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Leibniz-Journal 2/2015

Date post: 24-Jul-2016
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Blick über den Tellerrand. Ernährungsforschung bietet mehr
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Leibniz-Journal 3/2015 Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft G 49121 Kinder Was tun gegen dicken Nachwuchs? Aquakultur Der neue Hoffnungsträger Neandertaler-Menü Speisen wie zur Steinzeit Zukunftsstadt Schüler bloggen, wie sie leben wollen Blick über den Tellerrand Ernährungsforschung bietet mehr
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Leibniz-Journal

3/2015

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

G 4

9121

KinderWas tun gegen dicken Nachwuchs?

AquakulturDer neue Hoffnungsträger

Neandertaler-MenüSpeisen wie zur Steinzeit

ZukunftsstadtSchüler bloggen, wie sie leben wollen

Blick über den Tellerrand

Ernährungsforschung bietet mehr

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Jeder gewinnt!

Jeder Teilnehmer kann am zwei-tägigen Workshop Wissenschafts-kommunikation teilnehmen

5000 Euro Geldpreis pro Gewinner in jedem der sechs Fachgebiete

Veröffentlichung der Siegerbeiträ-ge in einer KlarText!-Sonderbeila-ge des Wissenschaftsmagazins bild der wissenschaft

Teilnahmebedingungen

Promotion 2015 in Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Neurowissenschaften, Physik oder einem angrenzenden Fachgebiet Herausragende Forschungsergeb-nisse Ein allgemein verständlicher Textbeitrag über die eigene For-schungsarbeit Einsendeschluss: 29. Februar 2016

Bewerben Sie sich

um den Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft, kurz: KlarText!

Jedes Jahr zeichnet die Klaus Tschira Stiftung damit Wissenschaftler aus, die die Ergebnisse ihrer herausra-genden Dissertation in einem Artikel erklären — verständlich, spannend, anschaulich.

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Jeder gewinnt!

Jeder Teilnehmer kann am zwei-tägigen Workshop Wissenschafts-kommunikation teilnehmen

5000 Euro Geldpreis pro Gewinner in jedem der sechs Fachgebiete

Veröffentlichung der Siegerbeiträ-ge in einer KlarText!-Sonderbeila-ge des Wissenschaftsmagazins bild der wissenschaft

Teilnahmebedingungen

Promotion 2015 in Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Neurowissenschaften, Physik oder einem angrenzenden Fachgebiet Herausragende Forschungsergeb-nisse Ein allgemein verständlicher Textbeitrag über die eigene For-schungsarbeit Einsendeschluss: 29. Februar 2016

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Jedes Jahr zeichnet die Klaus Tschira Stiftung damit Wissenschaftler aus, die die Ergebnisse ihrer herausra-genden Dissertation in einem Artikel erklären — verständlich, spannend, anschaulich.

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4 KURZ & FORSCH

9 NUR SO EIN VORSCHLAG…

...von Leibniz-Präsident Matthias Kleiner

10 TITEL: ERNÄHRUNG

10 Ernährungsforschung: Tilman Grune empfiehlt gesunde Mischkost

16 Kinder: Strategien gegen das zunehmende Übergewicht

22 Aquakultur: Schmuddelkind als Zukunftshoffung

26 Lebensmittel-Innovationen: Edelfleisch, glutenfreies Bier und essbare Insekten

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30 Steinzeit: Wie ernährten sich unsere Vorfahren?

32 Ess-Kultur: Geschirr im Wandel der Zeit 36 Welternährung:

Hunger ist ein Gerechtigkeitsproblem 38 Kreislauf:

Aus Abfällen fruchtbaren Boden machen

40 SPEKTRUM

40 Zukunftsstadt: Wie Schüler später leben wollen

42 Forschungspolitik: Uni-Präsident Jan-Hendrik Olbertz spricht über die Zukunft der Forschungsförderung

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SPEKTRUM Olbertz: Mut zum Experiment

AUSSTELLUNGEN Wende = Alltag?

THEMENSCHWERPUNKT: ERNÄHRUNGVon frittierten Insekten als Zukunft der Welternährung über neue Erkenntnisse in Aqua-kulturen mit Seegurken oder gesunde Kinderernährung bis hin zu ethischen Fragen nach dem Hunger in der Welt: Es gibt viel zu forschen rund um unsere Ernährung.

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48 AUSSTELLUNGEN

50 LEIBNIZ LIFE

51 Leibniz-Liste52 Verlosung

55 IMPRESSUM

55 LEIBNIZ LEKTÜRE

56 LEIBNIZ LEUTE

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bei Fragen zur Ernährung scheiden sich oft die Geister: konventionell oder Bio, vegeta-risch oder gar vergan? Vielleicht Paläo? Ge-sund soll’s sein und trotzdem schmecken. Nachhaltig, aber günstig. Faire Preise für Erzeuger und vernünftige Haltungsbedingun-gen für Nutztiere. Gentechnikfrei wäre auch schön, oder doch nicht?

Die meisten dieser Fragen kann letztlich nur jeder persönlich für sich beantworten. Es gibt kaum ein Richtig oder Falsch. Deshalb soll die Wissenschaft uns mit den Fakten versor-gen, die wir für unsere indi viduelle Lebens-führung benötigen. Sie kann recht klare Ant-worten geben, wie wir uns möglichst gesund ernähren wollen. Aber: Die Currywurst mit Pommes, die so unglaublich lecker schmeckt, kann manchmal für unser Wohlbefinden viel wichtiger sein, als ein paar Transfettsäuren, Kalorien oder Kochsalze „zu viel“. Seite 10

Wie es mit der Exzellenzinitiative weiter-gehen soll, wird heftig debattiert. Ein Vor-schlag sind Leibniz-Universitätsinstitute. Was der Präsident der Berliner Humboldt-Universität davon hält, verrät er im Inter-view. Seite 42

Dass wir das Essen manchmal zu wichtig nehmen und unsere eigentlichen Aufgaben darunter leiden, glaubt Leibniz-Präsident Matthias Kleiner und hat dazu in seiner Ko-lumne „nur so einen Vorschlag“. Seite 9

Und nun guten Appetit beim Stillen Ihres Wissenshungers!

Christoph Herbort-von LoeperRedakteur

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DOI = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet

Weniger Asylan-träge aus sicheren HerkunftsstaatenLänder als sichere Herkunftsstaaten zu klassifizieren, verringert die Anzahl der Asylanträge offenbar deutlich. Zu dieser Einschätzung kommen Ökonomen des Instituts für Welt-wirtschaft in Kiel. Sie verglichen die Asylan-träge der Jahre 2014 und 2015 aus den inzwischen als sicher deklarierten Ländern Bosnien-Herzegowi-na, Mazedonien und Serbien mit denen der nicht als sicher deklarierten Nach-barstaaten Albanien, Kosovo und Montene-gro. In den ersten acht Monaten 2015 stieg die Zahl der Asylerst-anträge aus den nicht als sicher geltenden Staaten von 8.570 auf 70.637 und damit um 724 Prozent im Ver-

Fälschungssichere Münzen gleich zum Vorjahres-zeitraum. Demgegen-über stellten aus den als sicher deklarierten Ländern im gleichen Zeitraum nur 32 Pro-zent mehr Menschen einen Antrag auf Asyl in Deutschland, ins-gesamt 22.281. Hätte die Deklaration als si-cherer Herkunftsstaat keinen Effekt, wäre zu erwarten, dass die Zahl der Asylanträge aus sicheren und nicht sicheren Herkunfts-staaten in der glei-chen Region und bei ähnlichen politischen Entwicklungen einen ähnlichen Verlauf nimmt, schlussfolgern die Forscher.

Hamburger Tropenmediziner haben ein neues Virus identifiziert, das von Tieren auf Menschen übertragen werden kann. Der Erreger aus der Gruppe der Borna-viren wurde höchstwahrscheinlich von Bunthörnchen (Sciurus variegatoides) auf drei Züchter aus Sachsen-Anhalt übertragen, die zwischen 2011 und 2013 an einer Gehirnentzündung gestorben sind. Nachdem der Grund dieser Entzündung zunächst unklar geblieben war, ergab eine Metagenomanalyse von Gewebeproben der Tiere und der Züchter durch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und das Friedrich-Loeffler-Institut die bislang unbekannte Bornavirus-Form als Auslöser. Derlei Infektionen sind bei Tieren sind schon seit mehr als 100 Jahren bekannt und treten meistens bei Pferden auf. Die Viren befallen insbesondere das zentrale Nervensystem und lösen eine Gehirnentzündung aus, die mit einer Todesrate von etwa 90 Prozent einhergeht.New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa1415627

Virenquelle Bunthörnchen

Ein völlig neues Sicherheits-merkmal für Münzen ist unter Mitarbeit des DWI – Leibniz-Instituts für Interaktive Mate-rialien in Aachen entwickelt worden. Die im ersten Halbjahr 2016 erscheinende 5-Euro-Sammlermünze „Planet Erde“ wird erstmals aus drei Kompo-nenten bestehen: einem äuße-ren Ring, einem inneren Kern (Pille) sowie einem zwischen

Ring und Pille eingefügten blau-en Polymerring, der teilweise lichtdurchlässig ist. Das DWI war mit seiner Kompetenz im Bereich Polymere an der Ent-wicklung beteiligt, die vielfäl-tige neue Möglichkeiten bietet, Münzen fälschungssicher zu machen. Ob der Kunststoffring zukünftig auch bei herkömmli-chen Euro-Umlaufmünzen ver-wendet wird, ist noch nicht klar.

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Der berühmte Berliner Eisbär Knut litt an einer Autoimmun-erkrankung des Gehirns. Diese nicht ansteckende Erkrankung mit der Bezeichnung „Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis“ kommt in ähnlicher Form auch beim Menschen vor und wur-de nun von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankun-gen, des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und der Charité-Univer-

Original-T.rexim Naturkundemuseum

Knuts Todesursache geklärt

Auf der Suche nach Leben im AllEin internationales Wissenschaftlerteam hat einen neuen Ansatz entwickelt, um nach Leben auf anderen Planeten zu forschen. Sie fan-den heraus, dass so genannte biologische photosynthetische Pigmente (Biopig-mente) von Pflanzen spezifische Spuren in dem von ihnen reflektierten Licht hinterlassen. Diese Biosignaturen hat Svetlana Berdyugi-na vom Freiburger Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik gemeinsam mit Kolle-gen aus den USA und Dänemark mithilfe von Polarisationsfil-tern nachgewiesen. Wären auf einem Planeten Biopigmente als Zeichen für Leben vorhanden, würden diese ihre Signatur im reflektierten Licht hinterlassen und wä-ren nachweisbar.International Jour-nal of Astrobiolo-gy, doi:10.1017/S1473550415000129

Neuer Herpes-SchutzDer Naturstoff Calcium-Spirulan (Ca-SP) schützt wirk-sam gegen das Herpes simplex-Virus Typ 1, dem Auslöser der meisten Fälle von Her-pes im Gesichts- und Lippenbereich. Ca-SP ist in der Blaualge Spirulina platensis enthalten, die als Nahrungsergän-zungsmittel verbrei-tetet ist. Forscher des Heinrich-Pette-Insti-tuts – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg konnten gemeinsam mit Kollegen zeigen, dass eine Creme aus dem Algenextrakt und dem Polysaccharid Ca-SP effektiv Lippen-

herpes vorbeugt. Jetzt müssen sich weitere Studien zur äußer-lichen Anwendung und zur klinischen Wirksamkeit bei der Behandlung anderer Herpesvirus-Infektio-nen anschließen.Journal of Allergy and Clinical Immuno-logy, DOI: 10.1016/j.jaci.2015.07.027

Zahnlos durch RauchenRaucher haben ein deutlich höheres Ri-siko als Nichtraucher, ihre Zähne bereits in jungen Jahren zu verlieren. Das zeigt die Langzeitstudie EPIC des Deutschen Instituts für Ernäh-rungsforschung (DIfE). Aber: Wer mit dem Rauchen aufhört, kann das Risikoniveau bereits schon nach kurzer Zeit wieder verringern. Die Studie des DIfE und eines Kollegen von der Uni-versität Birmingham ergab ein 2,5-fach erhöhtes Risiko bei Frauen und 3,6-fach erhöhtes Risiko bei Männern gegenüber Personen, die nie geraucht haben. Der Hauptgrund dürfte den Wissenschaftlern zufolge in der Paro-dontitis liegen, für die Rauchen als einer der Hauptrisikofaktoren gilt.Journal of Dental Re-search, DOI: 10.1177/ 0022034515598961

sitätsmedizin Berlin erstmals im Tierreich nachgewiesen. In Folge der Erkrankung hatte Knut im März 2011 einen epi-leptischen Anfall erlitten, war in den Wassergraben seines Gehe-ges gestürzt und ertrunken. Die Forscher vermuten, dass fehlge-leitete Immunreaktionen mög-licherweise häufiger an Hirn-erkrankungen beteiligt sind als bisher angenommen.Scientific Reports, Doi: 10.1038/srep12805.

Das Berliner Museum für Na-turkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitäts-forschung bekommt eines der weltweit am besten erhaltenen Exemplare von Tyrannosaurus rex. Der Besitzer des Skeletts, der private Mäzen Niels Nielsen, überlässt dem Museum das etwa 70 Millionen Jahre alte Fossil für mindestens drei Jahre unter der Bedingung, dass es wissen-schaftlich untersucht und der Öffentlichkeit zugänglich ge-macht wird. Von Mitte Dezem-ber 2015 an soll das zwölf Me-

ter lange Tier erstmals in einer eigenen Ausstellung der Öffent-lichkeit präsentiert werden – als derzeit einziges Originalskelett eines T. rex in Europa. Mit ana-tomischen Untersuchungen, CT- Aufnahmen, 3D-Scans und Com-putermodellierung wollen die Wissenschaftler am Naturkun-demuseum das Bild des Raub-sauriers weiter schärfen und neue Erkenntnisse über Ge-wicht, Beweglichkeit, Geschwin-digkeit und Beißkraft, aber auch über seine Krankheiten und sei-nen Lebensverlauf erlangen.

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Mehr Ärzte verbessern Brustkrebs-Diagnose

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Kollektive Intelligenz könnte die Qualität von Brustkrebsdiagno-sen erheblich verbessern, sind Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Bin-nenfischerei in Berlin sicher. Be-reits fünf unabhängige Einschät-zungen von Ärzten genügen, um die Zahl der falsch positiven Be-funde (Krebsdiagnose, obwohl gar kein Krebs vorliegt) oder der umgekehrten falsch negativen Befunde zu senken. Statt von zwei Ärzten ließ der Verhaltens-biologe Max Wolf fünf oder sogar zehn Ärzte unabhängig vonein-ander Röntgenaufnahmen von

Mammo graphien beurteilen. Da-bei zeigte sich, dass bereits fünf unabhängige Einschätzungen eine deutlich bessere Diagnose ergeben. Laut Wolf ließe sich das einfache Verfahren leicht auto-matisieren und in das Screening-Programm eingliedern. Die me-dizinischen Gutachter würden dann unabhängig voneinander am Computer die digitalen Rönt-genaufnahmen beurteilen und eine Software auf Basis dieser Einzeleinschätzungen den Be-fund ermitteln.PLOS ONE, DOI: 10.1371/journal.pone.0134269

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BillionenRechenoperationen pro Sekunde kann der neue Hochleistungs-rechner des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung aus-führen. Er ist damit zurzeit ei-ner der schnellsten 400 Compu-ter weltweit. Mit ihm wollen die Forscher die komplexen Wech-selwirkungen zwischen Atmo-sphäre, Ozeanen, Landflächen und Eisschilden simulieren.

Millionen Jahre alt ist das Skelett der von Wissenschaftlern der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung als Desmato-chelys padillai sp. beschriebenen Meeresschildkröte aus Kolum-bien. Das fast zwei Meter lange kreidezeitliche Fossil ist damit rund 25 Millionen Jahre älter als der bisher älteste bekannte Fund.PaleoBios, September 2015

Prozent der Energieversorgung in privaten Haushalten in Deutschland stammten 2013 aus erneuerbaren Energien. Das hat eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen erge-ben. 2010 lag der Anteil noch bei 12,1 Prozent. Nach wie vor nahmen Erdgas mit 34,3 Prozent und Heizöl mit 27 Prozent den weitaus größten Anteil an der Energieversorgung ein.www.rwi-essen.de/haushaltsenergie-verbrauch

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212 Vulkanausbrüche haben dazu beigetragen, dass sich die globale mittlere Bodentemperatur seit der Jahrtausendwende weit we-niger stark erhöht hat, als es durch den kontinuierlichen An-stieg der Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre erwartet wurde. Das zeigt eine Studie im Fachjournal „Nature Communications“, an der unter der Leitung der Universität Lund in Schweden auch das Leibniz-Institut für Troposphären-forschung in Leipzig beteiligt war. Aerosolpartikel, die bei einem Vulkanausbruch in die Atmosphäre gelangen, reduzieren da-nach die Sonneneinstrahlung. Dieser kühlende Effekt war dem Bericht des Weltklimarats IPCC zufolge zwar bereits bekannt, wurde aber unterschätzt, so die Studie. Die Untersuchung griff erstmals auch auf Daten aus der unteren Stratosphäre (Tropo-pause) zurück. Demnach wurde die Sonneneinstrahlung dort zwischen 2008 und 2011 durch mehrere Vulkanausbrüche doppelt so stark abgeschwächt, als bisher angenommen. Da die Treibhausgaskonzentrationen aber weiter ansteigen werden und kühlende Vulkanausbrüche nicht vorherzusagen sind, wird die Erderwärmung langfristig trotzdem ansteigen, prognosti-zieren die Wissenschaftler. Nature Communications, Doi: 10.1038/ncomms8692

Vulkane bremsen globalen Temperaturanstieg

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Der hohe Anteil weiblicher Lehr-kräfte ist nicht schuld daran, dass Jungen in der Schule schlechter abschneiden als Mädchen. Bil-dungsforscher Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat in einer Überblicksstudie gezeigt, dass das Geschlecht der Lehrkraft keinen nachweisbaren Einfluss auf den Bildungserfolg von Schü-lern hat. Er wertete 42 Studien mit Daten zu 2,4 Millionen Schü-lern aus 41 Ländern aus. Die Stu-dien zeigen, dass Lehrkräfte des jeweils gleichen Geschlechts die schulischen Leistungen von Jun-gen und Mädchen nicht verbes-

Keine Leistungssteigerung durch männliche Lehrer

Deutsche über-schätzen ihren Versicherungs-schutzDie Deutschen fürchten, dass der Klimawandel zu mehr Extremwetter-eignissen wie Über-schwemmungen, Stürmen, Hagel oder Hitzewellen führt. Allerdings zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Haushalte an ihre Ver-sicherungen und den tatsächlich zu erwar-tenden Leistungen der Versicherungs-unternehmen, wenn beispielsweise ein Überschwemmungs-schaden eintritt. Eine Befragung des Zentrums für Europäische Wirt-schaftsforschung ergab: Mehr als 70 Prozent der Haushalte erwarten, dass ihre

Versicherung sie im Schadensfall finanziell unterstützt. Allerdings ergeben die Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versi-cherungswirtschaft (GDV), dass deutsch-landweit nur etwa 34 Prozent der Haushalte tatsächlich über eine Elementarschaden-versicherung verfü-gen. Bei der Hausrat-versicherung ist die Situation ähnlich: 44,4 Prozent der Befragten gaben an, über eine Hausratversicherung mit Elementar-schadendeckung zu verfügen. Laut GDV trifft dies für lediglich 20 Prozent zu.http://www.zew.de/de/publikationen/7959

sern. Mädchen profitieren nicht von Lehrerinnen, Jungen nicht von Lehrern. Damit fehle die em-pirische Basis für politische Pro-gramme, die durch mehr männli-che Lehrer die Bildungskrise der Jungen lösen wollen, so Helbig. Dass Jungen schlechter in der Schule abschneiden, führt der WZB-Forscher auf Unterschiede in der Leistungsbereitschaft zu-rück: Mädchen seien oft diszipli-nierter und fleißiger, was sich in besseren Noten niederschlage. Fleißig zu sein, gelte unter Jun-gen oft als uncool. Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online, DOI: 10.3262/EEO17150352120

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Neue Details überBlasenentzündungWissenschaftler des Berliner Leibniz-Ins-tituts für Molekulare Pharmakologie haben analysiert, wie sich E. coli-Bakterien an der Innenwand der Harnblase festsetzen und dadurch eine Blasenentzündung auslösen können. Mit Hilfe feiner Fortsätze, so genannter „Pili“, haken sie sich ähnlich einer Angelschnur an der Schleimhaut fest und umgehen so den Schutzmechanismus des menschlichen Körpers, Bakterien aus dem Harntrakt mit dem Urin heraus zu spülen. Mit einer Kom-bination moderner Bildgebungstechnolo-gien haben die FMP-Forscher die Bakterien bis in atomare Details hinein analysiert, um mehr über die Schlüs-selstrukturen der Krankheitserreger zu erfahren. Damit sollen angesichts zunehmen-der Antibiotikaresis-tenzen die Basis für neue Therapeutika gelegt werden.Angewandte Chemie International Editi-on, DOI: 10.1002/anie.201505065

Regional­flughäfen­keine Wachstums-motorenRegionalflughäfen sind keine Wachs-tumsmotoren für das Umland. Zu dieser Schlussfolgerung kommen Forscher des Rheinisch-West-fälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen. Regionen mit Investitionen in einen Regionalflughafen seien durchschnittlich genauso stark ge-wachsen wie Regionen ohne Flughafen, ergab die Analyse. Fort-laufende öffentliche

