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EUROPÄISCHE KOMMISSIONVereinbarkeit der auch für ausländische Apotheken geltenden...

Date post: 29-Sep-2020
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EUROPÄISCHE KOMMISSION Brüssel, den 13. Juli 2015 Sj.h(2015) 3290389 AN DEN HERRN PRÄSIDENTEN UND DIE MITGLIEDER DES GERICHTSHOFS DER EUROPÄISCHEN UNION SCHRIFTSATZ gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingereicht von der EUROPÄISCHEN KOMMISSION, Prozessbevollmächtigte: Emmanuel Manhaeve, Attila Sipos und Julian Herkommer, Mitglieder des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission, Zustellungsanschrift: Merete Clausen, Mitglied des Juristischen Dienstes der Kommission, Bâtiment BECH, L-2721, Luxemburg - der Zustellung aller Verfahrensschriftstücke über e- Curia wird zugestimmt - in der Rechtssache C-148/15 Deutsche Parkinson Vereinigung e.V., - Beklagter und Berufungskläger- gegen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., - Kläger und Berufungsbeklagter - wegen Vorabentscheidung gemäß Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, beantragt vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland), zur Auslegung der Artikel 34 und 36 AEUV im Hinblick auf die Anwendung eines im nationalen Recht angeordneten einheitlichen Apothekenabgabepreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf den grenzüberschreitenden Versandhandel. Ref. Ares(2015)2940434 - 13/07/2015
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Page 1: EUROPÄISCHE KOMMISSIONVereinbarkeit der auch für ausländische Apotheken geltenden arzneimittelrechtlichen Preisbindung mit den Artikeln 34 und 36 AEUV über die Warenverkehrsfreiheit.

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Brüssel, den 13. Juli 2015 Sj.h(2015) 3290389

AN DEN HERRN PRÄSIDENTEN UND DIE MITGLIEDER DES GERICHTSHOFS DER EUROPÄISCHEN UNION

SCHRIFTSATZ

gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union,

eingereicht von der EUROPÄISCHEN KOMMISSION,

Prozessbevollmächtigte: Emmanuel Manhaeve, Attila Sipos und Julian Herkommer, Mitglieder des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission,

Zustellungsanschrift: Merete Clausen, Mitglied des Juristischen Dienstes der Kommission, Bâtiment BECH, L-2721, Luxemburg - der Zustellung aller Verfahrensschriftstücke über e- Curia wird zugestimmt -

in der Rechtssache C-148/15

Deutsche Parkinson Vereinigung e.V.,

- Beklagter und Berufungskläger-

gegen

Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.,

- Kläger und Berufungsbeklagter -

wegen Vorabentscheidung gemäß Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, beantragt vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland), zur Auslegung der Artikel 34 und 36 AEUV im Hinblick auf die Anwendung eines im nationalen Recht angeordneten einheitlichen Apothekenabgabepreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf den grenzüberschreitenden Versandhandel.

Ref. Ares(2015)2940434 - 13/07/2015

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Die Kommission beehrt sich, in der vorliegenden Rechtssache wie folgt Stellung zu nehmen:

L SACHVERHALT UND AUSGANGSVERFAHREN

1. Das Ausgangsverfahren betrifft die Auslegung der Artikel 34 und 36 des Vertrags über

die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Bezug auf eine nationale

gesetzliche Regelung über die Festlegung von Festpreisen für die Abgabe von

verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Apotheken an Verbraucher. Nach den

Angaben im Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf und im

erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts Düsseldorf1 liegt dem Ausgangsverfahren im

Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

2. Die Deutsche Parkinson Vereinigung e.V., der Beklagte des Ausgangsverfahrens, ist eine

als eingetragener Verein verfasste Selbsthilfeorganisation. Das Ziel dieses Vereins ist es,

die Lebensumstände von Parkinson-Patienten und deren Familien zu verbessern.

3. Mit Schreiben vom Juli 2009 wandte sich der Beklagte an seine Mitglieder und bewarb

eine Kooperation zwischen ihm und einer niederländischen Versandapotheke. Diese

Kooperation umfasste ein Bonussystem, das verschiedene Boni für rezeptpflichtige, nur

über Apotheken erhältliche Parkinson-Medikamente bei deren Bezug durch die

Mitglieder des Beklagten von der niederländischen Versandapotheke vorsieht. Nach

diesem System erhalten Neukunden bei ihrer ersten Bestellung einen einmaligen Betrag

in Höhe von 5 Euro. Zusätzlich erhalten sie bei sämtlichen Bestellungen einen Bonus in

Höhe von 2,50 Euro pro Rezept und einen weiteren Bonus in Höhe von 0,5 % des

Warenwertes des rezeptpflichtigen Arzneimittels.

4. Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sieht in der Werbung

einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), da das

beworbene Bonusmodell gegen die gesetzlich vorgesehene Festlegung eines

einheitlichen Apothekenabgabepreises verstoße.

Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. Juni 2013 - 12 0 411/09 U, abrufbar unter http://openjur.de/u/673 846.html.

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5. Mit Schreiben vom 29. Juli 2009 mahnte der Kläger den Beklagten ab und forderte ihn

erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Danach verfolgte

er sein Begehren im Klagewege vor dem Landgericht Düsseldorf weiter.

6. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und dem Beklagten untersagt, im Rahmen

einer Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke deren Bonusmodell zu

empfehlen.

7. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt,

der Beklagte habe mit dem streitgegenständlichen Anschreiben gegen § 3 und

§ 4 Nummer 11 U WG in Verbindung mit § 78 Absatz 2 Satz 2 und 3 sowie

Absatz 3 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) und § 1 Absatz 1 und 4 sowie § 3

Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verstoßen. Das Schreiben stelle eine

geschäftliche Handlung des Beklagten dar, die unlauter sei. Das beworbene Bonussystem

sei wettbewerbsrechtlich unzulässig, da es gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung

verstoße. Das Landgericht stützt sich in dem Zusammenhang auch auf § 7 Absatz 2 Nr. 2

Halbsatz 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG), wonach Zuwendungen oder Werbegaben in

Form von Geldbeträgen unzulässig sind, soweit sie entgegen der aufgrund des AMG

geltenden Preisvorschriften gewährt werden. Die in Rede stehenden Regelungen hätten

schon im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Handlung auch für Lieferungen der im

Ausland ansässigen Kooperationspartnerin des Beklagten gegolten. Für die Zukunft

ergebe sich dies aus § 78 Absatz 1 Satz 4 AMG in der Fassung vom 26. Oktober 2012.

8. Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Beklagte Berufung vor dem

Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Das Oberlandesgericht hat Zweifel an der

Vereinbarkeit der auch für ausländische Apotheken geltenden arzneimittelrechtlichen

Preisbindung mit den Artikeln 34 und 36 AEUV über die Warenverkehrsfreiheit. Nach

Ansicht des Oberlandesgerichts hängt die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von

dieser Frage ab.

9. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat daher mit Beschluss vom 24. März 2015 das

Berufungsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur

Vorabentscheidung vorgelegt:

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"1. Ist Art. 34 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine durch nationales Recht angeordnete Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellt?

