+ All Categories
Home > Documents > G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und...

G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und...

Date post: 20-Jun-2020
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
36
Round Table | Führungskräfteentwicklung | Lernen mit Web 2.0 | Recruiting Personal wirtschaft Magazin für Human Resources Special Öffentliche Verwaltung extra 2013 www.personalwirtschaft.de G 21212 Art.-Nr. 97803864 Moderner Staat, moderne Personalarbeit
Transcript
Page 1: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Round Table | Führungskräfteentwicklung | Lernen mit Web 2.0 | Recruiting

PersonalwirtschaftMagazin für Human Resources

Special Öffentliche Verwaltung

extra2013

www.personalwirtschaft.de G 21212 Art.-Nr. 97803864

Moderner Staat, moderne Personalarbeit

Page 2: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

EDITORIAL

Eigentlich waren die ersten Zeilen schongeschrieben: „Tarifabschluss gescheitert- der öffentliche Dienst wappnet sich zumStreik!“ Doch es kam anders. Anfang Märzeinigten sich die Tarifgemeinschaft derLänder sowie die Gewerkschaften Ver.diund dbb Tarifunion in der dritten Ver-handlungsrunde auf eine zweistufigeTariferhöhung. Rückwirkend zum 1. Janu-ar 2013 steigen die Gehälter um 2,65 Pro-zent, ab 1. Januar 2014 folgt dann eineweitere Erhöhung um 2,95 Prozent. Trotzknapper Landeshaushalte ist das Signaleindeutig: Der öffentliche Dienst will undmuss mit der Gehaltsentwicklung in derprivaten Wirtschaft Schritt halten, umattraktiv zu bleiben.

Attraktivität ist ein wichtiges Argument,schaut man sich die Zukunft von Bund,Ländern und Kommunen an. Der Blick indie Altersstrukturen der Beschäftigtenoffenbart ein erschreckendes Szenario:Fast jeder vierte Landesbeschäftigte wirdin den nächsten zehn Jahren in Rentegehen, so eine Analyse der Unterneh-mensberatung McKinsey. Auch die Kom-munen stehen vor einer Pensionierungs-welle. Der Blick auf die demografischeFalle ist geschärft.

Welche Konsequenzen ziehen die öffent-lichen Arbeitgeber und ihre Personal-verantwortlichen daraus? Antworten dazu

finden Sie auf den folgenden Seiten derNeuauflage unseres Personalwirtschaft-Sonderheftes. Wie im vergangenen Jahrhaben wir Experten an einen Tisch geholtund intensiv diskutiert. Auch sind wirbei der Suche nach guten Praxisbeispie-len aus den Verwaltungen wieder fündiggeworden. Man gibt sich optimistisch. Diedemografische Umwälzung ist eine Chan-ce, um der Personalarbeit einen neuenSchwung zu geben, um effizientere, abervor allem auch modernere HR-Instrumen-te einzusetzen. Neben guten Personal-marketingkonzepten setzen moderne Personalverwaltungen auf eine runder-neuerte Personalentwicklung.

PE scheint der zentrale Schlüssel zu sein,um aus der Demografie-Falle zu tappen:Wie bleiben ältere Mitarbeiter fit und lern-begierig? Wie werden die Potenziale beiMitarbeitern erkannt und gefördert? Wiekönnen wichtige Führungskompetenzenvermittelt werden? Diesen Fragen kannkein HR-Verantwortlicher mehr auswei-chen. Wie sagt der Personalchef der StadtLudwigsburg treffend: „Wir reißen nochwas in den nächsten 10 bis 15 Jahren.“Er meint damit die Ü-50-Beschäftigten inseiner Stadtverwaltung, aber das trifftsicherlich auch auf einen Großteil seinerHR-Kollegen selbst zu. Die Demografie-Debatte treibt frischen HR-Wind in dieAmtsstuben.

Erwin SticklingChefredakteur

Frischer Wind für HR

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 2

Page 3: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de3

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Inhalt

Im pres sum

Herausgeber: Jürgen Scholl

Re dak ti on: Erwin Stickling, Chefredakteur; Christiane Siemann, freie Mitarbeiterin

Re dak ti ons an schrift: Wol ters Klu wer Deutsch land GmbH, Luxemburger Straße 449, 50939 Köln, Te le fon: 0221/94373-7653, Fax: 0221/94373-7757, E-Mail: per so nal wirt schaft@wol ters klu wer.de, www.per so nal wirt schaft.de

Fach bei trä ge aus bereits erschienenen Ausgaben sind ver füg bar un ter: www.per so nal wirt schaft.de

Ge schäfts füh rer: Dr. Ulrich Hermann (Vorsitz), Michael Gloss , Christian Lindemann, Frank Schellmann

Anzeigen: Karin Kamphausen (Verkaufsleitung), Telefon: 0221/94373-7629, E-Mail: [email protected]

Nadine Heckinger (Anzeigenmarketing) Telefon: 0221/94373-7729, E-Mail: [email protected]

Karin Odening (Anzeigendisposition), Telefon: 0221/94373-7836, E-Mail: [email protected]

Jörg Walter (Anzeigenverkauf), wanema media, Telefon: 0931/304699-66, E-Mail: [email protected]

Her stel lung: Frauke Helene Hille

Ge stal tung: Art + Work, Köln, Lars Au ha ge, Mar tin Schwarz

Fotos (S.6–11): Hartmut Bühler

Art.-Nr. 97803864, ISSN 97803331

Dru cke rei und Lie fer an schrift für Bei la gen: Merkur Druck GmbH & Co. KGAm Gelskamp 20D-32758 Detmold

Co py right: Luch ter hand, ei ne Mar ke von Wol ters Klu wer Deutsch land GmbH. © 2013 Wol ters Klu wer Deutsch land GmbH, Köln.

Personalwirtschaft Special: Öffentliche Verwaltung

6 Round Table

Im Umbau Wie gut sind die Personalabteilungen in den

öffentlichen Verwaltungen auf die aktuellen

und zukünftigen Herausforderungen vorbe-

reitet? Unsere Diskussion mit HR-Experten

gibt aufschlussreiche Antworten.

12 Personalentwicklung

Führungskräfte im BlickpunktAndreas Gourmelon, Pro-

fessor an der Fachhoch-

schule für öffentliche Ver-

waltung NRW, skizziert

Ansatzpunkte für eine

erfolgreiche Führungs-

kräfteentwicklung.

16 Personalentwicklung

Mit KompetenzmanagementPotenziale frühzeitig erkennenDie Stadt München setzt bei der Personal-

entwicklung auf ein standardisiertes

Kompetenzmodell und vereinfacht damit

zukünftige Personalplanungen.

19 Personalentwicklung

Lernen mit Web 2.0Das Kommunale Rechenzentrum Nieder-

rhein beschreibt seine positiven Erfahrun-

gen aus dem Projekt „Erfahren im Netz 2.0“,

bei dem ältere Mitarbeiter neue Lernwege

erproben.

22 Gesundheitsmanagement

Systematisch und ganzheitlichBetriebliches Gesundheitsmanagement hat

an der Universität Tübingen einen hohen

Stellenwert. Eine Mitarbeiterbefragung soll

jetzt weitere Erkenntnisse bringen.

24 Recruiting

Kreative Ideen zur NachwuchswerbungDer Kreis Soest versucht offensiv, mit

pfiffiger Personalwerbung qualifizierte

Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen.

Diese Personalmarketingstrategie ist

Teil eines Zukunftskonzeptes der Stadt.

26 Altersvorsorge

Durchführungswege genau prüfenSeit der Abschaffung der Gesamtversorgung

im öffentlichen Dienst und der Einführung

eines Versorgungspunktemodells spielt

auch die Entgeltumwandlung eine Rolle.

Dabei gibt es Einiges zu beachten.

28 Software

Starke Stadt mit moderner HR-SoftwareDie Stadt Neckarsulm hat für ihre Personal-

arbeit eine neue Software eingeführt. Ein

Erfahrungsbericht.

30 Software

IT statt Papier – die elektronischePersonalakte im EinsatzDie zentrale Personalverwaltung der

Landesforsten in Rheinland-Pfalz hat in

einem Projekt rund 2000 Personalakten

digitalisiert. Ein Erfahrungsbericht.

32 Personalbericht

Personalarbeit in der Stadt OffenbachDie Stadt Offenbach veröffentlicht

jährlich einen Personalbericht. Diese Art

der HR-Kommunikation ist vorbildlich,

aber in der öffentlichen Verwaltung eher

ungewöhnlich.

34 Demografie

Erschrecken und Chancen nutzenDie aktuelle McKinsey-Studie über den

demografischen Wandel im öffentlichen

Dienst liefert beeindruckende Zahlen

zur Altersstruktur und zeigt zugleich

Wege einer demografieorientierten Per-

sonalarbeit auf.

37 Demografie

„Wir reißen noch was in dennächsten 10 bis 15 Jahren“

Interview mit dem

Personalchef der Stadtver-

waltung Ludwigsburg,

Robert Nitzsche, über das

Projekt „Ü 50“.

Page 4: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de6

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Round Table

Bund, Land, Kommunen – trotz der Heterogenität der Verwaltungstypen ähneln sich ihre Probleme.

Wie können die Folgen der demografischen Veränderung bewältigt werden? Mit welchen Strategien

lassen sich Fachkräfte gewinnen? Darüber diskutierten Experten aus Verwaltungen und Dienstleister

beim Round Table der Personalwirtschaft.

Im Umbau

lamme Haushalte machen dem ge-samten öffentlichen Sektor zu schaf-

fen, doch sie haben unterschiedliche Aus-wirkungen auf die Personalplanung und -entwicklung in den verschiedenen Ver-waltungseinrichtungen. So ist eine tarif-liche Gehaltserhöhung im Bund mit einerPersonalkostenquote von neun Prozenteher zu verkraften als in den Ländern miteiner Quote von 41 Prozent. Doch Tarifer-höhungen nur aus Sicht der Haushalte zubeurteilen, verkürzt die Problematik.Denn Arbeitgeber im öffentlichen Dienststehen aus personalwirtschaftlicher Sichtvor der Frage, wie sie auch in ZukunftFach- und Führungskräfte gewinnen kön-nen. Von den rund zwei Millionen Beschäf-tigten in den Ländern werden in den näch-sten zehn Jahren 480 000 altersbedingtausscheiden. „Um diese Mitarbeiter kon-kurriert dann der öffentliche Dienst mitder Wirtschaft. Um handlungsfähig undattraktiv zu bleiben, reicht es nicht, nur

die Gehälter zu erhöhen. Die massiveUmschichtung in der Beschäftigtenstruk-tur muss genutzt werden, um effizienteund moderne Strukturen anzulegen –dann steigt die Wertschöpfung derBeschäftigten sowie die Wertigkeit derArbeitsplätze im öffentlichen Dienst“, sagtKai von Holleben, Senior-Experte PublicServices Practice von McKinsey. Im ein-fachen und mittleren Dienst kann deröffentliche Sektor bei der Entlohnung imVergleich zur Privatwirtschaft durchausmithalten. Aber bei der direkten Gegen-überstellung beispielsweise der Geschäfts-führer von kommunalen Unternehmenmit denen in der freien Wirtschaft öffnetsich die Gehaltsschere deutlich. VolkerHalsch, Mitglied der Geschäftsleitung beiVivento, dem Personaldienstleister derDeutschen Telekom: „Der öffentliche Sek-tor hat in den letzten Jahren anders alsder Privatsektor die Gehälter nach obengedeckelt.“ Dadurch wurde der monetäre

Abstand zur Privatwirtschaft immer grö-ßer, und nun müssten die Arbeitgeber ins-gesamt eine Antwort finden. Sonst werdees für den öffentlichen Sektor zunehmendschwerer, spezialisierte Fachkräfte undTop-Talente zu gewinnen und an sich zubinden.

Die Rolle der Bezahlung

Monetäre Anreize seien natürlich wichtig,betont auch Dr. Beatrix Behrens, Bereichs-leiterin Personalpolitik/PE, Bundesagen-tur für Arbeit. Doch der öffentliche Dienstbrauche mit Blick auf die Generation Yandere Anreizsysteme wie flexible Arbeits-zeitmodelle, Vereinbarkeit von Familie undBeruf oder eine gute Work Live Balance,mit der sich auch IT-Experten und ande-re Fachkräfte gewinnen ließen. Zwar kommt auf die Kommunen diesesJahr keine neue Verhandlungsrunde zu,„doch der Anschluss an die Lohnentwick-lung in der Wirtschaft muss gehalten wer-

K

Page 5: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 7

den, gerade vor dem Hintergrund derdemografischen Entwicklung“, meint derPersonalamtsleiter der Stadt OffenbachStephan Grimm. Im vergangenen Jahrlagen bei den Kommunen insgesamt diePersonalkosten bei 50,7 Milliarden Euro,das entsprach rund einem Viertel ihrerGesamtausgaben. Die Stadt Offenbachmuss allerdings die Tariferhöhung von2012 nicht herauswirtschaften, da diesevom Regierungspräsidium Darmstadt alsnicht beeinflussbarer Posten anerkanntwird. Da geht es Offenbach wie vielen an-deren hessischen Kommunen, die seit Jah-ren von der Aufsichtsbehörde die gleichenVorgaben haben, nämlich das Rechnungs-ergebnis der Vorjahre nicht zu überschrei-ten.

Sicherheit zieht nicht mehr

Doch wie sollen neue Mitarbeiter gewon-nen werden, wenn der öffentliche Dienstin seinem Image als Arbeitgeber nichtgut positioniert ist, wie die Diskutanteneinheitlich feststellen. Ausschließlich mitdem Argument der Arbeitsplatzsicher-heit lockt man keinen Bewerber mehr inden öffentlichen Sektor. Und selbst der„Sicherheitsbonus“ leidet in der Wahr-nehmung der Öffentlichkeit, so RobertMüller, Geschäftsführer S-PensionsMa-nagement, weil Beamtenpensionen in denLeistungen absinken könnten. In den kom-menden Jahren geht eine große Anzahlvon Bundes- und Landesbeamten in denRuhestand und hat Anspruch auf staatli-che Pensionen. Da jedoch kaum Vorsor-ge getroffen wurde, müssen die starkanwachsenden Aufwendungen für Pen-sionen aus den laufenden Haushaltengetragen werden. Sicher ist, die Diskus-sionen über diese Haushaltsposition wer-den sich intensivieren. Aus der Sicht desVorsorgeexperten liegt ein weiterer Grund,der die Rekrutierung hemmt, in der man-gelnden Flexibilität der personalwirt-schaftlichen Instrumente. Im „Baukas-ten“ stünden bereits heute vieleInstrumente zur Verfügung, die eineattraktive und zugleich individuelleGestaltung des Arbeitszeitrahmens in

allen Lebensphasen ermöglichen. Derwerde aber kaum genutzt und zu wenigkommuniziert. In einer Arbeitswelt, diesehr durch Spezialisierung gekennzeich-net sei, so Müller, ließen sich gute Kräf-te nur gewinnen, wenn Personalmaßnah-men individuell ausgerichtet würden. Dass sich die Ansprüche der Bewerberwandeln, ist bei den Arbeitgebern der Ver-waltungen angekommen. War das hoheGehalt früher das Top-Argument für dieWahl des Arbeitgebers, setzt gerade diejüngere Generation verstärkt auf Arbeits-klima, Flexibilität und Work Life Balan-ce. „Hier kann der öffentliche Dienst hervorragend mit den Top-Playern derWirtschaft mithalten – er muss es nur zei-gen“, sagt Bernd Kraft, Vice PresidentGeneral Manager Central Europe bei Mon-ster. Beispielsweise indem er seine Stär-ken schon in der Stellenanzeige und aufder eigenen Webseite deutlich mache. Odermit einem Video authentisch die eigenenMitarbeiter im Arbeitsumfeld darstelle.Kraft rät zum frühzeitigen Kontakt zurnachkommenden Generation durch ent-

sprechende Projekte in der Region oderden Dialog über soziale Netzwerke.

Strategie und Personalmarketing

Ein Blick auf die Karriere-Websites vonVerwaltungen zeigt: Trotz aller noch beste-hender Defizite hat das Personalmarketingim öffentlichen Sektor in den vergangenenJahren enorm aufgeholt. Einige Arbeitge-ber sprechen die einzelnen Bewerber-Grup-pen gezielt an, nutzen Facebook und Co.und sind im Internet sehr präsent. In derStadt Offenbach gehört beispielweise einmodernes Personalmarketing für Auszu-bildende zum Tagesgeschäft. Auf Karriere-messen, an Schulen, über die Industrie-und Handelskammern sowie Handwerks-kammern wird um Azubis geworben, mitdem Ergebnis, dass genügend Bewerbun-gen ankommen. Doch bei aller Sensibilität für die funda-mental veränderte Situation des Arbeits-marktes fehlen in den meisten Verwaltungs-einheiten Strategien und Konzepte, umschnell zu Rekrutierungserfolgen zu kom-men. Doch gerade diese Strategien sind es,

Um gut für die Zukunft aufgestelltzu sein, müssten wir heute eineAusbildungsquote erfüllen, dieüber den Bedarf hinausgeht.

Stephan Grimm, Personalamtsleiter, Stadt Offenbach

Die Verwaltungen in Deutschlandarbeiten im internationalen Vergleichhervorragend. Damit dies so bleibt,muss der öffentliche Dienst seineArbeitgeber-Attraktivität weiter steigern.

Volker Halsch, Mitglied der Geschäftsleitung, Vivento, Deutsche Telekom AG

Page 6: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de8

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Round Table

die nicht nur schnelle Rekrutierungserfol-ge erzielen, sondern auch insgesamt dieAttraktivität des öffentlichen Dienstes alsArbeitgeber nachhaltig erhöhen, davon istauch Volker Halsch von Vivento überzeugt.Sein Wunsch: Ein Schulterschluss im öffent-lichen Sektor, beispielsweise in Form einergemeinsamen „Dach“-Kampagne, die attrak-tive Aspekte etwa „Arbeiten für das Gemein-wohl“, „große Vielfalt der Tätigkeiten“, „per-sönliche Karrierewege“ hervorhebt undentsprechend kommuniziert. Studien von McKinsey, die Präferenzen vonBerufsanfängern unter die Lupe genom-men hat, kommen zu dem Ergebnis, dassVerwaltungen durchaus attraktive Rahmen-bedingungen bieten. Zwar gibt es Arbeit-nehmer, denen die Gehaltshöhe besonderswichtig ist und die für Verwaltungen uner-reichbar bleiben. Aber eine ähnlich großeGruppe mit den gleichen Qualifikations-profilen präferiert andere Werte: „Der Inhaltder Aufgabe und ihr Wert für die Gesell-schaft, die Work Life Balance, das sozialeUmfeld am Arbeitsplatz und die gesell-schaftliche Anerkennung sind für dieseGruppe wichtige Entscheidungskriterienbei der Wahl des Arbeitgebers“, so Kai vonHolleben, McKinsey. Bei der Personalge-winnung müssten diese Menschen gezieltangesprochen und für den öffentlichenDienst gewonnen werden.

Operative Prozesse verbesserungsfähig

Neben nicht vorhandenen strategischenAnsätzen zeigt auch die operative Seiteder Personalrekrutierung in vielen Verwal-tungen noch Schwächen. Viele Verwaltun-gen arbeiten derzeit daran, die Effizienzihres Bewerbermanagements zu steigern.„Nicht ohne Grund“, weiß Volker Halsch zuberichten: „Bewerber, die bis zu sechsMonate warten müssen, ehe es zu einerAuswahl-Entscheidung kommt, haben sichheutzutage längst anderweitig orientiert.Eine Prozessbeschleunigung bei der Bewer-berauswahl ist sicherlich vielen Arbeitge-bern im öffentlichen Dienst dringend anzu-raten.“ Ein IT-gestütztes Recruiting- undBewerbermanagement ist aber in den meis-

ten Verwaltungen noch nicht implemen-tiert. Matthias Tandler, Vorstand von SageHR Solutions: „Dabei sind es anerkannteSysteme, die sogar helfen können, nochfehlende Prozesse wie das Bewerberma-nagement zusammen mit einer Reihe vonbewährten HR-Standardprozessen einzu-führen.“ Moderne Recruiting-Lösungenwürden die Möglichkeit bieten, Stellendirekt online zu veröffentlichen, Online-bewerbungen automatisiert zu erfassenund in den elektronischen Auswahlpro-zess mit allen Entscheidern im Unterneh-men zu übergeben. Damit könnte deröffentliche Sektor nicht nur direkt in denPrint- und Online-Medien oder sozialenNetzwerken seine Stellen ausschreiben. Erkönne vor allem wertvolle Zeit in seinenBewerberprozessen sparen und mit kur-zen Reaktionszeiten zeitig bei guten Bewer-bern punkten, so Tandler. Zudem könnedie Präsenz in modernen Medien sowiedie Nutzung moderner Recruiting-Instru-mente zeigen, dass der öffentliche Sektoraus Sicht vieler Bewerber kein „angestaub-ter“ Arbeitgeber sei.