Subventionen in die durchweg defizitären Regionalflughäfen setzten somit keine Wachstumsimpulse für die umliegende Region, so die RWI-Forscher. Ihre Empfeh-lung: Investitionen in große Infrastruktur-projekte sollten mit einer überzeugenden Wirtschaftspolitik verknüpft sein, um tatsächlich erfolgrei-che Entwicklungen zu stärken.Ruhr Economic Paper #549

Ehrlichkeit im InternetDie Nutzerprofile in sozialen Netzwerken wie XING oder Linked-In sind überraschend realistisch und nicht idealisiert. Laut einer Studie des Leibniz-In-stituts für Wissensme-dien in Tübingen sind die Netzwerke damit als Präsentationsplatt-formen im Wett-bewerb um Stellen für Arbeitgeber ein aussagekräftiges Mit-tel, um die Persönlich-keit von Kandida ten einzuschätzen. Die Forscher stellten fest, dass die Profile von unabhängigen Gut-achtern so beurteilt wurden, wie sie dem realistischen, nicht dem idealisierten Selbstbild der Nutzer entsprachen. Vermut-lich liegt die Erklärung darin, dass Nutzer beruflicher Netzwerke wissen, dass auch ihre Bekannten ihre Profile lesen. Deshalb bleiben sie in ihrer Selbstdar-stellung realistisch, da sie sich nicht nur für unbekannte Personen präsentieren, denen sie etwas vormachen können, so die Wissen-schaftler.Computers in Human Behavior, doi:10.1016/j.chb.2015.03.046

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Steinzeit-Massaker

Geradezu einen Gewaltexzess zeigen die anthropologischen Untersuchungsergebnisse eines steinzeitlichen Massengrabes in der Wetterau, die Forscher des Römisch-Germanischen Zentralmuseums – Leibniz-For-schungsinstitut für Archäologie mit Kollegen vorgelegt haben. Das aus der Zeit um 5000 v. Chr. stammende Grab in Schöneck-Kilianstädten offenbarte min-destens 26 Menschen, die durch stumpfe Gewalt und wohl auch Pfeilschüsse getötet wurden. Bei einigen wurden zudem die Schienbeine zerschlagen, um ein Fortlaufen zu verhindern –

oder nur um sie zu foltern. Nach dem Massaker wurden die To-ten, darunter auch kleine Kin-der, in einen Grabenabschnitt geworfen. Das Grab stammt aus der Endphase der so genannten Linienbandkeramischen Kultur (5500-4950 v. Chr.) der ersten Bauern in Mitteleuropa. Kurz vor deren Ende kam es zu teil-weise massiven Auseinander-setzungen zwischen einzelnen Untergruppen, bei denen of-fensichtlich ganze Dorfgemein-schaften ausgerottet wurden.Proceedings of the Acade-my of Sciences, DOI: 10.1073/pnas.1504365112

Monsterwellen — doch kein ZufallMonsterwellen auf dem Ozean („Kaventsmänner“) sind sehr seltene, aber für Schiffe oder Bohrinseln äußerst gefährliche Extremereignisse. Bislang ist nur wenig über sie bekannt, geschweige denn, dass sie sich vorhersagen ließen. Um das möglicherweise zu ändern, haben Forscher des Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin nun drei Arten von Monsterwellen aus unterschiedli-chen physikalischen Kontexten analysiert. Sie verglichen die Extremereignisse aus Ozean und Optik hinsichtlich ihrer Vor-hersehbarkeit und Vorbestimmtheit. Während einige Mons-terwellen in manchen Systemen komplett zufällig und damit auch unvorhersehbar sind, erwiesen sich die Ozeanwellen als nicht komplett zufälliger Natur. Trotz allem sei eine praktische Vorhersage noch weit entfernt und bestenfalls als Warnung in allerletzter Minute möglich, so die Forscher.Physical Review Letters, DOI: 10.1103/PhysRevLett.114.213901

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

erinnern Sie sich noch an die „Butterberge“ und die „Milchseen“, die einst unsere Landschaften metaphorisch beschämten als Ergebnis staatlicher Einkäufe, deren Pro-duktion vorab subventioniert worden war?

Mit Nahrung und Versorgung ist es wie mit vielem im Leben: eine Sache des Umgangs und der Balance. Das rechte Maß kann die Nahrungsaufnahme des einzel-nen Menschen betreffen oder die Ausgewogenheit von Nährstoffen, es kann die Entsprechung am Markt zwischen Angebot und Nachfrage be-schreiben oder regionale Unterschiede der Versorgung markieren. Gerade dieses fa-tale Missverhältnis gibt Anlass zu Demut, Bescheidenheit und Dankbarkeit – und natürlich zum Handeln. Unter anderem mit diesen Themenkomplexen beschäftigt sich der Leibniz-Forschungsverbund Nach-haltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung und eruiert Handlungsoptionen und -notwendigkeiten für die Ernährungssicherung als eine der großen globalen Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Es geht um nachhaltige Produktion, um gesunde Lebensmittel und Ernährungsweisen, und um faire Verteilung und Versorgung angesichts unserer wachsenden Weltbevölkerung, des Klimawandels und der Verknappung bestimmter natürlicher Ressourcen.

Der Komplexität dieser Zusammenhänge kann die Kolumne nicht gerecht werden, und ich bin froh, dass sich in der Leibniz-Gemeinschaft eben gerade diese 15 Forschungseinrichtungen gemeinsam, systematisch und aus unterschiedlichen Perspektiven dem Thema anneh-men. Nun hat Forschung – und Leibniz-Forschung sowie-so! – die Aufgabe und Angewohnheit, Aufmerksamkeit zu schaffen, zum Beispiel für Ernährungsmuster und Gewohnheiten im Zusammenhang mit regionalen Be-dingungen und dem Entwicklungsstand des jeweiligen Landes.

Ernährungsmuster und Gewohnheiten haben natür-lich auch eine persönliche Dimension, und Erkenntnisse aus der Forschung helfen auch der und dem Einzelnen,

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die eigene Lebensweise zu reflektieren. Wenn stets und allerorts Nahrungsmittel zur Verfügung stehen, kann das die persönlichen Angewohnheiten stark beeinflussen. Vor allem aber, und das ist eine Beobachtung, die ich mit Argwohn wahrnehme, strukturiert die allzeitige Verfüg-barkeit von Nahrung und Versorgung unseren Alltag.

Wer zum Beispiel häufiger an Sitzungen, Tagungen oder Konferenzen teilnimmt, wird es kennen: das

freundliche und omnipräsente Angebot von Speisen und Getränken und die reichhalti-

gen Büffets, die zu oft nur zum Teil verzehrt werden. Wer umgekehrt mit der Organisa-tion dieser Sitzungen, Tagungen und Kon-ferenzen befasst ist, sieht sich seinerseits vermutlich geradezu einem kategorischen Imperativ ausgeliefert: Für das „leibliche

Wohl“ der Teilnehmerinnen und Teilnehmer muss doch zu jedem Zeitpunkt umfassend ge-

sorgt sein. Wirklich? Denn auch das liebevollste Angebot droht – auch wenn es immer noch die Möglich-keit der höflichen Ablehnung oder des stillen Verzichts einräumt – sich zu einer ständigen Präsenz von Nah-rungsmitteln zu entwickeln, der man, ich übertreibe et-was, nicht entkommen kann. So kann man es gelegentlich erleben, dass für eine vorab fest terminierte Mittagspause eine wichtige und interessante Diskussion unterbrochen wird. So wird eben gegessen, wenn Pause ist, und nicht etwa, wenn eine sinnhafte Zäsur dies nahe legte.

Wie wäre es denn mit nur dem Nötigen während der Sitzung? Mit einer umfänglichen, vielleicht einmal an-strengenden Diskussion und einem gemeinsam errunge-nen Ergebnis kann schon einmal ein echter Hunger kom-men. Dann geht es ein paar Schritte an die frische Luft und zum gemeinsamen und gesunden Essen. Das bekommt uns dann auch – oder? Auch nur so ein Vorschlag…

matthias kleiner, präsident der leibniz-gemeinschaft

„Erkenntnisse der Forschung

helfen, die Lebensweise zu reflektieren“

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In Wohlstandsländern wie Deutschland fragen sich viele Menschen, wie man sich ge­sund ernährt – auch weil wir die Qual der Wahl haben. Was antworten Sie?

Ich kann die Antwort ganz kurz machen: gesunde Mischkost. Doch es ist mir zugleich wichtig zu betonen, dass wir am DIfE er-nährungswissenschaftliche For-schung betreiben. Die Richtlinien und Empfehlungen, die sich dar-aus für eine gesunde Ernährung ergeben, stellen andere auf.

Die stützen sich aber zuweilen auf Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse. Was weiß man über die Zusammenhänge von Ernährung und Gesundheit?

Wir wissen, dass es ursächliche Zusammenhänge zwischen bei-den gibt. Die Nahrung, die wir zu uns nehmen, nimmt Einfluss auf den Stoffwechsel und kann ihn günstig oder ungünstig ver-ändern. Inzwischen ist erwie-sen, dass wir durch unsere Es-sensgewohnheiten Grundlagen für Erkrankungen wie Diabetes vom Typ 2 oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen legen und unser Risiko für einige Formen von Krebs erhöhen können. Das DIfE hat etwa im Rahmen der europäi-schen Langzeiternährungsstudie EPIC zu diesem Wissen beigetra-

Ernährung ist nicht alles

Mischkost, Fleisch — oder doch lieber Veganer werden? Tilman

Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) er-

klärt, warum es gar nicht so leicht ist, die Frage nach der rich-

tigen Ernährung zu beantworten.

gen. Allerdings geht es nie um die Ernährung allein, sondern um den gesamten Lebensstil.

Welche Rolle spielen in diesem Geschehen die Gene?

Ohne Zweifel gibt es bestimm-te genetische Risikomuster, die dazu führen, dass Menschen mit größerer oder geringerer Wahr-scheinlichkeit schlank bleiben, dick werden oder auch erkran-ken. Ein klassisches Beispiel sind die sogenannten „schlechten Futterverwerter“: Menschen, die viel essen, ohne dabei zuzuneh-men. Die Kilokalorien, die täg-lich verbrannt werden, können von Person zu Person tatsäch-lich recht unterschiedlich sein. Es gibt Umstände, die kann man nicht ändern, das heißt allerdings nicht, dass man ihnen schutzlos ausgeliefert wäre. Die spannen-de Frage ist ja, inwieweit „Risi-

kogene“ zusammen mit einem bestimmten Lebensstil wirklich zum Risiko werden. Nicht um-sonst ist das Thema „Personali-sierte Ernährung“ derzeit sehr en vogue. In der Forschung sind wir allerdings längst noch nicht so weit, hier Empfehlungen ge-ben zu können. Schließlich spie-len Dutzende, wahrscheinlich sogar Hunderte von Einflussfak-toren eine Rolle.

Über einen möglichen Einfluss­faktor wird in letzter Zeit viel diskutiert: die Zusammenset­zung der Bakterien im Darm.

Ja, das Thema Mikrobiom ist derzeit auch in den Medien sehr präsent, das ist sicher mehr als eine vorübergehende Modeer-scheinung. Wir glauben, dass die Mikroorganismen des Darms die Verwertung von Nahrungsmit-teln erheblich beeinflusst. Es hat Fo

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Ein Wissenschaftler bei der mikrosko-pischen Analyse von Leberzellen.

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also auch Einfluss auf Prozesse wie die Entstehung von Überge-wicht und damit einhergehenden Krankheiten oder auch auf Defi-zite an Mikronährstoffen. Dazu kommt noch, dass die Zusam-mensetzung der Darmbakterien auch die Funktion von Genen beeinflusst. Leider wissen wir über diese Zusammenhänge aber noch zu wenig. Im menschlichen Darm lebt eine Vielzahl verschie-dener Bakterienstämme. Ihre Zusammensetzung ist individuell verschieden und wird auch durch die Ernährung beeinflusst, denn die Mikrobiota ist nicht so sta-bil wie die Gene. Weltweit wird derzeit der Einfluss bestimmter Klassen von Darmbakterien auf bestimmte Erkrankungen unter-sucht.

Wird es künftig nur noch Empfehlungen zur indivi du­ellen Ernährung geben?

Wir werden dem wahrschein-lich näher kommen. Ich glaube aber nicht, dass in naher Zukunft wirklich personalisierte Empfeh-lungen für eine gesunde Ernäh-

rung realistisch sein werden. Bei den Nahrungsmittelunverträg-lichkeiten ist das anders. Aber da sind die Betroffenen meist selbst die Experten: Sie wissen, welche Lebensmittel sie besser nicht zu sich nehmen, etwa bei einer Laktose-Intoleranz. Als Ernäh-rungswissenschaftler versuchen wir vorrangig, Grundlagen für Empfehlungen zu legen, die dann weitgehend für die gesamte Be-völkerung gelten.

Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von der Nationalen Kohorte, einer Langzeit­Er­

hebung, an der sich das DIfE beteiligt? Das ist wirklich ein großes, auch in seiner Komplexität weltweit ziemlich einmaliges Unterfan-gen, von dem wir uns viel ver-sprechen: 200.000 Menschen werden im gesamten Land rek-rutiert. Im südlichen Berlin und Brandenburg sind es 10.000. Das DIfE bringt seine Erfahrun-gen aus der EPIC-Kohorte ein, es koordiniert die Ernährungs- und Bewegungsanalysen. Un-ter anderem erheben wir die Ernährungsgewohnheiten und das Bewegungsverhalten, es gibt Blutproben und körperliche Un-tersuchungen, die Teilnehmer werden nach vier bis fünf Jahren zu einer zweiten Untersuchung eingeladen. Wir versprechen uns von der Nationalen Kohorte vor allem Aussagen über das Zusam-menwirken von Bewegung, Er-nährung und Gesundheit. Dabei müssen wir allerdings langfristig denken, in Jahrzehnten und nicht in Wahlperioden. Auch wir Wis-senschaftler müssen dafür über unseren Schatten springen, weil

Leibniz-Forschungsverbund Lebensmittel & Ernährung

Im Leibniz-Forschungsverbund „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“ ko-operieren 14 Leibniz-Einrichtungen verschiedener Disziplinen, um auf dem Gebiet der beiden gesell-schaftlichen Herausforderungen „nachhaltige Lebensmittelproduktion“ und „gesunde Ernährung“ in der notwendigen wissenschaftlichen Breite neue Erkenntnisse, aber auch Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die gebündelt an Öffentlichkeit, Politik und Medien vermittelt werden.www.leibniz-lebensmittel-und-ernaehrung.de

Risikofaktor Übergewicht

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wir möglichweise die Früchte unserer Arbeit nicht selbst ern-ten werden.

Welche Konsequenzen können Behörden und Gesetzgeber schon heute aus den Erkennt­nissen der Ernährungsfor­schung ziehen?

Es muss gewährleistet sein, dass sich jeder in Deutschland gesund ernähren kann. Ernährungswis-senschaftler, Gesetzgeber und Hersteller sind deshalb in der Pflicht, verständliche und voll-ständige Informationen über Lebensmittel sicherzustellen. Dazu kommt die Verantwortung für eine Versorgung der Bevölke-rung mit Nährstoffen wie etwa dem Spurenelement Jod, das Nahrungsmitteln zugesetzt wird. Bei Vitamin D, mit dem in den USA die Milch angereichert wird, ist es dagegen schwer, ein ver-nünftiges Maß zu finden. Schließ-

lich konsumieren einige Bürger davon bis zu drei Liter pro Tag, andere gar nichts. Wir müssen, wenn es um die Gesamtbevöl-kerung geht, immer zugleich die Unter- und die Überversorgung im Blick haben.

Neben der Frage der Supple­mentierung wird derzeit auch die nach Steuern für bestimm­te „ungesunde“ Lebensmittel gestellt.

Bei Steuern für Zucker und Fett wäre ich sehr vorsichtig. Das Beispiel Dänemark zeigt, dass sie nicht sehr wirkungsvoll sind, dort wurden sie ja inzwischen auch wieder zurückgenommen. Dazu kommt aber eine grund-sätzlichere Erwägung: Wir kön-nen nicht pauschal sagen, dass Zucker oder Fett schädlich sind. Ich könnte mir kaum ein Lebens-mittel ausdenken, dass man in angemessenen Mengen nicht

konsumieren sollte – ganz im Un-terschied zum Tabak. Aus diesem Grund finde ich auch ein Ampel-system schwierig.

Derzeit wird auch viel über den Einfluss unserer Ernährungs­gewohnheiten auf die Umwelt diskutiert.

Das Thema Nachhaltigkeit wird schon seit einigen Jahren inten-siv diskutiert. Es ist aber nur die eine Seite der Medaille. Nehmen wir etwa die Versorgung der Menschen mit Eiweiß: Fleisch ist aus ökologischer Sicht nicht die beste Lösung, pflanzliche Proteinquellen sind aber ernäh-rungsphysiologisch oft nicht so wertvoll. Wir arbeiten daran, die Ernährungsphysiologie mit in die Bewertung einzubeziehen und einen Mittelweg zu finden. Die Wertskalen, die sich daraus ergeben, können unter Umstän-den regional sehr unterschied-

Stoffwechsel-untersuchung von Studien teilnehmern in der Abteilung klinische Ernährung des DIfE.

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lich ausfallen. So steht in Kalifor-nien nicht das CO₂, sondern der Wasserverbrauch im Fokus. Die Zusammenarbeit zwischen Ag-rarwissenschaftlern, Ökonomen und Ernährungswissenschaft-lern, wie wir sie im Leibniz-For-schungsverbund „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und ge-sunde Ernährung“ praktizieren, und der Versuch, einen gemein-samen Nenner zu finden, haben in meinen Augen einen ganz be-sonderen Charme.

Weil wir gerade von ökologi­schen Gesichtspunkten und vom Fleischkonsum gespro­chen haben: Was halten Sie von vegetarischer und veganer Ernährung?

Gegen eine ovo-lacto-vegetari-sche Ernährungsweise gibt es keine fachlichen Bedenken. Die vegane Ernährung, die oft aus

Tilman Grune ist seit Juni 2014 Wissenschaftlicher Direktor des Deut-schen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke und Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Toxikologie an der Universität Potsdam. Grune studier-te medizinische Biochemie in Moskau, promovierte 1992 an der Berliner Humboldt-Universität und hatte zuletzt Lehrstühle an den Universitäten Hohenheim und Jena inne.

ökologischen und ethischen Ge-sichtspunkten gewählt wird, wird dagegen von vielen Kolle-gen und auch von mir als prob-lematisch angesehen. Man darf nicht vergessen, dass Fleisch, Eier und Milchprodukte große Mengen an Nährstoffen und Vit-aminen enthalten. Wer völlig auf tierische Produkte verzichtet, muss einige von ihnen eigens einnehmen. Diese Notwendig-keit des Supplementierens ist vielen Veganern auch bewusst.

Hat man als Direktor des DIfE eigentlich beim Essen eine per­sönliche Vorbildfunktion?

Natürlich versucht man das. Und ich werde ja auch manchmal am Buffet darauf angesprochen, was ich mir selbst auf den Tel-ler lege. Man wird notgedrun-gen als Spezialist wahrgenom-men, schließlich konzentriert

sich jede Wissenschaft auf ein Feld. Letztendlich sollte man aber bedenken, dass zu einem gesunden Lebensstil nicht nur eine ausgewogene Ernährung mit vergleichsweise viel Gemü-se, Obst, Vollkornprodukten und wenig Fleisch gehört. Auch andere Lebensstilfaktoren wie Alkoholtrinken, Rauchen und Bewegung spielen eine Rolle. Die Potsdamer EPIC-Studie hat ja gezeigt, dass eine Person, die niemals geraucht hat, nicht stark übergewichtig ist, pro Woche mehr als dreieinhalb Stunden körperlich aktiv ist und sich ge-sund ernährt, im Vergleich zu einer Person, die sich gegenteilig verhält, ein um 78 Prozent ver-mindertes Risiko für chronische Erkrankungen hat.

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Untersuchung der körperlichen Belast-

barkeit mit einem Fahrrad-Ergometer

im Rahmen der Nationalen Kohorte.

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Auf den vierten Innovation Days stellen die führenden deutschen Forschungsorganisationen – Leibniz-Gemeinschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und Max-Planck-Gesell-schaft – ausgewählte Technologien und Spin-off-Projekte aus den Bereichen Life Sciences (Schwerpunkt Nutrition & Crop Science) und Physical Sciences (Schwerpunkt Photonics & Sensor Tech-nologies) vor. Neben interessanten Präsentationen und Sessions bieten die Innovation Days eine ideale Plattform, um innovative Forscher, Technologietransfer-Experten, Business Development Spezialisten, Venture-Capital-Experten sowie Führungskräfte aus der Wirtschaft zusammenzubringen.

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Ansprechpartner:Christine Wennrich, [email protected] 030 206049-14

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„Raus mit Euch!“

Ernüchternd: 15 Prozent der deutschen Kinder sind zu dick. Die

Zahl hat sich seit den 1990er Jahren verdoppelt. Falsche Ernäh-

rung, zu wenig Bewegung und zu viel Stress sind die Hauptgründe

für die Entwicklung. Leibniz-Forscher suchen nach Auswegen.

