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Hilfe für die Überlebenden der Konzentrationslager …...Irina Schul ist mit ihren 98 Jahren immer...

Date post: 21-Aug-2020
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Rundbrief Juli 2016 Maximilian-Kolbe-Werk Hilfe für die Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos WasVersöhnung bedeuten kann Bevölkerung mit verschärften Maß- nahmen reagierte, sodass Lebens- mittelknappheit herrschte. Durch ein zufälliges Verteilungsverfahren erhielt Helena Dunicz-Niwinska mein Päckchen. Seitdem schreiben wir uns regelmäßig Briefe und berichten über unser Leben. Persönlich lernten wir uns ebenso durch einen Zufall kennen – Helena und ich reisten zur gleichen Zeit nach San Francisco. Wir trafen uns häufig, gingen im botanischen Garten spazieren oder besuchten Generalproben des Symphonie- orchesters. Damals wusste ich noch nichts über ihre Zeit in Auschwitz- Birkenau. Im Mai 1988 besuchte ich sie zum ersten Mal in Krakau. Helena Dunicz-Niwinska wurde 1915 in Wien geboren. Wegen angeblicher Untergrundtätig- keiten wurde sie mit ihrer Mutter von der Gestapo im Januar 1943 in Lemberg inhaftiert und im Oktober nach Auschwitz ver- schleppt. Dort spielte Helena Geige im Mädchenorchester in Auschwitz-Birkenau. Im Januar 1945 wurde sie in ein Außen- lager des KZ Ravensbrück eva- kuiert und erlebte dort im April die Befreiung. Helena verlor sowohl ihre Eltern als auch einen ihrer Brüder durch die Nazis. Nach dem Krieg fand sie Auf- nahme in Krakau bei einer Orchesterkollegin aus dem La- ger. In Krakau lebt sie bis heute. Im August wird Helena Dunicz- Niwinska 101 Jahre alt. Seit län- gerer Zeit wird sie vom Ma- ximilian-Kolbe-Werk regelmäßig besucht und unterstützt. Mit Bettina Meller-Longthorne aus Brüssel pflegt die Auschwitz- Überlebende seit über 35 Jahren eine tiefe Freundschaft. Wie sie Helena kennenlernte, erzählt uns hier Frau Meller-Longthorne. „Ich war Studentin in Freiburg, als das Maximilian-Kolbe-Werk 1979 um Lebensmittelpakete für die Überlebenden aus KZs und Ghettos in Polen bat. Dort hatte gerade die Solidarnosc-Bewegung Öffnung und mehr Freiheit gefordert, wo- rauf das Regime gegenüber der Mit Helena in Auschwitz- Birkenau Dort erst schilderte mir Helena, wie sie die Zeit im Mädchenorchester in Auschwitz-Birkenau erlebt hat. Sie erzählte von der Dirigentin Alma Rosé, ebenfalls Geigerin und Nichte Gustav Mahlers, die das Orchester mit Ehrgeiz und Dis- ziplin führte und die auf diese Weise vielen im Konzentrations- lager das Leben retten konnte. Bei diesem ersten Besuch besichtigten wir die Gedenkstätte des ehemali- gen Konzentrationslagers Au- schwitz-Birkenau. Ich war sehr unsicher und ängstlich. Helena erklärte und zeigte mir die Gebäude und die Ruinen und beantwortete alle meine Fragen. Helena Dunicz-Niwisnka Zum 101. Geburtstag von Helena Dunicz-Niwinska, Geigerin im Mädchenorchester in Auschwitz-Birkenau
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Page 1: Hilfe für die Überlebenden der Konzentrationslager …...Irina Schul ist mit ihren 98 Jahren immer noch gut zu Fuß und hat ein unglaubliches Gedächtnis. Immer wieder spricht sie

Rundbrief Juli 2016

Maximilian-Kolbe-WerkHilfe für die Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos

WasVersöhnung bedeuten kann

Bevölkerung mit verschärften Maß-nahmen reagierte, sodass Lebens-mittelknappheit herrschte. Durchein zufälliges Verteilungsverfahrenerhielt Helena Dunicz-Niwinskamein Päckchen. Seitdem schreibenwir uns regelmäßig Briefe undberichten über unser Leben.

