HintergrundDie Geschichte des Tabakkonsums in Europa beginnt mit Christopher Columbus, der bei seiner Ankunft in der sog. Neuen Welt Tabakblätter als Geschenk erhielt. Zigaretten wurden in Europa ab etwa 1840 verkauft, als erstes von Philip Morris in London. England war auch das Land, in dem der Zigarettenkonsum zwischen 1940 und 1960 als erstes seinen Höhepunkt erreichte. Im Gegensatz dazu war dies z.B. in Russland erst in den 1990er Jahren der Fall. Für Griechenland, Österreich, Spanien, Bulgarien und Litauen wird der Höhepunkt erst im letzten Jahrzehnt angenommen. Man rechnet in der Europäischen Union (EU) mit 120 Mio. Rauchern, was 28 % der Erwachsenenpopulation entspricht. Jahr für Jahr sterben 650.000 Menschen an den Folgen des Rauchens.
Als Gegenmaßnahme erließ die World Health Organization (WHO) im Jahr 2003 die „Framework Convention on Tobacco Control“ (FCTC). Diese wurde von vielen Staaten unterzeichnet,
Originalpublikation
Britton J, Bogdanovica I (2013) To-bacco control efforts in Europe. Lancet 381:1588–1595
Monatsschr Kinderheilkd 2013 · 161:782–785 DOI 10.1007/s00112-013-2987-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
Redaktion:O. Bodamer (Miami), J. Freihorst (Aalen), R. Kerbl (Leoben), G. Krandick (Ober haching)
(Nicht-)Raucherschutz in EuropaEmpfehlungen, Möglichkeiten und Realität
aber großteils nicht oder nur unvollständig umgesetzt.
Studie
Schutz vor Rauchbelastung2004 untersagte Irland als erstes Land das Rauchen in geschlossenen Arbeitsräumen. Europaweit bestehen jedoch große Unterschiede in den Bemühungen, vor der sog. passiven Nikotinbelastung zu schützen, obwohl deren schädigende Auswirkungen u. a. auf Schwangere und Kinder vielfach dokumentiert sind.
Als Hauptgrund für die mangelnde Umsetzung wird einerseits der fehlende politische Wille angesehen (Beispiel Luxemburg), teilweise auch die fehlende Compliance der Bevölkerung (Beispiel Griechenland).
Warnung vor TabakgenussIn Artikel 11 der FCTC wird die Kombination von Text und Bildwarnungen auf Zigarettenpackungen gefordert, diese sollten zumindest 30 %, bevorzugt 50 % der Pa
ckungsoberfläche einnehmen. Im Jahr 2012 wurde dieser Flächenanteil durch eine EUDirektive auf 75% angehoben. Des Weiteren wird empfohlen, den Andruck der Zigarettenmarke (z.B. Marlboro) auf der Packung stark zu beschränken und stattdessen (wie in Australien) sog. Standardpackungen zu verwenden. Daneben wird angeregt, Massenmedien (insbesondere das Fernsehen) für Warnungen zu nutzen.
Auch in diesem Punkt folgen viele Länder den Empfehlungen nur in bescheidenem Umfang, bezüglich des Medieneinsatzes setzen diesen nur 9 europäische Länder um.
Werbeverbot und Erhöhung der Steuern1989 wurde EUweit Fernsehwerbung für Zigaretten verboten, 2003 durch eine EUDirektive auch Werbung in Printmedien, im Radio und im Internet untersagt. 2005 wurde zudem die Werbung bei Sportveranstaltungen und Sponsorship (z. B. Formel1Autorennen) eingeschränkt. Trotzdem
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▶ STIKO empfiehlt Im pfung gegen Rotaviren
In den diesjährigen Impfempfehlun-gen spricht sich die Ständige Impf-kommission für eine allgemeine Imp-fung gegen Rotaviren bei Säuglin-gen aus. In diesem Jahr registrierte das Robert Koch-Institut (RKI) schon 1350 Rotavirus-Fälle allein in Hessen. Die Rotavirus-Saison beginnt meist im Herbst und dauert bis in den März hinein. Es ist also damit zu rechnen, dass im Herbst die Fallzahlen noch einmal deutlich ansteigen. Studien haben gezeigt, dass die Impfung zu 96 bis 98% vor schweren Verläufen einer Infektion mit Rotaviren schützt. Damit lassen sich über 90% aller Krankenhausbehandlungen wegen Rotavirusinfektionen verhindern.
