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Europäisches Beihilferecht und Besteuerung: Aktuelle ... 4.7.2016.pdf · > Von der Kommission...

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1 1 ifst-Jahrestagung Europäisches Beihilferecht und Besteuerung: Aktuelle Entwicklungen 4. Juli 2016, Berlin, Haus der Deutschen Wirtschaft
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ifst-Jahrestagung

Europäisches Beihilferecht und

Besteuerung: Aktuelle Entwicklungen

4. Juli 2016, Berlin, Haus der Deutschen Wirtschaft

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Moderation: Prof. Dr. Johanna Hey

13:00 Eröffnung Dr. Ludolf v. Wartenberg

PStS Dr. Michael Meister, MdBGrußwort

Einführung Prof. Dr. Johanna Hey

Entwicklungen des EU-Beihilferechts

im Bereich der Unternehmensbesteuerung

StB Prof. Dr. Jens Blumenberg

Podiumsdiskussion zusätzlich mit Karl Soukup,

MD Michael Sell,

RA/StB Dipl.-Volksw.

Dr. Christian Dorenkamp,

RD Dipl.-Kfm. Dr. iur. Lars Dobratz

15:30 Ausklang

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ifst-Jahrestagung 2016

Entwicklungen des EU-Beihilferechts im Bereich der

Unternehmensbesteuerung

StB Prof. Dr. Jens Blumenberg

Berlin, 4. Juli 2016

A32119674

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Agenda

1. Einige Vorbemerkungen

2. Zu den Grundlagen des unionsrechtlichen Beihilfeverbots

3. Aktuelle Entwicklungen bei der Relevanz des Beihilferechts für

ausgewählte Steuervergünstigungen

4. Kritische Anmerkungen und offene Fragen

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1. Einige Vorbemerkungen

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1. Einige Vorbemerkungen

> Beim unionsrechtlichen Beihilferecht handelt es sich um

Wettbewerbsrecht (nicht um Steuerrecht) mit eigenen Spielregeln

> Mitgliedstaatliche Steuervergünstigungen können seit jeher

verbotene Beihilfen beinhalten

> Die ältere Praxis der Kommission hat regionale und nationale

Steuervorzugsregimes über Jahrzehnte beihilferechtlich abgesegnet

> Ein Kurswechsel setzte Ende der 90er Jahre ein, vgl. insbes. den

„Verhaltenskodex“ aus dem Jahr 1997

> Neuerdings greift die Kommission zunehmend per se unverdächtige

Regelungen des nationalen Steuerrechts als verbotene Beihilfen auf

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2. Grundlagen des EU-Beihilfeverbots

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2.1 Grds. Beihilfeverbot, Ausnahmen und Verfahren

> Das Unionsrecht enthält ein grundsätzliches Beihilfeverbot(Art. 107 Abs. 1 AEUV)

> Zu diesem Verbot existieren Legalausnahmen (Art. 107 Abs. 2 AEUV) und Ermessensausnahmen (Art. 107 Abs. 3 AEUV)

> Die beihilferechtliche Überprüfung und „Genehmigung“ von nationalen Vergünstigungen obliegt der Kommission; vgl. „Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV“ (Stand Frühjahr 2016)

> „Neue“ Beihilfen unterliegen bis zur Genehmigung der KOM einem Durchführungsverbot, „alte“ Beihilfen genießen grds. Bestandsschutz

> Rechtswidrig gewährte Beihilfen haben die Mitgliedstaaten von den Unternehmen zurückzufordern, Vertrauens- und Bestandsschutz nach nationalem Recht finden grds. keine Anwendung

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2.2 Begriff der Beihilfe

> Der EuGH definiert eine Beihilfe als Maßnahme, die (kumulativ):

1. durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt wird und einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist,

2. den Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft,

3. geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zu beeinträchtigen und

4. nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt (Selektivität)

> Bei der Prüfung von nationalen Steuervergünstigungen werden die bestehenden innerstaatlichen Steuersysteme als gegeben angesehen