2. Sollte der Gerichtshof die Frage zu Nummer 1) bejahen:

Ist die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß Art. 36 AEUV zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt, wenn nur durch sie eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in ganz Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten gewährleistet wird?

3. Sollte der Gerichtshof auch die Frage zu Nummer 2) bejahen:

Welche Anforderungen sind an die gerichtliche Feststellung zu treffen, dass der in Ziffer 2 2. Halbsatz genannte Umstand tatsächlich zutrifft?"

10. Abschließend sei erwähnt, dass die Kommission gegen Deutschland ein

Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, da sie der Auffassung ist, dass die

Anwendung der deutschen AMPreisV auf Versandapotheken in anderen Mitgliedstaaten

gegen die Artikel 34 und 36 AEUV verstößt. Auf das Mahnschreiben der Kommission

vom 20. November 2013 hat die Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit

Mitteilung vom 21. Januar 2014 geantwortet.

11. RECHTLICHER RAHMEN

A. UNIONSRECHT

11. Artikel 34 AEUV lautet:

"Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten. "

Artikel 36 AEUV bestimmt:

"Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. "

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Artikel 168 Absatz 7 Sätze 1 und 2 AEUV enthält folgende Regelungen:

"Bei der Tätigkeit der Union wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel. "

B. NATIONALES RECHT

12. Nach § 78 Absatz 2 Satz 2 und 3 AMG ist für verschreibungspflichtige

Fertigarzneimittel ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten.2

13. Die Festlegung dieses Apothekenabgabepreises erfolgt auf indirekte Weise.

Ausgangspunkt für die Preisfestlegung ist zunächst § 78 Absatz 3 Satz 1 AMG. Danach

haben die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis

sicherzustellen. Dieser einheitliche Abgabepreis wird für die Berechnung des

Höchstpreises verwendet, den der Großhandel bei der Abgabe im Wiederverkauf an die

Apotheken (§ 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 AMPreisV) verlangen darf. Die Apotheken

ihrerseits müssen bei der Abgabe im Wiederverkauf an die Verbraucher auf diesen

Höchstpreis des Großhandels einen Festzuschlag, einen Zuschlag in Höhe von 8,35 Euro,

16 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes sowie die Umsatzsteuer

hinzuaddieren (§ 3 Absatz 1 und 2 AMPreisV). Daraus resultiert der einheitliche

Apothekenabgabepreis.

14. Am 28. Juli 2008 urteilte das Bundessozialgericht, dass Arzneimittel im Ausland nach

dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip nicht der deutschen AMPreisV unterworfen

sind. Als der Bundesgerichtshof 2009 von dieser Rechtsprechung abrücken wollte,

verwies er die Frage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes.4

Dieser entschied am 22. August 2012, dass die AMPreisV auch Anwendung findet, wenn

Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat verschreibungspflichtige

Dasselbe gilt für nicht verschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden (vgl. dazu § 78 Absatz 2 Satz 3 AMG, § 34 Absatz 1 Satz 2 und 5 SGB (Sozialgesetzbuch) V sowie §129 Absatz 5a SGB V). Diese Vorschriften sind jedoch ausweislich der Fragestellung des Vorlagegerichts nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Juli 2008 - B 1 KR 4/08 R, abrufbar unter https://openjur.de/u/170179. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. September 2010 -1 ZR 72/08, abrufbar unter https://openjur.de/u/67800.html.

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Arzneimittel im Wege des Versandhandels an Endverbraucher in Deutschland abgeben.5

Am 25. Oktober 2012 wurde dies auch durch eine Ergänzung von § 78 Absatz 1 AMG

um einen Satz 4 ausdrücklich gesetzlich festgelegt.6

15. Die wesentlichen Bestimmungen von § 78 Absatz 1 bis 3 AMG lauten wie folgt:

"(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium [für Gesundheit] [...] durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1. Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel, in Apotheken oder von Tierärzten im Wiederverkauf abgegeben werden, [...]

festzusetzen. Abweichend von Satz 1 wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium [für Gesundheit] durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen. [...] Die Arzneimittelpreisverordnung, die auf Grund von Satz 1 erlassen worden ist, gilt auch für Arzneimittel, die gemäß § 73 Absatz 1 Satz 1 Nummer la in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.

(2) Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Tierärzte, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten. Satz 2 gilt nicht für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(3) Für Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 2, für die durch die Verordnung nach Absatz 1 Preise und Preisspannen bestimmt sind, haben die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen; [...] " [Auslassungen und Ergänzung durch Verfasser]

16. Von der Verordnungsermächtigung in § 78 Absatz 1 AMG wurde durch den Erlass der AMPreisV Gebrauch gemacht.

§ 1 Absatz 1 Nummer 1 und 4 und Absatz 4 AMPreisV lautet:

"(1) Für Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes den Apotheken vorbehalten ist, werden durch diese Verordnung festgelegt

Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 - GmS-OGB 1/10, abrufbar unter http://openjur.de/u/617231.html. Vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19. Oktober 2012 (Bundesgesetzblatt vom 25. Oktober 2012, Teil I, Nr. 50, S. 2192, 2212).

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1. die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken oder Tierärzte (§ 2),

2. die Preisspannen sowie die Preise für besondere Leistungen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf (§§ 3, 6 und 7), [...]

(4) Ausgenommen sind die Preisspannen und Preise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. " [Auslassung durch Verfasser]

§ 2 Absatz 1 Satz 1 und 3 AMPreisV regelt die Höchstzuschläge des Großhandels:

"(1) Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer erhoben werden. [...] Der Berechnung der Zuschläge nach Satz 1 ist jeweils der Betrag zugrunde zu legen, zu dem der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel nach § 78 Absatz 3 oder Absatz 3a des Arzneimittelgesetzes abgibt. " [Auslassung durch Verfasser]

§ 3 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 AMPreisV regelt die Festzuschläge der Apotheken und

die Berechnung des einheitlichen Apothekenabgabepreises:

"(1) Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch die Apotheken sind zur Berechnung des Apothekenabgabepreises ein Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro zuzüglich 16 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes sowie die Umsatzsteuer zu erheben. [...]

(2) Der Festzuschlag ist zu erheben

1. auf den Betrag, der sich aus der Zusammenrechnung des bei Belieferung des Großhandels geltenden Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer und des darauf entfallenden Großhandelshöchstzuschlags nach § 2 ergibt,

2. bei Fertigarzneimitteln, die nach § 52b Absatz 2 Satz 3 des Arzneimittelgesetzes nur vom pharmazeutischen Unternehmer direkt zu beziehen sind, auf den bei Belieferung der Apotheke geltenden Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer; § 2 Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. " [Auslassung durch Verfasser]

17. § 7 Absatz 1 Nummer 2 des Heilmittelgesetzes (HWG) verbietet es, entgegen der oben

genannten Preisvorschriften Geldrabatte zu gewähren. Nach derselben Vorschrift sind

Mengenrabatte auf apothekenpflichtige Medikamente unzulässig.

18. §§3 und 4 UWG enthalten Verbote unlauterer geschäftlicher Handlungen. Unter den

Begriff der unlauteren Handlung fallen auch Verstöße gegen die oben genannten

Vorschriften der AMPreisV und des HWG. § 8 UWG regelt den Anspruch auf

Unterlassung unlauterer geschäftlicher Handlungen.