www.rki.de
▶ Qualitätsanspruch bei Babyklappen
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge warnt vor den Risiken der Babyklappe und fordert von den Trägern der Einrichtungen ein Mindestmaß an Qualität. Die un-begleitete Geburt könne die Ge-sundheit von Mutter und Kind ge-fährden und die Kinderrechte fänden oft kaum Berücksichtigung. Um die Risiken zu minimieren, hat der Verein entsprechende Empfehlungen ent-wickelt, die sich vor allem an Kran-kenhäuser und Jugendämter richten. So sollten die Träger von Babyklap-pen die Inanspruchnahme anony-mer Beratung bewerben. Wird die Babyklappe dennoch in Anspruch genommen, müsse die Erstversor-gung des Kindes in einer Klinik erfol-gen und sichergestellt sein, dass die zuständige Gemeindebehörde und das zuständige Jugendamt unmittel-bar vom Auffinden eines Kindes in einer Babyklappe erführen.
www.deutscher-verein.de
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Pädiatrie aktuell · Für Sie gelesen
782 | Monatsschrift Kinderheilkunde 9 · 2013
8 Besonders Kinder- und Jugendliche müssen vor Tabakrauch ge-schützt werden
tion des allgemeinen Rauchkonsums und strenge Bestimmungen zur Darstellung in den Medien würden sich daher v. a. auch auf Jugendliche positiv auswirken. Sinnvoll wären auch Rauchverbote an öffentlichen Plätzen, in Lokalen und ein Heraufsetzen des Mindestalters. Leider irren die Autoren mit ihrer Einschätzung „All European countries now pro-hibit sale or distribution of tobacco to people younger than 18 years“.
Schlechte Bewertung für Deutschland und ÖsterreichDie Autoren präsentieren in ihrer Publikation auch eine Bewertung 31 europäischer Länder, die von der „Association of European Cancer Leagues“ vorgenommen wurde. In dieser Tabelle werden in 6 Kategorien (Preis, Rauchverbot im öffentlichen Bereich, Informationskampagnen, Werbeverbote, Gesundheitswarnungen, Behandlung) Punkte vergeben, ein höherer Gesamtscore bedeutet besseren Nichtraucherschutz. In dieser Liste führt Großbritannien vor Irland und Norwegen, die Schweiz liegt auf Platz 11. Deutschland findet sich auf Platz 26 und somit im hinteren Drittel. Österreich teilt sich mit Griechenland den 30. und letzten Platz!
KommentarDie Autoren belegen den EUweit großteils unbefriedigenden Nichtraucherschutz, der insbesondere für Kinder und Jugendliche negative Auswirkungen auf deren Gesundheitsentwicklung hat und darüber hinaus einen enormen ökonomischen Schaden bedingt. Neben den Interessen der Tabakindustrie, fehlender Compliance und Korruption (die Raucherprävalenz korreliert direkt mit der Korruption im öffentlichen Sektor!) scheinen v. a. das mangelnde Interesse oder die individuelle Schwäche der politisch für die Ge
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. R. Kerbl Abteilung für Kinder und Jugend-liche LKH Leoben Vordernbergerstraße 42 A-8700 Leoben Österreich [email protected]
ist z. B. Philip Morris als Hersteller von Marlboro weiterhin Hauptsponsor bei Ferrari.
Preiserhöhungen bzw. hohe Abgaben werden als sehr wirksame Maßnahme zur Einschränkung des Nikotingenusses angesehen. Man rechnet, dass eine Preiserhöhung um 10 % den Konsum um 4 % reduziert, den Raucheranteil um 2 %. Die Wirkung auf Jugendliche wird besonders hoch eingeschätzt. Dabei wird allerdings gewarnt, dass im Fall von massiven Preiserhöhungen viele Raucher auf billigere Marken und selbst gedrehte Zigaretten ausweichen könnten.
ErsatzmaßnahmenSie zielen darauf ab, Nikotin in quasi harmloserer Form anzubieten. Paradebeispiel dafür ist die in Schweden gängige Methode von „Snus“, welches als oral appliziertes und über die Schleim haut resorbiertes Nikotinpräparat Verwendung findet. Es trägt wesentlich dazu bei, dass Schweden EUweit die niedrigste Raucherprävalenz hat. In anderen EULändern ist „Snus“ allerdings verboten.
Eine andere Möglichkeit sind elektronische Zigaretten. Durch ein inhalationsabhängiges LEDLicht (LED: „lightemitting diode“) an der Zigarettenspitze wird das Glimmen einer echten Zigarette simuliert, mundnah wird flüssiges Nikotin durch ein Thermoelement zu Dampf umgewandelt und bei jedem Zug eingeatmet. Die Akzeptanz dieser Alter native ist allerdings bisher eher gering, EUweit testeten nur etwa 7 % aller Raucher diesen Zigarettenersatz.