Doch die Recruiting-Prozesse laufen über-wiegend noch nach altem Muster. Die Stel-lenanzeigen bestehen aus herkömmlichenStandardtexten, die wenig über Werte, aber alles über das Stellenprofil sagen,berichtet der Geschäftsführer der Werbe-agentur Kunze, Harry Doberer. Die Facha-gentur für Personalwerbung stößt im öffent-lichen Dienst auf die Haltung, dass einegenaue Arbeitsplatzbeschreibung schondie passenden Kandidaten finden werde.„Wenn dann keine Resonanz erfolgt, wer-den je nach Wichtigkeit der Position Per-sonalberater hinzugezogen, statt im Vor-feld alle modernen Gestaltungsmitteleinzusetzen.“ Eine weitere Erfahrung: Beru-fungsgremien entscheiden über denAnzeigentext, so dass der Spielraum fürdie Gestalter klein bleibt. Auch Fachkräf-te würden vorwiegend per Tageszeitunggesucht, „nur zur Not werden Online-Kanä-le genutzt“, so Harry Doberer. Er wünschtsich mehr Flexibilität und Mut der Auf-traggeber sowohl in Gestaltungsfragen alsauch bei der Wahl der Kanäle. „Hier bei-ßen wir uns oft die Zähne aus.“

Die demografische Umwälzung inder Beschäftigtenstruktur mussgenutzt werden, um effiziente undmoderne Strukturen anzulegen.

Kai von Holleben, Senior-Experte, Public ServicesPractice, McKinsey & Company

Verwaltungen, die den Mut haben,sich auf neue Wege in der Rekrutierung einzulassen, werdenam Ende erfolgreicher sein.

Bernd Kraft, Geschäftsführer, Monster WorldwideDeutschland und General Manager Central Europe

Page 7: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 9

Einen wichtigen Aspekt haben Arbeitge-ber des öffentlichen Dienstes – und auchviele in der Wirtschaft – noch nicht wahr-genommen. Etliche Studien belegen, dassimmer Arbeitnehmer nicht aktiv suchen,sondern gefunden werden wollen. EineUntersuchung der Onlinestellenbörse Mon-ster ergab: Vier von zehn Jobsuchendemöchten angesprochen werden. BerndKraft, Vice President bei Monster: „Heut-zutage muss man sich als Arbeitgeber beiden Kandidaten bewerben.“ Dies heiße,im ersten Schritt die eigenen Stärken her-auszuarbeiten und diese klar zu formulie-ren, sei es in der Stellenanzeige oder aufder Karrierewebseite. Zum anderen geltees, die Zielgruppe zu identifizieren unddurch aktive Ansprache in der Schule,Hochschule oder schon während der Aus-bildungsphase mit überzeugenden Argu-menten die Menschen für sich zu gewin-nen. Auch mit Angeboten im Bereich dersozialen Medien lasse sich bei heutigenBewerbern punkten.

Ressourcenplanung ohne Folgen

Mittel- und langfristige Personalplanunggehört heute zu den Standardaufgaben desPersonalmanagements im öffentlichen Sek-tor. Aber das konkrete Handeln gehe nurim Zuge der bestehenden Rahmenbedin-gungen, berichtet Stephan Grimm von StadtOffenbach, und damit geht es ihm wie vie-len Personalleitern in den Kommunen:„Um gut für die Zukunft aufgestellt zu sein,müssten wir heute eine Ausbildungsquo-te erfüllen, die über den Bedarf hinausgeht. Das aber lässt der Haushalt nicht zu.“Ein antizyklisches Einstellungsverhalten,das talentierte (Nachwuchs-)Kräfte sichert,verhindern die Haushalte, bestätigt auchBeatrix Behrens von der BA. Deshalb wer-de auch der Wissenstransfer im Rahmender gezielten Nachfolgeplanung erschwert.Aber noch schwerwiegender könnte sichdie fehlende qualitative Personalplanungauswirken. „Im Rahmen der kurz-, mittel-und langfristigen Personalplanung ist eswünschenswert, Transparenz über dieaktuellen und künftig benötigten Kompe-tenzen zu haben, denn davon hängt letzt-

lich auch der qualitative Qualifizierungs-bedarf individuell sowie institutionell ab.“

Karrieremodelle

Die Attraktivität eines Arbeitgebers für Fach-und Führungskräfte beruht in großen Tei-len auf den Karriereperspektiven, die erihnen eröffnen kann. In der Vergangenheitwaren die hierarchische und die an das Lauf-bahnmodell und -recht der Beamten gekop-pelte Karriere häufig die einzigen Alterna-tiven. Jetzt sei es notwendig, weitereKarrieremodelle zu entwickeln, zum Bei-spiel Experten- oder Projektkarrieren, umzusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten zuschaffen, appelliert Kai von Holleben, McKin-sey. Der Tarifvertrag sehe neben der Füh-rungsaufgabe auch andere Merkmale alsBeförderungsgrund vor, etwa den Schwie-rigkeitsgrad der Aufgaben oder die Vertre-tung der Behörde nach außen. Und wennnicht mehr alle Beförderungen in Führungs-positionen gingen, habe das den Zusatzef-fekt, dass diejenigen Mitarbeiter Führungs-aufgaben bekommen, die führen könnenund nicht die besten Fachleute.

Eine andere Alternative bringt VolkerHalsch von Vivento ins Spiel: „MehrDurchlässigkeit und Transparenz, mehrFlexibilität und mehr Austausch zwischenden Behörden erhöhen einerseits dieWahrscheinlichkeit, die richtigen Men-schen am richtigen Platz zu haben, ande-rerseits auch die Motivation wechselbe-reiter Mitarbeiter.“ So könnten Behördenuntereinander – aber auch mit der Pri-vatwirtschaft – in einen sinnvollen Aus-tausch um jeweilige Personalbedarfe tre-ten. Wenn ein beruflicher Wechsel aufeinvernehmlicher Basis erfolge, entste-he eine dreifache Win-Situation: bei demabgebenden Arbeitgeber, dem neuenArbeitgeber, der mit dem personellen Sup-port auch neue Erfahrungen und Skillserhält, und für den sich veränderndenMitarbeiter, der eine neue Beschäftigungund berufliche Alternative erhält. Ausder Erfahrung weiß Halsch, dass die Kun-denzufriedenheit der aufnehmendenBehörden bei der Übernahme beispiel-weise von veränderungsbereiten Tele-kommitarbeitern sehr hoch ist.

Tarifpartner und Gesetzgeber müssen die Rahmenbedingungenfür den Übergang in den Ruhestand flexibler gestalten.

Robert Müller, Geschäftsführer der S-PensionsManagement GmbH

Wir können mit modernen Gestaltungsmitteln und der passenden Auswahl der Recruiting-Kanäle helfen, aber wir dürfen häufig nicht.

Harry Doberer, Geschäftsführer, Werbe-Agentur Kunze GmbH

Page 8: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de10

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Round Table

Für das Personalmanagement der Zukunftsieht Beatrix Behrens von der Bundesagen-tur für Arbeit eine weitere Aufgabe auf diePersonalleiter und Führungskräfte zukom-men: Talent Management und Personalent-wicklung dürften sich nicht nur auf die jungen Mitarbeiter konzentrieren.

Ältere Mitarbeiter im Fokus

Das Mehrgenerationenmanagement sei dieneue Herausforderung. Behrens: „Mit Blickauf die Altersstruktur in der Verwaltungsowie verlängerte Lebensarbeitszeiten müs-sen andere Führungskonzepte in den Fokusrücken, wenn die öffentliche Verwaltunglängerfristig ein wettbewerbsfähiger Arbeit-geber bleiben will.“ Emotionale Bindungwerde verstärkt in den Vordergrund rücken,dialogorientierte Führungsinstrumente,Transparenz und Kommunikation sowieinsbesondere eine von Wertschätzunggeprägte Kultur seien für diese Zielgruppeeindeutig motivationssteigernde Faktoren. Das Segment der älteren Mitarbeiter bedarfauch einer besonderen Aufmerksamkeit,

weil deren Motivation nur erhalten werdenkönne, wenn man der Belastbarkeit und derLebensplanung älterer Arbeitnehmer Rech-nung trage. Robert Müller, S-PensionsMa-nagement: „Der eine will bis zum 70. Lebens-jahr voll arbeiten, der andere ab dem 60.Lebensjahr Altersteilzeit, der nächste kannund will nur bis zum 62. Lebensjahr beruf-lich aktiv sein. Wer die Motivation und dasEngagement dieser Arbeitnehmer erhaltenwill, muss auf solche Wünsche eingehen.“Müller appelliert an Tarifpartner und Gesetz-geber, nicht nur die ausreichende Alters-versorgung im Auge zu behalten, sondernauch andere Modelle zuzulassen und mit-einander zu verknüpfen. Es fehle ein über-greifender Rahmen, der aus mehr Flexibi-lität beim Ruhestandsalter sowie derumfassenden Verknüpfung von Renten, Teil-zeitmodellen und Zeitwertkonten bestehe.Die Politik solle einen solchen Rahmen füreine bedarfsgerechte Planung des Lebens-abends schaffen und dabei Anreize geben,die qualifizierte Arbeitnehmer und Beam-te motivieren, ihr Know-how möglichst lan-

ge beruflich zur Verfügung zu stellen. EineVerwaltung ohne den Einsatz von Informa-tionstechnologie ist nicht arbeitsfähig. ObEinwohner- oder Personenstandswesen, allegroßen Aufgaben benötigen IT-Unterstüt-zung. Aber der Einsatz von HR-Software imöffentlichen Dienst ist noch kein Standard.Tobias Lockau, Produktmanager Personal-managementsysteme, MACH AG: „Nachmeiner Wahrnehmung sind die technischenInstrumente vorhanden, aber sie werdenim Personalmanagement zu wenig genutzt,und wenn, dann nur in den klassisch admi-nistrativen Feldern wie der Lohn- undGehaltsabrechnung oder Zeiterfassung.“

Software-Potenziale erkennen

Insbesondere die Prozessunterstützungenwie bei Genehmigungsverfahren auf derBasis von Portallösungen oder der Aktivitä-ten im Bewerbungsprozess würden nochzu wenig in Anspruch genommen. Dabeikönnte der Einsatz der entsprechendenHRM-Systeme den Personalabteilungenerhebliche Vorteile durch höhere Bearbei-tungsgeschwindigkeit und spürbare Ent-lastung durch vollständige Einbeziehungder Prozessbeteiligten bringen. Während die Ressourcenerhebung und Stel-lenplanung auf Softwarebasis schon gutangenommen werde, so die Erfahrung vonMatthias Tandler, Sage HR Solutions, feh-le noch ein Gesamtkonzept, um Effizien-zen zu erhöhen durch HR-IT. „Der größteVorteil ist die passende Informationsver-teilung an entsprechende Anspruchsgrup-pen wie Abteilungsleiter oder auch Betriebs-räte, die regelmäßig bestimmte Auswer-tungen und Informationen aus dem Perso-nalbereich für ihre Arbeit benötigen.“ Eben-so könnten Mitarbeiter über Portale in Teil-bereiche der Personalarbeit einbezogenwerden, um den Aufwand für administra-tive Tätigkeiten zu reduzieren, wie dieUrlaubs- und Fehlzeitenplanung, die Zeit-erfassung, Angebote im Weiterbildungs-management sowie die Reisekostenabrech-nung. Seine Erfahrung: Personalarbeit fin-de nicht mehr allein im Personalwesenstatt, sondern stärker in den Abteilungenselbst, sodass IT-Anwendungen auf diesesverteilte Arbeiten ausgerichtet werden. Die

Der größte Vorteil von HR-IT ist diepassende Informationsverteilungan die entsprechenden Anspruchs-gruppen.

Matthias Tandler, Vorstand/Leiter operativesGeschäft Personalwirtschaft, Sage HR Solutions AG

Die prozessuale Sicht auf die HR-Aufgabenfelder nimmt zu, HRM-Systeme werden in Zeitenknapper Budgets über den Erfolg der Personalarbeit bestimmen.

Tobias Lockau, Produktmanager Personalmanagementsysteme, MACH AG

Page 9: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

neuen Technologien wie mobile Anwen-dungen böten eine enorme Flexibilität,wenn sich Personalabteilungen darauf ein-lassen würden.

Quo Vadis Öffentlicher Dienst?

„Die demografische Zange spürt der öffent-liche Sektor deutlich, deshalb findet eingroßes Umdenken statt, bei dem die prozes-

suale Sicht auf die HR-Aufgabenfelder starkzunimmt“, bekräftigt Tobias Lockau, MACHAG. Je früher Verwaltungen den konsequen-ten Einsatz von HR-IT-Technologien ver-folgten, umso effizienter und erfolgreicherwerde die Personalarbeit geleistet – imGegensatz zu den Verwaltungen, die sichnur auf Personaladministration beschränk-ten. Diese Erkenntnis wird in Zeiten knap-

per Budgets und weniger Personals überden Erfolg einer modernen Personalarbeitim öffentlichen Dienst bestimmen. Unddass sich in den Personalabteilung imöffentlichen Sektor sehr viel nach vornebewegt, bestätigen alle Diskussionsteilneh-mer. Sie haben zwar zahlreiche Anregun-gen für die Optimierung des Personalma-nagements im öffentlichen Sektor, dochgleichzeitig wissen sie: In manchen Berei-chen ist die freie Wirtschaft auch noch Mei-len vom Idealzustand entfernt. Das Schluss-statement von BA-Expertin Beatrix Behrenskann als Appell gleichermaßen an privateund öffentliche Arbeitgeber verstandenwerden: „Wir benötigen dringend auch dieErfahrung älterer Beschäftigte. Lebenslan-ges Lernen, Entwicklungsoptionen in jedemAlter und eine an Prävention ausgerichte-te Gesundheitsförderung – so lauten der-zeit unsere Aufgaben.“

Christiane Siemann, freie Journalistin, Bad Tölz

Beschäftigungsfähigkeit erhalten,mit transformationaler Führungden Wandel gestalten und alterns-gerecht führen – das sind unseregroßen Aufgaben.

Dr. Beatrix Behrens, Bereichsleiterin Personalpolitik/PE, Bundesagentur für Arbeit

Page 10: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de12

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Personalentwicklung

Führungsdefizite und Führungsversagen werden der öffentlichen

Verwaltung gerne vorgeworfen. Inwieweit kümmert sich die

öffentliche Verwaltung um die Entwicklung ihrer Führungskräfte?

Welches sind die Ansatzpunkte für eine erfolgreiche

Führungskräfteentwicklung?

Führungskräfte im Blickpunkt

fischen Wandel mit einem Wertewandelbei den jungen Beschäftigten zu rechnen.Wir können im Augenblick nur ahnen,wie dieser Wertewandel aussehen könn-te. Denkbar und nicht unwahrscheinlichist jedoch, dass Arbeit und beruflicheLeistung in der Werteordnung der nach-wachsenden Generation zugunsten vonWerten wie Partnerschaft und Familie,gesellschaftliches Engagement, künstle-rische sowie spirituelle Selbstentfaltungan Bedeutung verlieren. Dadurch müsstemit einer nachlassenden Bereitschaftgerechnet werden, (persönlich belasten-de) Führungsaufgaben zu übernehmen.

Führungskräfte im Fokus

Bereits seit Mitte der neunziger Jahre gibtes eine intensive Diskussion über dasThema Führung in der öffentlichen Ver-waltung. Einigkeit besteht darin, dass dieFührungskräfte angesichts der großenVeränderungsprozesse und -notwendig-keiten im öffentlichen Sektor vor großenHerausforderungen stehen. Führungs-kräfte müssen auf allen Ebenen Verän-derungen anstoßen, steuern und Mitarbei-ter hierfür motivieren. Damit dieöffentliche Verwaltung weiter moderni-siert werden kann, sind bei den Führungs-kräften vielfältige fachliche, soziale undmethodische Kompetenzen erforderlich.Viele Organisationen des öffentlichen Sek-

tors haben dem Rechnung getragen undsowohl die Auswahl als auch die Entwick-lung von Führungskräften modifiziert. So werden bei der Auswahl von Führungs-kräften zunehmend die sozialen undmethodischen Kompetenzen der Bewer-berinnen und Bewerber geprüft. Diesgeschieht zumeist im Rahmen von Aus-wahlverfahren, die denen von Assess-ment-Centern in der Privatwirtschaft sehrähnlich sind. Die Erfahrungen von Bun-des- und Landesbehörden sowie Kommu-nalverwaltungen mit derartigen Auswahl-verfahren sind überwiegend positiv, dieAusgaben regelmäßig nicht so hoch wiebefürchtet. Es lohnt sich, bei der Gestal-tung von Auswahl- und Potenzialbeurtei-lungsverfahren den fachlichen Standard– definiert mit der DIN 33430 – zu beach-ten.

Vorsicht vor unimethodalen Potenzialanalysen

Vielen Behörden werden Potenzialanaly-sen angeboten, bei denen die Kandidatenvia Internet Tests bearbeiten müssen. Dahier außer Tests keine weiteren diagnos-tischen Methoden verwendet werden, werden derartige Potenzialanalysen alsunimethodal bezeichnet. Die Personalab-teilungen und Interessenten erhaltenanschließend die Ergebnisse hinsichtlichder Führungspotenziale in Form von com-

em Staat gehen die Beamten aus“ –diese Schlagzeile war in manchen

Zeitungen im vergangenen Jahr zu lesen.Obwohl journalistisch zugespitzt, trifftdiese Aussage den Nagel auf dem Kopf.Bund, Länder und Kommunen werdensich darauf einstellen müssen, dass nichtnur die Finanzmittel, sondern auch leis-tungsfähige und -bereite Mitarbeiterknapp werden. Die Ursachen dafür, dassdas Personal zunehmend zu einem Eng-passfaktor wird, sind vielfältig. Besondersaugenfällig ist die Ursache „demografi-scher Wandel“. Während am Ende derAltersverteilung die erfahrenen Beschäf-tigten in erschreckend hoher Anzahl –wie Eisberge in der Juli-Sonne – in denRuhestand wegbrechen, sind die Beschäf-tigten im jüngeren Bereich der Altersver-teilung gering vertreten (Abbildung). Insbesondere im Bereich der Führungs-kräfte wird der öffentliche Sektor inhohem Maße erfahrenes Personal verlie-ren: So werden beispielsweise in den kom-menden zehn Jahren rund 340 000 Beam-tinnen und Beamte der Laufbahngruppendes höheren und gehobenen Dienstesaltersbedingt ihre Berufstätigkeit been-den. Die Rekrutierung von Nachwuchs-führungskräften wird aus mehreren Grün-den nicht einfach: So nimmt das Reservoiran Nachwuchskräften insgesamt deutlichab. Des Weiteren ist durch den demogra-

D

Page 11: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 13

putergenerierten Ergebnisberichten, gege-benenfalls auch noch ein Ranking derKandidaten. Hier ist Vorsicht geboten, denn das Füh-rungspotenzial kann nicht allein aus Test-ergebnissen abgeleitet werden. Diese –grundsätzlich sinnvollen – Instrumentesollten durch sogenannte situative Ver-fahren wie Gesprächssimulationen, Prä-sentationen und durch Interviews ergänztwerden. Zudem ist, insbesondere bei inter-nen Kandidaten, ein computergenerier-ter Ergebnisbericht kein Ersatz für einindividuelles Rückmelde- und Entwick-lungsgespräch.Mit der Feststellung von Führungspoten-zial und der Auswahl von Nachwuchs-kräften ist es aber noch lange nicht getan.Der Führungskräftenachwuchs mussanschließend systematisch für seine Auf-gaben vorbereitet werden. Dies ist auchden Spitzen der öffentlichen Verwaltungklar – in einer Befragung von über 300

Führungskräften deutscher Ministerial-verwaltungen wird die Personal- und Füh-rungskräfteentwicklung als der Ansatzder Verwaltungsreform angesehen, derden höchsten Nutzen für eine verbesser-te Verwaltungsführung bringt – so dasErgebnis einer Untersuchung der Wis-senschaftler Hammerschmid, Proeller,Reichard und Röber. Danach wird Perso-nal- und Führungskräfteentwicklungnützlicher eingeschätzt als Maßnahmenwie E-Government, Reform des Dienst-rechts oder Föderalismusreform. Gemäßden Ergebnissen der Befragung sehenrund ein Drittel der Ministerialführungs-kräfte Defizite im Ausmaß und Qualitätder Vorbereitung der Nachwuchsfüh-rungskräfte.

