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Patientensicherheit Cockpit und OP-Saal: Checklisten ... · Cockpit und OP-Saal: Checklisten...

Date post: 18-Sep-2019
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Cockpit und OP-Saal: Checklisten bewähren sich auch in der Chirurgie In der Vergangenheit wurde der Patienten- sicherheit als wesentlichem Qualitätsmerk- mal des Behandlungsprozesses ungenü- gende Beachtung geschenkt. Angestoßen durch den Report To Err Is Human: Buil- ding a Safer Health System des Instituts of Medicine in den USA im Jahr 2000 [6] wurde sie auch bei uns zu einem zentra- len Thema. 2005 hat der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Prof. Matthias Rothmund, Feh- lervermeidung und Patientensicherheit zum Leitthema des von ihm geleiteten Deutschen Chirurgenkongresses gewählt und damit auch heftige Reaktionen aus- gelöst. Die Diskussionen haben sich vor allem durch die Aktivitäten des Aktions- bündnisses Patientensicherheit e.V. (APS) in den letzten Jahren versachlicht [1]. Tatsache ist, dass es bei vielen Patienten im Rahmen der routinemäßigen medizi- nischen Betreuung zu unerwünschten Ereignisse kommt. Obwohl die Mehrzahl dieser so genannten Adverse Events ohne bleibende Konsequenzen ist, zei- gen Daten aus verschiedenen Ländern, dass bei etwa 1% der Patienten mit rele- vanten Schäden bis hin zum Tode zu rechnen ist. Es gibt also allen Grund, über Strategien und Werkzeuge zur Ver- besserung der Patientensicherheit zu dis- kutieren. Fehlerproduzierende Bedingungen und der Umgang mit Fehlern Zwischenfälle sind weniger auf mangeln- des Fachwissen oder das Fehlhandeln und Versagen von Einzelnen, sondern in erster Linie auf Probleme beim Umsetzen des Wissens unter den Bedingungen der Versorgungsrealität und -komplexität sowie auf Defizite der Kommunikation und Teamkoordination zurückführen. Auch augenfällige schwere Fehler, wie die Amputation einer falschen Extremität, beruhen nicht ausschließlich auf indivi- duellem Versagen eines einzelnen Chi- rurgen, sondern auf multifaktoriellen Systemfehlern, wobei Arbeitsbelastung, Kommunikations-, Ausbildungs- und Überwachungsprobleme, ungenügende Ressourcen, Teamfaktoren, inadäquate Umgebung und auch Patientenmerkmale entscheidend mitbeteiligt sind. Der Eintritt von unerwünschten Ereignissen wird umso wahrscheinlicher, je mehr Menschen, selbst auf hohem Sicherheitsniveau, miteinander agieren und das Fehlerrisiko steigt, je mehr Arbeitsschritte oder Verrichtungen am Patienten erforderlich sind [9]. Dies bringt in unserer immer stärker speziali- sierten und damit arbeitsteiligeren Patientenversorgung mit konsekutiv zunehmender Schnittstellenproblematik und der Notwendigkeit, die Abläufe vermehrt interdisziplinär und interpro- fessionell abzustimmen, auch wachsende Anforderungen mit sich. Eine der heute sehr ernst zu nehmenden fehlerprodu- zierenden Bedingungen ist die enorme 8 BERLIN MEDICAL 01.10 QUALITÄT IN DER MEDIZIN Patientensicherheit Cockpit und OP-Saal: Checklisten verbessern Sicherheit Hartwig Bauer, Berlin Schlüsselwörter Patientensicherheit, Checklisten, unerwünschte Ereignisse, Chirurgie Zusammenfassung Checklisten sind in der Luftfahrt ein bewährtes Kontroll-Instrument, um die Sicherheit durch Vermeidung unerwünschter Ereignisse zu erhöhen. Wie im Flugzeugcockpit können Check- listen auch im OP-Saal eingesetzt werden, um die Einhaltung vorgegebener Sicherheitsstan- dards und die Verfügbarkeit erforderlicher Ressourcen zu kontrollieren sowie Aufgabenvertei- lungen und Verantwortlichkeiten zu regeln. Sie gewährleisten im Team abgestimmte objektiv reproduzierbare Abläufe und tragen somit zur Patientensicherheit bei. Die von der WHO im Rahmen des Projektes Save Surgery Saves Lives erarbeitete und weltweit erprobte Checkliste stellt ein praktikables Instrument dar, das unter klinikindividueller Anpassung zunehmend Verwendung findet. Die Implementierung bedarf einer geänderten Sicherheitskultur in einem interdisziplinär und interprofessionell abgestimmten klinischen Prozessmanagement. Keywords Patient Safety, Check Lists, Surgical Adverse Events Summary Cockpit and Operating Room: Checklist use improves safety In aviation checklists are an established instrument to avoid adverse events and so to improve safety. Like in the cockpit also in the operating room (OR) checklists and briefin- gs can be useful to reduce perceived risks and improve collaboration among OR personnel by controlling safety standards, availability of required resources and responsibility assign- ment. The checklist recommended by the WHO, worldwide tested in the context of the SSSL-project (Save Surgery Saves Lives), is a feasible task increasingly used with individual adaptations. The implementation has to be ingrained in a hospital wide safety culture with patient safety-related behaviour and perceived personal empowerment.
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Cockpit und OP-Saal: Checklistenbewähren sich auch in der Chirurgie

