82 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Deutschland in der Welt Die DDR im Weltwirtschaftssystem 1949-1989 Horst Förster Die heutige Stellung Deutschlands in der Welt fußt nicht nur auf seiner Vor- kriegsgeschichte und der Nachkriegs- entwicklung der Bundesrepublik, son- dern auch auf dem besonderen Entwick- lungsweg der DDR, die die Wirtschafts- struktur der östlichen Bundesländer – trotz der grundlegenden Transformation nach 1990 – nachhaltig geprägt hat. Um die Bedeutung der DDR-Wirtschaft im Weltwirtschaftssystem rückblickend beurteilen zu können, muss auf einige politische, ökonomische und gesell- schaftliche Rahmenbedingungen hinge- wiesen werden. Innerhalb des Deutschen Reiches hatte sich Mitteldeutschland – zwischen den großen Zentren der Grundstoffin- dustrie an der Ruhr und in Oberschlesi- en gelegen – zu einem bedeutenden Wirtschaftsraum der Verarbeitungs- und Veredelungsindustrie entwickelt. Ver- kehrslagegunst, die zentrale Funktion der Hauptstadt Berlin sowie die Ergän- zungsräume einer modernen Agrarwirt- schaft in Mecklenburg, Pommern, Bran- denburg und Sachsen bildeten ein ho- hes Potenzial. Diese engen gesamtdeutschen wirt- schaftsräumlichen Verflechtungen wur- den am Ende des Zweiten Weltkrieges zerschlagen. Mit der Auflösung wesent- licher Binnenstrukturen erfolgte zugleich eine Umorientierung der Au- ßenwirtschaft und damit eine Umlen- kung der Außenhandelsräume. Denn die Einbeziehung in den sozialistischen Machtbereich unter der dominierenden Führung der Sowjetunion bedeutete die zwangsweise Übernahme des sowjeti- schen Modells von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Primat der Poli- tik über die Wirtschaft bedeutete auch eine Festschreibung der Planwirtschaft sowie des Staatsmonopols der Außen- und Valutawirtschaft in der Verfassung. Daher spiegelt die Entwicklung des Außenhandels als Indikator für den weltwirtschaftlichen Stellenwert der DDR zunächst die politischen Ziele des Staates, später die des 1949 gegründeten „Rates für gegenseitige Wirtschaftshil- fe“ (RGW) und vor allem die der Füh- rungsmacht Sowjetunion wider. Dies zeigt sowohl die Warenstruktur als auch die räumliche Verteilung der Außen- handelsbeziehungen . Bis in die 1960er Jahre wurde der Au- ßenhandelspolitik durch die DDR-Füh- rung ein relativ geringer Stellenwert zuge- messen. Erst mit ihrer Funktion als Wachstums- und Produktionsfaktor in den 1970er Jahren erfolgte eine erhebli- Der DDR-Schwermaschinenbau auf der Leipziger Frühjahrsmesse, VEB Schwermaschi- nenbaukombinat TAKRAF Leipzig
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82Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Deutschland in der Welt
Die DDR im Weltwirtschaftssystem 1949-1989Horst Förster
Die heutige Stellung Deutschlands inder Welt fußt nicht nur auf seiner Vor-kriegsgeschichte und der Nachkriegs-entwicklung der Bundesrepublik, son-dern auch auf dem besonderen Entwick-lungsweg der DDR, die die Wirtschafts-struktur der östlichen Bundesländer –trotz der grundlegenden Transformationnach 1990 – nachhaltig geprägt hat.Um die Bedeutung der DDR-Wirtschaftim Weltwirtschaftssystem rückblickendbeurteilen zu können, muss auf einigepolitische, ökonomische und gesell-schaftliche Rahmenbedingungen hinge-wiesen werden.
Innerhalb des Deutschen Reicheshatte sich Mitteldeutschland – zwischen
den großen Zentren der Grundstoffin-dustrie an der Ruhr und in Oberschlesi-en gelegen – zu einem bedeutendenWirtschaftsraum der Verarbeitungs- undVeredelungsindustrie entwickelt. Ver-kehrslagegunst, die zentrale Funktionder Hauptstadt Berlin sowie die Ergän-zungsräume einer modernen Agrarwirt-schaft in Mecklenburg, Pommern, Bran-denburg und Sachsen bildeten ein ho-hes Potenzial.
