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Klausur S 517 StrafrechtWS 2014/2015Friedrich Toepel
0-3 4-6 7-9 10 1164 30 7 1 1
103 Teiln.
Unter 4: 62,14%
3,7
• A. Strafbarkeit des L
• I. §§ 223 I, 340 I, 13 I StGB• dadurch dass L die weiteren Schläge
des X gegen Y nicht verhinderte
• 1. Objektiver Tatbestand
• a. Körperliche Misshandlung durch Unterlassen +
• b. objektive Zurechenbarkeit• X = absichtlich gehandelt.
• aber kein Regressverbot zugunsten des L
• Pflicht des L war gerade, derartige körperliche Beeinträchtigungen zu unterbinden
• b. Garantenstellung• traditionelle Rechtsquellenlehre: • aus fünf unterschiedlichen
Rechtsquellen (aus Gesetz, Vertrag, tatsächlicher Übernahme, engen Lebensgemeinschaften und Ingerenz)
• Vorliegend: verpflichtet den L seine Stellung als Beamter im Schuldienst (gesetzlich)
• Darüberhinaus: Pausendienst tatsächlich übernommen,
• Funktionenlehre (Armin Kaufmanns):• Garantenstellung dem Umfang nach als
Beschützergarantenstellung (Garant hat die Pflicht, das Rechtsgut gegen Gefahren aus allen Richtungen zu schützen)
• Überwachergaranten (alle Rechtsgüter gegenüber Gefährdungen zu schützen, die aus einer Gefahrenquelle stammen)
• L = Beschützergarant
• c. Abgrenzung von Täterschaft durch Unterlassen und Beihilfe durch Unterlassen
• Körperverletzungserfolg dem L auch als Täter objektiv zurechenbar?
• aa) Rspr.• auch im Unterlassungsbereich nach
den traditionellen Kriterien ab, die für das positive Tun vertreten werden
• schwankt zwischen subjektiver Theorie und Tatherrschaftslehre.
• subjektive Theorie: • Wegschauen = L will sich nicht mit der
Tat des S identifizieren
• also nur Teilnehmerwille• Tatherrschaftslehre:• vertretbar, dass mangelnde
Übernahme der Verantwortung dem L nur als Teilnehmer anzulasten ist
• Gegenteil ist bei entsprechender Argumentation vertretbar, z. B. wenn Unterlassungsdelikte mit Roxin als Vertreter der Tatherrschaftslehre als Pflichtdelikte betrachtet werden, Roxin, AT II § 31 Rz 140 ff.
• Gegen diese Auffassung einzuwenden:
• subjektive Theorie stets systematisch nicht überzeugend, Tatherrschaftskriterium passt beim Unterlassen, da der Unterlassende das Geschehen gerade nicht wie ein durch positives Tun handelnder Täter in den Händen hält
• bb) Unterscheidung nach der Funktionenlehre
• Beschützergarant = regelmäßig Täter, Überwachungsgarant Teilnehmer
• plausibel, da der Beschützergarant umfassend die Rechtsgüter des Opfers vor Schaden zu bewahren hat
• L hat Obhutspflichten gegenüber dem Y und ist insofern Täter der begangenen Körperverletzung.
• d. Amtsträgereigenschaft• L = als Realschullehrer Beamter,
Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB;
• auch in Ausübung seines Dienstes gehandelt
• 2. Subjektiver Tatbestand• +• 3. Rechtswidrigkeit und Schuld +• 4. Ergebnis• §§ 223 I, 340 I, 13 I StGB Strafbarkeit
+• [Wer Gehilfenstellung des L
angenommen hat: Amtsträger-eigenschaft des L = besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 II StGB dar, daher Anwendbarkeit des § 340 I StGB, strafschärfend]
• II. § 138 I StGB / §§ 138 I, 22, 23 I und III StGB
• 1. Strafbarkeit nach § 138 I StGB• von L unterlassene Anzeige ist nicht von §
138 I StGB erfasst• strafrechtlich relevant lediglich
Unterlassungen, die bevorstehende Taten betreffen,
• müssen freilich u.U. aufgrund interner verwaltungsrechtlicher Regelungen gemeldet werden, aber nicht strafbewehrt. Ergebnis: § 138 I StGB -
• 2. Strafloses Wahndelikt• subjektive Vorstellung des L, sich strafbar
zu machen:• führt nicht zur Strafbarkeit• L stellt sich einen nicht existierenden
Straftatbestand vor. • = Wahndelikt• [Kontrast zum untauglichen Versuch: • Täter des untauglichen Versuchs irrt sich
über den Sachverhalt, glaubt, der Sachverhalt sei so, dass er einen Straftatbestand verwirkliche. Das Recht hat der Täter verstanden.
