+ All Categories
Home > Documents > Hydrogeologie im Gipskarst als Basis geotechnischer Langzeitprognosen im Bergbau; Hydrogeology in...

Hydrogeologie im Gipskarst als Basis geotechnischer Langzeitprognosen im Bergbau; Hydrogeology in...

Date post: 23-Dec-2016
Category:
Upload: robert
View: 214 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
11
Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie DOI 10.1007/s00767-013-0245-1 FACHBEITRAG Hydrogeologie im Gipskarst als Basis geotechnischer Langzeitprognosen im Bergbau Sylke Hilberg · Viktoria Arminger · Franz Riepler · Gunter Gschwandtner · Robert Galler Eingang des Beitrages: 26.4.2013 / Eingang des überarbeiteten Beitrages: 9.10.2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Zusammenfassung Die Hydrogeologie des „Haselgebir- ges“ ist im Zusammenhang mit Gipsbergwerken von prak- tischer Bedeutung. Kenntnis über den Grundwasserumsatz, Herkunft und Verweilzeit der Wässer und deren Hydro- chemie bilden Grundlagen für die Beurteilung der Stand- sicherheit der oft oberflächennahen Grubengebäude. Neben kurzfristig über Karsthohlräume zu- und abfließenden Wäs- sern eines lokalen Fließsystems bilden regional zirkulieren- de Wässer einen Teil des Gesamtabflusses. Während die lo- kalen Niederschlagswässer wegen ihres hohen Lösungspo- tenzials intensiv zur Verkarstung über dem Grubengebäude beitragen, weisen Wässer des regionalen Fließsystems bei ihrem Eintritt in das Grubengebäude Sättigung der im Ge- birge vorhandenen Mineralphasen (Gips und Anhydrit) auf und sind für die Verkarstung wenig relevant. Am Beispiel eines aufgelassenen Gipsbergbaues am Kalkalpennordrand wurde eine mengenmäßige Separation von niederschlagsabhängigem Abfluss des lokalen Fließsys- tems und Basisabfluss eines regionalen Fließsystems vor- genommen und dabei eine Verteilung von etwa 1:3 ermit- telt. Während im lokalen Fließsystem ein Umsatz innerhalb S. Hilberg (B ) · V. Arminger Fachbereich Geographie und Geologie, Universität Salzburg, Hellbrunner Str. 34, 5020 Salzburg, Österreich E-Mail: [email protected] F. Riepler GWU Geologie-Wasser-Umwelt GmbH, Bayerhamer Str. 57, 5020 Salzburg, Österreich E-Mail: offi[email protected] G. Gschwandtner · R. Galler Lehrstuhl Subsurface Engineering, Montanuniversität Leoben, Franz-Josef-Str. 18, 8700 Leoben, Österreich G. Gschwandtner E-Mail: [email protected] weniger Tage stattfindet, ergeben Schüttungsganglinien und Isotopenzeitreihen, dass ein wesentlicher Anteil der Wäs- ser eine bedeutend längere Verweilzeit aufweisen muss. Die Verteilung zwischen lokalem und regionalem Fließsystem wurde mithilfe hydrochemischer Modellierungen verifiziert. Hydrogeology in gypsum karst as base for geotechnical long term prognosis in mining plants Abstract The hydrogeology of the “Haselgebirge” is of great significance in the context of gypsum mining. Knowl- edge of water balance, recharge areas and mean residence times, as well as hydrochemistry is crucial to assessing the long term stability of mines. Aside from a karstified local aquifer, a regional flow system can also contribute apprecia- ble proportions to the total discharge. Groundwater from the local flow system with low mineralization is subsaturated, thus holding a high potential for karstification. Water from the regional system infiltrates the mine in a status of satu- ration with regard to gypsum and anhydrite. Hence, these waters have only negligible influences on karstification. The presented example of a gypsum mine in Austria de- scribes the quantitative proportions of local and regional flow which is in the range of 1:3. The results were verified by means of hydrochemical modeling. Keywords Gypsum karst · Mining · Geotechnical stability · Hydrochemistry · Northern Calcareous Alps · Haselgebirge Einleitung und Problemstellung Im alpinen Raum liegen ausgedehnte Evaporitablagerungen vor. Sie bilden die Basis der Nördlichen Kalkalpen (Schau-
Transcript

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion HydrogeologieDOI 10.1007/s00767-013-0245-1

FAC H B E I T R AG

Hydrogeologie im Gipskarst als Basis geotechnischerLangzeitprognosen im Bergbau

Sylke Hilberg · Viktoria Arminger · Franz Riepler · Gunter Gschwandtner ·Robert Galler

Eingang des Beitrages: 26.4.2013 / Eingang des überarbeiteten Beitrages: 9.10.2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Zusammenfassung Die Hydrogeologie des „Haselgebir-ges“ ist im Zusammenhang mit Gipsbergwerken von prak-tischer Bedeutung. Kenntnis über den Grundwasserumsatz,Herkunft und Verweilzeit der Wässer und deren Hydro-chemie bilden Grundlagen für die Beurteilung der Stand-sicherheit der oft oberflächennahen Grubengebäude. Nebenkurzfristig über Karsthohlräume zu- und abfließenden Wäs-sern eines lokalen Fließsystems bilden regional zirkulieren-de Wässer einen Teil des Gesamtabflusses. Während die lo-kalen Niederschlagswässer wegen ihres hohen Lösungspo-tenzials intensiv zur Verkarstung über dem Grubengebäudebeitragen, weisen Wässer des regionalen Fließsystems beiihrem Eintritt in das Grubengebäude Sättigung der im Ge-birge vorhandenen Mineralphasen (Gips und Anhydrit) aufund sind für die Verkarstung wenig relevant.

Am Beispiel eines aufgelassenen Gipsbergbaues amKalkalpennordrand wurde eine mengenmäßige Separationvon niederschlagsabhängigem Abfluss des lokalen Fließsys-tems und Basisabfluss eines regionalen Fließsystems vor-genommen und dabei eine Verteilung von etwa 1:3 ermit-telt. Während im lokalen Fließsystem ein Umsatz innerhalb

S. Hilberg (B) · V. ArmingerFachbereich Geographie und Geologie, Universität Salzburg,Hellbrunner Str. 34, 5020 Salzburg, ÖsterreichE-Mail: [email protected]

F. RieplerGWU Geologie-Wasser-Umwelt GmbH,Bayerhamer Str. 57, 5020 Salzburg, ÖsterreichE-Mail: [email protected]

G. Gschwandtner · R. GallerLehrstuhl Subsurface Engineering, Montanuniversität Leoben,Franz-Josef-Str. 18, 8700 Leoben, Österreich

G. GschwandtnerE-Mail: [email protected]

weniger Tage stattfindet, ergeben Schüttungsganglinien undIsotopenzeitreihen, dass ein wesentlicher Anteil der Wäs-ser eine bedeutend längere Verweilzeit aufweisen muss. DieVerteilung zwischen lokalem und regionalem Fließsystemwurde mithilfe hydrochemischer Modellierungen verifiziert.