Vielfalt der Führungskräfteentwicklung

Dieses letzte Befragungsergebnis weistdarauf hin, dass die Vielfalt im Hinblick

auf die Führungskräfteentwicklung sehr groß ist. Einige Organisationen desöffentlichen Sektors haben die Führungs-kräfteentwicklung in höchstem Maßeinstitutionalisiert. Zu verweisen ist bei-spielsweise auf die Deutsche Hochschu-le der Polizei in Münster, deren Absol-venten für den höheren Polizeidienst inden Ländern und beim Bund qualifiziertsind. Das Ziel des dort angebotenen Mas-ter-Studiums ist unter anderem, dass dieAbsolventen in der Lage sind, größerePolizeidienststellen und Einheiten zu füh-ren. Auch die Deutsche Universität fürVerwaltungswissenschaften in Speyer hatdie Aufgabe, Führungskräfte aus- undweiterzubilden. Im kommunalen Bereichwerden oftmals spezielle Trainings- undEntwicklungsprogramme für Nachwuchs-führungskräfte angeboten. In der Stadt-verwaltung Lünen beispielsweise werdenMitarbeiter mit Führungspotenzial durchMentoring, Projektarbeit, Hospitation inanderen Kommunen, Rotation, Tätigkeitals Multiplikator oder Moderator sowiedurch Seminare auf Führungsaufgabenvorbereitet. Nach der Übernahme vonFührungsaufgaben bietet eine Reihe vonInstitutionen Fortbildungsangebote fürFührungskräfte an. Beispielhaft kann fürdie Landesebene auf die Fortbildungsaka-demie des Ministeriums für Inneres undKommunales des Landes Nordrhein-West-

Altersstruktur der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (ohne Zeit- und Berufssoldaten, ohne Bundeseisenbahnvermögen, in Tausend.

Quel

le: A

ltis

& Ko

ufen

, 201

1, E

ntw

ickl

ung

der B

esch

äftig

ung

imöf

fent

liche

n Di

enst

, S. 1

115,

Wie

sbad

en: S

tatis

tisch

es B

unde

sam

t)

Zielerreichungsgrade Abbildung

Handlungsempfehlung für den Personalmanager Info

• Prüfen Sie, welche Führungskräfte Ihrer Behörde in den nächsten sieben Jahren alters-bedingt die Berufstätigkeit beenden werden; differenzieren Sie dabei nach obere, mittle-re, untere Führungsebene.

• Stellen Sie fest, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den formalen Vorausset-zungen her in der Lage wären, die jeweiligen Führungsaufgaben wahrzunehmen.

Alter in Jahren

30. Juni 2000 30. Juni 2010

17 20 23 26 29 32 35 38 41 44 47 50 53 56 59 62 65und jünger und älter

160

140

120

100

80

60

40

20

0

160

140

120

100

80

60

40

20

0

Page 12: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de14

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Personalentwicklung

auf den Bedarf der Nachwuchskräfte abge-stimmt werden.Der vierte Schritt besteht in der Durch-führung der Maßnahme – hier geht eszum Beispiel um Termine, Kosten, Räu-me, Trainer. Vernachlässigt werden inder Praxis oftmals die nächsten Schritte: l die Transfersicherung, im Sinne von

Gewährleistung, dass das Gelernte inder Praxis angewendet werden kannund wird,

l die Evaluation, das heißt Bewertungder Entwicklungsmaßnahme im Hin-blick auf die Zielerreichung und

l die Nutzenanalyse im Sinne einer Fest-stellung der quantitativen Wirkungeiner Entwicklungsmaßnahme auf Ziel-größen der Behörde insgesamt.

Die Entwicklung von Führungskräften istkeine isolierte Maßnahme – gerade wennsie erfolgreich ist, wird sie Auswirkun-gen auf den Verwaltungsbetrieb insge-samt haben. Insofern ist mit dieser Personalentwicklungsmaßnahme auchOrganisationsentwicklung verbunden.Patentrezepte, wie man aus Nachwuchs-kräften herausragende Führungskräftemacht, kann es nicht geben. Dazu sinddie Aufgaben und Rahmenbedingungender jeweiligen Verwaltungen sowie dieeinzelnen Nachwuchskräfte zu unter-schiedlich. Es gilt, unterschiedliche Erfah-rungen anderer Organisationen zu eruie-ren und den Mut zu haben, den eigenenWeg zu suchen.

falen oder die Akademie für öffentlicheVerwaltung des Freistaates Sachsen ver-wiesen werden. Sehr bekannt sind aufkommunaler Ebene das Kommunale Bil-dungswerk e.V. oder die Studieninstitu-te verschiedener Städte und Regionen(zum Beispiel Westfälisch-MärkischesStudieninstitut für kommunale Verwal-tung in Dortmund). Auf Bundesebene hatdie Bundesakademie für öffentliche Ver-waltung eine sehr interessante Entwick-lungsmaßnahme für Führungskräfte kon-zipiert: Hier erhalten Führungskräfte dasAngebot, sich durch Einzel- oder Team-und Gruppencoaching mit ihrer speziel-len Situation auseinanderzusetzen undihre Führungskompetenzen zu optimie-ren. Coaching ist dabei eine individuelleForm der professionellen Beratung undBegleitung von Führungskräften. Berufs-begleitende Master-Studiengänge stelleneine sinnvolle Alternative dar, sofernsowohl bedeutsames Fachwissen ver-mittelt als auch methodische und sozia-le Kompetenzen in Präsenzveranstaltun-gen trainiert werden; allein durch dasLesen von Skripten und Büchern „im stil-len Kämmerlein“ wird keine Fachkraftzur Führungskraft. Einerseits gibt es also wie dargestellt eineganze Reihe von mehr oder weniger insti-tutionalisierten Maßnahmen zur Füh-rungskräfteentwicklung, andererseitsgibt es auch Behörden und Kommunal-verwaltungen, die die Entwicklung vonFührungskräften sträflich vernachlässi-gen.

Schritte zu einer wirksamenFührungskräfteentwicklung

Seit langem ist den Akteuren im öffent-lichen Sektor bewusst, dass die Personal-entwicklung und insbesondere die Ent-wicklung von Führungskräften zielge-richtet gesteuert werden müssen. Verteiltman die Mittel für Aus- und Fortbildungmit der „Gießkanne“ gleichmäßig überdie Beschäftigten, werden Fortbildungs-veranstaltungen entwertet und besten-falls als willkommene Abwechslung vomArbeitsalltag wahrgenommen. Reduziert

man Personalentwicklung auf den Besuchvon Seminaren, verkommt die Personal-entwicklung schnell zum Reisebüro fürSeminartourismus.Stefan Scholer, Leiter des Aus- und Fort-bildungszentrums der LandeshauptstadtMünchen, und Alexander Lendner, derden Bereich Fortbildung der Landeshaupt-stadt München leitet, haben ein praxiser-probtes Modell für ein Bildungscontrollingim öffentlichen Sektor erarbeitet, mit demauch dort die Führungskräfteentwick-lung zielgerichtet gesteuert werden kann.So steht am Anfang stets die Klärung derFrage, welche Ziele mit den Entwicklungs-maßnahmen erreicht werden sollen. Bei-spielsweise gilt es festzustellen, mit wel-chen Anforderungen die zukünftigenFührungskräfte konfrontiert sind. Wel-cher Führungsstil ist erwünscht? WelcheManagementinstrumente müssen die Füh-rungskräfte beherrschen? Gibt es speziel-le fachliche oder soziale Anforderungenan die Führungskräfte? Im zweiten Schrittist der Entwicklungsbedarf zu erheben:Hierzu müssen die aktuellen Kompeten-zen jeder einzelnen Nachwuchskraftobjektiv und zuverlässig ermittelt undden Anforderungen gegenübergestelltwerden – die Differenz stellt den Entwick-lungsbedarf dar. Steht der Bedarf fest,können drittens Überlegungen angestelltwerden, mit welchen Maßnahmen dieKompetenzen der Nachwuchsführungs-kraft am besten entwickelt werden kön-nen. An dieser Stelle ist vom Personal-entwickler Kreativität gefordert –während bei dem einen Mitarbeiter einexternes Seminar, kann bei der anderenMitarbeiterin die Übernahme einer Pro-jektleitung die wirksamste Maßnahmesein. Die Maßnahmen sollten individuell

Interkommunale Zusammenarbeit Info

Gerade für kleine und mittlere Kommunen bietet es sich an, bei der Entwicklung von Führungskräf-ten zu kooperieren. Auf diese Weise können auch relativ teure Maßnahmen wie Coaching, Inhouse-Seminare, Tagungen finanziert werden. Es bietet sich für die Nachwuchskräfte zudem die Möglich-keit, über Hospitationen andere Verfahrensabläufe und Organisationskulturen kennenzulernen.

Autor

Prof. Dr. Andreas Gourmelon, Fachhochschule für öffentlicheVerwaltung NRW,[email protected]

Page 13: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 15

Personalwirtschaft: Hat sich Personal-und Führungskräfteentwicklung alsAufgabe des HR-Managements imöffentlichen Sektor durchgesetzt?Prof. Dr. Andreas Gourmelon: Es mag sichnoch nicht überall durchgesetzt haben,aber ein Bewusstsein dafür ist stets vorhan-den. Die meisten Behörden und Verwal-tungen wissen, dass Personal- und Füh-rungskräfteentwicklung notwendig ist.Nach meiner Erfahrung arbeitet eine Mehr-heit bereits mit ansprechenden Maßnah-men und versucht, diese weiter zu opti-mieren. Es gibt selbstverständlich Fälle,wo die Umsetzung noch nicht so gut klapptoder nur ansatzweise stattfindet. Ein Grundliegt darin, dass zum Beispiel kleine Kom-munalverwaltungen das Personalmanage-ment noch nicht im erforderlichen Maßeprofessionalisiert haben. Eine weitere Ursa-che ist, dass manchen Kommunalverwal-tungen schlicht das Geld fehlt.Fachliche, soziale oder methodischeKompetenzen – welche Felder bedür-fen Ihrer Erfahrung nach vorrangigder Förderung?Die Erweiterung der fachlichen Kompe-tenzen hat im öffentlichen Sektor bereitseine lange Tradition, da sind viele Behör-den gut aufgestellt. Handlungsbedarf gibtes – insbesondere bei den Nachwuchs-führungskräften – bei den sozialen undmethodischen Kompetenzen. Hier gibt eshäufig ein hohes Problembewusstseinund gewisse theoretische Kenntnisse –aber die Umsetzung in die Praxis fälltschwer. Transferprobleme gibt es zum Beispielin den Bereichen Gesprächsführung undKonfliktmanagement. Ähnlich verhält essich im Bereich der Managementtechni-ken: Wie setze ich Zielvereinbarungenkonkret in meiner Führungspraxis ein?

Wie kann ich die Balanced Scorecard inmeinem Bereich realisieren? Also theo-retische Konzepte in die Praxis umzuset-zen – das bereitet einigen jungen Füh-rungskräften Schwierigkeiten.Wie kann effektive Unterstützung aus-sehen?Wirksam für Nachwuchsführungskräftesind zum einen externe Seminare undCoachings. Zum anderen lernen jungeFührungskräfte schnell und intensiv,wenn sie sich von erfahrenen Kollegendas eine oder andere abschauen können.Selbstverständlich gibt es ältere Führungs-kräfte, die sich nicht über die Schulterschauen lassen wollen. Aber eine ganzeReihe von erfahrenen Führungskräftenist sehr aufgeschlossen und bereit, Erfah-rungswissen weiterzugeben. Führungskräfteentwicklung hat immerEinfluss auf die Organisationsentwick-lung. Sind Behörden dafür schon reif?Entwickeln Führungskräfte neue Kom-petenzen, hat dies natürlich Auswirkun-gen auf die Organisation insgesamt. Wirdjungen Führungskräften beispielsweiseein partizipativer Führungsstil nahegelegt, dann werden deren Mitarbeiterauf Dauer mehr Eigenverantwortung undSelbstständigkeit in ihrer Arbeit einfor-dern. Vermehrtes Führen mit Zielverein-barungen und Delegation wird dazu füh-ren, dass sich Mitarbeiter verstärkt gegenBefehle, Anweisungen und unberechtig-tes Einmischen in ihre Arbeit wehren.Und letztlich führt das ja zu einer höhe-ren Motivation der Mitarbeiter. Das ist jaüberall gewollt, dass durch Personalent-wicklung eine Veränderung auch derOrganisation insgesamt erfolgt. Insofernsind die Behörden dafür reif – vielleichteinige, vereinzelte Führungspersonennoch nicht.

Mit welchen Lernmodellen und TalentManagement-Programmen kann dieöffentliche Verwaltung sicherstellen,dass sie guten Nachwuchs hat?Dem öffentlichen Sektor ist es in denletzten Jahren in überzeugender Weisegelungen, junge Menschen für dieArbeit in den Verwaltungen zu quali-fizieren. Wesentlich ist dafür ein Aus-bildungs- und Studiensystem, in demTheorie und Praxis eng verzahnt sind.Nicht umsonst setzen nun auch vieleUnternehmen der Privatwirtschaft aufdie Karte „duale Studiengänge“. Darü-ber hinaus sind viele Studiengängeinterdisziplinär angelegt, das heißt dieNachwuchskräfte lernen, ein Problemaus verschiedenen Perspektiven zubetrachten und ganzheitliche Lösun-gen zu finden. Auch die Entwicklungsozialer Kompetenzen, zum Beispielder dienstleistungsorientierte Umgangmit dem Bürger, hat inzwischen einenhohen Stellenwert erlangt. Optimie-rungsmöglichkeiten sehe ich vor allembeim Recruiting – uns muss es nochbesser gelingen, die besten Schulabsol-venten für den Dienst am Staat zu begeistern.

Das Interview führte Christiane Siemann.

Prof. Dr. Andreas Gourmelon lehrt und forschtan der Fachhochschule für öffentliche Verwal-tung Nordrhein-Westfalen in Gelsenkirchen.Seine Themengebiete in Lehre und Forschungsind Verwaltungs- und Personalmanagement.Im Rahmen des Theorie-Praxis-Transfers beräter zahlreiche Bundes- und Landesbehördensowie Kommunen. Er ist Herausgeber derBuchreihe „Personalmanagement im öffentli-chen Sektor“.

„Manchen Verwaltungen fehltschlicht das Geld.“

Page 14: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de16

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Personalentwicklung

worben werden können, zukünftig auchvermehrt an anderen Standorten attrak-tive Stellen finden. Für die städtische Per-sonalgewinnung, die sich in der Konkur-renz um Arbeitskräfte positionieren muss,wird es in diesem Kontext künftig umsoschwieriger werden, das notwendige Per-sonal zu gewinnen und zu halten.

Vorausschauend agieren

Eine weitere Herausforderung, auf diesich die Stadtverwaltung einstellen muss,ist der immer schnellere Wandel der Auf-gabeninhalte und die zunehmende Technisierung und Globalisierung. Dieserfordert verstärkt Flexibilität und Inno-vationsfähigkeit unserer Beschäftigten.Auf die sich verschärfenden Gewinnungs-probleme müssen wir uns vorbereiten,indem wir Nachbesetzungen frühzeitigplanen und das vorhandene Personal för-dern und qualifizieren. Außerdem mussin Zukunft damit gerechnet werden, dassnicht alle (extern) ausgeschriebenen Stel-len besetzt werden können. Daher wirdes zunehmend wichtig, das vorhandenePersonal zu binden und zu entwickeln.Dazu ist eine Analyse des Personalbe-stands im Hinblick auf vorhandene Kom-petenzen und gegebene Entwicklungspo-tenziale sowie ein Abgleich mit künftigenAnforderungen erforderlich. Der Aufbaueines Kompetenzmanagements sichert

ein vorausschauendes Agieren auf einemenger werdenden Arbeitsmarkt. Angesichts des demografischen Wandelsbedeutet das Ziel einer langfristigen Siche-rung der „Handlungsfähigkeit“ der Stadt-verwaltung daher, frühzeitig Maßnahmenzu ergreifen, die dem Fachkräftemangelentgegensteuern und durch Personalent-wicklung, insbesondere Kompetenzma-nagement, die Potentiale der Belegschaftzu erkennen, zu fördern, weiterzuentwi-ckeln und dadurch bestmöglich auszu-schöpfen.

IT-gestützte Erfassung der Kompetenzen

Kompetenzmanagement ist ein Perso-nalentwicklungsinstrument, um die heu-tigen und künftigen Aufgabenprofile unddie heutigen und künftig erforderlichenMitarbeiterkompetenzen zu beschreibenund abzugleichen. Unter Kompetenz ver-stehen wir die Verknüpfung von Kennt-nissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten undEinstellungen, um funktions- und situ-ationsgerecht handeln zu können. DasAnforderungsprofil (Soll) beschreibt die Kompetenzanforderungen für eineStelle. Das Kompetenzprofil (Ist) ist dieSumme der Kompetenzen einer Person(Eignungsprofil). Im Rahmen des Kom-petenzmanagements findet ein Abgleichzwischen dem Soll (Stelle) und dem Ist

ufgrund der demografischen Ent-wicklung stehen immer weniger

potenzielle Arbeitskräfte zur Verfügung.Der sinkende Anteil der Bevölkerung imerwerbsfähigen Alter führt bundes- undeuropaweit zu einem Fachkräftemangelund verstärkter Konkurrenz um Arbeits-kräfte generell. Nach einer von der IHKin Auftrag gegebenen Prognose des Wirt-schaftsforschungsinstitutes Wifor wer-den bereits im Jahr 2014 in Bayern mehrals 420 000 Fachkräfte auf dem Arbeits-markt fehlen, 2022 werden es dann schonüber 620 000 Personen sein. In der RegionMünchen fehlen im selben Zeitraum zuSpitzenzeiten 120 000 respektive 170 000Fachkräfte. Das sind 15,3 Prozent der ge-samten Nachfrage an Fachkräften in derRegion (1280 000). Ein Problem, mit dem speziell die Perso-nalgewinnung der Stadtverwaltung kon-frontiert ist, besteht darin, dass am prosperierenden WirtschaftsstandortMünchen eine Vielzahl von Unternehmenmit wachsendem Fachkräftebedarf umdieses schrumpfende Potenzial kämpft.In diesem „war for talents“ steht die Stadt-verwaltung vor Ort renommierten undfinanzkräftigen, teilweise internationalagierenden und für Hochqualifizierteattraktiven Unternehmen gegenüber.Gleichzeitig können Fachkräfte, die gegen-wärtig noch häufig nach München ange-

A

Es wird zunehmend schwieriger, qualifiziertes Personal im

erforderlichen Umfang zu gewinnen. Die Stadt München setzt bei

der Personalentwicklung auf ein standardisiertes Kompetenzmodell

und vereinfacht damit zukünftige Personalplanungen.

