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Hubert Heinelt · Angelika Vetter (Hrsg.) Lokale Politikforschung...

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Hubert Heinelt · Angelika Vetter (Hrsg.) Lokale Politikforschung heute
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Hubert Heinelt · Angelika Vetter (Hrsg.)

Lokale Politikforschung heute

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Stadtforschung aktuellBand 112

Herausgegeben von Hellmut Wollmann

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Hubert Heinelt Angelika Vetter (Hrsg.)

LokalePolitikforschungheute

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1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Katrin Emmerich / Sabine Schöller

VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.vs-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesemWerk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solcheNamen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachtenwären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-531-15803-7

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Inhaltsverzeichnis

Hubert Heinelt und Angelika Vetter: Einleitung.............................................................................................................7

1. Kommunale Interessen und nationale Politik

Angelika Vetter und Lars Holtkamp: Lokale Handlungsspielräume und Möglichkeiten der Haushaltskonsolidierung in Deutschland ..........................................................19

Werner Pleschberger: „Schutz“ der kommunalen Finanzen. Zur Bewältigung einer föderalen „Asymmetrie“ am Beispiel des österreichischen Konsultationsmechanismus (Stabilitätspakts) ...................................................51 2. Lokale Politik und Europäische Integration

Karsten Zimmermann: Cities for growth, jobs and cohesion”. Die implizite Stadtpolitik der EU.........79

Hubert Heinelt und Stefan Niederhafner: Städte und organisierte Interessenvertretung im EU-Mehrebenensystem .......103 3. Regionalisierung lokaler Politik, Dezentralisierung sowie

Gebiets- und Funktionalreformen

Joachim Blatter: Metropolitan Governance: Theoretische Formen, vielfältige Reformen und der aktuelle Nivellierungsdruck in deutschen Großstadtregionen ............127

Falk Ebinger und Jörg Bogumil: Grenzen der Subsidiarität. Verwaltungsreform und Kommunalisierung in den Ländern .................................................................................................165

Hellmut Wollmann: Reformen dezentral-lokaler Organisationsstrukturen zwischen Territorialität und Funktionalität – England, Schweden, Frankreich und Deutschland im Vergleich ........................................................................197

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Inhalt 6

4. Bürgergesellschaft und politische Repräsentation

Brigitte Geißel: Zur Evaluation demokratischer Innovationen – die lokale Ebene ...................227

Katja Pähle: Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene. Eine Herausforderung für die Legitimation lokaler Mandatsträger? .........................................................249

5. Demographischer Wandel und Schrumpfung

Bernhard Köppen: Kommunen und demographischer Wandel in Deutschland – regionale Muster..............................................................................................................271

Jochen Stopper: Demografischer Wandel und interkommunale Kooperation – Problemwahrnehmungen und Handlungsorientierungen in der Kommunalpolitik.............................................................................................283

Uwe Altrock: Urban Governance in Zeiten der Schrumpfung...............................................301

Birgit Glock: Politik in schrumpfenden Städten. Bedingungen von Persistenz und Innovation im Stadtvergleich...........................................................................327

Autorenangaben...............................................................................................347

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Einleitung Hubert Heinelt und Angelika Vetter 1 Die lokale Politikforschung in Deutschland: Stets auf der Suche nach

aktuellen Themen 1.1 Themenkonjunkturen und Pluralität von Ansätzen als Charakteristika der

lokalen Politikforschung

Betrachtet man die lokale Politikforschung in Deutschland, wie sie sich im Ar-beitskreis „Lokale Politikforschung“ (LoPoFo) innerhalb der Deutschen Vereini-gung für Politische Wissenschaft (DVPW) formiert,1 so zeichnet sie sich seit der Gründung dieses Diskussionszusammenhangs im Jahr 1972 dadurch aus, dass sie statt einer thematischen Kontinuität der Debatten durch verschiedene Themen-konjunkturen geprägt worden ist (vgl. dazu und zum Folgenden Heinelt/Mayer 2001; Heinelt/Mayer 2003). Dadurch ist es der lokalen Politikforschung gelun-gen, Beiträge zu jeweils aktuellen wissenschaftlichen und politischen Debatten zu leisten sowie jeweils neue Mitglieder bzw. Teilnehmer an Tagungen und für zahlreiche Publikationen zu gewinnen. Die Prägung durch Themenkonjunkturen ist nicht zuletzt auch Ausdruck des weitgefassten Gegenstandsbereichs. Denn nach dem Diktum des Gründungsvaters des Arbeitskreises „Lokale Politikfor-schung“, Rolf-Richard Grauhan’s (1975: 12), „die lokale Politik aus dem Ghetto des kommunalpolitischen Systems“ zu befreien, bezieht sich die lokale Politik-forschung auf lokale Politik im Sinne der Herstellung und Durchsetzung gesell-schaftlich verbindlicher Entscheidungen in einem physisch-ortsgebundenen und sozialraumbezogenen Interaktionssystem (vgl. Heinelt/Wollmann 1991: 9 f.). Damit hat die lokale Politikforschung einen relativ klar mit dem staatsrechtlichen Gemeindebegriff absteckbaren Gegenstandsbereich aufgegeben und sich statt dessen Stadtpolitik in einem über die Kommunalpolitik hinausgehenden Sinne zugewendet (vgl. Blanke/Benzler 1991: 10 f.). Dies eröffnet der lokalen Politik-forschung in Deutschland eine pluri-disziplinäre Orientierung, und die Offenheit gegenüber einer relativ großen Bandbreite von Debatten in den Nachbardiszipli-nen ermöglicht es, dass die dort vorherrschenden Themen auch zu Bezugspunk- 1 Zu weiteren temporären Arbeits- und Diskussionszusammenhängen im Bereich der lokalen Po-

litikforschung in Deutschland vgl. Wollmann 1991: 16.

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Hubert Heinelt und Angelika Vetter 8

ten in der lokalen Politikforschung werden. Hinzu kommt, dass der Arbeitskreis „Lokale Politikforschung“ immer Kontakte zu Praktikern gesucht und in seine Aktivitäten einbezogen hat. Auch diese Art von Inklusivität hatte Auswirkungen auf die thematische Gestaltung der Aktivitäten des Arbeitskreises.

Aufgrund der Themenvielfalt und der mit einzelnen Themenkonjunkturen wechselnden, aktiv die jeweiligen Debatten tragenden “LOPOFOten“ (wie sich die Teilnehmer des Arbeitskreises „Lokale Politikforschung“, des LOPOFO, selbst bezeichnen) konnte es nicht ausbleiben, dass es keine in der lokalen Poli-tikforschung Deutschlands allgemein anerkannten gegenstandsbezogenen Theo-rien, Analysekonzepte und Methodologien gibt. Dies mag man bedauern (wie z.B. Hennig 2000: 182). Es hat allerdings entscheidend dazu beigetragen, dass die Debatten in der lokalen Politikforschung weitgehend offen geführt und nicht von einem hegemonialen Ansatz dominiert werden. Überdies ließen sich dadurch Debatten immer wieder durch die Intrusion fachfremder Erklärungsansätze und Betrachtungsweisen befruchten. 1.2 Zur Konturierung aktueller Probleme lokaler Politik und Fragestellungen

der lokalen Politikforschung in Deutschland Die Aktivitäten des Arbeitskreises „Lokale Politikforschung“ hatten sich zwi-schen der zweiten Hälfte der 70er bis Anfang der 90er Jahren thematisch auf die Analyse lokaler Entwicklungen unter gesamtgesellschaftlicher Fragestellung, die Implementationsforschung, Politikfeldanalysen (besonders in den Bereichen lo-kaler Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik) und die Erneuerung des Sozialstaats „von unten“ konzentriert (vgl. dazu Wollmann 1991: 18 ff.). Mit ihren Ergebnissen zu den drei zuletzt genannten Themen leistete die lokale Politikforschung einen maßgeblichen Beitrag zur Begründung der Governance-Debatte bzw. zum „go-vernance turn“ in der deutschen Politikwissenschaft (vgl. Heinelt 2004). Danach ging es in den 90er und ersten Jahren des 21. Jahrhunderts vorrangig um die in-terne Modernisierung kommunaler Verwaltungsstrukturen und –abläufe, aber auch um eine darüber hinausgehende „Modernisierung der Kommunalpolitik“ (Heinelt/Mayer 1997) – vor allem unter dem Gesichtspunkt der partizipativen Einbindung der Bürgerschaft in kommunale Entscheidungsprozesse (vgl. u.a. Heinelt/Mühlich 2000; Bogumil 2002; Haus 2002; Vetter 2008) – sowie um eine Betrachtung von Veränderungen lokaler Politik im Bundesländervergleich. Hin-zu kam deutlich stärker als in der Vergangenheit eine international vergleichende Perspektive (vgl. u.a. Kersting/Vetter 2003).

