sich auf jeden Fall nur lächerlich machen kann. Mir war immer klar, dass es ihr um ganz andere Dinge ging. Sie hat ja auch nie ein Geheimnis daraus gemacht.«

»Sie ist an Ihrem Geld interessiert?«, warf ich ein, als er ver­stummte.

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Er winkte mit einem leisen Seufzer ab. »Das wäre nicht weiter schlimm. Der Normalfall sozusagen. Nein, um Geld geht es nicht. Je­denfalls nicht so direkt. Faye... Sie erpresst mich.«

Ich schluckte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Womit auch könn­te ein so distinguierter, sichtlich wohlhabender Mann erpresst werden? Einer, dem man wirklich ansah, dass er sein Leben lang anständig ge­wesen war? Welch ein Laster konnte solch ein Mann haben?

»Ich bin Mediziner«, ergriff er wieder das Wort. »Früher habe ich viel in der Forschung gearbeitet, ein eigenes Institut geleitet. Seit eini­gen Jahren zähle ich zum Beraterstab des Gouverneurs in Gesund­heitsfragen. Eine Funktion mit einigem Einfluss, wie Sie sich sicher denken können.« Er schwieg wieder.

Ich überlegte, einem der Kellner ein Zeichen zu geben. Was er mir da an Geständnissen zumutete, verlangte dringend nach einem or­dentlichen Schluck. Aber dann erschien es mir doch irgendwie unpas­send und ich begnügte mich mit einer weiteren Zigarette. »Und was hat das alles nun mit Faye zu tun?«, fragte ich. »Womit erpresst sie Sie?«

Er schlug die Augen nieder und wirkte plötzlich wie ein alter, ge­brochener Mann. »Kokain. Sozusagen ein Überbleibsel meines Berufs. Viele Kollegen haben dasselbe Problem. Ja, ich brauche das Zeug.«

Es war mir unangenehm, ihn so zerknirscht zu sehen. »Und Faye besorgt Ihnen das Zeug?«, vermutete ich aufs Geratewohl.

Er lächelte müde und schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Ich habe da andere Quellen, sehr diskrete Möglichkeiten. Aber stellen Sie sich vor, was es bedeutet, wenn mein Laster in der Öffentlichkeit bekannt wird! Ich, ein Berater des Gouverneurs, der für seinen gemä­ßigten Lebenswandel bekannt ist. Es wäre mehr als ein Skandal. Mein Lebenswerk wäre ruiniert.«

»Und was verlangt Faye dafür, dass sie schweigt?« Auch Jackson schwieg nun erst einmal, ziemlich lange sogar.

»Das, was ich wirklich liebe«, kam es ihm dann fast unhörbar über die Lippen. »Eine Liebe, für die ich mich nicht schämen muss. Aber Faye benutzt sie. Für sehr schmutzige Dinge.«

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Noch immer wollte er nicht wirklich mit der Sprache heraus, was mich zunehmend ungeduldig machte. Da stand er plötzlich auf. »Kommen Sie mit? Ich möchte Ihnen gern etwas zeigen.«

Er hatte diese so genannte natürliche Autorität an sich, dass ich tatsächlich aufstand und nickte. Er hatte einen Wagen mit Fahrer. Ich fuhr mit meinem Plymouth hinter ihm her in seine Villa, obwohl ich mir sagte, dass es verrückt und reine Zeitverschwendung sei. Müsste ich mich nicht endlich um Betty kümmern? In mir breitete sich immer mehr das Gefühl aus, dass es nicht Pflichtvergessenheit war, weshalb sie sich nicht mehr blicken ließ.

*

Die Villa von David Jackson war im Grunde ein Museum. Schon in der holzgetäfelten Eingangshalle - nichts als Bilder, bis hinauf zur Decke. Eine sehr hübsche junge Schwarze in dunkelblauem Kleid und weißer Schürze nahm uns Hüte und Mäntel ab, eine andere Bedienstete führte uns in einen Salon. Auch hier kam ich mir vor wie in einem Museum, denn hier gab es noch mehr Bilder.

Und wenn Jackson während der Fahrt noch still und sogar be­drückt gewirkt hatte, so ging nun eine erstaunliche Verwandlung mit ihm vor. Er ließ uns Sherry bringen und dann begann er nach einem ersten Schluck über all diese Gemälde zu reden. Aber nicht auf die trockene Art eines Kunsthistorikers tat er das. Nein, er schwärmte re­gelrecht, ganz so, wie andere Leute vielleicht von einer schönen Frau schwärmen. Er stand auch bald auf und ging herum, wobei er immer wieder auf ein anderes Bild wies. Ich staunte, was alles man in den Farben und Formen auf den Leinwänden erkennen konnte und so mit­reißend, wie er darüber sprach, erhob ich mich ebenfalls und folgte ihm.