Mit Kompetenzmanagement frühzeitig Potenziale erkennen

Page 15: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

(Person) statt. Kompetenzmanagementsetzt die systematische IT-gestützte Erfas-sung aller fachlichen, methodischen, per-sönlichen und sozialen Kompetenzen derBeschäftigten sowie der entsprechendenAnforderungen an die derzeitige bezie-hungsweise geplante Aufgabenerledigung(Stelle) voraus und ermöglicht einen IT-gestützten Abgleich „Person – Stelle/künf-tige Anforderungen“ und die Ableitunggegebener Handlungsoptionen beziehungs-weise -bedarfe (zum Beispiel Eignung füreine bestimmte Aufgabe ist gegeben, kon-kreter Nachqualifizierungsbedarf, exter-ne Einstellung erforderlich) sowohl bezo-gen auf die einzelne Dienstkraft als auchperspektivisch auf die Gesamtorganisation(zum Beispiel im Hinblick auf den demo-grafischen Wandel oder aktuell neu hin-zukommende Aufgaben).Kompetenzmanagement bildet die Grund-lage für eine aussagefähige Personal-

bestands analyse, eine vorausschauendeund zielorientierte Personalbedarfspla-nung, eine wertorientierte Personalent-wicklung, eine zielgerichtete Qualifizie-rungsplanung (Aus- und Fortbildung) undeine nachhaltige Personalgewinnung. Esintegriert und systematisiert Instrumen-te der Personalgewinnung, des -einsatzesund der -entwicklung unter Zuhilfenah-me von Kompetenzmodellen. Ergänzend sollen Potenziale der Mitar-beiter im Sinn von momentan vorhande-nen, allerdings noch nicht genutztenFähigkeiten (offenes Potenzial) und nochnicht erkannten beziehungsweise ausge-bildeten Fähigkeiten (verborgenes Ent-wicklungspotenzial) erhoben werden.Dabei sollen nicht nur die Potentiale aufder jetzigen Position betrachtet werden,sondern auch darüber hinausgehendeQualifikationen und Fähigkeiten. Diesesind den Führungskräften derzeit nicht

bekannt und sollen zukünftig systema-tisch erfasst werden.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Möglichkeiten und Grenzen eines Kom-petenzmanagements in der öffentlichenVerwaltung unterscheiden sich aufgrundder rechtlichen Rahmenbedingungen,denen öffentliche Arbeitgeber unterwor-fen sind, stark von denen der Privatwirt-schaft: Die rechtliche Notwendigkeit dienst-licher Beurteilungen mit vom Gesetzgebervorgegebenen Inhalten – fachliche Leis-tung, Eignung und Befähigung – und derenCharakter als wertende Betrachtung erhö-hen deutlich die Komplexität eines inte-grierten Kompetenzmanagements in deröffentlichen Verwaltung. Die Kompetenz-einschätzung ist in die dienstliche Beur-teilung zu integrieren und unterliegt somitden rechtlichen Anforderungen an einBeurteilungssystem. Über die dienstliche

Page 16: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de18

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Personalentwicklung

Autor

Dr. Thomas Böhle, Personal- und Organisations-referent der LandeshauptstadtMünchen, [email protected]

rungskräfte und soll nach einem noch zuentwickelnden Verfahren erfolgen. Diebei den Mitarbeitern vorhandenen Kom-petenzen (Ist) sollen durch die unmittel-bare Führungskraft im Rahmen derdienstlichen Beurteilung eingeschätztwerden (= Kompetenzprofil). In einemzweiten Schritt ist das Kompetenzprofilder Dienstkraft mit dem Anforderungspro-fil der Stelle (Soll) abzugleichen. DasErgebnis ist mit dem Mitarbeiter im Rah-men des sogenannten „erweiterten Mit-arbeitergesprächs“ zu erörtern. Diesesintegriert neben der dienstlichen Beur-teilung weitere Personalentwicklungsin-strumente und Gespräche zwischen Füh-rungskräften und Mitarbeitern wie dieleistungsorientierte Bezahlung mit demPrämiengespräch, die Entwicklungspla-nung bezogen auf konkrete Defizite undPotenziale der Mitarbeiter sowie das bis-herige Mitarbeitergespräch, bei dem The-men wie Arbeitsumfeld, -organisation, -zufriedenheit, Zusammenarbeit und För-derung besprochen werden. Zudem istgeplant, im Rahmen des „erweiterten Mit-arbeitergesprächs“ weitere Qualifikatio-nen außerhalb der derzeitig ausgeübtenTätigkeit festzuhalten, die für die Stadt-verwaltung ebenfalls von Interesse seinkönnten, wie zum Beispiel Projektlei-tungserfahrung, Fremdsprachenkennt-nisse, Moderationsausbildung et cetera.

Nutzen und Vorteile des Kompetenzmanagements

Beim Aufbau eines IT-gestützten, stan-dardisierten Kompetenzmanagements bie-tet sich hier die Chance, viele im Einsatzbefindliche Personalentwicklungsinstru-mente aufeinander abzustimmen und, womöglich, zusammenzuführen. Zusammenfassend erwarten wir uns fol-gende Vorteile vom Kompetenzmanage-ment:l Vernetzung, Vereinfachung und Aktu-

alisierung der Personalentwicklungs-instrumente: Bestehende Instrumentesollen aufeinander abgestimmt und indas Kompetenzmana gement, soweitwie möglich, integriert werden.

Beurteilung hinausgehende Informatio-nen/Bewertungen können bei Beachtungder rechtlichen Vorgaben im Rahmen eineserweiterten Kompetenzprofils erfasst wer-den.

Kompetenzmodell der Landeshauptstadt München

Zur Entwicklung des Kompetenzmodellshaben wir alle Doku mente (Leitbilder,Arbeitgebermarke, Dienstliche Beurtei-lung und andere), die Anforderungenbeschreiben, analysiert. Zusätzlich habenwir Kompetenzmodelle großer Unterneh-men herangezogen und Aussagen vonFachexperten berücksichtigt, die sich mitFähigkeiten befassen, die in Zukunftwichtig werden. Das unter Beteiligungder Personalvertretung erarbeitete Kom-petenzmodell der Landeshauptstadt München nennt, beschreibt und skaliertdie Kompetenzen, die wir für wichtig hal-ten. Es besteht – in Anlehnung an diedienstliche Beurteilung – aus den Kom-petenzfeldern fachliche Leistung und Eignung/Befähigung und soll für die Kom-petenzeinschätzung sowohl von Füh-rungskräften als auch Mitarbeitern dienen. Den Kompetenzfeldern sind ins-gesamt 15 Kompetenzen zugeordnet; dienur für die Führungskräfte relevantenKompetenzen sind gekennzeichnet. DieAnforderungen für eine Stelle (Soll) sol-len anhand einer dreistufigen Skala(grundlegend, ausgeprägt, stark ausge-prägt) bewertet werden. Für jede Kom-petenz liegt eine Beschreibung der dreimöglichen Ausprägungsgrade vor. Es istvorgesehen, in einem Pilotbereich, voraus-sichtlich mit der Zielgruppe Führungs-kräfte, Erfahrungen mit dem Kompetenz-modell zu gewinnen.

Soll-Ist-Vergleich

Für jede Stelle wird ein individuellesAnforderungsprofil (Soll) erstellt. Diesesorientiert sich an der Arbeitsplatzbe-schreibung, die ebenfalls Aussagen zuden Aufgaben und den Anforderungenan eine Stelle trifft. Die Erstellung desAnforderungsprofils ist Aufgabe der Füh-

l Standardisierung von Kompetenz- undAnforderungsprofilen: Die Anforde-rungen an die Mitarbeiter und ihreKompetenzen sollen einheitlich defi-niert werden.

l Bedarfsgerechte Bildungsplanung: DieQualifizierungsangebote sollen syste-matisiert werden und die Fortbildungsoll noch besser an den Bedarfen aus-gerichtet werden.

l Die strategische Personalplanung sollgezielter und differenzierter werden,drohende Lücken (Wissen und Kön-nen) sollen rechtzeitig aufgedeckt wer-den.

l Transparenz der dienstlichen Beurtei-lung: Das städtische Beurteilungssys-tem soll dank klarer und einheitlicherDefinition der Ausprägungsgrade undder Kriterien transparenter werden.

l Potenzialerkennung: Das Kompetenz-management soll dazu beitragen, vor-handene Potenziale frühzeitig zu erken-nen und Grundlage für eine an denAnforderungen ausgerichtete Potenzi-alförderung sein.

l Personalgewinnung: Es soll die Perso-nalauswahl unterstüt zen und zur effi-zienten und kostengünstigen Personal-gewinnung beitragen.

l Für die einzelne Dienstkraft soll dasKompetenzmanagement die Karriere-planung un terstützen und transparen-ter machen.

l Die Personaleinsatzplanung soll erleich-tert werden.

l Es ist eine systematische Erhebungund Anerkennung auch außerhalb desHauptamtes erworbener Kompetenzenmöglich, die bei Bedarf genutzt werdenkönnen.

l Durch die passgenaue Kompetenzer-fassung wird eine effizientere und effek-tivere Aufgabenerledigung möglichwerden.

Page 17: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Während Web 2.0 von immer mehr Verwaltungen als Marketing-

und Kommunikationsinstrument entdeckt wird, ist die bewusste

Nutzung von Web 2.0-Tools zur Qualifizierung in der öffentlichen

Verwaltung eher selten anzutreffen. Anders im Kommunalen

Rechenzentrum Niederrhein.

Lernen mit Web 2.0

Personalentwicklung ÖFFENTLICHE VERWALTUNG

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 19

gaben, der ihnen das Thema Web 2.0, dieBedienung der Portal-Software und die Ziel-setzung der anschließenden Mikroprojekt-Phase näher brachte. Dabei lernten sieBlogs, Wikis, Foren, Microblogs, Dienstewie RSS und ihre Einsatzszenarien ken-nen. Darüber hinaus wurden die Teileneh-mer mit der Herstellung von Medienkom-petenz im Web, also dem kompetentenUmgang mit Grafiken, Videos und Audios,vertraut gemacht. Da nach einem Kurs oft der betrieblicheAlltag die Oberhand gewinnt, wurde derProzess des „Web 2.0-gestützten Selbstler-nens“ durch die Planung und Durchfüh-rung von sogenannten Mikroprojektenunterstützt; durch Projekte, die klein undüberschaubar in ihrer inhaltlichen Zielset-zung sind und dadurch eine effektive Unter-stützung durch die Web 2.0 Tools ermög-lichen. Diese Ideenfindung hat interessanteAnwendungsszenarien hervorgebracht,wie beispielweise l ein Wiki für Informationen zur Vertre-

tung von Aufgaben(-bereichen) inner-halb eines Fachdienstes,

l eine Dokument- und Diskussionsplatt-form für den interkommunalen Aus-tausch, zum Beispiel für einen Vereinder Bühnenhäuser betreibenden Kom-munen,

l eine Community zum Ideen- und Link-austausch für Bibliotheksmitarbeiter und

l Facebook- und Netvibes-Auftritte.

Die Lernpotenziale des Web 2.0 liegendabei nicht in erster Linie in der durchE-Learning bekannten Auslagerung insNetz. Eher ist die Unterstützung des infor-mellen Lernens, das heißt, des Lernensam Arbeitsplatz, als lohnend anzusehen.Vor allem Wikis sind dort besonderseffektiv, wie das Beispiel des „Vertre-tungswiki“ im Fachdienst „Zentrale Dien-ste“ der Stadt Moers zeigte. WichtigeInformationen aus allen Bereichen wieBeschaffung, Datenschutz, Büromöbel,Kurierdienst wurden in ein Wiki über-tragen, so dass eine Vertretung im Fal-le von Urlaub und Krankheit erleichtertwird. Das gemeinsame Sammeln undNutzen dieser recht banal erscheinen-den Informationen sorgte dafür, dass derNutzen der Lernprozesse in der Arbeits-situation jeder beteiligten Person bewusstwurde.

Spielräume und Hemmnisse

Die Anwendung von Web 2.0 hat bestimm-te Freiheiten zur Voraussetzung, wie dieMöglichkeit, autonom und schnell aufAnfragen und Kritik aus dem Medium zureagieren. Ausreichende Handlungsspiel-räume sind bei qualifizierten Sachbear-beitern durchaus vorhanden, wie auchdie Bereitschaft in den meisten Kommu-nen, sich als eine Organisation in Verän-derung zu verstehen – was unter anderemsichtbar wird an vielen Anstrengungen

ualifizierungschancen am Arbeitsplatzmit Web 2.0 lassen sich nutzen und

als Kleinprojekte in der Verwaltung inte-grieren. Im Folgenden werden die wichtig-sten praxisrelevanten Fragen beleuchtet:l Welche Lernpotenziale bieten Web 2.0-

Technologien in der Verwaltung?l Bietet die öffentliche Verwaltung im

Dienstalltag ausreichenden Raum fürdie Anwendung des neuen Internets?Welche Hemmnisse bestehen genau?

l Eignet sich diese Lern-Technologie fürältere Mitarbeiter ab 45 Jahre?

l Welche Rahmenbedingungen müssenvorhanden sein, damit die Potenzialesich entfalten können?

Das vom Bundesministerium für Bildungund Forschung (BMBF) geförderte Pro-jekt „erfahren ins Netz 2.0“ des Kommu-nalen Rechenzentrums Niederrhein(KRZN) untersuchte diese Fragen (http://www.45pluslernen.de/). Projektpartnerwaren Synexa consult Essen/Berlin,zuständig für die wissenschaftlicheBegleitung und Evaluation, sowie dieTechnologische Beratungsstelle NRW desDGB, die große Erfahrungen in der Fra-ge der Sicherung der Beschäftigungsfä-higkeit Älterer einbrachte.

Kurse in Mikroprojekten

Zunächst absolvierten die Mitarbeiter desKRZN einen klassischen Blended-Learning-Kurs mit Präsenzterminen und Onlineauf-

Q

Page 18: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de20

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Personalentwicklung

Motivation war spür- und messbar, vieleVorschläge zur Anwendung im eigenenArbeitsumfeld wurden entwickelt. Obwohlkonzediert werden muss, dass die Beteili-gung auf freiwilliger Ebene stattfand. Wichtiger als das Alter sind unseren Erfah-rungen nach allgemeine Lernvorausset-zungen, die aber in jeder Zielgruppenana-lyse zu beachten sind: Lern(un-)gewohnheit, Motivation, IT-Vorerfahrung und Dimen-sionen des sogenannten „funktionalenAlters“ wie Gesundheit und Lebensstilbestimmen die individuellen Leistungs-möglichkeiten. Dies sollte auch in Überle-gungen der Personalentwicklung einbezo-gen werden, da sonst die Gefahr besteht,dass Ältere die negativen Zuschreibungenübernehmen und sich diese Konstrukte inder Denkkultur der Organisation verfesti-gen.Oft werden nur einige Gruppen, die alsinternetaffin angesehen werden wie bei-spielsweise der Führungsnachwuchs, mitinnovativen Lernformen konfrontiert. Obdabei die Gruppe der Älteren als Zielgrup-pe fungieren sollte, die besonderer Betreu-ung in abgeschlossenen Lerngruppenbedarf, wird zunehmend bezweifelt. So ver-sucht zum Beispiel BASF in ihrer Akade-mie fast ausschließlich altersgemischteLerngruppen zu bilden. Auch im Mikro-projekt „Vertretungswiki“ arbeiteten jun-ge Mitarbeiter mit den Älteren zusammen– so wurde die Chance genutzt, besonde-res IT- und Projektwissen mit dem Fach-wissen zu verbinden und zu teilen. DiesenWeg geht auch die KRZN-Qualifizierung.

Kulturwandel für Lernen mit Web 2.0 notwendig

Nach Einschätzung der von uns befragtenFührungskräfte und Web 2.0-Experten ausden Verwaltungen wird sich das Instru-ment Web 2.0 an die Erfordernisse deröffentlichen Verwaltung anpassen müs-sen. Dazu sind Guidelines notwendig, diedas Datenschutzproblem regeln und

l Die in den letzten Jahren zunehmendeArbeitsverdichtung sorgt für einen all-gemeinen Zeitmangel, auch dann, wennes sich um zusätzliche Aktivitäten wieLernen handelt.

l Da zum Projektzeitpunkt keine systema-tische Einführung in den Organisationenvorhanden war, fehlten wichtige Orien-tierungspunkte wie Social Media Guide-lines oder formulierte Ziele der jeweili-gen Verwaltung in Zusammenhang mitdem Instrument Web 2.0.

l Damit zusammenhängend gab es weni-ge Kenntnisse bei Führungskräften überdie Chancen und Risiken des Web 2.0.

l Allgemein waren und sind Datenschutz-diskussionen in Verwaltungen aktuell.Obwohl sie eher das Marketing nachaußen betreffen, strahlen sie auch aufdie internen Prozesse des Lernens mitWeb 2.0 aus. Bestimmende Faktoren derAnwendungsangst bei Beschäftigtensind Datenschutzbedenken und das Wis-sen darum, dass „das Netz nichts ver-gisst“.

Diese Hemmnisse waren relativ verbrei-tet. In den Projektgruppen waren sowohlgroße und kleine Verwaltungen als auchverschiedene Fachbereiche und kommu-nale Betriebe vertreten. Daher gilt es immerauch, Spezifika der jeweiligen Gruppe zubetrachten.

Lernvoraussetzungen Älterer nicht sehr unterschiedlich

Die Nutzungshäufigkeit des Internets unddes Web 2.0 ist bei Jüngeren weit ausge-prägter. Daraus entstehen Zuschreibungenund Altersbilder, die Älteren geringereAkzeptanz und Leistungsfähigkeit inZusammenhang mit den neuen Medienunterstellen. Unsere Erfahrungen zeigenjedoch, dass daraus keine Schlüsse bezüg-lich der Lernfähigkeit im Umgang mit demInstrument gezogen werden sollten. Älte-re Lerner sind lernwillig, das zeigen vieleStudien und auch unsere Projekt. Eine hohe

in der Personalentwicklung. Ebenso wirdin der öffentlichen Verwaltung den Mit-arbeitern durch das Tempo und die sichstetig ändernde Gesetzgebung eine per-manente Weiterbildungsbereitschaft innicht geringem Maße abverlangt. Oftreicht nicht die Verarbeitung von Infor-mationen, sondern es ändern sich durchReformen komplette Aufgaben und Pro-zesse. Dies führt zu der Frage, ob dieaktuelle Realität des Lernorts Verwaltungförderliche Bedingungen für ein lebens-langes Lernen bietet, das nicht nur inregelmäßigen Fortbildungsveranstaltun-gen, sondern auch am Arbeitsplatz statt-finden kann. Die noch in den 90er- und2000er-Jahren üblichen großen Präsenz-fortbildungen sind im Zuge der verschärf-ten Finanzkrise der Kommunen heutenicht mehr in dieser Form finanzierbar.Umso wichtiger ist die Suche nach dersinnvollen Verknüpfung von zu teuererscheinendem Präsenzlernen mit denMöglichkeiten des Lernens am Arbeits-platz. Das KRZN hat vielfältige Erfahrungen mitE-Learning-Aktivitäten gemacht, die seit2002 in vielen Verwaltungen stattfanden.Früh tauchte dabei die Frage auf, zu wel-chem Zeitpunkt die Inhalte der Lernmo-dule absolviert werden sollten. In diesemZusammenhang entstand ein Beratungs-paket, das wichtige organisationale Fra-gen ins Blickfeld rückte, wie zum Beispieldas Lernen in der Arbeitszeit oder Fra-gen zur Lerner-Überwachung in Plattfor-men, die aus der Personalvertretung kri-tisch vorgebracht wurden. Aus solchenBeratungsprozessen resultieren Vereinba-rungen, die das Lernen am Arbeitsplatzfördern, wie zum Beispiel eigene Lern-räume oder auch Nachweise in Form klei-ner Tests.Die Hemmnisse, die sich bei den älterenLernern im erwähnten Projekt zeigten, sindjedoch klassischer Art und verweisen aufdie Rahmenbedingungen:

„Ältere Lerner sind lernwillig, die hohe Motivationist spür- und messbar.