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I I I . RECHTLICHE WÜRDIGUNG

A. ERSTE VORLAGEFRAGE

1. Auslegung der ersten Vorlagefrage

19. Das vorlegende Oberlandesgericht Düsseldorf will mit seiner ersten Vorlagefrage

wissen, ob eine durch nationales Recht angeordnete Preisbindung bei

verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von

Artikel 34 AEUV darstellt.

20. Für die Kommission ist es wichtig zu betonen, dass es vorliegend nicht um die rechtliche

Prüfung einer solchen Preisbindung an sich geht. Vielmehr soll lediglich geklärt werden,

inwieweit es das Primärrecht zulässt, eine derartige Preisbindung einschließlich

Rabattverbot auch auf den grenzüberschreitenden Versand von Arzneimitteln nach

Deutschland anzuwenden (nachstehend auch als "streitgegenständliche Regelung"

bezeichnet). Insoweit erscheint die Vorlagefrage zu weit formuliert. Die Vorlagefrage

kann sich vor dem Hintergrund des Ausgangsverfahrens auch nur auf den einheitlichen

Abgabepreis der Apotheken beziehen. Auch dies sollte in der Vorlagefrage präzisiert

werden. Die Kommission empfiehlt daher, die Vorlagefrage wie folgt umzuformulieren:

"Stellt eine Regelung eines Mitgliedstaats, die es in anderen Mitgliedstaaten ansässigen

Apotheken verbietet, verschreibungspflichtige Arzneimittel im Wege des

grenzüberschreitenden Versandhandels an Endkunden in diesem Mitgliedstaat unterhalb

des in diesem Mitgliedstaat geltenden einheitlichen Apothekenabgabepreises zu

verkaufen, eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Artikel 34 AEUV dar?"

2. Maßnahme gleicher Wirkung

21. Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Maßnahme, die geeignet ist, den Handel

zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu

behindern, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige

Beschränkung.7 Die streitgegenständliche Regelung ist geeignet, das Volumen des

Absatzes von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten

einzuschränken und damit den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zumindest

potentiell zu behindern. Durch die Preisbindung wird den Wirtschaftsteilnehmern

nämlich eine Methode der Absatzförderung genommen. Sie haben nicht die Möglichkeit,

7 Urteil vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, EU:C: 1974:82, Rn. 5.

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ihre Preise frei festzulegen und auf den Markt des Einfuhrmitgliedstaates auszurichten.

Sie können auch nicht ihre Wettbewerbsvorteile nutzen.9

22. Bestimmte Verkaufsmodalitäten werden jedoch nicht vom Verbot des Artikels 34 AEUV

umfasst. Verkaufsmodalitäten betreffen nicht die Merkmale eines Erzeugnisses, sondern

nur die Modalitäten unter denen es verkauft werden darf. Dies trifft auf die

streitgegenständliche Preisregelung zu. Die Anwendung des Artikels 34 AEUV auf

Verkaufsmodalitäten ist jedoch nur dann ausgeschlossen, sofern sie für alle betroffenen

Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den

Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten

rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Anderenfalls sind diese

Regelungen geeignet, den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten zu

behindern. In einem solchen Falle handelt es sich um eine Maßnahme gleicher

Wirkung.10

23. Vorliegend wird der Absatz der inländischen Arzneimittel und der importierten

Arzneimittel jedoch tatsächlich nicht in gleicher Weise berührt. Durch die

streitgegenständliche Regelung wird der Marktzugang für importierte Arzneimittel de

facto stärker behindert als der Marktzugang für inländische Erzeugnisse.

24. Dies folgt daraus, dass die inländischen Versandapotheken von der

streitgegenständlichen Regelung nicht berührt werden, aber die ausländischen

Versandapotheken die strukturellen Nachteile des grenzüberschreitenden

Versandhandels nicht durch das Angebot wettbewerbsfähiger Preise kompensieren

können. Daher ist von einer Maßnahme gleicher Wirkung auszugehen.

25. Für außerhalb Deutschlands ansässige Apotheken stellen der Versandhandel und

insbesondere der Online-Handel die einzige Möglichkeit dar, direkten Zugang zum

deutschen Markt zu erhalten. Dies liegt daran, dass die meisten dieser Apotheken

8 Vgl. zu diesem Argument Urteile vom 24. November 1993, Keck und Mithouard, C-267/91 und C-268/91, EU:C:1993:905, Rn. 13 und vom 11. August 1995, Belgapom, C-63/94, EU:C: 1995:270, Rn. 11.

9 Vgl. dazu Urteil des Gerichtshofs vom 24. Januar 1978, van Tiggele, 82/77, EU:C:1978:10, Rn. 13/15; Urteil des Gerichtshofs vom 10. Januar 1985, Leclerc/Au blé vert, 229/83, EU:C:1985:1, Rn. 26; Urteil des Gerichtshofs vom 29. Januar 1985, Cullet/Leclerc, 231/83, EU:C:1985:29, Rn. 23.

10 Urteil vom 2. Juli 1987, Levèfre, 188/86, EU:C: 1987:327, Rn. 10, m.w.N.; Urteil vom 24. November 1993, Keck und Mithouard, C-267/91 und C-268/91, EU:C:1993:905, Rn. 16 und 17; Urteil vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, C-l 10/05, EU:C:2009:66, Rn. 36; Urteil vom 30. April 2009, Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/Libro, C-531/07, EU:C:2009:276, Rn. 17.

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aufgrund ihrer Rechtsform in Deutschland keine Filialapotheke eröffnen dürfen.11 Für

die in Deutschland ansässigen Apotheken stellt der Versand-ZOnlinehandel hingegen

lediglich einen willkommenen zusätzlichen Vertriebsweg dar. Diese unterschiedlichen

Marktzugangsmöglichkeiten der ausländischen und inländischen Apotheken hat auch der

Gerichtshof in der Rechtssache DocMorris12 herausgearbeitet.

26. Grundsätzlich schrecken Verbraucher davor zurück, über das Internet Waren aus dem

Ausland zu bestellen. Um überhaupt eine Chance zu haben, über diesen einzigen

Vertriebsweg Zugang zum deutschen Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu

erlangen, muss es den ausländischen Versandapotheken daher möglich sein,

wettbewerbsfähige Preise anzubieten, die unterhalb des in der AMPreisV geregelten

einheitlichen Apothekenabgabepreises liegen.13

27. Die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Apotheken haben außerdem im Hinblick auf

den Verkauf der verschreibungspflichtigen Arzneimittel in Deutschland bestimmte

Vertriebskosten, die höher sind als bei den in Deutschland ansässigen Apotheken. So

sind die Portokosten für den grenzüberschreitenden Versand in der Regel höher als für

den Inlandsversand. Außerdem können die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen

Apotheken im Gegensatz zu den in Deutschland ansässigen Apotheken grundsätzlich

nicht die Arzneimittel für den Versand nach Deutschland verwenden, die sie in der

Präsenzapotheke vor Ort für ihre Kunden vorhalten. Dies folgt unter anderem daraus,

dass die in Deutschland vertriebenen Arzneimittel aufgrund der derzeitigen deutschen

Gesetzeslage auf Deutsch gekennzeichnet werden müssen und die Packungsbeilage auf