Um im Jahr 2007 neue Themenfelder zu bestimmen, die im Kreis der an den Diskussionen des Arbeitskreises „Lokale Politikforschung“ Interessierten auf Resonanz stoßen könnten, wurde ein Verfahren gewählt, das im Arbeitskreis

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Einleitung 9

nicht neu ist. Ähnlich wie schon bei der Tagung des Arbeitskreises „Lokale Poli-tikforschung“ in Heidelberg im Jahr 1995 (vgl. zu den Inhalten Grunow/Woll-mann 1998) wurden im Vorfeld der geplanten Arbeitskreistagung im Juni 2007 eine Reihe von Wissenschaftlern angesprochen, die zum damaligen Zeitpunkt oder in der Vergangenheit die Debatten des Arbeitskreises getragen haben. Sie wurden gebeten, zu Themen, die sie für die lokale Politikforschung besonders in-teressant fanden, für diese Tagung Arbeitsgruppen zu organisieren, um künftige Forschungsfelder und -fragestellungen zu konturieren. Im Einzelnen wurden fol-gende thematische Arbeitsgruppen von den angegeben „panel chairs“ angeboten:

�� „Dezentralisierung und Funktionalreform“ (Jörg Bogumil und Sabine Kuhl-

mann), �� „Bürgergesellschaft und Dritter Sektor lokal – Neuere Entwicklungen und

Umgangsformen kommunaler Politik“ (Adalbert Evers), �� „Bürgergesellschaft und politische Repräsentation auf lokaler Ebene“

(Everhard Holtmann und Marion Reiser), �� „Kommunale Haushalte in der Krise“ (Lars Holtkamp), �� „Kommunen und die EU“ (Hubert Heinelt und Daniel Kübler), �� „Kommunen und demografischer Wandel“ (Ulrich Sarcinelli und Jochen

Stopper), �� „Regionalisierung lokaler Politik“ (Arthur Benz und Anna Meincke), �� „Lokale Politik zwischen Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und sozialer

Kohäsion“ (Hartmut Häussermann), �� „Kommunale Sozialverwaltung nach Hartz IV“ (Sylvia Greiffenhagen und

Katja Neller) sowie �� „Schrumpfende Städte und lokale Politik“ (Matthias Bernt).

Von diesen Arbeitsgruppen kamen zwei aufgrund einer zu geringen Resonanz im Rahmen der Tagung des Arbeitskreises „Lokale Politikforschung“ im Juni 2007 nicht zustande: „Bürgergesellschaft und Dritter Sektor lokal“ sowie „Lokale Po-litik zwischen Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Kohäsion“. Zum Thema „Kommunale Sozialverwaltung nach Hartz IV“ wird im Juni 2008 eine eigenständige Tagung stattfinden. Einige der in den Arbeitsgruppen präsen-tierten Vorträge werden in diesem Band publiziert, um im Zusammenhang einen Überblick über aktuelle Probleme lokaler Politik und die Fragestellungen zu ge-ben, mit denen sich die lokale Politikforschung in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts beschäftigt. Der Überblick verdeutlicht, wie stark sich institutionel-le, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen im nationalen ebenso wie im supra-nationalen Kontext (hier vor allem die Europäische Integration) auf die

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Hubert Heinelt und Angelika Vetter 10

Städte und Gemeinden in Deutschland und dementsprechend auf die wissen-schaftliche Beschäftigung mit lokaler Politik auswirken.

Bevor wir im Weiteren auf die in diesem Sammelband veröffentlichten Bei-träge eingehen, möchten wir uns bei Max Krapp und Beate Laferi-Kobsa für die organisatorische Unterstützung der Tagung des Arbeitskreises „Lokale Politik-forschung“ im Juni 2007 bedanken, ebenso wie bei den Panel-Chairs Arthur Benz, Matthias Bernt, Jörg Bogumil, Lars Holtkamp, Everhard Holtmann, Daniel Kübler, Sabine Kuhlmann, Anna Meincke, Marion Reiser, Ulrich Sarci-nelli sowie Jochen Stopper, deren inhaltliche Unterstützung zum Erfolg der Ta-gung beigetragen hat. Dank gilt auch Marko Andrée, Elisa Helbig, Max Krapp, und Eva Schulze für die Hilfe beim Korrekturlesen und der Bearbeitung der von den Autoren des Bandes eingereichten Texte. 2 Zu den Beiträgen in diesem Buch Der Handlungsspielraum der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland wird maßgeblich von der Ausgestaltung der Beziehung zwischen Bund, Ländern und Kommunen beeinflusst. Aus diesem Grund stellt die Einbettung der Kom-munen in den föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland ein wie-derkehrendes Thema der lokalen Politikforschung dar. Entsprechend beschäfti-gen sich die beiden ersten Beiträge dieses Sammelbandes unter der gemeinsamen Überschrift „Kommunale Interessen im föderalen Staat“ mit dem finanziellen und institutionellen Spannungsverhältnis, das zwischen den Kommunen einer-seits sowie den Ländern und dem Bund andererseits besteht. Ausgehend von der Betonung der demokratie- und leistungsbezogenen Relevanz der Städte und Ge-meinden im europäischen Mehrebenensystem analysieren Angelika Vetter und Lars Holtkamp in ihrem Beitrag die Veränderungen der finanziellen Handlungs-spielräume der Kommunen in Deutschland. Gemessen an der Freiheit der Kom-munen, selbstständig über die Ausgabe von Mitteln zu entscheiden, hat der loka-le Handlungsspielraum in Deutschland seit 1985 deutlich abgenommen. Über die Jahre hinweg ist ein starker Rückgang der Investitionsausgaben zu beobachten, der mit einer deutlichen Zunahme des Ausgabenanteils für soziale Leistungen einhergeht. Dabei werden beide Entwicklungen durch eine permanente und stei-gende Mittelknappheit ergänzt. Die damit verbundene Verringerung der lokalen Handlungsspielräum lässt sich auf zahlreiche Ursachen zurückführen. Zu den exogenen Faktoren gehören unter anderem die gesamtwirtschaftliche Entwick-lung sowie die institutionellen Rahmenbedingungen (Kommunalverfassungen). Zu den endogenen Ursachen zählen nicht zuletzt kommunale Entscheidungspro-zesse. Ansätze zur Stärkung der lokalen Finanzen – und damit der kommunalen

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Einleitung 11

Handlungsspielräume – liegen in verschiedenen Bereichen. Unabhängig von der Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Situation könnten der Abbau kommu-naler Standards durch Bund und Länder, die Einführung einer Kommunalkam-mer, eine Stärkung der lokalen Interessenvertretung auf der EU-Ebene oder die Optimierung kommunaler Entscheidungsprozesse hierzu einen Beitrag leisten.

Der Beitrag von Werner Pleschberger über die Implementation der jüngsten Konsultationsmechanismen zwischen Kommunen, Ländern und Bund in Öster-reich ergänzt die Ausführungen von Angelika Vetter und Lars Holtkamp, da mit ihnen die Hoffnung verbunden ist, kommunale Haushaltsprobleme bzw. -krisen, die aus der föderalen Asymmetrie resultieren, besser handhaben zu können. In Österreich wurden vor dem Hintergrund des EU-Stabilitäts- und Wachstumspak-tes zwei Koordinationsmechanismen eingeführt: der Österreichische Stabilitäts-pakt zur Konsolidierung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden ei-nerseits sowie der Konsultationsmechanismus zur Korrektur der einseitigen La-stenübertragung auf die Kommunen andererseits. Vor allem die Existenz ver-schiedener schon vorhandener Formen fiskalpolitischer Koordinierung, die Ver-netzung der Interessenlagen von Kommunen, Ländern und Bund und eine ver-fassungsrechtliche Aufwertung der Kommunalverbände haben in Österreich zur Einführung dieser Koordinationsmechanismen beigetragen. Der Stabilitätspakt offeriert Budgetregeln für die Gebietskörperschaften, indem er individuell diffe-renzierte Stabilitätsbeiträge festsetzt und über die Einsatzmöglichkeit von „wei-chen“ Instrumenten und Sanktionsmechanismen verfügt. Der Konsultationsme-chanismus versucht vor allem durch ausgeweitete Verständigungs- und Informa-tionspflichten von Bund und Ländern, die Städte und Gemeinde gegen die Über-belastung finanzwirksamer gesetzlicher Maßnahmen von Bund und Ländern zu schützen. Die Koordinierung vor allem finanzpolitischer Fragen ist nicht nur in föderalen Staaten wie Deutschland und Österreich von aktueller Relevanz. Viel-mehr werden entsprechende Fragen im Zuge der fortschreitenden Entwicklung des EU-Mehrebenensystems in den nächsten Jahren intensiv diskutiert werden müssen, wenn die Städte und Gemeinden – wie in der Charta der europäischen Selbstverwaltung gefordert – tatsächlich einen relevanten Beitrag zum Aufbau Europas beitragen sollen.