Endlich verstummte er. Wir standen vor einem ziemlich großfor­matigen Bild, der Maler hieß Edward Hopper - ein Mann noch ganz am Beginn seiner Karriere, wie Jackson sagte, von dem man gewiss noch viel hören werde. Er habe das Talent des Mannes, der sich zunächst als Illustrator durchs Leben geschlagen hatte, schon früh erkannt und

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ihn nach Kräften gefördert. »Und belohnt wurde ich mit der größten Sammlung seiner Bilder in Privatbesitz«, schloss er mit einem ver­träumten Lächeln. »Ich darf mich sogar rühmen, mit Hopper befreun­det zu sein. Manchmal lädt er mich in sein Atelier ein und zeigt mir ein Bild, das eben erst fertig geworden ist.«

»Und was hing hier?« Ich wies auf einen weißen Fleck an der Wand, dessen gelbliche Umrandung verriet, dass auch an dieser Stelle bis vor kurzem ein Bild gehangen hatte.

Abrupt drehte Jackson sich um und trat an eines der bis zum Bo­den reichenden Fenster auf der anderen Seite des Raumes. »Genau um dieses Bild geht es«, stieß er gepresst hervor und massierte sich dabei die Schläfen. »Es ist gewissermaßen zum Köder geworden und...«

Da stockte er schon wieder und auch meine Aufmerksamkeit wur­de durch Schreie im Garten draußen abgelenkt. Sie kamen von einer Art Pavillon im chinesischen Stil und gleich darauf sah ich zu meiner nicht geringen Verwunderung Betty durch den Garten rennen. Sie war es auch, die so laut schimpfte. In einiger Entfernung folgte ihr der Hinkende, also Jack Philley. Er hielt sich den Kopf.

Jackson schien kein Interesse an den Vorgängen da draußen zu haben. Ich dafür umso mehr. Durch eine Glastür verließ ich den Salon und rannte quer durch den Garten, in der Richtung, in der Betty ver­schwunden war. Am Tor unten holte ich sie ein. Sie rüttelte energisch daran, als könne sie es dadurch öffnen. Mich hatte sie noch immer nicht bemerkt.

»Betty, was machen Sie denn hier!«, rief ich ihr zu. Ein kleines bisschen verblüfft, aber vor allem wütend sah sie mich

an. »Ach was, endlich doch noch? Sie haben sich ja wirklich viel Zeit gelassen! Genau betrachtet, brauche ich Sie jetzt nicht mehr. Nun hab ich es ja allein geschafft!«

In diesem Moment erschien ein Bediensteter und öffnete uns die Tür. Vermutlich hatte das Jackson veranlasst. Betty rannte sofort da­von.

»Nun beruhigen Sie sich doch!« Ich holte sie ein und griff nach ih­rem Arm. »Ich frag mich schon die ganze Zeit, wo Sie stecken und...«

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»Und, mit welchem Ergebnis?«, fauchte sie mich an. »Ich bin ent­führt worden, stellen Sie sich das nur mal vor! Von diesem Hinkebein. Ansonsten wurde ich ja nicht schlecht behandelt und das kleine Tee­haus ist gar nicht so unkomfortabel. Aber ich hätte ja doch erwartet, dass Sie sich etwas mehr um Ihre Mitarbeiterin kümmern!«

Ich wies auf mein Auto. »Steigen wir doch erst einmal ein«, schlug ich ihr vor.

Zornig schüttelte sie meinen Arm ab, aber dann nahm sie doch auf dem Beifahrersitz Platz. Ich setzte mich neben sie und schlug den Weg in die Loop ein, um zum Büro zu fahren.

»Wieso hat Philley ausgerechnet Sie entführt?«, fragte ich Betty. »Meinen Sie damit den Hinkenden?« Sie grinste plötzlich und be­

schrieb dann, wie sie ihm mit einem simplen Besenstiel eins über den Kopf gehauen hatte. »Er wollte mir etwas zu essen bringen und hat absolut nicht damit gerechnet, dass ich nicht ewig dort schmoren will. Ich schätze mal, er wird eine ganz nette Beule als Erinnerung zurück­behalten.«

Ich spürte, dass sie nun ein Lob erwartete. »Nicht schlecht«, murmelte ich. »Aber wozu das Ganze?«

»Ist es nicht eigentlich Ihr Job, so was raus zu finden?«, versetzte sie barsch. »Wirklich, Chef, dass Sie mich so im Stich lassen würden, das hätte ich nie gedacht!«

Mir fiel der ominöse Drohbrief ein und ich sagte mir, dass Bettys Entführung wohl damit in Verbindung stand - ich sollte abgelenkt wer­den, zu tun haben, wenn nicht mit Faye, dann eben mit meiner Sekre­tärin. Aber wovon um alles in der Welt wollte man mich ablenken? Noch etwas sprach dafür. »Man hat Sie ja ziemlich leicht entkommen lassen«, bemerkte ich.

