Jens Paetzold
Ergebnisbericht
Verschleiß elektrischer Komponenten bei Blindleistungslieferung
Ergebnisbericht vom 05.12.2014
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1. Verschleißmechanismen an elektrischen Komponenten
Der Inhalt dieser Untersuchung bezieht sich auf bekannt Verschleißmechanismen welche durch die
Lieferung von Blindleistung an elektrischen Komponenten von Erzeugungsanlagen auftreten.
Der Fokus der Untersuchungen bezieht sich auf folgende Komponenten:
• Generator
• Maschinentransformator
• Stufenschalter des Maschinentransformators
• Eigenbedarfstransformator
• Stufenschalter der Eigenbedarfstransformatoren
• Erregeranlage
• Generatorableitung
• Generatorleistungsschalter
Als Verschleißmechanismen sind folgende Einflüsse bekannt:
• Wärmeeintrag durch erhöhte Strombelastung
• Verschleiß durch erhöhte Schalthäufigkeit der Stufenschalter
• Magnetische Kräfte
• Schwingungen
2. Generator
Die Untersuchungen zum Generator wurden durch Sensoplan durchgeführt /9/. Die bekannten
Mechanismen der Beanspruchung von Stator und Rotor wurden in den Tabellen 1 und 2
zusammengefasst dargestellt.
Detailliert wurden Alterungsmechanismen am Beispiel eines luftgekühlten Generators im
Leistungsbereich von 150 - 350 MVA analysiert und bzgl. des zusätzlichen Instandhaltungsaufwands
für die folgenden Verschleißmechanismen bewertet:
• Mechanische Wechselbelastung der hoch belasteten Bereiche des Rotorwicklungskupfers
• Mechanische Wechselbelastung des Schrumpfsitzes zwischen Rotorkappe und Rotorballen
• Dehnungsbehinderungen im Statorwickelkopf durch thermische Ausdehnung / Kontraktion relativ
zu Blechpaket / Pressplatte
• Setzeffekte in der Statornut, die zu Lockerungen der Nutverkeilung führen
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Tabelle 1: Schadensmechanismen Stator
Bauteil Ursache Mechanisch Thermisch Thermo-mechanisch
Blech Veränderlicher
Statorstrom
Abrieb,
Verformung
Blechisolation Hoher Statorstrom Abrieb Alterung
Schichtbalken Hoher Statorstrom,
Hoher magnetischer
Fluß
Thermische
Überlastung
Schichtbalken-
isolation
Hoher Statorstrom,
Veränderlicher
Statorstrom
Abrieb
Spannbolzen,
Spannbolzenisolation
Veränderlicher
Statorstrom
Abrieb
Pressplatte,
Pressfinger, im Bereich der Abtreppung Blech und Wicklung
Kapazitiver Betrieb, hoher Statorstrom, hohe magnetische Felder
Thermische Überlastung
Wicklung, Nutfüllung, Wickelkopf-abstützung
Hoher Statorstrom, induktiver Betrieb
Versagen von Klebe-verbindungen und Abstützelementen im Wickelkopf, Ermüdung
Alterung Ermüdung der Wellfedern, Alterung
Wicklungsisolation
Wicklung, Nutfüllung, Wickelkopf-abstützung
Veränderlicher Statorstrom
Abrieb, Ablösung
Isolationshülse
vom Kupfer,
Versagen von Klebe-verbindungen
Ablösung der
Isolationshülse
Wicklung,
Wickelkopf-
abstützung
Schwingungen
aufgrund hohen
Statorstroms, evtl. Resonanznähe
Abrieb /
Verschleiß der
Isolation, Lockerung,
Ermüdung
Gehäuse Hoher Statorstrom, Schwingungen
aufgrund hohen
Statorstroms
Ermüdung
Flexverbinder Hohe Statorstrom
Statorstromänderungen
Ermüdung
Ausleitung Hoher Statorstrom Ermüdung,
Abrieb
Alterung
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Tabelle 2: Schadensmechanismen Rotor
Bauteil Ursache Mechanisch Thermisch Elektrisch
Isolationskomponenten Hoher Erregerstrom Alterung
Isolationskomponenten Veränderlicher
Erregerstrom
Abrieb,
Ermüdung
Nutaustritt
Windungsschluss,
Erdschluss
Zwischenisolation Hoher Erregerstrom Versagen von
Klebe-
verbindungen
aufgrund von
axialen Kräften
Alterung
Wickelkopfabstützung Hoher und veränderlicher
Erregerstrom
Abrieb,
Belastung durch hohe
Axialkräfte
Alterung
Wicklungskupfer, Wicklungsanschluss, Polverbinder
Veränderliche/r Erregerstrom / Drehzahl
Ermüdung, Verformung, Abrieb
Rotorkörper Veränderliche/r
Erregerstrom / Drehzahl
Abrieb,
Ermüdung
Schrumpfsitz – Top Tooth
Veränderliche/r Erregerstrom / Drehzahl
Ermüdung
Kappe Veränderliche/r Erregerstrom / Drehzahl
Ermüdung
Keile Veränderliche/r Erregerstrom / Drehzahl
Ermüdung
Schleifringe und
Bürsten
Hoher Erregerstrom Verschleiß,
Abrieb
Alterung
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen signifikante Einflüsse durch die untersuchte
Blindleistungsänderung auf die Lebensdauer des untersuchten Generators für die beiden folgenden
Komponenten:
- Rotorzahn im Schrumpfsitzbereich
- Eckverbinder der Rotorwicklung
Da die Lebensdauer dieser Komponenten durch zwei unterschiedliche Schadensmechanismen in ihrer
Lebensdauer beeinflusst wird, wurde die Lebensdauerausnutzung mit der Hypothese der linearen
Schadensakkumulation nach Palmgren-Miner bewertet. Die ausführlichen Ergebnisse sind im
Bericht/9/ dokumentiert.