Die europäische Integration selbst bildet ebenfalls einen Schwerpunkt in der aktuellen lokalen Politikforschung. Dabei geht es einerseits um die Frage nach den Konsequenzen europäischer Politiken für die lokale Ebene sowie anderer-seits um die Frage der lokalen Interessenvertretung im Mehrebenensystem der EU. Unter der Überschrift „Lokale Politik und europäische Integration“ be-schäftigt sich Karsten Zimmermann mit den sich abzeichnenden Konturen einer europäischen „Stadtpolitik“. Obwohl die EU nicht über genuin stadtpolitische Kompetenzen verfügt, kann sie beispielsweise über die Europäisierung der Um-

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welt- und Verkehrspolitik Einfluss auf die kommunale Politik nehmen. Dies er-folgt zum einen über die Bereitstellung finanzieller Mittel in Verbindung mit Problemdeutungen und Ideentransfers, Anforderungen an Verfahren, Instrumente und Akteure und zum anderen über regulative Rechtsetzungsakte („Goldene Zü-gel vs. Eiserne Hand“). Illustriert wird dies an Beispielen der Gemeinschaftsini-tiative Urban bzw. dem Programm Soziale Stadt sowie der Feinstaubrichtlinie aus den Bereichen der Struktur- und der Umweltpolitik. Insgesamt zeigt sich, dass es zwar zu einer kaum bestreitbaren Bedeutungszunahme der städtischen Dimension innerhalb der EU gekommen ist, aber die Auswirkungen der europäi-schen Stadtpolitik auf die jeweiligen Kommunen letztlich nur schwer zu bewer-ten sind.

Hubert Heinelt und Stefan Niederhafner verfolgen die zweite Perspektive und beschäftigen sich mit der Rolle der Städte im Zuge von europäischen Ent-scheidungsprozessen als auch im Zuge der Implementation von EU-Rechtset-zungen. Insbesondere bei der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament existieren durch die Bereitstellung von Expertisen oder die Erhöhung der Legitimation von Rechtssetzungsentwürfen Zugangsmöglichkeiten für die Vertreter lokaler Interessen. Kommunale Anliegen werden dabei durch spezifi-sche Interessenorganisationen auf europäischer Ebene artikuliert. Zu diesen zäh-len unter anderem EUROCITIES als Netzwerk europäischer Großstädte sowie der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), der Dachverband der nationalen Städte- und Gemeindeverbände. Die Untersuchung von Heinelt und Niederhafner macht deutlich, wie unterschiedlich die Einflussmöglichkeiten die-ser Interessenorganisationen in Abhängigkeit von ihrer Mitgliederbasis und ihrer internen Logik sind. Während EUROCITIES als Organisation mit Netzwerkcha-rakter angesehen werden kann, die über vergleichsweise einfache Koordinations-mechanismen Einfluss auf wesentliche EU-Akteure nehmen kann, muss der RGRE mit Hilfe des Modus der Kooperation zunächst die variierenden Interes-sen seiner Mitglieder ausgleichen und ist daher aufgrund allgemein gehaltener Positionen in seiner Lobbying-Arbeit eingeschränkt. Umgekehrt jedoch reprä-sentiert EUROCITIES lediglich einen kleinen Teil der europäischen Städte, was seine Legitimation als politischer Repräsentant europäischer Städte und Gemein-den verglichen mit dem RGRE deutlich schmälert.

Die drei folgenden Beiträge beschäftigen sich mit „neuen Formen des Re-gierens und Verwaltens auf der lokalen Ebene“ sowohl in Deutschland als auch im internationalen Vergleich. Joachim Blatter untersucht neue Governance-For-men, die sich in sechs deutschen Metropolregionen (Hamburg, Bremen, Hanno-ver, Frankfurt, Stuttgart und München) herausgebildet haben. Von einer theore-tisch abgeleiteten Typologie von Governance-Formen ausgehend zeigt sich, dass kommunikative und performative Steuerungsformen seit den 90er Jahren zuge-

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Einleitung 13

nommen und die vorherigen Steuerungsstrategien in den Agglomerationsregio-nen erweitert haben. Das Konzept der Europäischen Metropolregionen könnte vor diesem Hintergrund zu einer Verabsolutierung der performativen Steuerung bzw. einer Homogenisierung von „metropolitan governance“ in Deutschland führen, ohne jedoch auf die jeweils unterschiedlichen Steuerungstraditionen, Zielsetzungen und kulturellen Voraussetzungen in den einzelnen Regionen Rücksicht zu nehmen.

Falk Ebinger und Jörg Bogumil beschäftigen sich mit der Kommunalisie-rung von Verwaltungszuständigkeiten, dem für die Kommunen wichtigsten Teil-aspekt der Verwaltungsstrukturreformen, und den damit einhergehenden Gren-zen der Subsidiarität. Die Autoren identifizieren verschiedene Problemaspekte, die bei der Reformgestaltung stärker berücksichtigt werden sollten. Zu diesen gehört erstens die nur unzureichend durchgeführte Aufgabenkritik. Überflüssige Aufgaben fallen im Sinne der Zweckkritik nicht systematisch weg und es wird keine „echte“ Vollzugskritik hinsichtlich der optimalen Anlagerung von Aufga-ben angestrebt. Zweitens ergeben sich finanzielle Risiken, die die Kommunen durch die Reformen eingehen. Drittens weisen die Autoren auf eine sinkende Qualität der Aufgabenwahrnehmung hin, die hauptsächlich durch neue Schnitt-stellenprobleme, die kommunale Ressourcenausstattung und die Politisierung von Entscheidungen verursacht wird. Abgesehen davon lassen sich nach Ebinger und Bogumil als Folge der aktuellen Kommunalisierungspolitik noch weiter rei-chende Konsequenzen des gegenwärtigen Modernisierungstrends feststellen, wie die Reduzierung des Verwaltungsvollzug auf das Nötigste oder die Heterogeni-sierung von Verwaltungshandeln, die beide als Nachteil im internationalen Standortwettbewerb zu bewerten sind.

Hellmut Wollmann erweitert das Blickfeld, indem er vergleichend für Eng-land, Frankreich, Deutschland und Schweden einen Überblick über die organisa-torisch-institutionellen Veränderungen lokalen „Regierens“ und Verwaltens in den letzten Jahren gibt. Wollmann untersucht Veränderungen in den Bereichen von Territorialität und Funktionalität. Er geht auf unterschiedliche Dezentralisie-rungs- bzw. Dekonzentrationsbewegungen ein, die sich darin unterscheiden, ob Aufgabentransfers auf subnationale Handlungseinheiten in Form eines unifor-men Aufgabenmodells mit institutioneller Trennung der staatlichen von der kom-munalen Ebene oder aber in Form einer administrativen Aufgabenübertragung auf die nachgeordnete Verwaltungseinheit erfolgen. Ein dritter Fokus liegt auf unterschiedlichen „local government“- und „local governance“-Formen, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben. Die vier untersuchten Länder weisen je-weils unterschiedliche Entwicklungspfade auf, die Wollmann detailliert heraus-arbeitet.

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Die Beziehung zwischen Bürgern und lokaler Politik findet ihren aktuellen Niederschlag vor allem in der Auseinandersetzung mit neuen Formen lokaler Bürgerbeteiligung und deren Folgen. Unter der Überschrift „Bürgergesellschaft und politische Repräsentation“ schließt der Beitrag von Brigitte Geißel an die bislang noch nicht weit fortgeschrittene Untersuchung der Leistungen neuer Formen lokaler Bürgerbeteiligung an. Diese demokratischen Innovationen haben seit den 90er Jahren in vielen westlichen Demokratien vor allem auf lokaler Ebe-ne eine besondere Dynamik entfaltet. Auf der Basis vorliegender theoretischer Arbeiten konzipiert Brigitte Geißel einen Analyse- und Bewertungsrahmen mit zentralen Evaluationskriterien zur Beurteilung des Erfolgs neuer Beteiligungs-formen. Zu den Bewertungskriterien zählen deren Beitrag zur Steigerung von Legitimität, Effektivität, der demokratischen Qualifizierung der Bürger und der Bildung von Sozialkapital. Die Anwendung erfolgt exemplarisch anhand einer Metaanalyse bereits vorliegender empirischer Studien. Die Ergebnisse lassen ers-te Schlussfolgerungen dahingehend zu, dass direktdemokratische Verfahren vor allem zur Verbesserungen der Legitimitätsüberzeugung der Bürger und zu effek-tiven Problemlösungen führen, jedoch kaum zur Bildung von Sozialkapital. Co-Governance-Verfahren können unter bestimmten Voraussetzungen zur Förde-rung demokratischer Fähigkeiten und zur Stärkung des Sozialkapitals beitragen, ebenso wie deliberative Verfahren, die allerdings kaum effektive Auswirkungen auf öffentliche Debatten und Policies hervorbringen.

Katja Pähle konzentriert sich demgegenüber auf die Folgen lokaler Bürger-beteiligung und fragt nach deren Folgen für die Akzeptanz politischer Amtsträ-ger. Ihre Analysen basieren auf David Eastons Modell politischer Unterstützung, das den politischen Herrschaftsträgern eine wichtige Rolle für die Anerkennung und Rechtmäßigkeit des gesamten politischen Systems zuspricht. Als unabhän-gige Variablen, von denen zu kontrollierende Einflüsse auf die spezifische Un-terstützung lokaler Mandatsträger ausgehen, verwendet Katja Pähle neben den Partizipationserfahrungen der Bürger die jeweiligen (kommunalen) Rahmenbe-dingungen, das Vertrauen eines Individuums in politische Institutionen, das poli-tische Wissen der Befragten, ihre politische Kompetenz und ihre Wahrnehmung der politischen Performanz. Basierend auf Daten zweier Bürgerbefragungen in sechs kommunalen Gebietskörperschaften in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen hat besonders das Vertrauen in politische Institutionen und eine un-spezifische Zufriedenheit mit der jeweiligen kommunalpolitischen Situation Fol-gen für die Beurteilung lokaler Amtsträger. Die Infragestellung der Legitimation politischer Mandatsträger insbesondere durch diejenigen Bürger, die sich auf vielfältige Weise politisch beteiligen, ist ein demokratietheoretisch und demokra-tiepraktisch herausforderndes Ergebnis, dem in weiteren Studien nachgegangen werden sollte.