Hydrogeology in gypsum karst as base for geotechnicallong term prognosis in mining plants

Abstract The hydrogeology of the “Haselgebirge” is ofgreat significance in the context of gypsum mining. Knowl-edge of water balance, recharge areas and mean residencetimes, as well as hydrochemistry is crucial to assessing thelong term stability of mines. Aside from a karstified localaquifer, a regional flow system can also contribute apprecia-ble proportions to the total discharge. Groundwater from thelocal flow system with low mineralization is subsaturated,thus holding a high potential for karstification. Water fromthe regional system infiltrates the mine in a status of satu-ration with regard to gypsum and anhydrite. Hence, thesewaters have only negligible influences on karstification.

The presented example of a gypsum mine in Austria de-scribes the quantitative proportions of local and regionalflow which is in the range of 1:3. The results were verifiedby means of hydrochemical modeling.

Keywords Gypsum karst · Mining · Geotechnicalstability · Hydrochemistry · Northern Calcareous Alps ·Haselgebirge

Einleitung und Problemstellung

Im alpinen Raum liegen ausgedehnte Evaporitablagerungenvor. Sie bilden die Basis der Nördlichen Kalkalpen (Schau-

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

berger 1986) und kommen daher verbreitet am Kalkalpen-nordrand vor. Aufgrund der Neigung von gips- und anhy-drithaltigen Gesteinen zur plastischen Verformung bei ho-hen Verformungsraten (Leitner et al. 2013) weisen derar-tige Ablagerungen meist weder eine hydraulisch wirksameMatrixporosität noch bedeutende tektonisch bedingte Kluft-porositäten auf. Zudem kann die Hydration von Anhydritund die Gipsfällung neben der plastischen Verformung zueiner sekundären Verringerung der Porosität führen (Kilch-mann et al. 2004). Wegen der vergleichsweise guten Was-serlöslichkeit der Mineralphasen Gips und Anhydrit findenjedoch bei Wasserkontakt an der Geländeoberfläche bzw.in bestehenden Hohlräumen Lösungsprozesse statt, die we-sentlich schneller ablaufen, als dies in Kalkkarstgebieten derFall ist (Gutierrez et al. 2007). Künstlich angelegte Hohlräu-me, z. B. Stollen im Gipsbergbau, stellen sekundäre Was-serwege dar, die sich durch Lösungsprozesse eindringenderNiederschlags- oder Grundwässer zu großen Lösungshohl-räumen entwickeln können. Derartige anthropogene Ein-griffe können Verkarstungsprozesse in Gang setzen, an de-ren Ende, je nach Überlagerungsmächtigkeit, Tagebrüchestehen können.

Neben geotechnischen Überlegungen ist zur Beurteilungder Stabilitätssituation auch eine detaillierte Kenntnis derhydrogeologischen und hydrochemischen Prozesse im Ein-zugsgebiet von Gipsbergwerken erforderlich.

Im hier präsentierten Fallbeispiel war die Frage der Lang-zeitstabilität eines aufgelassenen Gipsbergbaus im nieder-österreichischen Hinterbrühl zu klären. Die umfangreichengeotechnischen Untersuchungen (Gschwandtner et al. 2013)wurden dabei durch eine Beurteilung der hydrogeologischenSituation ergänzt.

Grundwasserzirkulation erfolgt generell in verschiede-nen räumlichen Skalen. Es kann sich dabei um lokale, regio-nale oder überregionale Fließsysteme handeln, die jeweilsineinander greifen können (Toth 1999). Quellen, wie auchWasserzutritte in anthropogen geschaffenen unterirdischenHohlräumen, enthalten daher meist Mischwässer aus ver-schiedenen Einzugsgebieten und Fließsystemen.

Im Gipsbergbau in Hinterbrühl konnten bei den Austritts-wässern im Bergwerk sowohl sehr hohe Sulfat- als auchHydrogenkarbonat-Gehalte festgestellt werden. Da im oro-graphischen Einzugsgebiet der Grube fast ausschließlichHaselgebirge und damit Sulfatminerale anzutreffen sind,muss die Hydrogenkarbonatkonzentration aus quellfernerenkalkalpinen Einheiten stammen. Als Arbeitshypothese zumVerständnis der hydrogeologischen Situation des Grubenge-bäudes wurden daher zwei Fließsysteme als Zubringer ange-nommen: (1) ein regionales Fließsystem, das einen unterir-dischen Zufluss zum Grubengebäude bildet und das kalkal-pine Einheiten berührt. In diesem Fließsystem erfahren dieWässer zunächst eine Kalksättigung, bevor sie im Einfluss-bereich des Haselgebirges mit Sulfaten angereichert wer-den. Das Grubengebäude erreichen diese Wässer bereits mit

Sättigungskonzentrationen. (2) Ein Teil der Wässer, die indas Grubengebäude eintreten, hat seinen Ursprung in einemlokalen Fließsystem im orographischen Einzugsgebiet desBergbaus. Dieses Fließsystem ist dem oberirdischen Ein-zugsgebiet gleichzusetzen und speist sich aus direkt überdem Grubengebäude versickernden Niederschlagswässern.Es weist ein hohes Lösungspotenzial bezüglich der hier vor-handenen Sulfatminerale auf. Dieser lokale Grundwasseran-teil ist für die geotechnische Betrachtung von größter Rele-vanz. Die qualitative und quantitative Trennung der beidenGrundwässer unterschiedlicher Herkunft war daher das Zielder von uns durchgeführten Arbeiten.

Geologisch-hydrogeologischer Rahmen

Der aufgelassene Gipsbergbau liegt am Nordostrand derNördlichen Kalkalpen in Niederösterreich, im Gemeinde-gebiet von Hinterbrühl (Abb. 1). Es handelt sich um einendicht besiedelten Raum wenige Kilometer südwestlich vonWien. Die Bergbauanlage liegt im Übergangsbereich zwi-schen dem ebenen Wiener Becken und den südwestlich da-von aufragenden Nördlichen Kalkalpen auf einer Seehöhezwischen 220 und 280 m (über Adria).

Das Untersuchungsgebiet wird von Gesteinen des soge-nannten Haselgebirges aufgebaut. Dabei handelt es sich umpermotriadische Ablagerungen, die durch feinklastische undevaporitische Lagen charakterisiert sind und die in flachenLagunenbereichen abgelagert wurden. Diese gips- und ton-reichen Lagen werden im Norden des Untersuchungsgebietsvon Quarziten unterlagert (Plöchinger 1979). Im südlich an-grenzenden Hangenden wird das Haselgebirge transgressivvon Werfener Schichten (Sand- und Siltsteine) überlagert,die dann weiter südlich von mächtigen Kalken und Dolomi-ten bedeckt werden (Wessely 2006).