Damit erntete ich natürlich einen erneuten Wutausbruch Bettys. »Leicht? Na hören Sie mal! Haben Sie 'ne Ahnung, wie ich zuschlagen musste! Und gelungen ist mir das nur, weil ich 'nen kühlen Kopf be­wahrt hab. Möchte wetten, dass ein verwöhntes Dämchen wie Faye zum Beispiel in so einer Situation die Nerven verloren hätte!«

Betty brauchte wirklich noch etwas mehr Lob, begriff ich. Und so lobte ich sie. Und schlug ihr dann vor, sich doch wieder als Sekretärin

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zu betätigen. »Im Büro dürften Sie doch halbwegs sicher sein, meinen Sie nicht auch?«

»Hoffen wir es.« Sie seufzte und streifte mich mit einem verächtli­chen Blick.

Als wir in der Ecke South Franklin/Monroe Street eintrafen, verab­schiedete ich mich von ihr. Da wirkte sie plötzlich ganz ängstlich. »Sie kommen nicht mit rauf?«

»Nein, ich fahre zur Chicago Tribune. Aber es wird bestimmt nicht lange dauern.«

Betty war ein tapferes Mädchen, wie mir wohl das kleine Lächeln jetzt beweisen sollte. Aber in ihren Augen las ich doch, dass ihr die Entführung ganz schön zugesetzt hatte. »Wenn der Fall abgeschlossen ist, lade ich Sie zum Essen ein«, schlug ich ihr vor, um sie vielleicht etwas aufzumuntern.

Eigentlich hatte ich eine eher patzige Ablehnung erwartet. Aber sie stimmte tatsächlich zu.

*

Brendon hatte mächtig viel zu tun, in einer guten Stunde musste sein Artikel über den neuen Trainer der White Socks fertig sein. Aber er ließ mich dennoch nicht im Stich und hatte eine Sekretärin auch schon ins Archiv geschickt. Und zwar mit dem Auftrag, alles herauszusuchen, was irgendwann über einen Mann namens Wesley Chromwell bekannt geworden war. Bei einer Tasse Kaffee wartete ich nun gespannt auf die Ausbeute. Dabei bemerkte ich wieder einmal, wie animierend der Lärm in der großen Redaktion sein konnte, wo sich lebhafte Stimmen mit dem Klingeln von zahllosen Telefonen vermischten. Vielleicht war die Aufregung im Moment noch etwas größer als sonst, denn Hollyfield hatte angekündigt, dass er die Vertreter der Presse am nächsten Tag umfassend über die beiden Morde im Museum informieren wollte. Er hatte immerhin schon durchsickern lassen, dass der Fall nun endgültig gelöst sei, hatte aber noch interessante Details angekündigt. Die ver­schwundenen Bilder spielten im Moment eine eher untergeordnete Rolle, zum Ärger der Redakteure des Feuilletons.

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Als ich ungefähr die dritte Tasse Kaffee geleert und wer weiß wie viele Luckys geraucht hatte, kam die Sekretärin aus dem Archiv zu­rück. Und zwar gleich mit einem ganzen Stapel unterschiedlich alter Zeitungen.

»Da werden Sie 'ne ganze Weile zu lesen haben«, meinte sie und bedachte mich mit einem mitleidigen Lächeln. »Ich hab alle in Frage kommenden Stellen markiert.«

Brendon sah nicht eben begeistert drein, als ich mit der Ausbeute aus dem Archiv an seinen Schreibtisch kam. Der war überladen wie immer, aber an einer Ecke verschaffte ich mir etwas Platz. Brendon kommentierte es mit einem Grunzen.

Ich ignorierte ihn und begann zu lesen. Alles, was neueren Da­tums war, enthielt nichts wirklich Interessantes. Von Chromwells Rei­sen nach Europa wurde berichtet, auch, dass er es drüben zu Geld gebracht habe. Womit, das blieb im Dunkeln. Aber wer fragte da schon so genau nach, wenn jemand wie Chromwell bei angesehenen Leuten verkehrte, einflussreiche Personen kannte und allseits ein gern gese­hener Gast war? In Europa, so war zu lesen, hatte er sich zum Kunst­kenner und Sammler entwickelt. Seine Rückkehr in die Staaten war ein gesellschaftliches Ereignis gewesen und entsprechend gefeiert worden. Zumal er sich inzwischen als Mäzen betätigte, der junge Maler unter­stützte und seine Sammlungen künftig auch zu verleihen gedachte, wie eben nun zum ersten Mal an das Chicago Art Institute.

Nach all dem, was ich da las, war Chromwell ein so ausnehmend großzügiger Mensch, dass ich immer misstrauischer wurde. So griff ich endlich zu einer Zeitung ganz unten im Stapel - sie war schon drei Jahre alt. Und da wurde Chromwell nicht im Feuilleton erwähnt, son­dern unter der Rubrik Vermischtes. Es ging um kleinere Gaunereien, Trickbetrug, Einbruch und so weiter, nichts richtig Großes. Der Gedan­ke lag zunächst nahe, dass es da nur um einen Namensvetter ging. Chromwell, das war schließlich kein allzu seltener Name.

