Neuropsychologie und ihre Methoden
Proseminar: Elektrophysiologie kognitiver ProzesseSeminarleitung: Dr. Nicola FerdinandReferentinnen: Anna-Lena Scheuplein & Johanna Jäschke03.11.2008
Gliederung
1. Was ist Biopsychologie?
1.1. Definition1.2. Forschung in der Biopsychologie1.3. Teilbereiche der Biopsychologie1.4. Wissenschaftliches Arbeiten
2. Methoden der Biopsychologie
3. Vergleich einzelner Methoden
1. Was ist Biopsychologie?
Eine junge NeurowissenschaftIntegrative Disziplin:
NeuroanatomieNeurochemieNeuroendokrinologieNeuropathologieNeuropharmakologieNeurophysiologie
1.1. Definition
Psychologie = das wissenschaftliche Studium des
Verhaltens – das Studium von allen gezeigten Aktivitäten eines Organismus und von allen internalen Prozessen, auf denen diese vermutlich basieren.
Biopsychologie ist das wissenschaftliche Studium der Biologie des Verhaltens.
1.2. Forschung in der Biopsychologie
Versuchspersonen und Versuchtiere
Versuchspersonen: sind kostengünstigkönnen Instruktionen folgenkönnen über subjektives Erleben berichten
Versuchstiere:Ratten, Mäuse, Katzen, Hunde, nichtmenschliche PrimatenGeringere Komplexität des Gehirns und des Verhaltens
Grundlegende Gehirn-Verhalten Interaktionen aufzeigbarWeniger ethische Einschränkungen
1.2. Forschung in der Biopsychologie
Experimente und nicht-experimentelle Studien
ExperimenteAufdecken von Ursache- Wirkungs-ZusammenhängenKontrolle konfundierender Variablen
Nicht-experimentelle StudienQuasi-experimentelle Studien:Untersuchung von Vpn, die den interessierenden Bedingungen im echten Leben ausgesetzt sind (z.B.: Alkoholiker)Fallstudien:Untersuchung von EinzelfällenGeneralisierbarkeit ?
1.2. Forschung in der Biopsychologie
Grundlagenforschung & angewandte Forschung
Grundlagenforschung:Forschung aus Neugier/ zum Wissenserwerb
Angewandte Forschung:Forschung mit direktem Nutzen
1.3. Teilbereiche der Biopsychologie
Physiologische PsychologieDirekte Manipulation des Gehirns (elektrisch/chirurgisch)LabortiereGrundlagenforschung
PsychopharmakologieManipulation neuronaler Aktivität und des Verhaltens durch Psychopharmaka und DrogenAngewandte ForschungLabortiere und menschliche Probanden
1.3. Teilbereiche der Biopsychologie
NeuropsychologieUntersuchung der psychologischen Auswirkungen von Hirnschäden bei menschlichen PatientenQuasiexperimentelle Studien und FallstudienGrößter Anwendungsbezug
PsychophysiologieUntersucht den Zusammenhang zwischen physiologischer Aktivität und psychologischen ProzessenAbleitungsverfahren: nichtinvasiv (z.B. EEG)
1.3. Teilbereiche der Biopsychologie
Kognitive NeurowissenschaftErforschung der neuronalen Grundlagen der KognitionMenschliche ProbandenNichtinvasive Ableitung (z.B. funktionelle Bildgebung)
Vergleichende PsychologieVergleich des Verhaltens verschiedener Spezies
Verstehen von Evolution, Genetik und Adaptivität von VerhaltenTeilgebiete: evolutionäre Psychologie und Verhaltensgenetik
1.4. Wissenschaftliches Arbeiten
Konvergenz der Ansätze
Verschiedene Ansätze werden so auf ein einziges Problem angewandt, dass die Stärken eines Ansatzes die Schwächen eines anderen kompensieren
Wissenschaftliches Schlussfolgerngrundlegende Methode der Biopsychologie:Messen von beobachtbareren Ereignissen. Messungen dienen als Grundlage, um die Natur von Ereignissen, die nicht beobachtbar sind, logisch abzuleiten
1.4. Wissenschaftliches Arbeiten
Kritisches DenkenPublikation in angesehener wissenschaftlicher Zeitschrift?Morgans Kanon: einfachste Erklärung = beste Erklärung
o Objektivität ?o Evaluation der Konsequenzen ?o Grundlage der Behauptung ?