Deutsch verfasst sein muss (vgl. § 10 und § 11 AMG). Die in anderen Mitgliedstaaten

ansässigen Apotheken müssen sich zusätzlicher Lieferketten bedienen, um auch die auf

dem deutschen Markt zugelassenen Arzneimittel anbieten zu können. Dies verursacht

zusätzliche Kosten. Diese entstehen insbesondere daraus, dass die Arzneimittel erst

grenzüberschreitend zur Versandapotheke geliefert werden müssen, was deutlich teurer

ist als eine Belieferung innerhalb Deutschlands. Aufgrund der streitgegenständlichen

Vgl. dazu § 1 Absatz 2 und § 2 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit §§7 und 8 Apothekengesetz (ApoG) sowie das Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes, C-171/07 und C-172/07, EU:C:2009:316, welches die Europarechtskonformität dieser Regelungen bestätigt hat. Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2003, DocMorris, Rs. C-322/01, Rn. 74. Eine ähnliche Erwägung findet sich im Urteil vom 8. März 2001, Gourmet International Products, C-405/98, EU:C:2001:135, Rn. 21, in Bezug auf Werbeverbote, die sich auf (ausländische) Produkte stärker auswirken als auf inländische Erzeugnisse, mit denen der Verbraucher besser vertraut ist.

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Regelung werden die in den anderen Mitgliedstaaten ansässigen Apotheken daran

gehindert, durch das Angebot günstigerer Preise und Boni genügend Kunden in

Deutschland zu gewinnen, um trotz der genannten höheren Kosten

verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland noch wirtschaftlich absetzen zu

können.14

28. Die Regelungen der AMPreisV bedeuten letztlich auch, dass im Ausland ansässige

Apotheken bestimmte auf rein inländischen Kostenfaktoren beruhende Preisbestandteile

bei der Preisfestsetzung verbindlich zu beachten haben. Dies birgt immer das Risiko in

sich, dass der freie Warenverkehr beeinträchtigt wird.15

29. So muss den Kunden nach § 3 Absatz 1 AMPreisV pro Arzneimittel 16 Cent zur

Förderung der Sicherstellung des Notdienstes in Rechnung gestellt werden. Die

Zuschläge für den Notdienst müssen die Apotheken an den vom Deutschen

Apothekerverband e.V. errichteten und verwalteten Fonds zur Förderung der

Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken abführen.16 Aus diesem Fonds erhalten

die Apotheken für jeden erbrachten Notdienst einen Zuschuss.17 Dadurch sollen

Belastungen für Apotheken insbesondere in dünn besiedelten Gebieten ausgeglichen

werden. Diese haben häufiger Notdienst, wobei die tatsächliche Inanspruchnahme des

Notdienstes oft gering sein mag.18 Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die in

anderen Mitgliedstaaten ansässigen Apotheken Teil dieses - soweit ersichtlich -

territorial auf Deutschland beschränkten Finanzierungs- und Umverteilungssystems

wären. Sie kommen ihren Notdienstverpflichtungen in dem Mitgliedstaat nach, in dem

sie ansässig sind, und zu den dort geltenden finanziellen Rahmenbedingungen. Dies führt

aber dazu, dass die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Apotheken bei ihren Kunden

Beträge in einer bestimmten Höhe geltend machen müssen, ohne dass sie diese Beträge

zweckentsprechend an den Fonds zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von

14 Siehe auch Bericht des Bundeskartellamts über seine Tätigkeit in den Jahren 2009/2010 sowie über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet, und Stellungnahme der Bundesregierung in Bundestags-Dmcksache 17/6640, S. 102 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/066/1706640.pdf). Dort wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Bonuszahlungen oder Erstattungen der Zuzahlungsbeiträge durch Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland um eine Art Gegenleistung handele, um die Nachteile des Versandweges bei verschreibungspflichtigen Medikamenten auszugleichen.

15 Vgl. zum Problem der Preisfestsetzung aufgrund der Kostenfaktoren von inländischen Erzeugnissen Urteil vom 19. März 1991, Kommission/Belgien, C-249/88, EU:C:1991:121, Rn. 7 ff.

16 Vgl. § 19 Absatz 1 Apothekengesetz. 17 Vgl. § 20 Absatz 3 Apothekengesetz. 18 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken,

Bundestags-Dmcksache 17/13081, S. 1 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/130/1713081.pdf).

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Apotheken abführen müssen. Die ausländischen Apotheken müssen daher von ihren

Kunden Beträge geltend machen, denen im Prinzip keine „Gegenleistung"

(Sicherstellung des Notdienstes) gegenübersteht. Sie haben nämlich keine Möglichkeit,

die 16 Cent von ihren Preisen in Abzug zu bringen und die fehlende „Gegenleistung"

auszugleichen. Durch eine solche auf rein inländischen Kostenfaktoren beruhende

Preisfestsetzung werden sie gegenüber inländischen Apotheken benachteiligt.

B. ZWEITE UND DRITTE VORLAGEFRAGE

1. Auslegung der zweiten und dritten Vorlagefrage

30. Mit der zweiten Vorlagefrage will das Oberlandesgerichts Düsseldorf wissen, ob die

Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß Artikel 36 AEUV zum

Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt ist, wenn nur durch

sie eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in

ganz Deutschland, insbesondere in den ländlichen Gebieten gewährleistet wird. Diese

Frage unterstellt bereits, dass die streitgegenständliche Regelung die einzige Alternative

ist, um die gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung

Deutschland sicherzustellen. Ob die Erreichung eines von Artikel 36 AEUV geschützten

Regelungsinteresses nur durch eine bestimmte Maßnahme oder durch andere den freien

Warenverkehr weniger beschränkende Maßnahmen erreicht werden kann, ist jedoch

gerade Gegenstand der nach Artikel 36 AEUV erforderlichen

Verhältnismäßigkeitsprüfung. Eher auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung zielt die dritte

Vorlagefrage mit der das vorlegende Gericht im Ergebnis wissen möchte, ob die

Verhältnismäßigkeit der Preisregelung in tatsächlicher Hinsicht gegeben ist. Die Fragen

sind daher eng verknüpft.

31. Die Kommission empfiehlt daher, die zweite und dritte Vorlagefrage wie folgt in eine

Frage umzuformulieren und dabei auch die unter Randziffer 20 genannten

Präzisierungen vorzunehmen: "Kann die Regelung eines Mitgliedstaats, die es in anderen

Mitgliedstaaten ansässigen Apotheken verbietet, verschreibungspflichtige Arzneimittel

im Wege des grenzüberschreitenden Versandhandels an Endkunden in diesem

Mitgliedstaat unterhalb des in diesem Mitgliedstaat geltenden einheitlichen

Apothekenabgabepreises zu verkaufen, nach Artikel 36 AEUV mit der Begründung

gerechtfertigt werden, dass die Regelung das einzige Mittel ist, um in dem Mitgliedstaat

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eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu

gewährleisten?"

2. Rechtfertigung nach Artikel 36 AEUV

2.1. Mögliche Rechtfertigungsgründe

32. Deutschland hält die streitgegenständliche Regelung aus Gründen des

Gesundheitsschutzes für gerechtfertigt. Die entsprechenden einzelnen Gründe lassen sich

unter anderem der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung19 sowie der

Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur ·· ^ ^ Ο Λ Anderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften und anderer Vorschriften entnehmen.