Dann aber las ich etwas, das doch dafür sprach, dass es um ein und dieselbe Person ging. Etwa zwei Jahre lag das zurück, Chromwell wurde da im Zusammenhang mit einem Antiquitätenhändler erwähnt und einer groß angelegten Fälschungssache. Es war um Möbel gegan­

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gen, angeblich antik und aus Europa stammend - in Wirklichkeit aber waren sie in einer Werkstatt in Kanada drüben zusammengezimmert und mit der nötigen Patina versehen worden. Damals war es auch zu einem Prozess gekommen und an dessen Ende war Chromwell für fast ein Jahr im Knast verschwunden.

Ich ließ die Zeitung sinken, mein Mund war ganz trocken gewor­den von den vielen Zigaretten und vielleicht auch von dem Gefühl, endlich auf eine wirklich heiße Fährte gestoßen zu sein. Ich überlegte, was alles passieren konnte in einem Jahr Knast. Wie viele Leute man dort kennen lernen konnte, auch ganz neue Kontakte schließen. Und anschließend dann der Aufenthalt in Europa, die Ankunft dort als No­body. Und endlich dieser kometenhafte Aufstieg, die triumphale Heim­kehr. Vielleicht war sie ja vorbereitet worden mit der Hilfe eines Man­nes namens Ben Warden? Der selbst zu kämpfen hatte, um seinen Ruf als erfolgreicher Anwalt zu wahren? Und hatte Dunky im Zusammen­hang mit Pete Dolphin nicht auch einmal einen Antiquitätenhändler er­wähnt?

In meinem Kopf ging ziemlich viel durcheinander, aber vorherr­schend wurde nun doch der Eindruck, dass sich die Einzelteile mehr und mehr auf eine Weise zusammenfügten, dass allmählich ein Bild entstand. Auch wenn mir natürlich noch immer die letzten, entschei­denden Steinchen des Puzzles fehlten.

»Du siehst aus, als hättest du soeben das Ei des Kolumbus gefun­den«, sprach mich Brendon an. Er kicherte und machte einen ziemlich zufriedenen Eindruck. »Wie ist es? Mit meinem Artikel bin ich fertig. Ich hab so das Gefühl, man sollte jetzt etwas trinken gehen.«

Das war genau der richtige Vorschlag in diesem Moment. Ich bat Brendon noch um ein paar Minuten und machte mir ein paar letzte No­tizen. Als wir die Redaktion verließen, stand die Sonne schon ziemlich tief. Der Feierabendverkehr war lebhaft und wir brauchten länger als sonst zu unserem Ziel. Aber dann schmeckte der Whiskey umso bes­ser.

*

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Betty war schon im Büro, als ich am nächsten Morgen dort eintraf. Sie wirkte ziemlich zufrieden und ihre Fingernägel waren frisch lackiert. Offenbar genoss sie es, nun wieder Sekretärin zu sein und sonst gar nichts.

»Hollyfield hat schon angerufen«, informierte sie mich und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein.

»Was wollte er?« Ich legte Hut und Mantel ab. »Damit wollte er der Sekretärin gegenüber natürlich nicht rausrü­

cken.« Sie grinste mich an. »Aber wichtig wäre es, hat er gesagt. Und dass Sie zurückrufen sollen.«

Ohne dass ich sie darum bitten musste, griff Betty zum Hörer und sorgte dafür, dass ich eine Verbindung bekam. Natürlich war ich ge­spannt, was Hollyfield mir zu sagen hätte, ganz kurz vor der Presse­konferenz.

»Das Ganze ist ein bisschen heikel«, eröffnete er mir. »Und ich lasse mich nur darauf ein, weil ich an die Lady einfach nicht richtig rankomme. Und weil ich Sie ja ein bisschen kenne.«

»Sie verraten mir doch bestimmt gleich, worum es geht?«, dräng­te ich ihn zu etwas mehr Präzision.

»Aber sicher doch.« Er räusperte sich. »Es geht um unsere Haupt­verdächtige bei den beiden Morden. Um Patsy Dwyer also.«

»Ich denke, die sitzt in Untersuchungshaft?« »Genauso ist es«, bestätigte mir der Leiter der Mordkommission.

»Die Frau ist ziemlich labil. In der letzten Nacht hatte sie einen Kreis­laufkollaps. Wenn sie endgültig zusammenbricht, habe ich nichts da­von. Bislang habe ich ja nur Indizien. So ein richtig nettes Geständnis, das ist es, was mir fehlt.«

»Und wie komme da nun ich ins Spiel?«, fragte ich und verbrann­te mir an einem heißen Schluck Kaffee die Zunge.