Persönlich lernten wir uns ebensodurch einen Zufall kennen – Helenaund ich reisten zur gleichen Zeitnach San Francisco. Wir trafen unshäufig, gingen im botanischenGarten spazieren oder besuchtenGeneralproben des Symphonie-orchesters. Damals wusste ich nochnichts über ihre Zeit in Auschwitz-Birkenau. Im Mai 1988 besuchteich sie zum ersten Mal in Krakau.

Helena Dunicz-Niwinska wurde1915 in Wien geboren. Wegenangeblicher Untergrundtätig-keiten wurde sie mit ihrer Muttervon der Gestapo im Januar 1943in Lemberg inhaftiert und imOktober nach Auschwitz ver-schleppt. Dort spielte HelenaGeige im Mädchenorchester inAuschwitz-Birkenau. Im Januar1945 wurde sie in ein Außen-lager des KZ Ravensbrück eva-kuiert und erlebte dort im Aprildie Befreiung. Helena verlorsowohl ihre Eltern als auch einenihrer Brüder durch die Nazis.

Nach dem Krieg fand sie Auf-nahme in Krakau bei einerOrchesterkollegin aus dem La-ger. In Krakau lebt sie bis heute.Im August wird Helena Dunicz-Niwinska 101 Jahre alt. Seit län-gerer Zeit wird sie vom Ma-ximilian-Kolbe-Werk regelmäßigbesucht und unterstützt.

Mit Bettina Meller-Longthorneaus Brüssel pflegt die Auschwitz-Überlebende seit über 35 Jahreneine tiefe Freundschaft. Wie sieHelena kennenlernte, erzählt unshier Frau Meller-Longthorne.

„Ich war Studentin in Freiburg, alsdas Maximilian-Kolbe-Werk 1979um Lebensmittelpakete für dieÜberlebenden aus KZs und Ghettosin Polen bat. Dort hatte gerade dieSolidarnosc-Bewegung Öffnungund mehr Freiheit gefordert, wo-rauf das Regime gegenüber der

Mit Helena in Auschwitz-Birkenau

Dort erst schilderte mir Helena, wiesie die Zeit im Mädchenorchester inAuschwitz-Birkenau erlebt hat. Sieerzählte von der Dirigentin AlmaRosé, ebenfalls Geigerin undNichte Gustav Mahlers, die dasOrchester mit Ehrgeiz und Dis-ziplin führte und die auf dieseWeise vielen im Konzentrations-lager das Leben retten konnte. Beidiesem ersten Besuch besichtigtenwir die Gedenkstätte des ehemali-gen Konzentrationslagers Au-schwitz-Birkenau. Ich war sehrunsicher und ängstlich. Helenaerklärte und zeigte mir dieGebäude und die Ruinen undbeantwortete alle meine Fragen.

Helena Dunicz-Niwisnka

Zum 101. Geburtstag von Helena Dunicz-Niwinska,Geigerin im Mädchenorchester in Auschwitz-Birkenau

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Dann kamen wir nach Birkenau indie Baracke, in der Helenas Mutteran Typhus gestorben war, wir legten Blumen auf die unterstePritsche und beteten. Der Tag mitHelena in Birkenau bleibt einer dereindrucksvollsten meines Lebens.Als ich sie fragte, wie man damitleben kann und nicht hasserfülltist, antwortete sie ganz schlicht undselbstverständlich: „Die Bischöfe

haben gesagt, wir sollen vergeben.“ Sie meinte es so. Zum ersten Malspürte ich, was Vergebung bedeu-ten kann.