• 1. Irrtum über Sachverhalt,Straftatbestand nicht zu verwirklichen, entlastet (Tatbestandsirrtum).
• 2. Irrtum über Sachverhalt, Straftatbestand zu verwirklichen, belastet (untauglicher Versuch).
• 3. Irrtum über die Rechtslage, Straftatbestand nicht zu verwirklichen entlastet nicht (Verbotsirrtum, idR, wenn der Verbotsirrtum vermeidbar ist).
• 4. Irrtum über die Rechtslage, Straftatbestand zu verwirklichen, belastet nicht (Wahndelikt).]
• III. §§ 258 I, 13 I StGB• 1. Objektiver Tatbestand• a. Strafvereitelung durch Unterlassen• L hat bewusst nichts unternommen, damit
X bestraft/kriminalrechtlicher Maßnahme unterworfen wird.
• b. Garantenstellung• Lehrer nicht eine derartige Stellung, die
ihn generell dazu verpflichtet, Straftaten der von ihnen beaufsichtigten Schüler anzuzeigen
• Nur verwaltungsinterne Meldepflichten.
• Diese dienen aber der Wahrung der Behördenbelange und der verwaltungsinternen Hierarchieordnung, nicht der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs
• Also: L hatte keine Anzeigepflicht und damit auch keine Garantenstellung im Sinne des § 13 I StGB.
• 2. Ergebnis• §§ 258 I, 13 I StGB -
• IV. § 267 I Var. 2 und Var. 3, III 2 Nr. 4 StGB
• durch die nachträgliche eigenmächtige und unrichtige Eintragung des K in den Aufsichtsplan
• 1. Objektiver Tatbestand• a. Urkunde• Aufsichtsplan = Urkunde? Def.:• verkörperte Gedankenerklärung, • zum Beweis geeignet und bestimmt ist • und ihren Aussteller erkennen lässt
• Aufsichtsplan = rechtserhebliche schriftliche Erklärung des S hinsichtlich der Zuständigkeit für die Aufsicht dar
• aus der Einteilung wird auf die abgeleistete Aufsicht geschlossen
• durch die Unterschrift des S: Aussteller des Plans ersichtlich
• Urkunde + • b. Verfälschen• zunächst auch von L verfälscht worden, • weil L unterschob der Erklärung des S
einen Inhalt unterschob, der von S nicht konsentiert war.
• Änderung erst nach der betreffenden Pause erfolgte, konnte sie nur noch im Hinblick auf den Nachweis der tatsächlich durchgeführten Aufsicht relevant sein.
• Fraglich: bei späterer Besprechung S durch sein Nichtstun sein Einverständnis mit der Veränderung des Aufsichtsplans erklärt?
• Dann möglicherweise nur schriftliche Lüge?
• Einverständnis des S hätte aber bereits zu Tatbeginn vorliegen müssen!
• L hatte manipuliert, ohne die Haltung des S zu kennen.
• Zudem: Untätigkeit des S Zustimmung • Urkunde verfälschen +• c. Gebrauchen• L hat die verfälschte Urkunde auch der
Wahrnehmung gegenüber anderen zugänglich gemacht wird: 3. Var. des § 267 I StGB +
• 2. Subjektiver Tatbestand• vorsätzlich +
• Absicht zur Täuschung im Rechtsverkehr: +,
• L wollte Verdacht der ermittelnden Polizei auf K lenken
• 3. Rechtswidrigkeit und Schuld +• Ergebnis: 267 I 2. und 3. Var. StGB + • einheitliche Tat• (Z. B.: 2. Var. tritt hinter der 3. Var. in
Gesetzeskonkurrenz (Konsumtion) als mitbestrafte Vortat zurück
• oder beide Varianten bilden materiellrechtlich eine Handlung im natürlichen Sinne.)