Frühstück im Hause Lüers: Fünf Kinder tummeln sich um den abgewetzten Holztisch. Wo steht die Butter, wo das Müsli? Warum fehlt die Marmelade und wo ist der Käse? Bei drei Mädchen und zwei Jungen zwischen fünf und 17 Jahren spielt sich jeden Mor-gen ein buntes bis hektisches Tischprogramm ab – gespickt mit ermüdenden Pausenbrot-diskussionen: „Ich mag aber kei-ne Möhren. Kannst Du mir nicht mal Apfelschorle einpacken? Immer nur Wasser! Und wieso darf ich mir keinen Donut in der Schulpause kaufen?“ Während die beiden Ältesten vorbildlich Müsli mit Obst und Joghurt es-sen, präferiert die Siebenjäh-rige immerhin ein Frischkäse-toast mit Tomaten. Die Jüngste im Bunde wiederum würde am liebsten in einem Nutellaglas wohnen – für die zehnjährige Schwester eine albtraumhafte Vorstellung: „Dann doch lieber das Marmeladenglas.“ Viele El-tern sind längst verunsichert, wie sie ihren Nachwuchs gesund ernähren. Und schmecken soll es ja auch noch. Die Rede ist von Übergewicht, Bewegungsmuf-feln und Folgeerkrankungen wie Diabetes und Arteriosklerose. Tatsächlich sind in Deutschland laut der „Studie zur Gesundheitvon Kindern und Jugendlichenin Deutschland“ (KiGGS) etwa 15 Prozent der Drei- bis 17-Jäh-rigen übergewichtig, gut sechs Prozent sind sogar adipös. Über-

gewicht und die Gründe dafür stehen auch im Fokus der eu-ropäischen I.Family-Studie, die das Leibniz-Institut für Präven-tionsforschung und Epidemio-logie – BIPS gemeinsam mit der Universität Bremen koordiniert. Aus acht europäischen Ländern trägt das Forscher-Team Infor-mationen über das Gesundheits-

verhalten von mehr als 16.000 Kindern und ihren Familien zusammen. Auch Geschmacks-empfinden, Medienkonsum und Schlafverhalten stehen in Zu-sammenhang mit Übergewicht und werden erforscht.

Doch zurück in die Praxis – an den norddeutschen Früh-stückstisch. Kinder starten mit einem gesunden Frühstück bes-ser in den Tag: „Ein Vollkornbrot mit Käse beispielsweise gehört dazu“, sagt BIPS-Wissenschaft-lerin Antje Hebestreit, die die Studie mit leitet. Der Käse sei gut für die Calciumzufuhr, denn immer weniger Kinder trinken Milch. Und das Vollkornbrot macht lange satt. Auch ungesüß-tes Müsli mit Joghurt oder Milch erfüllt diesen Zweck. Die Scho-kocreme hingegen stellt die Er-nährungswissenschaftlerin nur am Wochenende auf den Früh-stückstisch: „Das sollte etwas Besonderes bleiben.“ Und auch für jene Familien, die sich dem Schoko-Zwang nicht entziehen können, hat Antje Hebestreit einen einfachen Rat: „Einfach nicht kaufen!“ Viele Schulen mo-nieren, dass Kinder sich nach der dritten Stunde nicht mehr konzentrieren: „Aber bei Weiß-brot mit Nutella zum Frühstück und einer Milchschnitte als Pau-sensnack ist das kein Wunder; die Kinder haben viel schneller wieder Hunger“, sagt Hebestreit. Zu viele Kalorien, zu schnell ver-pufft. Fo

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Doch nicht nur die Ernährung bestimmt, wie gut es unseren Kindern geht. Ein zweiter gro-ßer Baustein, der auch in der I.Family-Studie untersucht wird, ist die Bewegung. „Deutsche Kinder bewegen sich viel zu we-nig. Empfohlen wird mindestens eine Stunde an der frischen Luft: hüpfen, springen, klettern – alles ist gut“, sagt Wolfgang Ahrens, stellvertretender BIPS-Direktor und I.Family-Projektleiter.

Auf die Plätze, fertig, los!

Doch die Realität sieht anders aus: „Wir haben festgestellt, dass viele Kinder die empfoh-lene Stunde bei weitem nicht erreichen“, sagt Ahrens. Oft sind es überbesorgte Eltern, die den Bewegungsdrang der Kinder ausbremsen. Die elterlichen Be-fürchtungen reichen von zu viel Verkehr bis hin zu Kriminalität. Sie lassen ihre Kinder deshalb nicht unbeaufsichtigt draußen spielen. Die Folge: Die Kinder sitzen zu viel. Die Bremer Wis-

senschaftler haben deshalb angefangen, den Blick nach au-ßen zu richten: Welchen Ein-fluss hat die bebaute Umwelt auf das Bewegungsverhalten der Kinder? Wie muss die Um-gebung aussehen, damit Eltern ihre Kinder laufen lassen? „Da sind Stadtplaner gefragt, das ist ein völlig unterbelichtetes The-ma“, sagt Ahrens. Hilfreich wäre ein wissenschaftliches Mess-instrument, mit dem die bebau-te Umwelt quantitativ bewertet werden könnte. Jede Kommu-ne wäre damit in der Lage, zu messen, wie kinder- und bewe-gungsfreundlich sie ist. In der europaweiten Kohortenstudie entwickeln die Forscher einen solchen Bewegungsindex. Um konkrete Daten zu bekommen, werden sie nicht nur mit einem Bewegungsmesser ausgestattet, der ausrechnet, wie lange und oft sie am Tag springen, rennen oder klettern, sondern auch mit einem GPS-Gerät, das anzeigt, wo sich der Nachwuchs gern bewegt. Die Ergebnisse könnten Stadtplaner künftig berücksich-tigen.

Neben gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung ist Stress der dritte große Baustein, der die Gesundheit von Kin-dern entscheidend beeinflusst. Wie groß ist beispielsweise der Leistungsdruck in der Schule? Leiden Kinder unter Mobbing oder Zensurendruck? Und wie bewältigen sie Stress und Sor-gen? In diesem Zusammenhang spielen gemeinsame Mahlzeiten eine wichtige Rolle. Die Kinder lernen bei selbst zubereiteten Speisen nicht nur, gesund zu essen, sondern haben die Chan-ce, von ihren Sorgen und Ängs-ten zu erzählen. Fernseher und Smartphones sollten in dieser Zeit abgestellt sein.

Stress, lass nach!

Kinder, die während der Fami-lienmahlzeit ein offenes Ohr finden, kompensieren später weniger durch sogenanntes „Comfort Eating“ und passiven Medienkonsum. Der Fernseher im Kinderzimmer bleibt weiter-

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hin ein Risikofaktor für Überge-wicht im Kindesalter, allerdings wird er zunehmend verdrängt von mobilen Geräten unter der Bettdecke. Wie sich Smartpho-ne und iPad auf die kindliche Gesundheit auswirken, haben Wissenschaftler bisher noch nicht ausreichend untersucht. „Wir sollten die neuen Medien aber nicht nur verdammen, son-dern auch ihre Chancen sehen“, resümiert Hebestreit. So böten „Handy und Co.“ Möglichkeiten, um Jugendliche in Bewegung zu bringen: Sie filmen sich bei-spielsweise beim Skaten und stellen den Film online, statt alleine vor dem Fernseher zu sitzen. Oder sie verabreden sich spontan über WhatsApp.

Geht es um die Bewältigung von Stress, darf der gesunde Schlaf nicht fehlen. „Kinder

im Grundschulalter haben ein 40 Prozent höheres Risiko für Übergewicht, wenn sie nur neun statt elf Stunden schlafen.“

Schlaf gut!

„Die italienischen Kinder aus un-serer Kohortenstudie, bei denen Übergewicht deutlich häufiger auftritt als im europäischen Ver-gleich, schlafen im Durchschnitt nur neun Stunden und damit weniger als gesunde Gleichalt-rige“, erklärt Hebestreit. Dabei ist es nicht direkt der Schlaf, der sich negativ auf die Gewichts-entwicklung auswirkt, sondern vielmehr der veränderte Stoff-wechsel, der sich bei zu wenig Schlaf einstellt und die hormo-nelle Regulation der Energie-balance durcheinander bringt.

„Schläft ein Kind ständig zu we-nig, lässt die Zucker senkende Wirkung des Insulins nach, was Insulinresistenz und in weiterer Folge Diabetes und auch Über-gewicht begünstigen kann“, er-läutert Ahrens.

Gesünder Essen, weniger Stress, mehr Bewegung – die meisten Eltern wissen eigentlich instinktiv, was ihren Kindern gut tut. Doch dieses Wissen allein reicht nicht aus – es muss auch entsprechend kommuniziert werden. Ergebnisse aus qua-litativen Untersuchungen der I.Family-Vorgängerstudie IDE-FICS zeigen, dass die Eltern Ge-sundheitserziehung und Regeln nicht kindgerecht kommuni-zieren. Moderne Eltern fühlen sich damit oft überfordert – insbesondere dann, wenn bei-de Eltern berufstätig sind oder Fo

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• Seien Sie ein gutes Vorbild: Ihr Kind orientiert sich an Ihrem Essverhalten• Geben Sie Ihren Kindern Wasser mit in die Schule, in den Kindergarten oder zum Sport:

Gezuckerte Getränke besitzen nicht nur viele Kalorien, sondern zerstören die Zähne• wenn süß, dann Haushaltszucker oder Traubenzucker verwenden — auf Maissirup verzichten• Achten Sie auf die Qualität der Nahrungsfette: Nüsse statt Chips, Backofenpommes statt

frittierte Pommes• viel Gemüse, Obst und Ballaststoffe• Erlaubt sind täglich bis zu sechs kleine Mahlzeiten mit geringer Energiedichte • Frühstücken • regelmäßige Familienmahlzeiten – ohne Ablenkung durch TV oder Handy• Nehmen Sie sich Zeit, mit Ihren Kindern zu essen

Gesunde Ernährung – gar nicht schwer!

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ein Elternteil alleine erzieht. Ahrens geht deshalb noch ei-nen Schritt weiter: „Wir benö-tigen strukturelle Änderungen, die in Schulen, Kindergärten und öffentlichen Einrichtun-gen greifen.“ In Schweden bei-spielsweise darf in den Schulen nur Wasser getrunken werden. So etwas würde er sich für Deutschland auch wünschen: „Wir müssen äußere Rahmen-bedingungen setzen, die bis zu gesetzlichen Änderungen reichen“, fordert der Bremer. Schließlich sei auch der Tabak-konsum nicht über die Besteue-rung zurückgegangen, sondern erst über die Erkenntnis, dass Passivrauchen schädlich ist. So-mit durfte die Bundesregierung das Rauchen in öffentlichen Einrichtungen gesetzlich ver-bieten. Auch Ahrens hält solche staatlichen Regulierungsmög-lichkeiten durchaus für denkbar – beispielsweise für Lebensmit-

tel, die mit dem US-Verkaufs-schlager Maissirup gesüßt sind. Das Fructose-Zuckerkonzentrat süßt in Deutschland Softdrinks und Joghurt, für viele Kinder alltägliche Lebensmittel. Das Gehirn reagiert auf den Frucht-zuckersirup allerdings anders als auf Haushaltszucker – unter anderem bleibt das Sättigungs-gefühl aus. Die Folge: Die Kin-der essen mehr und nehmen zu.

So manche Mutter oder mancher Vater verliert da schon mal den Überblick. Vorbeugen ist deshalb die beste und kos-tengünstigste Variante: Mehr Wasser, mehr Obst und Gemüse und mehr Bewegung. Da kön-nen wir Eltern als Vorbilder schon viel leisten – um am Wo-chenende gemeinsam mit un-seren Kindern auch einmal ein Schoko-Brötchen genießen zu dürfen.

K AT J A L Ü E R S

Mittagessen

„Bremer Speiseplan-Check-liste“ für Kindertages-einrichtungen — auch für Familien zum Nachkochen

Die Forschungsergebnisse des BIPS haben direkten Einfluss auf die Speisepläne der Bre-mer Kinder. Denn seit 1999 kooperiert das Institut mit zwei großen Bremer Kita-Trägern. Die Fachberatung zur Ernährung erreicht mehr als 150 Bremer Kindertages-einrichtungen durch Veran-staltungen, Infomaterialien und die Beratung. Die Speise-pläne werden in den meisten der Bremer Kitas nach der „Bremer Checkliste“ gestal-tet, die ein vielfältiges und ausgewogenes Mittagessen ermöglicht. www.bips-institut.de/veroeffent-lichungen/ratgeber.html

Eine ausgewogene Ernährung in einer 5-Tage-Woche:

• 1 Fleischgericht• 1 Eintopf oder Auflauf

möglichst fleischlos• 1 vegetarisches Gericht

mit einem Gemüse als Hauptbestandteil

• 1 Seefischgericht• 1 Wunschessen der Kinder

— es darf auch Pfannku-chen oder Milchreis sein, wenn es einen Rohkost-teller vorweg gibt!

Außerdem mindestens zwei bis drei Mal frisches Obst, zwei bis drei Mal Rohkost oder frischen Salat und zwei Mal frische Kartoffeln

Jedes Mittagessen soll zudem aus drei Komponen-ten bestehen:

• Vitamine: Gemüse oder Salat

• Eiweiß: Fleisch, Fisch, Milchprodukt oder Getreide in Kombination mit Hülsenfrüchten

• Ballaststoffe: Kartof-feln, (Vollkorn-)Nudeln, (Vollkorn-)Reis oder eine andere Getreidebeilage

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

zwischen Sommerurlaub und Vorlesungsbeginn gibt es diese kleine Lücke, in der sich

besonders gut Pläne für die eigene berufliche Zukunft schmieden lassen. Mit ausge-

ruhtem Kopf und genügend Distanz zum Alltag finden sich leichter die Stellschrauben,

die nachjustiert werden wollen. Bei solchen Überlegungen muss es nicht immer gleich

um eine komplette Neuorientierung gehen. Bisweilen genügt es schon, sich selbst zu

hinterfragen und eigene Schwächen zu entdecken. Bin ich eine gute Führungskraft,

könnte solch eine Frage sein. In einem Pilotprojekt der Universität der Bundeswehr

München mussten Vorgesetzte nicht tagelang selbst darüber nachsinnen. Ihnen wurden

gleich Studierende als Beobachter zur Seite gestellt mit dem erklärten Auftrag, nicht

sofort Bewertungen abzuliefern. Sie sollten ihre Wahrnehmung einfach in neutrale

Worte fassen. Der Erfolg ist durchschlagend. Mehr zum Modell erfahren Sie hier.

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Internationale Forschende nachhaltig

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StreitkulturHochschulen, Professoren und Studierende sind auf der Suche nach einem neuen Kommunikationsstil 12

Lehren für den Job?Personalexperte Thomas Sattelberger und Hochschulmanager Stefan Bartels im duz-Gespräch 20

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Kulturrevolution

Aquakulturanlagen entlang der Küste Indonesiens

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Seegurken sind dicke schwar-ze Würste am Meeresgrund. Sie sind nicht besonders schön, doch sie haben es in sich. Wie Staub-sauger der Ozeane durchwühlen sie den Sand nach Fressbarem und verwerten vieles von dem, was von oben herabrieselt – ab-gestorbeness, biologisches Mate-rial und sogar Kot.

In Asien und ganz besonders in China sind Seegurken beliebte Lebensmittel – nicht zuletzt, weil ihre Trockenmasse zur Hälfte aus wertvollem Protein besteht. Einigen Seegurkenarten ist die-se Beliebtheit zum Verhängnis geworden. Fischer haben sie zu Millionen vom Meeresboden ge-klaubt. In vielen asiatischen Küs-tengebieten sind ihre Bestände eingebrochen. China und ande-re Länder stecken deshalb viel Energie in die Entwicklung von Zuchtanlagen. Weil die Nachfra-ge groß ist und sich Seegurken zu einem guten Preis verkaufen lassen, werden trotzdem noch immer viele im Meer gefangen.

Zur Rettung der Seegurke könnte ein vermeintliches Schmuddel kind beitragen: Die Aquakultur beziehungsweise Mari kultur – die Züchtung im Meer – ist in der Vergangenheit immer wieder in die Kritik gera-ten, aber sie könnte helfen, den Bedarf an Seegurken auch ohne Wildfang zu decken.

Doch es geht nicht nur um schwarze Würste. Aqua- und Ma-rikultur gelten vielen Experten heute als Hoffnungsträger, wenn es darum geht, die wachsende Weltbevölkerung satt zu machen. Fische und Meeresfrüchte könn-ten in Zukunft erheblich zur Ei-weißversorgung der Menschheit beitragen. Schon heute werden weltweit jährlich 44 Millionen Tonnen Fisch und 15 Millionen Tonnen Muscheln und Schne-cken in Aquakultur gezüchtet. Allerdings müsste sich die Pro-

Zerstörte Mangroven und verschmutzte Küstengewässer haben

ihr ein denkbar schlechtes Image eingebracht. Tatsächlich aber

könnte die Aquakultur eine der wichtigsten Nahrungsquellen der

Zukunft werden — wenn es gelingt, sie nachhaltig zu betreiben.

duktion bis 2050 noch einmal verdoppeln. „Voraussetzung da-für ist, dass es gelingt, die Aqua-kultur nachhaltig zu betreiben“, sagt Andreas Kunzmann, Leiter der Arbeitsgruppe Ökophysio-logie am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) in Bremen.

Krankheitserreger aus Monokulturen

Kunzmann spielt damit auf Feh-ler an, die in den vergangenen Jahrzehnten in der Aquakultur gemacht wurden. Für Shrimps-Anlagen wurden in den 1990er Jahren an den Küsten Indonesi-ens Hunderte Kilometer Mang-rovenwälder gerodet. An ihrer Stelle entstanden Monokulturen, in denen sich Krankheitserreger ausbreiteten, die ganze Ernten vernichteten. Antibiotika kamen in großen Mengen zum Einsatz. Anderswo überdüngten Nähr-stoffe und der Kot der Garnelen die Gewässer und zerstörten so ganze Meereslebensräume. Inzwischen hat an vielen Or-ten ein Umdenken hin zu einer umweltschonenden Aquakultur eingesetzt. Andreas Kunzmann trägt seinen Teil dazu bei. Als Ökophysiologe beschäftigt er sich mit dem Stoffwechsel von Tieren. Im Labor und im Freiland untersucht er, wie viel Energie oder Sauerstoff ein Organismus benötigt – und vor allem auch, wie verschiedene Organismen aufeinander wirken, wenn sie zusammenleben.

Das sind fundamentale Er-kenntnisse für die Aquakultur der Zukunft. „Letztlich müssen wir weg von Monokulturen wie den Shrimps-Farmen in Indo-nesien“, sagt Kunzmann. „Ideal sind gemischte Aquakulturen, in denen verschiedene Organismen gemeinsam gehalten werden und

in denen die Ausscheidungen ei-ner Art den anderen Organismen als Nahrung dienen.“

Zukunftsmodell gemischte Aquakultur

Integrierte Multitrophe Aquakul-tur (IMTA) werden solche Anla-gen genannt. Darin lassen sich beispielsweise Fische, Algen, Mu-scheln und Seegurken gemein-sam züchten. Die Fische werden gefüttert, die Seegurken ernäh-ren sich vom überschüssigen Fut-ter und dem Kot der Fische, die Algen wiederum von sogenann-ten anorganischen Substanzen, die die Fische ausscheiden. Und dann sind da noch die Muscheln. Sie filtrieren alle möglichen Par-tikel aus dem Wasser und halten so die Zuchtanlage sauber. Das Futter wird optimal ausgenutzt.

Weltweit gibt es bereits eini-ge IMTA-Projekte. In vielen Fäl-len aber müssen die Bedürfnisse der Tiere noch genau erforscht werden, ehe man sie erfolgreich in so einer Anlage züchten kann. Mit Forschern in Tansania arbei-tet Andreas Kunzmann an einer Methode, Meeresalgen und See-gurken gemeinsam zu halten.

Ein indonesischer Fischer bietet auf dem Spermonde-Archipel getrockneteSeegurken zum Verkauf an.

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Algen werden dort seit geraumer Zeit für den Export nach Asien und die Nahrungs- und Kosme-tikindustrie angebaut. Da sie im Land selbst aber nicht zu hoch-wertigen Produkten weiterver-arbeitet werden, sind die Gewin-ne gering, das Interesse an der Algenkultur schwindet. „Züchtet man in den Tangwäldern zusätz-lich Seegurken in nennenswerter Menge, kann man auf derselben Fläche gleich zwei Produkte ern-ten.“ Nachwuchswissenschaftler aus Tansania und Kunzmanns Mitarbeiter haben unter ande-rem herausfinden können, bei welcher Dichte die Seegurken in den Tangwäldern am besten gedeihen: 200 Gramm Seegurke pro Quadratmeter sind ideal.

Andreas Kunzmann arbeitet auch mit Forschern in Indone-sien zusammen, unter anderem mit einem staatlichen Institut, das seit einigen Jahren Seegur-ken züchtet. „Hier bietet sich auch eine Kooperation mit Tan-sania an“, sagt er. Künftig will der Ökophysiologe auch andere Tie-re daraufhin untersuchen, ob sie sich für die IMTA eignen. In ei-nem aktuellen Projekt erforscht er außerdem, inwieweit mit Bakterien verunreinigte Partikel aus dem Abwasser intensiv be-triebener Anlagen Krankheiten

verbreiten können. Auch damit will er dazu beitragen, die Aqua-kultur zu optimieren.

PflegeleichtePilgermuschel

Eine bessere, umweltfreundli-che und Ressourcen schonende Aquakultur ist heute das Ziel vieler Wissenschaftler. Auch der ZMT-Biologe Matthias Wolff geht der Frage nach, wie sich die Aquakultur produktiv und zu-gleich nachhaltig betreiben lässt. Seit gut 30 Jahren beschäftigt er sich mit einem Meereslebewe-sen besonders: der Pilgermu-schel Argopecten purpuratus. Diese Pilgermuschel ist vor Peru weit verbreitet. Früher tauchten Fischer auf wild gewachsenen Muschelbänken nach ihr. Seit etwa 15 Jahren wird sie meist ge-züchtet. In Folge des Klimawan-dels hat sich das Wasser vor der peruanischen Küste durch eine Veränderung der Meeresströ-mung abgekühlt. Die Muschel findet jetzt weiter nördlich opti-male Lebensbedingungen. Ideal ist die Situation in der etwa 60 Kilometer breiten Sechura-Bucht – hier gibt es weite Sandflächen, auf denen die Muscheln liegen. Zweimal am Tag treibt die Gezei-

tenströmung frisches, nährstoff-reiches Wasser heran. Und auch der Salzgehalt und die Tempera-turen stimmen.