Die Wahrheit soll nicht inVergessenheit geraten

Helena hat erst spät begonnen,über die Erlebnisse in Auschwitzöffentlich zu sprechen und hat sichdann als Zeitzeugin in der Ge-denkstätte in Auschwitz-Birkenauzur Verfügung gestellt. Seit denspäten 1980-er Jahren wird sie oftvon Autoren und Regisseurenbefragt, die über das Mädchen-orchester berichten wollen. Es istihr wichtig, dass die Wahrheit nichtin Vergessenheit gerät.

Helena hat Deutschland auf Ein-ladung von Organisationenund Einzelpersonen mehr-fach besucht. Sie wurdegastlich und freundschaft-lich empfangen.

Nicht nur die materielleHilfe aus Deutschland inden siebziger Jahren, son-dern die symbolischenGesten dahinter halfenHelena, die Barrieren zuüberwinden und zu ver-geben. Meine FreundinHelena hat immer unter-schieden zwischen Sys-temen und den einzel-nen Menschen. Selbst inder Hölle des Lagers

Helena Dunicz-Niwinska (links) und Bettina Meller-Longthorne

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sind ihr immer wieder Menschenbegegnet, die ihre Menschlichkeitnicht vergessen haben und trotzaller Gefahr und eigener Not fürandere Gutes taten. Außerdemfühlte sie auch dort die Gewissheit,dass ihr Leben von Gott gelenktwurde.

Helenas Haltung hat mir gezeigt,dass man selbst in den schlimmstenSituationen und Zeiten guteMenschen findet, wenn man ver-traut und den Glauben an Gott undan das Gute nicht verliert.Vergessen und Verdrängen helfennicht. Sich zu erinnern und dieErinnerung zu verarbeiten ist ent-scheidend, um vergeben zu können.

Eine Frau wie Helena, die als jun-ger Mensch unschuldig so großemLeid ausgesetzt war und die lieb-sten Menschen in ihrem Leben ver-loren hat, ist ein Vorbild.“

Bettina Meller-Longthorne

BUCHHINWEIS„Wege meines Lebens –

Erinnerungen einer Geigerinaus Birkenau“

von Helena Dunicz-Niwinska,

Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau

ISBN: 978-83-7704-096-6

Familie Dunicz 1938 in Lemberg, Helena in der Mitte

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Das Wiedersehen mit MichaelTreyster ist bewegend und anrüh-rend, denn es ist in der Tat einBesuch unter Freunden. Jahrelangengagierte sich Herr Treyster alsZeitzeuge für das Maximilian-Kolbe-Werk. Regelmäßig kam ernach Deutschland, um in Schulenoder vor Jugendgruppen seineGeschichte zu erzählen. Undimmer tat er das mit seiner ruhigenund auf jedes Wort bedachten Art.Nun ist er 89 Jahre alt undgebrechlich. Wohnung und Hauskann er seit Monaten nicht mehrverlassen. Jetzt besuchen wir HerrnTreyster in seiner Wohnung ineinem Minsker Plattenbau.

Minsk ist mit rund 1,9 MillionenEinwohnern die mit Abstand größ-te Stadt Weißrusslands.

Das Maximilian-Kolbe-Werkbesucht KZ- und Ghetto-überlebende in Minsk

Die Hauptstadt Minsk war im 19.und frühen 20. Jahrhundert einbedeutendes Zentrum jüdischenLebens. Bis Juni 1941 lebten inMinsk rund 80.000 Juden, etwaein Drittel der damaligen Gesamt-bevölkerung. Nur sechs Tage lagenzwischen dem deutschen Überfallauf die Sowjetunion und derEroberung von Minsk am 28. Juni1941. Bereits kurze Zeit späterwurde die Errichtung eines Ghet-tos angeordnet. Alle Minsker Judenwurden darin zusammengepfercht.