Beschreibung der Grubenanlage

Der Gipsbergbau wurde zwischen der Mitte des 19. unddem frühen 20. Jahrhundert betrieben. Nach der Einstellungdes Abbaubetriebs diente die Stollenanlage verschiedens-ten Zwecken (Lagerung, Produktion von Kriegsgeräten) undwird aktuell unter der Bezeichnung „Seegrotte“ touristischgenutzt.

Das orographische Einzugsgebiet des Grubengebäudeswird von einer etwa 40 m über das Vorflutniveau anstei-genden Anhöhe gebildet und umfasst eine Fläche von ca.0,2 km2. Die Erhebung ist teilweise mit Wohngebäuden undStraßen bebaut. Der größte Bereich (ca. 85 %) des Einzugs-gebiets ist bewaldet bzw. von Grünflächen bedeckt. Die ge-samte Anhöhe wird von Gesteinen des Haselgebirges aufge-baut, die hier bereichsweise als gipsreich, bereichsweise als

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Abb. 1 Übersicht über das Untersuchungsgebiet mit orographischem Einzugsgebiet, Karsterscheinungen an der Oberfläche sowie der ungefährenLage des Grubengebäudes, Profilschnitt und Grundrisse der beiden Sohlen des Grubengebäudes mit den untersuchten Wasserzutritten

tonreich beschrieben werden (Wessely 2006). Im Zuge derOberflächenkartierung wurden oberhalb des Grubengebäu-des einige Geländemulden festgestellt, die jeweils nur weni-ge Meter im Durchmesser und Absenkungen gegenüber derUmgebung von einigen Dezimetern zeigen und als Ansät-ze von Dolinen gedeutet werden können. Deutlicher ausge-prägte Exokarsterscheinungen liegen im Gebiet nicht vor.

Südlich des Stollens verläuft der Mödlingbach mit Ab-flussmengen in der Größenordnung von hundert Liternpro Sekunde. Oberflächliche Zuflüsse aus dem orogra-phischen Einzugsgebiet der Bergbauanlage zum Mödling-bach gibt es nicht. Im nördlichen Randbereich des Ein-zugsgebiets wird in alten Aufzeichnungen der Gemein-de eine Quelle beschrieben, die direkt am Austritt unter-irdisch in einen bestehenden Regenwasserkanal abgeleitetwird. Informationen über die genaue Lage sowie Schüt-tungsmengen dieser Quelle konnten nicht erhoben wer-den.

Das Grubengebäude erstreckt sich über zwei Sohlen miteiner horizontalen Ausbreitung von rund 180 × 160 m beieiner Fläche von ca. 6.000 m2 und durchschnittlichen Stol-lendurchmessern von ca. 10 m. Die Überlagerungsmächtig-keiten liegen zwischen 11 und 27 m. Das Grubengebäudewird von einem ca. 205 m langen und ca. 2,5 m hohen ge-mauerten Zugangstollen von Südwesten her erschlossen undist zusätzlich über einen senkrechten Förderschacht im zen-tralen Bereich der Grubenanlage mit der Oberfläche verbun-den. Eine Darstellung des Grubengebäudes ist dem Profil-schnitt und den Grundrissen der beiden Abbausohlen in Ab-bildung 1 zu entnehmen. Die hier dargestellten fünf punktu-ellen Quellen sowie die zahlreichen diffusen Wasserzutritteder oberen Sohle können im freien Gefälle über das Stol-lenmundloch mit einer Gesamtschüttungsmenge von durch-schnittlich knapp 0,6 l/s zum Vorfluter abfließen, wobei auchnach längeren Trockenperioden nie geringere Schüttungs-mengen als 0,45 l/s gemessen wurden. Die geringen Was-

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

serzutritte (punktueller Zutritt von etwa 0,04 l/s und diffuseZutritte in unbekannter Menge) in der unteren Sohle werdenhier aufgestaut und in unregelmäßigen Abständen künst-lich abgepumpt. Es besteht kein natürlicher Abfluss aus denkünstlich angelegten Hohlraumbauten.

Auffällig an den punktuellen Wasserzutritten, die jeweilsaus Dezimeter bis Meter großen Hohlräumen in gipsreichenAbschnitten aus der Stollenfirste austreten, ist eine starkeVersinterung. Die Sinter wurden im Rahmen geochemischerUntersuchungen als reine Kalksinter identifiziert.

Methodik

Hydrogeologische Kartierung, Abflussmessung,Wasserbilanz

Im Rahmen der hier vorgestellten Arbeiten wurde das oro-graphische Einzugsgebiet obertägig und innerhalb des Gru-bengebäudes geologisch und hydrogeologisch kartiert.

Die Geländeaufnahme im orographischen Einzugsgebietbezog sich dabei vor allem auf geologische und morpholo-gische Anzeichen für Verkarstungen, die mithilfe von La-serscandaten ergänzt wurden, um punktuelle Versickerun-gen von Niederschlägen zu lokalisieren und diese möglichstin räumlichen Bezug zu den untertägig festgestellten Was-serzutritten zu bringen. Auf Basis von Luftbildern wurdenaußerdem die versiegelten Flächen (Dachflächen, Straßen)im Einzugsgebiet mengenmäßig erfasst. Untertage wurdenalle punktuellen Wasserzutrittsstellen räumlich erfasst. Dif-fuse Wasserzutritte, die sowohl im Zugangsstollen als auchim gesamten Grubengebäude festgestellt wurden, wurdenquantitativ über die Messung des Gesamtabflusses aus deroberen Stollenebene erfasst. Die Lage möglicher Exokarst-strukturen an der Oberfläche sowie jene der punktuellen Zu-tritte im Stollen ist Abbildung 1 zu entnehmen.

Die Messung des Gesamtabflusses der Grubenanlage er-folgte mit einem kontinuierlich aufzeichnenden induktivenDurchflussmessgerät zwischen Mai 2011 und Mai 2012.Eine weitere kontinuierlich aufzeichnende Messeinrichtungwurde am größten punktuellen Wasserzutritt (Qu_1) imStollen installiert. Zusätzlich zur Schüttungsmenge wurdenhier jeweils Temperatur und elektrische Leitfähigkeit aufge-zeichnet. Die kontinuierlichen Messungen wurden sowohlan Qu_1 als auch am Gesamtabfluss in Intervallen von dreiMinuten durchgeführt und als Stundenmittelwerte ausge-wertet. Die weiteren vier Wasserzutritte wurden im Rahmenwöchentlicher Stichtagsmessungen erfasst.

Für das Einzugsgebiet wurden die Niederschlagsmengenund Temperaturdaten der umliegenden Messstationen erho-ben (Lebensministerium 2012a). Zur Bestimmung des Ge-bietsniederschlags im Bereich des untersuchten Grubenge-bäudes wurden Daten der Messstellen Baden, Lainzer Tor,

Wien Rosenhügel, Gumpoldskirchen und Laab am Wal-de verwendet. Neben der Information über die jährlicheGesamtniederschlagsmenge sowie über einzelne Nieder-schlagsereignisse im Untersuchungszeitraum, dienen dieseDaten auch als Grundlage für eine überschlägige Verduns-tungsberechnung nach Turc (1954).