Weitere Beanspruchungen, insbesondere im kapazitiven Bereich wurden nicht detailliert untersucht,
sondern nur als Wirkmechanismus beschrieben.
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3. Maschinentransformator
Für die Maschinentransformatoren sind folgende Beanspruchungen durch Blindleistungslieferung
identifiziert worden:
• zusätzlicher Wärmeeintrag durch höheren Belastungsstrom
• zusätzliche Beanspruchung von Stufenschaltern durch häufigere Regelanforderungen
Nicht betrachtet werden in diesem Zusammenhang Veränderungen der Induktion des Kerns und
möglicherweise erhöhte Spannungsbeanspruchung der Isolation des Transformators, da beide
Beanspruchungen auch ohne erhöhte Blindleistungslieferung der Erzeugungsanlage abhängig vom
Niveau der Netzspannung auftreten können.
3.1 Beanspruchung durch höheren Wärmeeintrag
Verglichen werden folgende Leistungsszenarien:
1. Leistungsabgabe 100% Bemessungsscheinleistung; cosϕ=0,9
2. Wirkleistung unverändert, Blindleistung 0 (entspricht 90% Bemessungsscheinleistung;
cosϕ=1)
Dementsprechend ergibt sich für beide Fälle folgender Belastungsstrom:
1. ITrafo = 1,0 IrTrafo
2. ITrafo = 0,9 IrTrafo
Die untersuchten Fälle gehören zum Normalbetrieb von Transformatoren, das bedeutet, dass die
Betriebsgrößen wie Betriebsspannung, Betriebsstrom, Betriebsfrequenz und die
Betriebsbedingungen wie Umgebungstemperatur und Kühlregime in den für den ständigen,
ununterbrochenen Betrieb zulässigen Grenzen liegen./2/ Die Verluste eines Transformators (PV), die
zu dessen Erwärmung führen setzen sich aus den Leerlaufverlusten (Plr) und den Kurzschlussverlusten
(Pkr) (lastabhängige Verluste) zusammen.
[3.1]
2
+=
rTrafo
Trafo
krlrVI
IPPP
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Tabelle 3: Beispieldaten Transformatoren
Übersetzung Baujahr SrTrafo / MVA uk / % Pkr / kW Plr / kW Pkr / Plr
236±5%/21 2001 400 16 788 184 4,3
420±11,25%/21 2008 330 15,5 575 90 6,4
420±11,25%/21 2008 360 14,8 595 94 6,3
420±11,25% /21 2009 520 19,5 882 162 5,4
407,38/21 2005 700 14 1025 206 5,0
Im Leistungsbereich der zu untersuchenden Maschinentransformatoren ergibt sich ein
näherungsweise anzunehmendes Verhältnis Pkr / Plr =6.
Dieses Verhältnis wird in der IEC 60076-7 /1/ mit R bezeichnet.
Bei Berücksichtigung dieses Ansatzes ergibt sich für das Verhältnis der Transformatorverluste aus
Betriebsfall 2 zu Betriebsfall 1 PV2/PV1=0,837.
Die höheren elektrischen Verluste führen im Transformator zu einem höheren Wärmeeintrag.
Wird dieser höhere Wärmeeintrag nicht abgeführt, so reduziert sich die erwartete Lebensdauer der
Isolation des Transformators.
In der IEC 60076-7 wird die Temperaturverteilung innerhalb von Transformatoren schematisch in
folgender Grafik dargestellt.