Page 19: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Autor

Roland Schewe, Leiter des vom BMBF gefördertenProjekts „erfahren ins Netz 2.0“,Pädagogischer Mitarbeiter und Personalratsvorsitzender, Kommu-nales Rechenzentrum Niederrhein,[email protected]

die Kompetenz der Beschäftigten bezüg-lich schneller Nachrichten an die Kun-den/Öffentlichkeit. Der in der Verwaltungdamit einhergehende Wandel sollte in klei-nen Schritten erfolgen – die Vorgehens-weise der Mikroprojekte wurde dabeiausdrücklich bestätigt. Über den offen-

sichtlichen Nutzen dieser kleinen Vorha-ben verbreitet sich die Akzeptanz in derGesamtverwaltung. Den Führungskräftenkommt dabei eine besondere Rolle als Agen-ten der „Kultur einer Ermöglichung“ zu,die motivierte Einzelakteure unterstützen

und Ressourcen zur Verfügung stellen. Siefungieren als Motoren und Vorbilder, sieermöglichen den Transfer neuer Kennt-nisse in den Alltag. Ergebnis ist, dass dieBeschäftigten genügend Anreize haben,um Lernen als kontinuierlichen und weit-gehend selbstgesteuerten Prozess zu betrei-ben. So entwickeln sie schnell Kompeten-zen zur erfolgreichen Bewältigung vonVeränderungen, neuen Aufgaben undAnforderungen.

Lernumgebung 2.0

Dabei kann eine Lernumgebung mit Web2.0-Elementen diesen Wandel entschei-dend unterstützen. Sie ermöglicht es, vonallen Orten aus – Büro, Außendienst, Home-Office – mit Endgeräten wie PC, Notebook,Tablet und Smartphone zuzugreifen. Prä-senzunterricht ist dazu in allen Altersgrup-pen unerlässlich, dabei steht weniger dieBedienung im Vordergrund, sondern das

Info

Roland Schewe, Matthias Rohs (Hrsg.):Erfahren ins Netz 2.0, Lernen älterer Beschäftigter mit Web 2.0 in der öffentlichenVerwaltung, 2013, 172 Seiten, ISBN 978-3-8309-2744-0).

Mehr zum Thema Lernen mit Instrumenten wie Wikis, dasauch die Form der Zusammenarbeit ändert.Auf den Projekterfahrungen kann für dieZukunft der Arbeitswelt aufgebaut wer-den, in der vor allem viele ältere Mitarbei-ter – durch den Wegfall von Frühpensionie-rungs- und Altersteilzeitregelungen - dieVerwaltungen prägen. Wir müssen beschäf-tigungsfähig bleiben. So ist es Zeit, einenWandel anzustoßen, der noch vorhandeneAltersbilder verändert und die Potenzialedes Web 2.0 als Lerninstrument für eineVerwaltung in Veränderung nutzt.

Page 20: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Betriebliches Gesundheitsmanagement hat an der Eberhard Karls Universität Tübingen einen

hohen Stellenwert. Eine Mitarbeiterbefragung soll jetzt weitere Erkenntnisse bringen.

Systematisch und ganzheitlich

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de22

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Gesundheitsmanagement

ie Universität Tübingen kümmertsich schon seit vielen Jahren um die

Gesundheit ihrer Mitarbeiter. So gibt esden Betriebs- und PersonalärztlichenDienst, der Ansprechpartner für sämtli-che gesundheitlichen Probleme amArbeitsplatz ist, sowie die Verantwort-lichen für Arbeitssicherheit, die zum The-ma Gesundheitsschutz beraten, einepsychosoziale Beratungsstelle, den Per-sonalrat als Interessenvertretung derBeschäftigten und den Hochschulsportmit einem Angebot an gesundheitlich aus-gerichteten Bewegungs- und Entspan-nungskursen. Doch im August 2011 hat die UniversitätTübingen mit rund 8000 Beschäftigten(exklusive Universitätsklinikum) eineStelle eingerichtet, die eigens für dasBetriebliche Gesundheitsmanagement(BGM) zuständig ist. Mit diesem Schrittentschieden sich die Verantwortlichen,

das Thema Gesundheit systematisch undganzheitlich anzugehen. Denn wegen dervielen Beteiligten fehlen oft der Überblickund die interdisziplinäre Zusammenar-beit. BGM beinhaltet jedoch, eine bewuss-te Steuerung und Integration aller betrieb-lichen Prozesse, die der Gesundheit derMitarbeiter dienen. Der Unterschied zueinzelnen Maßnahmen der Gesundheits-förderung liegt zum einen in der Prozes-sorientierung. Das heißt, BGM ist ein kontinuierlicher Kreislauf von Bedarfs-analysen über die Planung und Durch-führung von Maßnahme bis hin zu denentsprechenden Evaluationen, es ist keinzeitlich begrenztes Projekt. Zum anderenwird eine interdisziplinäre Herangehens-weise unter Einbezug aller betroffenenStellen angestrebt. Um diese Kontinuitätund interdisziplinäre Zusammenarbeitumzusetzen, trifft sich an der UniversitätTübingen in regelmäßigen Abständen ein

Gesundheitsausschuss mit Vertreternunter anderem aus dem betriebsärztlichenDienst, der Personalabteilung und derpsychologischen Beratungsstelle. Der Aus-schuss diskutiert und berät sich zugesundheitsrelevanten Themen undbeschließt Maßnahmen, welche dann inkleineren Arbeitskreisen umgesetzt wer-den. Dazu wird projektabhängig auchexterner Rat von Experten hinzugezogenoder – wie nun geplant – es werden dieBeschäftigten selbst befragt.

Mitarbeiterbefragung

In unserer Gesellschaft nehmen psychi-sche Störungen und Erkrankungen zu,wie Erhebungen von verschiedenen Kran-kenkassen der letzten Jahre zeigen. Des-halb führt das Gesundheitsmanagementder Universität Tübingen nun eine großangelegte Mitarbeiterbefragung zu demThema „Psychosoziale Faktoren am

D

Page 21: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Autor

Sebastian Stumpf,Eberhard Karls Universität Tübingen, Koordinator Betriebliches Gesundheits-management, [email protected]

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 23

Arbeitsplatz“ durch. Inhaltlich themati-siert der Fragebogen Anforderungen undBeschwerden am Arbeitsplatz, persönli-che Einfluss- und Entwicklungsmöglich-keiten und schließlich soziale Beziehun-gen und Führungsverhalten. Da es sichbei diesen Informationen um sehr sensi-ble Daten handelt, hat der Datenschutzhöchste Priorität. Die Ergebnisse dieserAnalyse werden als Grundlage weitererDiskussionen über künftige Maßnahmenim BGM herangezogen werden. Um dieMitarbeiter auch in diesen Prozess einzu-binden, wird im Frühjahr 2013 ein Works-hop für interessierte Mitarbeiter angebo-ten, indem diese sich aktiv mit ihren Ideenund Vorstellungen einbringen können.Die Gespräche über eine Kooperation mitder Unfallkasse und einer Krankenkas-se für ein unmittelbar anschließendesPilotprojekt laufen bereits.

Der „Pausenexpress“

Das wohl bekannteste BGM-Projekt ander Universität Tübingen ist der „Pausen-express“. Qualifizierte Übungsleiter kom-men dazu direkt an die Arbeitsplätze undführen mit den Beschäftigten kurze Ein-heiten mit Mobilisations,- Kräftigungs,-Dehnungs- sowie Entspannungsübungendurch. Vor allem zu den Mittagszeitenund gegen Mitte/Ende der Woche ist diesein rege genutztes Angebot, das mittler-weile von über 70 Kleingruppen inAnspruch genommen wird. Neben die-sem Programm, das während der Arbeits-zeit genutzt werden kann, gibt es inKooperation mit dem Hochschulsport spe-ziell für die Beschäftigten der Universitäteine Auswahl an gesundheitlich ausge-richteten Kursen wie zum Beispiel Yoga,Pilates oder Aquafitness. Für das nächsteFrühjahr sind Lauftrainings geplant, dieauf das große Tübinger Laufevent „Erbe-Lauf“ im Herbst vorbereiten sollen. Nebender körperlichen Aktivität beinhalten sol-che Angebote auch immer soziale Aspek-te und die Möglichkeit zur persönlichenWeiterentwicklung.Um auf die Bedürfnisse der Beschäftigtenoptimal eingehen zu können, werden

immer wieder auch für kleinere, speziel-le Zielgruppen zugeschnittene Maßnah-men entwickelt und durchgeführt. So ent-stand auf Anfrage der an der Universitätbeschäftigten Gärtner eine Schulung, inder sowohl theoretische als auch prakti-sche Inhalte vom betriebsärztlichen Dienstund vom Hochschulsport vermittelt wur-den. Ein weiteres Beispiel: Die Arbeitssi-cherheit und die damalige BGM-Koordi-natorin berieten die Beschäftigten derUniversitätsbibliothek zum Thema „Ergo-nomie und Bewegung am Arbeitsplatz“und gaben praktische Beispiele vor Ort.

Wir sprechen darüber

Ein Gesundheitsmanagement kommtjedoch nicht zum Tragen, wenn dieBeschäftigten die Angebote nicht nutzenoder erst gar nicht um deren Möglichkei-ten wissen. Gut der Hälfte der Beschäftig-ten sind die BGM-Maßnahmen an der Unibekannt. Etwa ein Fünftel der Mitarbei-ter haben schon mindestens einmal aneiner BGM-Maßnahme teilgenommen, sodas Zwischenergebnis aus unserer aktuel-len Mitarbeiterbefragung. Das bedeutet,die Kommunikation zwischen allen Betei-ligten – von der Führungsebene bis zujedem Mitarbeiter – entscheidet letztlichüber den Erfolg oder das Scheitern desBGM. Auf der einen Seite sind informel-le Botschaften zu transportieren: An derUniversität Tübingen gibt es dafür einenBGM-eigenen Internetauftritt sowie einenBGM-Teil im Fort- und Weiterbildungs-programm für Beschäftigte. Kurzfristigund flächendeckend werden Informatio-nen per Rundmail verbreitet. Auf der ande-ren Seite soll mit einer immer wieder auf-tauchenden Thematisierung zu einemgesundheitsbewussten Verhalten sensi-bilisiert werden. Denn eines ist sicher:Alleine die Maßnahmen am Arbeitsplatzsind kein Garant für einen gesundenLebensstil. Vielmehr ist es Absicht derBGM-Verantwortlichen, den Beschäftig-ten verschiedene Möglichkeiten für daskörperliche und seelische Wohlbefindenaufzuzeigen, das Wohlwollen der Univer-sitätsleitung zu signalisieren und eine

gesundheitsförderliche Betriebskulturvorzuleben. Daher erschien in jüngsterVergangenheit ein Artikel über das BGMin dem Newsletter der Universität undein Interview im Uni-Radio speziell zuder anstehenden Mitarbeiterbefragung.Vor allem der direkte Kontakt zu denBeschäftigten, etwa durch Messeständeauf Universitätsveranstaltungen, durchVerteilen von speziellen BGM-Flyern unterHinzugabe eines Apfels oder die Beant-wortung persönlicher Anliegen, bindetdie Mitarbeiter mit ein und überzeugtnachhaltig.

Sinnvolle Kooperationen

Ein breites Netzwerk und Kooperationenmit Akteuren aus unterschiedlichen Berei-chen fördert die Qualität des BetrieblichenGesundheitsmanagements, begünstigtressourcenschonendes Arbeiten und liegtim Sinne einer ganzheitlichen Herange-hensweise. Die Universität hat daher nichtnur das oben beschriebene interne Netz-werk aufgebaut, sie kooperiert auch mitanderen Hochschulen und externen Ein-richtungen. Im „Arbeitskreis gesundheits-fördernder Hochschulen“ diskutieren wiraufgrund der ähnlichen gesundheitsre-levanten Bedingungen kritische Entwick-lungen, tauschen Erkenntnisse aus undstellen Best-Practice-Modelle vor. DieZusammenarbeit mit Krankenkassen undder Unfallkasse ermöglicht uns einenZugang zu weiteren finanziellen und per-sonellen Ressourcen und zum Know-howvon externen Fachleuten. Unser Engagement im Bereich des BGMan der Universität Tübingen verschafftsowohl den Beschäftigten als auch derInstitution selbst einen Mehrwert. EineEntwicklung, die sich in jeder Hinsichtlohnt!

Page 22: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Aufgrund der demografischen Entwicklung stehen immer weniger Jugendliche auf dem

Ausbildungsmarkt zur Verfügung. Den Kampf um die besten Köpfe hat der Kreis Soest angenommen

und er versucht offensiv, mit kreativen Ideen qualifizierte Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen.

Kreative Ideen zur Nachwuchswerbung

er Kreis Soest ist mit mehr als304 000 Einwohnern der viertgröß-

te Kreis Nordrhein-Westfalens. Er gehörtzur Region Südwestfalens und ist mitknapp 1100 Beschäftigten einer der größ-ten Arbeitgeber in der Region. Eigentlichhat der Kreis Soest in den vergangenenJahren bedarfsgerecht ausgebildet. Daswar in den 1990er-Jahren allerdingsanders. Sparzwänge und damit verbunde-ne Stelleneinsparungen wirkten sich auchim Ausbildungssektor aus. Auch in denJahren 2007 bis 2010 wurde auf einemniedrigen Level ausgebildet. Deshalb istdie Altersstruktur heute nicht mehr aus-gewogen. Das Durchschnittsalter allerBeschäftigten beträgt derzeit rund 44 Jah-re. In den nächsten 20 Jahren scheidetnahezu die Hälfte der Beschäftigten aus

dem aktiven Dienst aus. Der zukünftigePersonalbedarf ist also sehr hoch. Konsequenterweise ist das Ziel „Qualifi-ziertes Personal in ausreichender Zahlgewinnen“ im Zukunftskonzept 2020 ver-ankert, das der Kreistag verabschiedethat und das die Grundlage des Handelnsfür Politik und Verwaltung darstellt. Sowurde dieses Ziel die Leitschnur für alleAusbildungsaktivitäten.

Ziele des Personalmarketings

Für viele junge Leute ist der Kreis alsArbeitgeber ein „unbekanntes Wesen“.So versucht der Personaldienst, die Kreis-verwaltung mit ihren vielfältigen Aufga-ben bei den Jugendlichen als potenziellenArbeitgeber über Öffentlichkeitsarbeitbekannter zu machen. Seit vielen Jahren

ist sie auf Informationsveranstaltungen inSchulen, auf Ausbildungsmärkten undim örtlichen Berufsinformationszentrumpräsent, um sich und ihre Arbeit vorzu-stellen. Der Schlüssel zum Erfolg, pas-sende Nachwuchskräfte zu gewinnen,liegt darin, die Attraktivität des Kreisesden Jugendlichen der Region vor Augenzu führen. Die Vorteile einer Ausbildungoder eines dualen Studiums, die eine Kom-munalverwaltung im Vergleich zur Pri-vatwirtschaft bietet, kennen Jugendlichehäufig nicht. „Der Kreis Soest kann miteinem breiten Spektrum interessanterAusbildungs- und dualer Studiengängepunkten“, lautet deshalb die Botschaft.Ausbildungen beim Kreis Soest sindabwechslungsreich und qualitativ hoch-wertig. Es bestehen sehr gute Übernah-

D

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de24

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Recruiting

Page 23: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

mechancen in eine zukunftssichere Be-schäftigung. Personalentwicklungs- undAufstiegsmöglichkeiten sind gegeben.Außerdem wird regelmäßig darauf hin-gewiesen, dass der Kreis Soest als zerti-fizierter familienfreundlicher Arbeitge-ber viel Unterstützung bieten kann, umdie Anforderungen aus Familie und Berufunter einen Hut zu bekommen. Diese Vor-züge werden mit den Werbemaßnahmenan den Mann respektive an die Fraugebracht und den Jugendlichen über inten-sive Öffentlichkeitsarbeit vermittelt.

Adressatengerechte Darstellung

Zahlreiche Ideen und Anregungen für dasPersonalmarketing sind in Zusammenar-beit mit den Auszubildenden selbst ent-wickelt und umgesetzt worden. Nebender inhaltlichen Vermittlung kommt esaber nach den bisherigen Erfahrungenentscheidend auf die adressatengerechteDarstellung an, damit Jugendliche sichauch angesprochen fühlen. Geworbenwird mit modernen Flyern, ansprechen-den Plakaten und Informationsbroschü-ren. So wurde für die Werbung der Aus-zubildenden 2013 eine sogenannte„Flüsterkollage“ mit dem Tenor: „Pssst!Geheimtipp“ erstellt (siehe Kollage).Erklärtes Ziel des Kreises Soest ist esauch, die Potenziale von Menschen mitunterschiedlicher Herkunft zu nutzen.Deshalb werden auch intensiv Bewerbermit Migrationshintergrund angesprochen.Langfristig soll der Migrantenanteil beiden Mitarbeitern der Verwaltung etwaihrem Anteil in der Bevölkerung entspre-chen. Für die Fotos der neuen Werbekam-pagne wurden bewusst junge Menschenmit verschiedenen Hautfarben ausge-wählt, um Jugendliche mit Migrations-

hintergrund anzusprechen. Erstmaligwurde im Jahr 2012 ein Informations-abend für interessierte Eltern angeboten.Auch für diesen Zweck wurde der Werbe-flyer mit einem kurzen Text in drei ver-schiedenen Sprachen angereichert, umMenschen mit Migrationshintergrund aufden Kreis aufmerksam zu machen.

Größte Resonanz über Internet

Die Internetseite des Kreises Soest,www.kreis-soest.de, enthält in der RubrikAusbildung beim Kreis Soest immeraktuelle Informationen rund um die Aus-bildung. So sind die Ausbildungsberufedetailliert beschrieben und Auszubilden-de berichten, warum sie gerne beim KreisSoest arbeiten. Der Ablauf der jährlichenBewerberverfahren ist im Voraus mit allenSchritten und Terminen veröffentlicht,ebenso Tipps für das richtige Bewerbungs-schreiben. Auch die sozialen Netzwerkedes Web 2.0 werden genutzt. In 2012 hatdie Kreisverwaltung einen Facebook-Auf-tritt gestartet. Hier wird regelmäßig überAktivitäten aus dem Ausbildungsbereichberichtet. Eine Befragung der Bewerber mit demTitel „Wie sind Sie auf den Kreis aufmerk-sam geworden?“ hat deutlich gezeigt, dassmit dem Internetaufritt die größte Wir-kung erzielt wird. Auf Rang zwei und dreifolgen die Teilnahme am Hellweg-Ausbil-dungsmarkt – einer lokalen Messe – undverschiedene Werbeplakate. Seit einigenJahren haben alle Teilnehmer am schrift-lichen Auswahlverfahren der Kreisver-waltung auch Gelegenheit zu einer anony-men Bewertung nach Schulnoten. „Wiewar der Eindruck von unserer Werbung?“lautet regelmäßig die Frage. In den Jahren2010 bis 2012 lag die Bewertung jeweils

zwischen 1,9 und 2,0. Um den Bewer-bungsprozess noch weiter zu vereinfa-chen und die Kommunikationskanäle der„Digital Natives“ besser zu nutzen, wirdder Kreis Soest ab 2013 ein Online-Bewer-ber-Modul über das Internet anbieten.

Praktika zeigen Wirkung

Aus verschiedenen Studien über dieBerufswahl Jugendlicher geht hervor, dassdirekte Kontakte zum Berufsfeld und zumAusbildungsbetrieb großen Einfluss aufdie Wahl eines bestimmten Berufs haben.Praktika und eigene Erfahrungen aus derBerufspraxis wurden von den Jugend-lichen als wichtigste Einflussfaktoren beider Berufswahl genannt. Auf der Basisdieser Erkenntnis bietet die Kreisverwal-tung Soest in allen Dezernaten und Abtei-lungen informative und abwechslungs-reiche Praktika an. Die Erfolge derAktivitäten im Praktikantenbereich sindmessbar. Seit 2009 gibt es jährlich neueAuszubildende, die im Vorfeld der Ausbil-dung ein schulisches Praktikum in derKreisverwaltung absolviert haben.Die initiierten Werbemaßnahmen wer-den seit drei Jahren evaluiert. Die positi-ven Ergebnisse der Evaluation weisendarauf hin, dass der Kreis Soest mit sei-nen Werbeaktivitäten auf einem gutenWeg ist. Die Werbemaßnahmen machenneugierig und wecken Interesse. Das zeigtsich durch die derzeit noch hohe Bewer-berzahl für Ausbildungs- und duale Stu-dienplätze beim Kreis Soest.