Hilfsprojekt nach zehnJahren

75 Jahre danach besuchen wir dierund 150 KZ- und Ghettoüberle-bende in Minsk. Die Freude überden Besuch ist groß, denn fast zehn

Keiner ist vergessen Seite 3

„Seit Tagen freue ich mich auf Euch – der Besuch von Freunden ist wie ein Festtag für mich“, sagtMichael Treyster, als seine Betreuerin uns die Türe öffnet.

Jahre sind seit dem letzten Hilfs-projekt des Maximilian-Kolbe-Werks vergangen. Die Zeit gingnicht spurlos an den Überlebendenvorüber. Sie sind alt, viele vonihnen schwer krank, alle sindbedürftig. 1991 wurde die ehemali-ge Sowjetrepublik, die heute amt-lich Belarus genannt wird, unab-hängig. Die wirtschaftliche Situa-tion des Landes, das seit vielenJahren autoritär und diktatorischregiert wird, ist schlecht. Die Preisesteigen ins Unermessliche, dieRenten bleiben gleich oder werdennur langsam angehoben. Geradeden Alten und Kranken fehlt esschnell an allem. Hilfe tut not.

Das Maximilian-Kolbe-Werk lädtdie ehemaligen Häftlinge derKonzentrationslager und Ghettosin Minsk zu vier zentralen Treffenim „Palast der Veteranen“ ein. DerSaal ist geschmückt, die Tischesind festlich gedeckt. Und fast allefolgen unserer Einladung. Nur werzu schwach und zu krank ist, bleibtzu Hause. Aber auch sie vergessenwir nicht. Wir besuchen sie kreuzund quer über Minsk verteilt inihren Wohnungen. Und einer vonihnen ist Michael Treyster.

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Im Ghetto von Minsk

Michael Treyster wird am 7. Mai1927 in Witebsk in einer jüdischenFamilie geboren. Sein Vater istBuchhalter, die Mutter Hausfrau.Michael ist das jüngste von vierKindern, er hat zwei ältere Brüderund eine Schwester. 1928, Michaelist 8 Monate alt, zieht die Familienach Minsk. 1938 stirbt MichaelsVater. Als die deutschen TruppenMinsk besetzen, muss er zusam-men mit seiner Mutter und derSchwester in das gerade eingerich-tete Ghetto umziehen. Sein ältererBruder kämpft an der Front, dermittlere konnte sich noch inSicherheit bringen. Zwei Jahrebleibt Michael im Ghetto undarbeitet als Schustergehilfe.

Als er im Juli 1943 in einKonzentrationslager verlegt wer-den soll, gelingt ihm die Flucht.„Ich wusste, dass sich rings umMinsk in Dörfern und WäldernPartisanen befanden. Also suchteich sie und schloss mich ihnen an.“Er kennt die Wälder recht gut und

Michael Treyster als Junge

einen Auftrag verstanden: „Dabei ist es mir immer egal, welche Religion die Zuhörer haben,es ist auch egal, welchen Pass siehaben oder wo die Eltern herkom-men. Aber jeder junge Menschträgt eine Verantwortung für dieGesellschaft, in der er lebt unddafür, dass so etwas wie damalsnicht mehr passieren kann.“

erhält daher von den Partisanenden Auftrag, Menschen aus demGhetto zur Flucht zu verhelfen.„Ich war mir sicher, dass dies nurscheitern konnte - wie will manmit einer Gruppe unbemerkt ausdem Ghetto fliehen.“ Aber erschafft es und holt 30 MinskerJuden aus dem Ghetto, unter ihnenseine Mutter und Schwester. ImJuli 1944 wird Minsk von derRoten Armee befreit.

Überleben als Auftrag

Nach dem Krieg arbeitet MichaelTreyster in Minsk und beginnt einAbendstudium am Belarussischen

Polytechnischen Institut, das ermit einem Ingenieursdiplomabschließt. Er arbeitet 45 Jahrelang auf dem Gebiet der Energie-versorgung und geht 1993 in denRuhestand.