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Abb. 1: Temperaturverlauf im Transformator nach IEC 60076-7 /1/
A Öltemperatur Kessel oben
B Öltemperatur – Wicklung oben (Mischtemperatur)
C durchschnittliche Öltemperatur im Kessel
D Öltemperatur – Wicklung unten
P Hot-spot Temperatur
Q Mittlere Wicklungstemperatur
gr Gradient zwischen durchschnittlicher Wicklungstemperatur und durchschnittlicher
Öltemperatur
H Hot-spot-Faktor
Um den Effekt der Lebensdauerverkürzung zu vermeiden muss die Kühlleistung der Kühlanlage
gesteigert werden. Empfohlen wird von Herstellern der Betrieb von Transformatoren mit möglichst
konstanter Temperatur, um ein „atmen“ des Transformators und somit einen zusätzlichen Beitrag zur
Alterung auszuschließen.
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Bei den in Kraftwerken für die Maschinentransformatoren verwendeten Kühlsystemen handelt es
sich in Deutschland häufig um Transformatoröl-Wasserkühler mit einer gerichteten Strömung im
Transformator.
Tabelle4: Typische Leistungsklassen von Transformator-Kühlanlagen (Wasserkühler) /3/
Kühlerparameter 630 800 1000 1600 2000
Nennleistung kW 630 800 1000 1600 2000
Ölströmung m3/h 150 150 150 200 250
Wasserströmung m3/h 51 62,5 75,0 152,0 171,5
Druckverlust Öl bar 0,50 0,61 0,55 0,80 0,9
Druckverlust Wasser bar 0,16 0,19 0,18 0,35 0,19
Diese Kühlanlagen beziehen ihr Wasser in der Regel aus dem Kühlsystem des Kraftwerkes. Eine
temperaturabhängige Regelung der Kühlung ist einerseits möglich durch eine gezielte Zu- bzw.
Abschaltung von Pumpen, bzw. wenn konstruktiv vorgesehen durch eine Drehzahlregelung der Öl-
Pumpen.
Hierfür ist allerdings bei OD-Kühlung eine exakte Kenntnis des Temperaturverhaltens der Wicklungen
des Transformators notwendig, so dass eine Reihe von Betreibern die Kühlanlagen immer mit
maximaler Ölpumpenleistung betreiben. Die gesamte Ölpumpenleistung bei 300 – 500 MVA-
Transformatoren schwankt je nach konstruktiver Ausführung in der Regel im Bereich von 12 kW bis
20 kW.
Bei luftgekühlten Transformatoren ist allerdings eine Steuerung der Lüfter (Drehzahlregelung) zur
Temperatursteuerung und Beeinflussung der Geräusche heute als Standard anzusehen.
Bei konstanter Kühlleistung stellt sich bei Leistungsveränderung ein Temperaturverlauf ein, wie in
Abb. 2 dargestellt.
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Θh Hot-spot Temperatur der Wicklung
Θo Öltemperatur Kessel oben
K1 – 1,0 K2 – 0,6 K3 – 1,5 K4 – 0,3 K5 – 2,1
Abb. 2: Beispiel für Temperaturverläufe abhängig von stufenweisen Veränderungen des Laststromes /1/
Der formelmäßige Zusammenhang/1/ des dargestellten Verlaufes ist in folgenden Formeln für den
Temperaturanstieg [3.2] und den Temperaturabfall [3.3] beschrieben.
{ } )()(1
1)(
21
2
tfKHgtfR
KRt hi
y
rhioi
x
oroiah •∆Θ−+∆Θ+•
∆Θ−
+
•+•∆Θ+∆Θ+Θ=Θ
[3.2]
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10
y
r
x
oroi
x
orah KHgtfR
KR
R
KRt +•
+
•+•∆Θ−∆Θ+
+
•+•∆Θ+Θ=Θ )(
1
1
1
1)(
3
22
[3.3]
Die Funktion f1(t) beschreibt den relativen Anstieg der oberen Öltemperatur nach folgendem
Zusammenhang:
−=
•−
0111)(1
τk
t
etf [3.4]
Die Funktion f2(t) beschreibt den relativen Anstieg des Hot-spot-top-Öl-Gradienten nach folgendem
Zusammenhang:
−•−−
−•=
−
•−
22
0
22 1)1(1)(21212
k
t
k
t
ekektf w
ττ [3.5]
Die Funktion f3(t) beschreibt den relativen Abfall des Hot-spot-top-Öl-Gradienten nach folgendem
Zusammenhang:
011)(3
τ•−
=k
t
etf [3.6]
Die verwendeten Parameter sind transformatorspezifisch. Für gerichtete Ölströmungen (OD- Kühlung)
wie sie bei Maschinentransformatoren häufig verwendet wird, sind folgende Parameter empfohlen /1/
Öl-Exponent x=1,0
Wicklungs-Exponent y=2,0
Konstante k11 k11=1,0
Konstante k21 k21=1,0
Konstante k22 k22=1,0
Zeitkonstante τ0 τ0=90min
Zeitkonstante τw τw=7min
Verlustfaktor R R=6
Hot-spot-Faktor H H=1,3
Umgebungstemperatur Θa=20°C
Hot-spot-to-top-oil (Bemessungsstrom) ΔΘhr=78 K
Top-oil rise (Bemessungsstrom) ΔΘor=49 K
Hot-spot-to top-oil gradient Hgr=29
Top-oil rise (Start) ΔΘoi
Hot-spot-to-top-oil (Start) ΔΘhi
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Mit den vorgeschlagenen Parametern ergeben sich folgende Funktionen:
−=
−min90
11)(
t
etf
−=
−min7
21)(
t
etf
min90
3 )(
t
etf−
= [3.7]
Mit den angegebenen Standardparametern erfolgen im Folgenden Temperaturabschätzungen für
den Betrieb bei ausschließlicher Wirkleistungslieferung im Vergleich zum Betrieb mit
Bemessungsstrom (Nennbetrieb).