Statt wie früher wild ge-wachsene Muscheln zu sam-meln, sind die Tauchfischer dazu übergegangen, Jungmuscheln in der Bucht auszusetzen und zu kultivieren. Bereits nach acht bis zehn Monaten sind die Tiere erntereif. „Die Situation ist per-fekt für eine Aquakultur“, sagt Matthias Wolff. „Da Muscheln das Wasser filtern, braucht man die Tiere nicht zu füttern. So entstehen keine Kosten, und das Wasser wird nicht verschmutzt.“ Die ausgesetzten Jungmuscheln werden zuvor bei einer nahe ge-legenen Insel wild gesammelt. Anders als bei den Seegurken in Asien schrumpft ihr Bestand aber nicht. Es gibt also stets aus-reichend Nachschub für die Kul-tivierung.

Dennoch geht Matthias Wolff und seiner Mitarbeiterin Lotta Kluger die Arbeit nicht aus. Die Bucht von Sechura ist ein Hotspot der Pilgermuschel-zucht. 2013 stammten 88 Pro-zent der peruanischen und zwei Drittel der südamerikanischen Muschelproduktion von hier. Längst beliefert die Bucht auch Nordamerika und Europa. Fo

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Projektmitarbeiter beim Einbringen der Saatmuscheln in die

Bodenkultur

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Ökonomen, die ihre Forschungsergebnisse teilen, werden mehrheitlich häufiger zitiert. Die ZBW bietet alle Services rund um das Publizieren im Open Access sowie beim Forschungsdatenmanagement in den Wirt-schaftswissenschaften. www.forschung-einfach-teilen-zbw.eu

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„2003 gab es nur drei Fischerei-organisationen, 2013 waren es bereits etwa 140“, sagt Kluger. Sie versucht deshalb herauszu-finden, wie viele Muscheln in dem Gebiet maximal gezüchtet werden können. Sind es näm-lich zu viele, kann sich die Was-serqualität verschlechtern und der Sauerstoffgehalt sowie das Nahrungsangebot so stark ab-nehmen, dass die Tiere in gro-ßer Zahl sterben. Dadurch wäre das Sediment, auf dem die Tiere leben, für mehrere Jahre nicht mehr zu besiedeln.

Welche Rollespielt El Niño?

In Experimenten vor Ort haben Lotta Kluger und ihre Mitarbei-ter den Stoffwechsel und die Lebensbedingungen der Tiere genau untersucht. Anschließend

wurden die Daten in ein mathe-matisches Modell eingegeben. „Wir wollen damit künftig vor-ausberechnen, wie sich die Si-tuation der Muscheln mit den wechselnden Umweltbedingun-gen von Jahr zu Jahr oder mit den Jahreszeiten verändern“, sagt Kluger. Für die Züchter sind das wertvolle Informationen – denn davon hängt ab, wie viele Saat-muscheln sie aussetzen können, ohne dass die Bucht überlastet wird. Auch das Klimaphänomen El Niño wollen Kluger und Wolff künftig in ihrem mathemati-schen Modell berücksichtigen. Während eines El Niños verän-dern sich die Wind-,Temperatur- und Strömungsverhältnisse vor Peru. Außerdem bringt er im Norden des Landes viel Regen, der das Wasser in der Bucht aus-süßt – was zum Absterben der Muscheln führen kann. Insofern ist es wünschenswert, dass das

mathematische Modell auch die Folgen für die Muschelzüchter antizipiert.

Wolff und Kluger beschäf-tigen sich daher nicht nur mit Biologie, sondern auch mit der wirtschaftlichen Situation der Muschelzüchter. „In der Bucht gibt es etwa 5.000 Züchter und 20.000 Menschen in der verar-beitenden Industrie – dabei han-delt es sich nicht um Großkon-zerne, sondern erfreulicherweise um Kleinbetriebe, die zumeist von Tauchfischern geleitet wer-den“, sagt Wolff. Mit ihrer Arbeit wollen die Wissenschaftler ihnen nicht zuletzt Tipps an die Hand geben, wie sie bei wechselnden Umweltbedingungen langfristig möglichst viel ernten können. Selbstverständlich ohne, dass der Lebensraum, der schließlich auch ihre Überlebensgrundlage bildet, Schaden nimmt. T I M S C H R Ö D E R

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„Knack!“ – diese Assoziation mag so manchen ereilen, denkt er an das Verspeisen von Insek-ten. Dass es dabei weit mehr zu bedenken gilt, zeigen wegwei-sende Forschungsergebnisse aus dem Leibniz-Institut für Ag-rartechnik.

Tagesgericht: innovativ und trendig

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FADie globalen Auswirkungen der schier unaufhörlichen Ab-holzung des Regenwaldes auch für Weideflächen und den So-jaanbau sind mittlerweile in das öffentliche Bewusstsein vorgedrungen. Neben Soja wird Fischmehl als hochwertige Ei-

weißquelle genutzt. Gerade wird beides knapp und teuer. Überfischung und der enorme Fleischhunger unserer rasch wachsenden Bevölkerung ver-ursachen derzeit eine weltweite Suche nach alternativen Eiweiß-quellen.

„Traditionelles Gericht“ aus Laos –

mit Heuschrecke als Eiweißkomponente.

Wie und was wir essen wandelt sich in der zunehmend globalisierten Welt. Waren in den 1950er Jahren italienische Trattorien in weiten Teilen Deutschlands etwas exotisches, scheinen sie heute häufiger zu sein als Restaurants, die traditionell deutsche Küche servieren. Jugosla-wisch, griechisch, amerikanisch, türkisch, chinesisch, japanisch, indisch — die Breite des kulinarischen Angebots steigt in dem Maß, in dem die Welt mehr und mehr zum Dorf wird. Aber auch die sich ändernden Ansprüche an die Ernährung mit Blick auf die Gesundheit schlagen sich im Speiseplan nieder. Wo früher

Es bewegt sich was auf dem TellerEin Lagebericht zur Zukunft von Speiseinsekten

hart und körperlich gearbeitet wurde und die verbrann ten 3.000 Kalorien erst mal wieder konsumiert werden mussten, sieht die Situati-on heute ganz anders aus. In einer zunehmend sitzenden Arbeitswelt zählt fast jeder Schritt, der den Stoffwechsel über die reine Lebenser-haltung hinaus aktiviert. Zunehmende Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten tun ihr übriges dazu.

Die Wissenschaft verursacht, begleitet und entwickelt neue Ernährungstrends, wie diese drei Beispiele von essbaren Insekten, japani-schem Edelfleisch und glutenfreiem Bier zeigen.

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Eine mögliche Lösung sind In-sekten. Speiseinsekten sind prinzipiell eine wertvolle alter-native Eiweißquelle, wie eine Übersichtsarbeit der Lebens-mitteltechnologen Birgit Rum-pold und Oliver Schlüter vom Leibniz-Institut für Agrartech-nik in Potsdam-Bornim (ATB) zeigt. Abhängig von der Füt-terung lässt sich vermutlich sogar ihr Gehalt an mehrfach unge sättigten Fettsäuren beein-flussen. Studien eines hollän-dischen Kollegen ergaben, dass nur etwa zwei Handvoll Schmet-terlingslarven den täglichen Vitaminbedarf eines Menschen decken.

Insekten statt Soja?

Bevor man Insekten jedoch kon trolliert und in großem Um-fang züchten kann, ist noch auf einiges zu achten, so die For-scher des ATB. So ist es wichtig,

die Qualität der Tiere sicherzu-stellen, auch hinsichtlich des Schutzes vor möglichen Ge-sundheitsrisiken beim Verzehr. Menschen mit einer Hausstaub-milben- oder auch Krusten-tierunverträglichkeit könnten allergisch reagieren. Der aller-gieauslösende Stoff der Milben, die eigentlich Spinnen sind, und auch der Krebse, Krabben und Garnelen ähnelt dem von Insek-ten. Denn: Sie alle sind Glieder-füßer.

…und viele Fragen offen

Rechtliche Rahmenbedingun-gen müssen ebenfalls noch ge-schaffen werden: „Während man in Belgien Insektenburger im Supermarkt kaufen kann, verhindern es derzeit noch Reg-lementierungen in Deutschland und Europa, ganze Insekten an Nutztiere zu verfüttern“, so Oli-ver Schlüter.

72 Stunden gekeim-te Getreidekörner machen dem Gluten den Garaus.

In gebotener ReinheitFreisinger Lebensmittelchemiker haben

das erste echte glutenfreie Bier entwickelt. Allein die Brauereien zögern noch.

Und dennoch, es bewegt sich was. Das Thema fasziniert und überzeugt nicht nur auf-grund nachhaltiger Ansätze. Für Furore sorgte ein Bericht der UN-Welternährungsorga-nisation (FAO) zu künftigen Erfolgsaussichten von Spei-seinsekten: Quasi über Nacht wurde die Zusammenfassung zum Thema das meistherun-tergeladene Dokument der FAO aller Zeiten.

Auch wenn das ganz große Krabbeln auf dem Speiseplan hierzulande wohl eher aus-bleiben wird: Ihr Potenzial als Ergänzung zur menschlichen und tierischen Ernährung ist längst nicht ausgeschöpft.

K A R I N L A S O N

Wenn doch bloß die vermaledei-te Sache mit dem Schaum nicht wäre. „In England wäre das kein Problem, aber die Deutschen le-gen beim Bier eben einen beson-deren Wert auf eine lange halt-bare Blume“, sagt Peter Köhler mit einem Augenzwinkern, aber nicht ohne ernsten Hintergrund. Der Lebensmittelchemiker hat etwas entwickelt, was es bislang in Deutschland nicht gibt: glu-tenfreies Bier.

Brauen ohneZusatzstoffe

Alles, was bislang auf dem Markt ist, entspricht nicht dem Deut-schen Reinheitsgebot, da entwe-der bei der Herstellung Enzyme beigemischt werden, die Gluten

binden, so dass es ausgefiltert werden kann; oder es werden von vorneherein glutenfreie Ge-treide wie etwa Hirse verwen-det. Beides entspricht letztlich

nicht den Vorschriften des „Vor-läufigen Biergesetzes“, darf folg-lich hierzulande nicht als Bier bezeichnet werden und firmiert daher meistens als „Bräu“. ▶

Der FAO-Bericht zu Speiseinsekten:Edible insects: future prospects for food and feed security“, Food and Agriculture Organizati-on of the United Nations (FAO), Rom, 2013:http://www.fao.org/docrep/018/i3253e/i3253e00.htm

Insekten-KochbuchWer einen Grashüpfer Kebab zu Hause zubereiten will, findet im Kochbuch „The Insect Cookbook — Food for a Sustainable Planet“ das Rezept dazu. http://cup.columbia.edu/book/the-insect-cook-book/9780231166843.

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An der Deutschen Forschungs-anstalt für Lebensmittelchemie (DFA) in Freising hat Peter Köh-ler einen Weg gefunden, wie er Bier aus Gerstenmalz ohne Zusatzstoffe brauen kann. Dazu braucht er einen zusätzlichen Arbeitsschritt. Zunächst läuft alles ganz normal: Schroten, Maischen, Läutern, Kochen der Bierwürze. Bevor dann aber durch Zugabe der Hefe der Gä-rungsprozess in Gang gesetzt wird, kommt ein Extrakt aus Spezialmalz zum Einsatz. Dieser wird aus gekeimter Gerste her-gestellt, die besondere Enzyme entwickelt, die Gluten abbauen. Genau das tut der Malzextrakt in der Bierwürze und sorgt dafür, dass binnen eines Tages der Glu-tengehalt soweit sinkt, dass das Bier gemäß der entsprechenden Grenzwerte als glutenfrei gilt. Im Anschluss geht der Brauprozess dann wieder ganz normal wei-ter: Gären, Abfüllen, Lagern und Trinken.

Leider noch keine Abnehmer

„Leider ist die Industrie noch nicht auf unsere Ergebnisse an-gesprungen“, gibt Peter Köhler zu, obwohl der Forschungskreis der Ernährungsindustrie das

Projekt finanziert hat und so-wohl Brauereien als auch Mäl-zereien im Projektausschuss saßen. Peter Köhler hat mit vie-len gesprochen, aber die Brau-ereien halten sein glutenfreies Bier für ein Nischenprodukt. Dabei ist nicht nur der Schaum das Problem, sondern die Tat-sache, dass das Bier vermutlich etwa zehn Prozent teurer in der Herstellung wäre. Dabei sind glutenfreie Lebensmittel in der Regel um einiges teurer als die konventionellen Vergleichspro-dukte und ein gewisses Markt-potenzial ist bei 500.000 Zölia-kie-Betroffenen in Deutschland

bei einem gleichzeitigen jähr-lichen Bierkonsum von zuletzt 107 Litern pro Person durchaus denkbar. Rein statistisch ergibt sich daraus die Jahresprodukti-on von fast acht durchschnittli-chen deutschen Brauereien.

Geschmack wie„normales“ Bier

Aber Peter Köhler gibt die Hoff-nung nicht auf, schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass die Wissenschaft mit einer neuen Entwicklung dem Markt voraus ist. Nicht zuletzt, weil das glu-tenfreie Bier in einer Test-Ver-kostung nach den Standards der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) geschmacklich kei-ne Unterschiede zu „normalem“ Bier zeigte, während etwa Hirse-biere im Urteil der Geschmacks-tester deutlich abfielen. Peter Köhler setzt jetzt auf Mälzereien, die den Brauereien Malzextrakt als Rohstoff zuliefert. Gerade in Zeiten, in denen zunehmend neue Biertrends wie Craft-Bie-re in Deutschland Fuß fassen, könnte ja eine kleine Mälzerei die entscheidende Zutat für das erste echte glutenfreie Bier als innovatives Produkt anbieten.

CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

Teure Steaks ohne ReueJapanisches Edelfleisch soll neue Erkenntnisse über Fettsucht bringen

420 Euro verlangt ein Delika-tessen-Onlineshop für ein Kilo Filet vom Wagyu-Rind. Ein Edel-Restaurant in Berlin-Mitte hat das Filet für 99 Euro auf der Karte – pro 100 Gramm. Um das auch unter seiner regionalen Herkunftsbezeichnung Kobe be-kannte Fleisch aus Japan ranken sich wahre Legenden: tägliche Bier- oder Reisweinmassagen und die Beschallung mit klas-sischer Musik ließen die Tiere das extrem fein marmorierte Fleisch entwickeln, heißt es. Ab-solutes Luxus-Segment also und

Premium-Produkt für Zöliakie-Betroffene

Wagyu-Fleisch: je feiner die

Maserung, desto edler das Steak.

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nichts, mit dem sich ein öffent-lich finanzierter Agrarforscher beschäftigen würde, wenn er nicht kritische Fragen zur Ver-wendung von Steuergeldern für kulinarische Dekadenz riskie-ren wollte.

Und dennoch: Steffen Maak vom Leibniz-Institut für Nutz-tierbiologie forscht auch an Wagyu-Rindern, denn dass, was ihr Fleisch so besonders macht – die hohe Fetteinlagerung im Muskelgewebe – hat sehr wohl Bedeutung für die Landwirt-schaft und sogar für die Ge-sundheitsforschung.

„Wir interessieren uns für Wagyu-Rinder als Modell für eine extrem hohe Fetteinlage-rung“, erläutert Steffen Maak. Japanische Wagyu erreichen bis zu 40 Prozent Fettanteil im Rü-ckenmuskel. Bei deutschen Rin-dern sind es in der Regel gerade mal fünf Prozent. Das liegt zu-nächst an einer unterschiedli-chen Zuchtgeschichte. Während in Deutschland über Jahrzehnte auf möglichst fettarmes Fleisch gezüchtet wurde, war das in Ja-pan beim Wagyu nicht der Fall.Die Dummerstorfer Forscher stellten sich zunächst die Frage, wie groß die genetischen Unter-schiede zwischen europäischen und japanischen Rindern sind. Erstaunlich gering, stellten sie jetzt fest. Eine genetische Be-sonderheit zeichnet Wagyu-Fleisch aber aus: Es hat einen hohen Anteil ungesättigter

Fettsäuren und wird deshalb auch als besonders „gesund“ vermarktet. In Deutschland gezüchtete Wagyu bringen es eher auf einen Fettanteil von zehn bis 15 Prozent. „Da Fett Geschmacksträger ist und dem Wagyu dadurch einen beson-ders intensiven Rindfleischge-schmack verleiht, könnte das für den Delikatessen-Markt durchaus interessant sein“, sagt Steffen Maak. Aber: „Fleisch mit 40 Prozent Fett entspricht einfach nicht unserem europä-ischen Geschmacksempfinden“, sagt der Agrarwissenschaftler.

Bis zu 40 Prozent Fettanteil

Seit einigen Jahren kooperieren die Wissenschaftler aus Meck-lenburg mit dem noch jungen Wagyu-Zuchtverband. Die Wis-senschaftler bekommen von den Züchtern Proben und Daten und beraten die Landwirte im Ge-genzug unter anderem in Fragen der Genetik. Denn eine professi-onelle Zucht steckt in Deutsch-land noch in den Kinderschuhen – auch quantitativ. Während in Deutschland jährlich etwa 3,5 Millionen Rinder geschlachtet werden, beläuft sich diese Zahl bei den Wagyu auf wenige hun-dert, schätzt Steffen Maak.

Das Interesse an den Rin-dern aus Fernost beschränkt sich aber nicht nur auf ihre

Rolle als Nahrungsmittel. In einem gemeinsamen Projekt mit Medizinern sind Wagyu ein Beispielorganismus für die Er-forschung von extremem Über-gewicht (Adipositas), die sich unter anderem als Auslöser von Diabetes zu einem zunehmen-den Problem entwickelt. Des-halb koordiniert Steffen Maak auch ein über den Leibniz-Wett-bewerb gefördertes Projekt, das die Rolle von Hormonen und anderen Botenstoffen bei der Fetteinlagerung ins Muskelge-webe untersucht. Forscher, die zu Muskeln von Nutztieren, Na-getieren und Menschen arbei-ten, wollen speziesübergreifend besser verstehen, wie die Wech-selwirkungen zwischen Muskel und Fett ablaufen. Dadurch – so hoffen sie – könnten sich Impul-se sowohl für die Verbesserung der Fleischqualität beim Nutz-tier als auch für die Ansatzpunk-te bei der Therapie von Adiposi-tas und Diabetes ergeben.

Besseres Fleisch ohne ge-sundheitliche Bedenken essen; wie oft steht denn dann Wa-gyu bei Steffen Maak auf dem Speiseplan? Probiert habe er es natürlich schon mal, sagt er, und es schmecke auch sehr gut. Allerdings: „Bei den aufgerufe-nen Preisen wird Wagyu-Fleisch doch wohl eher ein Luxusgut als ein regelmäßiger Ernährungs-bestandteil bleiben.“

CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

Wagyu-Rind in der japanischen Präfektur Hyōgo

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Speisen wiezur Steinzeit

Wovon unsere Vorfahren sich ernährten und was wir daraus

bis heute lernen, darüber forschen Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler an mehreren Leibniz-Instituten.

Waldpilze, Wildkräuter, Beeren, Fleisch, genau gesagt Wild: Aus diesen Zutaten kreiert Koch Sven Laschinski vom Bistro „Heimathirsch“ auch an diesem Abend wieder im Museum Mon-repos ein schmackhaftes Menü. Wie stets ist es etwas ganz Be-sonderes, denn es orientiert sich am Speiseplan unserer Vorfahren aus der Altsteinzeit, dem Paläolithikum. Die Gerich-te werden beim „Paläo-Abend“ serviert. Dieser findet zweimal im Monat im Archäologischen Forschungszentrum und Mu-seum für menschliche Verhal-tensevolution, so der vollstän-dige Namen, statt. Die Idee ist: Forschung erlebbar machen. Und das mit allen Sinnen. Das Abendessen ist dabei Teil des prähistorischen Erlebnisses. Zu-vor werden die Gäste exklusiv von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durch eine Ausstellung geleitet; denn zu dieser Zeit ist das Museum für die Öffentlichkeit bereits ge-schlossen.

„Wir versuchen, die Men-schen des Paläolithikums – also der Altsteinzeit – von vor 2,5 Millionen Jahren bis vor rund

10.000 Jahren, so zu zeigen, dass der heutige Besucher sich in ih-nen wiederentdeckt“, beschreibt Lutz Kindler, Zooarchäologe und wissenschaftlicher Mitar-beiter in Monrepos, das Konzept des Hauses. In der Ausstellung des im Sommer 2014 wieder-eröffneten Museums wird aus vier Blickwinkeln heraus die Geschichte der menschlichen Ernährung beleuchtet: der öko-

logischen, die aufzeigt, dass Menschen Teil eines regional unterschiedlichen Nahrungs-netzes sind; der energetischen, die die Verwertbarkeit der Nah-rung und den menschlichen Stoffwechsel thematisiert; der technologischen, die zeigt, wie die paläolithische Küche aus-sah und mit welchen Waffen gejagt wurde; und schließlich der strategischen, bei der es

Zooarchäologe Lutz Kindler mit einem alten Freund und Forschungsobjekt, dem Neandertaler

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zur Steinzeit

Koch Sven Laschinski vom Museums-Bistro „Heimathirsch“ arbeitet bei den Paläo-Abenden mit den Zutaten unserer Urahnen.

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konsumieren wir nach wie vor auch eine große Bandbreite von Tieren“, resümiert Lutz Kindler.