Danach werde durch die streitgegenständliche Regelung der Gefahr eines ruinösen

Preiswettbewerbs unter Apotheken entgegengewirkt. Dadurch werde die im öffentlichen

Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit

Arzneimitteln sichergestellt.21

33. Durch das Anpreisen günstigerer Preise oder Mengenrabatte bestünde laut

höchstrichterlicher Rechtsprechung und der oben genannten Gesetzesbegründung immer

auch die Gefahr eines Fehl- oder Mehrgebrauchs. Ärzte könnten unter Druck gesetzt

werden und Wunschverschreibungen ausstellen. Der Patient müsse sich außerdem darauf

verlassen können, dass er in jeder Apotheke das Arzneimittel zu demselben Preis

erhalten könne. Er solle nicht in die Situation gelangen, dass er in der besonderen

Situation der Krankheit Preise vergleichen müsse (Schutz des Patienten vor

Überforderung). Die genannten Schutzwirkungen der Regelungen gingen verloren, wenn

die Preisbindung für ausländische Versandapotheken nicht gelten würde.22 Ein weiteres

Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 -GmS-OGB 1/10 (vgl. Fußnote 5); Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 77/09, Rn. 33, abmfbar unter http://openjur.de/u/685209.html. Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs in der Bundestags-Drucksache 17/9341 (18.4.2012), S. 66­67, abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/093/1709341.pdf. Das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften und andere Vorschriften ergänzte § 78 AMG um die Klarstellung, dass die AMPreisV auch für den Versandhandel aus dem Ausland nach Deutschland gilt (vgl. oben Rz. 14 und 15). Vgl. dazu Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 -GmS-OGB 1/10 (vgl. Fußnote 5), Rn. 25 und 46 sowie Bundestags-Drucksache 17/9341 (vgl. Fußnote 20), S. 66. Siehe Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 2014 - 1 ZR 77/09 (vgl. Fußnote 19) sowie Bundestags-Drucksache 17/9341 (vgl. Fußnote 20), S. 66-67 sowie Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 - GmS-OGB 1/10 (vgl. Fußnote 5), Rn. 25 und 46.

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Ziel der Preisbindung, die Arzneimittelpreise zu senken23, spielt für die im

Ausgangsverfahren gegebene Sachkonstellation (Rabattverbot) gerade keine Rolle.

34. Im Folgenden wird insbesondere auf die Frage eingegangen, inwieweit die

gegenständliche Regelung mit ihrem grenzüberschreitenden Anwendungsbereich nach

Artikel 36 AEUV zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen

gerechtfertigt ist, soweit es gerade darum geht, eine flächendeckende und gleichmäßige

Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Weitere

Rechtfertigungsgründe scheint das vorlegende Gericht gerade nicht in Betracht zu

ziehen.24

35. Der Vollständigkeit halber und rein vorsorglich sei dennoch kurz erwähnt, dass die reine

Befürchtung, wonach Patienten Druck auf die Ärzte ausüben, um entgegen dem

ärztlichen Verhaltenskodex therapeutisch unnötige Ver Schreibungen auszustellen, nicht

als Rechtfertigung im Sinne von Artikel 36 AEUV herangezogen werden kann. Bei

verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist aufgrund der Verschreibung der Arzneimittel

durch Ärzte nach deren Berufsregeln grundsätzlich gerade keine Gefahr des Fehl- und

Mehrgebrauchs aufgrund verkaufsfördernder Maßnahmen gegenüber Patienten 25 anzunehmen. Die Apotheken sind außerdem an die Verschreibung des Arztes gebunden

und dürfen nicht mehr als die verschriebene Menge an Arzneimitteln abgeben. Für die

weitere abstrakte Befürchtung, dass der Patient als mündiger Verbraucher wegen

unterschiedlicher Preise der Arzneimittel überfordert und zum rechtzeitigen Erwerb von

Arzneimitteln außerstande sein soll, gibt es ebenso keinerlei Anhaltspunkte.

Vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 -GmS-OGB 1/10 (vgl. Fußnote 5), Rn. 25. Vgl. Vorlagebeschluss, Rn. 20. Urteil vom 22. April 2010, Association of the British Pharmaceutical Industry, C-62/09, EU:C:2010:219, Rn. 39 und 40; Urteil vom 5. Mai 2011, MSD Sharp, C-316/09, EU:C:2011:275, Rn. 37; Urteil vom 5. Dezember 2013, Venturini, verbundene Rechtssachen C-159/12 bis C-161/12, EU:C:2013:791, Rn. 56 und 57.

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2.2. Sicherstellung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln als legitimes Ziel des Gesundheitsschutzes

36. Das Ziel der Gewährleistung einer sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung der

Bevölkerung mit Arzneimitteln kann Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Gründen

des Gesundheitsschutzes im Sinne von Artikel 36 AEUV grundsätzlich rechtfertigen.26

37. Die Kommission hat in ihrem Mahnschreiben vom 20. November 2013 an die deutsche

Bundesregierung die Auffassung geäußert, dass es für eine gute Arzneimittelversorgung

in ländlichen Gebieten mit wenigen niedergelassenen Apotheken eher positiv wäre, wenn

die Patienten zusätzlich zu dem Angebot der lokalen Apotheken noch die Möglichkeit

haben, ihre Arzneimittel zu günstigen Preisen im Internet bzw. per Versand zu bestellen.

Durch diese Argumentation soll die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu der

flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln,

welche insbesondere auf den direkten Bezug von Arzneimitteln in örtlicher Nähe

abstellt, jedoch in keiner Weise relativiert werden.27

2.3. Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten und Nachweis der Verhältnismäßigkeit der Regelung

38. Aus Artikel 168 Absatz 7 AEUV folgt, dass bei der Tätigkeit der Union die

Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für

die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt

wird. Dennoch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten die

Bestimmungen des AEUV über die Grundfreiheiten beachten.28

39. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Gesundheit der Bevölkerung unter den vom

Vertrag geschützten Gütern und Interessen den ersten Rang einnehmen und dass es

Sache der Mitgliedstaaten ist, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu bestimmen,

auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten

Urteil vom 5. Dezember 2013, Venturini, verbundene Rechtssachen C-159/12 bis C-161/12, EU:C:2013:791, Rn. 42; Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 25 m.w.N. Diesbezüglich weicht die Widergabe der Auffassung der Kommission im Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf von der im Mahnschreiben der Kommission tatsächlich vertretenen Auffassung ab (vgl. dazu Rn. 14 des Vorlagebeschlusses). Vgl. dazu Urteil des Gerichtshofs vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C-141/07, EU:C:2008:492, Rn. 22 und 23 sowie Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes, verbundene Rechtssachen C-171/07 und C-l72/07, EU:C:2009:316, Rn. 18 und 19. Diese Urteile sind zu dem weitgehend inhaltsgleichen Artikel 152 Absatz 5 EG erlassen worden.