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Einleitung 15

In den Beiträgen des letzten Themenblocks „Demografischer Wandel und Schrumpfung“ wird eine der momentan wichtigsten strukturellen Veränderungen der bundesdeutschen Gesellschaft diskutiert, die bereits heute sichtbare Folgen in den Städten und Gemeinden vor allem Ostdeutschlands zeigt. Einleitend analy-siert Bernhard Köppen, dass der demografische Wandel in Deutschland nicht nur mit sinkenden Einwohnerzahlen, sondern auch mit gravierenden Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur einhergehen wird. Für die regionale und kommunale Ebene werden sich daraus Konsequenzen ergeben, die einerseits in einer zuneh-menden Bedeutung der Binnenwanderung und andererseits in zunehmend stärker werdenden regionalen Disparitäten als Folgen des demografischen Wandels zu sehen sind. Köppen verweist auf die Notwendigkeit zur Entwicklung von klein-räumigen und regionalisierten interkommunalen Kooperationskonzepten, welche die Besonderheiten einer jeden Region angemessen aufgreifen und einen adäqua-ten Umgang mit den zu erwartenden Problemen ermöglichen.

Jochen Stopper beschäftigt sich auf der Grundlage von Daten einer schrift-lichen Befragung unter rheinland-pfälzischen Ratsmitgliedern mit der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen interkommunaler Kooperationen, die sich vor dem Hintergrund des zunehmenden demografischen Wandels als Handlungsstra-tegien anbieten. Er untersucht sowohl die Erwartungen der Ratsmitglieder be-züglich des zukünftigen demografischen Wandels, als auch den politischen Stel-lenwert, den die Ratsmitglieder diesem Thema für ihre jeweilige Kommune zu-weisen, ebenso wie die Frage, inwieweit die kommunalpolitischen Akteure in-terkommunale Zusammenarbeit als sinnvolle Handlungsstrategie zur Bewälti-gung der Auswirkungen des demografischen Wandels ansehen. Die Ergebnisse sind widersprüchlich: Einerseits bekennen sich die kommunalpolitischen Akteu-re zur Notwendigkeit verstärkter interkommunaler Zusammenarbeit. Gleichzeitig schätzen sie aber die Einwohnerentwicklung in ihrer jeweiligen Kommune eher positiv ein und setzten weiterhin auf eher wettbewerbsorientierte Strategien – wie die Förderung von Bautätigkeit oder den Ausbau der Infrastruktur, um Ein-wohner an sich zu binden.

Dem Beitrag von Uwe Altrock liegt die These zugrunde, dass der demogra-fische Wandel sowie der wirtschaftliche Strukturwandel in zahlreichen Städten zu Schrumpfungstendenzen geführt haben, die ihrerseits die Herausbildung neuer Governance-Muster unterstützt haben. Untersucht wird diese These anhand von vier Fallstudien zur Stadtteilentwicklungspolitik, die sich im ostdeutschen Schrumpfungskontext sowohl mit Rückbau- als auch mit Aufwertungsmaßnah-men in Wohnquartieren beschäftigt. Zentrale Akteure im städtischen Umgang mit Schrumpfung sind das politisch-administrative System, lokal gebundene Un-ternehmer, die lokale Wohnungswirtschaft, Infrastrukturbetreiber sowie die Be-wohner und ihre politischen Zusammenschlüsse (in Form der Zivilgesellschaft).

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Die beteiligten Akteure sehen sich hinsichtlich ihres Umfangs mit dem Problem der „Schrumpfung“ unterschiedlichen Anreizen ausgesetzt, die sich auf ihre Be-reitschaft und ihre Möglichkeit auswirken, an kooperativen Arrangements aktiv teilzunehmen. Darüber hinaus zeigen die Beobachtungen eine große Bandbreite unterschiedlicher Kooperationsformen, die von „partnerschaftlicher Politik“ über „Augenöffner-Politik“ und „Politik als Animation“ bis hin zu „Politik als Antizi-pation“ reicht.

In ähnlicher Weise beschäftigt sich Birgit Glock mit den Fragen, wie Städte auf die durch Schrumpfung veränderten sozialen, ökonomischen und demografi-schen Bedingungen reagieren, unter welchen Bedingungen sich herkömmliche – unter den Bedingungen des Wachstums angewandte – Instrumente verändern bzw. wie es Städten gelingt, neue Politiken zu institutionalisieren. Die Klärung der Fragen erfolgt auf der Grundlage zweier empirischer Fallstudien: Der Ver-gleich der beiden Städte Duisburg und Leipzig deutet darauf hin, dass politische Innovationen in schrumpfenden Städten von flexibleren Problemwahrnehmun-gen und -deutungen abhängen. Während in Duisburg in Form von „single-loop-learning“ lediglich die Instrumente, nicht aber die übergeordneten Strategien verändert wurden, kann der Politikwandel in Leipzig als eine Form von „double-loop-learning“ charakterisiert werden, da hier aufgrund einer Interpretation des Schrumpfungsprozesses als langfristige Entwicklung auch die übergeordneten Strategien verändert wurden. Innovationen sind folglich nur dann möglich, wenn sich die handelnden Akteure nicht an routinierten Interpretationsmustern orien-tieren und Schrumpfung als lediglich temporären Effekt begreifen. Dabei kommt der öffentlichen Verwaltung eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Wahrnehmung von Schrumpfungsprozessen und die Entwicklung von Innovati-onen zu. Literatur Blanke, Bernhard/Benzler, Susanne, 1991: Horizonte der Lokalen Politikforschung. Ein-

leitung, in: Blanke, Bernhard (Hrsg.): Staat und Stadt. Systematische, vergleichende und problemorientierte Analysen „dezentraler“ Politik (Politische Vierteljahres-schrift, Sonderheft 22), Opladen, S. 9-34.

Bogumil, Jörg (Hrsg.), 2002: Kommunale Entscheidungsprozesse im Wandel. Theoreti-sche und empirische Analysen, Opladen.

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Lokale Handlungsspielräume und Möglichkeiten der Haushaltskonsolidierung in Deutschland Angelika Vetter und Lars Holtkamp 1 Lokale Handlungsspielräume und ihre Bedeutung für die lokale

Demokratie In der Demokratietheorie wird der lokalen Politik aus zwei Gründen eine beson-dere Rolle zugeschrieben. Erstens kann lokale Politik dazu beitragen, die demo-kratische Qualität politischer Prozesse zu erhöhen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund des zunehmenden Globalisierungs- und Europäisierungsprozesses. Durch diese Entwicklung entfernt sich die Politik aus der Erfahrungswelt der Bürger. Politische Entscheidungen werden schwerer nachvollziehbar. Und die Chancen der Bürger, auf politische Entscheidungen unmittelbar Einfluss zu nehmen, werden schwächer. Durch ihre Nähe zu den Bürgern kann lokale Politik hier kompensatorisch wirksam werden – so die Theorie – und eine sinnhafte Be-teiligung bzw. Integration der Bürger in das politische Gemeinwesen gewährleis-ten. Entsprechend formulierten Dahl und Tufte bereits 1974 (S. 104):

„If the giant units are needed for handling transnational matters of extraordi-nary moment, very small units seem to us necessary to provide a place where ordinary people can acquire the sense and the reality of moral responsibility and political effectiveness in a universe where remote galaxies of leaders spin on in courses mysterious and unfathomable to the ordinary citizen“ (ähnlich Dahl 1967, 1992, 1994; Bellah u.a. 1987; Barber 1994; Vetter 2007a).

Zweitens stehen Staaten heutzutage nahezu fortwährend unter dem Druck, ihr Handeln effizienter und effektiver zu gestalten. Ausdruck dieses Drucks ist in-nerhalb der EU beispielsweise die Defizitgrenze von drei Prozent, die unter an-derem auch von der Bundesrepublik Deutschland bereits mehrfach überschritten wurde und entsprechende Reformbemühungen nach sich zog. Durch die bessere Kenntnis örtlicher Problemlagen – so die Theorie – könnten Kommunen nicht nur zu einer effektiveren, sondern auch einer effizienteren Allokation öffentli-cher Mittel beitragen.