Dass er den Holocaust überlebte,obwohl Millionen anderer starben,hat Michael Treyster immer als

150 ehemalige KZ- undGhettohäftlinge in der weißrussischen Stadt Minskerhalten vom Maximilian-Kolbe-Werk eine finanzielleBeihilfe von jeweils 300 Euro.Dafür müssen wir einenGesamtbetrag von 45.000 Euro aufbringen.

Wir bitten Sie um Ihre Spende.

Michael Treyster heute

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Kuraufenthalte für KZ-Überlebende in der UkraineErholung für Leib und Seele

vom Krieg zu-rückgekommenist und ein ande-rer Enkel nununbedingt in denKrieg gehen mö-chte. Erinnerun-gen aus den frü-heren Kriegsjah-ren flammen inihrem Gedächt-nis auf“.

Das Maximilian-Kolbe-Werk hatmit der Kur im

Sanatorium in Cherche in doppel-ter Hinsicht Gutes getan. „DieAngestellten des Kurhauses sagtenuns, dass sie seit letztem Dezemberjetzt wieder ein Gehalt erhaltenhaben – nachdem das Maximilian-Kolbe-Werk die Kur gebucht undbezahlt hat“, berichtet Ute Krieger.„Das hat uns das Personal spürenlassen – die Überlebenden und wirwurden überaus gut und freundlichbetreut.“

„Bitte rufen Sie mich an, wenn ichnächstes Jahr wieder zu einer Kurfahren kann“, sagt die immerhin98-jährige Ravensbrück-Überle-bende Irina Schul aus Lemberg inder Ukraine mit gesundem Op-timismus. Überglücklich ist sie.Zusammen mit 15 anderen Überle-benden nahm sie im Frühjahr aneiner 14-tägigen Kur in Cherche inder Nähe von Ivano-Frankivsk amRande der Karpaten teil. „DieseErholungstage sind für meine Seeleund für meinen alten Körperäußerst wohltuend.“

Rund 350 erholungsbedürftigenKZ- und Ghettoüberlebendenermöglicht das Maximilian-Kolbe-Werk jedes Jahr in mehrerenLändern eine Kur in ausgesuchtenSanatorien. Sie sollen dasWohlbefinden der Überlebendenverbessern und wenigstens einwenig die oft mangelhafte medizi-nische Versorgung in einigenLändern ausgleichen.

Auch in der Ukraine finden mehre-re solcher Kuraufenthalte statt.Nur die allerwenigsten könntensich eine Kur aus eigener Tascheleisten – auch Frau Schul nicht.„Danke, dass Ihr an uns denkt.“

Irina Schul ist mit ihren 98 Jahrenimmer noch gut zu Fuß und hatein unglaubliches Gedächtnis.Immer wieder spricht sie auch gerndeutsch und erzählt dann über ihreErlebnisse aus der Zeit desZweiten Weltkriegs. Als junge Frauengagierte sie sich aktiv imWiderstand gegen die National-sozialisten. Sie wurde entdeckt undverhaftet. „Vielleicht wäre ich frei-gekommen, wenn ich andere ver-raten hätte“, sagt sie rückblickend.Doch das tat sie nicht. DasKonzentrationslager Ravensbrücküberlebte Irina Schul mit vielGlück.

Die Ehrenamtlichen des Ma-ximilian-Kolbe-Werks, Ute Kriegerund Valentina Jakovlev aus demKölner Raum, begleiten dieKurgäste während der Tage inCherche. Sie stellten ein kleinesFreizeitprogramm zusammen undachteten darauf, dass alle sichwohlfühlten. Und sie hörten zu,wenn die alten Menschen ihreErlebnisse von früher oder vonihren Sorgen von heute in derUkraine berichten wollten: „FrauJewgenija, selbst eine Majdanek-Überlebende, erzählte uns ganzsorgenvoll, dass ihr Enkel verletzt