Proteinreich und fett

Die Paläo-Abende liegen voll im Trend. Was bei „Jägers und Sammlers“ auf den Tisch kam, das ist en vogue. Die vielen Kochbücher, Sendungen, Res-taurants, die mit dem Slogan

„Essen wie in der Steinzeit“ werben, zeugen davon. Und: Der moderne Mensch will sich gesünder, regionaler, möglichst auch nachhaltiger ernähren und Lebensmittel wie Milchproduk-te und Getreide eher vermei-den. Steinzeitkost also, denn der Altsteinzeit-Mensch lebte von dem, was er fand oder erjagen konnte. Ackerbau und Viehzucht waren noch kein Thema. Aßen aber unsere Vorfahren wirklich gesünder als wir? Und wie nah

Geschirrkultur im Wandel der Zeit

Kunst für die Suppe. Die Keramik-expertin Silvia Glaser mit einem heute nicht mehr allgemein gebräuchlichem Geschirr.

um die soziale Organisation der Nahrungsbeschaffung geht. Aus den vier Perspektiven ergibt sich ein Gesamtbild, das uns die Ernährung in der Steinzeit nahe bringt. So erfahren etwa die Be-sucherinnen und Besucher, wie der Mensch vor etwa 40.000 Jahren lernte, das Spektrum sei-ner Nahrungsquellen zu erwei-tern, und auch Vögel, Hasen und Kaninchen verzehrte. „Hier er-kennen wir den heutigen Men-schen gut wieder: Schließlich

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kommen die Menüs der Paläo-Abende an den steinzeitlichen Speiseplan wirklich heran?

Strategien zum Überleben

Für Lutz Kindler greifen solche Fragen zu kurz. Ernährung in der Steinzeit – das hieß vor al-lem, das Problem der Essens-beschaffung zu lösen. „Hunger“, sagt der Wissenschaftler, „ist ein

zentraler Motor der menschli-chen Entwicklung.“ Dass tieri-sches Eiweiß und Fett präch-tige Energielieferanten sind, wussten offenbar schon frühe menschenartige Wesen. Bereits 3,4 Millionen Jahre alte Tier-knochen aus Dikiia in Äthiopien tragen Schnittspuren von Stein-messern. Nahezu gleich alt sind die ältesten Steinartefakte aus Lomekwi am Turkanasee in Ke-nia. Um Tiere erlegen zu können, die größer, stärker und schnel-

ler waren als unsere Vorfahren, mussten die Steinzeitmenschen Strategien entwickeln: So gin-gen sie in der Gruppe jagen und fertigten geeignete Waffen. Die Entwicklung des menschlichen Soziallebens sowie erste tech-nische Innovationen waren also direkt mit der Nahrungsmittel-beschaffung verknüpft. Zudem entwickelten unsere Vorfahren im Zuge der Evolution einen für die Jagd geeigneten Körperbau: Die Beine wurden länger, der

Geschirrkultur im Wandel der Zeit Ein Blick in die Geschirrschrän-ke moderner Haushalte zeigt es: Saucieren und schwere Fleisch-platten werden hierzulande im-mer seltener gekauft. Auch die gute alte Suppenterrine lebt höchstens als Dekoration weiter. Denn die traditionelle deutsche Küche mit Suppe, Braten, Sau-ce und Kartoffeln befindet sich längst auf dem Rückzug. „Das Geschirr bildet nicht nur unse-re Vorstellungen vom Essen ab, sondern zeigt auch, wie unsere Kultur sich insgesamt wandelt“, erklärt Silvia Glaser, Leiterin der Sammlung „Gewerbemuseum und Design“ am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Dies war offenbar schon in der Steinzeit so.

Die Neandertaler waren No-maden, die ihrer Jagdbeute hin-terher zogen. Sie trugen allenfalls Faustkeile und Klingen aus Stein oder Gerätschaften aus Holz und Knochen mit sich. Gekocht wurde in Erdmulden aus festgestampf-tem Lehm, die man manchmal mit einem Stück Leder auskleidete. Mit Hilfe heißer Steine konnten in solchen Gruben Flüssigkeiten er-wärmt werden.

Und selbst im Mittelalter seien kaum mehr als ein großer Topf und Holzbretter auf den Tisch gekom-men, berichtet die Keramikexper-tin. Das Besteck — Bratspießgabel und Messer — brachte brachte jeder Gast selbst mit. Mit der Re-

naissance wurden die Materialien dann wertvoller und vielfältiger. So mussten sich einfache Leu-te zwar weiter mit Holzgeschirr begnügen, aber das Bürgertum nutzte Becher und Teller aus Zinn. Und der Adel speiste aus Silberge-schirr.

Mit dem zunehmenden Ein-fluss der französischen Küche setzte sich im Barock und Klassi-zismus schließlich eine opulente Geschirrkultur mit wertvollen Porzellanen und kunstvollen De-kors durch. Die erlesenen Speisen sollten angemessen präsentiert werden. Die großen Service mit mehreren hundert Teilen sind bis heute erhalten. Sie wurden an Deutschlands Höfen von Mitte des 18. Jahrhunderts an gesammelt.

Das Geschirr war und blieb stets Ausdruck des Zeitgeistes – auch im 20. Jahrhundert. So ka-men mit den Gastarbeitern aus Italien nicht nur Pizza und Pasta

nach Deutschland, sondern in den 1970er Jahren auch übergroße Teller: „Hersteller von Geschirr-spülmaschinen mussten ihre Ge-schirrkörbe in den Spülmaschi-nen vergrößern, damit die neuen Pizzateller auch hineinpassten“, weiß Glaser. Der Asientrend der 1980er und 90er Jahre hingegen brachte kleine Platten und Scha-len in eher puristischem Stil ins Esszimmer.

Im schnelllebigen 21. Jahr-hundert, in der die Rolle der Fa-milie sich verändert und immer mehr Frauen berufstätig sind, Allergien sich häufen und Men-schen sich ganz unterschiedlichen Ernährungsformen öffnen, beob-achtet die Expertin nun vor allem zwei Trends: Zum einen investier-ten Frauen wie Männer immer weniger Zeit in einen kunstvoll gedeckten Tisch. Kaffeebecher, Frühstücksbrett und Müslischa-le lösten morgens das alte Früh-stücksgedeck ab. Zum Mittages-sen kämen immer mehr Gratins, Aufläufe und Suppen „aus einem Topf“ auf den Tisch. Zum anderen individualisierten sich Essgewohn-heiten immer weiter. Fleischlos, getreidelos, kohlenhydratarm, ve-gan oder glutenfrei: „Die Palette dessen, was Menschen heute auf-tischen, wird immer größer“, be-richtet Glaser. Dementsprechend bunt werde auch das Geschirr kombiniert – selbst zu besonderen Anlässen.

Deckelterrine aus Steingut (18. Jahrhundert)

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Körper richtete sich auf – gut, um schnell zu laufen und Speere zu werfen.

Fleisch gekonnt zerteilen

Auch das Zubereiten und Halt-barmachen von Nahrung gehört zu den Fertigkeiten, die unse-re Vorfahren im Laufe der Alt-steinzeit entwickelten. An einer Fundstelle in Israel wurden vor etwa 800.000 Jahren Damhir-sche ausgeweidet. „Die dort an-

gewandte Praxis unterscheidet sich nicht von der in heutigen Metzgerbetrieben“, berichtet Kindler. Die ersten Gruben, in denen nahrhaftes Knochenmark ausgekocht wurde, sind 40.000 Jahre alt; und auch Fleischspei-sen wurden in paläolithischen Kochstellen zubereitet, wie ver-schiedene Fundstellen belegen.Tierisches Fleisch war gewiss die wichtigste Nahrungsquel-le der Menschen im Paläoli-thikum, aber nicht die einzige. Ottmar Kullmer, Forscher am Senckenberg Forschungsin-stitut in Frankfurt/Main, un-tersuchte die Kauflächen von steinzeitlichen Backenzähnen. Sein Befund: Unsere Vorfahren nahmen auch viel Pflanzliches zu sich, jeweils in Abhängigkeit der regional-geografischen Ge-gebenheiten. „Wir haben Zäh-ne verschiedener Jäger- und Sammlergruppen untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Zusammensetzung der Er-nährung sehr unterschiedlich war: In nördlichen Regionen war der tierische Anteil der Nahrung unserer Vorfahren höher, im Nahen Osten und in mediterranen Regionen wurde

vielfältiger gegessen; schlicht, weil es das Angebot hergab – Seafood, Wurzeln, Pflanzen“, berichtet Ottmar Kullmer. Die „extreme Anpassungsfähigkeit“ an die Gegebenheiten ist für den Paläontologen das Entschei-dende. Die Menschen kamen im Prinzip überall klar, gleichgültig wie beschränkt das Nahrungs-angebot war.

An dieser enormen Flexi-bilität hat unsere kulturelle Entwicklung, insbesondere die Vielfältigkeit der Nahrungsauf-bereitung, sicher einen erheb-lichen Anteil. Doch die Biologie unseres Organismus konnte mit der rasanten kulturellen Evo-lution nicht Schritt halten. Dies zeigt sich etwa am menschli-chen Gebiss und Kiefer. Denn es bereitet uns gerade in den Industrienationen mittlerweile große Probleme. „Es herrscht kein Selektionsdruck mehr auf unserem Kauapparat; der Or-ganismus reagiert darauf mit Reduktion. Zahnfehlstellun-gen und rückgebildete Kiefer gehören deswegen zu den Zi-vilisationskrankheiten. Unser Organismus ist evolutionär auf die Abnutzung der Zähne einge-

Energie- und Fett-lieferanten: 30.000

Jahre alte aufgeschla-gene Röhrenknochen.

Auf den Zahn gefühlt: Senckenberg-

Forscher Ottmar Kullmer analysiert die Kauwerkzeuge unserer Vorfahren.

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stellt; indem wir nur noch stark aufbereitete Nahrung zu uns nehmen und unsere Zähne nicht mehr wie in der Steinzeit stark beanspruchen, hebeln wir de-ren Funktion aus“, sagt Ottmar Kullmer.

„Süß“ schmeckt gut — dank der Energiedichte

Doch nicht nur was unser Kau-werkzeug betrifft, stehen wir heute noch auf dem Stand un-serer Vorfahren; auch unser Geschmackssinn hinkt hinter-her. „Unsere Ausstattung mit Geschmacksrezeptoren unter-scheidet sich kaum von jener der Menschenaffen, und sie hat sich im Zuge der Menschwerdung nicht weiter verändert. Dabei ist Geschmack ein entscheidender Faktor bei der Auswahl unserer Nahrung“, sagt Maik Behrens vom Deutschen Institut für Er-nährungsforschung; „Süß signa-lisiert uns: Dieses Lebensmittel

enthält wertvolle Kalorien.“ Daran hat sich über die Jahrtau-sende nichts geändert, obwohl wir heute nicht mühsam über Stunden Beeren sammeln müs-sen, um uns an deren süßem Ge-schmack zu erfreuen: Zuckerrei-che Lebensmittel gibt es in Hülle und Fülle beim Supermarkt um die Ecke. Grundsätzlich erfüllen die Rezeptoren allerdings noch ihre Funktion. So warnt uns auch bitterer Geschmack wie schon unsere Vorfahren vor Ge-sundheitsgefahren.

Mit bitteren Stoffen plagt jedoch Sven Laschinski seine Gäste nicht, wenn er zum Paläo-Abend in Monrepos aufkocht. Sie sollen zwar lernen, was in der Steinzeit gegessen wurde – die Zutaten werden aber selbst-verständlich „nach heutiger Raffinesse zubereitet“, sagt Con-stanze Kamm vom Museums-Marketing. Während des Essens haben die Besucherinnen und Besucher Gelegenheit, Fragen zur steinzeitlichen Ernährung zu stellen; denn die Wissen-schaftler sitzen ebenfalls am

Tisch. Der Austausch ist wichtig: „Zum einen macht es Spaß. Zum anderen regen uns die Fragen der Besucherinnen und Besu-cher zu neuen Perspektiven in der Forschung an; etwa wenn es um die Haltbarmachung von Nahrung geht“, berichtet For-scher Kindler.

Das gute Essen spielt im zweiten Teil der Paläo-Abende selbstverständlich die Haupt-rolle. Und was kommt heute auf den Tisch? Wildhasenkeule in pikantem Kirsch-Bratenjus, als Dessert Waldbeeren-Apfel-ragout mariniert mit wildem Waldhonig – das hätte auch un-seren Vorfahren geschmeckt. Na dann guten Appetit!

W I E B K E P E T E R S

Steinzeitliche Lebensmittel, serviert im modernen Gewand.

Steinzeit-MenüDie Paläo-Abende im Archäologischen Forschungs-zentrum MONREPOS unter dem Motto „Wilde Küche im Schloss der Forscher“ finden etwa ein bis zwei Mal pro Monat freitags um 18 Uhr statt.http://monrepos-rgzm.de/

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Wie das Menschenrecht auf angemessene Nahrung helfen kann

Eine Welt ohne Hunger

Weltweit hungern 795 Millionen Menschen. Addiert man jene, die am „Mikronährstoffmangel“ lei-den, erhöht sich die Zahl auf mehr als das Doppelte. Selbst leicht sinkende Zahlen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir Zeugen einer skandalösen chronischen Unter- und Mangel-ernährung fast eines Drittels der Weltbevölkerung sind. Hieran hat auch die „Grüne Revolution“ und ihr Fokus auf landwirtschaftliche Produktivitätssteigerung nichts verändert. Denn die chronische Welternährungskrise ist nicht auf einen Mangel an ausreichen-der und angemessener Nahrung zurückzuführen. Sie ist vielmehr Ergebnis einer strukturellen Marginalisierung von Menschen,

die in Armut leben und mit einem erschwerten Zugang zu Nahrung kämpfen.

Technische Lösungen greifen zu kurz

Die überwiegende Mehrheit der Hungernden, 80 Prozent, lebt paradoxerweise in ländlichen Gebieten. Diese Frauen, Männer und Kinder verfügen als arme Kleinbauern, Hirten, Fischer, Jä-ger, Sammler, landlose Tagelöh-ner oder Indigene über keinen ausreichenden und sicheren Zu-gang zu produktiven Ressourcen; zu Land und Wasser, ebenso we-nig wie zu Saatgut, Krediten und zusätzlichem Einkommen.

Die Ursachen hierfür liegen in Landenteignungen, Vertreibun-gen, geschlechtsspezifischer Dis-kriminierung von Frauen, sträfli-cher Vernachlässigung ländlicher Entwicklung sowie ausbleiben-der Agrar- und Landreformen. Globale Dynamiken des „Land-raubs“, etwa zur lukrativen Agrar treibstoffgewinnung, ver-schärfen das Problem noch.

All diese Faktoren treten keineswegs naturgesetzlich auf, sondern sind Folgen einer Politik, die bestehende globale, nationa-le und lokale Machtverhältnisse nicht wirklich antastet, sondern stattdessen die großen Agrarun-ternehmen und Eliten fördert. Um hier Abhilfe zu schaffen, be-darf es keiner „Grünen Revolu-

Junge Bauern in West-Dafur (Sudan)

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tion 2.0“; überfällig ist vielmehr, dass bestimmte Personengrup-pen nicht länger marginalisiert werden. Erforderlich sind die Stärkung ihrer Land- und Men-schenrechte sowie die Förderung struktureller Lösungsansätze, die anerkennen, dass Hunger im Kern ein Problem politischer, so-zialer und ökonomischer Exklusi-on ist. „Technische“ Lösungen zur Produktivitätssteigerung greifen schlicht zu kurz.

Der Menschenrechtsansatz zur Lösung des Welternährungs-problems ist solch ein strukturel-ler Ansatz. Er spielt seit einigen Jahren eine wachsende Rolle in Debatten zur Ernährungssi-cherung. Die Aufmerksamkeit richtet sich hier auf die Margi-nalisierung von Kleinbauern und weiterer Gruppen. Im Mit-telpunkt stehen die Fragen: Wer wird warum am stärksten be-nachteiligt (Prinzip der Gleich-heit und Nicht-Diskriminie-rung)? Und wessen Aufgabe ist es, dagegen vorzugehen? Staaten als primäre Pflichtenträger kön-nen so durch zivilgesellschaft-liche Partizipation und Protest-formen sowie administrative und juristische Beschwerdever-fahren von den Rechteinhabern sukzessive in die Verantwortung genommen werden.

Zugang zu Nahrungfür jeden

Das zugrunde liegende „Recht auf angemessene Nahrung“ ist ein völkerrechtlich veranker-tes Menschenrecht. Es ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) enthal-ten und wurde 1976 mit dem Inkrafttreten des bindenden In-ternationalen Paktes über wirt-schaftliche, soziale und kulturelle Rechte gestärkt. In jüngerer Zeit ist es durch die Arbeit mehrerer Sonderberichterstatter und UN-Gremien ausbuchstabiert wor-den: Jeder Staat muss das Recht seiner Bürger respektieren, sich ernähren zu können – so darf er etwa Selbstversorgern (Sub-sistenzbauern) nicht den Zu-gang zu bewirtschaftetem Land verwehren (Achtungspflicht). Zudem müssen Staaten negati-ve menschenrechtliche Folgen etwa bei der Rohstoffförderung durch privatwirtschaftliche Ak-

teure verhindern (Schutzpflicht). Schließlich bedarf es geeigneter Gesetze und Programme, die den Zugang eines jeden zur Nahrung sicherstellen, etwa durch wirk-same Landreformen (Gewähr-leistungspflicht). Das Recht auf Nahrung weist somit klare Rollen zu und stellt die Ernährungssi-cherung auf rechtlichen Boden – weit weg also von Wohltätigkeit und kurzfristiger Nahrungsmit-telhilfe.

Das Umdenken, das sich hier-in ausdrückt, findet jedoch noch keinen ausreichenden Eingang in die Handlungspraxis der Staa-ten. Noch haben die lobbystarken Interessen der Agrarindustrie, die gesellschaftlichen Eliten und Großgrundbesitzer das Sagen, wie mehrere Initiativen zur Hun-gerbekämpfung zeigen (siehe die „New Alliance“ der G8 oder die „German Food Partnership“). Das überrascht kaum, denn der Menschenrechtsansatz versucht unpopulär an den strukturellen Ursachen von Ernährungsunsi-cherheit und tief verwurzelten Machtverhältnissen zu rütteln. Das stößt auf Widerstand. Doch gibt es Beispiele, die zeigen, dass das Recht auf Nahrung und der damit einhergehende normative Wandel in den vergangenen Jah-ren bereits deutliche Spuren hin-terlassen haben.

Handlungsbedarf für deutsche Politik

Generell haben mehr Staaten das Recht auf Nahrung in ihre Verfassung aufgenommen (zum Beispiel Bolivien, Ecuador, Ne-pal, Kenia) – ein erster Schritt zur Implementierung in natio-

nale Politik. Auch werden inzwi-schen in einigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit Menschenrechte zum Maßstab erhoben. Grundsätzlich hilft der Fortschritt „auf dem Papier“ zi-vilgesellschaftlichen Organisati-onen, Medien und UN-Akteuren, Handlungsdruck auf Staaten auf-zubauen und damit eine nachhal-tige Ernährungssicherung voran-zutreiben. Hieran geht kein Weg vorbei.

Selbst wenn chronischer Hunger meist „woanders“ ge-schieht – Handlungsbedarf für die deutsche Regierung gibt es ausreichend. Die politische Agen-da hierzulande hat große Auswir-kungen auf das Schicksal der mar-ginalisierten Kleinbauern und weiterer Gruppen im globa-len Süden, wie die Beispiele Agrarsubventionen und -treib-stoffe zeigen. In der Entwick-lungszusammenarbeit, aber auch in der Außenwirtschaftsför de - rung, muss daher Deutsch land eine Politik verfolgen, die das Recht auf Nahrung aller Men-schen in der Praxis stärkt. Die massive Ungleichverteilung von Land, Ressourcen und Lebens-chancen darf nicht durch den Schutz deutscher Wirtschafts- und Konsuminteressen und das Schielen nach reiner Produkti-vitätssteigerung verschärft wer - den. Vielmehr muss der Miss-stand unter anderem durch die Förderung umverteilender Ag-rar- und Landreformen abgebaut werden. Dies ist nicht mehr nur eine Frage der Humanität mit Blick auf ein Drittel der Weltbe-völkerung, sondern immer mehr auch eine Frage von Recht und Gerechtigkeit. C A R O L I N A N T H E S

Carolin Anthes ist Mitarbeiterin am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main. Dort befasst sich die Politikwissenschaftlerin unter anderem mit Fragen der Menschen-rechte in den Vereinten Nationen und der Welt-ernährung. Von Septem-ber bis Dezember 2015 arbeitet sie als Fellow für das Global Soil Forum am Institute for Advanced Sustainabi lity Studies in Potsdam.

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Hygienisierende Kompostierung

Holzgasofen

Kochen/Nahrungsaufnahme

Wiederaufforstung

[Grünschnitt, Obst- & Gemüseabfälle]

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Hygienisierende Kompostierung

Holzgasofen

Kochen/Nahrungsaufnahme

Wiederaufforstung

[Grünschnitt, Obst- & Gemüseabfälle]

Trocken-Trenn-Toilette

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Toilettengang

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Aus den Überresten der Ernährung könnten

fruchtbare Substrate entstehen.

Ein Kreislauf

zenbau (IGZ) in Großbeeren die Arbeitsgruppe „Urban Cycles – guter Boden für die Stadt“ da-ran, regionale Nährstoffkreis-läufe zu schließen. Kern ihres Ansatzes ist es, aus den ver-meintlichen Abfällen qualitativ hochwertige Pflanzböden (Sub-strate) zu gewinnen.

Die Grundlage hierfür bildet die menschliche Notdurft, die in speziellen Trocken-Trenn-Toiletten nach Urin und Fäzes (Kot) getrennt aufgefangen wird. Die Fäzes werden zusam-men mit Grünschnitt, Obst- und Gemüseabfällen sowie Pflan-zenkohle kompostiert. Dadurch werden sie gleichzeitig hygie-nisiert. Das daraus gewonnene Subs trat dient wiederum als Nährboden für den Anbau von Nutzpflanzen zur menschlichen Ernährung. Deren Zubereitung kann mit einem Holzgasofen erfolgen, der zugleich die Pflan-zenkohle für die Kompostie-rung liefert. Das Essen wird ver-daut und der Gang zur Toilette startet den Kreislauf aufs Neue.