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Angelika Vetter und Lars Holtkamp 20

In der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung des Europa-rats, die mittlerweile von 42 Staaten ratifiziert wurde, werden diese beiden As-pekte an zentraler Stelle aufgegriffen. Das Dokument verweist explizit auf die demokratie- und leistungsbezogene Relevanz der Städte und Gemeinden im eu-ropäischen Mehrebenensystem. In der Präambel der Charta halten die Unter-zeichnerstaaten ihre gemeinsame Überzeugung fest,1

�� dass der Schutz und die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in den

verschiedenen europäischen Staaten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europas darstellen, das sich auf die Grundsätze der Demokratie und der Dezentralisierung der Macht gründet;

�� dass das Bestehen kommunaler Gebietskörperschaften mit echten Zustän-digkeiten eine zugleich wirkungsvolle und bürgernahe Verwaltung ermög-licht, und

�� dass es hierzu des Bestehens kommunaler Gebietskörperschaften bedarf, die über demokratisch bestellte Entscheidungsorgane verfügen und weitgehen-de Selbständigkeit hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten, der Art und Weise, in der sie diese Zuständigkeiten ausüben, und der zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Mittel besitzen.

Dabei werden echte lokale Zuständigkeiten als besonders wichtig für eine starke kommunale Selbstverwaltung in Europa hervorgehoben. Hierzu gehören zum ei-nen die weitgehende Selbständigkeit der kommunalen Akteure bei der Definition ihrer Zuständigkeiten und der Entscheidung über die Art und Weise ihrer Aus-übung sowie zum anderen das Vorhandensein der hierfür notwendigen Finanz-mittel. Beide Punkte entsprechen in weiten Teilen der Definition lokaler Auto-nomie, wie sie beispielsweise Clark (1984), Page und Goldsmith (1987) oder Pa-ge (1991) verwenden. Lokale Handlungsfreiheit oder Autonomie wird hier als Freiraum begriffen, den Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben besitzen. Dieser Handlungsfreiraum wird über zwei Dimensionen erfasst. Zum einen ge-hören dazu die Funktionsbreite der Kommunen und die Freiheit, mit der sie über die Erfüllung ihrer Aufgaben entscheiden können. Darüber hinaus wichtig ist die Art des Einflusses, den Kommunen auf höheren Entscheidungsebenen besitzen, um dort ihren Interessen Nachdruck zu verleihen (vgl. Page 1991: 13 ff.; 42 ff.). Dieser Aspekt wird von der Charta nicht berücksichtigt, ist für das Ausmaß des lokalen Handlungsfreiraums aber ebenfalls zentral. Bestehen institutionalisierte oder personalisierte Verbindungen zwischen Kommunen und nationalen Ent-

1 Vgl. http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=122&CM=8&DF=6/

29/2007&CL = GER, zugegriffen am 29. Juni 2007.

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Lokale Handlungsspielräume und Haushaltskonsolidierung 21

scheidungsträgern,2 finden lokale Interessen auf nationaler Ebene vermutlich ei-ne stärkere Berücksichtigung als im Fall einer ausschließlichen Vertretung durch Verbände oder nicht örtlich gebundene Vertreter.3

In diesem Beitrag untersuchen wir, wie groß der lokale Handlungsspielraum in der Bundesrepublik Deutschland ist, wie er sich seit 1985 verändert hat, wel-che Ursachen dafür verantwortlich sind und welche Möglichkeiten bestehen, um die kommunalen Handlungsspielräume in den kommenden Jahren zu stärken. Bei der Analyse des lokalen Handlungsspielraums konzentrieren wir uns auf die lokale Aufgabenbreite und die Freiheit der Kommunen in der Aufgabenerfül-lung. Zur Operationalisierung beider Aspekte verwenden wir lokale Finanzdaten. Zur Erklärung der aktuellen Haushaltsdefizite und der mit ihnen verbundenen Einschränkung der lokalen Handlungsfreiheit werden verschiedene Ansätze aus der Literatur vorgestellt und diskutiert. Lokale Entscheidungsspielräume hängen zum einen von kommunalspezifischen, endogenen Besonderheiten ab und zum anderen von exogenen Faktoren, die sich aus der Einbindung der Gemeinden in das bundesrepublikanische Mehrebenensystem ergeben (vgl. u.a. Holtkamp 2007a; Kunz 2000: 72). Beiden Aspekten wird nachgegangen. Auf der Grundla-ge der Ursachenanalyse versuchen wir abschließend die Frage zu klären, ob und wenn ja, wie der kommunale Handlungsspielraum im föderalen System der BRD gestärkt werden kann, um den in der Europäischen Charta der lokalen Selbst-verwaltung formulierten Zielen einer kommunalen Selbstverwaltung mit echten lokalen Zuständigkeiten gerecht zu werden.

2 Veränderungen lokaler Handlungsspielräume in Deutschland seit 1985

In der vergleichenden kommunalwissenschaftlichen Literatur wird den Städten und Gemeinden in Deutschland traditionell ein hoher Grad an Autonomie bzw. Handlungsspielraum zugeschrieben, auch wenn die einzelnen Studien in ihren Einschätzungen leicht divergieren (vgl. Tab. 1). Die Differenzen ergeben sich ei-nerseits durch unterschiedliche Kriterien, die der Beurteilung dieses Spielraums zugrunde gelegt werden. Andererseits beziehen sich die Studien meist auch auf unterschiedliche Zeiträume. Wie die folgenden Analysen zeigen, muss im Fall 2 Ein typisches Beispiel für eine stark personalisierte lokale Interessenvertretung auf nationaler

Ebene ist die in Frankreich übliche Ansammlung von Mandaten („cumul de mandats“). 3 Clark (1984: 205) definiert lokale Autonomie als die lokale Freiheit zu Handeln sowie die

Freiheit, eigene Rechte gegenüber anderen, in der Regel höhere Instanzen, zu verteidigen. „I propose a theory of autonomy based on two principles: the power of initiative and the power of immunity. The former refers to the power of local governments to regulate and legislate in their own interests. The second principle refers to the immunity of local governments from the au-thority of higher tiers of the state.“

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Angelika Vetter und Lars Holtkamp 22

der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich von einem sich verändernden Um-fang des lokalen Handlungsspielraums ausgegangen werden.

Tabelle 1: Lokale Autonomie in Westeuropa: Literaturüberblick

gering Lokaler Autonomiegrad

mittel hoch Lane/ Ersson 1987 F, GR, IRE I, E, P

SF, B, NL, B, A, N, DK, S D CH

Dreier 1994 I, GR, F GB, IRE E, P SF,N, DK,S D, A, CH

Hesse/ Sharpe 1991

„Franco-Group“ B, F, I,

E, P, GR

- „Anglo-Group“

GB, IRE -

„Middle/North Eu-rop. Group“

D, A, CH, NL, N, S, DK, SF

Page 1991 Goldsmith 1997

GB, IRE „South Euro-pean Group”

F, B, I, E -

„North Euro-pean Group“S, N, DK, NL

„Germanic Sys-tems“

D, A, CH Vetter 2007a

GR, I, IRE, NL, GB B, P, A,

E, F, D N, DK, S, SF

Quelle: Eigene Zusammenstellung.

2.1 Der lokale Aufgabenumfang Eine rein nominelle Auflistung lokaler Aufgaben lässt keine Rückschlüsse über den tatsächlichen Aufgabenumfang der lokalen Ebene zu, da hieraus nicht er-sichtlich wird, wie leistungsintensiv die einzelnen Aufgaben sind. Deshalb grei-fen wir zur Analyse des lokalen Aufgabenumfangs auf den Anteil der lokalen Ausgaben an allen staatlichen Ausgaben zurück. Betrachtet man die absoluten Ausgaben, wie sie in den letzten zwanzig Jahren von Bund, Ländern und Kom-munen getätigt wurden, zeigt sich zunächst ein deutlicher Ausgabenanstieg (vgl. Tab. 2). Von 1985 bis 2004 verdoppelten sich die Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden. Die stärksten Steigerungen fanden im Zuge der Wiedervereini-gung statt und sind auf diese zurückzuführen. Ab Mitte der 1990er Jahre verrin-gern sich die Ausgabenzuwächse wieder. Die Steigerung der kommunalen Aus-gaben ist dabei insgesamt weniger dramatisch als die von Bund und Ländern. Al-lerdings unterscheidet sich die Entwicklung der kommunalen Ausgaben zwi-schen Ost- und Westdeutschland (vgl. Tab. 3). In den alten Bundesländern stie-gen die lokalen Ausgaben allein von 1992 bis 2004 von 113,3 auf 124,2 Milliar-den Euro an (+9,6 Prozent). In Ostdeutschland sanken sie dagegen im gleichen

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Lokale Handlungsspielräume und Haushaltskonsolidierung 23

Zeitraum von 29,4 auf 25,0 Milliarden Euro (-15,0 Prozent). Der Rückgang in Ostdeutschland erklärt sich vor allem aus der Reduzierung des kommunalen Per-sonalbestandes (vgl. u.a. Wollmann 1999: 159ff.). Der verglichen mit Bund und Ländern geringere Zuwachs der lokalen Ausgaben ist auf verschiedene Ursachen zurück zu führen, u.a. die rigideren lokale Defizitgrenzen und den damit stärke-ren Zwang zu Kosteneinsparungen.