Irina Schul (links) undEhrenamtliche Ute Krieger

Gemeinsam gehen die Gäste im Kurpark spazieren

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Liebe Spenderinnen und Spender, im vergangenen Jahr 2015 begin-gen wir die 70. Jahrestage derBefreiung der Konzentrationslagerund des Endes des ZweitenWeltkriegs. Gemeinsam mit Über-lebenden nahm das Maximilian-Kolbe-Werk an den Gedenkveran-staltungen in Auschwitz, Ravens-brück und Dachau teil. Für dieehemaligen Häftlinge sind dieseJahrestage sowohl Erinnerung anunfassbares Leid als auch Grundder Dankbarkeit für das Über-leben.

Den heute noch rund 20.000 KZ-und Ghettoüberleben in Polen undvielen anderen Ländern Mittel-und Osteuropas gilt unsere ganzeSorge und Aufmerksamkeit. Über5.600 von ihnen konnte dasMaximilian-Kolbe-Werk mit huma-nitärer Hilfe, Kur- und Erho-lungsangeboten und vielfältigenBegegnungen zur Seite stehen. Fürviele Hochbetagte, Kranke undBedürftige sind unsere finanziellenDirekthilfen dringend notwendigeUnterstützung im Alltag. Die jün-geren unter den Überlebendenfreuen sich nach wie vor über unse-re Einladungen nach Deutschland.Zahlreiche ehemalige Häftlingewirken engagiert als Zeitzeugen imRahmen unserer Erinnerungs-projekte mit.

Begegnungen von Menschzu Mensch

Ein ganz besonderer Schatz imMaximilian-Kolbe-Werk ist derDienst von ehrenamtlichen Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern.Dank ihres Engagements ist dasKolbe-Werk in der Lage, dieBegegnungen von Mensch zuMensch mit Leben zu erfüllen, seies bei der Betreuung von Gäste-gruppen oder bei den persönlichenBesuchen vor Ort. Sie widmen den

Menschen und Zahlen:Rechenschaftsbericht 2015

KZ- und Ghettoüberlebenden Zeitund Aufmerksamkeit und über-bringen immer auch die Grüßeunserer Spenderinnen und Spen-der. Die Besuche von Schwerkran-ken in ihren Wohnungen zählen zuden wichtigsten und intensivstenAufgaben im Maximilien-Kolbe-Werk.

Auch die Leiterin unseres Sozial-medizinischen Zentrums in Lodz,Sr. Ewa Tonacka vom Orden derSalvatorianerinnen, fährt regelmä-ßig in die verschiedenen RegionenPolens, um unsere Vertrauensleutevor Ort zu unterstützen. Kürzlichbesuchte sie in Radom den 95-jäh-rigen Herrn Marian Kotowski. Mitviel Glück überlebte er dieKonzentrationslager Auschwitz,Mauthausen, Buchenwald undMittelbau-Dora.

Noch nie hatte Herr Kotowski dasMaximilian-Kolbe-Werk um Hilfegebeten. Doch nun braucht erunsere Unterstützung. Er wohntalleine in einem alten Haus undkann sich nur noch mühsam fort-bewegen. Eine Nachbarin undderen kleine Tochter kümmernsich um ihn. Die Beihilfe desMaximilian-Kolbe-Werks brauchter für Medikamente, medizinischeHilfsmittel und für seine Pflege.„Danke, dass Sie uns nicht verges-sen“, sagte er zu Schwester Ewa.

Dank Ihrer Spenden

In unseren Rundbriefen berichtenwir Ihnen regelmäßig von denMenschen, die der Fürsorge desMaximilian-Kolbe-Werks anver-traut sind. Nur mit Ihrer Hilfe kön-nen wir den KZ- und Ghettoüber-lebenden zur Seite stehen. Sie, liebeSpenderin und Spender, machenunsere Arbeit erst möglich. Dafürdanken wir Ihnen herzlich.