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 25

Autor

Franz Jütte, Ausbildungsleiter,Kreis Soest,franz-jü[email protected]

Autorin

Ricarda Oberreuter, Abteilungsleiterin für Personal und Organisation, Kreis Soest, [email protected]

Mehr zum Thema Info

Mit seinen Erfahrungen im Bereich der Gewinnung von Nachwuchskräften hat der Kreis Soest in 2012 an der Erarbeitung einer Publikation zum Thema „Zur Ausbildungssituation in den Landkreisen“ des Deutschen Landkreistages mitgewirkt. Die Veröffentlichung kann im Netz unterhttp://www.kreise.de/__cms1/images/stories/publikationen/bd-103.pdf heruntergeladen werden.

Page 24: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de26

Seit der Abschaffung der Gesamtversorgung im öffentlichen Dienst und der Einführung des Versorgungspunkte-

Modells im Rahmen des Altersvorsorgeplans 2001 spielt auch die Entgeltumwandlung in der betrieblichen

Altersversorgung (bAV) durch die Öffnung der Tarifverträge (für Bund und Länder seit 2011) eine verstärkte Rolle.

Durchführungswege genau prüfen

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Altersvorsorge

ie in der Privatwirtschaft, so fließenauch im öffentlichen Dienst die Bei-

träge aus derartigen Entgeltumwandlun-gen besonders häufig in versicherungs-förmige Durchführungswege der bAV,insbesondere in Pensionskassen undDirektversicherungen. Die in Prämienumgewandelten Entgeltbestandteile sind,sofern die arbeitsrechtliche Zusage nach2004 erteilt wurde, im Rahmen derHöchstgrenzen (2013: 2784 Euro pro Jahrplus 1800 Euro, wenn für den betreffen-den Arbeitnehmer keine pauschal besteu-erten Beiträge aufgewandt werden) beimArbeitnehmer steuer- und mit bis zu 2784Euro pro Jahr (2013) sozialabgabenfrei.Mit dem Jahressteuergesetz 2007 wurdezum 1.1.2008 speziell für den öffentlichenDienst eine Vorschrift eingeführt, welcheZuwendungen an eine umlagefinanzier-te Pensionskasse (zum Beispiel VBL, kom-munale ZVK) in bestimmtem Umfangsteuer- und sozialabgabenfrei stellt. Aller-dings kürzen Beiträge, welche die Steu-erfreiheit des § 3 Nr. 63 EStG genießen,

den Höchstbetrag, wodurch es zu einerKonkurrenz der Entgeltumwandlung mitder arbeitgeberfinanzierten bAV imBereich des öffentlichen Dienstes umabgabenfreie Entgeltbestandteile kommt.Mehr Entgeltumwandlung zur bAV imöffentlichen Dienst kann daher, je nachEinkommenshöhe, weniger abgabenfreiearbeitgeberfinanzierte Beiträge zur umla-gefinanzierten Pensionskasse zur Folgehaben, was als „Verpuffungseffekt“ be-zeichnet wird.

Unterstützungskasse sinnvoll?

Jener Verpuffungseffekt wird allerdingsvermieden, wenn die Entgeltumwandlungüber einen nicht versicherungsförmigenDurchführungsweg der bAV (Direktzusa-ge oder Unterstützungskasse) praktiziertwird, da die zur Finanzierung erforder-lichen Zuwendungen nicht steuerbar sind.In der Terminologie des Steuerrechts exis-tiert für „nicht steuerbare“ Entgeltbe-standteile keine Vorschrift im jeweiligenSteuergesetz (beispielsweise Lottogewinn).

Anders die Beiträge zugunsten der versi-cherungsförmigen Durchführungswege,die zwar steuerbar, in den jeweiligen Gren-zen des § 3 EStG jedoch steuerfrei sind. In der Beratungspraxis wird daher ver-stärkt empfohlen, die rückgedeckte Unter-stützungskasse für die Entgeltumwand-lung im öffentlichen Dienst anstelleversicherungsförmiger Durchführungs-wege einzusetzen oder gar Letztere, sofernbereits vorhanden, beitragsfrei zu stel-len. Eine derartige Empfehlung erscheintauf den ersten Blick absolut logisch undgeradezu zwingend. Bei näherem Hinse-hen jedoch kann sie für die Masse derArbeitnehmer im öffentlichen Dienst nichtaufrechterhalten werden, erst recht nichtin Bezug auf die Beitragsfreistellung beste-hender Verträge zugunsten einer neuenUnterstützungskassenzusage, wie im Wei-teren dargelegt wird. Den nachfolgendenAussagen liegt eine intensive qualitativeund quantitative Untersuchung zugrun-de. Da die steuer- und sozialversicherungs-rechtlichen Zusammenhänge äußerst

W

Page 25: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 27

Autor

Prof. Dr. Thomas Dommermuth, Steuerberater und Vorsitzender des Beirats, Institut für Vorsorgeund Finanzplanung GmbH, [email protected]

komplex sind, wurde für die quantitati-ve Analyse vom Autor eigens eine Soft-ware geschaffen, um die besonders ein-flussreiche dynamische Entwicklungbestimmter Parameter (insbesondere sozi-alversicherungsrechtliche Beitragsbemes-sungsgrenzen, Gehalt, Steuerprogression,steuerfreie Rentenbestandteile und Frei-beträge) und verschiedene Szenarien(zum Beispiel Alter, Geschlecht, Beiträ-ge) rechnen zu können.

Mehrheit profitiert von Pensionskasse/Direktversicherung

Sowohl aus Sicht des Arbeitnehmers alsauch aus der des öffentlich-rechtlichenArbeitgebers spricht für die überwiegen-de Zahl der Beschäftigen mehr für dieEntgeltumwandlung per Pensionskasse-oder Direktversicherung als per Unter-stützungskasse. Dies hängt mit denSchwächen der Unterstützungskassenzu-sage zusammen. So gewährt sie, andersals die Pensionskasse oder Direktversi-cherung, kein Recht auf Übertragung desVertrages auf einen neuen Arbeitgeberbeziehungsweise auf Portabilität; eben-so fehlt die Möglichkeit der privaten Fort-führung durch den ehemaligen Beschäf-tigten. Aus Sicht des öffentlich-rechtlichenArbeitgebers ist es regelmäßig unerfreu-lich, dass er Unterstützungskassenzusa-gen auch nach Ausscheiden des Arbeit-nehmers weiterhin verwalten muss undihm in diesem Zusammenhang auch nochKosten entstehen (Servicegebühren und– auch teilweise im öffentlichen Dienst –PSV-Beiträge), was sowohl bei Pensions-kassen als auch bei Direktversicherun-gen regelmäßig vermieden werden kann.Auch wird es oft als unnötig kompliziertangesehen, dass die Unterstützungskas-se einen zusätzlichen Durchführungswegdarstellt, während eine für die Entgelt-umwandlung verwendete Pensionskassederselben Gattung angehört wie die vomArbeitgeber bediente umlagefinanzierteZusatzversorgung. Darüber hinaus hatder Arbeitnehmer kein Recht auf Entgelt-umwandlung mittels Unterstützungs-,wohl aber per Pensionskasse beziehungs-

weise Direktversicherung. Schließlichermöglicht die Unterstützungskasse kei-ne Beitragszusage mit Mindestleistungund ihre Flexibilität in Bezug auf nach-trägliche Beitragsänderungen ist gering.

Quantitativ unterlegen

Denkbar wäre, dass jenen qualitativen Nach-teilen gravierende quantifizierbare Vortei-le der Unterstützungskasse gegenüberste-hen, sodass die Beschäftigten bzw. ihröffentlich-rechtlicher Arbeitgeber dennochdiesen Durchführungsweg bevorzugen. Diesist jedoch nicht der Fall – im Gegenteil: AusArbeitnehmersicht ist die Entgeltumwand-lung per Unterstützungskasse auch quan-titativ bei Einkommensniveaus bis 55 000Euro pro Jahr unterlegen, also aus Sicht derbreiten Masse der Beschäftigten. Dieserstaunt angesichts des bereits erläutertenVerpuffungseffektes, hängt jedoch insbe-sondere damit zusammen, dass jener Effektin der Anwartschaftsphase zwar die Unter-stützungskasse begünstigt, in der Renten-phase jedoch benachteiligt. Da jener durchdie Pensionskasse beziehungsweise Direkt-versicherung ausgelöste Verpuffungseffekt,soweit er zur Wirkung kommt, in der spä-teren Rentenphase die günstige Ertragsan-teilsbesteuerung mit sich bringt, den Arbeit-nehmer jedoch in der Beitragsphase bis zuoben genanntem Einkommensniveau nichtbenachteiligt, entstehen jenen Arbeitneh-mern durch Direktversicherung bezie-hungsweise Pensionskasse, im Vergleichzur Unterstützungskasse, steuerlich nurVorteile. Sozialversicherungsrechtlich ent-stehen ihnen durch jene Durchführungs-wege zumindest keine Nachteile, da dieerwähnte Regelung den Verpuffungseffektab 2014 bezüglich der Sozialabgaben neu-tralisiert.Aus Sicht eines nicht der PSV-Pflicht unter-liegenden öffentlich-rechtlichen Arbeit-gebers bewirkt die Unterstützungskassefür Arbeitnehmer-Einkommen unterhalbcirka 50 000 Euro rechnerische Vorteile,da der Verpuffungseffekt grundsätzlichzu einer Mehrbelastung des Arbeitgebersmit Pauschalsteuer führt. Der Einsatz einerPensionskasse beziehungsweise Direkt-

versicherung geht jedoch auch in diesenBereichen nicht mit materiellen Nachtei-len jenes Arbeitgebers einher; vielmehr fal-len lediglich die quantifizierbaren Vortei-le im Vergleich zur Unterstützungskassegeringer aus. Ist der Arbeitgeber hingegenPSV-pflichtig, sind Pensionskasse bezie-hungsweise Direktversicherung der Unter-stützungskasse auch aus Arbeitgebersichtrechnerisch überlegen.Somit ist aus Arbeitnehmersicht der Pen-sionskasse beziehungsweise Direktversi-cherung auch bei quantitativer dynami-scher Analyse sämtlicher Einflussfaktorender Vorzug gegenüber der Unterstützungs-kasse zu geben. Der Arbeitgeber wird sichdagegen grundsätzlich nicht wehren, daihm durch eine derartige Entscheidungkeine materiellen Nachteile entstehen, son-dern allenfalls – im Vergleich zur Unter-stützungskasse – weniger quantifizierba-re Vorteile.

Qualitative Nachteile in Kauf nehmen

Die Unterstützungskasse erweist sichallerdings auch im öffentlichen Dienstnicht generell als schlechterer Durchfüh-rungsweg, bloß weil sie aus Sicht der Masse der Betroffenen suboptimalabschneidet. Vielmehr entfaltet sie ihrespezifischen quantifizierbaren Vorteilebei Arbeitnehmern mit hohen Einkünf-ten, deren Bedarf an bAV weit über dieGrenzen des erwähnten § 3 EStG hinaus-gehen. Hier ermöglicht die Unterstüt-zungskasse großzügige jährliche Entgelt-umwandlungen und die Verschiebung derBesteuerung in die Auszahlungsphase,was bei versicherungsförmigen Durch-führungswegen nur begrenzt möglich ist;in derartigen Fällen nimmt man dieerwähnten qualitativen Nachteile derUnterstützungskasse in der Regel in Kauf.

Page 26: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de28

BERATUNG Software

Mit rund 26 000 Einwohnern und über 30 000 Arbeitsplätzen

zählt Neckarsulm zu den wirtschaftlich bedeutendsten Klein-

städten in Baden-Württemberg. Dementsprechend hoch sind

die Ansprüche an effiziente Abläufe in der Stadtverwaltung.

Dies gilt auch für sämtliche Prozesse im HR-Bereich.

sich modular an unsere Anforderungenanpassen lässt und unsere Personalab-teilung effizient entlastet“, so Rudi Röß-ner, stellvertretender Haupt- und Perso-nalamtsleiter bei der Stadt Neckarsulm.„Durch schnelle Implementierungszeitenund eine unkomplizierte Migration derbestehenden Daten konnten wir bereitsinnerhalb kürzester Zeit von den Vortei-len der neuen Software profitieren. DerDienstleister hat uns während des ge-samten Einführungs-Prozesses kompe-tent beraten und steht uns bei allen Fra-gen zuverlässig zur Seite.“

Neben sämtlichen Abrechnungsprozes-sen – die alle Tarife des öffentlichen Diens-tes und Beamtenbesoldungen berücksich-tigen – werden auch der Stellenplan, diePersonalkostenplanung, Testabrechnun-gen und das Abrechnungsarchiv in TDS-Personal abgebildet. Gleichzeitig ermög-licht die Software ein umfangreichesAuswertungs- und Berichtswesen. Fürdie Prozesse in der Finanzbuchhaltungwurden zudem die erforderlichen Schnitt-stellen zum FinanzmanagementsystemFinanz+ von DATA-PLAN und den SAP-Modulen FI (Finanzbuchhaltung) und CO(Controlling) bei den Stadtwerken inNeckarsulm eingerichtet. Neben demmodularen Aufbau der Software und ihrerOrientierung an den spezifischen Anfor-derungen der Stadt waren für Neckar-sulm auch der gute Standardisierungs-grad und die Flexibilität wichtigeKriterien. Änderungen im Tagesgeschäftsollten sich zudem schnell im Systemabbilden lassen. Um die Personalabtei-lung der Stadtverwaltung dabei effektivzu entlasten, übernimmt der HR- und IT-Experte neben dem Hosting der Software

Foto

: Die

tmar

Stra

uss

a die bisherige PersonalsoftwarePWES – eine Personallösung des

Datenverarbeitungsverbunds (DVV) fürOrganisationen und Einrichtungen deröffentlichen Hand in Baden-Württemberg –auslief, suchte die Stadt nach einer neu-en Lösung – und musste dafür keine wei-ten Wege gehen. Mit der Personalsoftwa-re des Neckarsulmer HR-DienstleistersTDS wurde die Stadt fündig.

Entlastung im Tagesgeschäft

„Bei der Wahl einer neuen Personallö-sung war uns eine Software wichtig, die

D

Vorteile für den Kunden Info

Starke Stadt mitmoderner HR-Software

• Einfache Ablösung von PWES

• Administrative Entlastung im Personalwesen

• Schnelle Implementierung und Migration von Daten

• Unterbrechungsfreie Arbeit im System

• Langjährige Erfahrung im Bereich öffentlicher Einrichtungen

• Detaillierte Anpassungsmöglichkeit durch modularen Aufbau

• Betrieb, Aktualisierung und Pflege im Application Service Providing (ASP)

Vorteile für den Kunden Info

• Einfache Ablösung von PWES

• Administrative Entlastung im Personalwesen

• Schnelle Implementierung und Migration von Daten

• Unterbrechungsfreie Arbeit im System

• Langjährige Erfahrung im Bereich öffentlicher Einrichtungen

• Detaillierte Anpassungsmöglichkeit durch modularen Aufbau

• Betrieb, Aktualisierung und Pflege im Application Service Providing (ASP)

Page 27: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

in den eigenen Rechenzentren auch dieWartung und Pflege der Lösung. Gibt esbeispielsweise tarifrechtliche Änderun-gen bei der Abrechnung, passt TDS dieSoftware an. Erweiterungen können jenach Bedarf durchgeführt werden. Um die Mitarbeiter der Stadt Neckarsulmoptimal auf die Arbeit mit der neuen Soft-ware vorzubereiten, führte der Dienst-leister auch die entsprechenden Schulun-gen durch.

Entscheidung

Entscheidend bei der Auswahl eines neu-en HR-Systems waren vor allem der posi-tive Gesamteindruck bei der Personal-software sowie das Leistungsportfolio unddie Expertise des HR-Dienstleisters. Mitder Umstellung des Systems profitiert dieVerwaltung nun von mehr Flexibilität inder Abbildung der HR-Prozesse, einemeinfacheren Handling der Software sowieeiner Vielzahl neuer Möglichkeiten, wiebeispielsweise der Testabrechnung, denAuswertungsprozessen und dem Archiv.Gleichzeitig war es der Stadtverwaltungwichtig, mit einem HR-Partner zusammen-zuarbeiten, der über umfangreiche Erfah-rung in der Betreuung von Einrichtun-gen der öffentlichen Hand verfügt.Überzeugt haben in Neckarsulm dabeiauch die gute Erfahrung der Verwaltun-gen in Neu-Ulm und Ingolstadt im täg-lichen Umgang mit TDS-Personal.

Immer auf dem neuesten Stand

Die Software unterstützt die HR-Mitarbei-ter in der Stadtverwaltung von Neckar-sulm im Tagesgeschäft und trägt zu einerspürbaren Entlastung bei. Gleichzeitigspart die Stadt mit dem Betrieb der Soft-

ware durch den Dienstleister wichtige IT-Ressourcen ein. Um auch in Zukunftoptimal auf die stetig wachsenden Heraus-forderungen im Personalbereich vorberei-tet zu sein, berät die Stadt Neckarsulmzusammen mit dem Betreiber der HR-Soft-ware derzeit mögliche weitere Projekte.So ist geplant, die Personalsoftware übereinen Release-Wechsel auszubauen unddie Personalabteilung der Stadtverwaltungdamit noch effizienter zu gestalten. Umge-setzt wird dies mit der Einführung derModule Personalverwaltung, Qualifika-tionsmanagement und Bewerberverwal-tung. Um gleichzeitig auch den BereichPersonal-Controlling zu stärken, wirdzudem der integrierte Einsatz der Soft-ware INFOPLUS evaluiert. „Beim Portierungsvorgang unserer Alt-daten, der sich etwas aufwendiger gestal-tete, kam uns die hohe Nutzerfreundlich-keit der Software entgegen. So konntenwir die neue Lösung gleich von Anfang anmit all ihren Stärken kennenlernen undsie optimal an unseren Bedarf anpassen.Vor allem unsere Gehaltsabrechnungs-stelle spürt nun eine deutliche Entlas-tung im Tagesgeschäft“, sagt Rudi Röß-ner. „Gleichzeitig hält uns der Dienstleisterauch bei allen Aktualisierungen und derWartung der Software den Rücken frei.“

Autor

Stefan Kozole, Leiter Business Unit TDS-Personal, TDS HR Services & Solutions GmbH, [email protected]

Als einer der wirtschaftlich stärksten Standorte inBaden-Württemberg stehen Fortschritt und Innovation auch in unserer Stadtverwaltung an vorderster Stelle. Daher haben wir uns für eine moderne Personalsoftware entschieden, die unserewirtschaftliche Leistungsfähigkeit unterstreicht.Rudi Rößner, stellvertretender Haupt- und Personalamtsleiter bei der Stadt Neckarsulm

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 29

Page 28: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de30

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Software

auch Auszubildende. Die Personalverwal-tung betreut mehr als 2000 Personalfälle.Schnell kam der Wunsch nach „IT stattPapier“ auf. Die Schonung von Wald undHolz war hierbei ausnahmsweise nur einsekundärer Beweggrund. Das Hauptziel der Einführung eines soft-waregestützten Personalmanagement-systems lag darin, schnelle und präziseInformationen mit möglichst geringemAufwand für die Datenbearbeitung zuerlangen. Die Prozessbearbeitung solltemit Aktionen, Terminen und Rollenver-teilung gesteuert und deutlich schnellerals bisher erfolgen. StichtagsbezogeneAuswertungen wie im obigen Beispielsollten einfach per Mausklick zur Verfü-gung stehen.

Elektronische statt traditionellerPapierakte

Im Jahr 2006 entschied sich LandesforstenRheinland-Pfalz, diesen Anforderungenmit dem MACH Personalmanagement zu

begegnen. Die Einführung musste behut-sam erfolgen, da das drei Mitarbeiter große Projektteam diese neben dem Tages-geschäft stemmen musste und die über-wiegend älteren Mitarbeiter in der Per-sonalverwaltung schrittweise mit denNeuerungen vertraut gemacht werdensollten. So erstreckte sich die Umsetzungüber einen Zeitraum von zwei Jahren.Zuerst wurde die benötigte Datenstrukturerarbeitet, dann erfolgte nach und nacheine Erfassung der Personaldaten der ein-zelnen Beschäftigtengruppen im MACHSystem. Beim Aufbau der Personalaktewurden persönliche Daten (Grunddaten),arbeitsvertragliche Vereinbarungen, dieQualifikationen, die übertragenden Funk-tionen und die organisatorische Einbin-dung (u.a. Standort) abgebildet. In derSoftware wurde dieser Aufbau klar undübersichtlich umgesetzt. Die einzelnenProzessschritte, die für die Bearbeitungvon personenbezogenen Daten erforder-lich sind, wurden im System mit genau

s ist nicht allzu lange her, da konntedie Personalabteilung Anfragen nur

beantworten, indem sie in Personalaktenblätterten, manuelle Listen erstellten oderExcel-Tabelle nutzen. Diese Auswertungs-möglichkeiten waren nicht optimal, mithohem zeitlichen Einsatz und hoher Feh-leranfälligkeit verbunden; es gab keinenStichtagsbezug.