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wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll.29 Da sich dieses Niveau von einem

Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein

Wertungsspielraum zuzuerkennen.30

40. Wenn das Vorliegen und der Umfang von Gefahren für die menschliche Gesundheit

ungewiss ist, kann ein Mitgliedstaat Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu

müssen, bis das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargelegt sind. Außerdem

kann der Mitgliedstaat diejenigen Maßnahmen treffen, die eine Gefahr für die

Gesundheit der Bevölkerung, einschließlich der Gefahr für die sichere und qualitativ * * 3 1 hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, weitestmöglich verringern. In

diesem Zusammenhang ist der besondere Charakter der Arzneimittel zu betonen, deren

therapeutische Wirkungen sie substanziell von den übrigen Waren unterscheiden.32

41. Nach Auffassung der Kommission ändert dieser Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten

nichts daran, dass eine den freien Warenverkehr beschränkende Regelung im Hinblick

auf die Verwirklichung eines von Artikel 36 AEUV geschützten Zieles nach ständiger

Rechtsprechung verhältnismäßig sein und der Mitgliedstaat aufzeigen muss, dass die von

ihm beanspruchte Ausnahme vom freien Warenverkehr begründet ist.33 Es obliegt den

nationalen Behörden, nachzuweisen, dass ihre Regelung geeignet ist, das verfolgte Ziel

zu erreichen und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich

ist.34 Der Mitgliedstaat muss geeignete Beweise oder eine Untersuchung zur

Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen beschränkenden

Urteil vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C-141/07, EU:C:2008:492, Rn. 46 und 51; Urteil vom 9. Dezember 2010, Humanplasma, C-421/09, EU:C:2010:760, Rn. 32; Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 26. Vgl. Urteil vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C-141/07, EU:C:2008:492, Rn. 51; Urteil vom 13. Februar 2014, Sokoll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 26. Urteil vom 5. Dezember 2013, Venturini, verbundene Rechtssachen C-159/12 bis C-161/12, EU:C:2013:791, Rn. 60, m.w.N. Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes, verbundene Rechtssachen C-171/07 und C-172/07, EU:C:2009:316, Rn. 31. Urteil vom 19. Juni 2003, C-420/01, Kommission/Italien, EU:C:2003:363, Rn. 30; Urteil vom 7. Juni 2007, Kommission/Belgien, C-254/05, EU:C:2007:319, Rn. 35 und 36; Urteil vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C-141/07, EU:C:2008:492, Rn. 50; Urteil vom 9. Dezember 2010, Humanplasma, C-421/09, EU:C:2010:760, Rn. 38; Urteil vom 6. September 2012, Kommission/Belgien, C-150/11, EU:C:2012:539, Rn. 57; Urteil vom 20. März 2014, Kommission/Polen, C-639/11, EU:C:2014:173, Rn. 55; Urteil vom 20. März 2014, Kommission/Litauen, C-61/12, EU:C:2014:172, Rn. 60. Urteil vom 9. Dezember 2010, Humanplasma, C-421/09, EU:C:2010:760, Rn. 38; Urteil vom 20. März2014, Kommission/Polen, C-639/11, EU:C:2014:173, Rn. 55; Urteil vom 20. März2014, Kommission/Litauen, C-61/12, EU:C:2014:172, Rn. 60.

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3 5 Maßnahme vorlegen sowie genau Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen.

Eine bloße abstrakte Berufung auf eines der von Artikel 36 AEUV umfassten

Regelungsziele reicht in dem Zusammenhang nicht aus.36

2.4. Verhältnismäßigkeitsprüfung

42. Was die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Regelung im konkreten Fall angeht,

hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Beurteilung einer Untersuchung der

rechtlichen und tatsächlichen Umstände bedarf, die die Lage in dem betroffenen

Mitgliedstaat kennzeichnen und die durchzuführen das vorlegende Gericht besser in der • 37 Lage ist. Jedoch können dem vorlegenden Gericht trotzdem Hinweise gegeben werden,

die diesem eine Entscheidung ermöglichen.38

43. Aufgrund der ihr vorliegenden Informationen ist die Kommission der Auffassung, dass

die Verhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Regelung nicht aufgezeigt ist.

Vielmehr sprechen gewichtige Argumente gegen ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit.

a) Geeignetheit der streitgegenständlichen Regelung

44. Eine beschränkende Maßnahme kann als geeignet angesehen werden, die Erreichung des

angestrebten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es

in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.39

45. Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Zwischen

der streitgegenständlichen Regelung und dem Ziel der flächendeckenden und

gleichmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln besteht nämlich keine ausreichende

Verknüpfung. Außerdem existieren andere entscheidende Faktoren, welche das

Regelungsziel völlig unabhängig von einem bestimmten Preisniveau für

verschreibungspflichtige Arzneimittel nachteilig beeinflussen. Eine Ausschaltung des

Preiswettbewerbs führt nicht dazu, dass diese nachteiligen Faktoren ausgeglichen

würden.

35 Urteil vom 7. Juni 2007, Kommission/Belgien, C-254/05, EU:C:2007:319, Rn. 36. 36 Vgl. dazu Urteil vom 6. September 2012, Kommission/Belgien, C-l 50/11, EU:C:2012:539, Rn. 57. 37 Urteil vom 28. September 2006, Ahokainen, C-434/04, EU:C:2006:609, Rn. 37 und 38. 38 Vgl. Urteil vom 28. September 2006, Ahokainen, C-434/04, EU:C:2006:609, Rn. 39; Urteil vom

13. Februar 2014, Sok€ll-Seebacher, C-367/12, EU:C:2014:68, Rn. 40. 39 Urteil vom 19. Mai 2009, Apotheker kammer des Saarlandes, verbundene Rechtssachen C-l 71/07 und

C-172/07, EU:C:2009:316, Rn. 42; Urteil vom 8. September 2010, Stoß u.a., verbundene Rechtssachen C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07, EU:C:2010:504, Rn. 98; Urteil vom 16. Dezember 2010, Josemans, C-l37/09, EU:C:2010:774, Rn. 70.

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aa) Keine ausreichende Verknüpfung zwischen Preisregelung und flächendeckender und

gleichmäßiger Versorgung mit Arzneimitteln

46. Es trifft sicherlich zu, dass die streitgegenständlichen Preisregeln und Rabattverbote den

Preiswettbewerb zwischen Apotheken verhindern und für den wirtschaftlichen Erfolg

einiger Apotheken in Deutschland eine wichtige Rolle spielen mögen. Nach

§ 78 Absatz 2 Satz 1 AMG müssen die festgelegten Preise und Preisspannen für

verschreibungspflichtige Arzneimittel den berechtigten Interessen der

Arzneimittel Verbraucher und Apotheken Rechnung tragen. § 78 Absatz 1 Satz 2 AMG

ermöglicht es außerdem, den Festzuschlag, den die Apotheken bei der Abgabe der

verschreibungspflichtigen Arzneimittel erheben müssen, entsprechend der

Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen. Und

im Jahre 2013 wurden 80,3 % des Apothekenumsatzes, d.h. der größte Teil des

Umsatzes, durch verschreibungspflichtige Arzneimittel erzielt.40 Deshalb mag es

stimmen, dass die Preisregelung und das Rabattverbot eine höhere Gesamtzahl von

Apotheken in Deutschland zur Folge haben können.