Mit unserem Rechenschaftsbericht2015 geben wir Ihnen Auskunftdarüber, wofür wir Ihre Spendeneingesetzt haben. Unsere Jahres-rechnung wurde von der Wirt-schaftsprüfungsgesellschaft Soli-daris geprüft. Auch das DeutscheZentralinstitut für soziale Fragen(DZI) bestätigt dem Maximilian-Kolbe-Werk eine nachprüfbare,sparsame und satzungsgemäßeVerwendung der Mittel. Dafür stehtdas Spendensiegel als Zeichen desVertrauens.

Marian Kotowskifreut sich über denBesuch von Sr. Ewaund DominikaJedrzejczak , derVertrauensfrau desMaximilian-Kolbe-Werks für die RegionRadom. Auch dasNachbarskind warmit dabei.

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Gesamt 5.623 KZ-

und Ghettoüberlebende

erreichte Ihre Hilfe 2015

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U N D Z A H L E N Einnahmen (in Euro)

Geld- und Sachspenden 869.257,15 58,2 %Kollekten 252.879,46 16,9 %Erbschaften und Vermächtnisse 61.847,91 4,2 %Zuschüsse 205.240,51 13,7 %Sonstige Einnahmen 11.526,06 0,8 %Entnahme aus zweckgebundenen Mitteln 92.972,77 6,2 %

Gesamteinnahmen 1.493.723,86 100 %

Ausgaben (in Euro)Projektförderung und ProjektbegleitungFinanzielle Beihilfen in Notsituationen (Polen) 166.821,36 11,2 %Hilfe in Alter und Krankheit (Polen) 325.391,68 21,8 %Hilfs- und Begegnungsprojekte andere Länder 270.188,44 18,1 %Erholungs- und Begegnungsaufenthalte 208.342,55 13,9 %Arbeit der Vertrauensleute (Polen) 50.785,04 3,4 %Arbeit der Ehrenamtlichen (Deutschland) 36.098,26 2,4 %Besondere Hilfsprojekte 4.646,76 0,3 %Sonstige Betreuungsaufwendungen 4.237,05 0,3 %Bildungs- und Aufklärungsarbeit Zeitzeugenprojekte 99.487,15 6,7 %Internationale Begegnungen-Gedenkstätten 80.976,22 5,4 %

Zwischensumme Projektausgaben 1.246.974,51 83,5 %Spenderbetreuung, Spendenwerbung, Öffentlichkeitsarbeit 132.671,62 8,9 %Verwaltung 114.077,73 7,6 %

Gesamtausgaben 1.493.723,86 100 %

In Polen: Finanzielle Beihilfen in Notsituationen 486 Kuraufenthalte 222Krankenbesuche durch deutsche Ehrenamtliche 250Regionale Krankenbetreuung und häusliche Pflege 229Empfänger medizinischer Hilfsmittel (geschätzt) 720Hausbesuche zu Weihnachten 2.319Hilfspakete an bedürftige Einzelpersonen 99Hilfsprojekt für behinderte Kinder ehem. Häftlinge 8Weihnachtstage in Gemeinschaft 125Internationale Begegnungen Auschwitz und Dachau 5In anderen Ländern: Hilfs- und Begegnungsprojekte in den Städten Saporoshe, Charkow und Poltawain der Ukraine sowie im Witebsker Gebiet/Belarus 349Wohnortnahe Kuren in Belarus,Ungarn und in der Ukraine 126Erholungsaufenthalte in der Ukraine 26Lebensmittelpakete für Roma in Ushgorod/Ukraine 300Hilfsprojekt für Menschen, die Juden gerettet haben 15Beihilfe in Notsituation 6Weihnachtsprojekte in Lviv/Ukraine 46Weihnachtsaktion für Roma in Ushgorod/Ukraine 100Weihnachtstage in Gemeinschaft Lviv/Ukraine 11In Deutschland:Erholungs- und Begegnungsaufenthalte für Überlebendeaus Polen, Russland, Weißrussland und Litauen 99Teilnehmer/innen an Zeitzeugenprojekten 82Gesamt KZ- und Ghettoüberlebende 5.623

