+ All Categories
Home > Documents > Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003...

Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003...

Date post: 22-Jan-2021
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
40
SCHWAZER KULTURZEITSCHRIFT Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE MARIA MAXIMILIANA
Transcript
Page 1: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

SCHWAZER KULTURZEITSCHRIFT

Nr. 50, JULI 2003

500 JAHREMARIA MAXIMILIANA

Page 2: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

2

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 3

Die Maria Maximiliana in Schwaz und ihre Wappen . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

Hans Sachs – Gründer der Schwazer Meistersinger? . . . . . . . . . . . . . . Seite 27

Vom Schulwesen im alten Schwaz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 31

Willi Wilfling zum Ehrenmitglied ernannt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 37

Wilhelm Angerer – Fotoarchiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 38

Gratulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 38

Der neue Empfangsbereich im Rabalderhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 38

Schwaz in alten Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 39

Vorschau auf Ausstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 40

Titelbild:Relief der Löfflerglocke „Maria Maximiliana”, entnommen der Jubiläumsschrift

„100 Jahre Tabakfabrik Schwaz”

Impressum: Heimatblätter- Schwazer Kulturzeitschrift Nr. 50 - 2003.Eigentümer und Herausgeber: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz, 6130 Schwaz, Winterstellergasse 9E-mail: [email protected] · www.rabalderhaus-schwaz.at

Für den Inhalt verantwortlich: Obmann Dr. Otto Larcher, Max-Angerer-Weg 7 - 6130 Schwaz

Redaktionsleitung: Eusebius Lorenzetti

Fotos dieser Ausgabe: Archiv P. Thomas Naupp (Stift St. Georgenberg - Fiecht), Archiv Rabalderhaus,Georg Angerer, Peter Hörhager, Eusebius Lorenzetti, Foto Egon Wurm, BDA.

Gesamtherstellung: Druck 2000 GmbH Wörgl, Tel. 0 53 32 - 70 000

SCHWAZER KULTURZEITSCHRIFT

Gegründet von Dr. Erich Egg im Jahre 1952

s t a d t s c h w a z

Inhalt

Page 3: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

3

Wer jemals in nächster Nähe des Glockenturmsden Beginn des Läutens der Maximiliana mit-erleben konnte, wird mir zustimmen, wenn iches als "unbeschreiblich" bezeichne:Zuerst das Knarren des Glockenstuhls, danndas Schwingen und Einsetzen der kleinerenGlocken und schließlich das volle Geläute mitder viereinhalb Tonnen schweren Löfflerin. Seit 500 Jahren begleitet sie das Leben derSchwazerinnen und Schwazer in guten wie inschweren Zeiten, an hohen kirchlichen Feierta-gen und bei Gewittergefahr!Die Schwazer Bevölkerung hängt an ihrergroßen Glocke Maria Maximiliana, diesemeinzigartigen Kunstwerk mit dem schönenKlang im Ton A (Analyse von Jungwirth:Oberoktav C2, Unterton B2, Prim Cis 1, Terzes 1-1, Quint/Sext Fis 1-4) und dem herrlichenWappenschmuck.Peter Löffler, Gründer der berühmten Erz-gießerei in Innsbruck, stand als Büchsengießerim Dienste Maximilians I.. Dabei verzierte erdie Geschütze und Waffen so meisterlich mitWappen, Figuren und Inschriften, dass er mitdem Guss der ersten Statue für das GrabmalMaximilians beauftragt wurde. Aber erst derGlockenguss bot Löffler die Möglichkeit "alsexzellenter Kunsthandwerker und als Reprä-sentant seiner Zeit" Beachtung und Aner -kennung zu erlangen (Gritsch, Veröffentl.des Museums Ferdinandeum, Bd. 20/25,S. 58 - 78).Die früheste noch erhaltene Peter LöfflerGlocke (1491) befindet sich in Amras, weitereschuf er für Toblach, Taisten, Eglar (Eppan),Barbian, Straß, Fügen, Stumm, Schlitters undWilten.

Schwaz bestellte bei ihm zwei Glocken: die1503 gelieferte Maximiliana (welche bis zurFertigstellung des Kirchenturms 1510 nebender Kirche in einem "Gstuedl" aufgehängt warund 1511 in den neuen Glockenturm kam)sowie die 1510 gelieferte kleinere Glocke fürdie Giebelmauer an der Westfassade der Lieb-frauenkirche. Diese existiert nach AnsichtBeimrohrs nicht mehr.

Heuer feiern wir das 500-Jahr-Jubiäum derMaria Maximiliana: Am Kirchweihsonntag,19. Oktober, veranstaltet die Pfarre ein"Gedächtnisläuten". Der Beitrag desRabalderhauses zu diesem Jubiläum ist dasvorliegende Heimatblatt mit dem Artikel desHeraldik-Fachmanns Dr. Wilfried Beimrohrzur Maximiliana als heraldisches Denkmal.

Außerdem beginnt P. Thomas Naupp eine Seriezur Erforschung des Schulwesens im altenSchwaz und zu Hans Sachs.

Dem neuen Ehrenmitglied unseres VereinsWilli Wilfling sowie dem überaus verlässlichenMitarbeiter Jup Rathgeber möchte ich michanlässlich des Abschieds vom Rabalderhauspersönlich nochmals herzlich bedanken.

So bringt dieses Heimatblatt wiederum vielInteressantes! Den Autoren Dr. Wilfried Beim-rohr und P. Dr. Thomas Naupp danke ich fürihre Beiträge. Den Lesern wünsche ich Vergnü-gen bei der Lektüre und einen erholsamenSommer!

Dr. Otto Larcher, Obmann

Vorwort

Page 4: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

4

An dem Ort war nichts Aufregendes, ein Dorf, wiees überall in Tirol anzutreffen war. Schwaz besaßallerdings Merkmale, die es etwas aus dem Ein-

erlei ländlicher Siedlungen heraushoben. Schwaz warder administrative Mittelpunkt eines Gerichtsbezirkes,des Landgerichts Freundsberg. Dadurch wurden Bauernaus dessen Sprengel angezogen, die hier ihre Rechtsge-schäfte zu erledigen hatten, und von diesem Besucher-strom profitierten der örtliche Handel, das Gastgewerbeund das Handwerk. Den wirtschaftlichen Bedürfnissendieser Kleinregion wurde insofern Rechnung getragen,als der Landesfürst auf Initiative der Freundsberger, derInhaber des Landgerichts, 1326 gestattete, dass inSchwaz Wochenmärkte abgehalten werden durften. Daswiederum war der Ansatzpunkt für eine administrativeTeilung. Es entwickelten sich zwei Gemeinden, derMarkt Schwaz und das Dorf Schwaz, die erst 1837 zueiner Gemeinde zusammengeschlossen wurden.Dieses beschauliche und bescheidene Leben änderte sichschlagartig, als um 1420 die Kupfer- und Silberlagerstät-ten wieder entdeckt und in den Bergrevieren bei der„Alten Zeche“, am „Ringenwechsel“ und vor allem am„Falkenstein“ der Abbau intensiv einsetzte. Der Bergbauboomte und zog massenhaft Menschen an, die hierGlück, Wohlstand und Arbeit zu finden hofften. DieSiedlung expandierte und ihre Bevölkerung schwoll an.(Von den für die Zeit um 1515 kolportierten 20.000 Ein-wohnern war Schwaz aber weit entfernt. Diese Zahlbezieht sich, sofern sie überhaupt realistisch ist, auf dasbergbauliche Einzugsgebiet zwischen Brixlegg undSchwaz.) Dass sich in dieser „Silbergräberstadt“ etwasregt und viel tut, dafür gibt es viele Indikatoren. 1449erhält Schwaz eine eigene Bergwerksordnung, die Vor-bildwirkung hat, 1507 ziehen die Franziskaner ein, einOrden, der auf Seelsorge im urbanen Umfeld speziali-siert ist, 1515 wird das Heilig-Geist-Spital errichtet, eineInstitution, die sich der Armenfürsorge und der Alten-pflege widmet, 1522 siedeln die Augustiner-Eremitinnenvom Halltal nach Schwaz um. Abgesehen davon leisteteman sich, wobei die treibenden Kräfte und Finanziers dieGewerken und die in einer Bruderschaft genossenschaft-lich zusammengeschlossenen Bergknappen waren, denNeubau eines Gotteshauses, das wenig später völligumgebaut und großzügig erweitert wurde, und diesinnerhalb eines halben Jahrhunderts. Auf den scharfenwirtschaftlichen und demographischen Paradigmen-

wechsel war Schwaz von seiner rechtlichen Struktur hernicht vorbereitet. Dem ohnedies schwach abgefedertenRechtsstatus als Markt entsprach keine gemeindlicheAutonomie, wie wir sie bei anderen Marktsiedlungendieser Zeit antreffen. Das lag vor allem daran, dass derGroßteil der Bevölkerung auch rechtlich ein Eigenlebenführte. Die Bergwerksverwohnten, Gewerken wie Knap-pen, unterlagen einer eigenen Gerichtsbarkeit, der desBerggerichts Schwaz, und sie zählten nicht zu denGemeindegenossen der Gemeinden Markt Schwaz undDorf Schwaz. Auch die Kirche hinkte hinter der rasantenEntwicklung her. Schwaz gehörte kirchlich zur PfarreVomp, einen eigenen ortsfesten Priester hatte Schwaznicht, der wurde ihm erst im 16. Jahrhundert zugestan-den. Bis dahin musste man sich mit einer Reihe vonKaplänen, die durch private Messstiftungen unterhaltenwurden, behelfen, wobei die seelsorgerlichen Pflichtendieser Kapläne beschränkt waren. Erst 1645 wurden dieletzten geistlichen Bande zu Vomp gelöst und Schwazzur eigenständigen Pfarre erhoben.

Der KirchenbauDie Motive, die alte bescheidene Kirche abzubrechenund an ihrer Stelle ein neues geräumigeres Gotteshaus zuerbauen, sind unschwer zu erraten. Der Platzmangelstörte, und um des eigenen Seelenheils willen musste eingutes Werk getan werden, zumal man im Bergbau gutesGeld verdiente, und der Wunsch nach Repräsentationwird auch hereingespielt haben. Nicht umsonst vermerktdie Schwazer Bergchronik: „Anno 1460. Dyweyll dykirch alls zuezochns volch nyt fasset, man dyselbapprycht undt an der stöll den grundstayn zue ayn neuGotts haus zue er und preyss unnser lieben Frauen sötzet.Dy Gewerchen zue den kyrchnpau ansöchentlych pey-trag styften zu der füderung desselb, die vürnemb Meyt-tinger [die Augsburger Handelsgesellschaft LudwigMeitinger] füran.“ Wahrscheinlich hatte man die Kapa-zität des neuen dreischiffigen Kirche unterschätzt, siewar dem Andrang der Gläubigen nicht gewachsen. Dennkaum waren die letzten Bauarbeiten abgeschlossen,setzte 1490 der Aus- und Umbau ein. Die „alte“ Kirchewurde in das Ausbaukonzept einbezogen. An den vor-handenen Chor wurde ein gleich großer Südchor ange-baut, das Langhaus nach Westen um zwei Joche verlän-gert und nach Süden so erweitert, dass die Kirche jetzt

Eine Glocke als heraldisches Denkmal

Die Maria Maximiliana in Schwazund ihre Wappen

von Wilfried Beimrohr

Page 5: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

55

Maria Maximiliana, 1503

Page 6: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

6

vier Schiffe hatte.1502 war die Kirche soweit fertiggestellt, dass sie wieder benutzt und geweiht werdenkonnte. An den Neubau des Turmes, dessen Fundamentund untere Geschosse belassen wurden, wagte man sicherst 1509, vier Jahre später stand er bereits. Die Schwa-zer befürchteten schon damals, der Turm könne umfal-len. Jedenfalls hängt er heute um einen Meter über. 1910wurde aus Vorsicht im Friedhof ein zweiter Turm für dieGlocken errichtet. Und von einer der dort hängendenGlocken soll jetzt die Rede sein.

Der GlockengussNoch fehlten dem neu-neuen Gotteshaus die Glocken.Im April 1502 wurde ein Werk- und Lieferungsvertragabgeschlossen. Namens der Liebfrauenkirche agiertenals Auftraggeber Hildebrand von Spaur, Pfleger desLandgerichts Freundsberg, Hans Fieger der Ältere, RatKönig Maximilians (und nebenbei als Gewerke imSchwazer Bergbau engagiert), Kaspar von Pirchach, Ber-grichter von Schwaz, Jörg Stöckl und Christoph Kauf-mann in ihrer Funktion als Baumeister besagter Kirche(als Baumeister waren sie für die finanzielle Abwicklungdes Kirchenbaus verantwortlich) sowie Sebastian Ann-dorfer und Leonhard Schreter. Auftragnehmer war derehrbare Meister Peter Laminger (Laiminger) vom Hei-ligen Kreuz in Innsbruck. Peter Laiminger wurde beauf-tragt, eine „gut formliche wolgestimte gloggn her genSwats zu der Kirchn zu machen“, die beiläufig 67 Zent-ner nach Wiener Gewicht wiegen, maximal aber 72 Zent-ner auf die Waage bringen sollte. Ging Laiminger derGlockenguss daneben, so hatte er das damit verbundenefinanzielle Risiko zu tragen. Abgerechnet wurde nachGewicht. Sofern die Glocke „wolgeriet“ und seitens derBesteller keine Reklamationen erfolgten, standen Lai-minger für jeden Zentner des Werkstücks 12 Gulden (fl.)zu, die Materialkosten waren im Preis inkludiert. Weiterswurde ein zweite, kleinere Glocke in Auftrag gegeben,die für die Westfassade vorgesehen war. Sie sollte um die13 Zentner wiegen. Die Konditionen und der Preis warendie gleichen wie bei der großen Glocke. Gegen Sicher-stellung sollten Geld oder Material (Kupfer) dem Lai-minger vorgestreckt werden. Anfänglich sollten ihm 70Zentner Kupfer zum Preis von 4 Gulden und 45 Kreuzergegen nachträgliche Abrechnung nach Innsbruck gelie-fert werden, wobei dieses Kupfer dünn ausgewalzt seinund der üblichen Qualität entsprechen musste. Die Liefe-rung der zwei Glocken nach Schwaz an die dortigeLände (also war der Transport auf dem Wasserweg vor-gesehen) war im Preis inbegriffen wie auch das Aufhän-gen der Glocken an der Westfassade bzw. auf einemGestell bei der Kirche (die große Glocke war für denKirchenturm vorgesehen, der noch nicht stand). Laimin-ger verpflichtete sich, die Glocken bis längstens Michaelizu gießen und zu liefern. Waren die Glocken aufgehängt

und wurden sie für in Ordnung befunden, so stand ihmdie Hälfte des Kaufpreises zu, wobei das ihm gelieferteKupfer preislich abgezogen wurde. Nach einer Gewähr-leistungsfrist von einem Jahr hatte die Restzahlung zuerfolgen.

1504 nahm Leonhard Steyr(er) als amtierender Baumei-ster der Liebfrauenkirche die Endabrechnung vor. Wiedieser zu entnehmen ist, hat die von Peter Laimingergegossene und gelieferte Glocke 80 Zentner und 50Pfund (Wiener Maß) gewogen. (1 Zenter = 100 Pfund =56 kg; demnach wog die Glocke umgerechnet 4508 kg,also gut viereinhalb Tonnen.) Entsprechend dem verein-barten Preis von 12 Gulden pro Zentner standen Laimin-ger insgesamt 966 Gulden zu. Davon war gut die Hälfte,wie vertraglich vereinbart, von dem früheren BaumeisterJörg Stöckl und von Steyrers derzeitigem AmtskollegenChristoph Kaufmann bereits entrichtet worden, entwederin bar oder in Form von Kupferlieferungen, insgesamthatten die Schwazer Laiminger 60 Zentner Kupfer ver-kauft. Den verbliebenen Rest von 480 Gulden und 1Pfund zahlte Steyrer jetzt bar aus. Da wir den Preis ken-nen, um den Laiminger das Kupfer überlassen wurde,können wie die reinen Materialkosten für die Glockegrob anschätzen: Sie lagen bei einem Drittel. Die ander-weitigen Werkkosten, an Material und der Transport,dürften nicht allzu viel ausgemacht haben, jedenfallswaren die Arbeitskosten für den Guss recht ansehnlich.Aber das Werk sollte den Meister loben, der Klang derGlocke konnte sich hören und ihr reicher figuralerSchmuck sich sehen lassen.

Der Meister und GießerWer war nun dieser Meister Peter, der uns durch unter-schiedliche Namen verwirrt, das eine Mal schreibt ersich Laiminger, das andere Mal Löffler. Gesichert ist,dass er seit den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts amGänsbichl in Hötting, hart an der Grenze zu Innsbruck,eine Gießerei betrieb, spezialisiert auf Glocken- undGeschützguss, die einen ausgezeichneten Ruf genoss.Seine Herkunft liegt im Dunkeln, er könnte aus derGegend von Feldkirch stammen. Zwei Indizien legendiesen Schluss nahe, denn Meister Peter besaß in Feld-kirch eine weitere Gießerei, die um 1519 aufgelassenwurde, und in der Nähe von Feldkirch findet sich aucheine Ortschaft Heiligenkreuz. Jedenfalls wurde er unterdem Namen Peter Löffler 1489 in den Adelsstand erho-ben und ihm zugleich ein Wappen verliehen. DiesesWappen ist ein redendes, den Namen Löffler versinnbild-lichendes. Es zeigt in rotem Schild einen in einemweißen Bach watenden schwarzen Vogel, „so man nentlöffler“, der eine goldene Krone trägt. (Zoologisch gese-hen sind die Löffler, die einen löffelförmigen Schnabelhaben, mit den Ibissen verwandt. Diese geselligen Was-

Page 7: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

7

servögel brüten in großen Kolonien und ernähren sichvon kleinen Fischen, Schnecken und Insekten, die sie mitihren Schnäbeln aus dem Wasser schöpfen.)

In Peter Löfflers/Laimingers Gießerei wurden zahlreicheGlocken gegossen, allein in Tirol lässt sich ein gutesDutzend nachweisen, wovon die meisten die Kirchen-brände und die „Metallsammlungen“ des Ersten undZweiten Weltkriegs heil überstanden haben, so wie seingroßes Schwazer Werkstück, während die kleine Glockenicht mehr existiert. Löffler hatte ein zweites wirtschaft-liche Standbein, ein wenig friedvolles, er gossGeschütze, was der andauernd in Kriege verstrickteMaximilian zu schätzen wusste, der sein größter Auftrag-geber war. An Geschützen aus Löfflers Produktion, diealle wie die Glocken einen Namen hatten, wenn aucheinen kriegerisch-derben, wären zu nennen: Der Leopardvon Wilten (1506), Frau Humbserin (1508/9), GreulichLeo von Sigmundskron (1508) und die Lauerpfeif. Eineriskante Pioniertat für Löffler war der Guss der erstenBronzestatue für das Grabmal Kaiser Maximilians in derInnsbrucker Hofkirche, eine Plastik, die von Gilg Sessel-schreiber entworfen und geformt worden war und Ferdi-nand von Portugal darstellte. Peters Söhne schrieben sichdurchwegs Löffler, wohl weil der Vater unter diesemNamen geadelt worden war, behielten aber Laiminger alsÜbernamen bei. Einer seiner Söhne, die alle in das Gieß-ereigewerbe einstiegen, sollte den Peter an Nachruhmbei weitem überflügeln. Es war der Sohn Gregor, der indie Kunstgeschichte einging und zu lexikalischen Ehrenaufstieg. Peter Löffler verstarb hoch betagt in den späten20er Jahren des 15. Jahrhunderts. Gregor Löffler, derberühmte Sohn, kaufte 1583 in der in Nähe der elterli-chen Wohnstätte und Gießhütte Grund an und begannmit dem Bau des Ansitzes Büchsenhausen. Seine beidenSöhne ließen sich 1591 die großväterliche Adelsverlei-hung von 1489 bestätigen und wurden mit dem Prädikat„von und zu Büchsenhausen“ ausgestattet. GregorsEnkel verkauften 1604 den Besitz Büchsenhausen inBausch und Bogen an Erzherzog Maximilian den Deut-schmeister, den damaligen Tiroler Landesfürsten. DieLöffler von und zu Büchsenhausen erloschen noch im17. Jahrhundert.