Tabelle 2: Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden 1985-2004 Ausgaben Bund Länder Städte und Gemeinden Gesamt

Jahr in Mrd. €

Verän-derung in %

in % von

Gesamt

in Mrd. €

Verän-derung in %

in % von

Gesamt

in Mrd. €

Verän-derung in %

in % von

Gesamt

in Mrd. €

Verän-derung in %

1985 132,6 - 39,0 124,4 - 36,6 83,3 - 24,5 340,3 - 1990 159,2 +20,1 37,9 153,2 +23,2 36,5 107,3 +28,8 25,6 419,7 +23,3 1995 250,5 +57,3 38,9 241,2 +57,4 37,4 152,7 +42,3 23,7 644,4 +53,5 2000 265,2 +5,9 39,8 254,5 +5,5 38,2 146,1 -4,3 21,9 665,8 +3,3 2004* 273,6 +3,2 40,0 259,9 +2,1 38,0 149,8 +2,5 21,9 683,3 +2,6 1985-2004 +141,0 +106,3 - +135,5 +108,9 - +66,5 +79,8 - +343,0 +100,8

* Schätzungen. Quellen: 1985: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, 42 (2), Februar 1990, Statistical Section, S. 62; 1990: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Statistical Section, Janu-ar 2005, S. 52; 1995: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Statistical Section, Juli 2003, S. 52; 2000 und 2004: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Statistical Section, Januar 2006, S. 52. Wichtiger als die absoluten Veränderungen der lokalen Ausgaben sind in unse-rem Zusammenhang die Veränderungen des Anteils der kommunalen Ausgaben an allen Staatsausgaben. Bis Anfang der 1990er Jahre betrug dieser Anteil etwa 25 Prozent (vgl. Tab. 2). Ab dann sank er leicht und liegt seit Ende der 1990er Jahre bei etwa 22 Prozent (vgl. auch Vetter 2008a). Im EU-Durchschnitt werden etwa 23 Prozent aller staatlichen Ausgaben von den Kommunen getätigt, wenn-gleich mit erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern (vgl. Vet-ter/Sóos 2008b). Damit liegt Deutschland heute mit einem lokalen Ausgabenan-teil an allen öffentlichen Ausgaben von etwa 22 Prozent im europäischen Mittel-feld. Hinsichtlich des lokalen Aufgabenumfangs ist damit innerhalb der letzten zwanzig Jahre ein leichter Rückgang zu verzeichnen, der in seiner Größenord-nung aber keinen Rückschluss auf eine signifikante Reduzierung des lokalen Handlungsspielraums zulässt – zumindest im Bezug auf den Aufgabenumfang.

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Angelika Vetter und Lars Holtkamp 24

2.2 Die Freiheit der Kommunen in der Entscheidung über die Art und Weise

der Aufgabenerfüllung Der Handlungsspielraum der Kommunen wird allerdings nicht nur über die Menge ihrer Aufgaben bestimmt. Vielmehr hängt er auch davon ab, wie eigen-ständig die kommunalen Entscheidungsträger über den Einsatz dieser Mittel bestimmen können. Diese Freiheit lässt sich nur schwer empirisch bestimmen. Eine Möglichkeit ist die Analyse verschiedener Ausgabenbereiche mit unter-schiedlichen Entscheidungsfreiheiten. Bei ihren Investitionsentscheidungen sind die lokalen Entscheidungsträger vergleichsweise unabhängig von externen Vor-gaben. Bei den Sozialausgaben ist der lokale Entscheidungsfreiraum dagegen Tabelle 3: Lokale Ausgaben nach Ausgabenarten 1985-2004

(Veränderungen in %-Punkten) Gesamt-

ausgaben davon in % für

Jahr in Mrd. € Personal Sach-aufwand

Schulden-dienst

Soziale Leistungen

Investitions-ausgaben

1985 73,4 27,9 19,1 5,4 15,5 21,1 1986 77,8 27,5 18,6 5,0 15,9 21,7 1987 80,8 27,9 18,4 4,6 16,3 21,2 1988 83,1 27,8 18,1 4,3 16,9 21,1 1989 87,7 27,1 18,3 4,3 17,4 21,6 1990 94,7 26,7 18,4 4,3 17,4 21,7 1991 103,2 26,8 18,4 4,3 17,2 21,4 1992 113,3 26,1 18,1 4,3 17,5 21,1 1993 118,1 25,8 18,0 4,3 19,1 19,4 1994 120,2 25,5 18,3 4,2 20,5 17,8 1995 121,6 25,8 17,4 4,1 21,4 16,9 1996 119,1 26,1 17,9 4,2 21,0 16,1 1997 116,0 26,7 18,4 4,2 19,9 15,8 1998 115,7 26,7 18,7 4,1 19,8 15,6 1999 117,5 26,7 19,1 3,8 19,4 15,7 2000 120,5 26,5 19,4 3,7 19,0 15,8 2001 123,2 26,0 19,5 3,6 18,9 15,5 2002 124,6 26,2 19,7 3,5 19,5 15,1 2003 124,5 26,6 19,6 3,4 21,0 13,3 2004 124,2 26,8 19,7 3,2 22,0 12,3

West-deutsch- land

Veränderung

+50,8 (+69,2%) -1,1 +0,6 -2,2 +13,5 -8,8

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Lokale Handlungsspielräume und Haushaltskonsolidierung 25

Fortsetzung Tab. 3 1992 29,4 34,5 18,8 1,0 7,0 32,5 1993 30,2 32,7 17,9 1,7 9,7 30,8 1994 30,3 30,0 17,8 2,1 12,5 29,5 1995 31,1 29,6 17,6 2,5 14,3 26,6 1996 29,5 29,5 17,9 3,0 13,8 25,1 1997 27,7 29,0 18,3 3,2 12,0 24,8 1998 26,8 29,1 18,6 3,4 12,1 24,8 1999 26,3 29,6 19,0 3,4 12,6 23,5 2000 25,6 29,6 19,0 3,5 13,3 21,8 2001 25,2 29,2 19,2 3,5 14,3 20,7 2002 25,4 28,8 19,3 3,4 15,1 19,4 2003 25,4 28,9 18,8 3,2 16,7 18,9 2004 25,0 28,7 18,7 3,1 18,4 17,9

Ost- deutsch- land

Veränderung

-4,4 (-15,0%) -5,8 -0,1 +2,1 +11,4 -14,6

Daten ohne Angaben zu den Stadtstaaten, ohne Angaben zu Krankenhäusern mit kaufmänn. Rech-nungswesen oder ausgegliederten Einrichtungen. Quellen: 1985-1991: Karrenberg/Münstermann 2000 (eigene Umrechnung); 1992-2004: Karrenberg/Münstermann 2005.

deutlich geringer. Hier sehen sich die Kommunen Rechtsansprüchen der Bürger gegenüber, die sie zu erfüllen haben.

Gerade in diesen beiden Bereichen haben sich die Ausgaben innerhalb der letzten zwanzig Jahre deutlich verändert. Die Investitionsausgaben wurden von den Kommunen stark zurückgefahren. Noch 1985 betrug ihr Anteil an allen kommunalen Ausgaben in Westdeutschland über 20 Prozent (vgl. Tab. 3). Bis 2004 reduzierte sich ihr Anteil auf nur noch knapp 12 Prozent. Ein ähnlich star-ker Rückgang der Investitionsausgaben ist auch für Ostdeutschland zu konstatie-ren. Hier reduzierte sich ihr Anteil an allen kommunalen Ausgaben von 32,5 Prozent (1992) auf knapp 18 Prozent im Jahr 2004. Umgekehrt nahmen die Sozi-alausgaben in denselben Zeiträumen deutlich zu. Ihr Anteil an allen kommunalen Ausgaben betrug 1985 in Westdeutschland knapp 16 Prozent, 2004 aber bereits 22 Prozent. In Ostdeutschland stieg ihr Anteil sogar von 7 Prozent (1992) auf 18 Prozent im Jahr 2004. Dieser Anstieg ist sowohl auf die mit der Wirtschaftskrise verbundenen hohen Ausgaben für Arbeitslosigkeit vor allem in den 1990er Jah-ren zurückzuführen ebenso wie auf den Ausbau sozialstaatlicher Leistungen z.B. im Bereich der Kinderbetreuung. Diese Veränderungen lassen auf einen deutli-chen Rückgang der kommunalen Entscheidungsfreiheit schließen. Zwar werden den Kommunen für steigende Sozialleistungen zusätzliche Mittel von Bund und Ländern zugewiesen. Diese decken die tatsächlich entstehenden Kosten in der

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Angelika Vetter und Lars Holtkamp 26

Tabelle 4: Weitere Indikatoren zur Finanzlage der Kommunen 1985-2004 (in Mrd. €)

Westdeutschland Ostdeutschland

Jahr Saldo ges.

Nettokre-dit-

aufnah-me

Kassen-kredite (netto)

Netto-rücklagen-

bewegg.

Saldo ges.

Nettokredit-aufnahme

Kassen-kredite (netto)

Netto-rücklagen-

bewegg.