In der Vergangenheit wurde der Patienten-sicherheit als wesentlichem Qualitätsmerk-mal des Behandlungsprozesses ungenü-gende Beachtung geschenkt. Angestoßendurch den Report To Err Is Human: Buil-ding a Safer Health System des Instituts ofMedicine in den USA im Jahr 2000 [6]wurde sie auch bei uns zu einem zentra-len Thema. 2005 hat der Präsident derDeutschen Gesellschaft für Chirurgie(DGCH), Prof. Matthias Rothmund, Feh-

lervermeidung und Patientensicherheitzum Leitthema des von ihm geleitetenDeutschen Chirurgenkongresses gewähltund damit auch heftige Reaktionen aus-gelöst. Die Diskussionen haben sich vorallem durch die Aktivitäten des Aktions-bündnisses Patientensicherheit e.V. (APS)in den letzten Jahren versachlicht [1].Tatsache ist, dass es bei vielen Patientenim Rahmen der routinemäßigen medizi-nischen Betreuung zu unerwünschtenEreignisse kommt. Obwohl die Mehrzahldieser so genannten Adverse Eventsohne bleibende Konsequenzen ist, zei-

gen Daten aus verschiedenen Ländern,dass bei etwa 1% der Patienten mit rele-vanten Schäden bis hin zum Tode zurechnen ist. Es gibt also allen Grund,über Strategien und Werkzeuge zur Ver-besserung der Patientensicherheit zu dis-kutieren.

Fehlerproduzierende Bedingungenund der Umgang mit Fehlern

Zwischenfälle sind weniger auf mangeln-des Fachwissen oder das Fehlhandelnund Versagen von Einzelnen, sondern inerster Linie auf Probleme beim Umsetzendes Wissens unter den Bedingungen derVersorgungsrealität und -komplexitätsowie auf Defizite der Kommunikationund Teamkoordination zurückführen.Auch augenfällige schwere Fehler, wiedie Amputation einer falschen Extremität,beruhen nicht ausschließlich auf indivi-duellem Versagen eines einzelnen Chi-rurgen, sondern auf multifaktoriellenSystemfehlern, wobei Arbeitsbelastung,Kommunikations-, Ausbildungs- undÜberwachungsprobleme, ungenügendeRessourcen, Teamfaktoren, inadäquateUmgebung und auch Patientenmerkmaleentscheidend mitbeteiligt sind.

Der Eintritt von unerwünschtenEreignissen wird umso wahrscheinlicher,je mehr Menschen, selbst auf hohemSicherheitsniveau, miteinander agierenund das Fehlerrisiko steigt, je mehrArbeitsschritte oder Verrichtungen amPatienten erforderlich sind [9]. Diesbringt in unserer immer stärker speziali-sierten und damit arbeitsteiligerenPatientenversorgung mit konsekutivzunehmender Schnittstellenproblematikund der Notwendigkeit, die Abläufevermehrt interdisziplinär und interpro-fessionell abzustimmen, auch wachsendeAnforderungen mit sich. Eine der heutesehr ernst zu nehmenden fehlerprodu-zierenden Bedingungen ist die enorme