Die Kombination der erhobenen Niederschlagsganglini-en mit den kontinuierlich erfassten Schüttungsmengen imStollenbereich wurde außerdem zum Verständnis der Fließ-dynamik im Karstaquifer herangezogen. Ziel war dabei, ei-ne quantitative Trennung von Basisabfluss (unterirdischesregionales Fließsystem) und kurzfristigem niederschlagsge-bundenem Abfluss (oberirdisches lokales Fließsystem) zuermöglichen. Auf Basis der erhobenen und gemessenen Da-ten wurde eine überschlägige Wasserbilanz für das orogra-phische Einzugsgebiet erstellt.

Hydrochemische Modellierung

Die hydrochemische Modellierung wurde mithilfe der Soft-ware PHREEQC (Parkhurst & Apello 1999) durchgeführt.

Ziel der hydrochemischen Modellrechnungen war es ei-nerseits, die mithilfe der Schüttungsganglinie erarbeiteteAuftrennung von Basisabfluss und niederschlagsabhängi-gen Abfluss anhand der hydrochemischen Zusammenset-zung der Wässer zu verifizieren. Andererseits diente die Mo-dellierung der Berechnung der tatsächlich aus der Überlage-rung des Grubengebäudes gelösten Gipsmengen und damiteiner Abschätzung der Verkarstungsraten.

Eine einfache Berechnung der Lösungsfrachten allein ausder Konzentration der Wässer am Grubenausgang, hochge-rechnet auf die ermittelte Schüttungsmenge, würde die ge-samte Lösungsfracht auf das Grubengebäude beziehen unddamit den Einfluss des beteiligten unterirdischen Fließsys-tems außer Acht lassen. Dies würde zu einer deutlichenÜberbewertung der lokalen Verkarstungsraten und damit zueiner Fehleinschätzung der langfristigen Stabilität führen.Nach der oben eingeführten Arbeitshypothese zweier be-teiligter Fließsysteme, sind für die Verkarstung der Überde-ckung des Grubengebäudes nur die untersättigt in den loka-len Aquifer eintretenden Niederschlagswässer verantwort-lich. Um dies bei der Berechnung von Verkarstungsraten zuberücksichtigen, wurden die Mischungsprozesse zwischenbereits an Gips gesättigten unterirdisch zufließenden Grund-wässern und untersättigt in den Aquifer eintretenden Nie-derschlagswässern berechnet. Basis für die angesetzten Mi-schungsverhältnisse bildeten die Auswertungen der Schüt-tungsganglinie des Gesamtabflusses.

In Abbildung 2 werden die Prozesse Infiltration, Mi-schung der beiden Wassertypen und Austritt im Stollen inder Weise dargestellt, wie sie in das hydrochemische Mo-dell eingearbeitet wurden. Die Zusammensetzung der an derModellierung beteiligten Wässer ist Tabelle 1 zu entnehmen.

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Abb. 2 Schematische Beschreibung der modellierten hydrochemi-schen Prozesse

Als Initiallösungen wurden charakteristische Wasser-zusammensetzungen für das regionale Fließsystem sowiefür die lokal kurzfristig eintretenden Niederschlagswässermodelliert. Die chemische Zusammensetzung des Nieder-schlags als Input für beide Wasseranteile wurde der StudieLeder et al. (1995–2004), ermittelt an der nahe gelegenenStation Lainz, entnommen, um so die regionale und vermut-lich anthropogen beeinflusste Niederschlagszusammenset-zung des dicht besiedelten Raumes um Wien zu berücksich-tigen. Nach einer Aufkonzentration der Niederschläge ge-mäß den ermittelten Verdunstungsraten, erfolgt während derInfiltration eine hydrochemische Beeinflussung der Wässerdurch die ungesättigte Bodenzone. In der Modellierung wur-de dies durch eine Anhebung des CO2-Partialdrucks um-gesetzt. Mangels gesicherter Daten des Untersuchungsrau-mes, wurden hierfür der Literatur (z. B. Merkel & Planer-Friedrich 2008 oder Scheffer & Schachtschabel 2010) mitt-lere Bodenluftkonzentrationen für vergleichbare Einzugs-gebiete entnommen und ein erhöhter CO2-Partialdruck von1,65 Vol% CO2 angenommen.

Im regionalen Fließsystem erfahren die Wässer nachDurchlaufen der Bodenzone aufgrund ihrer längeren Ver-weilzeiten eine Sättigung der im Aquifer vorhandenenKarbonat- und Sulfatphasen, während die Wässer des loka-len Fließsystems nicht mit Karbonaten in Kontakt kommenund vor allem Sulfatphasen lösen können.

Nach einer Mischung beider Wässer im orographischenEinzugsgebiet kommt es zum Austritt der Mischwässer, dereinhergeht mit einer CO2-Entgasung und der beobachtetenstarken Kalk-Sinterbildung an den Wasseraustritten im Gru-bengebäude. Die auf diese Weise modellierte Zusammen-

Tab. 1 Gemessene und modellierte Stoffmengenkonzentrationen des Gesamtabflusses. Analysierte Werte stellen gewichtete Mittelwerte aus vierMesskampagnen (2000, 2007, 2008 und 2012) dar

pH Ca[mmol/l]

Mg[mmol/l]

Na[mmol/l]

K[mmol/l]

HCO3[mmol/l]

SO4[mmol/l]

Cl[mmol/l]

Regenwasser 5,22 0,01 0,00 0,01 0,00 0,00 0,01 0,01

Verdunstung 4,26 0,03 0,01 0,03 0,00 0,00 0,04 0,02

Bodenluft 7,49 0,73 4,55 0,03 0,00 11,20 0,04 0,02

Initiallösung 1 7,42 14,71 4,54 1,12 0,10 11,19 14,02 1,21

Initiallösung 2 7,09 13,07 2,31 0,81 0,12 5,35 13,07 0,92

Mischung 7,36 14,30 3,98 1,04 0,10 9,73 13,78 1,13

Modell (resultierende Lösung) 7,99 11,72 3,98 1,04 0,10 3,77 13,78 1,13

Analyse (Mittel aus 23 Proben) 7,76 12,55 4,94 1,28 0,12 6,54 14,24 5,55

gewichtetes Minimum 7,30 11,94 4,63 1,01 0,11 6,31 13,35 3,63

gewichtetes Maximum 8,23 13,17 5,34 1,66 0,13 6,84 15,12 8,20

negative Abweichung 0,47 0,61 0,31 0,27 0,01 0,23 0,89 1,92

positive Abweichung 0,47 0,62 0,39 0,37 0,01 0,31 0,88 2,65

Differenz Analyse/Modell [%] −5,18 13,94 −19,37 −18,69 −15,50 48,80 −3,23 −79,55

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

setzung spiegelt die hydrochemische Situation nach diesenTeilschritten und damit die resultierende Lösung wider.