Inschriften und künstlerischerAufputz

Nun ist es aber an der Zeit, die Glocke näher in Augen-schein zu nehmen, wobei uns weniger die künstlerischenAspekte interessieren, vordringlich sollen hier die heral-dischen Informationen, die uns die Glocke bietet, verar-beitet werden. Am Glockenhals verrät die Glocke durcheine zwischen Schnurrändern laufende zweizeiligeInschrift, die in lateinischen Kapitalen gehalten ist, wel-chen Namen sie trägt und in welchem Jahr sie gegossen

worden ist: MARIA MAXIMILIANA NUNCUPATAEST HEC CAMPANA CONFLATA SUB DIVO MAXI-MILIANO ROMANORUM CESARE AUGUSTO ACHUNGARIE DALMATIE CROATIE REGE ARCHI-DUCE AUSTRIE DUCE BURGUNDIE CZ ACCOMITE TIROLIS ZC ANNO SALUTIS MCCCCCIIIREGNORUM EIUS ROMANI XVIII HUNGARIEVERO XIIII. (Frei übersetzt lautet die Inschrift: MariaMaximiliana wurde diese Glocke feierlich benannt. Siewurde gegossen unter dem erhabenen Maximilian,Römischem Kaiser von Gottes Gnaden, König vonUngarn, Dalmatien, Kroatien, Erzherzog von Österreich,Herzog von Burgund etc., Grafen von Tirol etc., im Jahredes Heils 1503, seiner Reiche des Römischen im 18. unddes Ungarischen im 14. Jahr). Am Schluss werden dieRegierungsjahre Maximilians angeführt, er war 1486zum römisch-deutschen König gewählt worden, seit1490 durfte er den Titel eines Königs von Ungarn führenund die damit verbundenen Titel eines Königs von Kroa-tien und eines Königs von Dalmatien, obwohl er keinesdieser Königreiche regierte. In der Beflissenheit, demzweiten Namenspatron zu huldigen, hat sich eine Inkor-rektheit eingeschlichen. „Caesar“ (Kaiser) des Heiligen

Religiöse Motive zwischen Wappendarstellungen amGlockenmantel der Maximiliana.

Page 8: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

8

Römischen Reichs war Maximilian noch nicht, nurdessen „rex“ (König). Erst 1508, nachdem ein Versuchgescheitert war, nach Rom zu gelangen, um sich dortvom Papst zum Kaiser krönen zu lassen, ließ sich Maxi-milian 1508 in Trient zum „Erwählten Kaiser“ ausrufen.Damit starb die Tradition des Romzugs und der päpstli-chen Kaiserkrönung, denn bis auf eine Ausnahme habenalle Nachfolger Maximilians als Reichsoberhaupt daraufverzichtet.

Wie üblich hat sich auch der Gießer auf der Glocke ver-ewigt. Am Übergang zwischen Mantel und Schlagringzieht sich die folgende Inschrift: PETRUS LAMINGERDE SANCTE CRUCE FECIT HOC OPUS. LAUDE-TUR DEUS.MCCCCCIII. (Petrus Laminger hat diesesWerk gemacht. Gelobt sei Gott.1503.) Darunter, amSchlagring, sind die herkömmlichen Weihesprüche ange-bracht.

Der Mantel der Maria Maximiliana ist überreich figuralgeschmückt, wobei die weltlichen Motive vorherrschenund die religiösen überdecken. Der Namenspatron,Maximilian, drängt die Namenspatronin, die Gottesmut-ter Maria, deren Himmelfahrt die Kirche geweiht war,nahezu in den Hintergrund. Auf der einen Seite prangtdas Reichs- und Königswappen, auf der Gegenseite fin-det sich ein von Zopfband umschlossenes Relief derMadonna mit Kind, senkrecht und knapp darüber eineKreuzigungsszene, Maria und Johannes betrauern dengekreuzigten Christus. Links und rechts von der Kreuzi-gung stehen zwei hübsche Medaillons, die einerseits denSchmerzensmann und andererseits die St. Anna-Selb-dritt darstellen. Das Madonnenrelief und das Königs-wappen werden von Siegeln mit der Schutzmantelma-donna begleitet. Zu ihm gesellt sich beide Mal das Siegelmit der Madonna in Halbfigur.

Zwischen dem Königswappen auf der einen und Madon-nenrelief und Kreuzigung auf der anderen Seite ziehensich drei Reihen von Wappendarstellungen. Präsentiertwerden insgesamt 60 Wappen (einschließlich desKönigswappens 61 Wappen), deren Namen unterhalb ingotischen Buchstaben wiedergegeben werden.

Die maximilianische WappensuiteJohanna Gritsch hat kurz nach dem Zweiten Weltkriegfür ihre Publikation über Peter Löfflers Glocken in Tiroldie Maria Maximiliana inspiziert, die Wappen aufGrundlage der Unterschriften identifiziert und sie durch-nummeriert. An dieser Nummernordnung, die wie folgtaussieht, wollen auch wir festhalten. Das Reichswappenträgt die Ziffer 12.

obere Reihe links vom Reichsadler (1–11)

Burgau (1) Schwaben (2) Habsburg (3) Steiermark(4) Kärnten (5) Alt-Österreich (6) Neu-Österreich (7)Spanien (8) Portugal (9) Böhmen (10) Ungarn (11)

obere Reihe rechts vom Reichsadler (13–23)

Dalmatien (13) Kroatien (14) England (15) Bosnien(16) Burgund (17) Mailand (18) Brabant (19) Schle-sien (20) Limburg (21) Luxemburg (22) Geldern (23)

mittlere Reihe links vom Reichsadler (24–33)

Land ob der Enns (24) Hohenberg (25) Kyburg (26)Cilli (27) Portenau (28) Pfirt (29) Tirol (30) Krain(31) Görz (32) Elsass (33)

Innsbrucker Wappenturm, 1499

Page 9: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

9

mittlere Reihe rechts vom Reichsadler (34–44)

Lothringen (34) Flandern (35) Hennegau (36) Artois(37) Seeland (38) Holland (39) Burgund (40) Antwer-pen (41) Charolais (42) Friesland (43) Namur (44)

untere Reihe links vom Reichsadler (45–53)Rhäzüns (45) Sieben Gerichte (46) Schelklingen (47)Feldkirch (48) Sonnenberg (49) Nellenburg (50)Tibein (Duino) (51) Windische Mark (52) Triberg(53)untere Reihe rechts vom Reichsadler (54–61)

Zutphen (54) Boulogne (55) Mecheln (56) Salins (57)Ansarcus (Auxerre ?) (58) Patriarch von Friaul (59)Alost (60) Ortenburg (61)

Wappen, die sich am Innsbrucker Wappenturms1499 und auf der Glocke finden, sind fett hervorge -hoben; unter den 54 Wappen auf dem Wappenturmsind sieben Wappen, die sich sehr wohl auf derGlocke befinden, nicht vertreten: Spanien, Portugal,Ungarn, England, Mailand, Görz, Ortenburg. Das Wap-pen für die Sieben Gerichte läuft beim Wappenturmunter Toggenburg, für Schelklingen unter Ehingen.Lediglich ein Wappen am Wappenturm, das von Mähren,wurde auf der Glocke nicht berücksichtigt.

Als Vergleichsbasis dient ein zeitlich nahes heraldischesDenkmal, der auf Initiative von Maximilian erbauteWappenturm in Innsbruck. Ihn zierte ein von Jörg Kölde-rer 1499 gemaltes monumentales Wappenfresko. DieserWappenturm trug links und rechts der Fensterachse jedrei vertikal verlaufende Reihen zu je neun Wappen (alsoinsgesamt 54 Wappen), die oben im Reichs- und Königs-wappen (Maximilian) und dem Wappen der Sforza(Bianca Maria, Maximilians zweite Frau) gipfelten. DerWappenturm hatte auch noch andere Wappen, die abererst später angebracht wurden. Der Wappenturm, dergottlob in einem Gemälde und in einem Kupferstich ver-ewigt worden ist, fiel 1766 der Spitzhacke zum Opfer, anseiner Stelle erhebt sich heute der Südturm der Hofburg.Auf Tiroler Boden ist die Maria Maximiliana mitihren 61 Wappen die umfangreichste Dokumentationder maximilianischen Heraldik, wobei die Glockegegenüber dem Innsbrucker Wappenturm den unbe-streitbaren Vorteil besitzt, noch erhalten zu sein. DieWappen, die auf der Glocke versammelt sind, stehenbildlich für die Macht und die Herrschaft Maximiliansund des Hauses Habsburgs. Ein textliches Pedant sinddie feierlichen und ausschweifenden, hierarchisch strengabgestuften Titulaturen, zum Beispiel im berühmtenTiroler Landlibell von 1511: Wir Maximilian, von Gottes

Gnaden Erwählter Römischer Kaiser, zu allen ZeitenMehrer des Reichs, in Germanien, zu Ungarn, Dalma-tien, Kroatien etc. König, Erzherzog zu Österreich, Her-zog zu Burgund, zu Lothringen, zu Brabant, zu Steyr, zuKärnten, zu Krain, zu Limburg, zu Luxemburg und zuGeldern, Landgraf im Elsass, Fürst zu Schwaben, Pfalz-graf zu Habsburg und zu Hennegau, Gefürsteter Graf zuBurgund, zu Flandern, zu Tirol, zu Görz, zu Artois, zuDuisburg [in der Provinz Brabant], zu Holland, zu See-land, zu Pfirt, zu Kyburg, zu Namur und zu Zutphen,Markgraf des Heiligen Römischen Reichs, der Enns undzu Burgau, Herr zu Friesland, auf der Windischen Mark,zu Mecheln, zu Portenau und zu Salins etc. Wie eine sol-che Titulatur, nur umfassender und in sinnbildlicherForm, verrät die Ansammlung von Wappen auf derMaria Maximiliana einen politischen Code. Hier mischtsich machtpolitische Realität mit Ansprüchen, die kühnund unverfroren aus dynastischen Beziehungen undfrüheren politischen Gegebenheiten abgeleitet werden.Realiter war Maximilan 1503 König des ehrwürdigenHeiligen Römischen Reiches, eines lockeren Lehenver-bandes von in die Dutzende gehenden Herrschaften undLändern. Macht und Einfluss des Königs als Reichsober-haupt, ohnedies beschränkt durch die Fürsten undReichsstände, erstreckten sich mehr oder minder auf dieReichsstädte und die Reichsritterschaft, widerspenstigauch sie, die fürchten mussten, in den sich ausdehnendenTerritorialstaaten aufzugehen. Maximilian beherrschteund regierte als Landesfürst in Personalunion die „öster-reichischen“ Erblande (Österreich, Steiermark, Kärnten,Krain, Tirol, Görz) sowie den räumlich zerrissenen undzersplitterten „vorländischen“ Besitz im Bereich desalten Schwaben. Die burgundischen Lande hatte sichMaximilian erheiratet und erkämpft, zu Gute kamen sieseinem Sohn Philipp, dem sie als mütterliches Erbezugefallen waren und der sie als Landesfürst regierte.Diesem Philipp hatten eine vom Vater vermittelte Heiratund glückliche Umstände Spanien, das vereinigte Köni-greich von Aragon und Kastilien, in die Hände gespielt.Es ist durchaus nachzuempfinden, dass Maximiliangleich anderen Herrschern Wert darauf legte, sich mitTiteln und Wappen von Ländern zu schmücken, die erdurch seine Politik seinem Sohn und seinen Enkeln unddamit dem Haus Habsburg vermittelt hatte, auch wenn ernicht direkt von ihnen profitierte. Stärker als die Titula-tur spiegelt die Verwendung von Wappen „fremder“ Län-der und Herrschaften politische Ambitionen wider. Hierverquicken sich historische Reminiszenz (etwa auf dasim 13. Jahrhundert untergegangene Herzogtum Schwa-ben), mit Ahnenstolz und dynastischen Beziehungen, dasWachrufen verlorener Herrschaften mit erbrechtlichenAnsprüchen, auch wenn diese noch so schwach legiti-miert waren.

Auf der Glocke sind die Wappen recht willkürlich ange-

Page 10: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

10

ordnet, sie folgen keinem festen hierarchischen oder geo-graphischen Muster. Vorgestellt werden sie hier, einge-bettet in territorial- und verfassungspolitische Zusam-menhänge, die kurz skizziert werden, systematisch nachLändergruppen, österreichische, vorländische und burg-undische, wobei wir bei den ersten beiden chronologischvorgehen, um das stete Anwachsen des habsburgischenHerrschaftsbereiches zu veranschaulichen. Am Schlusswerden dann die so genannten „Anspruchswappen“ zurSprache gebracht.

Das Wappen ist im Laufe des 12. Jahrhunderts aus einemrecht praktischen Bedürfnis entstanden. Es sollte, wobeiSignalwirkung erwünscht war, den von Kopf bis Fußgerüsteten und gepanzerten Reitersoldaten, den Ritter, imKampfgetümmel kennzeichnen, damit Freund und Feindunterschieden werden konnten. Der Hochadel, der Idealeund Ideologie des ritterlichen Dienstadels alsbald in sichaufsog und für seine Zwecke einspannte, übernahmebenfalls das Wappen als persönliches Kennzeichen,auch abseits der Schlachtfelder und Turniere, und tra-dierte es an die Nachkommen weiter, wodurch es zumHaus- und Dynastiewappen mutierte. Innerhalb der Für-sten und des höheren Adels wuchs das Wappen zumHerrschaftssymbol heran, das Herrschaft über Länderund Territorien repräsentierte und insofern wuchs es indie Rolle eines Territorialwappens. Das Wappen stehthier aber für die (wenn auch manchmal nur fiktive) Herr-schaft über das Land und nicht für das Land als solches.(Die Landstände, welche das Land als Ergänzung undGegenpart zum Landesfürsten repräsentieren, haben estunlich vermieden, sich als Kollektiv des landesfürstli-chen Wappens zu bedienen.)Im Spätmittelalter wuchs das Wappen über das gesell-schaftliche Umfeld des Adels hinaus. Die patrizischenBürger in den Städten, die sich als Personenverbändekonstituierenden Städte und Klöster legten sich Wappenzu. Befördert wurde dies durch dem Umstand, dass Wap-pen und Siegel, dieses wichtige Beglaubigungsmittel, ineine Symbiose zueinander getreten sind, und somit dasWappen zugleich als Rechtssymbol diente. Schwierig bisunmöglich ist es im nachhinein zu enträtseln, warum die-ses oder jenes Motiv ein im Mittelalter entstandenesWappen schmückt. Vieles hing einfach vom Zufall ab.Die geometrischen Muster leiteten sich oft von denSchildbeschlägen ab. Durch die Wahl gleicher oder ähn-liche Motive konnten dynastische Ableitungen, politi-sche Vereinnahmungen sowie rechtliche Bindungen,etwa im Bereich des Lehnwesens, zum Ausdruckgebracht werden. Andererseits wurden Adler und Löwegeradezu als klassische Herrschaftssymbole begriffen,und entsprechend inflationär war ihre Verwendung alsWappentier. Gern ließ man das Wappen „reden“ oder„sprechen“, indem versucht wurde, den Namen desWappenträgers zu versinnbildlichen. In die Wappen

von Bürgerlichen wurden dann auch Berufssymboleaufgenommen.Die Heraldik, die von den Herolden systematisierteLehre von der Theorie und der Praxis des Wappenwe-sens, begnügte sich lange Zeit mit sechs Farben oderTinkturen: Rot, Blau, Grün, Schwarz, Gold und Silber.Die zwei letzteren Farben werden auch als Metallebezeichnet und können durch Gelb und Weiß wiederge-geben werden. In dieser begrenzten Farbauswahl wieauch in der einfachen Formgebung, die sich auf ein oderwenige Motive beschränkt und dem Schild angepasst ist,schlägt noch die ursprüngliche Funktion des Wappen alssignifikantes militärisches Kennzeichen durch. Für dieNotwendigkeit der Bildbeschreibung von Wappen, die sogenannte Blasonierung, hat sich ein normierter heraldi-scher Sprachgebrauch herausgebildet, der noch heutegültig ist. Da wir Wappen im Folgenden zu beschreibenhaben, wollen wir den Lesern die wichtigsten Regelnund Begriffe kurz erläutern. Grundsätzlich wird ein Wap-pen immer aus der Perspektive des Schildhalters gese-hen. Das führt dazu, dass das, was für den Betrachter desWappens links ist, für den Heraldiker rechts ist undumgekehrt. Unterteilte Wappen werden von (heraldisch)rechts oder vorne nach links oder hinten bzw. von obennach unten beschrieben. Da der Schild, auf dem dasWappen angebracht war, in der Linken getragen wurde,blicken, schreiten, springen Tiere oder menschlicheFiguren in der Regel nach (heraldisch) rechts. Ist dasnicht der Fall, so muss diese Abweichung angegebenwerden. Vielfach treten in den Wappen „gemeine“ Figu-ren (Tiere, Pflanzen, Menschen, Bauwerke usw.) inKombination mit Heroldsfiguren (geometrischeMustern) auf, die besonders vielfältig sind. Ist der Schildeinmal oder mehrfach waagrecht oder schräg geteilt, sospricht der Heraldiker von einer „Teilung“. Eine „Spal-tung“ verläuft immer senkrecht. Von einem Balken istdie Rede, wenn er waagrecht oder schräg im Wappenliegt. Ein senkrechter Balken im Wappen wird hingegenals „Pfahl“ angesprochen. Ein Schild, der in der Mittevon oben nach unten gespalten und in der Mitte vonrechts nach links geteilt ist, wird als quadrierter Schildbezeichnet.

Reichs- und KönigsadlerDen Adler trugen die römischen Legionen als Feldzei-chen um den Erdkreis. Auf diesem Weg wurde er zumInbegriff der römischen Weltmacht, zum Respekt gebie-tenden Symbol. In der Tradition des untergegangenenweströmischen Reichs sahen sich die deutschen Königedes Mittelalters, die in Konkurrenz zu Byzanz den impe-rialen und universalen Anspruch wieder aufleben ließen.Zu diesem Zweck versicherten sich des Rückhalts unddes Segens der römisch-katholischen Kirche, indem sienach Rom zogen, um sich dort vom Papst zum Kaiser

Page 11: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

11

krönen zu lassen. In heraldischer Zeit wurde der Adlerzum Wappentier der Kaiser und Könige des Heiligenrömischen Reichs. Seit dem 13. Jahrhundert war das ingoldenem Schild ein schwarzer nimbierter (mit Heiligen-schein hinter dem Kopf) Adler. Im 14. Jahrhundert setztesich immer mehr der Brauch durch, dass sich der Kaiserden Doppeladler reservierte, während sich der König mitdem herkömmlichen Adler begnügen musste. Endgültigund offiziell wurde der Doppeladler erst unter KaiserSigismund in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts alsHerrschaftssymbol des Kaisers eingeführt.

Auf der Löffler-Glocke wird das königliche Wappen ver-wendet. Das Beiwerk geht auf die maximilianische Her-aldik zurück, die hier zu Neuerungen greift. Dem Schildist die Kaiserkrone (Mitrenkrone) aufgesetzt, zu derenPopularisierung Maximilian und sein Künstlerkreis vielbeigetragen haben. Um das Wappen hängt die aus stili-sierten Feuerstählen und Flammen gebildete Kette desOrdens zum Goldenen Vlies mit dem Namen gebendenWidderfell (Vlies). Dieser war von Philipp von Burgund(1419–1467) als weltlicher und elitärer Ritterordengegründet worden. Die Habsburger setzten diese burgun-

dische Tradition fort, die Aufnahme in den Orden zumGoldenen Vlies war die höchste Auszeichnung. AlsSchildhalter fungieren Fabelwesen, zwei Greifen.

Österreichische LänderÖsterreich

Im Südosten des Reichs, wo ihm das Herzogtum BayernFlankenschutz gewährte, besonders gegenüber denUngarn, zeichnete sich früh eine territoriale Zweiteilungab. 976 wurde Kärnten zum Herzogtum erhoben unddamit in die Selbständigkeit entlassen, die kleine Donau-mark hingegen wurde den Babenbergern übertragen, diein diesem Donaugau, im Nordgau und im Traungaubegütert waren. Die den Babenbergern überlassene Markwar klein. Die Ostgrenze wurde bald von der KleinenTulln zum Wienerwald, dann bis zur March, zur Fischaund schließlich bis zu Leitha vorgeschoben, im Nordenwurde friedlich durch Kolonisation und Rodung expan-diert. 1156 wurde die babenbergische Markgrafschaftzum Herzogtum erhoben und aus dem Verband des Her-zogtums Bayern endgültig herausgelöst. Die Ranger-

Königliches Wappen Maximilians mit Kaiserkrone und goldenem Vlies am Glockenmantel der Maximiliana.