47. Jedoch sagt die reine Anzahl der Apotheken nichts darüber aus, inwieweit eine

flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln

sichergestellt werden kann. So ist zweifelhaft, dass die Ausschaltung des

Preiswettbewerbs einer patientengerechten Verteilung der Apotheken in der Fläche

förderlich ist. So ist für den wirtschaftlichen Erfolg einer Apotheke der Standort, z.B.

wegen der Erreichbarkeit in Stadtzentren oder in der Nähe von Arztpraxen, eine

entscheidende Determinante.41 Eine Steuerung dahingehend, dass sich Apotheken in

unterversorgten ländlichen oder strukturschwachen Gebieten niederlassen würden, kann

mit der Ausschaltung des Wettbewerbs eher nicht erreicht werden. Entsprechend wird im

Gutachten 2014 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im

Gesundheitswesen42 auch davon ausgegangen, dass gerade mehr Preiswettbewerb unter

den Apotheken für die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln förderlich ist. Ein

solcher Preiswettbewerb dürfte sich in mit Apotheken überversorgten Gebieten stärker

40 Vgl. dazu Gutachten 2014 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen/Bedarfsgerechte Versorgung - Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche, Bundestags-Drucksache 18/1940, S. 117, abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/019/1801940.pdf; die Zahl beruht auf Angaben der ABDA-Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.

41 Bundestags-Drucksache 18/1940 (vgl. Fußnote 40), S. 121. 42 Dieses Beratungsgremium ist in § 142 Sozialgesetzbuch V gesetzlich geregelt.

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als in strukturschwachen ländlichen Regionen entfalten und positive Anreize zur

Niederlassung in mit Apotheken schwach besetzten Gegenden setzen, wo höhere Preise

verlangt werden könnten.43

48. Den Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten liegt auch eindeutig das

Verständnis zugrunde, dass mehr Preiswettbewerb unter Apotheken nicht geeignet ist,

die flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung in Deutschland zu

beeinträchtigen.

49. Diese Grundannahme muss erst recht im Hinblick auf den Versand

verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch ausländische Versandapotheken nach

Deutschland gelten. Der Marktanteil ausländischer Versandapotheken beim Verkauf

verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Deutschland ist nämlich äußerst gering. Nach

Angaben des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken wurden im Jahre 2014 3 %

des Umsatzes in Deutschland im Versandhandel erzielt. Nur 17 % von diesem Umsatz

beziehen sich auf den Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente.44

50. Der Versandhandel richtet sich außerdem an ganz bestimmte (technisch versierte)

Verbraucher und lässt dem Verkauf von Arzneimitteln über Präsenzapotheken weiterhin

ausreichend Raum. Viele Patienten, welche die persönliche Ansprache und Beratung in

ihnen vertrauten Apotheken schätzen, werden weiterhin diesen Apotheken verbunden

bleiben und Arzneimittel nicht bestellen.45

51. Der Sachverständigenrat kommt in seinem Gutachten auch zu dem Schluss, dass

angesichts des im quantitativ dominanten Marktsegment der verschreibungspflichtigen

Arzneimittel völlig fehlenden Preiswettbewerbs und des auch in den übrigen Bereichen

schwach ausgeprägten Preis- und Qualitätswettbewerbs Apotheken, die nach einer

effizienteren Produktionsweise streben, solche mit einer suboptimalen Betriebsgröße

nicht vom Markt drängen könnten. Daraus resultiere eine "nicht hinreichend effiziente

Bundestags-Dmcksache 18/1940 (vgl. Fußnote 40), S. 120 und 123. Vgl. Bundesverband Deutscher Versandapotheken, Daten und Fakten zum Arzneimittelversandhandel in Deutschland, abrufbar unter http://www.bvdva.de/home/daten-und-fakten. Ähnlich hatte das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 21. September 2004, 4 U 74/04, Rn. 137, argumentiert (abmfbar unter http://openjur.de/u/l01819.html).

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und effektive Arzneimitteldistribution", die zum einen zu hohe Kosten verursache und

zum anderen einen "zu geringen Raum für vorteilhafte Spezialisierungen" eröffne.46

52. Der fehlende Wettbewerb zwischen den Apotheken erscheint im Hinblick auf eine

effektive Arzneimitteldistribution, die u.a. Raum für vorteilhafte Spezialisierungen

eröffnet und damit auch qualitativen Anforderungen an die Versorgung Rechnung trägt,

daher gerade kontraproduktiv.

53. Schließlich ist noch anzumerken, dass der Gerichtshof in der Rechtssache DocMorris

den Vortrag des Apothekerverbandes, wonach die Zulassung des grenzüberschreitenden

Verkaufs von Arzneimitteln ohne Preisbindung die deutschen Apotheken in ihrem

Bestand gefährden und damit die Intaktheit des deutschen Gesundheitswesens

beeinträchtigen könnte, für nicht ausreichend gehalten hat, um Beschränkungen des

Warenverkehrs zu rechtfertigen.47 Auch der Gerichtshof scheint daher der Auffassung zu

sein, dass ein ausreichender Zusammenhang zwischen einer fehlenden Preisbindung im

grenzüberschreitenden Versandhandel und einer den Gesundheitsschutz

beeinträchtigende Gefährdung des Apothekenbestandes grundsätzlich nicht gegeben ist.

bb) Andere Faktoren, die sich auf den Bestand von Apotheken und die

flächendeckende und gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln nachteilig auswirken

(Landärztemangel und Bevölkerungsschwund in bestimmten Gegenden)

54. Für die fehlende Eignung der Regelung, die Arzneimittelversorgung gleichmäßig und

flächendeckend zu gewährleisten, spricht schließlich auch die Existenz anderer Faktoren,

welche sich auf die Apothekendichte ganz unabhängig von einem bestimmten

Arzneimittelpreisniveau nachteilig auswirken.

55. So hängt die Apothekendichte in Deutschland eng mit der Ärztedichte in einem

bestimmten Gebiet ab.48 In Gegenden, in denen nur wenige Ärzte niedergelassen sind,

die Arzneimittel verschreiben, gibt es naturgemäß auch weniger (Rezept-)Kunden für die

Apotheken.

Bundestags-Drucksache 18/1940 (vgl. Fußnote 40), S. 121 und 122. Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 2003, DocMorris, Rs. C-322/01, Rn. 120 und 123. Vgl. Thünen Working Paper 14 des Thünen Instituts für Ländliche Räume, Modellierung der Erreichbarkeit öffentlicher Apotheken - Untersuchung zum regionalen Versorgungsgrad mit Dienstleistungen der Grundversorgung, Dezember 2013, S. 6, abrufbar unter http://literatur.ti.bund.de/digbib_extem/dn052778.pdf.