1985 +0,5 +0,6 - -0,6 - - - - 1986 -0,8 +1,0 - -0,4 - - - - 1987 -1,3 +1,7 - 0,0 - - - - 1988 +0,3 +1,2 - -0,8 - - - - 1989 +1,2 +1,1 - -1,3 - - - - 1990 -1,9 +1,5 - +0,2 - - - - 1991 -3,0 +2,9 - -0,4 - - - - 1992 -4,6 +3,9 +0,3 -0,2 -3,7 +2,9 - 0,0 1993 -4,3 +4,7 +0,3 -0,5 -2,3 +3,0 -0,1 -0,2 1994 -3,1 +1,6 +0,8 -0,9 -2,7 +2,2 0,0 -0,1 1995 -6,3 +2,8 +1,1 +0,6 -1,1 -0,7 0,0 -0,4 1996 -2,7 +2,6 +0,2 -0,1 -1,4 +0,8 0,0 0,0 1997 -2,0 +1,5 +1,5 -0,5 -0,8 +0,9 +0,1 0,0 1998 +2,6 +0,2 +0,4 -1,9 -0,5 +0,5 0,0 -0,1 1999 +2,4 -0,1 +0,4 -2,0 -0,2 +0,2 0,0 +0,1 2000 +1,9 -0,3 +1,1 -1,5 0,0 0,0 +0,2 -0,1 2001 -3,7 +0,3 +2,4 +0,3 -0,4 0,0 +0,2 +0,2 2002 -3,5 +1,0 +1,5 -0,7 -0,2 -0,1 -0,1 +0,1 2003 -7,7 +1,5 +4,7 -0,4 -0,8 -0,2 +0,5 +0,2 2004 -3,7 +1,0 +3,4 +0,2 -0,1 -0,1 +0,5 +0,1 MW -2,0 1,5 1,4 -0,5 -1,1 0,7 0,1 0,0 Daten ohne Angaben zu den Stadtstaaten, ohne Angaben zu Krankenhäusern mit kaufmänn. Rech-nungswesen oder ausgegliederten Einrichtungen; MW = Mittelwert. Quellen: 1985-1991: Karren-berg/Münstermann 2000 (eigene Umrechnung); 1992-2004: Karrenberg/Münstermann 2005.

Regel aber nicht zu 100 Prozent. Die Kommunen sind folglich gezwungen, aus ihren Haushalten entsprechende Mittel für steigende oder von Bund und Ländern neu beschlossene Sozialausgaben beizusteuern, was ihren Handlungsspielraum in anderen Politikbereichen schmälert.

Die Entscheidungsfreiheit über den Einsatz kommunaler Haushaltsmittel hängt jedoch nicht nur von der Gebundenheit der Mittel ab, sondern auch von deren genereller Verfügbarkeit. Weitere Finanzkennzahlen belegen auch diesbe-züglich einen deutlichen Rückgang des kommunalen Handlungsspielraums seit 1985 (vgl. Tab. 4). Zwar weisen die kommunalen Haushalte in einigen Jahren

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Lokale Handlungsspielräume und Haushaltskonsolidierung 27

Überschüsse aus.4 Aber das durchschnittliche Finanzierungssaldo ist in den Jah-ren von 1985 bis 2004 sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland negativ. Die-sem Befund entspricht, dass besonders in Westdeutschland nahezu kein Haus-haltsjahr ohne die Neuaufnahme von Krediten vergeht. Die Nettokreditaufnahme war in den Jahren nach der Wiedervereinigung besonders hoch und nahm danach wieder etwas ab. Allerdings stieg der Umfang der kurzfristigen Kassenkredite parallel dazu sprunghaft an. Noch Anfang der 1990er Jahre betrugen diese Kredi-te weniger als eine Milliarde Euro. 2003 erreichten sie in Westdeutschland ihren größten Umfang mit nahezu fünf Milliarden Euro. Schließlich zeigt der Blick auf die durchschnittlich negative Nettorücklagenbewegung, dass die Kommunen ei-nen Teil ihrer Finanzprobleme durch den Abbau ihrer Rücklagen lösen.5

2.3 Zusammenfassung

Die Daten belegen sowohl für West- als auch für Ostdeutschland einen Rück-gang des lokalen Handlungsspielraums innerhalb der letzten zwanzig Jahre. Ge-messen am Anteil des lokalen Aufgabenumfangs – verglichen mit dem des Bun-des und dem der Länder – zeigt sich nur ein unwesentlicher Rückgang. Dieser ist weniger auf eine Verringerung der lokalen Aufgaben als vielmehr auf die Zu-nahme kostenintensiver Aufgaben bei Bund und Ländern zu erklären (z.B. Aus-landseinsätze der Bundeswehr). Eine deutlichere Verringerung des lokalen Handlungsspielraums ist jedoch im Hinblick auf die Freiheit der lokalen Akteure bei ihren Ausgabenentscheidungen zu konstatieren. Diese Einschränkungen wer-den besonders deutlich am Rückgang der Investitionsausgaben einerseits und gleichzeitig starker Zunahme des Ausgabenanteils für soziale Leistungen ande-rerseits, denen Rechtsansprüche der Bürger gegenüberstehen. Gleichzeitig ist ü-ber die letzten zwanzig Jahre hinweg eine permanente und steigende Mittel-knappheit der Städte und Gemeinden zu beobachten, die die Entscheidungsfrei-heit der Kommunen hinsichtlich ihrer Aufgabenerfüllung ebenfalls beschränkt. Die Finanzknappheit manifestiert sich anhand negativer Finanzierungssalden, ei-ner nahezu permanenten Neuverschuldung, einem Anwachsen der Kassenkredite und dem Abbau von Rücklagen. Die Sicherung des aktuellen lokalen Handlungs-spielraums erfolgt damit „auf Pump“. Allerdings spiegelt sie lediglich eine ge-samtstaatliche Entwicklung wider, bei der die Kommunen – verglichen mit dem 4 In Westdeutschland war dies 1985, 1988 und 1989 sowie in den Jahren von 1998 bis 2000 der

Fall. 5 In Ostdeutschland sind die Niveaus der einzelnen Indikatoren niedriger als in Westdeutschland.

In ihrer Tendenz bestätigen sie allerdings die beschriebene Entwicklung. Auch waren hier die Finanzierungssalden zwischen 1992 und 2004 durchweg negativ, und sowohl die Nettokredit-aufnahme als auch die Aufnahme kurzfristiger Kassenkredite war im Durchschnitt der Jahre positiv.

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Angelika Vetter und Lars Holtkamp 28

Bund und den Ländern – zynisch gesehen noch vergleichsweise „gut“ abschnei-den (vgl. Tab. 5).

Tabelle 5: Finanzen des Bundes, der Länder und der Kommunen 1985-2004

(in Mrd. €) Bund Länder Städte und Gemeinden Jahr Einn. Ausg. Saldo Einn. Ausg. Saldo Einn. Ausg. Saldo 1985 121,0 132,6 -11,6 115,7 124,4 -8,7 83,6 83,3 +0,3 1990 148,5 159,2 -10,7 143,3 153,2 -9,9 105,2 107,3 -2,1 1995 224,6 250,5 -25,9 218,3 241,2 -22,9 145,4 152,7 -7,3 1999* 240,3 266,5 -26,2 241,6 249,9 -8,3 145,9 143,8 +2,1 2004** 233,8 273,6 -39,8 234,8 259,9 -25,1 145,8 149,8 -4,0 MW -21,4 -16,7 -2,8 * wegen der „unnatürlich“ hohen Einnahmen 2000 aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen wer-den hier die Zahlen für 1999 dokumentiert; ** Schätzungen. Quellen: 1985-1987: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, 42 (2), Februar 1990, Statistical Section, S. 62; 1988-1992: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Statistical Section, Januar 1990, S. 52; 1993-2000: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Statistical Section, Juli 2003, S. 52; 2000-2004: Monatsberichte der Deut-schen Bundesbank, Statistical Section, Januar 2006, S. 52. MW = Mittelwert. 3 Ursachen lokaler Haushaltsdefizite Eines der derzeit größten Probleme vieler Kommunen ist folglich das zuneh-mende Defizit in den Verwaltungshaushalten, das ihr Handeln und damit ihre Freiheit in der Aufgabenerfüllung erheblich einschränkt. Zwar kann seit 2004 ei-ne prinzipiell positivere Entwicklung insbesondere der Gewerbesteuereinnahmen verzeichnet werden. Aber an den steigenden Haushaltsdefiziten in vielen Kom-munen hat sich nur wenig geändert. Besonders deutlich wird dies an der „erdrü-ckenden Last“ der Altfehlbeträge in den kommunalen Verwaltungshaushalten. Defizite im Verwaltungshaushalt, der die wesentlichen laufenden Einnahmen und Ausgaben umfasst, dürfen nach dem Haushaltsrecht nur durch kurzfristige Kassenkredite abgedeckt werden und sind spätestens nach zwei Jahren als Alt-fehlbeträge wieder im Verwaltungshaushalt zu veranschlagen. Wenn der Verwal-tungshaushalt dann wiederum einen aktuellen – den sogenannten originären – Fehlbetrag ausweist, kommt zu der Abdeckung des Fehlbetrages aus den Vorjah-ren noch das Defizit des aktuellen Haushaltsjahres hinzu. Damit wächst der Fehlbetrag im Verlauf der Jahre stetig und die Kassenkredite steigen an, die die-se Fehlbeträge im Verwaltungshaushalt abdecken. So haben sich in nur sieben Jahren bis zum Jahre 2006 allein die Kassenkredite der deutschen Kommunen fast vervierfacht.