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ImpressumMaximilian-Kolbe-Werk e.V. • Karlstraße 40 • 79104 Freiburg • Telefon: 0761/ 200-348

www.maximilian-kolbe-werk.de • [email protected]

Redaktion: Andrea Steinhart, Wolfgang Gerstner • Grafik: www.schwarzwald-maedel.deDruck: Rauscher Druckservice, Freiburg • Der Schöpfung zuliebe: Zu 100 % aus Altpapier

Helfen, solange noch Zeit ist:Spendenkonto IBAN: DE 18 4006 0265 0003 0349 00Darlehnskasse Münster, BLZ 400 602 65Herzlichen Dank für Ihre Spende!

Am 14. August jährt sich zum 75.Mal der Todestag des HeiligenMaximilian Kolbe im Konzentra-tionslager Auschwitz. Das Maximi-lian-Kolbe-Werk führt aus diesemAnlass eine Studienfahrt mit meh-reren Stationen auf dem Ver-söhnungsweg des Heiligen durch.

Die Botschaft vonPater Kolbe ist dieInspirations- undWirkungsquelle des1973 gegründetenMaximilian-Kolbe-

Werks, das sich um Verständigungund Versöhnung zwischen dempolnischen und dem deutschenVolk und anderen Ländern Mittel-und Osteuropas bemüht. DieTeilnehmenden der Studienfahrtwerden die Klosterstadt Niepoka-lanow, das Gelände des ehemaligen

Ghettos Litzmannstadt, die Ge-denkstätte Auschwitz-Birkenauund die Stadt Krakau besichtigen.In Lodz werden sie das Sozial-medizinische Zentrum des Maximi-lian-Kolbe-Werks besuchen undmit den Mitarbeiterinnen undMitarbeitern des Zentrums sowiemit KZ- und Ghettoüberlebendenins Gespräch kommen. Höhepunktder Fahrt ist die Teilnahme an derGedenkfeier zum 75. TodestagPater Kolbes am 14. August in derGedenkstätte Auschwitz.

Studienfahrt auf demVersöhnungsweg des HeiligenMaximilian Kolbe

Am 29. und 30. September 1941werden in einer beispiellosenMordaktion 30.000 jüdische Kin-der, Frauen und Männer in derSchlucht von Babij Jar bei Kiewvon Deutschen ermordet. Anläss-lich des 75. Jahrestags dieses Mas-sakers veranstaltet das Maximi-lian-Kolbe-Werk eine deutsch-ukrainische Jugendbegegnung vom26. September bis 1. Oktober inKiew. 20 junge Erwachsene ausDeutschland und der Ukraine wer-den sich an diesem authentischenOrt der Geschichte mit derdeutsch-ukrainischen Vergangen-

heit auseinander-setzen und die Ge-denkstätte BabijJar besuchen. DasMaximilian-Kolbe-Werk ermöglichtzudem das Gespräch mit KZ- undHolocaustüberlebenden. Die Teil-nehmenden werden auch den ge-schichtsträchtigen „Euro-Maidan“kennenlernen und sich mit denFragen aktueller Krisen in derUkraine, in Deutschland undEuropa beschäftigen. Parallel dazuwird das Maximilian-Kolbe-Werkein Hilfsprojekt für die KZ- und

Deutsch-ukrainischeJugendbegegnung in Kiew

Ghettoüberlebenden in Kiew durch-führen. Geplant ist die Teilnahmean der Gedenkveranstaltung zum75. Jahrestag gemeinsam mitÜberlebenden. Das Projekt wirdgefördert im Programm „MEETUP! Deutsch-Ukrainische Jugend-begegnungen“ der Stiftung „Erinner-ung, Verantwortung und Zu-kunft“ (EVZ).

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