Für die Validierung des Modells wurden hydrochemi-sche Datensätze aus vier Probenkampagnen in den Jahren2000, 2007, 2008 und 2012 (Entnahme jeweils bei mittle-ren Schüttungsmengen) verwendet. Die Analysen erfolgtengemäß den Vorgaben der entsprechenden EN ISO-Normendurch ein zertifiziertes Labor für Wasseranalytik. Es wur-den die Kationen (Ca, Mg, K, Na) und Anionen (HCO3, Cl,SO4) sowie die Summenparameter elektrische Leitfähigkeit,pH-Wert und Temperatur analysiert. Die entsprechend derjeweiligen Schüttungsmengen gewichteten Mittelwerte derAnalysen werden mit der modellierten resultierenden Lö-sung verglichen. Je besser das hydrochemische Modell dieMischungsverhältnisse im Aquifer abbildet, umso genauermuss die modellierte resultierende Lösung die analysierteZusammensetzung des Gesamtabflusses wiedergeben.

Die Lösungsfrachten aus der Überlagerung des Gruben-gebäudes können dem hydrochemischen Modell direkt ent-nommen werden, indem die berechneten gelösten Gipsmen-gen auf den ermittelten mittleren Abfluss des oberirdischenFließsystems hochgerechnet werden.

Isotopenanalyse

Im Zeitraum September 2011 bis August 2012 wurden mo-natlich Wasserproben entnommen, um diese auf das Ver-hältnis der stabilen Sauerstoffisotope 18O/16O zu untersu-chen und damit den δ18O-Wert zu ermitteln, der sich re-lativ zum Vienna-Standard-Mean-Ocean-Water (V-SMOW)ergibt. Die Analysen wurden im Laborzentrum für Isotopen-hydrologie und Umweltanalytik des Joanneum-Research-Center in Graz mit einem analytischen Fehler von ±0,15 �durchgeführt. Die Betrachtung stabiler Isotope als Ergän-zung des bisher beschriebenen Methodenspektrums dientedem Ziel, die berechneten Anteile eines regionalen Fließsys-tems am Gesamtabfluss zusätzlich über dessen längere Ver-weilzeit zu verifizieren. Über die Betrachtung der Dämpfungsaisonaler Schwankungen der Gehalte an schweren Isoto-pen lassen sich mittlere Verweilzeiten bis zu 5 Jahren grobabschätzen (Clark & Fritz 1997). Ein bedeutender Anteilan sehr kurzfristig verweilenden Wässern aus dem orogra-phischen Einzugsgebiet spiegelt sich in einem ausgepräg-ten Jahresgang der δ18O-Werte entsprechend den Schwan-kungen im Regenwasser wider. Finden sich die saisona-len Schwankungen des Regenwassereintrags nicht im Quell-wasser wieder, so kann von entsprechend längeren Verweil-zeiten und einer Vermischung von Wässern verschiedenenAlters ausgegangen werden. Als Referenzmessstelle für dieIsotopenzusammensetzung des Gebietsniederschlags wurdedie Messstelle Hohe Warte des Austrian Network of Isoto-pes in Precipitation (ANIP) (Lebensministerium 2012b) her-angezogen.

Ergebnisse

Auswertung der Zeitreihenmessungen

Abbildung 3a zeigt die Schüttungsganglinien des Gesamtab-flusses und des schüttungsstärksten punktuellen Wasserzu-tritts Qu_1 im Grubengebäude über den Beobachtungszeit-raum Mai 2011 bis Mai 2012 in Kombination mit den Nie-derschlagsaufzeichnungen der nächstgelegenen Messstati-on Maria Enzersdorf. Bei einem Mindestabfluss von etwa0,45 l/s zeigen sich kurzfristige Schüttungsanstiege auf ma-ximal 0,75 l/s, die nach Ende eines Niederschlagsereignis-ses relativ kurzfristig wieder abklingen. Insgesamt wurdeim Beobachtungsjahr ein leicht fallender Trend festgestellt,der auf vergleichsweise geringe Schneemengen im Winter2011/12 sowie geringe Frühjahrsniederschläge im Jahr 2012im regionalen Einzugsgebiet zurückgeführt werden kann.

Der mittlere Gesamtabfluss aus dem Stollen liegt im Be-obachtungsjahr bei 0,57 l/s (ermittelt aus Stundenmittelwer-ten auf Basis des dreiminütigen Messintervalls). Der auf einJahr gemittelte Abfluss aus dem lokalen Fließsystem kanndamit auf etwa 0,15 l/s abgeschätzt werden. Die Kurve zeigtden typischen Verlauf einer Quelle, die durch ein diffusesFließsystem mit Basisabfluss versorgt wird, auf den sichkurzfristige Abflüsse eines röhrenartigen Karstsystems imdirekten Einzugsgebiet aufsetzen. Davon ausgehend, dassder ermittelte dauerhafte Mindestabfluss dem regionalen Ba-sisabfluss entspricht und die jeweils kurzfristig auftreten-den zusätzlichen Schüttungsmengen dem lokalen Fließsys-tem angehören, ergibt sich eine rechnerische Verteilung desjährlichen Gesamtabflusses auf Basisabfluss (0,45 l/s) undniederschlagsabhängigem Abfluss (0,15 l/s) von 3:1.

Eine systematische zeitliche Verzögerung der Schüt-tungsanstiege von 2–3 Tagen nach dem Niederschlagser-eignis zeigt sich sehr deutlich an Qu_1. Der Gesamtabflussspiegelt Starkniederschläge bereits nach einem Tag wider.

In Abbildung 3b sind die kontinuierlich erfassten Werteder Wassertemperatur sowie der elektrischen Leitfähigkeitin Zusammenhang mit der Schüttungsmenge von Qu_1 dar-gestellt. Der Jahresgang mit höchsten Temperaturen im Sep-tember und einem Temperaturminimum im Februar zeigtmit Werten im Bereich zwischen 10,7 und 10,95 °C insge-samt sehr geringe Variationen. Es fällt jedoch auf, dass dieWassertemperaturen zu jeder Jahreszeit mit zunehmenderSchüttungsmenge abnehmen und damit also selbst die Som-merniederschläge im Einzugsgebiet geringere Temperaturenaufweisen als der regionale Basisabfluss. In Bezug auf dieJahresmitteltemperatur im Bereich des orographischen Ein-zugsgebiets von 10,4 °C (Lebensministerium 2012a), ist dieWassertemperatur immer leicht erhöht.