Dezentrale, heterogene Personal-struktur als Herausforderung

Die zentrale Personalverwaltung von Lan-desforsten Rheinland-Pfalz am StandortNeustadt verwaltet, koordiniert und steu-ert das Personal in allen nachgeordnetenOrganisationseinheiten (45 Forstämtermit über 400 Forstrevieren unterschied-licher Organisationsstrukturen). Die Mit-arbeitergruppen weisen eine sehr hetero-gene Struktur auf: von Beamten überBeschäftigte in der Verwaltung – vieledavon in Teilzeit – bis hin zu Forstwirtenund Waldarbeitern. Und natürlich gibt es

E

Immer häufiger müssen Personalreferate Auswertungen und Reports

erstellen. Die Personalverwaltung der Zentralstelle der Forstverwaltung

in Rheinland-Pfalz hat von Papier auf IT umgerüstet – mit dem Ergebnis

einer besseren Datenqualität und Auswertbarkeit.

IT statt Papier – die elektronische Personalakte im Einsatz

Dank der elektronischen Personalakte verfügen wir jederzeit über aktuellePersonalberichte und können Prognosen erstellen, heutzutage ein wichtiges,unverzichtbares Instrument bei der Planung und Steuerung.

Page 29: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 31

definierten Aktionen und Rollen imple-mentiert, um die Arbeit mit dem neuenSystem zu unterstützen. Jeder Mitarbei-ter wurde über die im System vorgehal-tenen Daten (insbesondere die persön-lichen) informiert. Dies schaffte Trans-parenz und Vertrauen in die neue elektro-nische Lösung und erfüllt den gesetz-lichen Anspruch der Mitarbeiter zu erfah-ren, welche Daten von ihnen gespeichertsind.

Auf einen Blick

Die elektronische Personalakte ermög-licht Landesforsten eine lückenlose undübersichtliche Dokumentation des beruf-lichen Werdegangs der Mitarbeiter. Dazugehören die persönlichen und dienstlichenMitarbeiterdaten, die Vertragsdaten unddie Dokumentation mitarbeiterbezogenerEreignisse (zum Beispiel Qualifikationen,Nebentätigkeiten, Sonderfunktionen,Behinderung und gewähltes Arbeitsplatz-modell, die Eingruppierung der Mitarbei-ter nach den unterschiedlichen Tarifwer-ken wie dem Tarifvertrag der Länder(TV-L) oder dem Besoldungsrecht).Die Schulung der Kollegen im Umgangmit dem neuen System lief parallel an.Die Mitarbeiter in der Personalverwal-tung gewöhnten sich auf diesem Weg all-mählich an die neue Arbeitsumgebung.Das behelfsmäßige Altsystem Excel bliebvorerst weiter zur Einsichtnahme inBetrieb – einerseits als Fallback-Lösung,andererseits aber auch, damit die Kolle-gen Vergleiche anstellen und die Vorzü-ge des neuen Programms selbst erfahrenkonnten.

Bessere Datenqualität und Auswertbarkeit

Mit dem Beginn der Programmnutzungwidmete sich Landesforsten gleich demnächsten Ziel, der Erstellung von quali-tativ hochwertigen Auswertungen undReports. Hiermit sind einerseits kleine-re Auswertungen, beispielsweise Perso-nalabgänge im kommenden Jahr, aus denelektronischen Akten mit direkter Über-gabe nach Excel oder Word gemeint. Ande-

rerseits aber auch die Entwicklung vonkundenspezifischen Berichten, die dengestiegenen Anforderungen Rechnungtrugen. Dabei handelte es sich unter ande-rem um spezielle nutzerbezogene Perso-nalübersichten.Gerade bei komplexeren Aufgaben wieder Erstellung von Berichten kommt derkorrekten Konfiguration der Software einebesondere Bedeutung zu. Es empfiehltsich, nicht zu sehr vom Standard abzu-weichen, um Individualisierungsaufwandzu sparen und auf standardisierte Reportszurückgreifen zu können. Dies ist einewichtige Erfahrung, denn oft lautet dererste Anspruch, seine ganz spezifischenAnforderungen 1:1 abbilden zu müssen. Bei Landesforsten Rheinland-Pfalz istschließlich ein Personalmanagementsys-tem entstanden, das stichtagsbezogene

Auswertungsmöglichkeiten des Stellen-plans in Kombination mit Personal- undOrganisationsdaten liefert – nicht nuraktuell, sondern auch historisch. DasErgebnis ist eine deutlich verbesserteDatenqualität, gesteigerte Bearbeitungs-geschwindigkeit und gleichzeitig eineVereinfachung der Datenpflege durchReduzierung von Mehrfacherfassungen.

Autor

Ralf Konwinski, Mitglied im Projektteam/Verantwortlicher für das Perso-nalverwaltungsprogramm undden Stellenplan, Personalver-waltung der Zentralstelle der Forstverwaltung,ralf.konwinski@waöd-rlp.de

Landesforsten Rheinland-Pfalz Info

Die Organisation von Landesforsten Rheinland-Pfalz ist dreistufig aufgebaut: An oberster Stelle steht das Fachministerium (oberste Behörde) für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten. Dem folgt die Zentralstelle der Forstverwaltung als obere Landesbehörde mit den Servicestellen. Nachgeordnet folgen die Forstämter (untere Forstbehörden) mit den angegliedertenForstrevieren auf der lokalen Ebene. Die Zentralstelle der Forstverwaltung nimmt die Aufgaben deroberen Forst- und Jagdbehörde wahr, koordiniert die Forstämter im Bereich der Dienstleistungen(beispielsweise Betreuung des Gemeindewaldes, Beratung der Privatwaldbesitzer, Förderung) und leitet die Bewirtschaftung des Staatswaldes. Die normativen Vorgaben des Ministeriums werden hier in konkrete Maßnahmen umgesetzt, indem mit den Forstämtern Zielvereinbarungengetroffen und durch Controlling gesichert werden. Auf bestimmte Bereiche spezialisierte Mitarbeiterunterstützen die Erledigung dieser Aufgabe.

Quel

le: L

ande

sfor

sten

RLP

Struktur des Landesbetriebs Abbildung

Gebietsbeauftragte

Kommunikation und Marketing

Forsteinrichtung

Forschungsanstalt für Wald-ökologie und Forstwirtschaft

Holzmarktservice

Zentrum für Benutzerserviceund Informationstechnologie

Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung,

Weinbau und Forsten

45 Forstämter mit339 staatlichen Forstrevieren82 kommunalen Forstrevieren

Zentralstelle derForstverwaltung

Page 30: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Beschäftigten sowie 354 Versorgungsbe-rechtigten. Die Aufgaben des Personal-amtes liegen unter anderen in der (Mit-)Entwicklung personalpolitischerStrategien und Konzepte sowie derenUmsetzung und Sicherstellung, in derBeratung von Führungskräften/Mitarbei-tern in allen Fragen der persönlichen Qua-lifizierung, Weiterentwicklung, Coaching,Konfliktmanagement und anderem, inder Unterstützung der Organisationsein-heiten bei internen Entwicklungsprozes-sen, Optimierung von Arbeitsprozessenund Vermittlung von externen Trainern,in umfassenden Steuerungsinformatio-nen im Rahmen der Stellen(plan)bewirt-schaftung und eines Personalkostenma-nagements unter Haushaltssicherungs-bedingungen.

Die Mitarbeiter des Personalamtes sindsich ihrer Querschnittsverantwortungbewusst und wissen, dass sie darangemessen werden, was sie selbst (mit)ent-wickeln und nach außen kommunizieren.Sie leisten ihre Arbeit im Schnittfeld ganzunterschiedlicher Erwartungshaltungenund Interessen: Dienstleistungs- und Bera-tungsangebot einerseits, Ordnungsfunk-tion andererseits. Daneben besteht mitder geforderten Personalkostenbegren-zung bis auf weiteres ein besonderesSpannungsfeld.Seit 2001 veröffentlicht das Personalamteinen Personalbericht, der rund 50 Sei-ten umfasst. Dabei geht es allerdingsnicht nur um Transparenz und Öffent-lichkeitsarbeit nach außen, sondern auchum die Darstellung stadtinterner

n der Kernverwaltung der Stadt sind1041 Personen beschäftigt, die sich um

die Anliegen und Belange von 123 000Offenbacher Einwohnern kümmern. Die-ser Bereich umfasst neben den klassi-schen Hoheitsaufgaben und Dienstleis-tungen einer Kommunalverwaltung auchdie Berufsfeuerwehr sowie das Kultur-management mit der Stadtbibliothek undmehreren Museen – nicht dazu zählendie Ver- und Entsorgungsleistungen, Stra-ßenreinigung und der Personennahver-kehr.Das Personalamt betreut mit seinen 29(darunter 13 teilzeitbeschäftigten) Mitar-beitern die 34 Organisationseinheiten derKernverwaltung und auch die Eigenbe-triebe wie die Kindertagesstätten und dasMainArbeit Jobcenter mit insgesamt 719

I

Die Stadt Offenbach a. M. verfasst jährlich einen Personalbericht, der auch im Internet veröffentlicht wird.

Alle HR-Bereiche werden mit ihren Aufgaben und Entwicklungen dargestellt. Ein außergewöhnliches

Vorgehen, das nicht nur in der eigenen Verwaltung, sondern auch über die Stadt hinaus Aufmerksamkeit

erzeugt und zu positiven Rückmeldungen führt.

Personalarbeit in der Stadt Offenbach

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de32

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Unternehmenskultur

Quel

le: S

tadt

Offe

nbac

h

Page 31: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 33

Zusammenhänge und deren Auswirkun-gen auf die Personalarbeit. Um beidenAnsprüchen möglichst gerecht zu wer-den, wird der jeweils aktuelle Personal-bericht ins städtische Intranet und aufdie Homepage der Stadt Offenbach a. M.ins Internet gestellt (www.offenbach.de).Der mit der Vorbereitung einhergehendeArbeitsaufwand lohnt sich, kann doch imlaufenden Geschäft oft auf den Personal-bericht oder darin enthaltene Beiträgezurückgegriffen beziehungsweise ver-wiesen werden.

Stellenwert Personalmanagement

Die Bedeutung des Personalmanagementsund des dafür in der Verantwortung ste-henden Personalamtes schätzen dessenAmtsleitung und auch seine Mitarbeiterselbst – gerade in Zeiten äußerst knapperRessourcen – als hoch ein und engagie-ren sich auch dementsprechend. Die Rah-menbedingungen lassen es jedoch auchin der absehbaren Zukunft nicht zu, dassetwa freiwerdende Stellen zum frühest-möglichen Zeitpunkt mit dem am bestengeeigneten Personal besetzt werden kön-nen. Durch Auflagen des Regierungsprä-sidiums zur Haushaltsgenehmigung sinddie Personalkosten in Höhe von zurzeit57,8 Millionen Euro schon seit Jahrengedeckelt. Um dennoch das Ergebnis einerdurchgeführten Neubewertung aller Stel-len umsetzen zu können, musste im ver-gangenen Jahr sogar auf eine verstärkteWiederbesetzungssperre gedrungen wer-den. Daraus resultierende Mehrbelastun-gen und teilweise noch anhaltende Unzu-friedenheit mit den Ergebnissen derStellenbewertung, gepaart mit den Aus-wirkungen einer insgesamt restriktivenPersonalbewirtschaftung zur Personal-kostenbegrenzung, führen stadtinterneher zu einem ambivalenten, wenn nichtsogar negativen Stimmungsbild zumin-dest bei einem Teil der betreuten Fach-ämter. Aus diesem Grund geht das Per-sonalamt ziel- und ergebnisorientiert mit – aus seiner Sicht – durchaus vor-zeigbaren Erfolgsmeldungen zurückhal-tend um.

Ein wichtiger, nachstehend exemplarischgenauer beleuchteter Aspekt des Personal-managements bildet die Personal- und Orga-nisationsentwicklung.

Personalentwicklung

Seit den ersten Anfängen der Haushaltssa-nierung Anfang der 90er-Jahre nimmt dieQualifizierung der Mitarbeiter einen hohenStellenwert ein. Die Abteilung Personal- undOrganisationsentwicklung ist für dieGeschäftsfelder Aus- und Fortbildung, Per-sonalentwicklung, Führungskräftequalifi-zierung, Organisationsentwicklung, Qua-litätsmanagement und Ideenmanagementfür die gesamte Stadtverwaltung verantwort-lich. In dem jährlich erscheinenden Fortbil-dungsprogramm finden sich neben einzelnenFachfortbildungen auch viele Seminare, dieder Erweiterung der methodischen, sozialenund persönlichen Kompetenz der Bedienste-ten dienen. Diese Themen werden anhandder Auswertungen aus den Vorjahren, Rück-meldungen der Teilnehmenden und gemel-deter Bedarfe aus den Ämtern ermittelt.Die einzelnen Ämter verfügen über eineigenes Budget für Fachfortbildungen,das in der Regel aber nicht ausreicht, umalle Qualifizierungsbedarfe zu decken,vor allem dann, wenn neue Gesetzesän-derungen oder Software-Anwendungeneingeführt werden und Mitarbeitergeschult werden müssen. Neben den Fort-bildungen im Programm werden deshalbvielfältige bereichsbezogene und/oderzielgruppenspezifische Maßnahmengemeinsam mit den betreffenden Orga-nisationseinheiten und deren Führungs-kräften entwickelt – wie zum Beispielspezielle Fachfortbildungen, Teament-wicklungsmaßnahmen, Workshops füreinzelne Abteilungen und Organisations-entwicklungsprozesse.

Führungskräfte schulen

Neue Führungskräfte werden im Rahmeneines Qualifizierungslehrgangs auf dieÜbernahme ihrer Führungsverantwortungvorbereitet und danach in der Ausübungbegleitet. Dies geschieht in einer Lehr-gangsgruppe mit rund zwölf Personen, die

über die Dauer eines Jahres miteinanderarbeiten. In den letzten Jahren hat zudemder Bedarf an individuellem Coaching vonFührungskräften, Projektleitungen undanderen herausgehobenen Funktionenzugenommen. Nach einem oder mehrerenGesprächen mit der Abteilungsleiterin derPersonal- und Organisationsentwicklungzur Klärung der aktuellen Situation unddes jeweiligen Anliegens wird entschie-den, welche Intervention am ehesten zurLösung des Problems beitragen kann undzielführend erscheint. Oft ist es sinnvoll,bestimmte Führungsthemen durch einexternes Coaching, sozusagen mit dem Blickvon außen, zu bearbeiten. Damit wurdensehr gute Erfahrungen gemacht und dasThema Coaching ist somit weitestgehendaus der Tabuzone herausgekommen. Beiallen Maßnahmen schalten wir seit Beginnder Aktivitäten externe Trainer/Berater ein,deshalb steht ein großer Pool an gut quali-fizierten und geeigneten Personen zur Ver-fügung, der bei Bedarf für individuelle Coa-chings, Seminare oder Prozessbegleitungeneingesetzt werden kann.

Ausblick

Der zunehmend und oft ganz allgemeinformulierte Anspruch auf eine transparen-te Personalpolitik bestätigt und unter-stützt die Bemühungen der Stadt Offen-bach a. M., auch weiterhin mit einemausführlichen Personalbericht Vorgehens-weisen und notwendige Maßnahmen mög-lichst nachvollziehbar vor- und darzustel-len. Dies nicht zuletzt mit dem Ehrgeiz,die Akzeptanz und möglicherweise auchdas Verständnis dafür in den betroffenenOrganisationseinheiten zu erhöhen – wohlwissend, dass von der Amtsleitung kon-sequent verfolgte Vorgaben wie die Per-sonalkostenbegrenzung nicht immergleich verstanden werden und auch oft-mals unbequeme Ziele sind.

Autor

Stephan Grimm, Leiter Personalamt, Stadt Offenbach, [email protected]

Page 32: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de34

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Demografie

burg (32 Prozent) und Berlin (30 Prozent) istderen Anteil am höchsten. Gleichzeitigbeträgt sowohl im Höheren als auch im Geho-benen Dienst der Anteil der unter 30-Jähri-gen nur 12 Prozent. Im Mittleren Dienst istdie Situation ausgewogener. Insgesamt fehltNachwuchs in vielen Nischenbereichen mitspezifischen fachlichen und technischenAufgabenbereichen, insbesondere in denberuflichen Schulen, den Gesundheitsbe-hörden und im Bereich der politischen Füh-rung. In diesen Feldern ist die öffentlicheLeistungsfähigkeit gefährdet.Zu den Aufgabenbereichen mit den gerings-ten Nachwuchsproblemen zählen die Justiz-verwaltung (ordentliche Gerichte, Staatsan-waltschaften und Justizvollzug) sowie Uni-versitäten. Bei der Polizei liegt im Bereich desMittleren Dienstes zwar ebenfalls eine aus-gewogene Altersstruktur vor, in der Füh-rung (Höherer und Gehobener Dienst) gibtes aber auch bei der Polizei in vielen Län-

dern einen Altersüberhang, der in den nächs-ten Jahren zum Problem werden kann.Schwierigkeiten bei der Gewinnung quali-fizierten Personals dürften den Nachwuchs-mangel zusätzlich verschärfen, insbesonde-re bei stark nachgefragten Profilen imArbeitsmarkt.

Chancen nutzen

Um den demografischen Wandel tatsächlichals Modernisierungshebel und Chance fürdie öffentliche Verwaltung zu nutzen, gibtes vier Lösungsansätze:l Fokussierung: Shared Services sind einvielfach erprobtes Instrument zur Senkungdes Personalbedarfs. Verwaltungen legendabei bestimmte Aufgaben zusammen, umEffizienzvorteile zu nutzen. In Dänemarkerreichte man so Einsparungen von 20 Pro-zent. Ein Beispiel aus Deutschland: Data-port ist ein Full Service Provider für Infor-mationstechnik der Verwaltung. Träger sind

esonders ungünstig ist die Alterspyra-mide der öffentlich Beschäftigen in Bre-

men, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig fehlt in vielen Bundes-ländern der Nachwuchs. Nur etwa jeder ach-te Landesbeschäftigte ist im Durchschnittjünger als 30 Jahre. In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen ist der Nach-wuchsmangel am eklatantesten. Dies sind diezentralen Ergebnisse einer aktuellen Studievon McKinsey & Company mit dem Titel„Der demografische Wandel – Chance undModernisierungshebel für die öffentlicheVerwaltung“. Die Unternehmensberatunguntersuchte dafür bundesländerübergrei-fend die Altersstruktur der Landesverwal-tungen über Laufbahngruppen und Tätig-keitsfelder hinweg. Die Zahlen alarmieren,da Landesverwaltungen, in denen immer-hin jeder zweite Staatsdiener beschäftigt ist,als Dreh- und Angelpunkt für Planung undUmsetzung politischer Entscheidungen inbesonderem Maße betroffen sind. Gleichzei-tig bietet die Entwicklung den Behörden dieChance, ihr Personalmanagement, vor allemaber ihre Strukturen, von Grund auf zumodernisieren. Schon heute existieren Ansät-ze, die sich im In- und Ausland bewährthaben. Sie zeigen, wie sich der sich abzeich-nende Personalmangel ohne Qualitäts- oderLeistungsverluste handhaben lässt.

Höherer Dienst „veraltet“

Die Studie zeigt: Besonders auffällig ist dieVerteilung im Höheren Dienst. Dort ist heu-te bereits fast jeder Dritte (28 Prozent) älterals 55 Jahre. In Bremen (33 Prozent), Ham-

B

Demografischer Wandel und Fachkräftemangel sind in Deutschland kein

fernes Schreckensszenario mehr – sie sind in der Mitte unserer Gesellschaft

angekommen. Hauptbetroffen: der öffentliche Sektor. Fast jeder vierte

Landesbeschäftigte wird in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen.