Schutz für JugendlicheDie Autoren weisen darauf hin dass die Prävalenz des Rauchens unter Jugendlichen stark vom Vorbild der Erwachsenen und der Darstellung in den Medien abhängt. Maßnahmen zur Reduk
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sundheit Verantwortlichen hierfür verantwortlich zu sein. Die Autoren beschlie ßen ihren Beitrag mit folgendem Statement: „Smoking kills more Europeans than any other avoidable factor, and prevention is achievable. All that is needed is political will“.
▶ Betreuung von Schülern mit Diabetes
Der Dachverband der deutschen Diabetes Hilfe fordert bundesweit einheitliche Regelungen für die Be-treuung von Kindern und Jugendli-chen mit Diabetes in der Schule. „Sie sind in der Schule genauso leis-tungsfähig wie gesunde und im Um-gang mit ihrer Erkrankung in der Re-gel gut geschult“, erläutert Thomas Danne, Vorstandsmitglied von dia-betesDE. Auch am Sportunterricht und bei Ausflügen können sie grundsätzlich teilnehmen. Den jun-gen Patienten muss dabei keine Sonderrolle zugeschrieben werden. Auf keinen Fall sollten sie von Aktivi-täten ausgeschlossen sein. Lehrer fürchten sich aber oft vor rechtlichen Konsequenzen bei etwaigen Feh-lern, falls sie einem Schüler beim In-sulinspritzen oder im Notfall helfen, kritisiert diabetesDE. Ob und inwie-weit für Lehrkräfte eine Verpflich-tung besteht, Schülern mit Diabetes beim Insulinspritzen zu helfen und inwieweit sie damit betraut werden können, hängt von den regionalen Schulgesetzen, den beamtenrechtli-chen Regelungen der Bundesländer und den Erlassen der Kultusministe-rien ab. Hier fordert der Verband eine bundeseinheitliche Regelung, um Unsicherheiten bei Eltern und Lehrern abzubauen und Kinder mit Diabetes Typ 1 optimal in den Schul-alltag integrieren zu können.
www.diabetesde.org
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783Monatsschrift Kinderheilkunde 9 · 2013 |
ADHD – ein lebenslanges Problem?In einer Studie in Boston wurde das LangzeitOutcome von Erwachsenen, die in ihrer Kindheit an ADHD erkrankt waren, untersucht. Insgesamt wurden 5718 Personen in die Studie eingeschlossen, davon waren 367 Personen in ihrer Kindheit an ADHD (attentiondeficit/hyperactivity disorder) erkrankt. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren 1,9 % der ehema % der ehema% der ehemaligen ADHDPatienten verstorben und 2,7 % inhaftiert. Das Sterb % inhaftiert. Das Sterb% inhaftiert. Das Sterblichkeitsrisiko im Vergleich mit der Kontrollgruppe war für ehemalige ADHDPatienten 1,9fach erhöht, jenes für Tod durch Selbstmord 4,8fach. Bei 29 % persistier % persistier% persistierte die Erkrankung ADHD bis in das Erwachsenenalter. Außerdem hatten (ehemalige) ADHDPatienten ein 2,6fach erhöhtes Risiko, an mehr als einer psychiatrischen Erkrankung zu leiden.
Pediatrics 2013; 131:637–644PMID 23460687
Zunehmende Angst der Eltern vor ImpfschädenImpfskepsis und ablehnung stellen in vielen Ländern ein zunehmendes Problem dar. In einer Studie in Oklahoma wurden das Ausmaß der Impfablehnung im longitudinalen Verlauf über 3 Jahre untersucht und die Gründe hierfür erfragt. Herangezogen wurden die Impfungen gegen Diphterie/Tetanus/(Pertussis), Meningokokken [MCV4 („meningococcal conjugate vaccine“)] und bei Mädchen gegen HPV (humanes Papillomavirus). Als Hauptgründe für inkomplette Immunisierungen wurden genannt: „nicht empfohlen“, „nicht notwendig“, für HPV auch „sexuell nicht aktiv“. Im Jahr 2008 hatten 4,5 % der Eltern Bedenken über die Sicher
Forschung kurz notiert
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heit von Impfungen, dieser Anteil stieg im Jahr 2009 auf 7,7 % und im Jahr 2010 weiter auf 16,4 %. Der HPVImpfung standen im Jahr 2008 39,8 % ablehnend gegenüber, im Jahr 2010 waren es bereits 43,9 %. Die Autoren fordern für die verschiedenen Impfungen unterschiedliche Informationskampagnen, um der Skepsis der Eltern adäquat begegnen zu können.