Gliederung
1. Was ist Biopsychologie?
1.1. Definition1.2. Forschung in der Biopsychologie1.3. Teilbereiche der Biopsychologie1.4. Wissenschaftliches Arbeiten
2. Methoden der Biopsychologie
3. Vergleich einzelner Methoden
2. Methoden der Biopsychologie
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
c) Invasive physiologische Forschungsmethodend) Pharmakologische Forschungsmethoden
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
RöntgenkontrastuntersuchungComputertomographie (CT)Magnet-Resonanz-TomographiePositronen-Emissions-Tomographie (PET)Funktionelle MRTMagnetoencephalographieGehirnbilderarchiveTranskranielle Magnetstimulation
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
RöntgenkontrastuntersuchungInjektion einer Substanz, die die Röntgenstrahlen stärker oder schwächer als das umliegende Gewebe absorbiert Kontrastez.B.: zerebrales Angiogramm zur Lokalisation vaskulärer Schädigungen
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
Computertomographie (CT)Röntgenverfahren zur Visualisierung des Gehirns und innerer Strukturen des KörpersRöntgenstrahlen durch den Kopf des Patienten viele einzelne Röntgenbilder durch Rotation der Röntgenröhre Zusammensetzung durch Computer
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT)Relativ hohe räumliche AuflösungKann dreidimensionale Bilder erzeugenUntersuchung im Magnetfeldje nach Gewebe zeigen Protonen unterschiedliche Resonanz
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
Positronen-Emissions-Tomographie (PET)Liefert Bilder der Gehirnaktivität, nicht der GehirnstrukturInjektion eines RadioisotopsLiefert ein Abbild der Stärke der Radioaktivität in verschiedenen Teilen des Gehirns (aktive Areale „strahlen“ stärker)
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
Funktionelle Magnet- Resonanz- Tomographie (fMRT)Bilder von den Veränderungen in der Sauerstoffsättigung des Blutes in den aktiven Gehirnbereichen Liefert strukturelle und funktionelle InformationNichtinvasivDreidimensionale Bilderhohe räumliche Auflösung
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
Magnetoencephalographie (MEG)Misst GehirnaktivitätMisst Veränderungen in den Magnetfeldern auf der Oberfläche der Kopfhaut, die durch die Veränderungen in den zugrunde liegenden Mustern neuronaler Aktivität hervorgerufen werdenVorteil: Zeitliche Auflösung
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
GehirnbilderarchiveWichtige neue EntwicklungDaten können verglichen und kombiniert werden
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
neben dem Schädel wird unter einer Spule ein Magnetfeld erzeugt schaltet vorübergehend Teile des Gehirns abUntersuchung der Auswirkungen auf Kognition und Verhalten während der Stimulation
2. Methoden der Biopsychologie
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
c) Invasive physiologische Forschungsmethodend) Pharmakologische Forschungsmethoden
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
Elektroencephalographie (EEG)AugenbewegungenMuskelspannungElektrodermale Aktivität (EDA)Kardiovaskuläre Aktivität
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
Elektroencephalographie (EEG)EEG = Summe aller elektrischer Ereignisse im Kopf (EPSP, IPSP, elektrische Signale von Haut/Muskeln/Blut/Augen)
EEG als Maß der elektrischen Gesamtaktivität des GehirnsElektroden erfassen elektrische Ereignisse im Kopf
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