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2.3 Zentrales Beurteilungskriterium: Selektivität

> Bei der Beihilfeprüfung von Steuervergünstigungen ist das Kriterium der Selektivität von zentraler Bedeutung

> Der EuGH prüft Selektivität grds. in 3 Schritten:

1. Bestimmung des Referenzsystems

2. Ausnahme vom Referenzsystem

3. eine prima facie selektive Maßnahme kann durch die Natur und den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt sein

> Materielle Selektivität kann de jure oder de facto (vgl. EuGH vom 15.11.2011, Rs.C-106/09P, C-107/09P, „Gibraltar“) vorliegen

> Das Kriterium Selektivität ist unklar und in hohem Maße streitanfällig

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3. Aktuelle Entwicklungen – Beispiele

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3.1 Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG a.F.)

> Einführung von § 8c KStG als Nachfolger der Mantelkaufregelung

durch die Unternehmenssteuerreform 2008: „Norm ohne Telos“

> Erste Ausnahme vom Verlustuntergang für Wagniskapital-

beteiligungsgesellschaften – notifiziert und von Kommission für

unzulässig befunden (Beschluss vom 30.11.2009)

> Einführung weiterer Ausnahmen im Rahmen der Finanzkrise:

> Sanierungsklausel (eingeführt mit Bürgerentlastungsgesetz-KV

vom 16.07.2009, rückwirkend ab 1.1.2008)

> Stille-Reserven-Klausel und Konzernklausel (eingeführt mit

Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009, ab 1.1.2010)

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3.1 Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG a.F.)

> Aufgriff durch die Kommission, Eröffnung des Prüfverfahrens mit

Beschluss vom 24.2.2010; Abschluss mit Beschluss vom 26.1.2011

> EuG vom 4.2.2016: unzulässige Beihilfe!

1. Referenzsystem: Verlustabzug mit Untergang bei AE-Wechsel

2. Verschonung von Sanierungen ist eine Ausnahme hierzu

3. Keine Rechtfertigung durch das Steuersystem

> Bedeutung EuGH-Urteil vom 18.7.2013 in Rs. P Oy (C-6/12) ist unklar

> Revision zum EuGH anhängig (Rs. C-203/16 und C-209/16)

> Eigene Auffassung: § 8c KStG ist (inzwischen) eine Regelung zur

Bekämpfung des Missbrauchs (vgl. Mantelkauf) und sollte daher

jedenfalls durch die Systematik des Steuerrechts gerechtfertigt sein

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3.2 Sanierungserlass (BMF vom 27.3.2003)

> Nach Streichung von § 3 Nr. 66 EStG; seither Billigkeit im Erlasswege

(Sanierungserlass, BMF vom 27.3.2003)

> Vorlagebeschluss des X. Senats des BFH an GrS vom 25.3.2015

thematisiert (u.a.) die Vereinbarkeit des Sanierungserlasses mit Beihilferecht

> X. Senat: Kein Verstoß gegen Unionsrecht, da Maßnahme allen

Unternehmen offensteht, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten

befinden (vor EuG zur Sanierungsklausel vom 4.2.2016)

> Bei Prüfung der Selektivität in 3 Stufen:

> Was ist das geeignete Referenzsystem, was die Ausnahme dazu?

> Rechtfertigung aus der Natur und dem Aufbau des Steuersystems?

Suspendierung der Mindestbesteuerung, Besteuerung nach dem

Grundsatz der Leistungsfähigkeit

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3.3 Grunderwerbsteuerliche Konzernklausel

> § 6a GrEStG: Verschonung konzerninterner Umstrukturierungen von der GrESt (unter eng gefassten Voraussetzungen)

> Einführung durch Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009; Zweck: „Beseitigung von Wachstumshindernissen“

> Revisionsverfahren des BFH, Beschlüsse vom 25.11.2015 (II R 50/13, II R 36/14, II R 62/14, II R 63/14): Beitrittsaufforderung an das BMF, u.a. Fragen zum Beihilferecht/-verfahren

> Diskussion der Beihilfeeigenschaft in der Fachliteratur (contra Beihilfe)

> Schon keine prima facie Selektivität (vgl. Referenzsystem)

> Konzernklausel als „allgemeine Maßnahme“

> Selbst bei prima facie Selektivität: Rechtfertigung – Steuerrecht soll betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen nicht behindern

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3.4 Verschonungsregelungen im ErbStG

> „Sind die geplanten Verschonungsregelungen im deutschen ErbStG

europarechtswidrige Beihilfen?“ (Wachter, DB 2016, S. 1273 ff.)