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56. In Deutschland ist die ambulante vertragsärztliche Versorgung aber durch erhebliche

Allokationsprobleme gekennzeichnet. Einerseits besteht eine räumliche Fehlverteilung

der Versorgungskapazitäten, mit zahlreichen Hinweisen auf Überversorgung in

Ballungsräumen und Unterversorgung in strukturschwachen Regionen und andererseits

existieren auch zunehmende Defizite in der Ausgewogenheit des Verhältnisses zwischen

haus- und fachärztlicher Versorgung.49

57. Nach den Angaben der Deutschen Apothekerzeitung ist der Ärztemangel in ländlichen

Gegenden50 für Apotheken und die Arzneimittelversorgung problematisch.51 Es ist

jedoch nicht davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Regelung zumindest als

alleinige Maßnahme diesen nachteiligen Faktor ausgleichen kann.52

58. Diese Argumentation gilt im Hinblick auf den Bevölkerungsrückgang in einigen (auch

ländlichen) Gegenden Deutschlands entsprechend. Dieser Bevölkerungsrückgang führt

insgesamt zu einem Rückgang der Angebotsstrukturen. Mit dem Sinken der

Einwohnerzahlen sinkt auch die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen. Viele

herkömmliche Versorgungsangebote sind dadurch nicht mehr tragfåhig. Die Anbieter

ziehen sich dementsprechend aus den dünn besiedelten Gebieten zurück.53 Dies gilt

naturgemäß auch für Apotheken.54 Die Preisbindung reicht zumindest als alleinige

Maßnahme nicht aus, um diese für die Arzneimittelversorgung nachteilige Entwicklung

auszugleichen.

b) Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Regelung

59. Im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Maßnahme ist daran zu erinnern, dass

Artikel 36 AEUV eine eng auszulegende Ausnahme vom Grundsatz des freien

Warenverkehrs darstellt. Deshalb haben die nationalen Behörden darzutun und

Bundestags-Drucksache 18/1940 (vgl. Fußnote 40), S. 400 und 402. Bundestags-Drucksache 18/1940 (vgl. Fußnote 40), S. 349. Die Landapotheke: Die Situation von Apotheken in Orten unter 5000 Einwohnern, Deutsche Apotheker Zeitung, Ausgabe vom 12.7.2012, S. 60; vgl. auch Pharmazeutische Zeitung online, Landflucht: Erst der Arzt, dann der Apotheker?, 20.4.2015, abmfbar unter http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=57486. Vgl. diesbezüglich zum Zusammenhang zwischen Ärztedichte, Regulierung des Apothekenbetriebs und der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln Thünen Working Paper 14 (vgl. Fußnote 48), S. 6. Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung: Von Hürden und Helden - Wie sich das Leben auf dem Land neu erfinden lässt, Berlin, 2015, S. 11, abrufbar unter http://www.berlin-institut.org/fileadmin/üsei'upload/VonHuerdenund Heiden/B IHuerden Und Helđen_Online-I .pdf. Vgl. dazu und zum Verhältnis von Einwohnerdichte zur Anzahl der Apotheken Thünen Working Paper 14 (Fußnote 48), S. 6, 7 und 9.

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nachzuweisen55, dass die Maßnahme erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu

erreichen, und dass dieses Ziel nicht durch Verbote oder Beschränkungen erreicht

werden kann, die weniger umfangreich sind oder den innergemeinschaftlichen Handel

weniger beeinträchtigen.

60. Selbst wenn man die Anwendung des einheitlichen Apothekenabgabepreises

einschließlich der Rabattverbote auf ausländische Versandapotheken als geeignetes

Mittel ansehen würde, liegen zur Sicherstellung der flächendeckenden und

gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln alternative Mittel auf der

Hand, welche den freien Warenverkehr weniger beeinträchtigen. Die oben erwähnte

Expertise des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im

Gesundheitswesen nennt in diesem Zusammenhang beispielsweise die Einführung einer

pauschalen Apothekertaxe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Vergütung

der Dienstleistung der Apotheker mit der Option von apothekenindividuellen

Handelsspannen innerhalb von Obergrenzen oder den Einsatz von Apothekenbussen zur

mobilen Arzneimittelversorgung in ländlichen und strukturschwachen Räumen.56

61. Wie unter Punkt III.A.2) dargestellt behindert die streitgegenständliche Regelung den

Marktzugang von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Apotheken ganz erheblich.

Faktisch kann sie die weitgehende Abschottung des deutschen Marktes bewirken.

62. In diesem Zusammenhang sei - ohne dass dies angesichts der oben gegen die

Verhältnismäßigkeit der Regelung vorgebrachten Punkte letztentscheidend wäre - auf die

Rechtsprechung des Gerichtshofs hingewiesen, wonach ein Mitgliedstaat vor dem Erlass

von erheblichen Beschränkungen des freien Warenverkehrs sorgfältig zu prüfen hat, ob

nicht auf Maßnahmen zurückgegriffen werden kann, die den freien Verkehr weniger

beschränken, und solche Maßnahmen nur ausschließen darf, wenn ihre Ungeeignetheit

im Hinblick auf den verfolgten Zweck eindeutig feststeht.57 Dafür, dass eine solche

Prüfimg stattgefunden hätte mit dem Ergebnis, dass weniger beschränkende Maßnahmen

nicht in Betracht kommen, ist nichts ersichtlich.

55 Urteil vom 11. September 2008, Kommission/Deutschland, C-141/07, EU:C:2008:492, Rn. 50; Urteil vom 9. Dezember 2010, Humanplasma, C-421/09, EU:C:2010:760, Rn. 38; Urteil vom 20. März 2014, Kommission/Polen, C-639/11, EU:C:2014:173, Rn. 55; Urteil vom 20. März 2014, Kommission/Litauen, C-61/12, EU:C:2014:172, Rn. 60.

56 Bundestags-Dmcksache 18/1940 (Fußnote 40), insbesondere S. 120 und 123. 57 Urteil vom 15. November 2005, Kommission/Österreich, C-320/03, EU:C:2005:684, Rn. 87; Urteil des

Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Kommission/Österreich, C-28/09, EU:C:2011:854, Rn. 140.

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c) Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung

Im Lichte der oben angeführten Argumente ist davon auszugehen, dass die

streitgegenständliche Regelung weder geeignet noch erforderlich ist, um die

flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln

sicherzustellen.

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IV. ENTSCHEIDUNGSVORSCHLAG

64. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen schlägt die Kommission dem Gerichtshof

vor, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

Erste Vorlagefrage

Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die es in anderen Mitgliedstaaten ansässigen

Apotheken verbietet, verschreibungspflichtige Arzneimittel im Wege des

grenzüberschreitenden Versandhandels an Endkunden in diesem Mitgliedstaat

unterhalb des in diesem Mitgliedstaat geltenden einheitlichen

Apothekenabgabepreises zu verkaufen, stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung im

Sinne von Artikel 34 AEUV dar.

Zweite und dritte Vorlagefrage

Eine Regelung eines Mitgliedstaats, die es in anderen Mitgliedstaaten ansässigen

Apotheken verbietet, verschreibungspflichtige Arzneimittel im Wege des

grenzüberschreitenden Versandhandels an Endkunden in diesem Mitgliedstaat

unterhalb des in diesem Mitgliedstaat geltenden einheitlichen

Apothekenabgabepreises zu verkaufen, kann nach Artikel 36 AEUV nicht mit der

Begründung gerechtfertigt werden, dass die Regelung das einzige Mittel ist, um in

dem Mitgliedstaat eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung

der Bevölkerung zu gewährleisten.

Prozessbevollmächtigte der Kommission

Attila SIPOS Julian HERKOMMER


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