»Patsy Dwyer will mit Ihnen reden«, spuckte Hollyfield es endlich aus. »Und zwar möglichst bald. Und da ich mir davon einiges verspre­che... Sie werden sich vorstellen können, wie sehr ich mit dieser Sache unter Druck bin. Können Sie kommen?«

Ich zierte mich nicht lange und sagte zu. Allerdings ließ ich Holly­field nichts davon mitkriegen, wie neugierig ich auf die Begegnung mit

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Patsy Dwyer war. Wenn er so überzeugt davon war, dass die Morde und die verschwundenen Bilder nichts miteinander zu tun hatten, dann war das sein Problem. Ich sah das nämlich mittlerweile wieder anders. Und ich ging davon aus, dass ich von Patsy in diesem Zusammenhang einiges erfahren könnte.

»Und was hat er nun gewollt?«, fragte Betty, als ich den Hörer auflegte. Sie entfernte dabei einige Flusen von ihrer weißen Bluse.

»Meine Hilfe«, erwiderte ich so freundlich wie nichts sagend. »Sie kommen doch hier ausnahmsweise für eine Weile auch ohne mich klar?«

»Wieso nicht?« Sie gab sich betont gelangweilt. »Schließlich mach ich den Job schon ein bisschen länger. Und wenn Sie nicht die Einla­dung zum Essen vergessen...«

Ich nahm es als gutes Zeichen, dass Betty sich nach dem Schre­cken ihrer Entführung wieder so ruppig gab wie immer, griff nach Hut und Mantel und verließ das Büro, um zum Untersuchungsgefängnis zu fahren. Eigentlich kein schöner Ort und schon gar nicht an so einem Frühlingstag. Trotzdem pfiff ich während der Fahrt vergnügt vor mich hin.

*

Immer noch eine Tür, das Rasseln der Ketten, an denen die Wärter die mächtigen Schlüsselbunde trugen, endlose Flure und gleich mehrmals wurde ich durchsucht. Ich ließ es so stoisch wie nur möglich über mich ergehen. Vorschrift ist nun mal Vorschrift.

Dann endlich wurde ich in einen kleinen Raum geführt, in dem Patsy Dwyer bereits saß. Nur wenig Licht fiel durch das vergitterte Fenster, an den mit undefinierbarer Farbe gestrichenen Wänden brö­ckelte der Putz. Der Tisch, an dem Patsy auf mich wartete, war aus zerkratztem Metall, genau wie die beiden Stühle. Auf den freien setzte ich mich.

»Haben Sie zufällig 'ne Zigarette für mich?«, fragte Patsy, noch bevor ich sie hätte begrüßen können.

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»Klar.« Ich legte die noch fast volle Packung Luckys auf den Tisch und zückte auch schon mein Feuerzeug.

Gierig inhalierte sie den Rauch. Sie trug noch nicht die Anstalts­kleidung, sondern ein Kostüm wie kürzlich im Museum. Aber irgendwie färbte die Umgebung darauf ab, es wirkte nicht richtig sauber. Und der Kragen ihrer weißen Bluse war zerdrückt.

»Es geht um die Beerdigung«, begann sie unvermittelt. »Petes Leiche wird ja jetzt freigegeben. Und ich möchte, dass er anständig unter die Erde gebracht wird. Auch das Geld dafür habe ich. Aber je­mand müsste sich darum kümmern.«

Ich hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit. Ent­sprechend verdattert sah ich sie an.

»Er hat niemanden außer mir«, sagte sie und schaute an mir vor­bei dem Rauch hinterher, der in einer dünnen Spirale zur grauen De­cke aufstieg. »Und ich habe ihn doch geliebt. Auch wenn er das nicht verstanden hat.«

»Und deshalb haben Sie ihn erschossen?«, fuhr ich dazwischen. »Ich?« Sie lachte kurz auf. »Wieso hätte ich das tun sollen? Ich

hab ihn wirklich geliebt. Auch wenn ich ihn verlassen hab. Das sollte ja nur vorübergehend sein. Damit wir beide es anschließend besser ha­ben.« Sie drückte mit einer fahrigen Geste ihre Zigarette in dem A­schenbecher aus billigem Blech aus. »Er hat es mir einfach nicht ge­glaubt. Und weil er dachte, dass sowieso alles verloren sei, ist er zum Museum gekommen. Keine Ahnung, was er wollte. Vermutlich hatte er gar keinen richtigen Plan. Irgendwie Rache, das mag ihn angetrieben haben.« Sie griff zur nächsten Zigarette und wieder gab ich ihr Feuer. »Versprechen Sie mir das? Dass Sie sich um seine Beerdigung küm­mern?«

Ich nickte. »Dann haben Sie auch Galown nicht getötet?« »Natürlich nicht.« Wieder lachte sie kurz auf. »Und wieso erzählen Sie dann Hollyfield nicht, wie es wirklich

war? Dann müssten Sie nicht länger hier sitzen und könnten die Beer­digung selbst organisieren.«

»Tja, wenn das so einfach wäre!« Sie nestelte an ihrem Haar her­um. So sorgfältig wie sonst war sie nicht frisiert, aber sie hielt sichtlich