Der Teufel liegt im Detail

Soweit das etwas vereinfachte Grundprinzip des Kreislaufs. Wie so oft, liegt der Teufel aber im Detail: Nicht alle Grund-Zutaten sind brauchbar. Bio-müll beispielsweise, der aus normalen Haushalts-Biotonnen stammt, ist oft stark schwerme-tallbelastet. Zu oft landen Bat-terien oder andere Schadstoffe darin. Viel sauberer trennen da-gegen Gemüsegroßmärkte oder Supermärkte, die die IGZ-For-scher deshalb als Rohstofflie-feranten im Auge haben. Auch

die wenig verbreitete Trocken-Trenn-Toilette ist aus einem ähnlichen Grund im Kreislauf: Landen die Fäzes erst in der Kanalisation, sind sie durch die beigemischten Industrieab-wässer ebenfalls nicht mehr zu gebrauchen. Da aber kaum eine flächen deckende Ausstattung deutscher Einfamilienhäuser mit Trocken-Trenn-Toiletten zu erwarten ist, setzen die Wis-senschaftler hier unter ande-rem auf Gemeinschaftsgärten ohne Anschluss an die Kanali-sation, wo diese Sanitäranlagen durchaus zu finden sind. Für die Forscher sind sie als Orte des sozialen Miteinanders gleich-zeitig Innovationsräume für das Erproben neuer technischer Ansätze.

Der letzte Haken an der Sache ist ein verwaltungstech-nischer: In Deutschland sind Herstellung und Verkauf von Substraten für den Gemüsebau unter Verwendung von Exkre-menten nicht zugelassen. Die Erfahrungen im Versuchsmaß-stab am Institut und Feldver-suche in Tansania zeigen aber, dass das Prinzip funktioniert. Im Zierpflanzenbau oder der Landschaftsgestaltung könnten die Substrate problemloser ein-gesetzt werden als beim Anbau von Gemüse zum Verzehr. Die Forscher wollen sie aber noch weiter verbessern, um eine Än-derung der Zulassungsregeln zu erreichen. Schließlich sollte eine nachhaltige Kreislaufwirt-schaft nicht an der Düngemit-tel- und Bioabfallverordnung scheitern. CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

Eine Gemüselasagne verursacht zweierlei Hinterlassenschaften: Küchenabfälle und – nach er-folgter Verdauung – diejenigen menschlichen Stoffwechselpro-dukte, die wir gemeinhin über die Toilette entsorgen. Sie als Abfälle zu bezeichnen, tut ihnen aber Unrecht. Auch wenn es bei letzteren eine gewöhnungsbe-dürftige Vorstellung sein mag: Beide sind wertvolle Nährstoff-träger.

Wo fruchtbarer Boden rar, Anbaufläche begrenzt oder Wasser knapp ist, sind solche Nährstoffe zu wertvoll, um sie ungenutzt zu entsorgen. Des-halb arbeitet am Leibniz-Insti-tut für Gemüse- und Zierpflan-

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ZukunftsstadtVisionen einer

Schüler bloggen darüber, wie sie später einmal leben möchten

In was für einer Welt wollen wir leben? Zwischen technischem Fortschritt, demographischem Wandel und den Folgen der Um-weltbelastung stellt sich diese Frage unweigerlich — vor al-lem für das Leben in unseren Städten. Im Wissenschaftsjahr 2015 sind ihr Schüler gemein-sam mit Wissenschaftlern der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) und des Leibniz-Instituts für Regi-onalentwicklung und Struktur-planung (IRS) nachgegangen. Entstanden ist daraus ein Blog-Projekt mit Visionen von unse-ren Zukunftsstädten.

Insgesamt 64 Schüler aus Hannover, Erkner und Berlin ha-ben sich an diesem Projekt betei-ligt. In ihren Geographiekursen beschäftigten sie sich zunächst mit dem Thema Stadtentwick-lung und setzten sich kritisch mit Fragen zum Klimawandel, Ar-beit und Worksharing oder dem Umgang mit Müll auseinander.

„Was bedeutet Nachhaltigkeit überhaupt“ lautet beispielsweise einer der Blog-Titel, mit dem sich eine Schülerin näher befasst hat.

Mit den Forschern der ARL und des IRS konnten sich die Schüler anschließend in Gesprä-chen und Interviews austau-schen. So entwickelte sich ein Diskurs zwischen denen, die die Zukunft noch vor sich haben und denen, die sie als wissenschaftli-che Experten einzuschätzen ver-mögen. Dieser Diskurs konnte in 25 Blogtexte der Schüler ein-fließen.

Durch das Gemeinschaftspro-jekt wurde „die Debatte zur Zu-kunftsstadt, der sich das Wissen-

schaftsjahr 2015 widmet, noch erweitert“, so Gerhard Mahnken vom IRS. „Es ging uns darum, die Sicht der nächsten Gene ration öffentlich zu machen und zu ver-breiten. Die Schülerinnen und Schüler waren in den Interviews alle sehr gut vorbereitet und hoch innovativ. Das Thema Zukunfts-stadt liegt ihnen am Herzen.“

Gezeigt hat das Projekt, dass an die Städte der Zukunft hohe Anforderungen gestellt wer-den. Sie sollen energieeffizient und nachhaltig sein, hoch inno-vativ und wirtschaftsstark, ein preiswertes Leben mit hoher Lebensqualität ermöglichen und ihre historische Authentizität ne-ben neugewonnener Modernität nicht verlieren. In der besten al-ler möglichen Städte wollen wir in Zukunft leben – da sind sich Jugend und Wissenschaft einig.

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http://futurecity.hypotheses.org

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ZukunftsstadtPaul Wagner, Carl-Bechstein-Gymnasium in ErknerThema: „Neue ‚Coole Orte der Arbeit‘? Wie die Lab Szene in Berlin unser Verständnis von Zusammen arbeit verändert“

In Zukunft werden Arbeitnehmer unter Umständen nur für wenige Monate an einem Ort bleiben und den Arbeits-platz häufiger wechseln. Das verlangt eine hohe Flexibilität und Spontanität. „Labs“ als Orte des Zusammentreffens und des Austausches schaffen genau dafür Möglichkeiten, egal wo man ist und von wo man kommt.

Pauline Thüne, Carl-Bechstein-Gymnasium in ErknerThema: „Autarke Städte und Gemeinden“

Mich interessiert besonders, wie Menschen von der Idee des Klima- schutzes überzeugt werden können. Für die Zukunft unserer Städte brau-chen wir schon heute neue Konzepte, um das Klima zu verbessern. Dabei soll-te sich jeder einbringen, da wir beson-ders in den Städten auf engem Raum zu sammenleben und deshalb auch gemeinsam Verantwortung für die Um-welt tragen.

Johanna Skarabis, Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-FriedrichshagenThema: „Wasserpolitik nachhaltiger gestalten“

Es ist doch verwunderlich, dass die Erde zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt ist und trotzdem viele Menschen keinen Zu-gang zu sauberem Trinkwasser haben. Die gerechte Versorgung mit Wasser wird in den Städten der Zukunft noch schwieri-ger, da sie größer und dichter besiedelt sein werden. Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser und der Bau von Wasser- und Abwassersystemen werden deshalb immer wichtiger.

Moritz Heumann, Gymnasium St. Ursula-Schule in HannoverThema: „Mobilität in der Stadt“

Ich fahre jeden Morgen mit der Bahn zur Schule. Wenn es im Sommer heiß ist, kann das in einer überfüllten Bahn ganz schön unangenehm werden. Der Komfort ist nur einer von vielen Aspekten, der beim The-ma „Mobilität in der Stadt“ noch verbes-sert werden sollte. Für unsere Zukunfts-städte, in denen die Bevölkerung noch größer sein wird, müssen wir Verkehrs-mittel derart entwickeln, dass man sich in ihnen wohl fühlt und gleichzeitig energie-effizient und schnell unterwegs ist.

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Leibniz: Der Weg für mehr Engagement des Bundes in der Forschungsförderung wird durch die Änderung von Art. 91b des Grundgesetzes freigemacht. Was erhoffen Sie sich davon mit Blick auf die Exzellenzinitiative?

Olbertz: Die Gesetzesände-rung könnte zu mehr Freiräu-men führen, vorhandene oder in Aussicht gestellte öffentliche Mittel anders zu disponieren. Die strenge Trennung von Bundes- und Landesfinanzierung hat ja letztlich auch zur Entfremdung der Lehre von der Spitzenfor-schung geführt, weil das eine auch mit Bundes-, das andere nur mit Landesmitteln gefördert wer-den konnte. Ich hoffe, dass der Weg nun frei ist, über ganz neue Formen der Gemeinschaftsfinan-zierung von Wissenschaft und Bildung in Deutschland nachzu-denken.

Dass der Gordische Knoten mit einem novellierten Artikel 91b durchschlagen wurde, ist schon mal ein Riesenschritt. Jetzt können wir ungehindert neue Konzepte erörtern, ohne dass die Debatte sofort mit Hinweisen auf die Verfassungsmäßigkeit abge-würgt wird. Denken Sie nur an das Berliner Institut für Gesund-heitsforschung, das in einer hoch-

Experiment wagenWir sollten das

Der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik

Olbertz, über das Engagement des Bundes in der Forschungs-

förderung, die Zukunft der Exzellenzinitiative und den Vorschlag,

mit Leibniz-Universitätsinstituten die Zusammenarbeit zwischen

der Leibniz-Gemeinschaft und den Hochschulen weiter zu

vertiefen.

Jan-Hendrik Olbertz ist seit 2010 Präsident der Humboldt-Univer-

sität zu Berlin. Von 2002 bis 2010 war er Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt, wo er von 1992 bis 2010 auch eine Professur für Erziehungswissenschaft mit dem

Schwerpunkt Erwachsenenbildung und wissenschaftliche Fort- und

Weiterbildung an der Martin-Lu-ther-Universität Halle-Wittenberg

inne hatte. Der studierte Lehrer für Deutsch und Musik ist unter anderem Senator der Leibniz-

Gemeinschaft.

komplexen Abgrenzungs- und Trennungsrechnung beträchtli-che Ressourcen dafür aufwenden muss, in Bezug auf seinen Haus-halt verfassungsgemäß zu agie-ren. Ähnliche Beispiele gibt es zu Hauf. Wenn wir jetzt klar sagen können, worin ein gemeinsames Projekt besteht, welche Anteile jeder Partner daran hat, und die Mittel gemeinsam bewirtschaf-tet werden können, dann haben wir einen großen Schritt hin zur Normalität und Rationalität in der Wissenschaftsorganisation getan.

Welches Format sollte in der nächsten Runde der Exzellenz­initiative gefördert werden?

Da bin ich mir unsicher. Ich habe generell kein allzu großes Zutrauen in Visionen, die riesige, hochkomplexe Zentren zum Ge-genstand haben. Verbünde, die so groß sind, dass am Ende nie-mand mehr überblickt, welche beteiligte Einrichtung sich mit welchen Beiträgen eingebracht hat, untergraben die Identität der einzelnen Forschungsein-richtung. Sie brauchen aber eine ausreichende eigene Kenntlich-keit, um sich als Institution im Wettbewerb zu behaupten.

Daher plädiere ich eher für regionale thematische Verbün- Fo

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Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Vorschlag, Leibniz­Universitätsinstitute zu etablieren? Und zwar in der Form, dass die Institute Teil der Universität bleiben, gleichzei­tig aber in die Finanzierung von Bund und Ländern aufge­nommen und Mitglied der Leibniz­Gemeinschaft werden?

Meinem Eindruck zufolge ist es bislang überhaupt der einzige Vorschlag, der mit dem instituti-onellen Status quo bricht und strukturell etwas Neues wagt. Ich stehe diesem Vorschlag also aufgeschlossen gegenüber und finde, dass wir ihn ausprobieren sollten.

Viele Universitäten sehen darin eine Stärkung ihrer Strategiefähigkeit, einige be­fürchten bei so einem Modell eine feindliche Übernahme durch die außeruniversitäre Organisation.

Ich kann mir nicht vor-stellen, dass die Humboldt-Universität Angst davor hat, von der Leibniz-Gemeinschaft übernommen zu werden. Angst rührt nur von einem Mangel an institutionellem Selbstbe- wusstsein her. Umgekehrt könn-te doch auch die Leibniz-Ge-meinschaft die Sorge haben, et-

was hergeben zu müssen; oder gar befürchten, in die mitunter langwierigen und lähmenden gremiengebundenen Prozedu-ren innerhalb einer Universi-tät hineingezogen zu werden. Trotzdem ist sie über ihren Schatten gesprungen und hat diesen Vorschlag entwickelt.

Sie begrüßen also den Vorschlag?

Es ist ein gut gedachter An-satz, die Identität eines Leibniz-Instituts zu nutzen, auch wenn sich dies im Rahmen einer Uni-versität entwickelt – eben nicht durch Abgrenzung, sondern durch sichtbare Präsenz inner-halb universitärer Strukturen. Das könnte auf längere Sicht zum Beispiel in Form von Zent-ralinstituten geschehen. Damit wäre eine faire Struktur ge-schaffen, in der das betreffende Leibniz-Institut in der Univer-sität seine Selbstständigkeit als Mitglied der Leibniz-Gemein-schaft lebte, gleichzeitig aber dem Charakteristikum seiner universitären Präsenz – der Ein-heit von Forschung und Lehre – in stärkerem Maße Rechnung trüge. Bei der üblichen Finan-zierung von 50 Prozent durch den Bund und 50 Prozent durch die Länder würde ich dann eine

Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin.

de, die von einer Sprecher-Uni-versität initiiert und geführt werden, dies aber mit ausge-breiteten Armen allen Part-nereinrichtungen gegenüber, die etwas zum Gelingen des wissenschaftlichen Vorhabens beitragen können.

Sie sprechen also von Clus­tern, die künftig in einer noch engeren Kooperation mit den außeruniversitären Partnern fortgesetzt werden sollen?

Ja, genau. Ich will das Sys-tem der Trennung von univer-sitärer und außeruniversitärer Forschung gar nicht aufgeben, doch sollten die Brückenschläge zwischen ihnen intensiver wer-den.

Ich setze große Hoffnun-gen in solche thematischen Verbünde, und wenn wir mal das Beispiel Berlin nehmen, ist hier doch großes Potenzial er-kennbar: zum Beispiel in der Mathematik, in den Altertums-wissenschaften, in den Lebens-wissenschaften.

Zu respektieren ist jedoch, dass die Universitäten ihre in-ternationale Reputation durch ihre eigene Leistung erworben haben. Dieses Prinzip von Mar-ke durch Leistung dürfen wir nicht aufgeben.

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Mit Blick auf die Fortentwicklung des deutschen Wissenschafts-systems hat der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner, jüngst den Vorschlag von Leibniz-Universitätsinstituten unterbreitet. Unterstützung er-hält er dafür seitens der Politik: „Die Grundgesetzänderung von Art. 91b sowie die Fortsetzung der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern hat kluge Vorschlä-ge zur Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems gebracht. Dazu gehört die Idee, Leibniz-Universitätsinstitute zu gründen“, sagt Michael Kretsch-mer, stellvertretender Vorsit-zender der CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion und zuständig für Bildung und Forschung.

Tatsächlich sind Leibniz-Uni-versitätsinstitute als neue For-mate kooperativer Praxis zu verstehen. Warum die Leibniz-Gemeinschaft? Die 89 Institute der außeruniversitären For-schungseinrichtung pflegen un-tereinander sowie mit vielen Universitäten bereits eine enge Zusammenarbeit. Leibniz-Uni - ver sitätsinstitute können künf-tig helfen, herausragende For-schung an den Universitäten auch dauerhaft zu fördern. Dabei sollen sie integrales Ele-ment der jeweiligen Universität bleiben, gleichzeitig jedoch an der Leibniz-Gemeinschaft teil-haben. Die Vorteile liegen für Kleiner auf der Hand: „Leibniz-Institute arbeiten eigenständig, flexibel und eng vernetzt ent-lang einer langfristigen Mission,

gleichzeitig werden sie regelmäßig streng evaluiert und dabei hälftig von Bund und Ländern finanziert.“ Überzeugt von der Idee ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Kretsch - mer; also von „Instituten, die in der Körperschaft der Universität liegen, gleichzeitig jedoch den ho-hen Qualitätsansprüchen der Leib-niz-Gemeinschaft genügen und so fortan über die Bund-Länder-Finanzierung laufen können. Das ist auf Dauer viel besser, als he-rausragende Forschungsinstitute aus den Universitäten herauslösen zu müssen, weil sich die Länder nicht in der Lage sehen, sie ange-messen auszustatten. Nun gilt es, den Vorschlag der Leibniz-Univer-sitätsinstitute rasch in die Realität umzusetzen.“ Positiv ist auch die Reaktion der SPD: „Die Hochschu-len müssen bei der Fortsetzung der Exzellenzinitiative klar im Fo-kus stehen. Aus unserer Sicht kön-nen also alle Vorschläge Sinn ma-chen, die von diesem Grundsatz ausgehen. Die Initiative von Herrn Kleiner kann in diesem Sinne zu einem Baustein bei der Weiter-entwicklung der Exzellenzinitiati-ve werden. Denn die Kooperation von universitären und außeruni-versitären Forschungseinrichtun-gen kann und muss gewiss noch ausgebaut werden. Dazu werden auch Vorschläge wie „Leibniz-Universitätsinstitute“ intensiv zu prüfen sein“, erklärt Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der Arbeits-gruppe Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion. Auch Kai Gehring, Sprecher für Hochschu-le, Wissenschaft und Forschung

von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, sagt: „Für die künf-tige Förderung muss Spitzen-forschung entscheidend sein – durchaus auch in verschiede-nen Leistungsdimensionen und vielfältigen Formen wie Clustern und Zentren. Dabei sollten – ge-mäß des GWK-Beschlusses – ver-schiedene Formen exzellenten Transfers, besonders herausra-gende Kooperationen – vor allem zwischen Hochschulen und auße-runiversitärer Forschung – sowie Lehre berücksichtigt werden.“

Einig ist sich die Politik aber auch, über neue Kooperations-formate wird erst im Frühjahr 2016 entschieden. „Solche sehr konkreten Bausteine jetzt schon gut zu klopfen, ist noch zu früh. Erst einmal muss es um die Grundsätze gehen, nach denen wir die Exzellenzinitiative wei-terführen und weiterentwickeln wollen. Dazu hat die SPD-Bun-destagsfraktion einige Eckpunk-te in die Debatte eingebracht. Dann geht es um die Expertise und die Empfehlungen der Im-boden-Kommission, die wir im neuen Jahr erwarten. Auf dieser Basis werden sich der Bund und die Länder in der GWK im De-tail zu einigen haben. Diese Zeit müssen wir uns jetzt lassen. Mit unnötigen Detail-Vorwegnahmen sollte niemand brüskiert wer-den. Deshalb: Grundsatzdebatte ja, Perspektiven aufzeigen erst recht. Und die Details folgen im neuen Jahr“, sagt Rossmann.

C H R I S T I N E B U R T S C H E I D T

Offen für VeränderungBundestagsabgeordnete reagieren positiv auf den Vorschlag der Leibniz-Universitätsinstitute

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entsprechend halbierte Lehr-verpflichtung für die Professo-rinnen und Professoren des In-stituts für sinnvoll erachten. Ein solches Experiment sollte eine Chance haben. Lassen Sie es uns doch mal versuchen – entgegen aller rein theoretischen Vorbe-halte!

Also wäre das aus Ihrer Sicht eine Chance zur weiteren Stär­kung der Spitzenforschung an den Universitäten?

Absolut! Durch thematische Fokussierung, neue Netzwerke und durch eine pointiertere Aus-richtung auf Spitzenforschung. Wenn wir immer von mehr Dif-ferenzierung im Hochschulsys-tem reden, dann müssen wir auch den Mut zu mehr Binnen-differenzierung innerhalb einer Hochschule haben.

In welchen Bereichen lägen derlei Kooperationen nahe?

Wir haben ja viele Koopera-tionen mit der Leibniz-Gemein-schaft hier in Berlin, angefan-gen mit der Mathematik bis hin zu den Sozialwissenschaften. Es wäre doch gut, die Abgren-zung von der Universität, die oft finanzpolitische Gründe hat, aufzuheben und wissenschafts-adäquatere Wege der institutio-nellen Zusammenarbeit zu wäh-len. Dabei geht es noch nicht um

ein Modell, das wir schon über-morgen umsetzen können, aber jetzt ist der Zeitpunkt, wo alle Universitäten und ihre Partner-institutionen Strategien für die nächste Exzellenzinitiative ent-wickeln. Der Leibniz-Vorschlag könnte also zum Beispiel als Verstetigungsoption nach Ab-lauf der neuen Förderperioden dienen, oder – noch optimisti-scher gedacht – sogar ein krea-tiver Vorstoß jenseits der Exzel-lenzinitiative sein.

Welche Rolle sollte hier die Politik spielen?

Bund und Länder als Haupt-zuwendungsgeber müssten zu so einem Vorgehen ermutigen, vielleicht auch im Sinne einer Experimentierklausel, die es ermöglichen würde, das Modell „Leibniz in den Universitäten“ mit drei oder vier Prototypen zu erproben.

Sie kennen beide Seiten – die politische wie die wissen­schaftliche Verantwortlich­keit. Würden Sie auch als Poli­tiker so handeln und verträgt sich eine solche politische Vorgabe mit der Freiheit der Wissenschaft?

Also, wenn ich politische Verantwortung trüge, würde ich diesen Weg gehen. Wissenschaft ist eine öffentliche Angelegen-

heit, sie ist Gegenstand der Poli-tik. Die Politik muss der Wissen-schaft Freiheit gewähren, aber sie soll auch gestalten. Das freie Spiel der Kräfte im Wettbewerb allein ist noch keine wissen-schaftspolitische Gestaltung. Ich würde mir wünschen, dass die Politik wieder stärker als Im-pulsgeber fungiert. Die Politik muss uns dazu herausfordern, unsere Freiheit verantwor-tungsvoll, aber auch effektiv zu nutzen, und dafür sind gewisse Strukturen unerlässlich.

In der zweiten Runde der Exzellenzinitiative hat die HU den so genannten „Elite­Status“ erreicht. Was hat das gebracht und welche Folgen hätte es, wenn sie dieses Eti­kett wieder verlieren sollte?

„Elite-Universität“ ist ja zu-nächst ein von den Medien er-fundener Titel, den es eigentlich gar nicht gibt. In der Praxis aber ist er für die Selbst- und Fremd-wahrnehmung einer Universität durchaus förderlich. Wenn es eine entsprechende Förderlinie auch in Zukunft gäbe, wäre der Verlust dieses „Titels“ erheb-lich. Unser Zukunftskonzept ist wie bei allen anderen beteilig-ten Universitäten auf zehn Jah-re angelegt. Ein Abbruch nach fünf Jahren würde für unsere Universität enormen Schaden

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anrichten, denn wir haben für die Umsetzung im großen Stil Ressourcen umdisponiert, was sich dann nicht mehr im erwar-teten Umfang auszahlen wür-de. Unter diesem Aspekt denke ich, müsste man zumindest den fünf Universitäten, die erst 2012 mit ihren Zukunftskonzepten erfolgreich waren, eine zweite Runde ermöglichen, natürlich nach einer Evaluation. Gleich-zeitig müsste es diesen Univer-sitäten aber auch möglich sein, die neuen Ziele, Ansprüche und Kriterien der Exzellenzinitiative III in die Fortschreibung ihrer Zukunftskonzepte zu integrie-ren, denn sie können ja schlecht mit einem dann bereits veral-teten Konzept starten. Ohne eine so verstandene Fortschrei-bungsoption wären die fünf „neuen“ Exzellenz-Universitäten gegenüber denjenigen benach-teiligt, die eine zehn Jahre wäh-rende Förderung erhalten und die strukturbildenden Effekte in

diesem Zeitraum konsolidieren konnten. Die Anstrengungen des Exzellenzprozesses würden im Nachhinein delegitimiert.

Wäre die Konsequenz, dass die Exzellenzinitiative mit ihren drei Förderlinien wie bisher weitergeführt wird – ergänzt um neue Perspektiven der Bundesförderung?

Ich bin kein Kritiker der Idee, ganze Universitäten auszuzeich-nen und zu fördern. Das heißt nicht, dass wir zwingend genau-so weitermachen müssten wie bisher. Man kann die Förderung der universitären Governance in vielfältiger Hinsicht modi-fizieren. Ich denke auch, dass die Nachwuchsformate der Gra-duiertenschulen auf den Prüf-stand sollten, wohingegen sich die Cluster als Form der Orga-nisation von Spitzenforschung in ihrem Kern bewährt haben. Gleichzeitig aber würde ich den Anreiz zur Organisationsreform

und zur Entwicklung neuer Steuerungsprozesse, den die Förderlinie „Zukunftskonzepte“ gebracht hat, aufrechterhalten. Denn die Universitäten haben es durchaus nötig, sich in diesem Bereich besser aufzustellen. Es sind doch bestimmte organi-satorische Arrangements, die Spitzenforschung ermöglichen – und die müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Eine Alternative zur „dritten Förderlinie“ wäre, für die Clus-ter, die sich wissenschaftlich durchgesetzt haben – und nur für sie – einen Aufschlag auf den Overhead vorzusehen, also Mit-tel, die dann in die Ausstattung der Universität fließen zur Fi-nanzierung des Personals oder der Räume. Der Overhead sollte dann zum Beispiel 40 Prozent statt 22 betragen.

INTERVIEW: CHRISTINE BURTSCHEIDT UND

CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

Die Zusammenarbeit der Universi-täten mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat in der jüngeren Vergangenheit an Intensität erfreulich zugenommen; insbesonde-re durch die Exzellenzinitiative seit 2006. Je nach Forschungseinrichtung und Schwerpunktsetzung haben die Fraunhofer-, Helmholtz-, Leibniz- und Max-Planck-Institute erhebliche Beiträge zum gemeinsamen Forschungserfolg und dessen internationaler Sichtbarkeit geleis-tet. Davon profitieren die Universitäten spürbar. Umgekehrt nützt den auf die Forschung kon-zentrierten Institutionen die Nähe zu den Nach-wuchstalenten, die an den Universitäten ausge-bildet werden.

Diese zunehmende „Entsäulung“ des deut-schen Wissenschaftssystems ist vorbehaltlos zu begrüßen. Die mittlerweile gut etablierten Graduate Schools sind zu wirksamen Koope-rationsplattformen auf der Ebene des wissen-schaftlichen Nachwuchses geworden. Große, komplexe Forschungsprogramme lassen sich international wettbewerbsfähig nur im Mitein-ander schultern – an dieser Erkenntnis kommt niemand mehr vorbei. Folgerichtig sollten wir also auch im Hinblick auf den bestehenden in-

stitutionellen Ordnungsrahmen den Mut haben, die „Gewohnheiten des Denkens“ zu überwinden.

Verschiedene Themen bieten sich für die langfristige kooperative For-schung in der Universität geradezu an. So hat der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Professor Matthias Kleiner, Leibniz-Institute unter dem

Dach von Universitäten vorgeschlagen. Dieser Weg ist in gewisser Weise längst durch einige Ko-operationsmodelle angelegt. Doch sollten auch andere, thematisch stärker fokussierte Modelle vorstellbar sein. Als „Integratives Leibniz-For-schungszentrum“ der betreffenden Universität könnte gerade eine interdisziplinäre Forschungs-programmatik in einer Brückenstellung zu den Fakultäten wirksam werden.

Der Vorschlag des Leibniz-Präsidenten dürfte da-her in Universitäten ohne Berührungsängste eine neue Kreativität entfalten. Wichtig wäre, diesen Schritt zu wagen und so den Blick für verschiede-ne Modelle zu öffnen.

WOLFGANG A. HERRMANN, PRÄSIDENT DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT MÜNCHEN

Leibniz-Institute in den Universitäten?

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Bergauf Bergabab 31.10.2015Deutsches Bergbau-Museum, Bochum

Schon vor mehr als 10.000 Jahren waren die Alpen ein beliebtes Rei-seziel, trotz rauen Klimas, schwie-rigen Geländes und fehlenden Wegenetzes. Die Besucher such-ten damals aber keine Erholung, sondern mineralische Rohstoffe, Metalle und Salz. Diese machten die Alpen zu einer wahren Schatz-kammer für den Bergbau. Dessen Geschichte zeigt die Sonderaus-stellung des Deutschen Bergbau-Museums. In multimedialen Präsentationen und anhand hun-derter Originalexponate erhalten die Besucher einen Eindruck von der Schönheit der Alpenland-schaft, dem Leben der Bergleute und der Arbeit der Archäologen des Museums.

Erfolgsmodell Saurier. 300 Jahre Überlebenbis Ende Mai 2016Japanisches Palais, Dresden

Mit Sauriern werden oftmals Di-nosaurier assoziiert, wie der be-rühmte Tyrannosaurus Rex. Di-nosaurier waren allerdings nur die Landwirbeltiere; an Land, in der Luft, in Süß- und Salzwasser lebten vor bis zu 300 Millionen Jahren noch weitere Saurierar-ten. Bei den Vögeln als unmittel-baren Nachfahren der Dinosau-rier, aber auch bei Amphibien, Reptilien und Fischen lassen sich heute Parallelen zu den Sauriern finden. Diese zeigt die Ausstellung mit mehr als 100 Objekten aus der Senckenberg Naturhistorischen Sammlung in Dresden mit Modellen, Skelet-ten und Fossilplatten von Sau-riern und heute lebenden Arten.A

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ngen Kaffee. Ein globaler Erfolg

bis 03.01.2016Senckenberg Museum für Naturkunde, Görlitz

Ob Cappuccino, Milchkaffee, Latte Macciato oder einfach ein „Schwarzer“ – mit jährlich 165 Litern pro Person ist der Kaffee Deutschlands beliebtestes Ge-tränk. Dennoch ist über seinen Ursprung und seine Herstellung oftmals nur wenig bekannt. Das Senckenberg Museum für Natur-kunde in Görlitz bietet mit der Sonderausstellung aus dem Bo-tanischen Garten/Botanischen Museum Berlin einen Einblick in die Geschichte der Kaffee-Kultur, ausgehend von ihren Ursprüngen in Äthiopien bis hin zum Coffee to go. Besucher können sich außer-dem in die Geheimnisse von Kaf-feezeremonien einweihen lassen oder Mitmach-Stationen nutzen.

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Mit der Wiedervereinigung 1989/1990 von Ost- und West-deutschland waren die Verstän-digungsprobleme vorprogram- miert. Während die Ostdeut-schen ins Kaufhaus gingen, wurde in Westdeutschland im Supermarkt eingekauft. Im Wes-ten kamen Hähnchen auf den Tisch, im Osten dagegen Broiler. In weniger als 50 Jahren hatte sich der Wortschatz in West- und Ostdeutschland unterschiedlich eingefärbt – auch wenn beide Länder noch Schwarz-Rot-Gold in ihren Fahnen trugen.

Ein Begriff wurde in der DDR zum Synonym für den politischen Richtungswechsel: die „Wende“. Im vereinigten Deutschland mussten sich die Ostdeutschen von der sozialistischen Gesell-schaftsordnung der DDR verab-schieden und sahen sich plötzlich

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Einheit = Alltag?

mit dem politischen System der Bundesrepublik konfrontiert. Auch die soziale Marktwirtschaft und eine bunte Medienland-schaft waren für die DDR-Bürger neu. In nahezu allen Lebensbe-reichen mussten sie sich umori-entieren, damit die Vereinigung

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von Ost und West nicht nur for-mal, sondern auch im Alltag der Menschen stattfinden konnte.

Das Deutsche Historische Mu-seum in Berlin und das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam beleuchten dieses All-tagsleben nach der Wiederver-

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Mehr Sonder-ausstellungen unserer Forschungsmuseen finden Sie online:www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/forschungsmuseen/leibniz-museen-aktuell/

1975/2015 — Schiffe erzäh-len Museumsgeschichte(n)seit 5.9. 2015Deutsches Schiffahrts-museum, Bremerhaven

Am Alten Hafen von Bremerha-ven ging 1966 mit dem Fracht-segler „Seute Deern“ ein erstes historisches Schiff vor Anker und legte damit den Grundstein für das Deutsche Schiffahrts-museum. Das eröffnete am 5. September 1975 als Technik-museum von nationalem Rang in einem Gebäude des Architekten Hans Scharoun. Zum 40-jähri-gen Jubiläum stellt das Museum und Leibniz-Institut für deut-sche Schifffahrtsgeschichtenun ausgewählte Objekte - vorwie-gend Schiffe - in ein neues Licht und lässt dadurch die eigene Ge-schichte Revue passieren.

Senckenbergs verborgene Schätzebis 10.1.2016Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt am Main

Ein rund 350 Jahre alter Gän-seschädel oder eine bis zu 13 Kilo schwere Tasmanische Rie-senkrabbe – 30 Raritäten aus ihren mehr als 38 Millionen Objekte umfassenden Samm-lungen zeigt die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung nun zum ersten Mal in einer Wanderausstellung. Die außer-gewöhnlichen Geschichten der Exponate können die Besucher in historisch gestalteten Samm-lungsbüchern nachlesen. Bilder der Fotografen Sebastian Köpke und Volker Weinhold ergänzen die Ausstellung.

Vielfalt zähltbis 31.01.2016Zoologisches Forschungs-museum Alexander Koenig, Bonn

Weshalb ist der Erhalt der Arten-vielfalt für uns Menschen so wich-tig? Diese Frage will die Wander-ausstellung „Vielfalt zählt!“ der Deutschen Forschungsgemein-schaft beantworten und erklären, welche Vielfalt der Begriff der Biodiversität umfasst. Nicht nur von Tier- und Pflanzenarten ist hier die Rede; auch die komple-xen ökologischen Prozesse und Wechselwirkungen in verschie-denen Lebensräumen der Erde fallen unter den Begriff. Verständ-lich werden die Ausstellungsin-halte beispielsweise durch Duft-stationen, die die Funktionen von Gerüchen in der Natur erlebbar machen.

die Ausstellung die Herausforde-rungen der Bürger erfahrbar, die sich im vereinten Deutschland zurechtfinden mussten.

Die Umbruchsituation der Wende hatte für die Bevölkerung zwar Vor- aber auch Nachteile. Das spiegeln die in der Ausstel-lung vorgestellten Biographien wider, denen die Besucher an einer Hörstation lauschen kön-nen. Sie erzählen von finanziellen Sorgen sowie den Problemen bei der beruflichen Neuorientie-rung, aber auch von Gefühlen der Hoffnung und Begeisterung. Im Bereich der Kunst und Kultur-szene eröffneten sich zum Bei-spiel viele neue Möglichkeiten: So ertönen im Ausstellungsraum die damals in Deutschland popu-lär werdende Technomusik, die Stadionakustik zur erfolgreichen Fußballweltmeisterschaft 1990 oder der Talkshowapplaus der wachsenden Medienlandschaft und erinnern an das lebendige und euphoriegeladene Lebensge-fühl dieser Zeit.

Für Projektleiter Jürgen Danyel vom ZZF zeigt die Ausstellung die erste Phase einer Entwicklung, die immer noch andauert: „Die Geschichte der deutschen Verei-nigung hat mit dem 3. Oktober 1990 erst richtig begonnen. Sie wird in der Ausstellung „Alltag Einheit“ als ein nach vorne of-fener gesellschaftlicher Prozess gezeigt.“ Der Einheitsgedanke, mit dem sich Ost und West vor 25 Jahren konfrontiert sahen, ist auch heute noch aktuell und „All-tag Einheit“ eine Schau von Histo-rikern über einen Prozess, in dem wir alle noch mittendrin stecken.

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Alltag Einheit. Porträt einer Übergangsgesellschaft bis 3. Januar 2016Deutsches Historisches MuseumUnter den Linden 2, 10117 Berlin Öffnungszeiten: täglich 10–18 Uhr

www.dhm.de/de/ausstellungen/alltag-einheit.html

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Einheit = Alltag?

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einigung in einer gemeinsamen Sonderausstellung. Der Ausstel-lungsraum gliedert sich in acht Bereiche, die sich wichtigen The-men der Umbruchzeit widmen: Sprache, Medien, Geld – Kon-sum – Eigentum, Arbeitswelt, Politische Kultur, Nationalgefühl, Begegnung und Kulturelle Frei-räume. In der Raummitte gibt eine Chronik außerdem einen Überblick über zentrale politi-sche Ereignisse auf dem Weg zur deutschen Einheit.

Die Besucher bewegen sich in der Ausstellung durch eine ver-winkelte Anordnung von Mauern und Gegenständen, die den Ein-druck von Orientierungslosigkeit erzeugen. Der Ausstellungsraum erinnert an eine Baustellensitua-tion. Die Schau zeigt viele Expo-nate aus Privatbesitz, in denen sich Einzelschicksale von Men-schen nach der Wende wider-spiegeln: die vom Begrüßungs-geld gekaufte Barbie-Puppe genauso wie einst unerschwing-liche West-Jeans. Damit macht

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Getrennt vereint? 25 Jahre Deutsche EinheitAls vor 25 Jahren die DDR der Bundesrepublik Deutschland beitrat, überwog zunächst die Euphorie, dann trat ein Staunen ein über fortbestehende Unterschiede. Wie fremd waren sich West- und Ostdeutsche damals? Gab es trotz getrennter Systeme auch geteilte Erfahrungen? Und wo blieben bei aller Einheit bis heute Unterschiede bestehen?Darüber diskutierten der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, und Frank Bösch vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam in einer Leibniz-Debatte, in der viele brisante Themen angesprochen wurden: neben Sozialstaat, Wirtschaft, Kultur und Bildung auch Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus.Die Debatte ist im Zusammenschnitt und in voller Länge online zu sehen: www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/mediathek

Bereits zum sechsten Mal ha-ben sich am 3. September 2015 Wissenschaftler aus den in Nordrhein-Westfalen ansässigen Leibniz-Instituten unter dem Motto „Leibniz im Landtag“ mit Politikern in Düsseldorf zum Dialog getroffen. Landtagsab-geordnete aller Parteien waren eingeladen, zentrale Themen mit fachkundigen Gesprächs-partnern zu erörtern. Gleichzei-tig konnten sie sich ein Bild von der Vielfalt der wissenschaft-lichen Expertise der Leibniz-Institute in NRW machen. In

Wissenstransfer leichtgemacht

44 Gesprächen berieten rund 30 Wissenschaftler die Abgeord-neten zu Bildung und Gesell-schaft, Gesundheit, Science 2.0 und Digitale Welt, Stadt und Raum, Umwelt und Nachhal-tigkeit sowie Wirtschaft und Strukturwandel. Auf diesem Weg fanden wissenschaftliche Erkenntnisse direkt den Weg aus den Leibniz-Forschungs-stätten zu politischen Entschei-dungsträgern – gleichzeitig konnten die Wissenschaftler vom Feedback der Abgeordne-ten profitieren.

Hanna Frings vom RWI Essen informiert bei „Leibniz im Landtag NRW“ über mögliche Auswirkungen des Mindestlohns.

Frühe Bildung besser machenDer Kita-Streik war just vorüber, aber damit nur eine von vielen Herausforde-rungen der frühen Bildung in Deutsch-land gelöst, als die Leibniz- Gemeinschaft ihren diesjährigen Parla-mentarischen Abend diesem Thema widmete. Über die Rolle der politischen Akteure bei der Quali-tät der frühen Bildung und über die Beiträge, die die Wissenschaft zu dem Thema liefern kann, diskutierten drei renommierte Bildungsforscher aus Leibniz-Instituten mit zwei Bundestags-abgeordneten und einer Vertreterin des Bundesfamilienminis-teriums.

Ein Video-Mit-schnitt der Diskus-sion steht online zur Verfügung:www.leibniz-gemein-schaft.de/medien/mediathek/

Mehr Platz für ArchäologieIn Mainz entsteht ein neues Archäologisches Zentrum am südlichen Ende der Altstadt. Im September haben die Arbeiten am ersten Bauabschnitt begonnen. Er sieht einen Neubau für das Römisch-Germanische Zentralmuseum – Leibniz-Forschungsin-stitut für Archäologie vor. Mit einer Brutto-grundrissfläche von 14.500 Quadratmetern auf vier oberirdischen und einem unterirdi-schen Geschoss wird das Gebäude viel Platz für die archäologi-sche Forschung und das neu gestaltete Museum bieten. In unmittelbarer Nähe des Neubaus befinden sich die Ruinen des römischen Theaters und des Drusussteins sowie das Museum für Antike Schiffahrt des RGZM, das nach Abschluss der Bau-maßnahmen ebenfalls in das Archäologische Zentrum integriert sein wird.http://azm.rgzm.de

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Hans-Werner Sinn: Wie im Vorjahr wieder ganz vorn: der Präsi-dent des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München.

Auf dem „Bronze-Rang“ landet Marcel Fratz-scher, seit 2013 Präsident des Deutschen Instituts

für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin.

Clemens Fuest leitet das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in

Mannheim und ist designierter Nachfolger von Hans-Werner Sinn am ifo Institut ab

Frühjahr 2016.

Claudia Kemfert ist die einfluss-reichste Ökonomin Deutschlands und leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am

DIW Berlin.

Christoph Schmidt ist Präsident des Rheinisch-Westfä-lischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen und Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung

der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“).

Ein Klimaforscher auf Rang 14: Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor und Chefökonom des

Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

Ludger Wößmann ist Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik am ifo-Institut in München.

Ein Amerikaner blickt von der Kieler Förde auf die Weltwirtschaft: Dennis Snower, Präsident des Instituts für

Weltwirtschaft.

Gert Wagner ist Vorstandsmitglied am DIW Berlin und Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesre-

gierung und des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten.

ListeGut gewirtschaftet

In ihrem jährlichen Ökonomen-ranking bewertet die Frankfurter

Allgemeinen Zeitung die kombi-nierte Wirkung von Wirtschafts-forschern in Medien, Politik und Forschung. Wissenschaftler der

Leibniz- Gemeinschaft sind zahl-reich und ganz vorne vertreten.

Chef-Visite in BremerhavenBundespräsident Joachim Gauck hat an Bord der „Grönland“ (ww2.dsm.museum/groenland/) des Deutschen Schiffahrtsmuse-ums – Leibniz-Institut für deutsche Schiffahrtsgeschichte (DSM) das maritime Festival SAIL Bremerha-ven 2015 eröffnet. Rechts neben dem Bundespräsidenten: DSM-Direktorin Sunhild Kleingärtner, links Karin Lochte, Direktorin des benachbarten Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeres-forschung der Helmholtz-Gemein-schaft.

Raumwissenschaftler unter neuem NamenDas Leibniz-Institut für Regional-entwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner bekommt zum Jahresende 2015 einen neuen Namen. Die Mitgliederversamm-lung des IRS e.V. beschloss im September die Umbenennung in „Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung“. Den alten Namen hatte das Institut seit seiner Grün-dung 1992 geführt. „Den neuen Namen sehe ich als Meilenstein in der Entwicklung des Instituts an“, sagt die IRS-Direktorin Heide-rose Kilper. „Er verweist auf die dynamische Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems, zu der wir durch die fortwährende Formu-lierung und Erschließung neuer Forschungsthemen und -gebiete beitragen.“ Aus einem praktisch ausgerichteten Institut, welches die räumliche Entwicklung und Planung der neuen Bundesländer in der Transformationszeit nach der Wiedervereinigung begleiten sollte, ist in den vergangenen 23 Jahren ein international ausgerichtetes Forschungsinstitut geworden, das die Raumkontexte und -bezüge so-zialen Handelns erforscht. „Endlich steht auch drauf, was im IRS schon seit Jahren drin steckt“, so Kilper. Das Akronym IRS bleibt bestehen, der englische Name lautet zukünf-tig „Leibniz Institute for Research on Society and Space“.www.irs-net.de http://bit.ly/Oekonomen-Ranking_2015

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Verlosung

3 Exemplare des Buches „Franz Josef Strauß: Herrscher und Rebell“ von Horst Möller(3 Buchvorstellung auf S. 55).Stichwort: „Strauß“

3 Exemplare des Buches „Die Herrscher der Welt: Wie Mikroben unser Leben be-stimmen“ von Bernhard Kegel(3 Buchvorstellung auf S. 55).Stichwort: „Mikroben“

Teilnahme unter Nennung von Stichwort, Name und Post-anschrift per E-Mail an:[email protected]: 13. Dezember 2015Die Gewinner erklären sich im Falle des Gewinns mit der Nennung ihres Namens und Herkunftsortes im nächsten Leibniz-Journal einverstanden.

Die Gewinner der Verlosungen aus dem Heft 2/2015:

Jeweils ein Exemplar des Buches „Ruder-,Sport‘ im Altertum. Facetten von Wettkampf, Spiel und Spektakel“ geht an: Willy Wuttke aus Esslingen, Dieter Reger aus Nürnberg, Nicolai Hauf aus Leipzig, Peter Meincke aus Hamburg so-wie Ilona Fitzian-Wenzel aus Lage.Ein Exemplar des Begleitbandes zur Ausstellung im Deut-schen Museum „Willkommen im Anthropozän. Unsere Ver-antwortung für die Zukunft der Erde“ erhalten:Adriana Marquardt aus Berlin, Uwe Bosselmann aus Eg-genstein-Leopoldshafen sowie Stefanie Feuerstein aus Leipzig.

Koordinierungs-stelle für UN-Konvention zur BiodiversitätDie Leibniz-Gemein-schaft empfiehlt eine unabhängige Koor-dinierungsstelle zur Einhaltung der Ziele des Nagoya-Proto-kolls, um die Umset-zung der UN-Konven-tion zur biologischen Vielfalt sicherzu-stellen. Sie begrüßt das Bestreben nach international einheit-lichen Regelungen zum Umgang mit genetischen Ressour-cen ausdrücklich.Leibniz unterstützt, dass die jeweiligen Herkunftsländer an der Erforschung und Wertschöpfung aus den dort vorkommen-den Organismen und genetischen Ressour-cen beteiligt (Access and Benefit-Sharing, ABS) und damit die Ziele der Convention on Biological Diver-sity (CBD) und des Nagoya-Protokolls umgesetzt werden. Mit größter Sorge wird allerdings die Einbeziehung der gesamten öffentlich finanzierten, bio-logischen Grundla-genforschung in die Kategorie „Nutzer genetischer Ressour-cen“ gesehen. Denn

es zeichnen sich erhebliche Mehrkos-ten für die Erfüllung der Verpflichtungen ab, die sich aus der Umsetzung der EU-Verordnung Nr. 511/2014 und aus der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls für die biowissenschaft-liche Grundlagener-forschung ergeben. http://bit.ly/ Leibniz_Nagoya

87.000 Besucher auf dem Wissen-schaftsschiff Nach fünf Monaten, 40 Städten, 4.000 Kilometern und 87.000 Besuchern hat das Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“ Ende September seine diesjährige Tour durch Deutsch-land und Österreich beendet. Im Wissen-schaftsjahr 2015 drehte sich an Bord alles um die Stadt von morgen mit aktueller Forschung zu Mobi-lität und Vernetzung, Energie und Klima, neuen Wohnfor-men oder soziale und wirtschaftliche Entwicklungen. Die von „Wissenschaft im Dialog“ konzipierte Ausstellung zeigte un-ter anderem Beiträge aus acht Leibniz-Instituten.

Arbeiten bei LeibnizDie 89 Institute der Leibniz-Gemeinschaft beschäftigen 18.100 Mitarbeiter, darunter 3.000 Doktorandinnen und Doktoranden und zahlreiche Auszubildende.

Suchen Sie Ihre Zukunft unterwww.leibniz-gemeinschaft.de/stellenportal

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Leibniz-Journal

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Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

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UmweltMut zur Dunkelheit

BiophotonikOptische Bakterien-Killer

ByzanzMystisches Leuchten

ForscherkarriereChance oder Ausbeutung?

Erhellend Licht strahlt überall in unserem Leben

Leibniz-Journal

4/2013

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

G 4

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FeinstaubWenn Luft krank macht

Drohnen„Saubere“ Kriege oder Kriegsverbrechen?

ÄgyptenRecherchen bei den Muslimbrüdern

Ausstellung100 Jahre Jugendbewegung

Wie kleinste Partikelgrößte Probleme bereiten

Luftanhalten.

Leibniz-Journal

1/2014

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

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Big DataGoldrausch in Datenbergen?

Science 2.0Wissenschaft und Social Media

KubaBloggen für mehr Freiheit

AffengesellschaftDie Primatenforscherin Julia Fischer

Wie die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert

MenschDer

MenschDer

vernetzte

Das

Leibniz-Journal,

viermal im

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IMPRESSUM

Herausgeber:Der Präsident der Leibniz-GemeinschaftMatthias KleinerChausseestraße 111, 10115 BerlinTelefon: 030 / 20 60 49-0Telefax: 030 / 20 60 49-55www.leibniz-gemeinschaft.de

Redaktion:Christine Burtscheidt (Chefredakteurin), Christoph Herbort-von Loeper (C.v.D.), David Schelp, Lena Leisten, Nora Tyufekchieva (Grafik), Steffi Kopp (Assistenz)[email protected]

Anzeigen:Axel Rückemann, [email protected]

Layout:Stephen Ruebsam, unicom-berlin.de

Druck:PRINTEC OFFSET – medienhaus, KasselNachdruck mit Quellenangabe gestattet,Beleg erbeten.

Auflage: 29.500Ausgabe 3/2015: Oktoberwww.leibniz-gemeinschaft.de/journal

Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich.Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos unter [email protected] abonniert werden. ISSN: 2192-7847

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Leibniz-Journal

Die Leibniz-Gemeinschaft — 89 Mal Forschung zum Nutzen und Wohl der Menschen:

Die Leibniz-Gemeinschaft zählt 89 selbständige Forschungseinrichtun-gen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umwelt-wissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesell-schaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie un-terhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsba-sierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirt-

schaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Ihre Institute un-terliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemein-sam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der In-stitute liegt bei 1,64 Milliarden Euro.

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Mit ihren LeserInnen teilt die taz Informationen und Ideale. Die taz.am wochenende ist die tazfür die freien Tage. Und für freie Gedanken.

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Franz Joseph Strauß – wem ist der Name die-ses temperamentvollen, herausragenden wie skandalumwitterten Politikers kein Begriff? Als langjähriger Vorsitzender der CSU, als Atom-, Verteidigungs- und Finanzminis-ter wie auch bayerischer Ministerpräsi-dent prägte er mehr als 40 Jahre das po-litische Geschehen in Deutschland. Sein facetten reiches Leben einzufangen, ist eine Herausforderung. Der Historiker Horst Möl-ler, ehemaliger Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, hat sich ihr gestellt und zum 100. Geburtstag des Poli-

Ist die „Revolution in der Glotze“ ein Mythos oder waren die Fernsehberichterstattungen Ende der 1980er Jahre tatsächlich Anstoß für den Fall der Mauer? Um diese Frage zu klären, erzählt Thomas Großmann in seiner Dissertation die Geschichte der friedlichen Revolution aus den Blickwinkeln der Tages-schau, der Aktuellen Kamera oder dem Heu-te Journal und analysiert die Reaktionen der DDR-Bürger auf Fernsehberichterstattungen aus Ost und West. Insbesondere stützt er seine Arbeit auf Ereignisse der Revolution, die ohne Medien gar nicht oder ganz anders stattgefunden hätten; darunter der symbo-lische Durchschnitt des Stacheldrahtzauns zwischen Ungarn und Österreich durch

tikers eine umfassende Biographie verfasst. Im Gegensatz zu anderen Strauß-Biographien konnte er bei seinen Recherchen erstmals auf den schriftlichen Nachlass zurückgreifen, der 300 Regalmeter umfasst. So gelingt es dem Historiker, ein weitaus fundierteres Bild von Strauß zu vermitteln, als mit den Stereotypen konservativ, bayrisch und katholisch erfasst wäre. Neben Anschuldigungen und Klischees geht Möller auch auf den intellektuellen und vielschichtigen Charakter dieses Politikers ein, der aus der Geschichte der Bundesrepublik nicht wegzudenken ist. lena leisten

die Außenminister der beiden Länder 1989. Um diese mediale Episode der Geschichte zu konstruieren, wurde der schon längst abge-baute Zaun wieder zusammengeflickt. In seiner Fernsehanalyse kann Großmann schließlich nachweisen, dass die Berichterstattungen im Fernsehen die Entwicklung und die Abläufe der Revolution nicht als stiller Zeuge begleitet, sondern immens beeinflusst haben. Als einzi-ge Informationsquelle für viele DDR-Bürger schaffte das Fernsehen ein Krisenbewusstsein, verschärfte dies und dynamisierte so den Un-mut mit und die Proteste gegen das SED-Re-gime, die schließlich die Mauer zum Einsturz brachten.

alessa wendland

Bernhard Kegel: Die

Herrscher der Welt: Wie

Mikroben unser Leben

bestimmen; 382 Seiten,

DuMont Buchverlag, Köln

2015; 22,99 Euro

ISBN: 978-3832197735

Horst Möller: Franz Josef

Strauß: Herrscher und

Rebell; 832 Seiten, Piper-

Verlag, München/Berlin

2015; 39,99 Euro

ISBN: 978-3492056403

Thomas Großmann:

Fernsehen, Revolution und

das Ende der DDR; 293

Seiten, Wallstein Verlag,

Göttingen 2015; 34,90 Euro

ISBN: 978-3-8353-1596-9

(2015)

Mikroben sind die eigentlichen „Herrscher der Welt“. Diese These formuliert Bernhard Kegel schon im Titel seines neuen Buchs. Dass Mikroorganismen mehr als Krank-heitserreger sind und für unser Leben eine wichtige Rolle spielen, ist inzwischen allge-mein bekannt, unterstützen sie doch unsere Verdauung, schulen unser Immunsystem und vieles mehr. Bernhard Kegel geht aber noch weiter: „Kein Lebewesen ist mit sich allein“, sagt er und konfrontiert uns damit, dass wir alle „Holobionten“ seien. Eine Art komplexer Super-Organismus aus einem Wirt und allen mit ihm zusammenhängen-den Mikroganismen, deren Interaktion viel

umfassender ist, als wir uns das vorstellen. Um das Prinzip des Holobionten zu erklären, widmet Kegel ein Kapitel den Steinkorallen, die ein Paradebeispiel für eine Symbiose mit Algen und Bakterien sind.

Für seine Recherchen begleitete der pro-movierte Biologe Wissenschaftler des Bremer Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie zur Meeresforschungsstation in Akaba (Jor-danien). Dort nähert er sich nicht nur dem Prinzip Holobiont , sondern gewährt auch Ein-blicke in Herausforderungen und Alltag von Forschungsexpeditionen.

christoph herbort-von loeper

Abb:

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Wir ver-losen je-weils drei Exemplare der Bücher „Die Herrscher der Welt“ und „Franz Josef Strauß – Herrscher und Rebell“ 3 S. 52

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N A C H R I C H T E NL E I B N I Z | L E U T E

Die Chemikerin Prof. Dr. Arán-zazu del Campo Bécares ist seit September zweite wissenschaft-liche Geschäftsführerin des INM – Leibniz-Institut für Neue Mate-rialien in Saarbrücken. Gleichzei-tig übernahm sie eine Professur für Materialsynthese an der Uni-versität des Saarlandes. Am INM möchte sie Impulse für das Leit-thema Medizinische Oberflächen setzen. Die gebürtige Spanierin interessiert sich für die Gewebe-struktur, die Zellen miteinander verbindet. Dazu arbeitet sie an künstlichen, nachgebauten Mo-dellsystemen, die nach dem Vor-bild der Biologie funktionieren.

Aránzazu del Campo stu-dierte Chemie an der Univer-sidad Complutense in Madrid

und promovierte hier 2000 am Instituto de CyT de Polímeros. Danach arbeitete sie als Post-Doc am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und an der Universität Urbino (Italien). Zuletzt wirkte sie seit 2009 als Minerva-Forschungs-gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Polymer forschung und leitete dort die For-schungsgruppe Dynamic Bio in- terfaces. Del Campo wurde mehr-fach für ihre wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet – unter an- derem erhielt sie das Marie Cu-rie Fellowship der Europäischen Kommission, das Minerva Fellow-ship der Max-Planck-Gesellschaft sowie den BMBF-Preis im In-novationswettbewerb Medizin- Fo

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Prof. Dr. Sascha Steffen hat im September den Forschungsbereich „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“ am Zentrum für Euro-päische Wirtschafts-forschung und tritt ab Januar 2016 zusätzlich eine Professur an der betriebswirtschaft-lichen Fakultät der Universität Mannheim an.

Der Direktor der ZBW-Leibniz-Informations-zentrum Wirtschaft, Prof. Dr. Klaus Tochtermann, ist von der Europäischen Kommission als eins von zehn Mitgliedern der High Level Expert Group „European Open Science Cloud“

ernannt worden, die die Kommission hin-sichtlich Forschungs-dateninfrastrukturen strategisch beraten soll.

Prof. Dr. Susanne Renner, Direktorin der Botanischen Staatssammlung Mün-chen, ist als neues Mit-glied in den Senat der Leibniz-Gemeinschaft gewählt und gleichzei-tig in den Senatsaus-schuss Evaluierung entsandt worden.

Der Chemiker Dr. Florian Kloß vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Insti-tut hat den diesjährigen Promotionspreis der Chemisch-Geowissenschaftlichen Fa-kultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena für seine Arbeit am Wirkstoff Closthio-amid erhalten. Dieser wird von dem Bakte-rium Clostridium cellulolyticum produziert, das im Erdboden heimisch ist. Damit ist

Closthioamid der erste Naturstoff, der aus ei-nem sauerstofffeindlichen Bakterium gewon-nen wurde, und gehört zu einer völlig neuen Klasse. Der Wirkstoff weist einen ganz neuen Wirkmechanismus gegen andere Bakterien auf und wäre so beispielsweise in der The-rapie gegen multiresistente Keime nutzbar. Florian Kloss gelang es unter anderem, den Naturstoff chemisch herzustellen und Teile seines Wirkmechanismus zu untersuchen.

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Die Veterinärmedizinerin und Physikerin Prof. Dr. Susann Boretius hat die Professur für Funktionelle Bildgebung an der Universität Göttingen angetre-ten, welche die Universität ge-meinsam mit dem Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) neu eingerichtet hat. Bo-retius hat auch die Leitung der neuen Abteilung Funktionelle Bildgebung in der Sektion Neu-rowissenschaften des DPZ über-nommen. In der Abteilung sollen die Strukturen und Funktions-weisen des Primatengehirns mit Hilfe magnetresonanztomografi-scher Bildgebung erforscht wer-den. Susann Boretius forschte am Max-Planck-Institut für Biophy-sikalische Chemie in Göttingen und war seit 2011 Professorin für Biomedizinische Bildgebung an der Christian-Albrechts-Uni-versität zu Kiel.

Matthias Winker ist neuer administrativer Vorstand des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam. Matthias Winker stu-dierte Ingenieurwissenschaften an der Technischen Universität Dresden und Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Donau-Universität Krems in Österreich. Nach diversen Leitungsfunktionen an der TU Dresden im wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Bereich war er zuletzt im Säch-sischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst im Büro des Staatssekretärs tätig. Hier übernahm er Verantwortung in den Bereichen Strategieentwick-lung, Europäische- und Internati-onale Angelegenheiten.Fo

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Prof. Dr. Ulrike Haug hat im September die Professur für Kli-nische Epidemiologie und Phar-makoepidemiologie an der Uni-versität Bremen übernommen, die mit der Leitung der Abtei-lung „Klinische Epidemiologie“ am Leibniz-Institut für Präventi-onsforschung - BIPS verbunden ist. Nach ihrem Pharmazie-Stu-dium in Würzburg promovierte Haug am Deutschen Zentrum für Alternsforschung an der Univer-

sität Heidelberg. Im Anschluss forschte sie am Deutschen Krebsforschungszentrum und habilitierte sich im Jahr 2013 im Fach Epidemiologie. Ein wichti-ger Forschungsschwerpunkt von Ulrike Haug ist die Darmkrebs-früherkennung. Zukünftig wird sie aber auch den Forschungs-schwerpunkt der Abteilung, die Arzneimittelanwendung und –si-cherheit (Pharmakoepidemiolo-gie) in den Fokus nehmen.

Der Neurologe Prof. Dr. Michael Nitsche wird am Leibniz-Insti-tut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) den For-schungsbereich „Psychologie und Neurowissenschaften“ auf-bauen. Mittels Hirnstimulation will er das Wissen über Aufbau, Funktion und Interaktion be-stimmter Gehirnareale vertie-fen; unter anderem forscht er an möglichen Therapien für Schlag-anfallpatienten. Michael Nitsche studierte Psychologie und Me-

dizin in Göttingen und arbeite-te anschließend als Arzt in der Klinik für Klinische Neurophy-siologie in Göttingen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zäh-len Epileptologie, Neuroplastizi-tät, Neuropsychopharmakologie, kognitive Neurologie und nicht-invasive Hirnstimulation. 2006 erhielt Nitsche die Lehrberech-tigung für das Fach Neurologie. Am IfADo tritt Nitsche die Nach-folge von Prof. Dr. Herbert Heuer an, der im Jahr 2014 emeritierte.

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Dr. Carsten Rauch, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leib-niz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main, hat für seine Disserta-tion zum Thema „On Peaceful Power Transi-tion – Die Machtüber-

gangstheorie, das Konzept des friedli-chen Machtübergangs und der weltpolitische Aufstieg Indiens“ einen der mit 4.000 Euro dotierten Preise der Stiftung Überle-bensrecht erhalten.

Prof. Dr. Marcus Altfeld, Leiter der Abteilung Virusimmu-nologie am Heinrich - Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Viro-logie in Hamburg, hat für seine Forschung zum angeborenen und adaptiven Immunsys-tem bei einer HIV- Infektion den mit 15.000 Euro dotierten Heinz-Ansmann-Preis für AIDS-Forschung erhalten. Dieser gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen in der AIDS-Forschung im deutschsprachigen Raum.

Die Biologin Prof. Dr. Julia Fischer, Abteilungsleite-rin am Deutschen

Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen, ist für das Fach Zoologie in den Senat der Deut-schen Forschungs-gemeinschaft gewählt worden. Der Senat berät und beschließt als zentrales wis-senschaftliches Gremium über alle Angelegenheiten der DFG von wesentlicher Bedeutung.

Dr. Maren Carsten-sen-Kirberg, Nach-wuchswissenschaft-lerin am Deutschen Diabetes-Zentrum - Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung in Düsseldorf, ist mit dem MTZaward 2015 der Heinrich-Heine-Universität ausge-zeichnet worden. Sie beschäftigt sich mit der Identifikation neuer Entzündungs-

proteine, die bei der Entstehung des Typ-2-Diabetes eine Rolle spielen und ein verändertes Diabetes-risiko anzeigen.

Prof. Dr. Harald Müller (Foto) hat zum 30. September 2015 nach fast 20 Jahren das Amt als geschäftsführendes Vorstands-mitglied des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) an Prof. Dr. Klaus Dieter Wolf übergeben, der bisher stellver-tretendes geschäftsführendes Vorstandsmitglied war. Harald Müller trat bereits nach seinem Studium an der Goethe-Univer-sität Frankfurt im Jahr 1976 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die HSFK ein und übernahm deren Leitung im Januar 1996.

Prof. Dr. Alexandra M. Freund, Professorin für Entwicklungs- psychologie an der Universität Zürich, forscht seit Septem- ber 2015 für ein Jahr am Deut-schen Primatenzentrum – Leib- niz-Institut für Primatenfor-schung in Göttingen (DPZ). Er-möglicht wird der Aufenthalt durch den Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung, der es ausländischen Wissenschaftlern ermöglicht,

ein Forschungsvorhaben ihrer Wahl mit deutschen Fachkol-legen durchzuführen. In der Abteilung Kognitive Ethologie des DPZ will Alexandra Freund nun gemeinsam mit der Verhal-tensforscherin Julia Fischer die altersabhängige Ausprägung so-zialer Beziehungen bei Affen un-tersuchen. Alexandra M. Freund ist seit 2005 als Psychologie-Professorin an der Universität Zürich tätig.

In seine Amtszeit fiel unter an-derem die Aufnahme der HSFK in die Leibniz-Gemeinschaft. Für ein weiteres Jahr bleibt Harald Müller Leiter des Programmbe-reichs „Sicherheits- und Welt-ordnungspolitik von Staaten“ und Mitglied des Vorstands. Klaus Dieter Wolf ist seit 1992 Professor für Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft der Tech-nischen Universität Darmstadt und seit 2005 an der HSFK, wo er den Programmbereich „Pri-vate Akteure im transnationalen Raum“ leitet.

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