Page 12: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

12

höhung und die damit verbundenen Privilegien, die dasPrivilegium minus gewährte, waren als Entschädigunggedacht für den Verzicht der Babenberger auf das Her-zogtum Bayern zu Gunsten der Welfen. Zugleich aberwurde die babenbergische Obergewalt in einem Raumanerkannt, der größer war als die Mark. Ein „territoria-les“ Herzogtum neuen Typs war ins Leben getreten, fürdas sich ein bereits im engeren Markbezirk ausgebildetesLandrecht allmählich durchsetzte. Nach dem Aussterbender Babenberger (1246), Interregnum und böhmischerHerrschaft kamen 1282 die Habsburger in den Besitz desHerzogtums, das ihnen als Reichslehen verliehen wurde.Als Lehenvasallen des Reichs führten die Babenbergeranfänglich einen einen Adler im Wappen. Das Fünfadler-wappen, das 1920 das Land Niederösterreich als Landes-wappen bestimmte (in Blau fünf goldene Adler), kamaber erst um 1335 auf, offenbar als Fabelwappen, dasdem Heiligen Leopold zugeschrieben wurde. Gelehrtedes 15. Jahrhundert verkannten, dass das Fünfadlerwap-pen ein spätes Konstrukt war, sie sahen in ihm irrtümlichdas alte babenbergische Wappen. Daher bürgerte sich fürdieses Wappensymbol die Bezeichnung „Alt-Österreich“ein, während der Bindenschild als Wappen „Neu-Öster-reichs“ angesprochen wurde. In Wirklichkeit war der rot-weiß-rote Bindenschild älter, wenn auch nicht so alt, wiepatriotisch gestimmte Sagen, die von blutigen babenber-gischen Heldentaten zu Kreuzzugszeiten zu berichtenwussten, glaubhaft machen wollten. Der letzte Babenber-ger, Friedrich II. der Streitbare, gab, um seine Distanz zuReich und König zu manifestieren, den Adler-Schild alsbabenbergisches Wappen auf und ersetzte ihn durch denBindenschild, der erstmals 1230 in seinem Siegel sichnachweisen lässt. Als sich nach dem kinderlosen TodFriedrichs der Böhmenkönig Ottokar II. des babenbergi-schen Erbes bemächtigte, übernahm er den Bindenschildals Zeichen seiner Herrschaft über das Herzogtum Öster-reich. Ihm taten es die Habsburger nach, die größtenWert auf den Bindenschild legten, da das HerzogtumÖsterreich Basis ihrer Hausmacht war. Darüber hinauswurde er zum Abzeichen der sich als „Haus Österreich“gerierenden Habsburger, das ihr angestammtes Familien-und Dynastiewappen, der rote Löwe in goldenem Schild,vorübergehend fast vollkommen verdrängte, zumal mitÖsterreich die Würde eines Herzogs und dann die einesErzherzogs verbunden war.

Erst Herzog Rudolf IV. nahm das Fünfadlerwappen offi-ziell auf und ließ es seit 1360 neben den Bindenschildtreten. Ersteres behielt als Wappen „Alt-Österreichs“seine falsche historische Konnotation bei, ohne den Bin-denschild von seinem prominenten Platz verdrängen zukönnen. In der Praxis versinnbildlichte das Fünfadler-wappen zunehmend das Land unter der Enns.

1192 kam der Traungau von den steirischen Herzögen an

die Babenberger, der 1254 mit dem Herzogtum Öster-reich vereinigt wurde. Den Gebieten ob der Enns, demspäteren Oberösterreich, wurde aber, was sich bereitsunter den Babenbergern abgezeichnet hatte, eine gewisseSelbständigkeit belassen. Um die Mitte des 15. Jahrhun-derts trennten sich die Landstände ob der Enns von denLandständen unter der Enns, womit die Teilung des Her-zogtums Österreich in zwei Länder, das Land ob derEnns und das Land unter der Enns, endgültig vollzogenwar. Rechtlich gesehen hat es stets nur ein (Erz)Herzog-tum Österreich gegeben. Als heraldisches Symbol über-nimmt das Land ob der Enns ein Wappen, das erst unterHerzog Rudolf IV. geschaffen worden war und sich anein den Herren von Machland zugeschriebenes Wappenanlehnte. Es lebt heute als Landeswappen von Oberöster-reich weiter (im gespaltenen Schild rechts in Schwarzein goldener Adler, links dreimal von Silber und Rotgespalten).

SteiermarkVom Herzogtum Kärnten hatte sich im Laufe des 11.Jahrhunderts im südlichen Grenzbereich eine Reihe vonMarken abgeschichtet. Die Kärtnermark in Osten hinge-gen blieb zunächst, wie unter den Eppensteiner und denGrafen von Wels-Lambach, denen sie bis 1050 unter-stand, dem Herzogtum zugehörig. Mit Otakar kamdamals ein im Chiemgau und Traungau begütertesGeschlecht zur Herrschaft in dieser Mark, die ihrenGebietsumfang stetig vergrößerte. Sein Sohn AdalberoII. nannte sich nach seinem Burgsitz Steyr, in dessenUmgebung er über umfangreichen Besitz verfügte.Durch eppensteinisches Erbe wurde der Besitz der Mark-grafen von Steyr wesentlich angereichert und ihreMachtbasis verbreitert. Eine zunehmende Selbständig-keit des markgräflichen Gebiets zeichnete sich bereitsab, als 1180 die Mark in Mittelsteir und die Grafschaftenin Obersteir, mit dem Traungau vereinigt, aus dem Her-zogtum Kärnten endgültig ausgegliedert wurden. Derletzte Otakar erlangte den Herzogstitel. Dieses Herzog-tum war an die Person des Inhabers gebunden, also einreines Titularherzogtum. Gleichwohl entstand nun einLand, das Steiermark (marchia Styria) genannt wurde.1192 ging das Land gemäß eines Erbvertrages (Georgen-berger Handfeste), in dem auch die Rechte des steiri-schen freien und ministerialischen Adels gesichert wur-den, an die Babenberger über. 1282 nahmen es die Habs-burger zugleich mit dem Herzogtum Österreich inBesitz.Der „steirische“ Panther (der Panther ist in der Heraldikein Fabeltier) als Wappenmotiv findet sich bereits in denSiegeln Otakars III. aus den 60er Jahren des 12. Jahrhun-derts. Vermutet wird, dass die „Traungauer“ den alsWappenmotiv eher seltenen Panther als Lehenvasallenvon den Spanheimern, den Herzögen von Kärnten, über-

Page 13: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

13

nommen haben. Die Babenberger als Landesherrenbehielten ihn bei und so wurde er zum unterscheidbarenSymbol des Landes gegenüber dem gleichfalls babenber-gischen und dann habsburgischen Österreich. Allerdingsinitiierten die Babenberger einen Farbwechsel, um Ver-wechslungen mit den spanheimischen Panther auszusch-ließen. Der schwarze Panther (in silbernen Schild) wurdesilbern und reckte sich auf grünem Schild. In dieserForm lebt bis heute als Landeswappen der Steiermarkweiter.

KärntenKärnten wurde 976 von Bayern abgetrennt und zum Her-zogtum erhoben. Dieses umfasste auch die spätere Stei-ermark, die südlichen Teile von Ober- und Niederöster-reich, sowie Krain und Istrien, alles Gebiete die sich im11. und 12. Jahrhundert abgeschichtet haben. Im Kärntenwirkte der Amtscharakter des Herzogtums lange nach.Jedenfalls handelte es sich hier weder um ein Stammes-herzogtum wie Bayern noch um ein territoriales Herzog-tum wie Österreich, noch um ein reines Titularherzog-tum. Im 11. und 12. Jahrhundert rekrutierten sich dieHerzöge aus dem einheimischen Adel, aber trotzumfangreichen Grundbesitzes wurden die Eppensteinerund die Spanheimer an Macht von anderen übertroffen.Vor allem entlang der Handelsrouten in den Südenbeherrschten auswärtige Hochstifte wie Bamberg, Frei-sing, Brixen und Salzburg weite Gebiete. Salzburgkonnte einen Teil seiner Kärntner Gebiete in seine Lan-desherrschaft einbeziehen, das bambergische Gebietbehielt seine Sonderstellung. Den Grafen von Görzgelang es ihre Gerichte in Oberkärnten aus dem Verbanddes Herzogtums herauszulösen, die Grafen von Orten-burg waren auf dem besten Weg dahin. Alles in allemwar die territoriale Machtbasis der Herzöge lange Zeitrelativ schmal. Als Reichslehen wurde das HerzogtumKärnten 1286 Graf Meinhard II. von Tirol-Görz verlie-hen, der dadurch in den Kreis der Reichsfürsten vorstieß.Da das Haus Tirol-Görz mit Meinhards Sohn Heinrichim Mannesstamm ausstarb, fiel Kärnten als Reichslehenheim und wurde 1335 den Habsburgern verliehen. DasWappen der Herzöge von Kärnten zeigte bis zum Aus-sterben der Spanheimer 1269 den schwarzen Panther inSilber. Aber seit den 30er Jahren des 13. Jahrhundertsführten die Spanheimer, allerdings nur vorübergehendund vereinzelt, das heutige Kärntner Wappen – im vonGold und Rot gespaltenen Schild rechts drei übereinan-der gestellte schwarze schreitende Löwen, links ein sil-berner Balken. Ob dieses Wappen, das frappant anSchwaben und Österreich erinnert, den Spanheimern vonden Babenbergern aufgezwungen worden ist oder umge-kehrt als politischer Affront der Spanheimer gegenüberden Babenbergern angelegt war, darüber gehen nochheute die Lehrmeinungen auseinander. Jedenfalls ver-

wendete der Böhmenkönig Przemysl Ottokar II., als er1269 das Land an sich brachte, das neue Wappen (oben-drein führte er als steirischer Herzog ohnedies schoneinen Panther-Schild) und daran hielten sich auch dieHabsburger.

Herzogtum KrainWie die Steiermark entwickelte sich auch die Grafschaftoder Mark Krain auf karantanischem Boden. Zwarschenkten die römischen Könige und Kaiser gegen Endedes 11. Jahrhunderts diese Mark dem Hochstift Aquileia,das aber seine Herrschaftsansprüche nie recht geltendmachen konnte, denn gut die Hälfte der Oberkrain warenImmunitätsgebiete der Hochstifte Brixen und Freising,den Rest behaupteten als Eigenbesitz Adelsgeschlechteraus dem Norden, die Spanheimer, die Grafen von Bogenund vor allem die Andechs-Meranier, um die wichtigstenzu nennen. (Die Andechser waren Titularherzöge vonMeranien, das ist die Landschaft am Quarnero in Istrienund um Fiume.). Den Spanheimern und den Babenber-gern gelang es, den dortigen andechsischen Besitz ansich zu bringen. Nach dem Intermezzo Ottokars II. vonBöhmen, der das Erbe der Babenberger und der Spanhei-mer an sich zu bringen suchte, fielen 1282 die Krain unddie Windische Mark als Reichslehen an die Habsburger,die sie sogleich als Pfand an Graf Meinhard II. vonTirol-Görz weitergaben, sich jedoch, um ihre Rechtefestzuhalten, weiterhin Herren von Krain und der Windi-schen Mark nannten. Mit den Anfall von Kärnten 1335kam die Krain direkt in den Besitz der Habsburger. DerTitel eines Herzogs von Krain führte erstmals Rudolf IV.der Stifter. In Folge eines Erbvertrages fielen 1374 diegörzischen Gebiete in der Windischen Mark und umMöttling sowie das obere Karstgebiet mit Einschluss vonAdelsberg an die nun habsburgische Krain. Der Adlerdes Krainer Wappens – im Laufe der Zeit setzt sich alsWappen in Silber ein blauer Adler, dem eine rot-silberngeschachtete Brustspange aufgelegt und eine Krone auf-gesetzt ist, durch – dürfte wahrscheinlich auf ein Heer-bannwappen der Grafen von Andechs zurückzuführensein.

Windische MarkWie wir gesehen haben war der Werdegang der Windi-schen Mark mit dem der Krain verwoben. Nachdem1374 die Habsburger den görzischen Anteil an der Win-dischen Mark erworben hatten, wurde diese mit derKrain vereinigt. Den Titel und das Wappen eines „Herrnin der Windischen Mark“ führten die Habsburger konse-quent bis 1918 weiter. Das Wappen der WindischenMark zeigt in Silber ein schwarzen „windischen“ Hutund es wird erstmals in den Siegeln Rudolfs IV. 1358verwendet.

Page 14: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

14

Grafschaft TirolIm Gegensatz zu Österreich, Steiermark, Kärnten undKrain war Tirol niemals ein Reichslehen. Die Existenzdieses Landes verdankt sich einem Konzentrationspro-zess, den in Konkurrenz zu anderen Adelsgeschlechternund zu Lasten der beiden Hochstifter Brixen und Trientdie Grafen von Tirol eingeleitet haben und den MeinhardII. von Tirol, väterlicherseits ein Görzer, mütterlicher-seits ein Tiroler, beschleunigt und abgeschlossen hat, sodass wir gegen Ende des 13. Jahrhunderts ein geschlos-senes Land als Grafschaft vor uns haben. Nach dem TodHerzog Heinrichs, Meinhards Sohn, wurde Tirol mit denEhen von Heinrichs Erbtochter Margarethe in den Sogluxemburgischer, habsburgischer und wittelsbachischerInteressenpolitik gerissen. 1363 überschrieb die verwit-wete Margarethe, kurz nachdem ihr einziger Sohn undErbe Meinhard III. verstorben war, die Grafschaft Tirolden Habsburgern.Das Wappentier der Grafen von Tirol ist der seit demfrühen 12. Jahrhundert bezeugte (rote) Adler, den dann

auch ihre Nachfolger, die Grafen von Görz sowie dieHabsburger, als Herrschafts- und Hoheitszeichen sowieals Territorialwappen übernahmen. Die Attribute undBeizeichen, wie sie heute das Tiroler Landeswappen cha-rakterisieren, traten erst nach und nach hinzu, ohne zumfixen Bildkanon zu zählen. Am frühesten, zu Beginn des13. Jahrhunderts, treten die Flügelspangen auf, die seitdem frühen 14. Jahrhundert in Kleeblattenden auslaufen.Seit dem 15. Jahrhundert trägt der Tiroler Adler meisteine Krone. Mit diesen beiden Beizeichen – Flügelspan-gen mit Kleeblattenden und der Krone – ist auch derTiroler Adler auf der Schwazer Löffler-Glocke versehen,der aber nach heraldisch links blickt. Das Ehrenkränzelbürgert sich erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-derts im Tirol-Wappen ein.

Herrschaft FeldkirchDer Erwerb von Kärnten und dann Tirol war ein wichti-ger Schritt in der politischen Strategie der Habsburger,vom Osten her eine territoriale Brücke zu ihren verstreut

Spanien Portugal BöhmenTirol Krain Görz Elsass

Duino Windische Mark Triberg

Page 15: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

15

in der Schweiz und am Oberrhein liegenden Stammlan-den zu schlagen. Nach 1363 waren sie bemüht, die nochimmer klaffende Lücke durch Gebietserwebungen west-lich des Arlberg zu schließen. Schlag auf Schlag setztensie sich in die Positionen der stammesgleichen, aberdurch Erbstreitigkeiten verfeindeten Häuser Montfortund Werdenberg, die sich durch andauernde Hausteilun-gen selbst geschwächt hatten. Den Anfang machte fürdie Habsburger 1363 die kleine Herrschaft Neuburg amRhein, die eine Reichspfandschaft war. 1375 bzw. 1390fiel ihnen die wichtige Herrschaft Monfort-Feldkirch zu,mit der Stadt Feldkirch und der Schattenburg, dem Vor-arlberger Vorderland (Rankweil-Götzis) samt dem Land-gericht Rankweil, dem hinteren Bregenzerwald, Dorn-birn und Höchst-Fussach. 1394 bzw. 1413 kauften sieden Grafen von Werdenberg die Herrschaft Bludenz samtdem Tal Montafon ab. 1451 kaufte Herzog Sigmund vonTirol von den Montfortern die alte Herrschaft Bregenzund die Herrschaft Hohenegg.(Die neue Herrschaft Bre-genz fiel erst 1523 an die Habsburger.) 1453 nahm er mitWaffengewalt den Herren von Heimenhofen das GerichtTannberg und das Kleine Walsertal ab. Opfer dieseraggressiven Expansion wurden auch die Truchsessen vonWaldburg, die 1473 ihre von Frastranz bis zum Arlbergreichende Herrschaft Sonnenberg verloren. Auf derGlocke sind von den habsburgischen Herrschaften vordem Arl zwei mit Wappen vertreten: Feldkirch und Son-nenberg. Das Wappen von Sonnenberg ist ein sprechen-des, ein den Namen versinnbildlichendes: Es zeigt in Sil-ber eine goldene Sonne über einem schwarzen Dreiberg.Das Wappenmotiv des heutigen Vorarlberger Landes-wappens, die dreiteilige Kriegsfahne, geht auf die Pfalz-grafen von Tübingen zurück, von denen die Grafen vonMontfort abstammen und daher ihr Wappen ableiteten.Die diversen Linien der Montforter wie der Werdenber-ger haben dieses Wappen geführt, nur in den Farbenhaben sie sich unterschieden. Auf dem Innsbrucker Wap-penturm war für Montfort-Feldkirch eine schwarzeFahne im silbernen Schild dargestellt, was auf einem Irr-tum beruhen dürfte, denn das Wappen der FeldkircherLinie der Grafen von Montfort, die 1390 erlosch, war dierote Fahne im goldenen Schild.

DuinoDie Herren von Duino waren ursprünglich Ministerialendes Patriarchats Aquileia. Von der Aquileier Kirche hat-ten sie am Karst drei größere Herrschaften als Lehen,darunter Duino (die deutsche Bezeichnung war Tibeinoder Tybein), nach welchem sie sich nannten; weitersBesitzungen in Istrien und im Kvarner Küstenland wieetwa Rijeka/ Fiume. Trotz dieser Bindungen dienten sieden Görzern als Ministerialen und treue Gefolgsleute,solange deren Politik Erfolg versprach. Als sich abzeich-nete, dass nicht die Görzer sondern die Habsburger die

aufstrebende Macht an der oberen Adria war, die Vene-dig Paroli bot, wechselten sie die Seiten. 1366 unterwar-fen sie sich mit allen ihren Gütern als Landherren denHabsburgern. Damit erreichten diese ein wichtiges Ziel,sie konnten sich am Meer festsetzen. Das Wappen derDuineser, die 1399 erloschen, war, so wie es auf demInnsbrucker Wappenturm dargestellt ist, in Blau ein sil-berner halber Flug (Adlerflügel) nach links. Es isterstaunlich, dass diese im Vergleich zu anderen territoria-len Erwerbungen geringfügige Episode im Maximiliani-schen Wappenprogramm berücksichtigt worden ist.„Wer, wenn ich nicht schriee, hörte mich denn aus derEngel Ordnungen?“ So setzt einer der berühmtestenGedichtzyklen der Weltliteratur ein, die „Duineser Ele-gien“ von Rainer Maria Rilke. Auf dem Schloss Duino,hoch über dem Golf von Triest, weilte der Dichter1911/12 als Gast der Thurn und Taxis und überwand eineSchaffenskrise.

Grafschaft CilliDem Aufstieg der Freien von Sannegg, eines im Südendes Herzogtums Steiermark reich begüterten Adelsge-schlechts, sahen die Habsburger als Landesherren mis-strauisch entgegen, denn hier entstand eine unliebsameKonkurrenz, die ihre Kreise störte. Die Widersacher derHabsburger hingegen protegierten die Sannegger, die alsLehenvasallen und krainische Landherren an die Habs-burger gebunden waren. Ein Wittelsbacher, Kaiser Lud-wig der Bayer, erhob sie, die 1322/23 Burg und MarktCilli in die Hände bekommen hatten, 1341 von Reichswegen zu Grafen mit dem Prädikat von Cilli und verliehihnen ihre Besitzungen als Reichslehen. Kaiser Karl IV.,ein Luxemburger, bestätigte 1372 Standeserhebung undLehenverleihung. Ein weiterer Luxemburger, Kaiser Sig-mund, erhob 1436 seinen Schwager Friedrich von Cilliund dessen Sohn Ulrich zu Reichsfürsten und ihre Graf-schaften Cilli, Ortenburg und Sternberg (die beiden letz-teren lagen in Kärnten ein und waren 1420 ererbt wor-den) zu einem Reichsfürstentum. Jedoch arrangiertensich die Habsburger mit den Grafen von Cilli und schlos-sen mit ihnen Erbverträge ab. Als der bereits genannteUlrich von Cilli, der tief in die ungarische Innenpolitikverstrickt war, 1456 ermordet wurde und mit ihm dasGrafengeschlecht im Mannesstamm erlosch, trat der Erb-fall ein, den nach längeren Kämpfen die Habsburger fürsich entschieden. Die „Grafschaft“ Cilli wurde in derFolge dem Herzogtum Steiermark einverleibt, behauptetaber hinsichtlich der Verwaltung eine Sonderstellung.Das Wappen der Grafen von Cilli findet sich in den Wap-pensuiten der Habsburger eher selten. Das Wappen zeigtin Blau (auf dem Innsbrucker Wappenturm ist der SchildBlau-Weiß geteilt) drei goldene Sterne, die zwei zu einsstehen.