Ausgehend von einem angenommenen stationären Zustand bei Bemessungsstrom mit den
Startwerten ΔΘoi=78 K und ΔΘor=49 K wird mit Gleichung [3.2] der stationäre Zustand für die
Belastung nur mit Wirkleistung also K=0,9 ermittelt.
Es ergibt sich für K=0,9 folgender stationärer Endwert:
Θh(t=∞)=87,12°C
Startwerte für die folgende Erwärmungsberechnung sind dann:
ΔΘoi=38,12K ΔΘhi=67,12K
Als stationärer Endwert ergibt sich hier wieder bei Bemessungsstrom der Wert: Θh(t=∞)=98°C.
Die Anwendung der Montsinger-Regel für den Lebensdauerverbrauch von Isolationspapier bestimmt
sich gemäß /1/ nach:
6)98(
2Kh
V−Θ
= [3.8]
Für den ermittelten stationären Wert von Θh(t=∞)=87,12°C ergibt sich damit ein
Lebensdauerverbrauch von V=0,285.
Der Lebensdauerverbrauch über mehrere Zeitabschnitte bestimmt sich nach:
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∫=2
1
t
t
VdtL
oder ∑
=
•=N
n
nn tVL1 [3.9]
Bei einem angenommenen Lastwechsel von 12h Bemessungsleistung, 12h reine Wirkleistung ergibt
sich ein spezifische Lebensdauerverbrauch von 0,6425.
Tabelle 5: Lebensdauerverbrauch / Lebensdauer – Beispiel für angenommene Lastszenarien
STr = Pn 50 % Zeit: STr = Sn ;
50 % Zeit: STr = Pn
STr = Sn
Lebensdauerverbrauch 0,285 0,6425 1
Lebensdauer / Beispiel 80 a 35 a 22,5a
3.2 Beanspruchung der Stufenschalter durch vermehrte Blindleistungsregelanforderungen
Maschinentransformatoren mit Stufenschaltern sind für die Erfüllung der Regelanforderungen bei der
Blindleistungslieferung heute häufig mit automatischen Einrichtungen versehen, die ihr
Anforderungssignal vom Netzbetreiber erhalten. Die Veränderung der Blindleistungslieferung eines
Kraftwerkes wird in diesem Fall durch eine Veränderung der Stufenstellung des Stufenschalters
eingeleitet.
MR als Hersteller für Laststufenschalter empfiehlt für seinen Stufenschaltertyp R III 1200 als
Inspektionsabstand 7 Jahre bzw. eine Schaltzahl von 60.000 Schaltungen, abhängig davon was zuerst
erreicht wird./4/
Die Zahl der Eingriffe der Stufenschalter hat sich in den letzten Jahren abhängig vom Kraftwerks-
standort von einzelnen per Handstufung durchzuführenden Schaltungen auf derzeit ca. 20 - 50
tägliche Eingriffe erhöht.
Damit verkürzt sich der empfohlene Inspektionszyklus von 7 Jahre auf 6 Jahre.
Die in der Praxis durchgeführten Inspektionsintervalle liegen typischerweise zwischen 5 und 7 Jahren.
Es ergibt sich hier also derzeit durch vermehrtes Schalten der Stufenschalter noch kein erkennbarer
Mehraufwand an Inspektionsleistungen.