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auch hier im Gefängnis darauf, einen gewissen Stil zu wahren. »Viel­leicht wäre ich dann frei. Aber mit ziemlicher Sicherheit auch bald ge­nauso tot wie Pete. Denen geht es nämlich um alles, die sind nicht zimperlich. Und ich auf freiem Fuß - da wäre ich das nächste schwache Glied in der Kette. So wie Pete, wie Galown.«

»Die wussten alle beide, worum es ging?«, hakte ich nach. »Pete zum Teil, Galown war völlig ahnungslos. Es hatte bis zu je­

nem Tag ja auch ganz gut geklappt. Aber dann ist er wohl darauf ge­kommen, dass die Bilder...« Sie stockte.

»Was war mit den Bildern?«, drängte ich. Sie schüttelte den Kopf und presste ihre Lippen zu einem schma­

len Strich zusammen. »Es gibt schon zwei Tote wegen dieser Bilder. Ich habe keine Lust, ihnen Gesellschaft zu leisten. Da ist mir sogar der Knast lieber.«

Sie griff zur nächsten Zigarette, ich ließ noch einmal die Flamme meines Feuerzeugs aufblitzen. Ich wartete eine Weile, aber sie schien entschlossen, kein Wort mehr über ihre Lippen kommen zu lassen. Also kam ich auf den Gedanken, laut nachzudenken und dabei auf ihre Reaktionen zu achten. Ich stand auf, vier Schritte hin, vier Schritte zurück, so viel Bewegungsfreiheit ließ der kleine Raum mal eben so zu. Und ich musste mich nun ganz einfach ein bisschen bewegen, um dem Gedankensalat in meinem Kopf endlich eine sinnvolle Form zu geben.

»Galown müsste wegen der Bilder sterben, nehme ich mal an«, begann ich. »Vielleicht waren sie ja geklaut? Chromwell hat das ge­meinsam mit Warden organisiert und vermutlich hatte dabei auch die schöne Faye ihre Rolle zu spielen. Nicht zu vergessen Jack Philley, der gerade erst aus dem Knast kam. Und dann hat Galown irgendwie Wind davon bekommen. Natürlich wollte er den Schwindel auffliegen lassen. Was prompt diese Kugel in Bewegung setzte, die dann in seinem Kopf landete. Fragt sich nur noch, wer sie auf diesen Weg gebracht hat. Chromwell selbst? Oder gar Faye? Vielleicht auch Ben Warden. Oder hat man für diese eher schmutzigen Seiten des Deals Philley einge­setzt?«

Ich spekulierte so vor mich hin und ließ Patsy dabei nicht aus den Augen. Doch sie hatte sich wirklich meisterhaft unter Kontrolle. Kein

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Lid zuckte und je länger ich redete, umso mehr nahm ihr Gesicht das Aussehen einer antiken Statue an. Bis dann plötzlich... mit ihrem Mund was nicht stimmte. Ihre Lippen begannen zu zucken. Kämpfte sie ge­gen Tränen an?

Ich sagte nichts mehr und stand genau vor dem Fenster, durch das Licht hereinfiel. Patsy rückte dadurch in ein seltsames Dämmer­licht.

»Es ist nicht ganz so, wie Sie vermuten«, sagte sie endlich. »Aber die Richtung stimmt ungefähr.«

»Aber wieso sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit?«, bedrängte ich sie. »Wollen Sie für etwas bestraft werden, das Sie gar nicht be­gangen haben?«

»Knast ist allemal besser als der Tod«, versetzte sie trocken. »Zumal, wenn mir ein tüchtiger Anwalt zur Seite steht. Und das wird der Fall sein, wenn ich mich als zuverlässig erweise.« Wieder zuckten ihre Mundwinkel. »Da komme ich nach ein paar Jahren wieder heraus. Und fang halt einfach von vorne an.« So niedergeschlagen, wie sie in diesem Moment aussah, klangen diese Zukunftsperspektiven alles an­dere als realistisch.

Ich wartete noch einen Moment, aber sie schien nun entschlossen, ihr Schweigen durchzuhalten.

»Behalten Sie die Zigaretten«, sagte ich zum Abschied. »Danke.« Sie sah mich nun wieder direkt an. »Und was die Beer­

digung von Pete angeht, da kann ich mich auf Sie verlassen?« »Können Sie«, versprach ich. »Und was das andere angeht...« Ich war schon an der Tür und

wartete auf den Schließer, als sie doch noch etwas sagte. »Jack Philley ist ein ziemlich guter Maler. Auf dem Gebiet der richtigen Kunst hatte er nie eine Chance. Deshalb hat er sich auf Fälschungen verlegt. Und diese Zahlen auf der Liste, bestimmt haben Sie sich das doch ange­schaut... Es waren die Maße der Bilder.«

Der Schließer kam und Patsy verstummte. Aber mit ihren Worten hatte sie in meinem Kopf doch ein Feuerwerk entzündet, das nun alles endlich ins richtige Licht rückte.