Page 16: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

16

Grafschaft OrtenburgIm späten 11. Jahrhundert taucht in Oberkärnten einAdelsgeschlecht, das sich nach seiner Stammburg Orten-burg bei Spittal an der Drau Ortenburg nannte. Wie dieGörzer profitieren die Ortenburger vom Erlöschen derLurngauer Grafen (1135). Aus Teilen dieses Erbes for-men die Ortenburger, die sich bereits 1141 als Grafenbezeichnen, ein von Möllbrücke bis nahe vor Villach rei-chendes Herrschaftsgebilde. 1309 erwarben sie Burg undHerrschaft Sternberg (nördlich des Wörthersees), zudemkonnten sich besitzrechtlich in Krain und Friaul veran-kern. In Oberkärnten, wo sich ihre Macht zu Lasten derGörzer im Raum Spittal verdichteten, gelang es ihneneinen Prozess der Landwerdung einzuleiten, ohne ihnvollenden zu können. 1395 wurde ihnen für ihre Herr-schaft der Blutbann übertragen, 1417 die GrafschaftOrtenburg als Reichslehen verliehen, womit rechtlich dieVorraussetzung gegeben war, ihr Territorium aus demVerband des Herzogtums Kärnten herauszulösen. Dasunterblieb, denn ein Jahr später starben die Ortenburgeraus und ihr Erbe fiel an die Grafen von Cilli, denen 1420die Grafschaften Ortenburg und Sternberg als Reichsle-hen verliehen wurden.

Grafschaft GörzGrafschaft Görz war die Sammelbezeichnung für ein zer-rissenes, verstreutes und daher fragiles Territorialgebilde.Zu Beginn des 12. Jahrhunderts setzte sich ein Adelsge-schlecht, das sich bald Grafen von Görz nannte, zugleichim Westen des Herzogtums Kärnten, hier in die Fußstap-fen der Lurngauer Grafen tretend, und im unteren Friaulfest, wo sie als Vögte in die Dienste des PatriarchatsAquileia traten und auf dessen Kosten expandierten.Einigermaßen geschlossen war im Süden nur das Gebietim Umkreis der Stadt Görz. Westlich von Cormonsgehorchten ohne feste Grenzen nur viele vereinzelteBesitzungen den Grafen, die auch in der friaulischenTiefebene bis an den Tagliomento begütert waren. Ver-dichteter war ihr Besitz auf dem Karst und auf der istri-schen Halbinsel. Weiter östlich und isoliert lag ein weite-rer Besitz der Görzer, in der Windischen Mark und umMöttling, der 1374 zusammen mit den istrischen Besit-zungen an die Habsburger fiel. Kompakter und etwasgeschlossener als dieser Herrschaftskomplex, den manspäter als Hintere Grafschaft Görz bezeichnete, war derder Vorderen Grafschaft Görz. Hier gruppierten sich diegörzischen Gerichte um den Kernraum Lienz, das nebenGörz als Residenzstadt diente, im oberen Drautal, Gailtalund Mölltal und im Pustertal. Obgleich die Görzer im14. Jahrhundert zu Reichsfürsten aufstiegen und ihre lan-desherrliche Position damit aufgewertet war, gerieten dieGörzer in Bedrängnis. Im Norden setzten ihnen dieHabsburger zu, denen sie nach einem verlorenen Krieg1460 allen Territorialbesitz östlich des Kärntner (Tiroler)

Tors abtreten mussten. Im Süden kamen sie unter demDruck der auf Expansionskurs segelnden Republik Vene-dig, aber auch wiederum der Habsburger, die ihre mari-time Position an der oberen Adria zu behaupten suchten.Als im Jahre 1500 mit Leonhard der letzte Görzer ver-starb, kam Maximilian der görzische Zuwachs, der durchErbverträge abgesichert war, mehr als gelegen. Mit derVorderen Grafschaft Görz, die der Grafschaft Tirol pro-visorisch zugesprochen wurde und bald in dieser auf-ging, konnte endlich die territoriale Lücke zwischenTirol und Kärnten geschlossen werden. Und mit der Hin-teren Grafschaft Görz, die als Grafschaft Görz weiterle-ben durfte, war der habsburgische Brückenkopf an deroberen Adria verstärkt. Das Wappen der Görzer, zuerstnachweisbar unter dem 1258 verstorbenen Meinhard III.von Görz, zeigt in im schrägrechtsgeteilten Schild obeneinen goldenen Löwen in blauem Feld, unten von Rotund Silber fünfmal schräglinks geteilt. Diese Schräglink-steilung ist zweifellos eine späterer Zusatz (vorher habensich die Görzer mit den Löwen begnügt), interpretiertwird er als Zeichen, dass die Görzer Lehenvasallen derPatriarchen von Aquileia gewesen sind. Heute ist diesesWappen in etwas abgewandelter Form und ergänzt durcheine Rose das Stadtwappen von Lienz.

Portenau (Pardenone)Die kleine Herrschaft Portenau (ital. Pardenone) inFriaul, ein Lehen des Patriarchats Aquileia an die Herrenvon Castello, verkauften letztere 1221/22 an die Baben-berger. 1282 ging dieser einsame Außenposten im adria-tischen Hinterland mit dem babenbergische Erbe an dieHabsburger. Im Krieg gegen Venedig (1508/9) bemäch-tigte sich die Lagunenstadt dieser habsburgischenEnklave. Erst im Frieden von Venedig verzichteten dieHabsburger auf die Rückgabe dieses okkupierten Besit-zes. In der österreichischen Heraldik kommt das Wappenvon Portenau zuerst unter Rudolf IV. (1359) und zuletztunter Ferdinand I. (1522) vor. Verwendet wurde im Wap-pen der österreichische rot-weiß-rote Bindenschild, dermit einem goldenen Tor mit offenen Flügeln belegt ist.

Die habsburgischen Stammlandeund die Vorlande

HabsburgAls Geschlecht lassen sich die Habsburger bis in das 10.Jahrhunderts zurückverfolgen. Ihr Besitz erstreckte sichvom Elsass bis in den Aargau in den Süden. Um 1020wurde am Zusammenfluss von Aar und Reuß die Habs-burg (Habichtsburg) errichtet, von der der das Grafenge-schlecht seinen Namen ableitete. Um diese Zeit wurdendie Hausklöster Muri und Ottmarsheim errichtet. Im 12.Jahrhundert gehörten ihnen die Landgrafschaft im obe-ren Elsass, die Grafschaft im Zürichgau und im Thurgau,

Page 17: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

17

Rechte, die durch die Pfullendorfer und Lenzburger Erb-schaft abgerundet werden konnten. Als 1263 der einstigeZähringer Besitz südlich des Rheins aus Kiburger Erbeanfiel, war die Vormacht der Habsburger unumstritten.Im Bestreben, räumlich weiter auszugreifen und im zer-fallenden Schwaben einen kompakten Machtbereich zuschaffen, scheiterten die Habsburger, zumal sich ihreInteressen mit dem Erwerb Österreichs und der Steier-mark 1282 in den Osten des Reichs verlagerten. EinenTeil des Stammbesitzes übernahm eine habsburgischeSeitenlinie, die Laufenburger, von der wiederum diekiburgische Nebenlinie abzweigte, die beide zu Beginndes 15. Jahrhunderts erloschen. Ihr Besitz im Aargausamt der Habsburg ging 1415, der im Thurgau 1460 andie Eidgenossenschaft verloren. In den sich zu Bündenzusammenschließenden Eidgenossen, die jede monarchi-sche Gewalt über sich ablehnten, war den Habsburgerein mächtiger Gegner erwachsen, der sie sukzessive ausder Innerschweiz abdrängte, im Laufe des 15. Jahrhun-derts mussten die Habsburger die Städte Freiburg (Fri-bourg) im Üechtland und Rapperswil sowie GrafschaftKiburg aufgeben. Bis zum Ende des Jahrhunderts hattendie Habsburger zudem alle ihre Positionen in der Nor-dost-Schweiz zu räumen, nur am Hochrhein behauptetensie mit den vier Waldstädten – Rheinfelden, Säckingen,Laufenburg und Waldshut – ein territoriales Bollwerk,das erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgegeben wer-den musste. Im Zuge der Grenzziehungen fielen damalsdie linksrheinischen Gebiete (Rheinfelden und Laufen-burg samt Fricktal) an den Kanton Aargau, die rechtrhei-nischen an Baden (Säckingen und Waldshut). Etwas län-ger konnten sich die Habsburger in der Ostschweiz hal-ten. Auf ihre Hoheitsrechte im Unterengadin, die auf dieGrafen von Tirol zurück gingen und mit der GrafschaftTirol verbunden waren, sowie auf die im Prättigau, diewesentlich jüngeren Ursprungs waren, mussten sie imLaufe des 17. Jahrhunderts verzichten. Ihnen verbliebenbis 1803 die Herrschaften Tarasp (1464 von Herzog Sig-mund den Vögten von Matsch abgekauft) im Unteren-gadin und Rhäzüns im Hinterrheintal. Den Titel und dasWappen eines Grafen von Habsburg haben die Habsbur-ger weitergeführt. Dieses Haus- und Stammwappen zeigtin Gold einen roten, blaubewehrten Löwen. Seit Rudolfdem Stifter trug dieses Wappentier eine blaue Krone.

KiburgDie Burg Kiburg (Kyburg) südlich von Winterthur isterstmals 1027 bezeugt. Vier Jahrzehnte später fiel sie andie Grafen von Dillingen, die sich seither Grafen vonKiburg nannten. Rund 100 Jahre später erlangten siebeim Aussterben der Grafen von Lenzburg die Grafen-rechte im Zürichgau, zu Beginn des 13. Jahrhundertkamen aus dem Erbe der verschwägerten Herzöge vonZähringen weitere linksrheinische Besitzungen hinzu.

Als die ältere und die jüngere Linie der Grafen vonKiburg 1262/4 erloschen, fiel das Erbe an Rudolf vonHabsburg. 1452/60 ging die Grafschaft Kiburg an dieEidgenossenschaft verloren, Wappen und Titel führtendie Habsburger weiter.Das Wappen von Kiburg zeigt in Rot einen goldenenschrägrechten Balken, begleitet oben und unten voneinem goldenen Löwen. Am Innsbrucker Wappenturmund auf der Glocke ist das Wappen andersherum: derBalken ist schräglinks und die zwei Löwen schreitendaher nach (heraldisch) links. In der habsburgischenSphragistik kommt dieses Wappen zum ersten Mal unterRudolf IV. 1359 vor. Als letzter österreichischer Herr-scher führte es Leopold II.

Die sieben GerichteUnter dieser etwas ominösen Umschreibung ist der habs-burgische Besitz im Prättigau umschrieben, der aber imGegensatz zu anderen Positionen auf heutigem Schwei-zer Gebiet jüngeren Ursprungs war. Hier stand Besitz derGrafen von Toggenburg zur Disposition, die 1436 ausge-storben waren. Von den Grafen von Montfort-Tetnangerwarb Herzog Sigmund 1466 und 1470 die sechs „inne-ren“ Gerichte (Klosters, Davos, Belfort, Churwalden,Langwies und St. Peter im Tal oder Schanfigg), die sichdagegen wehrten. Daher verkaufte Sigmund sie an dieVögte von Matsch, eines der reichsten und vornehmstenTiroler Adelsgeschlechter. Als sich die Lage beruhigthatte, kaufte Sigmund 1477 den Matschern die sechsGerichte wieder ab. 1496 erwarb Maximilian von denMatschern die Gerichte Castels und Schiers. Wie imUnterengadin war die hoheitliche Gewalt der Habsburgerim Prättigau schwach fundiert und ihr standen autonomeRechte der Gerichtsgemeinden gegenüber, die sich seitdem 15. Jahrhundert zur Wahrung ihrer Interessen inBünden zusammengeschlossen hatten. 1649/52 verzich-teten die Habsburger gegen eine hohe Entschädigungs-summe auf alle Hoheitsrechte im Prättigau und Unteren-gadin zu Gunsten der dortigen Gemeinden und Bünde.Als einziger Besitz verblieb ihnen neben Tarasp imUnterengadin das schon erwähnte Rhäzüns. Das Wappenfür die „Sieben Gerichte“ oder „Toggenburg“ ist ein her-aldisches Konstrukt der maximilianischen Zeit. Am Inns-brucker Wappenturm ist es wie folgt dargestellt: Im vonSilber und Rot gespaltenen Schild rechts ein schwarzerHund, links ein silberner Balken (also der österreichischeBindenschild).

RhäzünsDie kleine, aber strategisch wichtige HerrschaftRhäzüns, gelegen im Hinterrheintal westlich von Chur,für die sich auch ein Mailänder Parteigänger Frankreichsinteressierte, erwarb Maximilian 1497 im Tausch vonden Grafen von Zollern. Dem König ging es dabei um

Page 18: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

18

Vorteile im Kampf um den Einfluss in der Lombardei.Als Wappen für Rhäzüns verwendete Maximilian einenin Rot und Silber gespaltenen Schild, links mehrfachgeteilt.

SchwabenDas Herzogtum Schwaben umfasste in etwa die deutscheSchweiz mit Graubünden, das Elsass, Südbaden, Würt-temberg und das heutige bayrische Schwaben. Mit demAussterben der Staufer 1268 ging das Herzogtum unter,und die Großen des Landes, allen voran die Grafen vonWürttemberg bereicherten sich am Reichs- und Herzogs-gut, die Habsburger konnten ihre territoriale Überlegen-heit, die sie unter König Rudolf erlangt hatten, in derFolge nicht mehr ausspielen. Zwei Habsburger, Rudolfund Johann, Sohn und Enkel König Rudolfs, waren dieletzten nominellen Herzöge von Schwaben. Erst in derzweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts richteten die Habs-burger ihr Augenmerk stärker wieder auf Schwaben undsie wurden dort expansiv tätig. Aber es blieb ihnen ver-wehrt, ihren zersplitterten Besitz in Schwaben zu verei-nigen. Dafür sorgten unter anderem die Grafen vonWürttemberg und die Reichsstädte, und die Dynamik derEidgenossen bedrohte überdies ihren Stammbesitz undihre älteren Besitzrechte, die die Habsburger sukzessive,soweit sie in Reichweite der Eidgenossen waren, andiese abtreten mussten.Für den habsburgischen Besitz in Schwaben, der sich nurvereinzelt aus geschlossenen Territorien, meist aus iso-liertem Streubesitz zusammensetzte, prägte sich um dieMitte des 15. Jahrhundert der Überbegriff „VordereLande“ oder „Vorlande“ aus, neben den später „Vorderö-sterreich“ trat. Dieses territoriale Sammelsurium lässtsich am besten an Hand von vier großen Raumkomple-xen aufgliedern: 1. Die Besitzungen südlich des Rheinund des Bodensees (Aargau, Thurgau, Fricktal, einigeRheinstädte). 2. Die „(oberen) Lande enhalb des Arl“,das Gebiet zwischen Arlberg, Rhein und Bodensee (hierfehlten den Habsburgern in der Frühen Neuzeit nur nochHohenems und der Reichshof Lustenau). 3. Donau- undOberschwaben, worunter eine Reihe von Herrschaften inStreulage zwischen Neckar, Schwarzwald und Donauzusammengefasst sind (Markgrafschaft Burgau, Land-vogtei Ober- und Niederschwaben, Grafschaft Montfort,Nellenburg, Hohenberg, einige Städte an der oberenDonau, Besitzungen im Hegau). 4. Unter den Vorlandenim engeren Sinn verstand man die relativ geschlossenenTerritorien am Oberrhein (Oberelsass, Sundgau, Breis-gau, Landvogtei Hagenau).Diese territoriale Grobgliederung der Vorlande korre-spondiert mit der überregionalen Organisation der dorti-gen Stände seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.Die Stände der Vorlande schlossen sich zu drei Korporazusammen: 1. Die Vorderösterreichischen Landstände

(Breisgau, Schwarzwald, Herrschaften am Oberrhein, bis1648 auch Elsass und Sundgau); 2. Schwäbisch-öster-reichische Landstände (Burgau, Hohenberg, Donau-städte, Landvogtei Schwaben); 3. Vorarlberger Land-stände. Die Landvogtei Schwaben ist mit keinem Wap-pen vertreten. Daher soll dieser recht umfangreiche,wenn auch zersplitterte Territorialkomplex kurz vorge-stellt werden. 1486 bekamen die Habsburger die Land-vogtei Schwaben endgültig in die Hand, und zwar unterdem Rechtstitel der Reichspfandschaft mit dem Vorbe-halt der, nie realisierten, Einlösung an das Reich. DerenGebiet, vielfach unterbrochen von reichsstädtischen undgeistlichen Besitzungen, erstreckte sich vom Bodenseeüber das Schussental und den Mittelpunkt Altdorf (Wein-garten) bis zu dem älteren österreichischen Besitz umSaulgau und Waldsee im Norden. Im Osten gehörte dieobere Landvogtei im Gebiet der Leutkircher Heide dazu.Nach 1500 nehmen sich die territorialen Gewinne derHabsburger im Südwesten des Reichs bescheiden aus imVergleich zu den Verlusten, die sie hinnehmen mussten.1504 ging die Landvogtei Hagenau als Pfandschaft vomReich an die Habsburger. 1523 wurde von den Montfor-tern die zweite Hälfte der Herrschaft Bregenz mit Teilender Herrschaft Hohenegg angekauft. 1548 unterwarf sichdie Reichstadt Konstanz gezwungener Maßen der öster-reichischen Landeshoheit. 1550 erwarb König FerdinandI. als Reichspfandschaft die Landvogtei Ortenau. Nachlanger Pause fielen die letzten Erwerbungen in diezweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Am wichtigsten warder Komplex nördlich des Bodensees mit Tettnang,Argen und Wasserburg. 1765 fiel nach Aussterben derGrafen von Hohenems die Reichsgrafschaft Hohenemsan das Reich zurück und wurde an die Habsburger ver-liehen. Rund vier Jahrzehnte später wurde das Kapitel„Vorderösterreich“ für immer geschlossen.Der Löwe war das Wappentier der Staufer. Er sollte sichvermehren, denn ab etwa 1220 schreiten drei Löwen imWappen der staufischen Herzöge von Schwaben. Dergoldene Schild trug somit drei schwarze Löwen überein-ander. Die schwäbisch-herzogliche Reminiszenz lebteunter den Habsburgern erst unter Maximilian auf. In sei-nem Großen Titel, wie er etwa im Tiroler Landlibell von1511 verwendet wurde, bezeichnete sich Maximilian als„Fürst zu Schwaben“ und unter ihm taucht in den offizi-ellen habsburgischen Wappensuiten das schwäbischeHerzogswappen wieder auf. Erst nach 1806 haben dieHabsburger Titel und Wappen nicht mehr verwendet.

ElsassWahrscheinlich war das Haus Habsburg von allemAnfang mit dem Elsass verbunden. Ein wichtiger Impulsfür ihre rührige Erwerbspolitik in diesem Raum war, dasssie von den Kaisern im 12. Jahrhundert zu Landgrafen imSundgau ernannt wurden. Diese Landgrafschaft war

Page 19: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

19

zweifellos ein wichtiger Ansatz, um ihre Herrschafts- undHoheitsrechte auszudehnen. Bereits zu Beginn des 14.Jahrhunderts war es ihnen gelungen, ihre verschiedenarti-gen Besitzungen zu einer recht kompakten territorialenEinheit, der Landgrafschaft Elsass, umzuwandeln. Sitzdes Landgrafen, später der vorderösterreichischen Regie-rung und Kammer war das Städtchen Ensisheim. Die vor-derösterreichischen Landstände, deren Mitglieder vonlinks und rechts des Rhein kamen, tagten ebenfalls dort.Die Landgrafschaft Elsass, das Herzstück der Vorlandeim engeren Sinn, musste 1648 im Westfälischen Friedenan Frankreich abgetreten werden. Damit rückte derbenachbarte Breisgau, in dessen Stadt Freiburg die vor-derösterreichische Regierung nun ihren Sitz hatte, zurGrenzregion gegenüber Frankreich auf.Den Titel eines Landgrafen im Elsass haben die Habs-burger weitergeführt. Ein diese Landgrafschaft repräsen-tierendes Wappen dürfte sich erst im Laufe des 14. Jahr-hunderts entwickelt haben. Das Wappen von Elsass zeigtsich zum ersten Mal auf einem Reitersiegel Herzog Ernstdes Eisernen aus dem Jahre 1418. Heute vertritt dasWappen der einstigen Landgrafschaft – in Rot ein golde-ner Schrägbalken, oben (1,2) und unten (1,2) je drei (gol-dene) Kronen – das französische Département du Haut-Rhin.

PfirtDie Grafschaft Pfirt kam 1324 durch Heirat bzw. 1360durch Ankauf an das Haus Habsburg. Administrativ warsie dann ein Teil der Landgrafschaft Elsass. Das Wappender Grafen von Pfirt – in Rot zwei voneinander abge-wendete goldene Fische – erscheint in den österreichi-schen Wappensuiten 1359 zum ersten und 1754 zumletzten Mal. Der Titel eines Grafen von Pfirt fiel überverwandtschaftliche Umwege an das Haus Grimaldi, dieFürsten von Monaco, die heute noch in ihrer Titulaturden Namen eines Comte de Ferette führen.