EEG als Forschungs- und Diagnose-Werkzeug: bestimmte EEG-Wellen sind mit bestimmten Bewusstseinszuständen / cerebralen Pathologien assoziiert ereignisbegleitende EEG-Wellen werden als EKPsbezeichnet (= ereigniskorrelierte Potentiale)
EKP‘s: werden von dauernd vorhandenen EEG-Wellen überlagertPermanente EEG-Hintergrundaktivität = RauschenReaktion auf einen Reiz = Signal
EKP = Potentiale, die vor/während/nach einem sensorischen, motorischen oder psychischem Ereignis messbar sind
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses durch Signalmittelung
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
Hohe zeitliche AuflösungQuelle des Signals kann nur grob geschätzt werden
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
AugenbewegungenEOG= Elektrookulographie: elektrophysiologisches Verfahren zur Aufzeichnung von AugenbewegungenEOG basiert auf der Tatsache, dass zwischen der Vorderseite (positiv) und der Rückseite (negativ) des Augapfels eine konstante Potentialdifferenz bestehtAugenbewegungen als Veränderungen dieses konstanten PotentialsVEOG: vertikale Augenbewegungen als Veränderungen zwischen den vertikalen Augenelektroden HEOG: horizontale Augenbewe-gungen als Veränderungen zwischen den horizontalen Augenelektroden
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
MuskelspannungAls Indikator für psychische Aktiviertheit (Arousal)Elektromyographie als Verfahren zur Messung der Muskelspannung EMG
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
Elektrodermale AktivitätHautleitfähigkeit = Fähigkeit der Hautoberfläche Strom zu leitenSchweiß = LeitungspfadBeteiligt an der Schweißbildung sind: Formatio reticularis, limbisches System, Hypothalamus
Emotionale Gedanken und Erlebnisse erhöhen die Fähigkeit der Haut Elektrizität zu leiten (erhöhte Schweißdrüsenaktivität in emotionalen Situationen)
SCL SCR
-skin conductance level-Hautleitfähigkeitsniveau-Hintergrundniveau-tonisch-Füllungszustand der Drüsen
-skin conductance response-Hautleitfähigkeitsreaktion-phasisch-Vorübergehende Änderung auf Reiz
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
Kardiovaskuläre AktivitätHerzrate
Elektrokardiogramm (EKG)
Blutdruck:Verhältnis von systolischem und diastolischem DruckSystole (Druckmaximum), Diastole (Druckminimum)
Blutvolumenz.B. messbar über LichtabsorptionJe mehr Blut, desto mehr Licht wird absorbiert
2. Methoden der Biopsychologie
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
c) Invasive physiologische Forschungsmethoden
d) Pharmakologische Forschungsmethoden
c) Invasive physiologische Forschungsmethode
Stereotaktische ChirurgieLäsionsmethodenElektrische StimulationInvasive elektrophysiologische Ableitungsmethoden
c) Invasive physiologische Forschungsmethode
Stereotaktische ChirurgieHilfsmittel, durch das experimentelle Vorrichtungen präzise innerhalb des Gehirns positioniert werden könnenStereotaktischer Atlas („Wegbeschreibung zum Zielort“)
Lokalisation von HirnstrukturenStereotaktischer Apparat (Kopfhalterung und Elektrodenhalterung)
c) Invasive physiologische Forschungsmethode
LäsionsmethodenEin Teil des Gehirns wird beschädigt, zerstört oder entferntAnschließend Beurteilung von Verhalten, um die Funktion der geschädigten Struktur zu bestimmen
c) Invasive physiologische Forschungsmethode
Elektrische StimulationElektrische Hirnstimulation führt zu Hinweisen auf die Funktion einer neuronalen StrukturStromimpulse
unmittelbarer Anstieg der Feuerrate von Neuronen in der Nähe der Elektrode