Pediatrics 2013; 131:645–651PMID 23509163
Diuretika bei broncho-pulmonaler DysplasieAn vielen neonatologischen Zentren werden Diuretika zur Behandlung der BPD eingesetzt, obwohl es dafür keine gesicherte Evidenz gibt. Wissenschafter aus Ohio untersuchten in einer retrospektiven Analyse die Vorgehensweise an 35 neonatologischen Einheiten. Die Erhebung wurde auf Frühgeborene mit weniger als 29 Gestationswochen beschränkt, welche am 28. Lebenstag die Kriterien der BPD erfüllten. Von den 1429 in die Erhebung eingeschlossenen Patienten erhielten 86 % Di % Di% Diuretika, der Median der Applikationsdauer betrug 9 Tage. Ein Großteil der Patienten wurde allerdings nur 5 oder weniger Tage behandelt, bevorzugt mit Furosemid. Wenn stattdessen Chlorothiazid verwendet wurde, ergab sich im Schnitt eine längere Behandlungsdauer (Median 21 Tage). In der Studie wurden insbesondere bezüglich der Applikationsdauer große Unterschiede zwischen den einzelnen Zentren beobachtet. Die Autoren betonen den Wunsch nach evidenzbasierten Empfehlungen auf Basis prospektiver kontrollierter Studien.
Pediatrics 2013; 131:716–723PMID 2378874
Frühgeburtlichkeit und metabolisches Syndrom – eine MetaanalyseMehrfach wurde darüber berichtet, dass ehemalige Frühgeborene ein erhöhtes Risiko für die spätere Entwicklung eines metabolischen Syndroms haben. Neonatologen aus London führten einen systematischen Review zu dieser Fragestellung durch und erstellten eine Metaanalyse. Für einen Großteil der untersuchten Parameter [u. a. BMI (BodyMassIndex), TailleHüftQuotient, Fettmasseanteil], die mit dem metabolischen Syndrom assoziiert sind, fand sich kein signifikant erhöhtes Risiko. Aus den insgesamt 27 Studien mit 17.030 eingeschlossenen ehemaligen Frühgeborenen ergaben sich jedoch ein signifikant erhöhter systolischer (+4 mmHg) und diastolischer Blutdruck (+2 mmHg), des Weiteren waren die LDLWerte (LDL: „low density lipoprotein“) bei den ehemals Frühgeborenen höher als in der Kontrollgruppe (+0,14 mmol/l). Die Blutdruckunterschiede waren beim weiblichen Geschlecht ausgeprägter als beim männlichen.Pediatrics 2013; 131:e1240–e1263
PMID 23509172
„Back to sleep“ – schon an der NICURückenlage gilt als effektive Maßnahme in der Prävention des plötz lichen Säuglingstodes (SIDS). In Frühgeborenenintensivstationen
(NICU) wird diese Empfehlung jedoch oft nicht adäquat an die Eltern weitergegeben. Im Rahmen einer Studie in Houston wurde ein Algorithmus entwickelt, um die Prävalenz der Rückenlage zu erhöhen. Informationsprogramme für das eigene Personal und die Eltern, zusätzliche Aufklärungsmaterialien und telefonische ErinnerunErinnerungen nach der Entlassung waren wesentlicher Bestandteil dieses Programms. Dadurch konnte die Compliance (Anwendung der Rückenlage) von 39 % auf 83 % erhöht werden. Die Verwendung einer festen Unterlage stieg von 5 % auf 96 %, die Vermeidung weicher Gegenstände im Kinderbett von 45 % auf 75 %. Die Autoren emp % auf 75 %. Die Autoren emp% auf 75 %. Die Autoren emp %. Die Autoren emp%. Die Autoren empfehlen daher derartige Maßnahmen als Routinevorgehen auch für andere NICUs.Pediatrics 2013; 131:e1264–e1270
PMID 23460685
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Prof. Dr. R. Kerbl LKH Leoben Abteilung für Kinder und Jugendliche LKH Leoben, Vordernbergerstr. 42 A-8700 Leoben, Österreich [email protected]
Pädiatrie aktuell · Forschung kurz notiert
784 | Monatsschrift Kinderheilkunde 9 · 2013