BurgauDie spätere Markgrafschaft Burgau, gelegen im heutigenbayerischen Bezirk Schwaben, war als Herrschaft im 12.und 13. Jahrhundert aus Gütern und Rechten der mit denStaufern verwandten Grafen von Berg entstanden. ZuBeginn des 13. Jahrhunderts erbten die Grafen von Bergvon mütterlicher Seite, von den Ronsberg, den markgräf-lichen Titel, und seit Mitte dieses Jahrhunderts nanntesich das Geschlecht durchwegs Markgrafen von Burgau.1301 kamen die Habsburger in den Besitz der Markgraf-schaft, die in ihnen als Reichslehen in Nachfolge der imMannesstamm erloschenen burgauischen Zweiges derGrafen von Berg verliehen wurde, wenige Jahrzehntespäter konnten sie den Kern des Familienbesitzes derGrafen von Berg-Schelklingen, einer Nebenlinie derBurgauer, ankaufen.

Das Wappen der Grafen von Berg bzw. der Markgrafenvon Burgau ist ein mehrfach schrägrechtsgeteilter (sil-bern-rot, rot silbern) Schild, die Anzahl der Teilungsli-nien schwankt. Dieses Wappen haben die Habsburgerübernommen, wobei der goldene Pfahl unter ihnen imLaufe des 16. Jahrhunderts dazugekommen ist.

Schelklingen-EhingenGraf Konrad von Schelklingen, letzter männlicherSpross des eben erwähnten Hauses Berg, verkaufte 1343den Habsburgern die Herrschaft und Grafschaft Schel-klingen samt der Stadt Ehingen. Letztere, eine Gründungder Grafen von Berg, war der Verwaltungsmittelpunktder erworbenen Herrschaft. Die Habsburger mussten erstden Widerstand der Grafen von Württemberg brechen,um die Herrschaft in Besitz nehmen zu können. DieHerrschaft der Habsburger über die Grafschaft Schel-klingen (am Wappenturm) oder Ehingen (auf derGlocke) steht das Wappen der Grafen von Berg, wie esoben beschrieben ist, dem aber der Pfahl fehlt und dasam Wappenturm schräglinks geteilt dargestellt ist.

HohenbergUm 1280 gründeten gründete das AdelsgeschlechtHohenberg die Stadt Rottenburg am Neckar und machtensie zum Mittelpunkt ihrer Herrschaft. 1381verkaufteGraf Rudolf III. die Herrschaft an Herzog Leopold III.von Österreich, durfte sie aber lebenslänglich nutzen.1389 starb Rudolf und mit ihm erlosch sein Geschlecht,und somit wurde die Grafschaft Hohenberg endgültighabsburgisch. Titel und Wappen der Hohenberger (VonSilber und Rot geteilt) übernahmen die Habsburger. DerErwerb Hohenbergs war zwar ein großer Erfolg für dasHaus Österreich, aber es gelang ihm nicht, eine territo-riale Verbindung mit anderen österreichischen Herrschaf-ten herzustellen. Hohenberg war und blieb ein isolierterterritorialer Vorposten, der sich besonders gegenüberWürttemberg bewährte. Die Gattin des ThronfolgersFranz Ferdinand, die Gräfin Sophie Chotek, erhielt 1909den Titel einer Herzogin von Hohenberg.

NellenburgDie Landgrafschaft Nellenburg ist zwar aus einer karo-lingischen Grafschaft Hegau herausgewachsen, aber siewar nicht deren unmittelbare Nachfolgerin. Als Institu-tion begegnet uns die Landgrafschaft erst im 13. Jahr-hundert, als sich allenthalben das Territorialitätsprinzipdurchsetzte. Die Nellenburger waren in Oberschwabeneine der angesehensten und wohlhabendsten Dynastien,verwandt mit den Saliern, Zähringern und Zollern. DieNellenburg, die dem Geschlecht und der Landgrafschaftden Namen gegeben hat, liegt, heute nur mehr eine küm-merliche Ruine, unweit von Stockach. Nach dem Aus-sterben der Nellenburger erbten 1422 die Herren, jetzt

Page 20: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

20

Grafen von Tengen deren Herrschaftsbesitz. Die Grafenvon Tengen gerieten in finanzielle Turbulenzen, so dassJohann von Tengen sich gezwungen sah, den gesamtenBesitz 1465 an Herzog Sigmund von Tirol zu verkaufen.An diesem Erwerb lässt sich ebenfalls das unaufhörlicheBestreben der Habsburger ablesen, eine Verbindung zwi-schen Breisgau und Baar, zwischen Oberrhein undSchwaben herzustellen. Fortan bildeten die Landgraf-schaft Nellenburg und die Stadt Konstanz eine natürlicheBrücke von den österreichischen Ländern Vorarlberg undTirol zu den Vorderen Landen im engeren Sinne, denHerrschaften am Oberrhein. Aber es gelang weder einZusammenschluss zu einem größeren zusammenhängen-den Territorium noch die Ausbildung der vollen Landes-hoheit. Das Wappen der Landgrafen von Nellenburgzeigt in Gold drei übereinander angeordnete blaueHirschstangen.

TribergTriberg gehörte zu den ärmsten Gegenden des Hoch-schwarzwaldes. Als Herrschaft wurde sie um 1200selbständig unter einem Adelsgeschlecht, das sich nachseiner Burg Triberg nannte und in deren Schutz im 13.Jahrhundert das gleichnamige Städtchen erbaute. Nachdem Aussterben der Herren von Triberg wurde die Herr-schaft 1325 als Reichslehen den Grafen von Hohenbergüberlassen. Diese verkauften sie 1355 an Herzog Alb-recht von Österreich, der damit die habsburgische Posi-tion im mittleren Schwarzwald stärken wollte. Das Wap-pen von Triberg taucht in den Wappensuiten der Habs-burger höchst selten auf. Der Innsbrucker Wappenturmpräsentiert es wie folgt: In Silber ein schwarzer Dreiberg,aus dem zwei zu einander gekehrte Hiefhörner (Jagdhör-ner) wachsen.

Gut ein Drittel der Wappen repräsentiert das burgundi-sche Erbe Maximilians, mit dem die Hausmacht Habs-burgs eine europäische Dimension annahm. Der vorlän-dische Streubesitz, der hoheitlich recht unterschiedlichverdichtet war, ging, sieht man von Vorarlberg ab, in derSchweiz, in Frankreich und in deutschen Teilstaaten wieWürttemberg, Baden und Bayern auf. Von den kompak-teren und macht- wie wirtschaftspolitisch wesentlichinteressanteren burgundischen Landen profitierten wie-derum Frankreich, vor allem die Niederlande und letzt-lich das sich aus ihnen lösende Belgien. Da Burgund vielstärker noch als die Vorlande oder Vorderösterreich, dasvom 15. Jahrhundert bis 1665 über Personalunion der inInnsbruck residierenden Landesfürsten mit Tirol verbun-den war und administrativ direkt und indirekt bis 1752an der Nabelschnur der Innsbrucker Zentralbehördenhing, dem österreichischen Wissenshorizont entschwun-den ist, soll seine Entwicklung kurz geschildert werden.

Das Stammesherzogtum Burgund und das spätere Köni-greich Burgund lassen wir zur Seite und wenden unsdem spätmittelalterlichen Neuburgund zu. Einem jünge-ren Sohn aus dem französischen Königshaus der Valois,Philipp dem Kühnen, wurde 1363 das frühere Herzog-tum Burgund übertragen und damit eine burgundischeNebenlinie der Valois begründet. Durch Heirat brachtePhilipp die reiche Grafschaft Flandern an sich, mit derdas Artois und die Freigrafschaft Burgund verbundenwaren. Seinem Enkel Philipp dem Guten gelang es, diegewonnene Stellung massiv auszubauen. 1429 kaufte erdie Grafschaft Namur, im Jahr darauf brachte er die Her-zogtümer Brabant und Limburg, die schon des längerenim Familienbesitz gewesen und von einer Nebenlinieregiert worden waren, unmittelbar an sich. Die HerzoginJakobäa von Bayern überzog er so lang mit Krieg, bis sieihm ihre Erbländer Hennegau, Holland und Seelandüberließ und 1436 abdankte. 1451 entzog Philipp derGute das Herzogtum Luxemburg seinem angestammtenHerrscherhaus, die Bistümer Lüttich, Utrecht und Cam-brai unterwarf er seiner Schutzherrschaft. Innerhalbweniger Jahrzehnte war hier eine Großmacht erwachsen.Diese übersteigerte expansive Politik, die auf ein eigenesKönigreich abzielte und davon träumte, dass sich diesesin einem Zug von der Scheldemündung bis an das Mit-telmeer erstrecke, musste scheitern und führte mitten indie Katastrophe. Philipps Sohn, Karl der Kühne, über-spannte den Bogen. Zu den seinen Gegnern gesellte sichFrankreich, das schon des längern das Anwachsen desburgundischen „Zwischenreichs“ beargwöhnte. Ein feh-lendes Mosaiksteinchen im niederländischen Herr-schaftskomplex, das Herzogtum Geldern, konnte Karldurch Pfandnahme noch hinzufügen. Die Absicht, eineBrücke von seinen niederländisch-luxemburgischenBesitzungen zum Stammland seines Hauses, dem Her-zogtum Burgund, sowie zur Freigrafschaft Burgund zuschlagen, wozu er das Elsass sowie das HerzogtumLothringen benötigte, konnte der Burgunderherzog nichtverwirklichen. Das Elsass bekam Karl noch in die Hand,denn Herzog Sigmund musste ihm notgedrungen dasOberelsass und die angrenzenden rechtsrheinischenBesitzungen der Habsburger überlassen. Aber ein Auf-stand fegte dort 1474 die burgundische Herrschaft hin-weg. Eine Kompensation gelang ihm noch, 1475eroberte er das Herzogtum Lothringen. Aber unter denReichständen, vor allem in den Eidgenossen, die mitFrankreich paktierten, erwuchsen ihm Gegner, die ihmimmer härter zusetzten. Die verbündeten Truppen ausEidgenossen, Herzog Sigmunds von Tirol, der elsässi-schen Niederen Vereinigung und des Herzogs vonLothringen brachten ihm im Jänner 1477 bei Nancy dieentscheidende Niederlage bei. Karl fand in der Schlachtden Tod.

Kaiser Friedrich III. hatte zu diesem Zeitpunkt für sein

Page 21: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

21

Haus Habsburg vorgesorgt. Gegen Konzessionen, dieFriedrich als Reichsoberhaupt Karl dem Kühnen gegenü-ber machte, vereinbarten die beiden, dass FriedrichsSohn Maximilian Karls Erbtochter Maria heiraten sollte.Damit sicherte Friedrich seinem Sohn die NachfolgeKarls des Kühnen. Noch in dessen Todesjahr (1477)wurde geheiratet, und im Jahr darauf belehnte Friedrichin seiner Funktion als Kaiser und König des Reichs sei-nen Sohn und seine Schwiegertochter mit dem burgundi-schen Länderkomplex. Damit war es aber nicht getanund Maximilian hatte alle Mühe, das burgundische Erbean sich zu bringen. In den Niederlanden erhob sich einestarke Widerstandsbewegung, die die monarchischeGewalt der Autorität der Generalstände unterworfensehen wollte. Dieser ständische Partikularismus fand imKönig von Frankreich einen mächtigen Verbündeten, derden Habsburgern die burgundische Hinterlassenschaftstreitig machte. In mühevollen und wechselhaftenKämpfen konnte sich Maximilian, dessen Position imBurgund durch den frühen Tod Marias (1482) erschwertwurde, des doppelten Gegners erwehren. In einemFriedenschluss 1493 einigte man sich: Maximilianbehauptete die gesamten niederländischen Territoriensamt Flandern und einem Großteil der Grafschaft Artoissowie das Herzogtum Luxemburg und die FreigrafschaftBurgund (Franche-Comté). Das französische HerzogtumBurgund (die Bourgogne), ein Teil von Artois und diePicardie fielen an den König von Frankreich. Damit wardieser Streit beigelegt, aber auf Grund der nahen Nach-barschaft schwelte der politisch-dynastische Konfliktweiter, der in einer globalen Auseinandersetzungzwischen dem Haus Österreich und dem KönigreichFrankreich münden sollte. Die burgundisch-nieder -ländischen Besitzungen fielen an die spanische Linie derHabsburger, die bald herbe Verluste hinnehmen musste.Im Aufstand der Spanischen Niederlande, in dem es umWahrung von autonomen Rechten und um die Konfes-sion ging, schlossen sich die südlichen, katholischenProvinzen (das spätere Belgien) mit dem habsburgischenSpanien 1579 die Union von Arras gegen die nördlichenCalvinisten in den Generalstaaten (den heutigen Nieder-landen), die 1581 ihre ihnen nicht mehr zu nehmendeUnabhängigkeit erklärten. 1678 mussten die spanischenHabsburger die Franche-Comté, die Freigrafschaft Burg-und, an Frankreich abtreten. Nach dem Aussterben derspanischen Habsburger entbrannte der SpanischeErbfolgekrieg, zu dessen Hauptprotagonisten Frankreichund Österreich zählten. 1714 wurden die österreichi-schen Habsburger mit den spanischen Niederlanden samtLuxemburg abgefunden. Die napoleonischen Kriegewirbelten alles durcheinander. Auf dem Wiener Kongress1814/15 beschlossen die europäischen Großmächte,um dem erstarkenden Frankreich eine Mittelmachtgegenüberzustellen, die österreichischen und die unab-

hängigen Niederlande zum „Königreich der VereinigtenNiederlande“ zusammenzulegen. Zugleich wurdeLuxemburg zum Großherzogtum erhoben, das in Perso-nalunion vom niederländischen König regiert wurde.1830 sagte sich der Süden von den Niederlanden los undproklamierte seine Unabhängigkeit. Im Jahr daraufwurde der neue Staat Belgien, der auch Westluxemburgund Limburg umfasste, von den europäischenGroßmächten anerkannt.

Da wir die wechselhafte Geschichte Burgunds soebenkurz erzählt haben, werden wir jetzt vom chronologi-schen Schema abweichen und geographisch vorgehen,um die burgundischen Wappen vorzustellen.

BurgundIn der österreichischen Heraldik unterschied man zwi-schen Alt-Burgund und Neu-Burgund, wobei vor allemdas Wappen Alt-Burgunds bevorzugt verwendet wurde.Letzteres zeigt einen fünfmal von Gold und Blau schräg-rechts geteilten Schild, der rot bordiert (umrandet) war.(Auf dem Innsbrucker Wappenturm ist der Wappenrandin Silber gehalten). Das Wappen von Neu-Burgund istblau und mit goldenen Lilien übersät, der Schildrand istrot-silbern gestückt. Die Darstellung am InnsbruckerWappenturm weicht hier stark ab: Der Schild ist in Silberund mit Schindeln übersät und zeigt einen goldenenLöwen. Hier dürfte man auf das Wappen der zu Beginndes 14. Jahrhunderts ausgestorbenen Pfalzgrafen vonBurgund zurückgegriffen haben. Die Lilie, ein stark stili-siertes und eigentümliches Ornament, bestehend aus dreivon einem Band zusammengehaltenen Blättern, warbesonders in Frankreich ein beliebtes und verbreitetesWappenmotiv. Das lilienbesäte Wappen Neu-Burgunds,das an Frankreich erinnerte, haben die Habsburger seltengeführt.

SalinsDas Wappen der Stadt Salins bzw. der älteren Grafen vonBurgund und Salins zeigt in Rot einen goldenen Schräg-balken. Die Stadt lag in der Freigrafschaft Burgund einund gehört heute zum französischen Departement Jura.

LuxemburgDas luxemburgische Wappen lässt sich seit etwa 1200nachweisen. Es zeigt in einem neunmal von Silber undBlau geteilten Schild einen roten, goldbewehrten und -gekrönten Löwen. Dieses Wappen ist heute noch Staats-wappen des Großherzogtums Luxemburg.

FlandernDas Wappen zeigt in Gold einen schwarzen goldgekrön-ten Löwen. Flandern fiel 1556 an die spanische Linie derHabsburger. Der Norden ging 1648 als Teil der Provinz

Page 22: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

22

Seeland an die Generalstaaten verloren, die südlichenGrenzgebiete 1659 bis 1679 an Frankreich. Der Haupt-teil wurde 1714 österreichisch und blieb es bis 1797.

AlstDas Wappen der Grafschaft Aalst (frz. Alost) in Ostflan-dern, die als Reichslehen galt (daher „Reichsflandern“),zeigt gemäß der Darstellung auf dem Innsbrucker Wap-penturm im silbernen Schild ein Schwert, das obenrechts von einem Wappenschild mit Adler, links voneinem Wappenschild mit Löwen begleitet wird..

ArtoisDas Wappen der Grafschaft Artois war ein blauer, mitLilien besäter Schild, oben schwebend ein dreilätzigerTurnierkragen. In Frankreich war der Turnierkragen alsBeizeichen besonders beliebt, er fand sich gewöhnlich inden Wappen jüngerer Söhne zur Unterscheidung ihresWappens von dem ihres Vaters oder älteren Bruders.Einen Teil dieser Grafschaft mussten die spanischenHabsburger 1659, den Rest 1678 an Frankreich abtreten.

BoulogneDas Wappen von Boulogne ist laut Darstellung des Inns-brucker Wappenturms in Silber drei rote Kugel zwei zueins. Die Grafschaft Boulogne (Boulonnais) wurde1414/35 burgundisch und fiel 1477 an die französischeKrone. Die Stadt Boulogne-sur-Mer liegt an der Mün-dung der Liane in den Ärmelkanal.

CharolaisDas Wappen der in Ostfrankreich gelegenen GrafschaftCharol(l)ais zeigt einen goldenen Löwen in Rot. 1684kam diese Grafschaft, die ein französisches Lehen warund schon länger ein Zankapfel zwischen Spanien undFrankreich war, an das französische Haus Condé, undwar wieder mit Frankreich reuniert.

BrabantDas Wappen des Herzogtums zeigt in Schwarz einen gol-denen, rotbewehrten Löwen. Dieses Wappen wurde 1830von Belgien als Staatswappen übernommen.

Alt-Burgund Mailand Brabant Schlesien Artois Seeland Holland Burgund

Salins Auxerre Friaul Alost

Page 23: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

23

MechelnDas Wappen der Stadt ist ein sechsmal von Gold und Rotgespaltener Schild. Darauf in Gold ein Mittelschild mitschwarzem Adler. Die in dem Herzogtum Brabant einlie-gende Stadt Mecheln blieb ein selbständige politischeEinheit.

AntwerpenDas Wappen der Stadt ist von Gold und Rot geteilt. Obenein schwarzer Doppeladler, unten drei silberne Türme,die durch Mauern zu einem dreieckigen, auf ein Spitzestehenden Befestigung verbunden ist. Die Stadt kam1830 an Belgien.

LimburgDas Wappen zeigt in Silber einen roten, goldgekröntenLöwen mit verschränktem Doppelschweif. Das Herzog-tum Limburg wurde im Westfälischen Frieden zwischenden niederländischen Generalstaaten und den spanischenHabsburgern geteilt, von 1714 bis 1797 war es öster-reichisch. Die Provinz Limburg der Vereinigten Nieder-lande wurde 1839 in eine niederländische und belgischeProvinz Limburg aufgeteilt.

HennegauDas Wappen des Hennegaus zeigt einen schwarzenLöwen in Gold. Die Grafschaft wurde in napoleonischerZeit niederländisch und gehört sein 1830 als Provinz zuBelgien.

NamurDas Wappen von Namur zeigt in Gold einen schwarzenrotbewehrten („flandrischen“) Löwen. Über dem Schildliegt ein roter Schrägrechtsbalken. (Im Wappen des Wap-penturms fehlt dieser.) Die kleine Grafschaft Namurteilte das Schicksal der österreichischen Niederlande undfiel 1830 an das neue Königreich Belgien.

HollandDer Wappen von Holland zeigt einen roten Löwen inGold. Die heutigen niederländischen Provinzen Nord-und Südholland entsprechen ungefähr der alten Graf-schaft Holland. Das Haus Österreich verlor diese Graf-schaft 1581, die dann das Kernland der jüngeren staatli-chen Entwicklung im niederländischen Raum bildete.Trotzdem führten alle habsburgischen Herrscher diesesWappen bis Joseph II.

SeelandDas Wappen der Grafschaft Seeland wurde von denHabsburgern seltener geführt. Sein Schild ist im Wellen-schnitt geteilt. Oben in Gold ein wachsender roter(„holländischer“) Löwe, unten fünfmal von Blau und Sil-ber im Wellenschnitt geteilt. Heute ist Seeland (Zeeland)die südwestlichste Provinz der Niederlande. Zusammen

mit Holland sagte sich Seeland 1581 von den spanischenHabsburgern los.

FrieslandDas Wappen zeigt im blauen mit grünen Schindelnbelegten Schild zwei goldene Löwen übereinander.Habsburgisch war von Friesland nur das Gebiet westlichder Ems, das zusammen mit Holland 1581 verloren ging.

GeldernDas Wappen von Geldern zeigt in Blau einen gekröntengoldenen Löwen. Das Herzogtum Geldern wurde 1543den österreichischen Niederlanden zugeschlagen. Nie-dergeldern schloss sich 1579 den Generalstaaten an,Obergeldern blieb spanisch. 1713 fiel ein großer Teil desspanischen Geldern an Preußen.

ZutphenDas Wappen von Zutphen zeigt in einem von Silber undBlau geteilten Schild oben einen roten Löwen, unten einsilbernes Kreuz. Seit 1591 zählte die kleine Grafschaft,von einigen französischen Zwischenspielen abgesehen,zu den Niederlanden.

Bisher wurden Wappen von Ländern und Gebieten vor-gestellt, wo Maximilian, unter verschiedenen Rechtsti-teln, vom Erzherzog abwärts bis zum einfachen Herrn,reale Macht als Landesfürst ausübte. Nun sind dieAnspruchswappen zu präsentieren. Darunter sind jeneWappen von Fürsten zu verstehen, die damit denAnspruch auf Länder, Herrschaften und Städte zum Aus-druck bringen oder zumindest dynastische Beziehungendokumentieren wollten, aus denen sich eventuell Erban-sprüche ableiten ließen.

EnglandUnter die potentiellen Erbschaften Maximilians ist dasKönigreich England zu reihen, auch wenn solcheAnsprüche weit hergeholt waren und nie und nimmerhätten durchgesetzt werden können. Die UrgroßmutterMaximilians, Philippine von Lancaster, die GemahlinKönig Johanns von Portugal, ist dazu der Anlass. Imübrigen ist das Wappen Englands in sich schon ein schö-nes Beispiel für ein Anspruchwappen. Die englischenKönige führten bis zu Beginn des 19. Jahrhundert nebendem englischen Wappen (drei übereinander stehendeLöwen) das von Frankreich mit seinen drei Lilien.

PortugalMit seinen Erbansprüchen näher dran war Maximilianbei Portugal, denn seine Mutter war Eleonore von Portu-gal. Als Wappen für Portugal figuriert auf der Glocke: InSilber fünf (1,3,1) blaue Schildchen, jedes mit fünf sil-bernen Ballen belegt, um den Schild eine rote Bordüre,belegt mit mehreren goldenen Türmen.

Page 24: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

24

SpanienDie Heirat des Thronerben Ferdinand von Aragon mitIsabella von Kastilien brachte 1479 die Vereinigung derbeiden „katholischen“ Königreiche. Hier sollten sich innaher Zukunft die politischen Hoffnungen erfüllen. 1496hatte Maximilians Sohn, Philipp der Schöne, Johannavon Kastilien-Aragon geehelicht. Ihr Sohn Karl, der spä-tere Kaiser Karl V., trat die Erbfolge in Kastilien 1506, inAragon 1516 an. Für Spanien ist ein kombiniertes Wap-pen auf der Glocke appliziert und zu diesem Zweck istder Schild quadriert. Im Feld eins und drei sind die Wap-pen der Königreiche Aragon (mehrfach von Rot undGold gespalten) und Sizilien (schräggevierter Schild,oben und unten mehrfach von Rot und Gold gespalten,rechts und links ein schwarzer Adler) kombiniert,während in den Feldern zwei und drei, die quadriert sind,die Wappen der Königreiche Kastilien (in Rot ein golde-ner Zinnenturm) und Leon (in Silber ein roter Löwe)jeweils zweimal zusammengestellt sind.

LothringenUm die erste Jahrtausendwende wurde das HerzogtumLothringen in Ober-Lothringen (das Moselland) undNieder-Lothringen (Niederrhein- und Maasgebiet)geteilt. Das Herzogtum Nieder-Lothringen zerfiel um1100 in die Herzogtümer Brabant und Limburg, zudemhatte es gegen die aufkommenden Territorialgewalten(Köln, Lüttich, Geldern, Kleve, Hennegau, Namur, Lüt-tich) keine Chance und versank in der Bedeutungslosig-keit. Etwas besser erging es Ober-Lothringen, an demTitel und Name, Herzogtum Lothringen, haften blieben.Auch sein Besitzstand wurde durch die aufstrebendenTerritorialgewalten (Bar, Vaudémont, Luxemburg, Saar-brücken, Saarwerden, Bistümer Metz, Toul und Verdun)geschmälert. Nach vier Jahrhunderten starb das HausLothringen im Mannesstamm aus, durch Heirat mit derErbtochter fiel das Herzogtum Lothringen an René I. ausdem Haus Anjou. Karl der Kühne, Herzog von Burgund,konnte zwar das Nachbarterritorium erobern und inNancy einziehen, aber nicht halten. Im Kampf umLothringen verlor der ambitionierte Burgunderherzog1477 Schlacht und Leben. Mit der Besetzung der Bistü-mer Metz, Toul und Verdun 1552 durch Frankreich ver-stärkte sich der seit dem 14. Jahrhundert dominierendefranzösische Einfluss auf Lothringen. Franz Stephan, derGemahl Maria Theresias und spätere Kaiser, musste1736/37 sein Herzogtum Lothringen, womit ein polni-scher Exilkönig abgefunden wurde, gegen die Toskanaeintauschen. Nach dem Tod des Polen, der der Schwie-gervater Ludwigs XV. war, fiel Lothringen 1766 ver-tragsgemäß an Frankreich. Dass Maximilian den Titelund das Wappen eines Herzogs von Lothringen führte,dürfte mit dem lothringischen Abenteuer zusammenhän-gen, das seinem burgundischen Schwiegervater das

Leben kostete. Das Wappen Lothringens zeigt in Goldeinen roten Schrägrechtsbalken, der mit drei silbernen,gestümmelten Adlern belegt ist. Die unter Lothringenlaufenden Wappen des Wappenturms und der Glockestellen den österreichischen Bindenschild dar.

MailandDas Mailänder oder lombardische Wappen zeigt in Silbereine blaue gekrönte Natter, die mit geöffneten Rachenein Kind verschlingt. Dieses Wappen geht auf die Vis-conti zurück, die Stadtherren von Mailand, die 1395 denHerzogstitel verliehen bekommen hatten. Die um dieMitte des 15. Jahrhunderts ihnen als Herrscher nachfol-genden Sforza haben es übernommen. Aufgrund seinerVerwandtschaft erhob König Karl VIII. von FrankreichAnspruch auf das Herzogtum Mailand, eroberte es1499/1500 und setzte den regierenden Sforzaherzoggefangen. Diesen hatte Maximilian – als römisch-deut-scher König formell Lehnsherr über Mailand – wenigeJahre zuvor mit dem Herzogtum belehnt, nachdem erdessen Nichte Bianca Maria Sforza nebst einer staatli-chen Mitgift als Ehefrau heimgeführt hatte.

FriaulIn Friaul bestand das spätantike Bistum Aquileia weiter,dessen Bischöfe im 6. Jahrhundert den Patriarchentitelannahmen. In Konkurrenz zu den Friauler Grafen undgefördert von den deutschen Königen gelang es den Patri-archen, eine auf geistliche Vorrechte, Burgen, Grundbe-sitz und durch den Erwerb der Grafschaft gestützte Herr-schaft zu errichten. Gegen Ende des 11. Jahrhundertswurde das lose Band zu Kärnten gekappt und den Patriar-chen die Grafschaft Friaul verliehen. Auf dieser Grund-lage eine Landesherrschaft aufzubauen, blieb den Patriar-chen versagt, denn einerseits setzten ihnen die Grafen vonGörz zu, andererseits gewannen die Städte zunehmend anEinfluss. Der „Patriarchenstaat“ zersetzte sich und ging1419/20 im Krieg gegen Venedig unter. Damit waren dieletzten reichsrechtlichen Bindungen gekappt.Das Wappen von Friaul ist ein Konstrukt der maximilia-nischen Zeit, das jeglicher politischer Realität spottete,längst hatte sich die Republik Venedig entlang der tiroli-schen, kärntnerischen und krainischen Grenze positio-niert. Nur mit seinen görzischen Besitzungen konnte sichHabsburg im Friaul behaupten.Das Wappen, auf der Glocke dem Patriarchen von Friaulzugeschrieben, zeigt in gespaltenem Schild rechts inSchwarz ein silbernes Patriarchenkreuz, links den rot-weiß-roten Bindenschild. Maximilians fahrige Italienpo-litik, die unter anderem darauf abzielte, die veneziani-sche Terra ferma zu erobern, scheiterte auf der ganzenLinie. Bündnispartner sprangen ab und wechselten dieFronten, und wie so oft ging dem Kaiser finanziell dieLuft aus. Wie mit Frankreich musste er sich mit Venedig

Page 25: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

25

arrangieren. Die Ausbeute eines langjährigen Waffengan-ges war bescheiden. 1516 wurden Maximilian einigeGebiete an der alten Südgrenze Tirols zugesprochen,wovon einiges dem Hochstift Trient überlassen werdenmussten. Mit Tirol vereint wurden nur Rovererto und dasGebiet Ampezzo (Haiden).

Böhmen und UngarnIm 15. Jahrhundert waren die Habsburger kurzfristig imBesitz der Königreiche Böhmen und Ungarn. Als KaiserSigmund, ein Luxemburger, 1437 starb, trat sein habs-burgischer Schwiegersohn Erzherzog Albrecht V. (alsdeutscher König Albecht II.) seine Nachfolge im Köni-greich Böhmen und im Königreich Ungarn an. Albrechtstarb bereits zwei Jahre später, und sein nachgeborenerSohn Ladislaus „Postumus“ konnte sich nur mit Mühe inbeiden Königreichen halten. Der im Jünglingsalter ste-hende Ladislaus starb 1457. In Böhmen wie in Ungarnkamen die aus den einheimischen Adelsfamilien stam-menden Reichsverweser des Ladislaus zum Zug. In Böh-men wurde Matthias Corvinus, in Ungarn Georg Podieg-rad zum König gewählt. Habsburgs Erbhoffungen solltensich erfüllen, wenn auch später. Die Ehe von Maximili-ans Enkel Erzherzog Ferdinand (später Kaiser FerdinandI.) mit Anna von Ungarn und Böhmen brachte 1526 dieböhmische und ungarische Erbmasse an die Habsburger.Ähnlich wie beim österreichischen unterschied man auchin Ungarn ein Wappen „Alt-Ungarn“ von dem Wappen„Neu-Ungarn“. Maximilian führte ausschließlich dasWappen Alt-Ungarns, das siebenmal von Rot und Silbergeteilt ist. Das ältere Wappen von Böhmen zeigte in Sil-ber einen schwarzen, rotgeflammten Adler. Das WappenAltböhmens wurde 1339 dem Hochstift Trient verliehen.Das neuere Wappen Böhmens, das bereits im 14. Jahr-hundert das ältere verdrängt hatte, hat in Rot einen sil-bernen, rotbewehrten und gekrönten Löwen mit Doppel-schweif. Dass das Wappen des Herzogtums Schlesienmit seinem Adler die Glocke ziert, dürfte damit zusam-menhängen, dass Schlesien seit dem 14. Jahrhundertunter der Lehenhoheit Böhmens stand. Ähnliches gilt fürdie Wappen von Kroatien (mehrfach von Silber und Rotgeschachter Schild) und Bosnien (Arm mit Schwert). DieKönige von Ungarn waren in Personalunion Könige vonKroatien. Über Bosnien, das im 15. Jahrhundert in einkönigliches Territorium und drei Landesherrschaften zer-fallen war, beanspruchten die ungarischen Könige dieOberhoheit. Seit 1463 stand es unter der Herrschaft derTürken. Nur im Westen und Osten konnten die UngarnGebietsstreifen befreien und bis zum Anfang des 15.Jahrhunderts vor dem osmanischen Zugriff bewahren.Ansprüche auf Dalmatien (das Wappen zeigt dreigekrönte Löwenköpfe) stellten die ungarisch-kroatischenKönige ebenfalls. Aber hier setzte sich als Sieger dieRepublik Venedig durch.

Die Maria Maximiliana, die wie keine Tiroler Glockevor ihr und nach ihr im heraldischen Schmuckprangt, ist eine einzige in Erz gegossene Huldigungan den Herrscher und Tiroler Landesfürsten Maxi-milian, erwiesen von privaten Auftraggebern, die sichder fürstlichen Gunst versichern wollten. Konzeptionund die zeichnerischen Vorlagen dürften auf Maximi-lians vielbeschäftigten Hofmaler Jörg Köldererzurückgehen. Kölderer besaß das heraldische Wissenund konnte sich fehlende Informationen bei den wissen-schaftlichen Beratern Maximilians beschaffen. Immerhinhatte er 1499 im Auftrag Maximilians den InnsbruckerWappenturm mit über fünfzig Wappen geschmückt. Fürdie künstlerische Gestaltung des Wappenbuchs Maximi-lians aus dem Jahre 1507 zeichnete ebenfalls Köldererverantwortlich. Und zwischen 1515 und 1518 schuf Köl-derer für den Kaiser die Ehrenpforte, deren Mittelaufbauvon je drei Wappenreihen mit über hundert Wappen flan-kiert war. Ungewisser ist, wer die Modelle für die hoch-wertigen und sehr plastischen Wappenreliefs geschnitzthat. Der Künstler darf hier im Kreis der InnsbruckerHofbildhauer – Nikolaus Türing, Christoph Geiger oderSebald Bocksdorfer – vermutet werden. Die MariaMaximiliana oder „Löfflerin“ ist ein heraldisches undplastisches Kunstwerk. Ihre Popularität verdankt sieihrem Klang. Im Volksmund ist sie der „SchwarzeBesen“, der Unwetter vertreiben hilft.

Literaturhinweise:Zu Peter Löffler und seinen Glocken: Johanna Gritsch: Die GlockenPeter Löfflers, in: Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum20/25 (1940/45), 55–78; Andreas Weißenbäck und Josef Pfundner:Tönendes Erz. Die abendländische Glocke als Toninstrument und diehistorischen Glocken in Österreich. Graz-Köln 1961, 550; Siegenfeld:Adels- und Wappenbrief Kaiser Friedrichs III. für Peter Löffler, in:Monatsblatt „Adler“ 4 (1898), 343–345; Erwin Stockhammer: DieAnsitze in Innsbruck und seiner nächsten Umgebung aus der Zeit derSpätgotik und Frührenaissance (Schlern-Schriften 202), Innsbruck1961. Zum Schwazer Kirchenbau: Erich Egg: Kunst in Schwaz.Schwaz 2000. Zur Heraldik: Franz Gall. Österreichische Wappen-kunde. Handbuch der Wappenwissenschaft. 3. unveränderte Auflage,Wien-Köln-Weimar 1996; Harald Huber (Hrsg.): Wappen. Ein Spiegelvon Geschichte und Politik, gesehen im Wappen eines vorderöster-reichischen Regenten. Karlruhe 1990; Peter Diem: Die Symbole Öster-reichs. Zeit und Geschichte in Zeichen. Wien 1995; Gert Oswald: Lexi-kon der Heraldik. Mannheim-Wien-Zürch 1985; Franz Heinz Hye: Dasösterreichische Staatswappen und seine Geschichte. Innsbruck-Wien1995; Franz Heinz Hye: Die heraldischen Denkmale Maximilians I. inTirol, in: Der Schlern 43 (1969), 56–77; Oswald Redlich: Der alteWappenturm zu Innsbruck, Sonderdruck aus dem 26. Jahresbericht desInnsbrucker Verschönerungsvereines, Innsbruck 1907; Anna Coreth:Ein Wappenbuch Kaiser Maximilians I., in: Festschrift Leo Santifaller(Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, ErgänzungsbandII/1), Wien 1949, 291–303: Zur Territorialgeschichte: Georg WilhelmSante (Hrsg.): Reich und Länder. Geschichte der deutschen Territorien,1. Band (Territorien-Plötz), Darmstadt 1978 (Nachdruck); Friedrich

Page 26: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

26

Aufziehen der Löfflerglocke in den Glockenturm am 23. 9. 1911 (Foto: Stadtbuch)

Uhlhorn und Walter Schlesinger: Die deutschen Territorien (Gebhardt,Handbuch der deutschen Geschichte, dtv-Ausgabe, Band 13), München1979 (3. Auflage); Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deut-schen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegen-wart. München 1988 (zweite Auflage); Friedrich Metz (Hrsg.): Vor-

derösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde. Freiburg i. B. 1977 (3.Auflage); Württembergisches Landesmuseum Stuttgart: Katalog zurAusstellung Vorderösterreich nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers?Die Habsburger im deutschen Südwesten. Stuttgart 1999; Handbuchder Bündner Geschichte, Band 1 (Frühzeit bis Mittelalter). Chur 2000.

Page 27: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

27

Hans Sachs war fast auf den Tag genau ein Jahrjünger als Paracelsus (= Philippus TheophrastusBombastus von Hohenheim, geb. 1493 in Einsie-

deln/Schweiz, um 1515 in Schwaz, gest. 1541 in Salz-burg. Schwaz kann sich rühmen, im Leben dieses großenArztes eine Station seiner Jugend- und Lernjahre gewe-sen zu sein).Vor 500 Jahren, am 5. November 1494, erblickte er alsSohn eines Schneiders in Nürnberg das Licht der Welt.Kein Name aus jener Zeit ist auch dem literarisch nurmäßig Gebildeten so geläufig wie seiner. Richard Wag-ner hat dem Poeten in seinen „Meistersingern von Nürn-berg“ ein musikalisches Denkmal von einzigartigerSchönheit gesetzt, auch wenn er in seiner Oper dieSachs-Biographie ein wenig retuschierte. Denn Sachs war keineswegs der resignierende alteMann, der auf die Liebe der jungen Eva Pogner zugun-sten des Walther von Stolzing verzichtete. Vielmehr hei-ratete er nach dem Tod seiner ersten Frau als 67jährigerein zweitesmal. Dass er auch alle seine sieben Kinderüberlebt hat, sei hier nur als tragische Marginalie ver-merkt.

Die freie Reichsstadt Nürnberg war zu Sachsens Zeit einkulturelles Zentrum ersten Ranges. Der Maler und Kup-ferstecher Albrecht Dürer, der Kosmograph MartinBehaim, der Uhrenkonstrukteur Peter Henlein und derErzgießer Peter Vischer – zwei seiner besten Statuen,nach Dürers Entwürfen gegossen, stehen in der Inns-brucker Hofkirche – waren Nürnberger Zeitgenossen desHans Sachs. Nach dem Besuch der Lateinschule und dem Erlernendes Schusterhandwerks machte sich der siebzehnjährigeGeselle auf die damals übliche „Walz“. Sie führte ihn dieDonau entlang ins heutige Innviertel. Braunau, Ried undWels sind ebenso wie etwas später Salzburg bezeugteStationen seiner Wanderschaft. In Wels begann sogarseine dichterische Laufbahn, hier schrieb er seine erstenVerse. 1513/14 kam der Schuhmachergeselle über den Pinzgaunach Tirol, wo er sich mehrere Wochen, wenn nicht garMonate, aufgehalten haben dürfte. Vor allem in Schwaz ist die Erinnerung an ihn nochimmer lebendig, nicht zuletzt deshalb, weil sich hier bis1944 der einzige noch erhaltene Meistersingersaal imdeutschen Sprachraum befand. Bei einem Luftangriff am15. Dezember 1944 wurde dieses einmalige Kulturguteuropäischen Ranges zerstört. In seinem Schwank „Die pewrin [Bäuerin] mit derdicken millich“ erwähnt Sachs ausdrücklich den OrtSchwaz, der damals zwar noch nicht Stadt, aber infolgedes Silberbergbaus mit seinen 20.000 Knappen diezweitgrößte Siedlung in habsburgischen Landen nachWien war:

„Als ich mein handwerck nach thet wandern Von einem lande zu dem andern, Kam ich gen Schwatz in das Inthal Do im bergkwerg ein grose zahl Ertzknappen arbeitn tag und nacht...“

Handwerksburschen wurden damals von ortsansässigenMeistern kurzfristig in Kost und Quartier genommen,hatten dafür zu arbeiten, konnten so aber auch ihre Aus-bildung vervollständigen. Sachs dürfte von einemSchwazer Meister gemeinsam mit einem anderen Gesel-len für etwa zwei Wochen "auf Stör" in ein Dorfgeschickt worden sein. Dort hatte er dann auch dasErlebnis mit der Bäuerin, die nach ergiebigem Verzehrfetten Schweinefleisches ihren Durst mit saurer Milchstillte. Die Folgen solch kulinarischen Fehlverhaltenskann man sich unschwer vorstellen.