Ein Verdünnungseffekt ist aus der Messung der elektri-schen Leitfähigkeiten nicht ablesbar. Stattdessen ist ein An-stieg der Gesamtmineralisierung mit zunehmender Schüt-tungsmenge zu beobachten. Die kurzfristig zugeführten

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Abb. 3 (a) Schüttungsganglini-en „Gesamtabfluss“ und „größ-ter punktueller Wasserzutritt“(Qu_1) im Stollen in Kombi-nation mit den Niederschlags-daten der Messstation MariaEnzersdorf. (b) Schüttung, Tem-peratur und elektrische Leitfä-higkeit des größten punktuellenWasserzutritts (Qu_1) in denStollen. Der dokumentierte Da-tenausfall im Herbst 2011 istauf einen versinterungsbeding-ten Ausfall der Messeinrichtungzurück zu führen

oberflächlichen Wässer des lokalen Aquifers führen damitim Vergleich zum unterirdischen Zufluss nicht nur kälte-re sondern auch höher mineralisierte Wässer. Die höhereMineralisierung kann durch die kurzfristig mobilisierte Lö-sungsfracht direkt aus dem überlagernden Haselgebirge er-klärt werden, während die Wässer des Basisabflusses ausden Kalken und Sand- und Siltsteinen der Werfener Schich-ten eine vergleichsweise geringere Mineralisierung liefern.

Wasserbilanz

Im regionalen Einzugsgebiet des Untersuchungsraumes er-gibt sich aus der Auswertung benachbarter Messstellen (Le-bensministerium 2012a) ein langjähriges jährliches Nieder-schlagsmittel von 740 mm/a. Die Verdunstung wurde nach

Turc (1954) zunächst für alle verwendeten Klimamessstel-len ermittelt und dann durch Interpolation für den Unter-suchungsraum auf 470 mm/a berechnet. Die verbleibenden270 mm/a stehen damit für ober- und unterirdischen Abflusszur Verfügung.

Das orographische Einzugsgebiet beträgt 0,2 km2. Dakeine natürlichen Oberflächenabflüsse vorhanden sind, musssich diese Summe auf die Versickerung sowie auf die künst-lich abgeleiteten Niederschlagswässer der versiegelten Flä-chen verteilen. Eine Auswertung der Luftbilder zeigt, dassetwa 15 % der betroffenen Fläche versiegelt ist, hier werdenalso ca. 40 mm/a abgeleitet, sodass 230 mm/a dem unterir-dischen Abfluss zuzurechnen sind.

Der mittlere Gesamtabfluss aus dem Grubengebäude be-trägt knapp 0,6 l/s, wobei jedoch auf Basis der bisher be-

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

schriebenen Auswertungen nur ca. 0,15 l/s tatsächlich demorographischen Einzugsgebiet des Bergwerks zugerechnetwerden. Dies entspricht etwa 30 mm/a oder einem Einzugs-gebiet von 0,02 km2, also nur einem Zehntel der Flächedes orographischen Einzugsgebiets. Es verbleiben demnachknapp 200 mm/a, die zu einem geringen Anteil über die un-tere Grubensohle abgeführt werden und zu einem weiteren,nicht quantifizierbaren Anteil, aus der oben erwähnten Quel-le über die Regenwasserkanalisation abgeleitet werden. Einweiterer Anteil wird offenbar einem längerfristigen nichtanthropogen überprägten Aquifer zugeführt und entwässertmöglicherweise diffus in den Vorfluter Mödlingbach.

Hydrochemische Modellierung

Generelle Vorüberlegungen zur hydrochemischen Modellie-rung wurden bereits im Kapitel Methodik erläutert.

In Tabelle 1 sind die gemessenen Zusammensetzungender Niederschlagswässer, die modellierten Zusammenset-zungen der beiden beteiligten Grundwässer, die im Verhält-nis 3:1 (Basisabfluss zu oberirdischen Abfluss) gemischtwerden und im Grubengebäude als modelliertes resultieren-des Mischwasser unter CO2-Entgasung und Kalzitfällungaustreten, angeführt. Diese modellierte resultierende Lösungwird zur Verifizierung der berechneten Verteilung mit demanalysierten Gesamtabfluss verglichen. Zum Vergleich wur-den nach ihrer Schüttungsmenge gewichtete Mittelwerte ausinsgesamt 23 Proben (Gesamtabfluss und punktuelle Zutrit-te) herangezogen. Deutliche Abweichungen zwischen mo-dellierten und beobachteten Konzentrationen zeigen sich beiden Parametern Hydrogenkarbonat und Chlorid. Da es imlokalen Einzugsgebiet keine Anhaltspunkte für das Auftre-ten von Halit gibt (auch geochemische und petrologischeUntersuchungen, die im Rahmen der zugehörigen geotech-nischen Studie (Gschwandtner et al. 2013) getätigt wur-den, haben hierfür keine Hinweise geliefert), sind die fest-gestellten Werte möglicherweise auf einen anthropogen be-dingten Eintrag aus der Straßensalzung zurückzuführen. DieAbweichung beim Parameter Hydrogenkarbonat lässt sichmöglicherweise durch die unzureichende Kenntnis der CO2-Lösungs- und Entgasungsprozesse in der Bodenzone undbeim Austritt erklären und gibt damit eine wesentliche Un-sicherheit des hydrochemischen Modells wieder. Wesent-lich für die Fragestellungen der Gipskarstbildung ist aberdie gute Übereinstimmung der Kalzium- und Sulfatgehal-te, die sich vor allem aus den Lösungsprozessen im lokalenAquifer und der anschließenden Mischung mit den kalzit-und gipsgesättigten Wässern des regionalen Aquifers ablei-ten lassen.

Zur Quantifizierung der Lösungsfrachten aus der Über-lagerung wurden die hydrochemischen Prozesse in der In-itiallösung 2 (orographisches Einzugsgebiet) bis zur Sätti-gung mit Gips betrachtet und auf den hier abfließenden An-teil von einem Viertel an der Gesamtschüttung bezogen. Die

Abb. 4 Vergleich der analysierten mit der modellierten Zusammen-setzung der Stollenwässer

Berechnungen ergaben eine gelöste Menge an Gips von ca.14 mmol/l was einer Stoffmenge von etwa 2.365 mg/l ent-spricht. Hochgerechnet auf den ermittelten durchschnittli-chen kurzfristigen Abfluss ergibt dies eine Lösungsfrachtvon ca. 11.200 kg oder etwa 5 m3 an Gipslösung pro Jahr.

In Abbildung 4 ist der Vergleich zwischen analysierterund modellierter Zusammensetzung der Hauptparameter un-ter Berücksichtigung der Streubreite der Messwerte darge-stellt.