Auslösen von Verhaltenssequenzen ( Läsionen)
2. Methoden der Biopsychologie
a) Methoden zur Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
b) Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
c) Invasive physiologische Forschungsmethodend) Pharmakologische Forschungsmethoden
d) Pharmakologische Forschungsmethoden
Pharmakologische Substanzen beeinflussen die Wirkung bestimmter Neurotransmitter und damit das Verhalten
Selektive chemische LäsionenMessung der chemischen Aktivität des GehirnsLokalisierung von Neurotransmittern und Rezeptoren im Gehirn
d) Pharmakologische Forschungsmethoden
Selektive chemische LäsionenSelektive Läsionen durch Injektion von Neurotoxinen(Affinität für bestimmte Komponenten des NS)
Messung der chemischen Aktivität des Gehirns2-Desoxyglukose-Technik
Injektion von radioaktivem 2-DGVersuchstier in bestimmter VerhaltenssituationNach dem Verhaltenstest: Autoradiographie des Gehirns
d) Pharmakologische Forschungsmethoden
Messung der chemischen Aktivität des GehirnCerebrale Dialyse
Verfahren zur Messung der extrazellulären Konzentration bestimmter neurochemischer Substanzen in aktiven Tieren mittels Implantation eines Röhrchens
d) Pharmakologische Forschungsmethoden
Lokalisierung von Neurotransmittern und Rezeptoren im GehirnImmunocytochemie und In-situ-Hybridisierung
Gehirnschnitte werden einem markierten Liganden/m-RNA ausgesetztMarkierung der Position interessierender Neurone durch den Liganden
Abb.: Immunocytochemie
Gliederung
1. Was ist Biopsychologie?
1.1. Definition1.2. Forschung in der Biopsychologie1.3. Teilbereiche der Biopsychologie1.4. Wissenschaftliches Arbeiten
2. Methoden der Biopsychologie
3. Vergleich einzelner Methoden
Vor- und Nachteile von EKPsIm Vergleich zu Verhaltensmaßen (z.B. Reaktionszeit):Vorteil:
EEG misst auch Prozesse, die zwischen dem Stimulus und der Antwort ablaufenAm Beispiel des Stroop-Paradigmas:
Vpn sind langsamer, wenn Wort und Farbe inkongruent sindReflektiert die verlangsamte Antwort langsamere Wahrnehmungs- oder Antwortprozesse?P300 verzögert bei verzögerter WahrnehmungDie P300-Latenz ist nicht verzögert in inkongruenten Trials Verzögerung in der RT nicht durch Wahrnehmungsprozesse
ROT GRÜN GELB BLAU ROT BLAU GELB GRÜN
Vor- und Nachteile von EKPsIm Vergleich zu Verhaltensmaßen (z.B. Reaktionszeit):Nachteil:
EKP‘s sind sehr klein viele Trials, um sie akkurat zu messen
Invasivität Räumliche Auflösung
Zeitliche Auflösung
Kosten Sonstiges
EKP
MEG
fMRI
PET
nicht invasiv schlechte Lokalisier- barkeit der Ereignisse
im ms- bereich
misst direkt die neuronale Aktivität
relativgünstig
sensitiv bzl. exogenen und endogenen Veränderungen
nicht invasiv gering gut teuer
nicht invasiv hohe räumliche Auflösung
ca. 1s (nicht so gut wie EEG, aber besser als PET)
teuer Lärm, keine lange Durchführung möglich
Injektion radioaktiver 2-DG
exzellente räumliche Auflösung
Schlechte zeitliche Auflösung
sehr
teuer
geringe Halbwertszeiten
komplizierte Testungen nicht möglich
Kombination der Verfahren bei derselben Versuchsperson und derselben Versuchsanordungsehr gute zeitliche und räumliche Auflösung.
Literaturangaben
Pinel, J.P. J. & Pauli, P. (2007). Biopsychologie. München: Pearson. (Kapitel1, S.8-22, und Kapitel 5, S. 130-149)Carlson, N. R. (2004). Physiologische Psychologie. München: Pearson. (Kapitel 5, S. 169-185)Luck, S.J. (2005). An introduction to the event-relatedpotential technique. Cambridge: MIT press. (Kapitel 1, S. 21-27)