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Die Abänderungen des Landessteuergesetzes durch die Novelle vom 23. Juni 1923 und des...

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Die Abänderungen des Landessteuergesetzes durch die Novelle vom 23. Juni 1923 und des Finanzausgleichgesetzes durch die Steuernotverordnung vom 14 Februar 1924 und ihre Begründung Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 41. Jahrg., H. 1 (1924), pp. 79-107 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907481 . Accessed: 15/06/2014 02:02 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.228 on Sun, 15 Jun 2014 02:02:08 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Die Abänderungen des Landessteuergesetzes durch die Novelle vom 23. Juni 1923 und desFinanzausgleichgesetzes durch die Steuernotverordnung vom 14 Februar 1924 und ihreBegründungSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 41. Jahrg., H. 1 (1924), pp. 79-107Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907481 .

Accessed: 15/06/2014 02:02

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Die Abänderungen des Landessteuergesetzes durch die Novelle vom 23. Juni 1923 und des Finanzausgleichgesetzes durch die Steuernotverordnung vom 14 Februar 1924 und

ihre Begründung. Durch Reichsgesetz vom 23. Juni 1923 (R.G.B1. 1923 I Nr. 49 S. 483) ist

das Landessteuergesetz vom 30. März 19201) mehrfach geändert worden. Dieses Aenderungsgesetz hat im Art. VII den Reichsfinanzminister zu einer neuen Tex- tierung mit neuer Bezeichnung des Gesetzes ermächtigt. An Stelle des gänzlich ungeeigneten Ausdrucks „Landessteuergesetz" ist nunmehr der viel glücklichere „Finanzausgleichgesetz"2) getreten.

Bei der grossen Bedeutung, die diesem das finanzielle Verhältnis zwischen Reich, Ländern und Gemeinden regelnde Gesetz zukommt, erscheint es geboten, sich ein Bild von den wesentlichen Äenderungen, die die Novelle vom 23. Juni 1923 gebracht hat, zu machen. Es soll dies dadurch geschehen, dass übersichtlich die einzelnen Punkte herausgehoben und aus der Begründung zum Gesetzentwurf3) und aus den Reichstagsverhandlungen4) das Nötige mitgeteilt wird. Hierbei wird durchweg die Zitierung der Paragraphen nach denen des Finanzausgleichsgesetzes vorgenommen. Für Landessteuergesetz wird gewöhnlich die Abkürzung L.St.G., für Finanzausgleichgesetz F.A.G. gebraucht. Die Steuernotverordnung vom 14. Fe- bruar 1924 hat bereits wieder einschneidende Abänderungen des Finanzausgleich- gesetzes vorgenommen, die sowohl in Form von Noten zu dem Gesetze als auch in der folgenden Darlegung berücksichtigt sind.

1. Der Anlass zur Abänderung des L a n d e s s t e u e r g e s e t z e s vom 30. März 1920 war ein doppelter: Einmal hatten die bedeutsamen Äende- rungen der Steuergesetzgebung in den Jahren 1921 und 1922 die Voraussetzungen geändert, auf denen das L.St.G. beruhte. Besonders galt dies für die Einkommen- steuer. Die Novelle vom 24. März 1921 hat durch Streichung des § 20 des E.St.G. vom 29. März 1920 den § 30 des L.St.G., wonach den Gemeinden in gewissen Grenzen ein Steuerrecht auf das vom Reichseinkommensteuergesetz steuerfrei gelassene Mindesteinkommen eingeräumt worden war, zunichte gemacht6); die Novelle vom 20. Dezember 1921, durch die das Kalenderjahr nicht bloss Ver- anlagungs-, sondern auch Erhebungszeitraum wurde, bedang eine tiefgreifende Umgestaltung der Beteiligungsvorschriften §§ 17 f. des L.St.G.6); nicht minder war dies der Fall infolge der Novelle vom 21. Juli 1921, die eine andere Regelung der Einkommensteuer vom Arbeitslohn brachte7). Das L.St.G. konnte in wesent- lichen Teilen infolgedessen von Anfang an überhaupt nicht durchgeführt werden8). Dazu kamen neue Steuern, Erhöhungen alter. Sodann machte sich immer dräuen- der die Finanznot der Länder und Gemeinden geltend, die, in ihren eigenen Ein- nahmen durch das Reich beschränkt, ihre infolge der immer grotesker werdenden Geldentwertung riesenhaft wachsenden Ausgaben nicht mehr zu leisten vermochten

J) Mitgeteilt im Finanzarchiv S7 (1920) S. 645 2) Dasselbe folgt unten S. 108. Während des Drucks ist der vortreffliche Kommentar

des Ministerialrats Dr. W. Markull im Verlas: von Otto Liebmann. Berlin 1923. erschienen. 3) Der Entwurf ist datiert vom 17. November 1922 (Reichstag I 1920/22 Drucksache

Nr. 5263). *) Hier kommt besonders in Betracht der Bericht des 11. Ausschusses vom 16. Juni 1923

(Reichstag I 1920|22 Drucksache Nr. 5969). v) r inanzaruni v öö ílüzi) ö. osi. «) Ebenda S. 567. ') UiDenaa s. 002 1. 8) Siehe unten S. 105 Nr. 21.

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gO Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung.

und Hilfe vom Reiche erwarteten, wie denn auch der Reichstag in seinen Sitzungen vom 19. und 20. Januar 1922 dies einmütig verlangte. Das Abänderungsgesetz vom 23. Juni 1923 hat diesen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen gesucht, an dem Fundament hat es nicht gerüttelt und wollte auch nicht rütteln. Seine Dauer ist begrenzt, es läuft mit dem 1. April 1925 ab, so dass ihm von vornherein der Charakter eines Provisoriums aufgeprägt ist.