Isotopenanalyse

Die Isotopenuntersuchungen hatten vor allem das Ziel, dieThese eines großen Anteils an länger verweilenden Wäs-sern an der Gesamtschüttung im Grubengebäude mit einerzusätzlichen Methodik zu verifizieren. Da das orographi-sche Einzugsgebiet des Grubengebäudes mit 0,2 km2 sehrklein, die Überdeckung mit wenigen Zehnermetern geringund die Verzögerung zwischen Niederschlagsereignis undSchüttungsanstieg im Stollen mit 1 bis 3 Tagen sehr kurzist, müssten sich jahreszeitlich bedingte Schwankungen derIsotopensignatur im Niederschlag direkt auf die Grubenwäs-ser übertragen. Kann dies nicht beobachtet werden, mussvon einer Überlagerung des Isotopensignals durch längerverweilende Wässer in einem wesentlich größeren Aqui-fer ausgegangen werden. Innerhalb dieses regionalen Aqui-fers kommt es zu einer Vermischung von Wässern aus ver-schiedenen Niederschlagsereignissen, und damit zu einemAusgleich jahreszeitlich bedingter Schwankungen. Tabelle 2und Abbildung 5 zeigen die gemessenen δ18O-Werte al-ler punktuellen Wasseraustritte im Stollen. Auf eine Bepro-bung des Gesamtabflusses wurde wegen der langen Fließ-strecke im Stollen und der dabei zu erwartenden weiteren

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Tab. 2 δ18O-Werte mit Variationsbreiten und Mittelwerten der punktuellen Wasserzutritte im Stollen sowie des Niederschlags an der ANIP-Messstation Lainz aus dem Untersuchungszeitraum September 2011 bis August 2012

Sep 11δ18O [�]

Okt 11δ18O [�]

Nov 11δ18O [�]

Dez 11δ18O [�]

Jan 12δ18O [�]

Mai 12δ18O [�]

Jun 12δ18O [�]

Jul 12δ18O [�]

Aug 12δ18O [�]

Minδ18O [�]

Maxδ18O [�]

Mittelwerteδ18O [�]

Qu_1 −10,24 −10,19 −10,29 −10,36 −10,05 −10,32 −10,18 −10,26 −10,09 −10,36 −10,05 −10,22

Qu_2 −10,56 −10,61 −10,62 −10,84 −10,78 −10,64 −10,70 −10,74 −10,62 −10,84 −10,56 −10,68

Qu_3 −10,12 −10,11 −10,16 −10,06 −9,62 −10,24 −10,07 −9,72 −9,89 −10,24 −9,62 −10,00

Qu_4 −10,34 −10,48 −10,42 −10,56 −10,53 −10,55 −10,53 −10,45 −10,53 −10,56 −10,34 −10,49

Qu_5 −10,35 −10,44 −10,41 −10,51 −10,45 −10,43 −10,46 −10,50 −10,48 −10,51 −10,35 −10,45

Niederschlag −8,6 −9,0 −12,8 −13,7 −10,5 −8,5 −7,9 −7,0 −6,9 −13,72 −6,89 −9,45

Abb. 5 Isotopenzeitreihen derpunktuellen Wasserzutritte imStollen; Bezug zur nächstge-legenen NiederschlagsstationHohe Warte. Die starke Dämp-fung der saisonalen Schwankun-gen des δ18O-Wertes deutet aufmehrjährige Verweilzeiten derWässer hin

Fraktionierungsprozesse verzichtet. Zwischen Januar undMai 2012 wurde die Zeitreihe wegen Missverständnissenzwischen Probenehmer vor Ort und den Bearbeitern dieserStudien unterbrochen. Aufgrund der lückenhaften Zeitrei-he ist eine rechnerische Auswertung z. B. nach Burgmanet al. (1987) nicht sinnvoll, da die tatsächliche Amplitu-de der δ18O-Variationen im Grundwasser nicht ermitteltwerden kann. Zudem ist davon auszugehen, dass kurzzei-tige Ereignisse in der Isotopenentwicklung mit den monatli-chen Probenintervallen nicht in vollem Umfang erfasst wer-den. Dennoch zeigen die vorhandenen Daten deutlich, dassdie δ18O-Werte im Grundwasser im Beobachtungszeitraumnur geringe Schwankungen mit Variationsbreiten der ein-zelnen Quellaustritte von 0,16 bis 0,6 � bei einem Mess-fehler von 0,15 � aufweisen, während die als Monatsmit-telwerte erfassten Isotopenzusammensetzungen im Nieder-schlag über das Beobachtungsjahr eine Schwankungsbreite

von ca. 6,8 � zeigen. Die Unterschiede in der Isotopensig-natur zwischen den einzelnen Messstellen zeigen, dass dieverschiedenen Zuflüsse aus dem unterirdischen Fließsystemunterschiedlichen Fraktionierungsprozessen ausgesetzt wa-ren und damit vermutlich aus verschiedenen Einzugsgebie-ten stammen.

Im Vergleich mit den jahreszeitlich schwankenden Iso-topenzusammensetzungen des Niederschlags, die von denWasserzutritten nicht oder nur sehr schwach und zeitver-zögert nachvollzogen werden, ergibt sich, dass ein über-wiegender Anteil der in das Grubengebäude einströmen-den Wässer mehrjährige Verweilzeiten im Aquifer auf-weisen muss und damit einem vermutlich komplexen re-gionalen Fließsystem zugeordnet werden kann. Die Isoto-pendaten bestätigen damit grundsätzlich die über Schüt-tungsmessungen und Hydrochemie gewonnenen Erkennt-nisse.

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Diskussion/Schlussfolgerungen

Im Rahmen der Bearbeitung wurden einige Grundannahmengetroffen, die nicht mit Daten belegt werden können. So sindzum Beispiel die Prozesse in der ungesättigten Bodenzo-ne bei der hydrochemischen Entwicklung der Wässer nichtim Detail bekannt. In Unkenntnis der tatsächlichen Boden-und Bodenluftverhältnisse in den Infiltrationsgebieten wur-de ein plausibler CO2-Partiladruck, der sich während derVersickerung sowohl im lokalen als auch im regionalen Sys-tem einstellt, angenommen. Dieser wirkt sich vor allem aufdie Kalzitlösung im regionalen Einzugsgebiet aus, nicht aberauf die Gipskarstprozesse im lokalen Einzugsgebiet. Dies-bezügliche Unsicherheiten werden daher für die Fragestel-lung als wenig relevant erachtet.

Die Wasseranalysen, die zur hydrochemischen Modellie-rung verwendet wurden, wurden bei mittleren Schüttungs-mengen und daher einer mittleren Verteilung zwischen Ba-sisabfluss und lokalem Abfluss genommen. Weitere Be-probungen bei verschiedenen hydrologischen Verhältnissenkönnten dazu dienen, die hier präsentierten Ergebnisse zupräzisieren.

Gute Anhaltspunkte dafür, dass der hier angewendeteAnsatz zweier unterschiedlicher Fließsysteme zutrifft undein bedeutender Anteil der Wässer aus einem regionalenAquifer stammt, ergeben sich aus den Zeitreihen der sta-bilen Isotope, die trotz der schnellen Reaktion der Was-seraustritte und des Gesamtabflusses auf Niederschläge undtrotz des kleinen orographischen Einzugsgebiets und der ge-ringen Überlagerung auf Verweilzeiten von mehreren Jahrenhindeuten. Dies kann nur über eine mengenmäßig bedeu-tende Beteiligung eines übergeordneten Fließsystems erklärtwerden.

Die Berechnungen der Wasserhaushaltsbilanz des Ein-zugsgebietes zeigen einige offene Punkte auf, die auf Basisder vorliegenden Daten nicht geklärt werden konnten. NachBerechnungen von Gebietsniederschlag, Verdunstung undden messbaren Abflüssen verbleiben wesentliche Restmen-gen, die weder dem ober- noch dem unterirdischen Abflusseindeutig zugerechnet werden können und die sich mögli-cherweise durch diffuse Zutritte in den Vorfluter oder durchden Eintritt in das regionale Fließsystem erklären lassen.