4. Eigenbedarfstransformatoren
Für die Eigenbedarfstransformatoren gelten die gleichen Beanspruchungen durch
Blindleistungslieferung wie für die Maschinentransformatoren:
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• zusätzlicher Wärmeeintrag durch höheren Belastungsstrom
• zusätzliche Beanspruchung von Stufenschaltern durch häufigere Regelanforderungen
Als Besonderheit ist hier jedoch zu betrachten, dass der erhöhte Belastungsstrom für
Eigenbedarfstransformatoren nicht durch den Blindleistungstransport, sondern durch die erhöhte
Bereitstellung von Erregerleistung erfolgt, soweit die Erregeranlage aus dem Eigenbedarfsnetz
versorgt wird.
Werden Maschinentransformatoren nicht mit Stufenschaltern ausgerüstet, so müssen
Eigenbedarfstransformatoren zum Zweck der Spannungsregelung der Eigenbedarfsspannung mit
Stufenschaltern ausgerüstet sein. In diesem Fall erfolgt die Blindleistungsregelung direkt über den
Spannungsregler des Generators.
4.1 Beanspruchung durch höheren Wärmeeintrag
Verglichen werden folgende Leistungsszenarien:
1. Leistungsabgabe 100% Bemessungsscheinleistung; cosϕ=0,9
2. Wirkleistung unverändert, Blindleistung 0 (entspricht 90% Bemessungsscheinleistung;
cosϕ=1)
Für GuD-Anlagen lassen sich die folgenden Abschätzungen treffen. Generatoren im Leistungsbereich
von 300 bis 500 MVA haben Erregerleistungen um 2 MW. Bei reiner Wirkleistungslieferung reduziert
sich die benötigte Erregerleistung zum Nennarbeitspunkt etwa auf 0,75p.u.; demzufolge entfallen
etwa 500 kW Eigenbedarfsleistung. Die Größenordnung der Eigenbedarfstransformatoren beträgt
etwa 10MVA.
Durch die Reduktion der Blindleistung reduziert sich hier die Belastung der
Eigenbedarfstransformatoren auf 0,95.
Für ON- Kühlung wie sie bei Eigenbedarfstransformatoren häufig verwendet wird, sind folgende
Parameter empfohlen /1/
Öl-Exponent x=0,8
Wicklungs-Exponent y=1,6
Konstante k11 k11=1,0
Konstante k21 k21=1,0
Konstante k22 k22=2,0
Zeitkonstante τ0 τ0=180min
Zeitkonstante τw τw=4min
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Verlustfaktor R R=5
Hot-spot-Faktor H H=1,1
Umgebungstemperatur Θa=20°C
Hot-spot-to-top-oil (Bemessungsstrom) ΔΘhr=78 K
Top-oil rise (Bemessungsstrom) ΔΘor=55 K
Hot-spot-to top-oil gradient Hgr=23
Top-oil rise (Start) ΔΘoi
Hot-spot-to-top-oil (Start) ΔΘhi
Durch die eingesetzten Parameter ergeben sich folgende Funktionen für die
Eigenbedarfstransformatoren:
−=
−min180
11)(
t
etf
−=
−min8
21)(
t
etf min1803 )(
t
etf−
= [4.1]
Mit den angegebenen Standardparametern erfolgen Temperaturabschätzungen für den Betrieb bei
ausschließlicher Wirkleistungslieferung und für den Betrieb mit Bemessungsstrom (Nennbetrieb).
Ausgehend von einem angenommenen stationären Zustand bei Bemessungsstrom mit den
Startwerten ΔΘoi=78 K und ΔΘor=55 K wird mit Gleichung [2.2] der stationäre Zustand für die reine
Wirkleistungs-lieferung, also K=0,95 ermittelt.
Es ergibt sich folgender stationärer Endwert: Θh(t=∞)=92,58°C
Startwerte für die folgende Erwärmungsberechnung sind dann:
ΔΘoi=37,58K ΔΘhi=72,58K
Als stationärer Endwert ergibt sich hier wieder bei Bemessungsstrom der Wert: Θh(t=∞)=98°C.
Der Lebensdauerverbrauch nach Gleichung [3.7] für Isolationspapier beträgt für den ermittelten
stationären Wert von Θh(t=∞)=92,58°C V=0,535.
Bei einem angenommenen Lastwechsel von 12h Bemessungsleistung, 12h reine Wirkleistung ergibt
sich nach Gleichung [3.8] ein spezifische Lebensdauerverbrauch von 0,6425.