• IV. Besonders schwerer Fall gem. § 267 III 2 Nr. 4 StGB
• L = Amtsträger gemäß § 11 I Nr. 2 a) StGB• L nicht befugt, den Aufsichtsplan
eigenmächtig zu verändern, • Missbrauch seiner Befugnisse daher –• Aber: Stellung als Lehrer eröffnete die
Möglichkeit, den Aufsichtsplan zu manipulieren = Missbrauch isv § 267 III Nr. 4, 2. Alt. StGB
• Vorsatz + • Strafbarkeit gemäß § 267 I Alt. 2, III 2 Nr. 4
StGB +
• V. § 271 StGB• -, Aufsichtsplan keine öffentliche Urkunde,
die Beweis für und gegen jedermann erbringt, vgl. § 415 I ZPO.
• VI. § 164 I StGB • (aufgrund der Manipulation des
Pausenplans) • 1. Fehlende Vollendung• mittelbare Verdächtigung des K, seine
Dienstpflicht als Lehrer verletzt oder Körperverletzung durch Unterlassen begangen zu haben?
• auch wider besseres Wissen +• war L bekannt, dass K im Falle einer
Planüberprüfung zumindest vorübergehend verdächtigt werden würde.
• Verteidigung des L ging über ein – für sich strafloses – indirektes Leugnen oder Abstreiten hinaus.
• Aber: Tat nicht vollendet, da die Tatsachenbehauptung den Ermittlungsbeamten noch nicht zugegangen
• daher: objektiver Tatbestand des § 164 I StGB nicht erfüllt!
• 2. Ergebnis• L hat sich nicht gemäß § 164 I StGB
strafbar gemacht.• VII. § 145d II Nr. 1 StGB• greift aus dem gleichen Grunde nicht ein: • falsche Beweislage gelangte nie zur
Kenntnis der Ermittlungsbehörde• Versuch ist wiederum nicht strafbar.• VIII. Gesamtergebnis zur Strafbarkeit
des L• §§ 223 I, 340 I, 13 I; 267 I Alt. 2, III Nr. 4;
53 StGB
• B. Strafbarkeit des S• I. § 267 I Var. 2 und 3, III 2 Nr. 4 i.V.m. §
13 I StGB• 1. Urkunde• Aufsichtsplan = Urkunde, die der L durch
das Vertauschen der Namensetiketten verfälscht hatte (siehe oben).
• 2. Garantenstellung des S• ergibt sich aus seiner
Organisationsaufgabe als Schulleiter, der die betreffenden Unterlagen ordnungsgemäß zu führen und in ordnungsgemäßem Zustand zu halten hat
• Darüber hinaus: als Behördenleiter eine Fürsorgepflicht für die ihm unterstellten Lehrer.
• Im Rahmen dieser Fürsorgepflicht auch dazu verpflichtet, Lehrer vor falschen Verdächtigungen, zu bewahren.
• Daher: S = Beschützergarant.• 3. Verfälschen durch Unterlassen• S hat zunächst nichts unternommen, die
Manipulation rückgängig zu machen.• Aber: S = Aussteller der Urkunde!
• a. Möglichkeit des Verfälschens durch den Aussteller
• dann nicht, wenn man 2. Var. als Unterfall der 1. Var. betrachtet.
• Dann lediglich Identitätstäuschungen tatbestandsmäßig.
• Anders, wenn Verfälschen ein eigenständiges Verbrechensmerkmal enthält
• Aussteller wäre dann strafbar, sobald er die Dispositionsmöglichkeit über die Urkunde verloren hat.
• Dispositionsmöglichkeit eingeschränkt, sobald - ein anderer ein Beweisführungsrecht an der Urkunde erlangt hat.
• Aufsichtsplan diente nach der Ableistung der Aufsichten als Nachweis.
• An diesem Nachweis haben die Lehrer zu ihrer Entlastung in rechtlichen Streitfragen auch ein erhebliches Interesse.
• S hätte nach dieser Ansicht nicht mehr die alleinige Verfügungsmacht über den Aufsichtsplan
• Verfälschung dann möglich
• Streitentscheidung erforderlich• zweiten Ansicht:• führt zu einem gespaltenen
Echtheitsbegriff • erstgenannte Ansicht: „Verfälschung“
neben der Variante der „Herstellung“ keine eigene Bedeutung
• b. Vollendetes Verfälschen/Gebrauchmachen durch Unterlassen?
• Korrektur des Plans durch den S verhindert Vollendung?
• Noch vor der Korrektur des Plans:• K bereits in Beweisnot. E• spätere Korrektur des Plans ändert also
nichts daran, dass S unerlaubtes Risiko geschaffen
• Anm.: Wer die spätere Korrektur des Aufsichtsplans für die Erfüllung der Garantenpflicht als ausreichend erachtet:
• Versuchs der Urkundenfälschung durch Unterlassen zu prüfen
• c. Täterschaftliche durch Unterlassen Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassen
• Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme:
• nach der Art der Garantenstellung (s.o.).• S = Obhutspflicht in Bezug auf den K.• Damit S = Täter• bei der Annahme eines vollendeten
Delikts könnte man noch an eine analoge Anwendung des § 158 StGB denken.
• 4. Subjektiver Tatbestand• Vorsatz +• zur Täuschung im Rechtsverkehr? • mit sicherem Wissen von der täuschenden
Wirkung des manipulierten Aufsichtsplans,• genügt.• 5. Rechtswidrigkeit und Schuld +• 6. Besonders schwerer Fall • § 267 III 2 Nr. 4 StGB vorliegen.• S = Amtsträger gemäß § 11 I Nr. 2 a) StGB• Garantenstellung bestehe.
• S als Schulleiter befugt, den Aufsichtsplan veränderten Umständen anzupassen.
• Hinnahme der Manipulation des L = also Missbrauch seiner Befugnis als Amtsträger Vorsatz +
• 7. Ergebnis• §§ 267 I Var. 2 und 3, III 2 Nr. 4, 13 I StGB
+• II. §§ 258 I, 13 I StGB• weil S nichts unternahm, um eine
Bestrafung des X herbeizuführen.
• 1. Garantenstellung• gravierende Straftaten von
Strafgefangenen während der Haft müssen vom Anstaltsleiter den Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden
• Vorliegend: fehlt besonders schwerwiegende Tat des X
• und auch im vorliegend schulischen Kontext keine besondere kriminalrechtlichen Verantwortlichkeit des S.
• Daher: §§ 258 I, 13 I StGB –• V. Ergebnis zur Strafbarkeit des S• Es bleibt §§ 267 I Var. 2, 3, III 2 Nr. 4, 13 I
StGB strafbar gemacht.• C. Strafbarkeit des K• • I. § 240 I StGB• Androhung, dass L „kein Auge mehr zu
tun“ und „keine ruhige Minute mehr haben“
• 1. Objektiver Tatbestand• • a. Drohung mit empfindlichen Übel• In-Aussicht-Stellen von „Psychoterror“ • b. Nötigungserfolg• Drohung schüchterte L ein, so dass er die
Manipulation des Aufsichtsplans zugab.• 2. Subjektiver Tatbestand• Vorsatz +
• 3. Rechtswidrigkeit• Fraglich ist, ob K rechtswidrig handelte. • • a. Rechtfertigung durch Notwehr• aa. Rechtswidriger Angriff• durch die Manipulation des Aufsichtsplans
hat L die Gefahr geschaffen, dass K fälschlicherweise verdächtigt wird
• im Zeitpunkt der Drohung des K hielten die Ermittlungen noch an.
• bb. Gegenwärtiger Angriff• L weiterhin neben S eine Pflicht hatte, zu
verhindern, dass K aufgrund der Manipulation Schaden erlitt.
• Angriff auf K dauerte folglich zum Zeitpunkt der Drohung noch an
• • cc. Erforderlichkeit und Gebotenheit
der Verteidigungshandlung• geeignetes Mittel +• auch das relativ mildeste Mittel?
• K hätte auch, falls es tatsächlich zu Ermittlungen gegen ihn gekommen wäre, auf die Momente (evtl. Zeugenaussagen) zurückgreifen können.
• fraglich, ob Zeugenaussagen so effektiv • daher relativ mildeste Mittel zur Abwehr +• auch im Sinne des § 32 I StGB geboten.• In Bezug auf die
Erforderlichkeit/Notwendigkeit der Verteidigung gegenteiliges Ergebnis vertretbar.
• dd. Subjektives Rechtfertigungselement
• Verteidigungswille +• Drohung des K somit nicht rechtswidrig. • 4. Ergebnis• K hat sich nicht gemäß § 240 I StGB
strafbar gemacht.