Durch die Auswertung des kontinuierlich erfassten Ab-flusses aus dem Grubengebäude konnte eine mengenmäßi-ge Auftrennung von niederschlagsabhängigem Abfluss deslokalen Fließsystems und Basisabfluss aus dem regiona-len Fließsystem erfolgen. Für diese Verteilung konnte eindurchschnittliches Verhältnis von 1:3 ermittelt werden. Dieim Grubengebäude erfassten Messwerte für Temperatur undelektrische Leitfähigkeit zeigen, dass die zutretenden Wäs-ser generell wärmer sind, als es die Jahresdurchschnittstem-peratur im orographischen Einzugsgebiet vorgeben würde.Die kurzfristig zufließenden Wässer des oberirdischen Ein-zugsgebiets, die mit einer Verzögerung von maximal drei

Tagen über Karstschläuche in das Grubengebäude eindrin-gen, sind kälter und höher mineralisiert als der Basisabfluss.Die höhere Mineralisation ist auf die gut löslichen Mineral-phasen Gips und Anhydrit zurück zu führen.

Für die Fragestellung der Stabilität des Grubengebäudessind jene Lösungsprozesse von Relevanz, die im lokalenFließsystem und damit in der Überlagerung des Grubenge-bäudes stattfinden. Ziel der Untersuchungen war es daher,aus den am Gesamtabfluss festgestellten Lösungsfrachtenjene Anteile zu berechnen, die im orographischen Einzugs-gebiet gelöst wurden und nicht bereits aus dem regionalenAquifer angeliefert wurden. Eine einfache Betrachtung derGesamtlösungsfrachten (ermittelt aus den analysierten Sul-fatgehalten) am Stollenausgang (Gesamtabfluss) ohne Be-rücksichtigung der hier beschriebenen Differenzierung zwi-schen zwei räumlich und genetisch unterschiedlichen Fließ-systemen, würde Lösungsfrachten von bis zu 20 m3 proJahr ergeben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dassnur ein geringer Anteil des abfließenden Wassers tatsäch-lich die Überlagerung des Grubengebäudes durchflossen hatund hier hydrochemisch wirksam war, ergibt sich für diesenBereich eine Verkarstungsrate von ca. 5 m3 pro Jahr, alsonur ein Viertel der ursprünglich für die geotechnische Lang-zeitprognose herangezogenen Mengen.

Das Beispiel zeigt, dass bei einer detaillierten Betrach-tung der Grundwasserdynamik in Kombination mit den imGrundwasserkörper ablaufenden hydrochemischen Prozes-sen, wesentlich differenziertere Aussagen über die Verkars-tungsproblematik im Einflussbereich aufgelassener Gips-bergbaue getroffen werden können. Dies kann sich direktauf die resultierenden geotechnischen Stabilitätsbewertun-gen auswirken und als Grundlage für die Erstellung vonLangzeitprognosen und damit auch für die Planung lang-fristig erforderlicher Sicherungsmaßnahmen vergleichbarerHohlraumbauten herangezogen werden.

Literatur

Burgman, J.O., Calles, B., Westman, F.: Conclusion from a ten yearstudy of oxygen-18 in precipitation and runoff in Sweden. In: Iso-topic Techniques in Water Resources Development, IAEA Sym-posium 299, Vienna, S. 579–590 (1987)

Clark, I., Fritz, P.: Environmental Isotopes in Hydrogeology, S. 328.Lewis Publisher, New York (1997)

Gschwandtner, G., Galler, R., Wörgetter, V., Riepler, F., Hilberg, S.:Stabilitätsanalyse eines aufgelassenen Gipsbergbaus – von dergeologisch-hydrogeologisch-geotechnischen Datenerfassung zurnumerischen 3D-Simulation. Berg. Huttenmann. Monatsh 158(2),53–59 (2013)

Gutierrez, F., Johnson, K.J., Cooper, A.H.: Evaporite karst processes,landforms, and environmental problems. Environ. Geol. 53, 935–936 (2007)

Kilchmann, S., Waber, H.N., Parriaux, A., Bensimon, M.: Natural trac-ers in recent groundwaters from different alpine aquifers. Hydro-geol. J. 12, 643–661 (2004)

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Lebensministerium. http://ehyd.gv.at/ (2012a). Zuletzt aufgerufen28.05.2012

Lebensministerium. http://wisa.lebensministerium.at/h2o/qualitaetsdatenAbfrage.do;jsessionid=F88B6F1100A36EE936441B6AA1B41ABD (2012b). Zuletztaufgerufen 10.10.2012

Leder, K., Kalina, M.F., Puxbaum, H., Löffler, H., Kreiner, P., Tar-mann, V.: Nasse Deposition im Land Wien 1994–2003, Techn.Universität Wien im Auftrag des Magistrats der Stadt Wien. un-veröff. Berichte (1995–2004)

Leitner, C., Neubauer, F., Genser, J., Borojevic-Šoštaric, B.,Rantitsch, G.: 40Ar/39Ar ages of crystallisation and recrystalli-sation of rock-forming polyhalite in alpine rocksalt deposit. In:40Ar/39Ar dating: from geochronology to thermochronology,from archaeology to planetary sciences. Geological Society, Lon-don (2013)

Merkel, B., Planer-Friedrich, B.: Grundwasserchemie: Praxisorien-tierter Leitfaden zur numerischen Modellierung von Beschaffen-heit, Kontamination und Sanierung aquatischer Systeme, S. 242,2. Aufl. Springer, Heidelberg (2008)

Parkhurst, D.L., Apello, C.A.J.: User’s guide to PHREEQC (ver-sion 2)—a computer program for speciation, batch-reaction,one-dimensional transport, and inverse geochemical calculations,321 S. U.S. Geological Survey, Virginia (1999)

Plöchinger, B.: Die Ergebnisse der geologischen Neuaufnahme desAnninger-Gebietes (Niederösterreich). Jahrb. Geol. Bundesanst.122, 429–453 (1979)

Schauberger, O.: Bau und Bildung der Salzlagerstätten des ostalpinenSalinars. Arch. Lagerstättenforsch. Geol. Bundesanst. 7, 217–254(1986)

Scheffer, F., Schachtschabel, P.: Lehrbuch der Bodenkunde, 16. Aufl.Spektrum, Heidelberg (2010)

Toth, J.: Groundwater as a geologic agent: an overview of the causes,processes and manifestations. J. Hydrol. 7, 1–14 (1999)

Turc, L.: Le bilan d’eau des sols, relations entre les precipitation,l’evaporation et l’écoulement. Ann. Agron.—Trois. J. d’Hydraul.,36–43 (1954)

Wessely, G.: Niederösterreich, Geologie der österreichischen Bundes-länger, S.416. Geologische Bundesanstalt, Wien (2006)


Recommended