8 BERLIN MEDICAL 01.10 QUALITÄT IN DER MEDIZIN

Patientensicherheit

Cockpit und OP-Saal: Checklisten verbessern Sicherheit Hartwig Bauer, Berlin

SchlüsselwörterPatientensicherheit, Checklisten, unerwünschte Ereignisse, Chirurgie

Zusammenfassung Checklisten sind in der Luftfahrt ein bewährtes Kontroll-Instrument, um die Sicherheit durchVermeidung unerwünschter Ereignisse zu erhöhen. Wie im Flugzeugcockpit können Check-listen auch im OP-Saal eingesetzt werden, um die Einhaltung vorgegebener Sicherheitsstan-dards und die Verfügbarkeit erforderlicher Ressourcen zu kontrollieren sowie Aufgabenvertei-lungen und Verantwortlichkeiten zu regeln. Sie gewährleisten im Team abgestimmte objektivreproduzierbare Abläufe und tragen somit zur Patientensicherheit bei. Die von der WHO imRahmen des Projektes Save Surgery Saves Lives erarbeitete und weltweit erprobte Checklistestellt ein praktikables Instrument dar, das unter klinikindividueller Anpassung zunehmendVerwendung findet. Die Implementierung bedarf einer geänderten Sicherheitskultur in eineminterdisziplinär und interprofessionell abgestimmten klinischen Prozessmanagement.

KeywordsPatient Safety, Check Lists, Surgical Adverse Events

SummaryCockpit and Operating Room: Checklist use improves safetyIn aviation checklists are an established instrument to avoid adverse events and so toimprove safety. Like in the cockpit also in the operating room (OR) checklists and briefin-gs can be useful to reduce perceived risks and improve collaboration among OR personnelby controlling safety standards, availability of required resources and responsibility assign-ment. The checklist recommended by the WHO, worldwide tested in the context of theSSSL-project (Save Surgery Saves Lives), is a feasible task increasingly used with individualadaptations. The implementation has to be ingrained in a hospital wide safety culture withpatient safety-related behaviour and perceived personal empowerment.

Arbeitsverdichtung mit einem ökono-misch induzierten Zeitdruck. Hierfürsind Entscheidungssituationen typisch,in denen man dazu neigt, nicht unbe-dingt durchdacht, sondern schnell undspontan zu reagieren und unter der Vor-stellung, „es wird schon gut gehen“,mögliche Risiken erheblich zu unter-schätzen [5].

Definiert man „Patientensicherheit“als das Produkt aller Maßnahmen, diedarauf gerichtet sind, Patienten vor ver-meidbaren Schäden in Zusammenhangmit dem gesamten Behandlungsablauf zubewahren, wird die Komplexität eineswirksamen Fehlervermeidungsansatzesunter Berücksichtigung der vielschichti-gen, potentiell fehlerproduzierendenBedingungen deutlich (Abb. 1) [2]. Hierkönnen wir methodisch viel von derLuftfahrt lernen, was etwa Crew Ressour-ce Management (Teamschulung nicht-technischer Fertigkeiten wie Kooperation,situative Aufmerksamkeit, Führungsver-halten und Entscheidungsfindung) oderSimulatortraining anbelangt [12].

Lernen können wir aber vor allemeinen anderen Umgang mit eigenen Feh-lern [5]. In der Medizin dominierte eineKultur der Schuldzuweisung („culture ofblame“), die Fehler in erster Linie alspersönliches Versagen bewertet. Dazuzählt auch das Benennen, Beschuldigenund Bestrafen des Einzelnen auch in derAbsicht, das Team bzw. das System, indem der Fehler stattgefunden hat, zuentlasten. Die Folge ist, dass noch immerder überhöhte Anspruch besteht, keineFehler zu machen. Diese sog. Null-Feh-ler-Attitude hat besonders die Chirurgieund die Chirurgen geprägt In Untersu-chungen gaben z.B. Chirurgen – ineinem deutlich höheren Prozentsatz alsAnästhesisten – im Gegensatz zu Pilotenan, trotz Müdigkeit weiter fehlerfreiarbeiten zu können oder waren davonüberzeugt, dass unerfahrene Teammit-glieder nicht die Entscheidungen derErfahrenen (Chefärzte bzw. Flugkapitä-ne) in Frage stellen sollten [13].