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Tabelle 6: Lebensdauerverbrauch / Lebensdauer – Beispiel für angenommene Lastszenarien - EB
STr = Pn 50 % Zeit: STr = Sn ;
50 % Zeit: STr = Pn
STr = Sn
Lebensdauerverbrauch 0,535 0,7675 1
Lebensdauer / Beispiel 42 a 30 a 22,5 a
4.2 Beanspruchung von Stufenschaltern der EB-Transformatoren
Eigenbedarfstransformatoren sind immer dann mit Stufenschaltern ausgeführt, wenn die
Maschinentransformatoren ohne Stufenschalter ausgeführt sind. Die Blindleistungsveränderung eines
Kraftwerksblockes erfolgt in diesem Fall direkt durch die Veränderung der Erregung des Generators.
Damit daraus nicht unzulässige Betriebsspannungen im Eigenbedarfssystem resultieren sind die
Stufenschalter häufig mit automatischen Spannungsreglern versehen, die abhängig von der
auftretenden Eigenbedarfsspannung durch eine Veränderung der Stufenstellung des Stufenschalters
die Eigenbedarfsspannung innerhalb des eingestellten Spannungsbandes halten.
MR als Hersteller für Laststufenschalter empfiehlt für seine Stufenschalterreihe VACUTAP VT als
Inspektionsabstand eine Schaltzahl von 100.000 Schaltungen, bzw. eine Erstinspektion nach 2 Jahren,
abhängig davon was zuerst erreicht wird./5/
Unter Zugrundelegung der Zahl der Eingriffe der Stufenschalter wie bei Maschinentransformatoren
ergibt sich hier ein notwendiger Inspektionszyklus von 8 bis 10 Jahren.
Die in der Praxis durchgeführten Inspektionsintervalle liegen typischerweise zwischen 5 und 7 Jahren.
Es ergibt sich hier also derzeit durch vermehrtes Schalten der Stufenschalter kein erkennbarer
Mehraufwand an Inspektionsleistungen.
Ergebnisbericht vom 05.12.2014
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5. Erregeranlagen
Für Erregeranlagen gilt, dass der Erregerstrom mit der zu liefernden Blindleistung ansteigt. Hierbei
treten proportional zum Quadrat des Erregerstromes die sogenannten Erregerverluste auf. Die
Auswirkungen des erhöhten Erregerstromes auf den Läufer des Synchrongenerators werden in der
Untersuchung Generator betrachtet. Die Auswirkungen auf den Erregertransformator entsprechen
den Mechanismen für die Eigenbedarfstransformatoren, soweit es sich um ölisolierte
Transformatoren handelt.
Alterungsmechanismen für statische Erregereinrichtungen entsprechen üblicherweise den
Alterungsmechanismen von anderen leistungselektronischen Anlagen. Hierbei ist unter der
Randbedingung der Einhaltung der zulässigen Grenztemperaturen für die Halbleiter kein zusätzlicher
Verschleiß zu erwarten.
Bei Ausführungen mit Erregermaschinen ist die Alterung der Isolation von der Ausführung der
Wärmeklasse (früher Isolierstoffklasse) der Erregermaschine abhängig.
Tabelle 6 :Wärmeklassen nach DIN EN 60034-1 /6/ und DIN EN 60085/7/
Wärmeklasse
(Isolierstoffklasse)
Grenztemperatur des
Isolierstoffes [°C]
Grenz-Übertemperatur der
Wicklung [K]
B 130 80
F 155 105
H 180 125
Die Montsinger-Regel besagt für die verwendeten Isolierstoffe, dass abhängig von den verwendeten
Isolierstoffen eine Temperatursteigerung von 8 bis 10 K die Lebensdauer des Isolierstoffes halbiert.
Die veränderten Parameter sind bei der Anwendung der Gleichung [3.8] zu beachten.
Bei der Einteilung der Wärmeklassen ist man von theoretischen Lebensdauern von 20.000 h als
Beurteilungsmaßstab ausgegangen. Hierbei handelt es sich um einen rein theoretischen Wert, der als
Vergleichswert für unterschiedliche Isolierstoffe herangezogen wird.
Bei der typischen Auslegung im Kraftwerk einer Ausführung nach 155 (F) und Ausnutzung nach 130
(B) bedeutet das einen Lebensdauerverbrauch von 0,1767.
Wie im Abschnitt 4.1 behandelt, kann man als Beispiel davon ausgehen, dass die Erregerleistung bei
reiner Wirkleistungslieferung auf 0,75p.u. reduziert wird; das bedeutet, dass der laststromabhängige
Wärmeeintrag in die Wicklung der Erregermaschine sich auf etwa 60% reduziert. Die weiteren
Wärmequellen, wie Eisenverluste, Zusatzverluste und Erregerverluste dieser Maschine sind davon
Ergebnisbericht vom 05.12.2014
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nicht betroffen. Durch eine Abschätzung zur sicheren Seite kann angenommen werden, dass die
Temperatur der Isolation in diesem Belastungsfall nicht über 110°C hinaus ansteigt. Damit ergibt sich
für diesen Belastungsfall ein Lebensdauerverbrauch von 0,0442. Für das betrachtete Lastspiel ergibt
sich damit eine theoretische Lebensdauer von ca. 180.000 h Betrieb mit 100% Blockleistung.