Diese engen gesamtdeutschen wirt-schaftsräumlichen Verflechtungen wur-den am Ende des Zweiten Weltkriegeszerschlagen. Mit der Auflösung wesent-licher Binnenstrukturen erfolgtezugleich eine Umorientierung der Au-ßenwirtschaft und damit eine Umlen-kung der Außenhandelsräume. Denndie Einbeziehung in den sozialistischenMachtbereich unter der dominierendenFührung der Sowjetunion bedeutete diezwangsweise Übernahme des sowjeti-schen Modells von Politik, Wirtschaftund Gesellschaft. Das Primat der Poli-tik über die Wirtschaft bedeutete aucheine Festschreibung der Planwirtschaftsowie des Staatsmonopols der Außen-und Valutawirtschaft in der Verfassung.
Daher spiegelt die Entwicklung desAußenhandels als Indikator für denweltwirtschaftlichen Stellenwert derDDR zunächst die politischen Ziele desStaates, später die des 1949 gegründeten„Rates für gegenseitige Wirtschaftshil-fe“ (RGW) und vor allem die der Füh-rungsmacht Sowjetunion wider. Dieszeigt sowohl die Warenstruktur als auchdie räumliche Verteilung der Außen-handelsbeziehungen �.
Bis in die 1960er Jahre wurde der Au-ßenhandelspolitik durch die DDR-Füh-rung ein relativ geringer Stellenwert zuge-messen. Erst mit ihrer Funktion alsWachstums- und Produktionsfaktor inden 1970er Jahren erfolgte eine erhebli-
che umsatzmäßige und regionale Auswei-tung des Außenhandels. Dies bezog sichsowohl auf den Intrablockhandel desRGW, der ca. 60% des Außenhandels al-ler RGW-Länder umfasste, als auch aufden Handel mit westlichen Staaten.
Die Entwicklungsphasen im Außen-handel lassen sich jedoch aufgrund derSpezifika planwirtschaftlicher Rech-nungsführung nur an Handelsbilanzen,Handelsumsätzen oder Indizes nachvoll-ziehen. Beispielsweise wurden als Ersatzfür einen funktionierenden Kapital-markt im RGW oftmals Investitionsvor-leistungen oder Finanzbeteiligungen beiKooperationsprojekten auf naturaler Ba-sis in Form von Warenlieferungen abge-wickelt. Festzuhalten ist, dass die DDRbis in die 1960er Jahre eine aktive Han-delsbilanz, bis 1972 sogar einen Han-delsbilanzüberschuss aufweisen konnte�. Die Öffnung und Ausweitung desAußenhandels, die internationale Kon-kurrenz, vor allem die Preisexplosionennach den Ölkrisenjahren 1973 und1985 führten zu einer Verschlechterungder Terms of Trade (Verhältnis der Im-port- zu den Exportpreisen) und zu er-heblichen Defiziten.
Die Warenstruktur des DDR-Außen-handels � entsprach der einer hoch
entwickelten Volkswirtschaft. Sowohlbei den Exporten als auch bei den Im-porten dominierten Maschinen, Ausrüs-tungen und Transportmittel. Industriel-le Konsumgüter und chemische Erzeug-nisse hatten einen beachtlichen Export-wert erreicht. Allerdings kann man amhohen Importanteil von Rohstoffen undHalbfabrikaten die Abhängigkeitinsbesondere vom Erdöl � ablesen.
Die räumliche Ausrichtung des Au-ßenhandels war bis zu Beginn der1980er Jahre durch die Dominanz dersozialistischen Länder gekennzeichnet�. Den hohen Stellenwert der DDR in-nerhalb der Exportleistungen des RGWverdeutlicht Abbildung . Zweifelloswar die DDR bezüglich des Außenhan-dels hinter der absolut führenden Sow-jetunion die wichtigste Wirtschafts-macht im RGW. Festzuhalten bleibt,dass sich in den unterschiedlichen Ent-wicklungsphasen von 1949 bis 1989 derAußenhandel der DDR in seiner Regio-nalstruktur flexibilisiert hat und diewestlichen Länder an Bedeutung ge-wonnen haben � .
Die gravierenden Veränderungen derweltwirtschaftlichen Terms of Trade ha-ben nicht nur zu einer außerordentli-chen Auslandsverschuldung, sondern
auch zur Zerrüttung der Finanzsituationin der Binnenwirtschaft geführt.
Eine besondere Bedeutung, sowohlpolitisch als auch wirtschaftlich, kamdem innerdeutschen Handel zu. Von derDDR aus politischen Gründen stets demAußenhandel zugerechnet, war er imRGW nicht unumstritten. Dennochhatten die deutsch-deutschen Handels-beziehungen für die DDR, aber auch fürdie Bundesrepublik einen nicht unwe-sentlichen Effekt. Aber auch hier ergabsich bis 1989 für die DDR ein beachtli-ches Defizit.�
