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Mechtild Keiner 'LIKENESS OR COPY'IM FROHWERK VON C.S. … · Diese Bestimmung läßt in der...

Date post: 08-Sep-2019
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Mechtild Keiner 'LIKENESS OR COPY'IM FROHWERK VON C.S. PEIRCE Die Untersuchungen zur Entwicklung des 'icon'-Begriffs bei Peirce führten zu dem erstaunlichen Ergebnis, daß der Term 'icon' erst ab 1885 nachweisbar ist, d.h. ungefähr zwanzig Jahre nach Beginn der Tätigkeit von Peirce. Um 1885 treffen wir gleichzeitig in zwei Schriften auf ihn und zwar in Manuskript Nr. 901, mit dem Titel "One, Two, Three: Fundamental Categories of Thought and of Nature", sowie in der berühmten Abhandlung "On the Algebra of Logic", mit dem Untertitel "A Contribution to the Philosphy of Notations", die im Jahre 1885 im American Journal of vol 7, Nr. 2, veröffent- licht wurde . Welche der beiden Stellen zuerst verfaßt wurde und damit als frü- hester Beleg für den Term 'icon' angesehen werden kann, ist aus dem vorliegen- den Material nicht feststellbar. Eindeutig ist jedoch, daß der Term 'icon' in Zusammenhang mit der Zeichentriade gebraucht wird, und zwar zur Bezeichnung der elementarsten Zeichenart. Und auch insofern bilden die beiden Schriften von 1885 ein Novum, als sie erstmals die Zeichentriade als formales Beziehungs - system definieren. Auch schon in der Zeit vor 1885 wird gelegentlich von der triadischen Beziehung des Zeichens gesprochen, doch werden die drei Arten von Zeichen weder explizit genannt noch 1hre Beziehungen zueinander definiert. Stattdessen erwähnt Peirce von Anfang an drei Arten von Repräsentation, und bereits im Jahre 1868 , in der Schrift "Some Consequences of four Incapacities", identifiziert er den Be- griff der Repräsentation mit dem Zeichenbegriff. In den frühesten Manuskripten aus den Jahren 1864/65, den sogenannten Univer- sity Lectures, die wahrscheinlich an der Harvard Universität gehalten wurden, nennt Pei r, ce folgende drei Arten von Repräsentation: 'likeness or copies', 'conventional signs' und 'symbols'. Als Beispiele der 'likeness or copies' nennt er Statuen, Bilder, Embleme , Hieroglyphen und ähnliches. Er gibt folgen- de Definition: "Such representations stand for their objects only so far as they have an actual resemblance to them - that is agree with them in some characters. The pecularity of such representations is that they do not determine their objects: for they stand for whatever they resemble and they resemble every- thing more or less." (Ms.Nr. 345, S. 26) 45
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Page 1: Mechtild Keiner 'LIKENESS OR COPY'IM FROHWERK VON C.S. … · Diese Bestimmung läßt in der Repräsentationsart einer 'likeness or copy' den Vorläufer des 'icon'-Begriffs erkennen.

Mechtild Keiner

'LIKENESS OR COPY'IM FROHWERK VON C.S. PEIRCE

Die Untersuchungen zur Entwicklung des 'icon'-Begriffs bei Peirce führten zu dem erstaunlichen Ergebnis, daß der Term 'icon' erst ab 1885 nachweisbar ist, d.h. ungefähr zwanzig Jahre nach Beginn der wis~enschaftlichen Tätigkeit von Peirce. Um 1885 treffen wir gleichzeitig in zwei Schriften auf ihn und zwar in Manuskript Nr. 901, mit dem Titel "One, Two, Three: Fundamental Categories of Thought and of Nature", sowie in der berühmten Abhandlung "On the Algebra of Logic", mit dem Untertitel "A Contribution to the Philosphy of Notations", die im Jahre 1885 im American Journal of ~1athematics, vol 7, Nr. 2, veröffent­licht wurde . Welche der beiden Stellen zuerst verfaßt wurde und damit als frü­hester Beleg für den Term 'icon' angesehen werden kann, ist aus dem vorliegen­den Material nicht feststellbar. Eindeutig ist jedoch, daß der Term 'icon' in Zusammenhang mit der Zeichentriade gebraucht wird, und zwar zur Bezeichnung der elementarsten Zeichenart. Und auch insofern bilden die beiden Schriften von 1885 ein Novum, als sie erstmals die Zeichentriade als formales Beziehungs ­system definieren.

Auch schon in der Zeit vor 1885 wird gelegentlich von der triadischen Beziehung

des Zeichens gesprochen, doch werden die drei Arten von Zeichen weder explizit genannt noch 1hre Beziehungen zueinander definiert. Stattdessen erwähnt Peirce von Anfang an drei Arten von Repräsentation, und bereits im Jahre 1868 , in der Schrift "Some Consequences of four Incapacities", identifiziert er den Be­griff der Repräsentation mit dem Zeichenbegriff.

In den frühesten Manuskripten aus den Jahren 1864/65, den sogenannten Univer­

sity Lectures, die wahrscheinlich an der Harvard Universität gehalten wurden, nennt Pei r,ce folgende drei Arten von Repräsentation: 'likeness or copies', 'conventional signs' und 'symbols'. Als Beispiele der 'likeness or copies' nennt er Statuen, Bilder, Embleme , Hieroglyphen und ähnliches. Er gibt folgen­de Definition:

"Such representations stand for their objects only so far as they have an actual resemblance to them - that is agree with them in some characters.

The pecularity of such representations is that they do not determine their objects: for they stand for whatever they resemble and they resemble every­thing more or less." (Ms.Nr. 345, S. 26)

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Diese Bestimmung läßt in der Repräsentationsart einer 'likeness or copy' den Vorläufer des 'icon'-Begriffs erkennen.

In dem f0lgenden Vorlesungsmanuskript, der VIII. University Lecture von 1864/ 65, heißt es von der 'likeness':

11 Their agreement depends merely upon a sameness of predicate." (Ms. Nr. 346, S. 5)

Während Peirce in diesen Vorlesungen

das 'symbol' mit den Begriffen 'implication' und 'information' verbindet, knüpft er das 'sign' an die Begriffe ·extension' und 'denotation' und die 'likeness' oder 'copy' an die Begriffe 'comprehension' und 'connotation'.

Da die Begriffe 'implication' und 'information'J 'extension' und 'denotation'J 'comprehension' und 'connotation'

gleichzeitig die drei Symbolarten 'argument' 'proposition' 'term'

charakterisieren, ergibt sich,

daß auch der 'term' durch die Beziehung der ·~onnotation'-und damit durch die Repräsentation einer 'likeness' bestimmt wird,

die 'proposition' hingegen durch die Beziehung der 'denotation!...und damit durch die Repräsentation eines 'sign'

und das 'argument' durch die Beziehung der'information'- und damit durch die Repräsentation eines'symbols'.

Da aber 'term', 'proposition' und 'argument' die Einteilung der Symbol~ be­trifft und somit alle drei nur Arten von Symbolen sind, bildet jedes von ihnen, über seine charakteristische Beziehung hinaus, auch noch ein Verhältr;is zu den übrigen Repräsentationsweisen. So heißt es in der X. University Lecture, um nur ein einfaches Beispiel zu nennen:

11 Every symbo 1 denotes by connot i ng. II (r1s. Nr. 34 7, S. 3)

Auf diese Weise zeigt sich, daß das Verhältnis zwischen den drei Arten von Symbolen durch eine quantitative Verschiebung innerha1p der Beziehungen ge­kennzeichnet ist.

Im Manuskript zur IX. Lowell Lecture, aus dem Jahre 1866, ersetzt Peirce die Begriffe 'connotation', 'denotation' und 'information' durch ein triadisches Beziehungssystem:

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'connotation' 'denotation' 'information '

'Reference to a Ground' 'Reference to a Correlate' 'Reference to an Interpretant'

'Reference to a Ground" wird definiert als 'the Possession of Quality', 'Reference to a Correlate' wird definiert als 'Relation' 'Ref2rence to an Interpretant' wird definiert als 'Representation'.

Dieses Beziehungssystem kann etwa folgendermaßen dargestellt werden:

1 Equiparance 2 3 Reference to a Ground

Qua 1 ity ______ Re1 ation ___ Representation ....,. L i l<eness ( internal)

Reference to a Correlate (external Quality)

ja;;;,---- ---~ Index

~ Reference to an Interpretan~Symbol

(imputet Quality)

Zu diesem Beziehungssystem sagt Pei rce:

"The i s Qua 1 ity

~ i s Re 1 a t i on

~ is Representation .

In Relation, the references are separab1e in Equiparance ... and inseparab1e in Disquiparance.

In Representation, in Likeness the references are all separable ~

in Indication, reference to a ground is not separable but the two f i rst references are separable tagether ~

in Symbolization all are inseparable ~ (Ms. Nr. 357, S. 5)

Damit ist gesagt, daß eine 'Likeness' sowohl durch eine Qualität , als auch durch eine Relation der Equiparance , als aber auch durch die Repräsentation

einer Qualität -, die Repräsentation einer ReZation der Equiparance - und die Repräsentation einer Repr äsentation einer Likeness gebildet werden kann.

Ich möchte hier einen kurzen Blick auf den Begriff 'equiparance' werfen, den Peirce in diesem Zusammenhang verwendet:

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In seiner Publikation aus dem Jahre 1870, "Descriotion of a Notation for the Looic of Relatives, resultinq from an Amplification of tre Conceptions of Boole's Calculus of Logic", begegnet der Term 'equiparance' in Zusammenhang mit der Klassifikatior einfacher Relationen, und zwar an dritter Stelle. Peirce schreibt hier:

"Third, relatives are divisible into those which for every element of the form (A:B) have another of · the form (B:A), and those which want this symmetry. This is the old division into equiparants and disquiparants, or in Professor De Morgan's language convertible and inconvertible relatives. Equiparants are their own correlatives. All copulatives are equiparant."

(CP 3. 136)

Peirce weist bei dieser Gelegenheit auch auf den Gebrauch des ~ortpaares 'equiparance' - 'disquiparance' im Mittelalter, vor allem bei Wilhelm von Ock­ham und Petrus Hispanicus, hin. Das Manuskript Nr. 357 zur IX. Lowell Lecture von 1866 ist indessen die einzige Schrift, in der die Begriffe 'equiparance' und 'disquiparance' auf die Relationen von 'Likeness' und 'Sign' angewendet werden . In Manuskript Nr. 787, aus der Zeit um 1899, schreibt ?eirce schließ­lich:

"In my paper of 1867, I omitted the error of identifiying those relations constituted bv non-relative characters with relations of eauioarance. that is with necessarilv mutual relations, and the dvnamical relations with relations of disquiparance or possibly non-mutual relations."(CP 1 .567)

Als einen der wichtigsten Repräsentanten einer Likeness stellt Peirce in dem Manuskript zur IX. Lowell Lecture von 1866 wiederum den 'term' heraus. Indem sich der Term über sein Objekt auf einen Grund bezieht, repräsentiert er eine 'Likeness' oder die Obereinstimmung in einer Qualität. Das Objekt

eines Terms wird daher auch 'Quale' genannt.

"A quale is to be regarded as the incarnation of the ground of its quality .. . A quale. therefore, has a direct reference both to the ground and the interpretant of the term which represents it." (Ms. Nr . 357,

s. 8)

Ein sogenannter 'simple term' repräsentiert daher eine Repräsentation der 'Likeness'.

In Abhänqiqkeit davon, ob ein Term sein Objekt repräsentiert oder ob er nur

eine einfache Relation mit seinem Obiekt bildet, unterscheidet Peirce den 'simple term', den 'subalternative term'

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und den 'negative term'. Während der 'simple term' sein Objekt durch eine Repräsentation der 'Likeness'

repräsentiert, z.B. der Term "white",

repräsentiert der 'sub~lternative term' nur eine 'Equiparance', z.B. dt~ r Term "some white"

und der 'negative term' eine 'Disquiparance'

z.B. "non-white".

Peirce unterscheidet weiter, ob ein Term sein Objekt als 'Likeness', als 'Sign' oder als 'Symbol' repräsentiert. Ein 'likeness-term' bildet nur durch die Ober­einstimmung von Qualitäten eine Beziehung zu seinem Objekt. Ein Beispiel hier­für ist der sogenannte 'conjunctive term':

"red fiery ball falling from moon" (Ms. Nr. 357, S. 11)

Die zusammengesetzten Prädikate bilden eine 'Likeness' im Hinblick auf ein bestimmtes Objekt, das in unserem Beispiel durch den Begriff 'Mond' ausge­drückt werden kann.

Aber nicht nur die elementarste Symbolart, der 'Term', repräsentiert eine 'Likeness', es gibt vielmehr auch unter den komplexen Symbolen, den Argumen­ten, eine besondere Art, die sich auf die Repräsentationsart der 'Likeness'

bezieht. Es handelt sich dabei um die hypothetische Folgerung, die in ähn­licher Weise wie der sogenannte konjunktive Term konstituiert ist. So bildet beispielsweis~ die Verknüpfung der Prädikate:

"spherical bright fragrant j~icy tropical fruit" (Ms. Nr. 345, S. 32) in Hinblick auf den Begriff der 'Orange' eine hypothetische Folgerung, die

durch die Obereinstimmung von Prädikaten in Bezug auf ein Subjekt gebildet wird.

Auf diese Weise wird deutlich, daß eine 'Likeness' vom Prinzip einer Hypothese repräsentiert wird. Eine Hypothese ist daher auch ein Interpretant der 'Like­ness'.

In der XI. Lowell Lecture von 1866, dem Manuskript Nr. 359, arbeitet Peirce den Begriff der 'Likeness' in einem anderen Zusammenhang heraus, indem er ihn einerseits gegen seine umgangssprachliche Verwendung und andererseits gegen die 'Identität' abgrenzt.

Was den umgangssprachlichen Gebrauch betrifft, erinnert Peirce an Redewendun­gen wie "this man is like a fox" (vgl. CP 7.590). Ein anderes Beispiel bildet der Begriff der Metapher. Gegenüber solchen Verwendungsweisen, die durch Vag­heit charakterisiert sind, unterscheidet sich die Repräsentationsweise einer

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'Likeness· durch ihren höchst formalen Charakter.

Was die Identität betrifft, verweist Peirce auf jene Beziehung, die durch die Kopula oder das Zeichen aer Prädikation gebildet wird. Hierzu gibt es zum Zeitpunkt der IX. Lowell Lecture von 1866/67 bereits mehrere Bemerkunqen von Peirce, aus denen hervorgeht, daß die Kopula in allen Fällen eine Identität zwischen zwei Termen errichtet. Peirce wendet sich gegen diejenigen Fachver­treter, die in der Kopula ein Gleichheitszeichen sehen. So schreibt Peirce in der IX. Lowell Lecture:

"They regard the copula is as a sign of equality where it is a sign of predication that is of attribution or subsumption." (Ms. Nr. 357, S. 17)

An einer anderen Stelle heißt es: the copula conjoins predicate to subject." (Ms. Nr. 357, S. 35)

Aus der GegenUberstellung von 'Likeness' und 'Identität' ergibt sich: Sowohl 'Likeness' als auch 1Identität1 bilden eine Relation zwischen einem Prädikat und einem Subjekt. Da sich eine 1Likeness'jedoch auf ein bestimmtes Prädikat bezieht, während ihr ein beliebiges Subjekt verbunden wird, rep~sentiert sie nur eine rein zufällige Obereinstimmung beschränkter Art. Die Kopula hingegen intendiert die Verbindung zwischen einem bestimmten Subjekt und einem bestimm­ten Prädikat zu einer Einheit. Subjekt und Prädikat werden hierdurch identi­fiziert . Im Fall der 'Likeness' besteht indessen nur eine Teilidentität.

Bei der berUhmten Schrift "On a New List of Categories",von 1867,die eine der ersten

philosophischen Publikationen von Peirce ist und einer Serie von fUnf Abhand-lungen Uber Logik angehört, handelt es sich offensichtlich um eine Ausarbei-tung von Gedanken, die bereits der IX. Lowell Lecture zu Grunde lagen. Ein bemerkenswerter Unterschied besteht allerdings darin, daß Peirce nunmehr die 'Likeness' als Relation der 'concurrence•· charakterisiert, die er als "a mere

community in some quality" definiert (vgl. CP 1.558), während er damals mit der Relation der 'equiparance' "an agreement in a determinate respect" verbun-den hatte (vgl. Ms. Nr. 357, S. 3).

Mit der Substitution des Begriffspaares 'concurrence' - 'Opposition' fUr das Begriffspaar 'equiparance' - 'disquiparance' wird mehr als nur eine termino­logische Änderung vollzogen. Wenngleich auch fUr die Relation der 'Concurrence' gilt, daß sie eine Selbstrelation bezeichnet, so unterscheidet sie sich doch dadurch von der 'Equiparance', daß sie eine Ubergeordnete und umfassendere Relation ausdrUckt. In der bereits erwähnten Schrift "Description of a Notation for the Logic of Relatives, ~sulting from an Amplification of the Conceptions of Boole's Calculus of Logic", aus dem Jahre 1870, wird die Einteilung in

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'concurrents' und 'opponents' als die fundamentalste Einteilung einfacher Re­lationen bezeichnet, der nur die Unterscheidung in einfache und verbundene Relationen übergeordnet ist. Die Relationen der 'equiparance' und 'disqui­parance1 gehören indessen zur Subeinteilung der Konkurrenten und Opponenten.

Dieser Unterschied zei~t sich auch .in der Gegenüberstellung der Ausdrücke: "an agreement in a determinate respect"

in Zusammenhang mit der 'equiparance' und "a community in some quality"

in Zusammenhang mit der 'concurrence'.

Während der eingeschränkte Aspekt des ersten Ausdrucks die logische Perspek­tive zum Ausdruck bringt, steht der zweite Ausdruck bereits für einen umfas­sende~en Aspekt, der einer beginnenden erkenntnistheoretischen Sichtweise zuzuschreiben ist.

Der bedeutende Schritt, den die Schrift "On a New List of Categories" voll­zieht, besteht demnach für unsere Untersuchung darin, daß sie die Repräsenta­tion einer 'Likeness' als die fundamentalste der einfachen Relationen defi­niert.

In der Schrift "Some Consequences of Four Incapacities", aus dem Jahre 1868,

tritt die erkenntnistheoretische Perspektive vollends dadurch hervor, daß Peirce den Begriff der Repräsentation mit dem Zeichenbegriff identifiziert . Auf diese Weise überführt er sein auf das Objekt bezogene Repräsentations­system in ein triadisches Zeichensystem, das er in den Modifikationen des Be­wußtseins begründet: in der Sinnesempfindung, der Aufmerksamkeit und dem Wil­len, sowie in den Stufen des Denkens. Innerhalb der Stufen des Denkens nimmt die Assoziation eine zentrale Rolle ein. Von ihr heißt es:

"The association of ideas is said to proceed according to three principles - of resemblance, of contiguity and of causality. But it would be equally true to say that signs denote what they do on the three principles of resemblance, contiguity and causality. There can be no question that any­thing is a sign of whatever is associated with it by resemblance, by conti­gu i ty or by causa 1 ity: nor can there be any doubt tha t any s i gn reca ll s the thing signified." (CP 5. 307)

Auf diesem Umweg wird auch die 'Likeness' als ein Zeichen definiert, das im Denken begründet ist.

Mit zunehmender erkenntnistheoretischer Sichtweise verwendet Peirce den Term 'resemblance', wenn er von der ~hnlichkeit spricht und distanziert sich dadurch vom Term 'Likeness', so daß dessen formaler, durch logische Kriterien bestimm-

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ter Charakter erhalten bleibt, bzw. hervortritt. Dennoch ergeben sich auch aus der neuen Perspektive wichtige Ergebnisse für den 'Likeness~Begriff von Peirce. Vor allem tritt in Zusammenhang mit erkenntnistheoretischen Erörterun­gen das realistische Weltbild von Peirce hervor, durch das sein 'Likeness'­Begriff deutlich geprägt ist. Indem er nämlich das Zeichen und damit die Re­präsentation-und mit ihr notwendig auch Relation und Qualität,....allein an Denken und Bewußtsein knüpft, vertritt er die Position der mittelalterlichen Realisten in ihrer Auseinandersetzung mit den Nominalisten. Dieser Standpunkt wird insbesondere in der Rezension "Fraser's Edidtion of the Horks of George Berkeley".Jvon 1871"deutlich, in der Peirce den Standpunkt des Nominalisten Wilhelm von Ockham kritisiert:

"While therefore, he admits the real existence of qualities hedenies that these real qualities are respects in which things agree or differ; but things which agree or differ agree or differ in themselves and in nor respect extra animam. He allows that things without the mind are similar, but this similarity consists merely in the fact that the mind can abstract one notion from the contemplation of them. A ~esemblance therefore consists solely in the property of the mind by which it naturally imposes one mental sign upon the resembling things." (CP 8.20)

Bereits von dem Zeitpunkt an, an dem Peirce den Repräsentationsbegriff mit dem Zeichenbegriff identifiziert, also etwa ab 1870, wird es still um den Term 'likeness'. Die umfassender gewordene Perspektive bedingt eine Zurück­haltung hinsichtlich des Terms 'likeness'. Peirce spricht zwar von 'resemblance' and 'similarity', aber der Term 'likeness' begegnet seit der Besorechunq von "Fraser's Edition of the ~Jorks of George Berkely" für lange Zeit nicht mehr, soweit dies aus dem Material zu entnehmen ist, das die "Collected Papers" enthalten. Erst in der Gegenüberstellung mit dem im Rahmen der Zeichenintei­lung eingeführten 'icon'-Begriff stoßen wir wieder auf die 'Likeness'. So fragt Peirce z.B. in Manuskript Nr. 595, "Short Logic", das um das Jahr 1893 datiert wird:

"It may be questioned whether all icons are likenesses or not. For example, if a drunken man is exhibited in order to show1 by contrast, the excellence of temperance, this is certainly an icon, but wheter it is a likeness or not may be doubted. (CP 2.282)

Bereits in diesem Zitat wird der Unterschied zwischen aem 'likeness'-und dem 'icon'-Begriff von Peirce selbst thematisiert. Noch im gleichen Manuskript

geht er auf den Unterschied ein, indem er seinen 'icon'-Begriff mit dem Bei­spiel einer 'Likeness' innerhalb der lateinischen Sprache konfrontiert:

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"Jam satis terris'. Bothinthese terminations ... a likeness is relied

upon to carry the attention to the the right object. But this does not make them icons, in any importance way; for it is of no consequence ...

what the terminations are." (CP 2.287)

Der Vergleich macht deu-tlich, daß, in Analogie zum Verhältnis der Relationen der 'Concurrence' und der 'Equiparance', das Icon eine umfassendere Bezeich­nung ausdrückt als die 'Likeness·. Eine Reihe weiterer Beispiele verdeutlichen noch den Unterschied. Dieser findet sich jedoch ebensowenig ausdrücklich for­muliert wie der Unterschied zwischen 'Concurrence' und 'Equiparance'. Er er­gibt sich vielmehr aus den Definitionen des umfassenderen 'icon'-Begriffs. Schon bei seiner Einführung tritt ein neuer Aspekt in Erscheinung, den die 'Likeness' nie beansprucht hatte. So verbindet Peirce in der Schrift "On the Algebra of Logic", von 1885, das Icon mit der Entdeckung unbemerkter und verborgener Relationen (vgl. CP 3.363). In Manuskript Nr. 787: "That Categori-cal and Hypothetical Propositionsare one in essence with some Connected matters" , datiert um 1895, heißt es in aller Deutlichkeit:

" ... a great distinguishing property of the icon isthat by the direct observation of it other truths concerning its object can be discovered than those which suffice to determine its construction." (CP 2.279)

Wenngleich sich hier die unterscheidende Bedeutung des Icons auf die beiden anderen Zeichenarten, den Index und das Symbol, bezieht, so betrifft sie doch

in noch höhere~ Maße den 'likeness'-Begriff, der ausdrücklich eine Repräsenta­tion verkörpert und damit ganz allgemein einen Objektbezug, während die beson­dere Eigenschaft des Icons vom Interpretanten determiniert ist.

Damit dürfte schließlich der Unterschied zwischen einer 'Likeness' und dem Icon im übergreifenden Interpretantenbezug des Icons begründet sein, der sich in einer Vielzahl von Merkmalen ausdrückt.

SUMMARY

According to essential definitions the terms 'likeness or copy' are to be considered

as the precursors of the term 'icon'. They both are used to designate the first kind of representations in the earliest manuscripts of Peirce in the sixties. They are rendered prominent by its formal character.

In his theory of cognition Peirce distances from these terms and prefers the

word 'resemblance'. In 1885 when he first defined the triadic relation of signs and the three kinds of signs he introduces the term 'icon'. In several examples Peirce discusses the difference between the conception of 'icon' and the con-

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ception of 'likeness·. The definition of an icon pointsout that the peculari­

ty and the distinguishing difference of the icon is that "by the direct obser­vation of it other truths concerning its object can be discovered ••. " On that

way it is open that the icon is determined by an interpretant while a likeness expressing a representation is determined by an object.

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Internationale Zeitschrift !ür Semiotik und Ästhetik 3. Jahrgang, Heft 3, 1978

INHALT

Günter Witschel: Die beiden Funktionen der 11pra:gmatischen Maximen 11

und der Begriff der Oberzeugung 5 Hanna Buczynska-Garewicz: Peirce's Criticism of Cartesian

Epistemology Zt Marguerite Böttner: Le cogito cartesien est-it triadique? 34 Gerard Deledalle: La metaphysique du signe 39 Mechtild Keiner: "Ukeness or copy" im Frühwerk von C.S. Peirce 45 Robert Marty: L'ideologie comme processus semiotique 55 Elisabeth Walther: Notiz zur Frage des Zusammenhangs der

Zeichenklassen 67 Max Bense: Zeichenklassen und mathematische Grundbegriffe 72 Jarmila Hoensch, Das Schauspiel und seine Zeichen (Bayer) 75 Bentele/Bystrina, Semiotik (Bayer) 75 Lindemann, Experimentalfilm als Metafilm (Hoensch) 76


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