Erschrecken und Chancen nutzen

Der Nachwuchsmangel trifft besonders den Höheren und Gehobenen Dienst.

Altersstruktur der Landesbeschäftigten

Beamte und Angestellte, VZÄ in Prozent (Stand 2011)

Höherer Dienst

Gehobener Dienst

Mittlerer Dienst

Quel

le: S

tatis

tisch

es B

unde

sam

t; M

cKin

sey

Abbildung 1

12

12

19

Unter 30 Jahre30-55 Jahre

Über 55 Jahre

706825

807420

487910

100 %

Nachwuchsmangel betrifftinsbesondere Fach- undFührungskräfte

Page 33: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

die Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nieder-sachsen, Schleswig-Holstein sowie der kommunale „IT-VerbundSchleswig-Holstein“. Dataport ist der einzige IT-Dienstleister derdeutschen Verwaltung, der gemeinsam von Bundesländern undKommunen getragen wird. Seit der Gründung 2004 ist der Data-port-Kundenkreis auf über 1000 politisch eigenständige Körper-schaften angewachsen. Ein durchgängig hoher Qualitätsanspruch,Transparenz und sorgfältige politische Steuerung waren wesentli-che Erfolgsfaktoren auf diesem Weg. l Digitalisierung: In der Verlagerung von Verwaltungsprozessen aufOnlinekanäle sowie in der internen Automatisierung liegt enormesEffizienz- und Einsparpotenzial, das rund 45 Prozent beträgt, wiedas Fraunhofer Institut bereits 2007 ermittelt hat. Wie weit die Digi-talisierung in den Behörden hierzulande noch voranschreiten kann,zeigt der Vergleich europäischer Arbeitsagenturen: Während sichin Deutschland nur etwa 1,5 Prozent aller Arbeitssuchenden onli-ne melden, sind es in Finnland bereits 85 Prozent.l Optimierung: Nachhaltige Leistungssteigerungen lassen sich nurzusammen mit den eigenen Beschäftigten erreichen – niemals gegensie. Ein Weg: Es empfiehlt sich eine Kombination aus Workshopsund Analysen, in denen die Beteiligten – stets vom Bürger bzw. Kun-den aus gedacht – alle Elemente der eigenen Organisation auf denPrüfstand stellen: Prozessdesign, Steuerungssystem, Kultur undVerhalten. Was eine solche Runderneuerung bringt, zeigt das Bei-spiel Schweden: Dort konnte die Migrationsbehörde die Dauer vonAsylantragsverfahren um 75 Prozent verkürzen und zugleich dieProduktivität der Beschäftigten um 30 Prozent steigern – bei bes-serer Bestandskraft der Bescheide und gesteigerter Mitarbeiterzu-friedenheit.l Übergreifendes Personalmanagement: Die Zahlen der Altersab-gänge und die wachsende Konkurrenz um qualifizierte Mitarbeiterbelegen, dass Personal in Zukunft „die“ strategische Ressource derVerwaltung sein wird. Um auch in Zukunft geeignete Mitarbeiter für den öffentlichen Dienstgewinnen zu können, muss die Verwaltung auch im Personalma-nagement neue Wege gehen. Es gilt, attraktive „Pakete“ zu schnü-ren und diese gezielt an die potenziellen Bewerber zu kommunizie-ren. Dazu gehören drei Handlungsstränge: Die Stärken des öffentlichenDienstes ausbauen, an den überwindbaren Schwächen arbeiten undgezielt eine Arbeitgebermarke aufbauen und kommunizieren.

Personalentwicklungsinstrumente nutzen

Zu den unbestrittenen Stärken des öffentlichen Dienstes gehörtneben der Beschäftigungssicherheit vor allem eine besonders hoheVereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese zunehmend hoch bewer-tete Stärke gilt es, mit innovativen Konzepten wie Lebensarbeitszeit-konten, die etwa je nach Familiensituation unterschiedlich intensivgefüllt werden können, weiter auszubauen. Die Bundesagentur fürArbeit ist ein gutes Beispiel dafür. Die Verwaltung hat bei der Aus-gestaltung von Lebensarbeitszeitkonten wegen der nach wie vorlangen Verweilzeiten ihrer Beschäftigten einen Vorteil gegenüber

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 35

Page 34: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de36

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Demografie

werden. Insbesondere in der Landesverwal-tung, aber auch in großen Kommunen, soll-ten ressort- beziehungsweise dezernatsüber-greifende Karrierepfade gezielt entwickeltwerden. In internationalen Konzernen ist eszum Beispiel üblich, dass nur der Karrieremacht, der verschiedene Geschäftsbereicheund Funktionen kennt – und meist auch imAusland war. Die Verwaltung sollte auch lernen, temporärBeschäftigte gezielt zu entwickeln, wie dies

beispielsweise die Bundeswehr seit Langemmit Zeitsoldaten vormacht. Wer sich für zwölfJahre zum Dienst verpflichtet, bekommt nichtnur eine fundierte und anerkannte Ausbil-dung, sondern erwirbt mit Mitte 20 bereitsein Maß an Führungserfahrung, das anders-wo schwer erreichbar ist.

Gute Führung erhöht Motivation

Der vielleicht wichtigste Aspekt von Perso-nalentwicklung findet freilich im Alltag statt:Führungskräfte müssen im Dialog mit ihrenMitarbeitern stehen, Unterschiede in derLeistungsfähigkeit erkennen und Konse-quenzen daraus ziehen. Ein derart glaub-würdiges Führungsverhalten erhöht, dashaben zahlreiche Beispiele gezeigt, die Moti-vation der Beschäftigten nachhaltig.Nicht zuletzt muss die Verwaltung ihre Stär-ken gezielter kommunizieren: Das erfordertden weiteren Auf- und Ausbau erkennbarerArbeitgebermarken und die gezielte Anspra-che potenzieller Kandidaten. Nach Untersu-chungen von McKinsey gibt es dabei Seg-mente, für die die Vereinbarkeit von Familieund Beruf, aber auch der gesellschaftlicheWert der Aufgaben wichtigere Auswahlkri-terien sind als das Gehalt. Hier hat die Ver-waltung also gute Chancen!Die ermittelten Zahlen zur Altersstrukturder Beschäftigten in der Verwaltung sindfraglos ein Weckruf an alle, die über dieZukunft der Verwaltung in Zeiten des demo-grafischen Wandels nachdenken. Aber dieErfolgsbeispiele zeigen auch, dass esLösungsansätze gibt, die funktionieren –nicht nur auf dem Papier, sondern ganz realin der Praxis.

der Wirtschaft. Im Bereich der Personalent-wicklung besteht für die Verwaltung nocherhebliches Verbesserungspotenzial. Nachwie vor dominiert ein hierarchisches Kar-rieremodell, oft wird die beste Fachkraft zumVorgesetzten – ungeachtet ihrer Führungs-fähigkeit.Hier gilt es, mehr Kreativität bei der Gestal-tung von Karrierewegen zu entwickeln:Neben der hierarchischen Karriere solltenauch Fach- und Projektkarrieren angeboten

Autor

Kai von Holleben,Expert Associate Principal, McKinsey& Company, Berlin,[email protected]

Autorin

Dr. Katrin Suder, Leiterin Public Services Practice, McKinsey&Company, Berlin, [email protected]

Auch bei Führungspersonal und qualifizierten Sacharbeitern mit fachlichem Spezialwissengibt es wenig Nachwuchs

Altersstruktur bei Führungspersonal

VZÄ in Prozent1

Innere Verwaltung

Finanzverwaltung

Verwaltung des Verkehrs-und Nachrichtenwesens

Höherer Dienst

Quel

le: S

tatis

tisch

es B

unde

sam

t; M

cKin

sey

Abbildung 3

7785

9425

2105

100%=

6

1

3

Gehobener Dienst

23 675

74 195

8215

100%=

14

14

3

1 Ausgewählte Aufgabenbereiche der Verwaltung. Hier überall „ungesundes“Verhältnis von Personal unter 30 Jahren zu Personal über 55 Jahren

Unter 30 Jahre 30-55 Jahre Über 55 Jahre

Durch Nachwuchsprobleme entstehen bundesweit in vielen Aufgabenbereichen große Risikenfür die öffentliche Leistungsfähigkeit.

1 Bei Polizei geringere Regelaltersgrenze, im Höheren und Gehobenen Dienst ebenfalls Nachwuchsmangel

Altersstruktur nach Aufgabenbereichen

VZÄ in Prozent (Stand 2011)

Berufliche Schulen

Gesundheitsbehörden

Politische Führung

Hochbauverwaltung

Raumordnung und kommunale Gemeinschaftsdienste

Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Polizei

Ordentliche Gerichte und Staatsanwaltschaften

Universitäten

Beispiele

Quel

le: S

tatis

tisch

es B

unde

sam

t; M

cKin

sey

Abbildung 2

Unter 30 Jahre30-55 Jahre

Über 55 Jahre

98 745

2430

45 825

13 260

24 015

17 855

25 3410

106 595

177 390

100 %

Aufgabenbereiche mit den größten Nachwuchsproblemen

Aufgabenbereiche mit den geringsten Nachwuchsproblemen1

3

5

6

7

8

9

16

21

22

Page 35: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Demografie ÖFFENTLICHE VERWALTUNG

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de 37

„Wir reißen noch was in dennächsten 10 bis 15 Jahren.“

Frage: Sind Beschäftigte über 50 Jah-re eine problematische Mitarbeiter-gruppe? Robert Nitzsche: Nicht problematisch,aber anders. Wir wollen diese Mitarbei-ter binden, sie motivieren und dabei unter-stützen, dass sie mit Freude bei der Arbeitleistungsfähig bleiben und zwar idealer-weise bis zum Erreichen der individuel-len Altersgrenze. Unser Motto lautet: Wirreißen noch was in den nächsten 10 bis15 Jahren. Außerdem signalisieren wirals Kommune nach außen mit verschie-denen Maßnahmen für Arbeitnehmer die-ser Altersgruppe, dass wir ein attrakti-ver Arbeitgeber für sie sind, denn leiderwerden die „Ü 50“ viel zu oft auf dasAbstellgleis gestellt. Und dass, obwohl sieüber ein enormes Fach- und Erfahrungs-wissen verfügen. Wir wollen diese Poten-ziale nutzen und wir müssen sie auchnutzen, weil wir uns auf dem Arbeits-markt oft um dieselben Mitarbeiter wiedie freie Wirtschaft bewerben, aber beider Höhe der Gehälter unterlegen sind.Deshalb müssen wir als Kommune ande-

re Faktoren zur Geltung bringen, um qua-lifiziertes Personal zu gewinnen. Geradeim Umfeld von Stuttgart, das eine prospe-rierende Region ist und in der die Wirt-schaft zu Recht eine leistungsfähige Beleg-schaft mit Spitzenkräften erwartet, stehenwir im Wettbewerb mit vielen anderenArbeitgebern.

Wie sind Sie diesem Wettbewerb bis-her begegnet? Wir haben ein modernes Personalma-nagement und fangen nicht bei Null an.Seit vielen Jahren bieten wir flexibleArbeitszeitmodelle an, auch gesundheits-präventive Maßnahmen in Kooperationmit Partnern. Ein anderer wichtiger Punktist die betriebliche Sozialberatung, diesich bewährt hat, wenn das Thema Pfle-ge von Angehörigen akut wird. Wenn wirin diesem Bereich unterstützen, habendie Mitarbeiter weniger Fehlzeiten undkönnen die Betreuungsleistung mit derArbeit vereinbaren. Zudem haben wir einZertifikat als familienfreundlicher Arbeit-geber. Dies alles trägt neben vielen ande-

ren Aspekten zur Mitarbeiterzufrieden-heit bei.

Wie sieht die Altersstruktur in derStadtverwaltung Ludwigsburg aus? Wir haben 1350 Beschäftigte, ohne dieMitarbeiter, die in den verschiedenenGmbHs – den 100-prozentigen Töchternder Stadtverwaltung – tätig sind. 540 Mit-arbeiter in unserem Hause sind älter als50 Jahre und damit stellen sie rund 40Prozent der Belegschaft. Dieser Personen-kreis wird also bis 2025 die Altersgren-zen erreicht haben.

Wie sah der Projektstart „Ü 50“ aus? 2011 haben wir eine Befragung derGesamtbelegschaft vorgenommen unddabei spezielle Fragen an den Personen-kreis ab 50 gestellt. Vor einem Jahr wur-de nach einer Ausschreibung der RobertBosch-Stiftung unser Projektvorhaben „Ü 50“ in einen Partnerverbund aufge-nommen, der – finanziell und fachlichunterstützt – das Thema der demografi-schen Entwicklung in der öffentlichenVerwaltung bearbeitet. Zu diesem Zeit-punkt haben wir die Antworten der „Ü 50“ nochmal genau unter die Lupegenommen. Ich kann nur jeder Verwal-tung empfehlen, die Belegschaft oder den

Kommunen müssen sich darauf einstellen, dass die Gruppe der

über 50-Jährigen künftig einen wesentlichen Teil der Belegschaften bildet.

Die Leistungsfähigkeit einer Behörde wird deutlich stärker als bisher

von ihrer Motivation und Arbeitsfähigkeit abhängen. Robert Nitzsche,

Personalchef der Stadtverwaltung Ludwigsburg berichtet von dem Projekt

„Ü 50“, das diese Zielgruppe in den Blickpunkt nimmt. Personalleiter der Stadt Ludwigsburg, Robert Nitzsche

„Die über 50-Jährigen werden viel zu oft aufsAbstellgleis gestellt, obwohl sie über ein enormesFach- und Erfahrungswissen verfügen.

Page 36: G 21212 Art.-Nr. 97803864 Personal wirtschaft extra · 2014-06-24 · im öffentlichen Dienst und der Einführung eines Versorgungspunktemodells spielt auch die Entgeltumwandlung

Sonderheft 04 | 2013 www.personalwirtschaft.de38

ÖFFENTLICHE VERWALTUNG Demografie

Personenkreis zu befragen, bevor Projek-te aufgesetzt werden. Wir haben vieleAnregungen bekommen, vor allen Dingenim Bereich der Arbeitsplatzgestaltung.Dabei ist ebenso klar geworden, dass zwarder Terminus „demografische Entwick-lung“ allen Mitarbeitern präsent ist, aberdie persönliche Betroffenheit eine ganzandere Ebene darstellt.

Mit einem Workshop über alle Hierar-chieebenen wurde das Projekt gestar-tet. Welche Erkenntnisse konnten Siegewinnen? In erster Linie wollten wir herauszufin-den, welche Wünsche die Mitarbeiter über50 an ihren Arbeitgeber haben und wieihre Vorstellungen von dem Arbeitslebender nächsten 10 bis 15 Jahre aussehen.170 Arbeitnehmer, also ein Drittel derZielgruppe, hat daran teilgenommen. DieTeilnahme war freiwillig und fand wäh-rend der Arbeitszeit statt. Mit der Grö-ßenordnung der Beteiligung waren wirzufrieden. Möglicherweise institutiona-lisieren wir diesen Workshop, denn diejetzt 48-jährigen Mitarbeiter gehören baldauch zum Ü-50-Personenkreis. Wir setz-ten darauf, dass durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda die Quote bei einemnächsten Workshop noch wächst. Einewesentliche Erkenntnis war, dass dieSichtweisen ganz unterschiedlich sind.Es besteht ein großer Unterschied zwi-schen den spezifischen Bedürfnissen bei-spielsweise einer Stadtplanerin oder einesMitarbeiters im Grünflächenbereich, derkörperlich stark beansprucht ist.

Welche strategischen Maßnahmenhaben Sie aufgesetzt?Wir führen Potenzialchecks durch: denGesundheitscheck und eine fachliche Qua-lifikationsanalyse. Der Gesundheitscheckist freiwillig und die Ergebnisse erhältnur der Arbeitnehmer. Wenn sich heraus-stellt, dass aufgrund gesundheitlicher

Beschwerden sein Arbeitsplatz verändertwerden sollte, ist es ihm anzuraten, mitdem Vorgesetzte darüber zu sprechen.Beispielweise wenn die Arbeit im Tech-nischen Dienst oder in Handwerksberu-fen über das 60. Lebensjahr hinaus zuanstrengend werden könnte. Aber esbesteht keine Verpflichtung, mit den Vor-gesetzen zu sprechen. Im zweiten Teil des Potenzialchecks wer-den die Qualifikationen erhoben. Wir füh-ren gerade einen Pilotkurs im städtischenVollzugdienst durch. Hier können die Mit-arbeiter einbringen, ob sie sich andereTätigkeiten wünschen und vorstellen kön-nen und welche Qualifikationen sie dafürzusätzlich benötigen.

Wie motivieren Sie Mitarbeiter über60 zur Weiterbildung?Alle Erkenntnisse unseres laufenden Projektes werden in die Führungskräfte-schulungen und das Personalmanage-ment eingeflochten. Hier sehe ich eineHerausforderung für die Führungskräfte,die mit der „Ü 50“ im Dialog bleiben müs-sen. Es geht letztlich darum, den Mitar-beitern deutlich zu machen, dass sie nochgebraucht werden und dass wir gemein-sam altersgerecht die Wegstrecke bis zumtatsächlichen Ruhestand bewältigen. EineHerausforderung liegt sicherlich bei denkörperlich anstrengenden Beschäftigungs-feldern, beispielweise bei der rechtzeiti-gen „Umschulung“ von Handwerkern,wenn sich abzeichnet, dass der Beruf nichtbis zum geplanten Renteneintritt ausge-übt werden kann.

Was hat Sie persönlich an Erkenntnis-sen überrascht?Wie sehr die älteren Mitarbeiter das The-ma Wissenstransfer beschäftigt. Sie wol-len ihr Wissen und ihr verantwortetesRefugium gut in andere Hände überge-ben. Dafür bedarf es eines strukturiertenProzesses, der sich in die ganzheitliche

Personalentwicklung einfügen muss. Nochläuft das in unserem Hause sehr unter-schiedlich ab, aber wir arbeiten an einemeinheitlichen Prozess, um auch hier einenQualitätsmaßstab festzuschreiben.

Wird sich die Zahl der Mitarbeiter, diefrüher in Rente gehen, reduzieren?Eine Prozentzahl sagt nicht viel aus, weilein Eintritt ein Jahr vor der gesetzlichenRente genauso in die Statistik eingeht wieein Frührentner, der schon mit 55 Jahrenaus gesundheitlichen Gründen nicht mehrweiterarbeiten kann. Ich würde mir aberwünschen, dass es so wenig wie möglichsind. Neben den Anstrengungen derArbeitgeber ist hier auch der Gesetzge-ber gefragt. Es braucht unbedingt weite-re flexiblere Rechtsnormen für Arbeit-nehmer. Man muss ja nicht bis zum 67.Jahr in Vollzeit arbeitend bis an die Leis-tungsgrenzen gehen, dies gilt insbeson-dere für Mitarbeiter in Führungspositio-nen. Aber es fehlt an Instrumenten. BeiTarifbeschäftigten ist es noch am bestenumsetzbar, bei Beamten aber nicht. Wirbrauchen dringend Rechtsnormen imBeamtenrecht, die es erlauben, zum Bei-spiel mit 63 Jahren auf 50 Prozent derArbeitszeit zurückzufahren, oder moder-ne Formen der Altersteilzeit zu nutzen.

Sie würden gerne Zeitwertkonten ein-führen?Wir beschäftigen uns mit dem ThemaZeitwertkonten, aber wir könnten das The-ma nur für die Tarifbeschäftigten anwen-den. Es ist Unfug, dass Beamte davon nichtprofitieren können. Wir analysieren dasInstrument derzeit, müssen uns aber erstüber die Strukturen und die Anwendbar-keit in unserer Organisation Klarheit ver-schaffen. Ich könnte mir vorstellen, dassZeitwertkonten in der kommunalen Ver-waltung die Arbeitgeber-Attraktivität nichtnur für ältere Arbeitnehmer vergrößert.

Das Gespräch führte Christiane Siemann.

„Ältere Mitarbeiter wollen ihr Wissen und ihr verantwortetes Refugium gut inandere Hände übergeben. Dafür bedarf es eines strukturierten Prozesses.


Recommended