Checklisten im Rahmen systemati-sierter Ansätze zur Fehlervermeidung

Methodisch im Sinne einer Zielerreichungbetrachtet bedeutet Sicherheit somitnicht die Abwesenheit von Fehlern,

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Abb. 2: Die ins Deutsche übertragene Checkliste der WHO [3].

Abb. 1: „Fehlerproduzierende Bedingungen“ (mod. n. [2])

sondern die Fähigkeit einer Institution,mit Risiken und Gefahren umzugehen,um Schäden zu verhindern und dennochdie gesteckten Ziele zu erreichen. Unstruk-turierte Kontrollmechanismen ohne klareZuordnung von Verantwortlichkeitenmüssen in effiziente, nachvollziehbare,dokumentierbare und damit überprüfba-re Konzepte übergeführt werden.

Checklisten stellen ein Arbeitswerk-zeug dar, das als Erinnerungshilfe einge-setzt wird oder auch, um Prozesse undHandlungen gleichbleibend zu struktu-rieren. Wie im Flugzeugcockpit könnenChecklisten im Krankenhaus eingesetztwerden, um wichtige Dinge in Erinne-rung zu rufen, Prozesse zu strukturierenund Aufgabenverteilungen zu regeln.Indem sie gewährleisten, dass Prozesseimmer in einer objektiv reproduzierba-ren Weise ablaufen, tragen sie auch zuErhöhung der Patientensicherheit bei.Insbesondere in Stress- und Ausnahme-situationen können Checklisten helfen,Gedächtnisfehler zu vermeiden und Ent-scheidungskorridore aufzeigen, welchedie Sachlage überschaubar halten unddamit handhabbar machen [7]. Die imJahr 2006 vom APS, auch unter Mitar-beit der DGCH nach internationalemVorbild in Checklistenform erarbeitetendeutschsprachigen Empfehlungen zurVermeidung von Eingriffsverwechslun-

gen (falscher Patient, falsche Seite, fal-scher Eingriff), waren ein erster überzeu-gender Schritt zur klinischen Umsetzungdieser Prämissen.

Im Juni 2008 hatte die WHO imRahmen ihrer Initiative für eine sichere-re Chirurgie (Save Surgery Saves Lives)eine 19 Punkte umfassende Checklistevorgestellt. In einer im Januar 2009publizierten Studie [3], die große Beach-tung gefunden hat, konnte weltweit inacht Kliniken mit ganz unterschiedli-chen sozioökonomische Bedingungenbei rund 8.000 Operationen gezeigt wer-den, dass sich die Mortalitäts- und Infek-tionsrate sowie die Anzahl erforderlicherReoperationen durch Einführung derCheckliste signifikant senken ließ. DieDGCH hat in ihren Organen frühzeitigauf dieses WHO-Projekt hingewiesen,die Anwendung der Checkliste empfoh-len, sie zur Erleichterung einer breitenAnwendung ins Deutsche übersetzt(Abb. 2) und über praktische Erfahrun-gen bei Klinikeinführungen berichtet[10, 11, 14, 15].

Ähnlich wie beim Check vor Starteines Flugzeugs wird in drei Abschnit-ten vor Einleitung der Narkose, vor demersten Schnitt und bevor der Patient denOperationssaal verlässt, stichpunktartigalles überprüft, was zu einer Gefährdungdes Patienten führen könnte. Besonders

betont wird der Faktor der Kommunika-tion im Rahmen des sog. Team-Briefingund Team-Debriefing. Die explizite Vor-stellung aller Teammitglieder vom Ana-esthesisten bis zur Instrumentierschwes-ter, vom verantwortlichen Operateur biszum assistierenden PJ-Studenten sowiedas verbale „Durchgehen“ der durchzu-führenden Operation einschließlichmöglicher Risiken und zu erwartenderSchwierigkeiten während des sog. TimeOut, eines kurzen Innehaltens vor demHautschnitt, schafft zum einen Sicherheitund Vertrauen. Es leistet aber gleichzei-tig auch einen Beitrag, mögliche emotio-nale Barrieren im Rahmen hierarchischempfundener Strukturen abzubauen.Wer sich persönlich wahrgenommenund akzeptiert fühlt, wird auch dieScheu verlieren, Auffälligkeiten undmögliche Fehler offen anzusprechen.Nach der Operation werden dann die Artund Weise der durchgeführten Operation,zu erwartende postoperative Schwierig-keiten und das postoperative Procedereeinvernehmlich festgelegt