> Regelungsinhalt: Verschonungsregeln für unternehmerisches

Vermögen (seit 2009); voraussichtliche Neuregelung ab 1.7.2016

sieht weiterhin Verschonungen vor

> Liegt eine Begünstigung von Unternehmen vor? ErbSt schuldet der

Erwerber, Verschonungsregelungen begünstigen letztlich aber (auch)

das Unternehmen

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3.4 Verschonungsregelungen im ErbStG

> Zur Selektivität:

> Was wäre das Referenzsystem? Regelverschonung 85 %,

Optionsverschonung 100 % oder volle Besteuerung des Erwerbs?

> Was die Ausnahme? Verschonung gilt für alle Unternehmen unter

den Voraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG (Haltefristen,

Lohnsumme, schädliches Verwaltungsvermögen etc.)

> Rechtfertigung durch die Natur und den inneren Aufbau des

Steuersystems? Lt. Gesetzesbegründung: Gemeinwohlgründe,

insbesondere Arbeitsplatzerhalt

> Praktische Konsequenzen für (a) Gesetzgeber und (b) den

Unternehmensnachfolger?

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3.5 Tax Rulings als Beihilfen

> Von der Kommission aufgegriffene Verfahren: Amazon, Fiat, Apple,

Starbucks, belgisches Excess Profit Tax Regime, u.a.

> Fehlende Fremdüblichkeit als Maßstab für Selektivität?

> Kommission: Abweichung vom Arm‘s Length-Grundsatz bringt

Ergebnisse hervor, die von marktbasiertem Handeln abweichen

(vgl. Tz 174 Lit. c) der „Bekanntmachung der Kommission zum

Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV“, Stand

Frühjahr 2016)

> Schriftwechsel/Verstimmung zwischen US Treasury und Kommission

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4. Kritische Anmerkungen und Fragen

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4. Kritische Anmerkungen und Fragen

> Ziel des EU-Beihilferechts ist der unverfälschte Wettbewerb im Binnenmarkt; das Beihilferecht taugt nicht als Motor für die steuerliche Rechtsangleichung innerhalb der Union

> Im Beihilferecht verläuft das Spannungsverhältnis zwischen Kommission und Mitgliedstaaten, Konflikte werden regelmäßig auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen

> Aktuell ist eine (besorgniserregende) tatbestandliche Ausweitung des Beihilfebegriffs in Bezug auf nationale Steuervergünstigungen festzustellen; im Steuerbereich sind grundlegende Fragen der beihilferechtlichen Dogmatik ungeklärt

> Diese aktuelle Entwicklung tangiert in empfindlicher Weise das Kompetenzgefüge zwischen Kommission und Mitgliedstaaten

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4. Kritische Anmerkungen und Fragen

> Das deutsche Unternehmenssteuerrecht ist auf die aktuelle

Entwicklung schlecht vorbereitet und muss in verschiedenen

Punkten neu justiert werden; Unternehmen drohen in das Messer

des Beihilferechts zu laufen; Staatshaftung ist keine Lösung

> Die aktuelle Beihilfepraxis der Kommission ist in Bezug auf das

BEPS-Projekt kritisch zu würdigen; Beihilfeverfahren tangieren das

Verhältnis zu Drittstaaten

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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Podiumsdiskussion

Karl Soukup

MD Michael Sell

RA/StB Dipl.-Volksw. Dr. Christian Dorenkamp

RD Dipl.-Kfm. Dr. iur. Lars Dobratz

StB Prof. Dr. Jens Blumenberg


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