Dieses stellt derzeit keine Einschränkung der Lebensdauer der Erregeranlage dar.
6. Generatorableitung
Generatorableitungen werden durch den höheren Generatorstrom bei Blindleistungslieferung
beansprucht. Generatorableitungen müssen so betrieben werden, dass die zulässige
Leitertemperatur und der zulässige Hüllentemperatur nicht überschritten werden. Dieses wird
einerseits durch den Materialeinsatz und andererseits durch die Kühlung der Generatorableitung
erreicht. Konstruktive Maßnahmen der Gestaltung der stromführenden Leiter verbessern die
Stromtragfähigkeit der Leiter.
Solange die Temperaturgrenzwerte eingehalten werden ist kein erhöhter Verschleiß auf Grund von
Blindleistungslieferung zu erwarten. Um allerdings diese Temperaturgrenzwerte einhalten zu können,
ist ein erhöhter Materialeinsatz für den höheren Strom notwendig.
Als grobe Abschätzung lässt sich hier folgender Ansatz verwenden: 10% höherer Gesamtstrom durch
die Blindleistungslieferung erfordert 10% mehr Materialeinsatz in Hülle und Leiter. Dieser
Materialkostenanteil der Investition kann der Blindleistungslieferung zugeordnet werden.
7. Generatorschalter
Generatorschalter werden durch den höheren Generatorstrom bei Blindleistungslieferung
beansprucht. Da dieser Laststrom weit unterhalb des Schaltvermögens des
Generatorleistungsschalters ist, sind bei Schaltungen des Generatorschalters keine wesentlichen
Verschleiß-Effekte an den Leistungsschalterkontakten durch die Bereitstellung von Blindleistung zu
erwarten.
8. Zusammenfassung
Durch die Lieferung von Blindleistung werden Betriebsmittel von Kraftwerken zusätzlich beansprucht.
Für Maschinentransformatoren und Eigenbedarfstransformatoren zeigt sich ein Einfluss auf die
Lebensdauer der Komponenten. Bei Generatorableitungen ist der Materialeinsatz mit zu betrachten.
Ergebnisbericht vom 05.12.2014
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Die VGB-Arbeitsgruppe hat folgende Tabelle zur Betrachtung der Beanspruchungen durch
Blindleistungslieferung erstellt.
Tabelle 7: Betrachtungsumfang Blindleistung
Bewertungskriterium
Komponente Invest Wartung/IH/Verschleiß Betrieb
Knotenpunkt-
Rechner
X - -
LT / DV-Technik X - -
MT-Stufenschalter X �Betreiber fragen nach Veränderungen des Betriebes vermehrte Stufungen
(Aufzeichnungen aus Wartung)
MT X �Prof. Paetzold untersucht die erhöhte Strombelastung der Wicklungen:
Ergebnis ist Reduzierung der Lebensdauer gegenüber einer Fahrweise ohne
Blindleistungsanforderungsprofil
EBT-Stufenschalter X in Anlehnung an Stufenschalter MT
EB-Trafo (EBT) X in Anlehnung an MT
GAL X - ggf. Kühlanlage:
� Prüfung durch PG-
Mitglieder
GLS X - ggf. Kühlanlage:
� Prüfung durch PG-
Mitglieder
Generator X Sensoplan (z.T., s. a. Tab. 2) Kühlung, ggf. Bewertung
Kaltgastemperatur:
�Prüfung durch GKM +
Vattenfall
Erregermaschine X In Anlehnung an Generator (Übernahme
Ergebnisse von Sensoplan)
Verschleiß Bürsten durch erhöhte
Strombelastung
�GKM
-
Erregertrafo X - -
- Aufwendungen vorhanden; wird jedoch nicht betrachtet, da deren Ermittlung nach Einschätzung durch die PG
nicht im Verhältnis zu einer möglichen Vergütung steht
Ergebnisbericht vom 05.12.2014
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Die Detailbetrachtungen für Generatoren werden durch Sensoplan durchgeführt. Die zusätzlichen
Beanspruchungen von Generatoren durch die Lieferung von Blindleistung sind in Tabelle 8
zusammengefasst.