Der Durchführung des TIME OUTkommt in dem System eine entscheiden-de Rolle zu. Einfache Praxishilfen könnenseinen formalisierten Ablauf unterstüt-zen (Abb. 3). Per se kann es allerdingsauch keinen hundertprozentigen Schutzgegen Verwechslungen von Patienten,Eingriffsorten und geplanten Prozedurenbieten, vor allem, wenn es zu einem ste-reotypen Ritual abgleitet oder durcherweiterte Sicherheitsaspekte (Ablen-kung vom ursprünglichen Zweck durchzusätzliche Qualitätskontrolle sekundä-rer Parameter) im Rahmen eines “Expan-ded Surgical Time-Outs“ verwässert wird[14]. Es gilt, durch Studien belegt, dasssich durch strukturierte sog. OP-Saal-Briefings Eingriffsverwechslungen redu-zieren und die Teamkooperation verbes-sern lassen [8]. Das Konzept deschirurgischen TIME OUT gilt in denUSA inzwischen als eine zwingendeStandardempfehlung der Joint Commissi-on on Accreditation of Healthcare Organi-zations (JCAHO); seine konzeptionelleUmsetzung wird auch bei uns im Rah-men entsprechender Zertifizierungsver-fahren überprüft [10]

Es darf als gesichert gelten, dass derEinsatz von Checklisten vor allem in denBereichen sinnvoll ist, in denen verschie-

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Abb. 3: TIME OUT – Schild: Von der OP- Schwester als Reiter über das Skalpell gestelltwird es erst nach Durchführung des „Team Time Out“ (Abschnitt 2 der Checkliste) entfernt(Aesulap AG in Zusammenarbeit mit der DGCH).

dene Akteure unterschiedlicher Berufs-gruppen zusammenarbeiten, in denenes auf ein gleichzeitiges Monitoring vie-ler medizinischer Geräte ankommt undin denen kritische Situationen vermehrtauftreten können. Das APS hat nach ein-gehender Diskussion sieben Thesen zuChecklisten in der Medizin und Pflegeverabschiedet [7], die eine Wertung undEinordnung des Checklisten-Konzeptsim Rahmen des Gesamtkomplexes einersystematisierten Fehlerprävention erlau-ben (Tab. 1).

Implementierung im klinischen Alltag

Bei Einführung von Checklisten in denklinischen Alltag geht es um die Etablie-rung eines Systems, nicht um die Durch-führung von Einzelmaßnahmen der Feh-lerprävention. Es geht um den Aufbaueiner neuen Sicherheitskultur. Dazubedarf es eines Umdenkens vor allem derleitenden Ärzte, um diese Prozesse inden einzelnen Abteilungen voranzutrei-

ben: Patientensicherheit und Fehlerprä-vention müssen Chefsache sein. OhneIdentifikation der Klinik- und Abtei-lungsleitungen werden noch so ausdiffe-renzierte Konzepte kaum die nötigeAkzeptanz aller Mitarbeiter finden. Eineklare personelle Zuordnung der Durch-führungs- und Dokumentationsverant-wortlichkeit der einzelnen Check-Abschnitte muss geregelt sein [10].

Die Zahl der deutschen Krankenhäu-ser, die die WHO-Sicherheitschecklistebzw. modifizierte klinikspezifische Check-listen einsetzen oder auch nur ein„Team-Time-Out“ durchführen, ist nichtbekannt; Klinikkonzerne haben hiersicher eine Vorreiterrolle übernommen.Das liegt bei der Komplexität einiger derempfohlenen Maßnahmen z.T. an derNotwendigkeit, die Checkliste an diejeweils eigenen Bedürfnisse und Beson-derheiten vor Ort anzupassen [7]. Soverwundert es auch nicht, dass eineaktuelle Studie, in der neben anderenaus der Luftfahrt übernommenen Fehler-Präventionssystemen auch der klinische

Gebrauch von Checklisten analysiertwurde, zu dem Schluss kam, dass dereneffiziente Implementierung im Rahmeneiner geänderten Sicherheitskultur Jahrein Anspruch nehmen kann [12]. DasAbarbeiten der Checklisten im OPgenügt allerdings nicht, um die Sicher-heit des Patienten im gesamten Behand-lungsablauf bei den vielfältigen prä-und postoperativen Schnittstellen undBehandlungsübergaben sicherzustellen[4]. Es sind darüber hinausreichende,interprofessionell abgestimmte Behand-lungspfade erforderlich sowie institutio-nalisierte Gesprächforen im Sinne vonMortalitäts- und Morbiditätskonferenzen.