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Bei der Analyse von Ursachen ist zwischen eher exogenen und endogenen Faktoren zu unterscheiden: Welchen Anteil des Haushaltsdefizits hat die jeweili-ge Kommune selbst verursacht („hausgemacht“ bzw. endogen) und welcher An-teil kann auf kommunal kaum beeinflussbare Rahmenbedingungen zurückge-führt werden (exogen)? Diese Unterscheidung ist insbesondere für die später noch zu diskutierenden Ansätze zur Stärkung der lokalen Handlungsspielräume zentral. (Was können die kommunalen Akteure selbst tun und wo sind sie auf höhere föderale Ebenen angewiesen?) Als eher exogen lassen sich sozioökono-mische und institutionelle Rahmenbedingungen einordnen, während die kommu-nalen Entscheidungsprozesse selbst als endogen gelten können (Junkernheinrich 1991; Pohlan 1997), auch wenn diese durch institutionelle Rahmenbedingungen wie die Kommunalverfassung und das Haushaltsnotlagenregime geprägt werden (Holtkamp 2007b).

Tabelle 6: Ursachenbündel lokaler Haushaltsdefizite

Sozioökonomische Faktoren (eher exogen)

Arbeitslosenquote, Seniorenquote, Gemeindegröße, Zentralörtliche Funktionen und interkommunale Konkurrenz, Regionale Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftskonjunktur

Polity (eher exogen)

Föderalstaatliche Aufgabenverteilung und Abstimmungsregeln im GG, Steuergesetzgebung und Finanzausgleich (z.B. deutsche Einheit), „Goldene Zügel“ und Bail-Out-Problematik, Fachgesetze und Standards, Formale Kompetenzen der Vetospieler (und des Bürgermeisters)

Politics (eher endogen)

Konkordanz- u. konkurrenzdemokratische Konstellationen, Polarisierung und interner Zusammenhalt der Vetospieler (und des Verwaltungsvorstands bzw. der Steuerungspolitiker), Mikropolitische Strategien, Parteiendifferenz

Policy (eher endogen)

Konsolidierungsinstrumente und Formen der Aufgabenwahrnehmung, Erblast durch frühere Investitionen, Verbeamtung, Fehlbeträge etc.

Quelle: Eigene Zusammenstellung angelehnt an Holtkamp 2007b.

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In der politikwissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahre werden diese eher exogenen Ursachen – insbesondere sozioökonomische Variablen und föderal-staatliche Aufgabenverteilung und Abstimmungsregeln – als die wesentlichen Bestimmungsfaktoren für kommunale Haushaltsdefizite dargestellt. Die kommu-nalen Entscheidungsprozesse selbst werden als Ursachen für Haushaltsdefizite dagegen kaum mehr in den Blick genommen. Lediglich Untersuchungen zur Par-teiendifferenzhypothese haben immer noch Konjunktur, wobei aber Parteien in Bezug auf Haushaltsdefizite im Verwaltungshaushalt keinen Unterschied ma-chen und insgesamt die Parteiendifferenz in der kommunalen Haushaltspolitik eher gering ausgeprägt ist (Holtkamp 2000; Holtkamp 2007b). Kommunal ge-staltbare Empfehlungen zur Haushaltskonsolidierung beziehen sich so eher auf einzelne Policy-Instrumente und Formen der Aufgabenwahrnehmung (interkom-munale Zusammenarbeit, Privatisierung, bürgerschaftliche Koproduktion etc.) als auf die Politics-Ebene. Tabelle 6 gibt in Anlehnung an die gängigen Erklä-rungsfaktoren in der kommunalen Politikfeldanalyse (Bogumil/Holtkamp 2006) einen Überblick über die möglichen Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite. 3.1 Exogene Erklärungsfaktoren Seit den 1990er Jahren sind viele Kommunen in eine tiefgreifende Haushaltskri-se geraten, die zu einem erheblichen Anteil auf die Veränderung von sozioöko-nomischen und institutionellen Variablen zurückgeführt werden kann. Neben den seit den 1980er Jahren stark ansteigenden Belastungen durch die zunehmende Langzeitarbeitslosigkeit sind hier insbesondere die Kosten der deutschen Einheit als Ursache zu nennen. Die Kommunen in den alten Bundesländern zahlen (bei-spielsweise über die Gewerbesteuerumlage) jährlich ca. 3,5 Milliarden Euro für die deutsche Einheit. Das sind knapp 3 Prozent ihrer Einnahmen im Verwal-tungshaushalt (Schwarting 2003: 47). Zudem wurden durch Gesetzesinitiativen auf der Bundesebene teilweise die Steuereinnahmen der Gemeinden reduziert: Durch die Konzentrationsprozesse in einigen Branchen und durch die Gesetzge-bung der Bundesregierung mussten beispielsweise viele größere Unternehmen zeitweise kaum noch Steuern zahlen. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Zuweisung von neuen Aufgaben und die Produktion von höheren Standards durch Bund und Länder, die unter Verletzung des Konnexitätsprinzips häufig nicht mit dementsprechenden Mittelzuweisungen einhergingen. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist das Schwangeren- und Familiengesetz, mit dem 1992 ein Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung für Kinder ab dem vollendeten dritten Le-bensjahr bis zum Schuleintritt geschaffen wurde. In den alten Bundesländern entstand hierdurch nicht nur ein erheblicher Investitionsbedarf, vielmehr haben sich auch die laufenden Ausgaben sich extrem erhöht. Im Vergleich zu 1992 sind die laufenden Ausgaben für Kindertageseinrichtungen der öffentlichen Träger im

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Jahre 2002 um 117 Prozent (bzw. 2 Milliarden Euro) in den alten Bundesländern gestiegen (Bogumil/Holtkamp 2006).

Insgesamt ist es wenig verwunderlich, dass Bund und Länder – unabhängig von der parteipolitischen Zusammensetzung der jeweiligen Regierungen – häufig den Aufbau zusätzlicher Standards, die Überwälzung von Aufgaben und die nicht bedarfsgerechten Finanzzuweisungen forcieren. Einerseits können die Fachverwaltungen auf Bundes- und Landesebene ihren Verantwortungsbereich dadurch weiter ausbauen, wobei sie sowohl von vielen Interessengruppen mit wirtschaftlichen Eigeninteressen unterstützt werden als auch von kommunalen Fachverwaltungen, die sich über die Standardsetzung gegen Eingriffe ihrer Kämmereien immunisieren wollen (sog. „vertikale Fachbrüderschaften“). Ande-rerseits können sich die Bundes- und Landtagsabgeordneten gegenüber dem Wähler durch den Ausbau von staatlichen Leistungen profilieren und die Kosten dafür auf die Kommunen abwälzen. Es ist davon auszugehen, dass dem Wähler in der Regel der persönliche Nutzen dieser „Wahlgeschenke“ eher präsent ist als die Probleme, die dadurch für das hochkomplexe Finanzbeziehungssystem zwi-schen Bund, Ländern und Gemeinden induziert werden (Holtkamp 2001). Die derzeitig eingeschränkte Handlungsautonomie der Gemeinden lässt sich also auch auf einen stetigen Verteilungskampf zwischen den verschiedenen vertikalen Ebenen zurückführen, in dem die übergeordneten Ebenen aufgrund ihrer weiter-gehenden institutionellen Kompetenzen ihre Interessen bisher häufig auf Kosten der Gemeinden durchsetzen konnten und zu denen im Zeitverlauf auch noch die EU als eigenständige politische Ebene hinzukam.

Allerdings sind die Kommunen nicht nur „Opfer“ der föderalen Politikver-flechtung, sie können hieraus durchaus einen Nutzen ziehen. Die Landeszu-schüsse für Investitionen („goldene Zügel) ermöglichen Kommunen häufig auch bei massiven Haushaltsproblemen die Realisierung von Prestigeobjekten, ohne dabei die Folgekosten für die Verwaltungshaushalte der nächsten Jahre hinrei-chend zu beachten („Erblast“). Zudem können sich die Kommunen in erhebli-chem Maße überschulden, ohne Probleme mit den Kreditgebern erwarten zu müssen, weil die Banken davon ausgehen können, dass im Falle der Zahlungsun-fähigkeit einer Kommune das Land aus politischen Gründen einspringen wird (Bail-Out-Problematik). Dadurch wird die Haushaltsdisziplin der kommunalen Akteure nicht gerade forciert, wenngleich in diesen Fällen mit einschneidenden Auflagen der Kommunalaufsicht zu rechnen ist.

Auch in Querschnittsuntersuchungen konnte immer wieder gezeigt werden, dass sozioökonomische Variablen wie die Arbeitslosenquote, die Seniorenquote, die Gemeindegröße, die regionale Wirtschaftsstruktur und die zentralörtliche Funktion einen wesentlichen Einfluss auf die kommunalen Einnahmen und Aus-gaben haben (Pohlan 1997). Der interkommunale Vergleich zeigt aber zugleich,


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