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*

Anschließend erwartete mich Hollyfield in seinem Büro. An einem Schreibtisch bekam ich ihn selten zu sehen und irgendwie sah er selt­sam aus dahinter. Zu groß und gleichzeitig doch auch zu klein. Er war eben kein Schreibtischhengst, das zeigte sich schon daran, wie er ständig auf dem gepolsterten Drehstuhl herumrutschte.

»Also, Connor, was hat die Lady denn nun ausgespuckt?«, begann er die Unterredung.

Ich fühlte mich unbehaglich. Einerseits verstand es sich von selbst, dass Hollyfield gewisse Informationen von mir erwartete. Aber andererseits fühlte ich mich Patsy Dwyer verpflichtet. Ich wählte den­selben Ausweg wie sie. »Jack Philley. Lassen Sie Ihre Leute doch mal seine Akte heraussuchen. Und wenn die schon dabei sind - über Wes­ley Chromwell müsste sich auch etwas finden lassen.«

Hollyfield machte sich zwar Notizen, aber eher mechanisch. Er hielt das alles für eine nebensächliche Einleitung. »Hat diese Dwyer denn nun endlich gestanden?«, blaffte er mich endlich an.

»Sie hat nichts, was sie gestehen müsste. Außer Angst. Und ihrer Liebe zu einem kleinen, inzwischen toten Buchmacher«, erwiderte ich.

An Hollyfields Stirn schwoll eine Ader bedrohlich an. »Connor, was soll das?«

»Die Morde haben eben doch was mit den verschwundenen Bil­dern zu tun«, erwiderte ich. »Nun bringen Sie schon endlich Ihren Apparat in Gang! Ich bin sicher, Ihre Leute werden fündig.«

Ich blieb einige Stunden im Präsidium und tatsächlich klärte sich nun alles ziemlich rasch. Die Akte über Jack Philley war mehr als auf­schlussreich. Als Hollyfield es begriff, schickte er einige Leute los, um den Hinkenden zu verhaften. Bei Chromwell hielt er das nicht für nötig, er bat ihn einfach, zu einer Unterredung zu kommen.

Was Chromwell auch anstandslos tat, natürlich in Begleitung sei­nes juristischen Beraters Ben Warden. Und wie der Zufall so spielte - auch Faye Mellis kam gleich mit.

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»Wir werden Chicago nämlich morgen verlassen«, erklärte War-den geschwollen. »Fayes Vater erwartet uns auf dem Land. Nach all den Aufregungen haben wir etwas Entspannung dringend nötig.«

Nach und nach begriff auch Warden, dass er diese Entspannung eher im Gefängnis finden würde. Hollyfield führte natürlich die Verhö­re, aber an den entscheidenden Stellen griff jedes Mal ich ein. Häufig improvisierte ich nur, aber die Reaktionen von Chromwell, Warden und Faye gaben mir Recht. Und so ergab sich dann allmählich das Bild ei­nes ziemlich perfekten Plans.

Ausgeheckt hatte ihn Chromwell während seiner Zeit im Gefäng­nis. Dort hatte er Philley kennen gelernt, diesen begnadeten Maler, der aufgrund seiner Herkunft und mangelnder finanzieller Mittel keinen Zugang zur hehren Welt der Kunst fand. Aber der eben auch malen konnte, was immer verlangt war, wirklich jeden Stil beherrschte er perfekt. Ben Warden wurde dann rasch das Bindeglied nach draußen, er hatte Chromwells Abreise nach Europa ebenso organisiert wie seine Rückkehr - und natürlich auch die Sache mit dem Art Institute ein­gefädelt. Es war schon eine geniale Idee - gefälschte Bilder in einem so hoch angesehenen Museum! Waren sie dort einmal ausgestellt, wurde niemand mehr ihre Echtheit bezweifeln, im Gegenteil, ihr Marktwert würde steigen.

Den Einstiegsköder hatte Faye geliefert. Sie gab es unumwunden zu, als ich meinen Verdacht ganz offen äußerte. Sie hatte David Jack­son gezwungen, den echten Hopper herauszurücken. Der war von Galown und seinen Mitarbeitern gründlich geprüft und natürlich für echt befunden worden. Bei den anderen Gemälden hatte man es dann schon nicht mehr so genau genommen. Es war für Galown bestimmt sehr verlockend gewesen, mit einer so hochkarätigen Ausstellung auf­trumpfen zu können. Und dann war da ja auch noch Patsy gewesen. Sie hatte den Part übernommen, Galown etwas zu bezirzen und in den entscheidenden Momenten immer wieder abzulenken. Man hatte ihr ein hübsches Sümmchen dafür in Aussicht gestellt - genug, um damit anschließend mit Pete Dolphin ein gutes Leben führen zu können.