Tabelle 8: Beanspruchungen von Generatoren durch die Lieferung von Blindleistung
Übererregt, Lieferung induktiver Blindleistung
Stator Rotor
Steigende Verluste durch steigende Ströme Steigende Verluste durch steigende Ströme
Zusätzliche Radialkräfte im Wickelkopf Verstärkte Alterung/Schädigung Hauptisolation
durch steigende Ströme
Steigende Induktion im Aktivteil
Untererregt, Lieferung kapazitiver Blindleistung
Stator Rotor
Steigende Temperaturen und Verluste durch
steigenden Statorstrom
Steigende Kräfte im Wickelkopf
Steigende Temperatur in den Pressplatten
Blindleistungs-Lastwechsel
Zusätzliche Temperaturzyklen führen zu einer Verringerung der Lebensdauer
Ströme in der Dämpferwicklung, Dämpferkäfig bei schnellen Q-Lastwechseln führen zu Schwingungen
Thermische Verformungen einzelner Cu-Leiter im Rotorwickelkopf führen zu lokalen Überhitzungen
Weitere Effekte siehe nachfolgende Abbildung (Folie aus dem KELI-Vortrag von RWE/Siemens)
Ergebnisbericht vom 05.12.2014
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Tabelle 9: Auswirkung flexiblerer Betriebsweise Vergleich indirekt und direkt gekühlter Generatoren/8/
Erhöhte
Netzanforderungen
Physikalische
Auswirkungen
Ausprägung der Zusatzbeanspruchung
Generatorkomponenten Luft
indirekt
Wasser
direkt
Überspannung bei
Unterfrequenz
(1,15UN bei 47,5 Hz)
Hoher Erregerstrom
� hoher magn. Fluss
Blechpaketisolierung gering (1) gering (1)
Schichtbalken im
Blechpaketrücken stark (3) stark (3)
Läuferwicklung stark (3) mittel (2)
Unterspannung bei
Untererregung (hohe
kapazitive Blindleistung)
Hohe magn. Felder in
Blechpaketendzone
Endzähne, Druckfinger,
Druckplatte stark (3) mittel (2)
Ständerwicklung in der
abgetreppten Blechpaketzone stark (3) gering (1)
Hohe Wirkleistungs-
gradienten (0,24PN/min)
Schnelle Änderung der
Wicklungsströme
Komplette Ständerwicklung stark (3) gering (1)
Komplette Läuferwicklung stark (3) gering (1)
Häufige und schnelle
Lastwechsel
Spitzenlastbetrieb
Sehr oft wechselnde
dynamische und
thermo-mechanische
Beanspruchungen
Ständerwicklung, insbes.
Wickelköpfe stark (3) gering (1)
Läuferwicklung, insbes.
Wickelköpfe stark (3) mittel (2)
Hauptstromdurchführungen mittel (2) gering (1)
Kohlebürsten/Schleifringe der
Erregung gering (1) gering (1)
Blechpaketendzonen mittel (2) gering (1)
Tabelle 9 zeigt beispielhaft, dass flexiblere Kraftwerke in Bezug auf Wirk- und
Blindleistungslieferung veränderte technische Ausführungen und Lösungen erfordern. Damit
verändern sich auch die spezifischen Investitionen für die Errichtung einer Erzeugungsanlage.
9. Quellen
/1/ IEC 60076-7 Power Transformers Part 7 Loading guide for Oil-immersed Power Transformers
/2/ Lawrenz, R. Erhöhung der Auslastbarkeit von Transformatoren IEV-Bericht 74-2721-(1986) FE
(Institut für Energieversorgung; KEMA-IEV)
/3/ GEA Produktwerbung „GEA Transformatoröl-Wasserkühler 2014“
http://www.gea-heatexchangers.com/de/produkte/rohrbuendelwaermetauscher/transformatorkuehlsysteme/transformatoroel-wasserkuehler/
Ergebnisbericht vom 05.12.2014
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/4/ Laststufenschalter R – Betriebsanleitung - MR Reinhausen Germany 119/04/00/0
/5/ Laststufenschalter VACUTAP VT – Betriebsanleitung – MR Reinhausen Germany 139/01/00/0
/6/ DIN EN 60034-1 Drehende elektrische Maschinen Teil 1 Bemessung und Betriebsverhalten 2004
/7/ DIN EN 60085:2008-08 Elektrische Isolierung – Thermische Bewertung und Bezeichnung
/8/ VGB KELI 2014 Auswirkungen der neuen flexibleren Netzanforderungen auf die zukünftige
Betriebsbeanspruchung der Turbogeneratoren
Stephan Wittner, RWE Technology GmbH, Essen, Jürgen R. Weidner, Siemens AG, Mülheim
/9/ Untersuchung der Verschleißmechanismen bei Blindleistungslastwechseln an Generatoren
08/2014 Abschlussbericht Sensoplan