Hans Sachs –Gründer der Schwazer Meistersinger?

Page 28: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

28

Auch Innsbruck erwähnt Hans Sachs in seinem Werk,und zwar in der „Unnützen Frau Sorge“:

„Weyl ich was ein waydman Bei Maximilian Am keyserlichen hof In Inspruck und mit loff...“

Einige Forscher bezweifeln zwar, ob Sachs tatsächlichbei der kaiserlichen Jagd „mitgeloffen“ sei. Andererseitsmussten wandernde Handwerksburschen oft auch berufs-fremde Tätigkeiten ausüben, um sich über Wasser zu hal-

ten. Weshalb also sollte sich der Schuster nicht auch ein-mal als Jagdgehilfe verdingt haben?

„Da kam ich für ein loch Tieff in eyn staines wandt …“

heißt es weiter bei Hans Sachs. Ob es sich hier um eineHöhle in der Martinswand gehandelt hat oder um eineKlamm bei Zirl ist nicht mehr auszumachen. Dass aberdie geographische Umgrenzung zwischen Innsbruck undZirl liegen muss, ist dem "Kampfgespräch zwischen derHoffart und der edlen Demut" zu entnehmen:

Teile der ehemaligen Fresken im Schwazer Meistersingersaal, geschaffen wahrscheinlich von Ulrich Funk ausMemmingen..

Der Saal wurde 1944 bei einem Luftangriff zerstört. Reste der Fresken im Museum „Kunst in Schwaz” im Rabalderhaus.

Page 29: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

29

Schwaz und Nürnberg, die berühmtesten Meistersingerstädte imSüddeutschen Raum, Mitte 17. Jh. Beide Stiche von Merian.

Page 30: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

30

„In meiner wanderschafft ich zoch Bey Schwatz für ein gebirge hoch, Der Zirelberg mit nam genendt. Auf dem hätten in staines wend Ihr wonung stainböck und die gemsen …“

Nun beträgt allerdings die Entfernung zwischen Schwazund dem Zirler Berg an die vierzig Kilometer. Anderer-seits muss man bedenken, dass Sachs besagte TenzoneJahre später in Nürnberg niedergeschrieben hat undeinem so weitgereisten Mann wie ihm schon der eineoder andere Erinnerungsfehler beim Abschätzen vonEntfernungen unterlaufen sein konnte. Der heute so gutwie vergessene Dichter Rudolf Baumbach (1840 – 1905)hat jedenfalls ein eigenes Epos, „Kaiser Max und seineJäger“, geschrieben, in welchem er die Sage von Maxi-milians Abenteuer in der Martinswand mit der Persondes späteren Meistersingers verquickte. Der genaue Zeitraum, in welchem sich Hans Sachs inTirol aufhielt, ist nicht mehr eruierbar. Wir wissen nur,dass er am Ostermontag des Jahres 1515 in der Peterskir-che zu München zum Meistersinger gekrönt wurde,nachdem er 1514 seinen ersten „Bar“ (= Meistergesang)zu Ehren des dreifaltigen Gottes gedichtet und vertonthatte. 25jährig heiratete er dann in Nürnberg KunigundeKreutzer, eine wohlhabende Bürgerstochter, und wurdein seiner Geburtsstadt sesshaft. Neben seiner Schuhmachertätigkeit führte er dort dieMeistersinger zu höchster Blüte und schuf ein riesigesliterarisches Werk. Es umfasst weit über 6000 Einzel-werke. Neben zahllosen Meistergesängen, 1700 Fabeln,Schwänken und Sprüchen und 128 Dramen sind es vorallem die 85 Fasnachtsspiele, die heute noch mancheLaienbühne erfolgreich auf die Bretter bringt – mandenke nur an so bekannte Stücke wie „Das Narren-schneiden“ oder „Der fahrende Schüler im Paradies“. Siebegründeten den Ruhm des Poeten bis heute – ein Uni-kum im deutschen Sprachraum, in dem heitere Literatursonst grundsätzlich als zweitrangig abgetan wird. Ob Hans Sachs in späteren Jahren noch einmal oder garmehrmals nach Schwaz gekommen ist, ob er 1532 dieGründung der Schwazer Meistersinger – Innsbruckgenehmigte sie allerdings erst vier Jahre später – vorge-nommen hat, ist zwar nicht völlig von der Hand zu wei-sen, dürfte aber doch eher lokalpatriotischem Wunsch-denken entsprechen. Immerhin aber war die SchwazerSingschule die erste im Raum des heutigen Österreich. Der durch Bomben zerstörte Meistersingersaal imSchwazer Pfleghaus enthielt wertvolle Renaissancefres-ken, die zu Versen von Hans Sachs wahrscheinlich vonUlrich Funk gemalt wurden. Die Verse handelten in je 200 Zeilen von der „Historiader neun getrewen [getreuen] hayden“ und der „Historiader neun getrewen haydnischen frawen“ sowie der

„Erenpord der zwölf sighafften helden des alten testa-ments“. Sachs hatte das Werk 1531 geschrieben, aufFlugblättern erreichte es eine ungeheure Verbreitung;selbst Goethe war es, 250 Jahre später, noch bekannt. Spärliche Reste der einstmals 30 Halbfiguren in Rüstun-gen und prunkvollen Kostümen der damaligen Modewurden samt Textfragmenten aus den Trümmerngeborgen und sind heute noch im Museum „Kunst inSchwaz” im Rabalderhaus zu bewundern. Hans Sachs selbst ist am 19. Jänner 1576 in Nürnbergverstorben, lebenssatt und voll der Hoffnung auf das jen-seitige „Paradies“. Im Totenbuch ist neben dem amtli-chen Vermerk noch der Spruch zu lesen: „Gestorben ist Hans Sachs, der alte teutsche Poet, Gottverleih ihm und uns eine fröhliche Urstet“ (Auferste-hung).

Verfasst von P. Thomas Naupp in Anlehnung an HelmutSchinagl, Ein Meistersinger in der Silberstadt. Zum 500.Geburtstag des Nürnberger Poeten Hans Sachs, in: Tirol… immer einen Urlaub wert, Nr. 44, Sommer 1994,S. 43 – 56.

Hans Sachs, gestochen von Jost Amman, im Todesjahrdes Meistersingers (1576).

Page 31: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

31

Die mittelalterliche Lateinschuleauf St. Georgenberg

Wer für seine Söhne im Mittelalter an Bildung dachte,gab sie in eine Klosterschule oder in eine vorwiegendvon Geistlichen geleitete Pfarrschule. In den Bischof-städten Brixen und Trient gab es berühmte Domschulen,bei den Prämonstratensern in Wilten, den AugustinerChorherren in Neustift/Brixen und den Benediktinern aufSt. Georgenberg jeweils Kloster- bzw. Lateinschulen.(Bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts tref-fen wir auch in Schwaz eine Lateinschule an). – Dererste für St. Georgenberg urkundlich gesicherte Schul-meister heißt Bertold. Er scheint in der Zeugenreihe derUrkunde vom 21. Jänner 1273 als „scholasticus“ auf. Ineiner weiteren Urkunde vom 19. März 1312 wird ein„Gebhardus der Sinser“ als „schuelmaister ze Gorigen“

unter anderen Zeugen genannt. Die Georgenberger Klo-sterschule dürfen wir im 13. Jahrhundert als gesichertansehen.In diese Klosterschulen wurden auch Knaben aufgenom-men, die für den geistlichen Stand nicht in Betrachtkamen; für sie dauerte der (vorbereitende) Unterricht nurein Jahr. Wer jedoch nach der Schulzeit in den betreffen-den Orden eintreten wollte, musste um sechs Jahre län-ger die Schulbank drücken. Für einen Novizen wardamals ein Mindestalter von 15 Jahren vorgeschrieben.

Schreibutensilien und LernstoffMan begann mit dem Auswendiglernen der notwendig-sten Gebete und dann des ganzen Psalters. Dazu kamenSchreib- und Leseübungen. Der Schreibstoff, Tinte undPergament, wurde in den Klöstern selber hergestellt. Die

Vom Schulwesen im alten Schwaz(Erster Teil)

von P. Thomas Naupp, Stiftsarchivar

Die Georgenberger Lateinschule, Stiftsbibliothek Fiecht, Codex 131, um 1400.

Page 32: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

32

Schreibfedern lieferte der Geflügelhof, wenn man nichtlieber schmale Stäbchen gebrauchte, was für die damalsübliche Buchschrift besser passte. Zur Urkundenschriftaber musste man sich der Gänsefedern bedienen.Natürlich folgten sehr bald die Anfangsgründe in Lateinund Rechnen und besonders Gesang. Die Oblatenknaben(das waren die Buben, die von ihren Eltern mitunterschon im Alter von fünf bis sechs Jahren zur Erziehungins Kloster gegeben wurden; sie galten bereits mit 12oder 13 Jahren als „Kleriker“) mussten ja mit den Prie-stern das ganze Offizium mitsingen, auch die mit-ternächtliche Mette.Für all diese Fächer und Gegenstände musste dasGedächtnis stark in Anspruch genommen werden.Schreiben und Lesen war in einer Klosterschule eineerste Notwendigkeit. Aber das Pergament war teuer; manschabte deshalb für Schulzwecke alte, schon beschrie-bene Blätter ab und so entstanden die Palimpseste. ZumUnterricht musste – wie schon erwähnt – das Gedächtnisherhalten. Als Beispiel diene hier stellvertretend fürandere Fächer der Choral, für den es bei uns bis ins 14.Jahrhundert bloß die zeilenlosen Neumen gab. DieseNeumen zeigten nur die Art und Weise des Vortrags an,nicht die Tonhöhe. Diese wurde erst in dem von Guidod'Arezzo erdachten Vierliniensystem ausgedrückt. Guidod'Arezzo lebte schon im 11. Jahrhundert, seine Noten-schrift konnte sich aber erst nach drei Jahrhunderten

durchsetzen. Solange man die zeilenlosen Neumen hatte,musste man die Melodie auswendig wissen. Es war nunAufgabe des Cantors, auch Precentor genannt, das Offi-cium (Chorgebet, Brevier) jeden Tag einzuüben. Knaben,die Fehler machten, wurden „mit Rutenstreichen trak-tiert“, wie es in einer alten Neustifter Schulordnungheißt.Mühsam war auch das Rechnen. Man bediente sich im13. Jahrhundert noch der römischen Ziffern, erst ab dem14. Jahrhundert haben wir die arabischen Ziffern. Esmusste hauptsächlich das Kopfrechnen geübt werden.Ein Hilfsmittel war der Abakus, ein Rechenbrett mit ver-schiedenen Knöpfen. Man kann es vielleicht mit denRechenmaschinen (Gestell mit verschiebbaren Kugeln)vergleichen, die in unseren Volksschulen noch im 20.Jahrhundert in Gebrauch waren.Das war also der Stoff der ersten einleitenden Schul-stufe; danach folgten die sechs Jahre des Triviums undQuadriviums, ein Lehrplan, der schon bei den Römerngalt. Das Trivium umfasste Grammatik, Rhetorik undDialektik.

Lehrmethoden – Lehrmittel –Unterrichtslokalitäten

Die Grammatik behandelte Latein, später sicher auchGriechisch, und die Lektüre umfasste sowohl die kirch -lichen Autoren wie die der alten Klassiker.Zum Trivium gehörte auch die Rhetorik. Das scheint soviel gewesen zu sein wie unser Aufsatzunterricht. Manlernte den Urkundenstil (heute: Geschäftsstil) mit seinenFormulierungen wie Titulatio, Arenga, Narratio, Pönfor-mel, Anfangs- und Schlußprotokoll (Eschatokoll) usw.Die Dialektik, das dritte Fach des Triviums, war eineTochter der Scholastik. Sie behandelte nämlich dieLogik, das logische Denken, das dann hauptsächlich imArgumentations-Kampf (Disputatio) gegen die Häretikerzum Einsatz kam.Die Fiechter Klosterbibliothek besitzt noch einige hand-schriftliche Zeugnisse dialektischer und kontroverstheo-logischer Auseinandersetzungen.Das Quadrivium behandelte Arithmetik, Geometrie,Astronomie und Musik. Arithmetik war für die Berech-nung des Kirchenkalenders und für die Datierung derUrkunden sehr wichtig. Man musste den Indictions-, denSonnen- und Mondzyklus kennen, die sogenannte Gol-dene Zahl, die Sonntagsbuchstaben, die Epakten und dieClaves terminorum. Jeder Priester musste imstande sein,sich den Jahreskalender selbst herzustellen, bis es end-lich zu gedruckten Kalendern kam. Vielfach wurdendiese Kalender oder Direktorien erst im 19. Jahrhundertgedruckt, wie in den Klöstern Marienberg, Neustift undSt. Georgenberg-Fiecht.

Das Pfleghaus und Landgericht vor dem Bombentreffer1944.

Page 33: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

33

Leonhard Müller (ab 1510 Administrator; von 1515 -1525 Abt von St. Georgenberg) ging bald nach 1510 ansWerk, den Rest des seit dem zweiten Brand 1448 immernoch ruinösen Felsenklosters zu restaurieren. Im ältestennoch vorhandenen Äbtekatalog werden neben „Liberey“[Bibliothek], „Conventstuben“, Refektorium, Heiltumka-pelle auch die „Capellen zu Sandt Elisabeth bey derSchuel“ genannt. Daraus kann man ersehen, wie wichtigdie Klosterschule war; man hat offenbar bereits vor sei-ner Amtszeit, also ziemlich bald nach dem Klosterbrand,einen Schulraum eingerichtet, damit der Unterricht nichtzu lange unterbrochen war.Ein glücklicher Zufall hat uns eine handgeschriebeneLateingrammatik erhalten, die sicher lange als Lehrbucheines Scholasticus (oder rector scholae) diente, da ein-zelne Blätter sehr abgegriffen sind. Wenn auch dieserkleinformatige Codex eine Abschrift des SchulmeistersPardlmeus Fax aus dem Jahr 1542 ist, enthält er denklassischen Lehrstoff einer mittelalterlichen klösterli-chen Lateinschule im Sinne der „septem artes liberales“.Neben der lateinischen Sprachlehre befinden sich in derHandschrift ein musiktheoretisches Traktat mit Noten-beispielen, das für die Tiroler Musikforschung nichtunerheblich ist.

Ordenseintritt nach demSchulabschluss

Mit dem Quadrivium war der Unterricht abgeschlossen.Nun begann für die Priesteramtskandidaten das Noviziatund anschließend einige Jahre des theologischen Studi-ums. Wenn auch manchmal Eltern ihre Söhne zum Ein-tritt ins Kloster geradezu drängten (wie wir es eingangsbei der ganz frühen „Oblatenschule“ in Neustift gesehenhaben), so hängte die Aufnahme ins einjährige Noviziatdoch vom freien Willen des Kandidaten ab und von sei-ner Brauchbarkeit, Kriterien, auf die die GeorgenbergerÄbte rigoros beharrten.Der Brief des Abtes Johannes III. Rösch vom 3. März1591, den er an den damaligen Verwalter der Georgen-bergischen Weingüter in Meran, Simon Juda Heyerling,richtet, spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache.Darin erwähnt er dessen Sohn, Jacob Heyerling, der„nun bis in das 3. Jar in unserm Gottshaus in der Schul,mit essen, drinckhen, ligerstat etc. wie andere unsererJungen, so den Orden antragen, unterhalten worden, für-nemblich in diesen schwären, fast teuren Jaren ...“Der Klostervorsteher, der den Buben des Weinkellerver-walters zunächst als für das Klosterleben für untauglichgehalten hatte, zitierte nun den Vater, der eine vorzeitigeAufnahme seines Buben in den Ordensstand erzwingenwollte, nach St. Georgenberg zu einer diesbezüglichen„Unterhandlung“.Der Prälat hat dem Vater die Aufnahmebedingungen für

einen Klostereintritt in St. Georgenberg sehr klar darge-legt; daraus ist ein Vertrag entstanden, dem Heyerlingdann offenbar zugestimmt hat, denn sein Sohn Jacobwurde schließlich ins Kloster aufgenommen und auchzum Priester geweiht.

Finanzierung der weltlichen Lehrer –Schüler im „Halbinternat“

In der Zeit nach 1500 hielten sich nicht selten auch Laienals Lehrer („ludimagister“) im Kloster auf; wie aus denklösterlichen Rechnungsbüchern hervorgeht, musste einweltlicher Schulmeister bezahlt werden, und zwar vonden einzelnen („externen“) Schülern. Solche Schülerwerden in den Ausgabenbüchern (z. B. Neustift) als„iuvenes“ geführt. Darunter versteht man die größerenSchüler, Studenten des Triviums und Quadriviums, sozu-sagen Oberstufler, die zwar zum Kloster in Beziehungstanden, aber eben nicht für den geistlichen Beruf sichentschieden haben (waren eben keine „Kleriker“; solchewerden aber als „fratres“ bezeichnet). Als „iuvenes“ gal-ten auch frühere Sänger, die nun im Stimmbrechenwaren und am Chor nicht mehr verwendet werden konn-ten; sie blieben studienhalber im Kloster, oder wohntenauch außerhalb des Stiftes und mussten sich das Schul-geld teilweise selbst beschaffen. Verdienstmöglichkeitengab es für die externen und halbinternen Schüler inner-halb und außerhalb des Klosters, z. B. als Hilfslehrer,Präfekt, Organist, Kalkant, Mesner, als Handlanger beiKirchenrenovierungen (vgl. Schwaz: Steinmetzhütte!)oder in der Landwirtschaft.Gegen Ende des 16. Jahrhunderts werden Trivium undQuadrivium nicht mehr im Kloster gelehrt. Wie die Neu-stifter Chorherren ihre ausgedienten Sängerknaben in dieJesuitenschule nach Innsbruck und Hall schickten, soscheinen es auch die alten Georgenberger Benediktinerzumindest bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (Gründungder Konviktschule in Fiecht) gehandhabt zu haben.Im 16. Jahrhundert gewannen die deutschen Schulenimmer mehr an Bedeutung, da sie mit ihrer Betonung aufSchreiben und Rechnen dem zunehmenden praktischenBildungsbedürfnis näher lagen.

Die alte Schwazer Pfarrschule –eine Lateinschule

Das Schulwesen war in Schwaz schon im 15. Jahrhun-dert relativ gut entwickelt. Bereits 1477 wird die Schulezum ersten Mal genannt. Im ältesten Raitbuch der Lieb-frauenkirche (mit Rechnungen von 1465 bis 1491) wer-den außer der Kirche noch andere wichtige Gebäude, wiedie „Steinhütte“, das Siechenhaus und die Schule ange-führt. Da wird z. B. im Jahr 1477 „ain tafel in di schuel“verrechnet und 1480 wird der „schuelmaister“ erwähnt,der den Orgelmacher holen ging. (Übrigens der „Orgel-

Page 34: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

34

macher“, den der oben erwähnte Schulmeister 1480abholte, war höchstwahrscheinlich jener Orgelbaumei-ster Wolfgang Reichnauer, um den sich König Maximi-lian im Jahr 1497 besonders angenommen hatte).

Steinhütte [= Steinmetzhütte} und Schulhaus, „alles beiund aneinander zu Swatz under der kirchen gelegen“,waren freies Eigentum der Liebfrauenkirche. Der Bau-meister Michael Endlich verkaufte laut einer Urkunde(siehe gräfliches Enzenbergisches Archiv, Fasc. C. II.)beide Baulichkeiten am 6. April 1514 mit Bewilligungdes Prälaten von St. Georgenberg um 500 Gulden an VeitJakob Tänzl. Der genauen Grenzangabe nach standen dieSteinhütte und das Schulhaus an der Stelle des demWidum gegenüberliegenden Eckhauses des gräflichenEnzenbergischen Häuserkomplexes (Weinhaus Grafen-eck). [Vgl. Karl Schadelbauer, Aus dem ältesten Rait-buch der Liebfrauenkirche, in: Beiträge zur Geschichteder Stadt Schwaz, 1. Heft, Schwaz 1937, S. 9f. Dagegenmeint der Historiker im Priesterrock, Johann Kneringer,daß die in den Siebzigerjahren des 15. Jahrhundertsgegründete Lateinschule im heutigen Gerichtsgebäudeuntergebracht gewesen wäre, und erst um 1515 in denheutigen Pfarrhof übersiedelte; vgl. J. Kneringer,Gerichtsverhandlung zwischen dem BaumeisteramtUnser Liebfrauenkirche in Schwaz und Veit Tänzl wegender Lateinschule anno 1513, in: Tiroler Heimatblätter1929, S. 18-20).

Die Leitung der Schule hatte der Lateinische Schulmei-ster, dem ein „Junkmeister“ (Jungmeister) und späternoch zwei Astanten (Assistenten, Chorgehilfen) alsHilfslehrer zur Seite standen.