Der Buchmacher selbst war nur am Anfang mit von der Partie ge­wesen. Denn anfangs hatte man noch geplant, die gefälschten Bilder

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über einen Antiquitätenhändler zu verscherbeln. Das allerdings hatte nicht funktioniert, die Maler der Bilder waren einfach zu bekannt, um sie auf diesem Weg an zahlungsfähige Kunden zu bringen.

So war Pete überflüssig geworden, Patsy aber nicht. Und Pete hat­te sterben müssen, weil er irrtümlich gedacht hatte, Patsy sei ihm un­treu geworden. Deshalb hatte er alles auffliegen lassen wollen - und so dasselbe Ende genommen wie der Museumsdirektor.

Und wer hatte die Kugeln abgefeuert? Auch in diesem Punkt hatte ich lange Zeit nur einen Verdacht. Als Ben Warden so grau im Gesicht aussah, wie seine Absätze abgetreten waren, riskierte ich auch hier einen Versuch. Er erwies sich als Volltreffer: Warden gestand, den Museumsdirektor ebenso wie Pete Dolphin erschossen zu haben. Für ihn ging es, mehr noch als für alle anderen, um alles oder nichts. Und er glaubte einfach daran, dass sein Plan perfekt sei.

Aber vielleicht war er ja ein bisschen zu perfekt gewesen? War-den, Faye und der kunstsinnige Chromwell saßen schon in den Zellen, als Hollyfields Leute endlich auch Philley ausfindig gemacht hatten. Und der hinkende glatzköpfige Mann war Künstler genug, um voller Stolz von seiner Arbeit und auch allen Begleitumständen zu reden. Klar, auch das Fälschen von Bildern war letzten Endes nur ein Hand­werk. Und während auch er schließlich in eine Zelle geführt wurde, erteilte Hollyfield die Anordnung, Patsy Dwyer auf freien Fuß zu set­zen.

»Das war ja nun doch alles ziemlich anders als gedacht.« Es war schon dunkel, als Hollyfield mich hinausbegleitete. Er wirkte ein kleines bisschen verlegen.

»Im Grunde sind wir doch Kollegen«, kam ich ihm augenzwin­kernd zu Hilfe. »Und da wäscht nun mal eine Hand die andere, nicht wahr?«

*

Betty war stinksauer, als ich am nächsten Tag erst gegen Mittag ins Büro kam. »Ich warte mich hier zu Tode. Sie haben mich zum Essen eingeladen. Schon vergessen?«

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»Nicht vergessen«, beteuerte ich. »Gestern kam nur einiges da­zwischen. Aber wenn Sie zufällig jetzt Hunger haben?«

Wenig später saßen wir vor einem saftigen Steak, einem gut ge­füllten Glas. Ich erzählte Betty nach und nach alles.

»Aber wieso musste ich dann entführt werden?«, fragte sie und zog die hübsche Stirn kraus.

»Das galt eigentlich nicht Ihnen, sondern mir«, erwiderte ich. »Ein Ablenkungsmanöver. Weil ich den Auftrag, Faye zu bewachen, nicht ernst nahm, kamen Sie ins Spiel.«

Betty stieß hörbar die Luft aus. »Bloß dass Sie das gar nicht be­merkt haben!«

»Tja, jeder macht mal einen Fehler.« Ich grinste sie an und bei einem zweiten Glas verzieh sie mir endgültig.

Als wir das Lokal verließen, wurde wieder mal eine Extraausgabe der Chicago Tribune verteilt. Es ging um den angesehenen David Jack­son, den Berater des Gouverneurs. Für alle überraschend, hatte er die vertrauensvolle Aufgabe niedergelegt. Künftig wolle er nur noch für seine Gemäldesammlung leben, ließ er als Begründung bekannt ge­ben. Und auch, dass er ein besonders wertvolles Stück, ein Bild des jungen aufstrebenden Malers Edward Hopper, nun endlich zurückbe­kommen habe. Es sei ihm kürzlich gestohlen geworden.

Zwischen den Zeilen las ich heraus, dass Jackson wohl eine Ah­nung gehabt hatte, zu welchem Zweck sein Hopper-Gemälde einge­setzt wurde - als einziges echtes Bild nämlich eine große, komplett gefälschte Sammlung glaubwürdig zu machen.

Das Bild war sogar abgebildet. Es galt als Rarität, weil Hopper sonst kaum Porträts malte. Ich erkannte darin ziemlich eindeutig Jack­son selbst.

Betty hingegen tat sich schwer damit. »Das sieht aus, als ob am Mund was nicht stimmt«, murmelte sie.

Natürlich musste ich da lachen. Betty interessierte sich aber schon nicht mehr dafür, sie hatte noch eine Verabredung. So ging ich allein ins Büro, voller Zuversicht - war es nicht möglich, dass schon in den nächsten Stunden jemand den Weg zu mir fand, der dringend meine

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Hilfe brauchte und dafür auch zumindest den ganz normalen Satz zah­len konnte?

Ende

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