Neben solchen systematisierten Pro-zessen zur Fehlervermeidung sind guteKommunikation mit dem gesamtenBehandlungsteam und mit den Patientensowie Reflexion des eigenen Handelnsund offener, transparenter Umgang mitallen kritischen Ereignissen die wichtigs-ten Voraussetzungen für eine aktive Feh-lervermeidung. Dazu benötigt manSchulung, Übung und Zeit und heute

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kaum noch vorhandene Freiräume undRessourcen, damit diese Sicherheitskul-tur auch weiterentwickelt werden kann.Deshalb ist es inakzeptabel, wenn, wieauf der letzten Jahrestagung der Arbeits-gemeinschaft für Qualität und Sicherheitder DGCH berichtet wurde, Geschäfts-führer von Kliniken auf die Kostenbelas-tung eines routinemäßig vor jeder OPdurchgeführten TIME OUT hinweisen.Bei ca. 3.000 Operationen pro Jahr und2 Minuten für das TIME OUT inkl. Listen-Check würden unter Zugrundelegungvon rd. 12 Euro pro Minute OP-Saalnut-zung Jahreskosten von etwa 72.000 Euroentstehen, was einer Arztstelle entspre-chen würde. Kein Pilot würde ein Flug-zeug auch nur einen Meter bewegen,ohne die Checkliste vorher abgearbeitetzu haben. Chirurgen müssen für dieSicherheit ihrer Patienten die gleichenFreiräume einfordern.

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KorrespondenzadresseProf. Dr. med. Hartwig Bauer

Generalsekretär

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

Luisenstraße 58/59

10117 Berlin

Tel. +49 (0)30 28876290

Fax +49 (0)30 28876299

[email protected]

12 BERLIN MEDICAL 01.10 QUALITÄT IN DER MEDIZIN

Tab. 1: Sieben Thesen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS)zu Checklisten in der Medizin und Pflege [6].

1. Prozesse im Gesundheitswesen (insbesondere in Kliniken) sind komplex und bedürfen besonders in Bereichen mit hohen Risiken klarer Abspra-chen und Vereinbarungen zwischen allen Beteiligten.

2. Die Differenzierung und Spezialisierung hat in der Interaktion zwischen den einzelnen Berufsgruppen/Akteuren zahlreiche Schnittmengen, die für die jeweilige Berufsgruppe und Disziplin sehr gut über gemeinsam festgelegte und vom Management bestätigte Verfahrenrichtlinien oder Pfade dargestellt werden sollten.

3. Checklisten stehen als Instrument der Standardisierung der unmittelbarenPraxis der Behandlung am nächsten, in dem sie Leitlinien, Pflegestan-dards, Behandlungspfade und Tasklisten für einen bestimmten Punkt des Behandlungsgeschehens konkretisieren.

4. Systematische Vorgehensweisen und Unterstützung mit präventiven Qualitätstechnikmethoden sind dabei unerlässlich.

5. In einem Prozess wo es auf Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Sicherheit undgute Ergebnisqualität absolut ankommt wie bei Operationen oder radio-logischen Interventionen ist es aus Sicht des APS erforderlich mit Check-listen zu arbeiten. Checklisten können EDV- oder papiergestützt Anwen-dung finden.

6. Gleichsam ist es erforderlich, dass aufgetretene Fehler oder beinahe- Fehler retrospektiv in anschließenden Qualitätszirkeln oder Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen z. B. unter Zuhilfenahme von „Trouble-Reports“ (Luftfahrt) aufgearbeitet werden. Dabei sind die vorliegenden Checklisten ggf. anzupassen.

7. Checklisten sollten sich soweit vorhanden an vorliegenden Erkenntnissen(Evidenz) orientieren. Liegen darüber keine evaluierten Erkenntnisse vor so werden parallellaufende Erhebungen und Überprüfungen unbedingt empfohlen, die (möglichst) zu publizieren sind.


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