Die Schule diente derAusbildung derGewerken- und Bür-gersöhne in der für diedamaligen Wirt-schaftsverhäl tnisseunentbehrlichen Juri-stensprache Latein.Die Schwazer Pfarr-schule diente aberauch der Heranbildungvon Geistlichen, Altar-dienern und Singkna-ben, da diese Lateinals Kirchensprachebeherrschen mussten.Eine Hauptaufgabe derLateinschüler war es,beim Kirchengesangmitzuwirken. DieSchüler waren alsoSingknaben und derSchulmeister musste

als Chorregent, als Leiter des Kirchenchors seine Fähig-keiten unter Beweis stellen. Die mittellosen Studentenerhielten von der Kirchenverwaltung manche Unterstüt-zung und arbeiteten, solange an der Pfarrkirche gebautwurde (1502 - 1515 nachweisbar), als Handlanger mitund wurden als solche regelrecht entlohnt.

Einheimische undauswärtige Schulmeister

Als erster Lateinschulmeister wird in den Urkunden1507 Matthias Weiß von Breslau genannt. Peter Treiben-reiff (genannt Tritonius), ein bekannter Humanist undVerfasser von Werken für die stöcklische Druckerei inSchloß Sigmundslust (Vomp), ist 1519 bis 1524 inSchwaz, wahrscheinlich als Lateinschulmeister, tätig,wie er diesen Beruf auch in Hall, Brixen und Bozen aus-übte. Aus den in der Frühzeit allerdings lückenhaftenAufzeichnungen lassen sich folgende Lateinschulmeisterentnehmen: Christoph Lin (bis 1523), Balthasar vonSalzburg (1523/1528), Anton Schmid (1528/1536), JörgGunhamer (1536/1543), Elias Hornung (1543/1553),Johann Strobl (1553/ 1560), Hans Mann (1566), ChristofMoser (1566/71), Michael Peinstreich (1576/1579) undThomas Hauser (1580/1594).Lateinschulmeister, die auf der Suche nach einem neuenDienstposten waren, wurden bei ihrer Durchreise inSchwaz unterstützt, so Hans Plimbl von Augsburg 1583,Paul Langhans von Konstanz 1584, Hans Lechner vonMemmingen 1588, Mätthäus Mair von Weißenhorn1590, Hans Pollinger von Landshut und Gregor Hugo

Wahrscheinliche Situation in der Schwazer Lateinschule (Pfarrschule), Holzschnitt um1520.

Page 35: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

35

von Eßlingen 1593, und viele andere, deren Herkunftunbekannt ist.Die Ursache dieser Lehrerwanderung waren einerseitsdie unklaren religiösen Verhältnisse in Deutschland undandererseits der Usus, dass Schulmeister im allgemeinennur auf ein bis zwei Jahre bestellt wurden.Neben diesen Lateinschulmeistern, die recht wenig Hangzur Seßhaftigkeit zeigten, gab es in Schwaz schon frühauch deutsche Lehrer oder Schulhalter, z. B. Rampl(1527), Hans Rechtaler (1558) und Veit Zimmerman(1567).

Angeklagt wegenlutherischer Gesinnung

Zimmernan(n) stand allerdings im Verdacht lutherischerGesinnung. Am 15. Februar 1567 nämlich werden Pfle-ger und Richter von Freundsberg zur Berichterstattungüber den „Teutschen Schuelmaister“ Veit Zimmermanaufgefordert, der im „achten Haus von U. Frauen Kir-che“ wohne, sich mit „Singung teutscher Psalmen“abgebe und sich „sonst in der Religion ungebürlichhalte“. Auf den (nicht bekannten) Bericht hin wurde am27. Februar dem Pfarrer von Vomp befohlen, den Schul-meister bezüglich seiner Religion „von Articl zu Articl“zu examinieren und darüber neuerdings zu berichten.Pfleger und Richter wurden neuerdings angewiesendafür zu sorgen, dass der Schulmeister auch wirklich vordem Pfarrer erscheine. (Vgl. K. Schadelbauer, a. a. 0.,Seite 7).Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts war auch die Zeitder fahrenden Schüler (Scholaren oder Vaganten), vondenen schon Hans Sachs manches Schelmenstück zuerzählen wußte. Von ihnen fanden viele in der SchwazerLateinschule einige Zeit Aufnahme oder wenigstens einZehrgeld (Kostgeld, Verpflegung). N. B. Ausführlichüber diese fahrenden Scholaren im zweiten Teil!

Schülerzahl und StundenplanSchwaz stand im 16. Jahrhundert bestimmt in der mittle-ren Reihe der Schulorte des Landes. 25 Schüler waren1582 an der Latein- oder Pfarrschule eingetragen, 30Schüler im Jahr 1602.Dazu weiß P. Pax Leitner 0FM Interessantes zu berichten(Provinzarchiv, Abschrift aus Codex 098):Im Notariatsinstrument für die Übergabe des Baugrundesan die Franziskaner vom Jahre 1507 erscheint unter denZeugen Mathias Weiss von Breslau, lateinischer Schul-meister zu Schwaz. Das Visitationsprotokoll von 1582nennt uns den Thomas Hauser als damaligen Schullehrervon Schwaz mit der Bemerkung, dass er die Knaben inder Musik und im Latein unterrichtete:Thomas Hauser ludirector scolares habet 25, qui domialuntur, pauperes vero nonnisi 8 libras habet septimatim,

alias certi nihil habent, et pauperes sunt decem. Praele-git illis catechismum Canisii, Grammaticam Alveri Ema-nuelis; cum ills construit et declinat, deinde epistolasCiceronis. Post meridiem fit exercitium in musicis acTerentius legitui Catechismus legitur die Lunae, Mercu-rii et Feria sexta.Schulmeister Hauser instruierte also 25 Pfarrschüler, diezuhause verpflegt wurden; die ganz armen Buben – essind nur zehn – erhielten für den Gesang beim Gottes-dienst wöchentlich eine bescheidene Besoldung von 8Pfund, die anderen bekamen aber gar nichts.Der Unterricht umfasste am Vormittag das Studium desKatechismus (nach Petrus Canisius), der Lateingramma-tik (Satzbau und Deklinationen) und das Lesen lateini-scher Schriftsteller (z. B. Briefe des Cicero); am Nach-mittag war stets der theoretische und praktische Musik-unterricht, Lektüre des Terenz und dreimal in der Woche(Montag, Mittwoch und Freitag) Katechismusunterricht.E. Egg (Das kirchliche Musikleben im alten Schwaz, in:Tiroler Heimatblätter 1962, S. 41 – 50) präsentiert unsfür das 17. Jahrhundert noch eine ganze Reihe vonLateinschulmeistern. Es werden genannt: MatthäusKleindienst (1597/1616), Georg Neuhauser (1622 –1638; vorher 1617 – 1619 Musicus der Innsbrucker Hof-kapelle), Thomas Hölzl (1639), Johann Georg Räpfl(1651/ 55), Johann Dullinger (1666/68) und GeorgDankl (1669 – 1685).

Subventionen zur Schulerhaltung –Zuverdienste für Lehrer und Schüler

Zum Beweis, dass die Schwazer ihre lateinische Pfarr-schule nicht so schnell aufgeben wollten, dient die Tatsa-che, dass für dieselbe auf Ansuchen des Magistrates vonden Jesuiten im Jahr 1607 „regulae docendi, discendi etvivendi“ verfasst worden sind; es ging also um eine Neu-ordnung der alten Lehrpläne, Unterricht bzw. Lernstoffund Unterbringung der Schüler).Zur Einkleidung der armen Schüler spendete MagdalenaDreyling 1625 dreißig Gulden, der österreichische undFuggerische Bergwerkshandel steuerten ab 1622 jährlich23 Gulden Suppengeld bei, und das Berggericht lässt seit1636 den Schülern jährlich fünf Gulden für die Beglei-tung der Priester bei den Versehgängen auszahlen. DerHandelsmann Georg Rahmer hatte schon 1604 zumUnterhalt der Lateinschule jährlich 60 Gulden gestiftet.Aus der „Kirchprobst-Raittung“ des Jahres 1625 (erstelltvom Kirchprobst und Baumeister Christoph Riedmüller)geht hervor, dass das Salzmairamt in Hall jährlich 60Gulden zu „besserer Unterhaltung der armen Schueler“zahlte. Der Georgenberger Benediktiner und LateinlehrerP. Beatus Deicher wurde als „driter Gsellpriester“ vonSchwaz von den Gewerken besoldet (er war auch Kaplanim Knappenspital) und bekam noch 10 Gulden „fir

Page 36: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

36

andere geistliche Verrichtungen.“ Die Franziskanererhielten für ihre Predigten 24 Gulden. Auch der bereitsoben erwähnte Abraham Segenhauser, Mesner undSchulmeister, hatte einen fixen Gehalt von 24 Guldenmit einigen Nebeneinnahmen; so bekam er für dasWaschen der „Kürchen Leingwand“ 6 Gulden, für das„Grab Christi zu hüeten zu österlicher Zeit“ 24 Kreuzer,für die Leitung des täglichen Hochamts 1 Gulden und fürdas Blasen der „Pussaun“ 18 Gulden.

Georg Neuhauser bekam gleich wie der Cantor LeonhartZüntegger und der Organist Johann Tartsch 104 Gulden;der Kirchprobst selbst bezog einen Jahressold von 120Gulden.Zur jährlichen Fronleichnamsprozession reichte derSchulmeister seinen Musikanten und Schülern eine derbeMorgensuppe um 1 Gulden und 12 Kreuzer, der gebräu-chige Trunk kostete überdies 1 Gulden 30 Kreuzer. DieSchüler trugen nicht nur an Fronleichnam, sondern auchbeim wöchentlichen „Corporis-Christi-Umgang“ dieTaufkerzen, die Glaslaternen, die roten und weißen Fah-nen, den „Hältum-Stuel“ und die ,“Tinzlstangen“ (Zunft-stangen) und bekamen dafür nur ein paar Kreuzer; diezahlenmäßig mit drei angegebenen Spielleute dürftenauch Studenten der Lateinschule gewesen sein; sieerhielten 54 Kreuzer; höher veranschlagt war der Postendes Kalkanten („Orgeltreter“) mit 7 Gulden.Die Schüler halfen dem Schulmeister, der zugleich auchMesner war, das Grab Christi „ein und aus der Kürchenzu tragen“; das brachte ihnen ein Trinkgeld von immer-hin 24 Kreuzer ein. Pfarrschüler nahmen auch an denvielen jährlichen Kreuzgängen nach St. Georgenberg, St.Margarethen, Seefeld und Mariathal teil und zweigrößere Schüler mussten um 18 Kreuzer die Weinrebenim Frühmessergarten schneiden.Für den Priester und die Schüler „Korröck zu fältln“wurden beinahe 3 Gulden verrechnet. Als der Weihbi-schof von Brixen samt Begleitung zur Firmung kam,wurden beim Taurnhauser in zwei Tagen 20 Gulden ver-zehrt. Christina Ögglin, des Organisten Johann VischerWitwe, erhielt 26 Gulden jährliche Provision. Die Fraudes lateinischen Schulmeisters erhielt 2 Gulden 24 Kreu-zer für „Spiellen und Wascherlohn“.Mathäus Arnold zu Puech verkaufte im Jahr 1625 Schin-deln, die zum Schulhaus gebracht werden mussten, dasdurch das Hochwasser stark gelitten hatte. Die Türen,Fensterrahmen und Stubenböden waren derart beschä-digt worden, dass die Zimmerleute vom 2. April bis zum24. Mai daran zu arbeiten hatten. Die Ausgaben „wegenAusseiberung des Schuel- und Mesnerhauses“, die beidedurch die Wasser des Lahnbaches „verlegt und verdörbt“worden waren, nehmen in besagter Kirchprobst-Raittungvon 1625 viele Seiten in Anspruch. Der Totengräber und

sein Sohn mussten um 20 Kreuzer die „Bschüdt bei desFrüemessners Haustir“ wegräumen. Beim Aufräumender drei Keller und des Schulmeistergartens halfen vom7. April an über eine Woche 10 bis 24 Personen mit, dar-unter auch einige Pfarrschüler. Dann wurde der Kirchen-platz gesäubert. Die Ausbesserungsarbeiten zogen sichbis in den Herbst hinein. Die Fenster bei des „schuelmei-sters zimern“ scheinen vollständig in Scherben gegangenzu sein; 1200 gläserne „Tyrangln“ kosteten damals 2Gulden.Am 25. Oktober (1625) hatte ein Windsturm das Dachdes Frühmesserhauses, wo auch zeitweise der Georgen-berger Bruderhauskaplan P. Beat Deicher als Lateinleh-rer sich aufhielt, schwer beschädigt; wahrscheinlich fan-den auch diesmal zur Sanierung des Daches Knaben derLateinschule als Handlanger Verwendung.

Das Erlöschen der LateinschuleWenn auch von so vielen Seiten her die Lateinschuleunterstützt wurde und ihre Präsenz in der Pfarre, vorallem ihre Singtätigkeit in der Pfarrkirche, wichtig war,so trat doch die deutsche Schule immer mehr in den Vor-dergrund, nicht zuletzt auch dadurch, seit durch denRückgang des Bergsegens Schwaz seine Bedeutung ver-loren hatte.Die alte Pfarrschule wurde als „deutsche Schule“ vonKirche und Gemeinde unter Leitung von zwei Schulhal-tern weitergeführt. Die deutsche Schule hatte mit dendrei aufeinanderfolgenden Lehrern, Abraham Segenhau-ser, Johann Vischler und Michael Danner 160 Schüler.Latein hatte seine Bedeutung im allgemeinen stark ein-gebüßt. Für die Pflege der Liturgie und Gesänge derkatholischen Kirche hatte man sich eher eine beschei-dene Zahl von Chor- oder Singknaben gehalten, die voneinem Chormeister ausgebildet wurden. (Dazu siehe imzweiten Teil!).Hatten bisher die Lateinschulmeister immer die Chor-meisterstelle für den aus Schülern gebildeten Kirchen-chor innegehabt, so wurde in Schwaz nach 1685 eineigener Chorregent aufgestellt und die Singknaben vonihm musikalisch und vom Frühmeßkaplan "in studiis"unterrichtet.Nach 200 Jahren wurde die Lateinschule aufgelöst; siewar – wie an anderen Orten (z. B. Innsbruck 1634, Hall1637) – in eine Singschule übergegangen.

Fortsetzung folgt in einem zweiten Teil!

• Die Fahrenden Scholaren• Die Singknaben• Die Elementarschule• Das Bischöfliche Gymnasium Paulinum.

Page 37: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

37

Willi Wilfling zum Ehrenmitglied ernannt

Im Rahmen der letzten Generalversammlung unseresVereines wurden profilierte „Rabalderhaus”-Mitgliederund Funktionäre anlässlich ihres Aktiven-Ausscheidensdurch Obmann Dr. Otto Larcher geehrt und vielfachbedankt. So wurde Obmannstellvertreter Willi Wilflingzum Vereinsehrenmitglied ernannt und mit dem eben-falls aus dem aktiven Rabalderhaus-Wirken ausscheiden-den Jup Rathgeber geht eine erfolgreiche Rabalderhaus-Ära zu Ende.

Ein „Vergelt‚s Gott” für ihr jahrelanges organisatorischesMitwirken wurde mit Blumensträußen Frau Ada Wilflingund Frau Elfriede Unterladstätter ausgesprochen.

Nochmals ein herzliches Danke allen Geehrten!

Im Bild der zum Ehrenmitglied des Vereins ernannte bis-herige Obmannstellvertreter Willi Wilfling mit ObmannDr. Otto Larcher. Fotos: Lorenzetti

Sie bleiben auch weiterhin mit unserem Rabalderhausverbunden: Willi Wilfling (v.l.) und Jup Rathgeber (Bild-mitte) mit Obmann Dr. Otto Larcher.

Der neue Vereinsvorstand des Museums- und Hei-matschutzvereins bis zum Jahre 2005: Obmann Dr.Otto Larcher, Obmann-Stellv. DI Roger Wagner,Schriftführer Dr. Konrad Moser, Schriftführer-Stellv.Karl Resch, Kassier Peter Pedevilla, Kassier-Stellv.Bernhard Erharter.

Weitere Vorstandsmitglieder: Peter Hörhager, Mag.Günther Lierschof, Eusebius Lorenzetti, GR Dir.Ingrid Schlierenzauer, Dr. Anton Thurner. ErweiterterVorstand: Maria Außerlechner, Jup Rathgeber.Rechnungsprüfer: Dr. Herwig Pfister, Karin Scholz.

Neuer Vorstand

Das Kulturamt der Stadt Schwaz ersucht um Mithilfe der Bevölkerung bei der Erhebung alter Haus- und Hofnamen!Angaben, evtl. mit Foto und anderen Unterlagen bitte an die Informationsstelle Rathausinfo im Rathaus. Tel. 6960-100.

Page 38: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

Wilhelm Angerer – FotoarchivDas Rabalderhaus ist seit 24. März 2003 um eine Attrak-tion reicher. Das Land Tirol kaufte einen Teil einereinzigartigen Fotosammlung und übergab sie als Dauer-leihgabe dem Rabalderhaus.Eine Retrospektive des bekannten Tiroler Fotografen,der von 1904 bis 1982 lebte, war bereits im Jahre 1999im Rabalderhaus zu sehen. Nun kehrten 30 Fotos alsDauerleihgabe des Landes in das Schwazer Museumzurück. Zum Werk Angerers gibt es außerdem eineMonografie mit zahlreichen Abbildungen und einemText von Prof. Peter Weiermaier.Wilhelm Angerer, der seine fotografische Ader vomGroßvater und Vater geerbt hatte, machte sich auch alsMineraloge, bildender Künstler, Naturphilosoph undDichter einen Namen. Werke des bedeutenden TirolerFotografen wurden bereits im Jahre 1986 im CentreGeorges Pompidou in Paris gezeigt; die Albertina inWien besitzt mehrere Fotos Angerers.

Herwig Angerer, Dr. Larcher, LA Dr. Klaus Madritschbei der Eröffnung des Archivs im Rabalderhaus.

38

Wir gratulieren unseren Mitgliedern……Frau Mag. Rosemarie Sternagl, Herrn Alois Leitingerund Herrn Fritz Schöser zur Verleihung des Ehren -zeichens der Stadtgemeinde Schwaz.

…Frau Architektin Margarethe Heubacher-Sentobe zurVerleihung des Tiroler Landespreises für Kunst 2003.

…Herrn Ing. Siegfried Obermair zur Verleihung desEhrenringes der Stadtgemeinde Schwaz.

Der neue Empfangsbereich im RabalderhausPlanung und Gestaltung: Architekt Ernst Bliem • Ausführung: Fa. Peter Freudling und Fa. Outsider – Herbert Pramsoler

Page 39: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

39

Eine Fotografie von Georg Angerer aus demJahre 1930: Arkaden an der Südseite desHandelshauses (früher Fuggerhaus genannt,

heute Rathaus der Stadt). Veröffentlicht in derFestschrift „100 Jahre Tabakfabrik Schwaz” (1930).

Schwazin altenAnfichten…

Schwazer Ansicht, veröffentlicht im kürzlich erschienenen Jahresbericht 2002 des Ferdinandeums. Wir zitieren:Schwatz. Federlithographie von J. Grader als Briefkopf, Innsbruck, um 1830. Das Blatt gehört zu den frühestenillustrierten Briefpapieren Tirols (Ankauf mit Förderungsmitteln der Region Trentino-Südtirol und des Landes

Tirol aus der Sammlung H. Hochenegg, Hall). Repro: Frischauf-Bild, Innsbruck.

Page 40: Museums- und Heimatschutzverein Schwaz - Umbruch Nr. 50/2003 · 2019. 6. 4. · Nr. 50, JULI 2003 500 JAHRE ... Klang im Ton A (Analyse von Jungwirth: Oberoktav C2, Unterton B2, Prim

40

P.b.b. »21537191U«Schwazer Heimatblätter

Verlagspostamt 6130 Schwaz

Museums- und Heimatschutzverein Schwaz,

„RABALDERHAUS“Tel. und Fax 0 52 42 / 64 208

6130 Schwaz, Winterstellergasse 9

V O R S C H A U A U F A U S S T E L L U N G E N

Eröffnung der nächsten Ausstellung

Robert Fleischanderl»Guschlbauer weiche Kokosbusserl«

Österr. Ansichten – ein fotografischer Kommentaram Freitag, den 18. Juli, um 19 Uhr

Gleichzeitig wird die9. Sonderausstellung im Museum

„Kunst in Schwaz” eröffnet:

Die neugotischen Glasmalereifensterder Pfarrkirche Maria Himmelfahrt

(Entwürfe und Kartons)

28. August bis 7. September

Ein Fest für OpusAusstellung zum 80. Geburtstag

von Prof. Josef Opperer

20. September bis 26. Oktober

Werner Scholz (1898–1982)


Recommended