2. Neuregelung des Schutzes des Reichs gegenüber etwaigen, seine Interessen b edr o henden Gemeindesteuern (§5). Das L.St.G. hat das Steuerrecht der Länder und Gemeinden sehr ein- geengt, indem es ihnen nicht nur die Erhebung gleichartiger Landes- und Gemeinde- steuern, soweit reichsgesetzlich nicht ein anderes vorgeschrieben ist, verbot, sondern, wenn überwiegende Interessen der Reichsfinanzen entgegenstehen, auch solcher Steuern, die die Steuereinnahmen des Reichs zu schädigen geeignet sind (§§ 2 u. 3). Um dem Reich die hier zugesicherten Rechte zu wahren, hatte das L.St.G. sich bei Steuerordnungen der Gemeinden (Gemeindeverband) nicht damit begnügt, den Landesbehörden die Entscheidung zu überlassen, sondern in § 5 vorgeschrieben, dass von diesen die gemeindlichen Steuerordnungen dem Reichs- minister der Finanzen oder der von ihm beauftragten Reichsbehörde mitzuteilen seien. Diese können innerhalb eines Monats Einspruch erheben, wenn eine der oben erwähnten Voraussetzungen gegeben ist. In der Begründung zum Entwurf vom 29. November 1919 war zu § 5 bemerkt worden: „Der Einspruch hat die Rechtsfolge, dass die beanstandete Steuerordnung nicht erlassen werden darf. Die trotzdem erlassene Steuerordnung ist rechtsungültig." Dieser Folgerung hat sich auch das Thüringische Oberverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 26. Oktober 1921 (mitgeteilt im Preuss. Verwaltungsbl. vom 14. Januar 1922 S. 192) angeschlossen, während der Reichsfinanzhof in einem Gutachten vom 12. Dezember 1921 (Entsch. Bd. 7 S. 279) und am 1. Mai 1922 auch in einem Beschlüsse (Entsch. Bd. 9 S. 123 f.) die Ansicht vertrat, dass die Anordnungen im § 5 lediglich getroffen seien, um die Austragung von Meinungsverschiedenheiten über die Zulässigkeit einer Gemeindesteuerordnung möglichst vor dem Erlass herbeizuführen. Die Einhaltung oder Nichteinhaltung dieser Anordnungen habe mit der Rechtsgültigkeit oder Rechtsungültigkeit der Gemeindesteuerordnung nichts zu tun. Mit dieser Stellungnahme des Reichsfinanzhofs glaubte die Reichs- finanzverwaltung sich nicht begnügen zu dürfen. Der Entwurf vom 17. November 1922 schlug daher ergänzende Vorschriften vor, die zweifellos klarstellen sollten, dass neue Steuerordnungen der Gemeinden erst dann in Kraft treten können, wenn sie mitgeteilt und entweder mit dem Einspruch nicht beanstandet oder aber vom Reichsfinanzhof oder vom Reichsrat für zulässig erklärt worden sind. Ob und inwieweit die Landesregierung zulassen will, dass die Steuerordnungen rückwirkende Kraft erhielten, blieb ihr überlassen.

Der Reichsrat trat dieser Regelung des Entwurfs nicht bei. Er meinte, die Auffassung der Reichsregierung sei für die Finanzwirtschaft der Gemeinden und die Verwaltungshoheit der Länder gleich unerträglich. Sie habe vielfach Un- sicherheit in den Gemeindefinanzen hervorgerufen, und die durch das Einspruchs- verfahren verzögerte Inkraftsetzung neuer Steuerordnungen habe zu starken Einnahmeausfällen geführt. Die Abgrenzung der Hoheitsbefugnisse zwischen Reich und Ländern werde zudem in Frage gestellt, wenn sich die Reichsfinanz- behörden die Funktionen von kommunalen Aufsichtsbehörden neben den landes- rechtlichen Aufsichtsinstanzen beilegten. Im übrigen seien die letzteren ohne weiteres in der Lage, auch die Bedürfnisse der Steuerpflichtigen hinreichend zu berücksichtigen. Werde einer zunächst beanstandeten Gemeindesteuer nach Er- ledigung des Einspruchs rückwirkende Kraft beigelegt, so laufe der Steuerpflichtige Gefahr, unter Umständen nach vielen Monaten noch Steuern zu zahlen, für die er keinerlei Rücklagen bereitgestellt habe. Der Reichsrat schlug deshalb eine Fassung vor, die eine Vereinfachung des Verfahrens anstrebte und die Erschwer- nisse und Verzögerungen der bisherigen Handhabung des Gesetzes zu beseitigen suchte. Während nach der Vorlage der Reichsregierung alle neuen Steuerord- nungen vorgelegt werden sollten, traf die Vorlage des Reichsrats eine Auslese,

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Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. gj

nach der nur solche mitzuteilen waren, bei denen tatsächlich eine Berührung der Finanzbelange des Reichs in Frage kommt: nämlich die von der Landes- regierung für die Gemeinden (Gemeinde ver bände) erlassenen Mustersteuerord- nungen, ferner einzelne Gemeindesteuerordnungen, die eine neue bisher in dem Lande nicht geltende Steuerart einführen oder die von den Mustersteuerordnungen in wesentlichen Punkten abweichen oder die mit dem Reichsminister der Finanzen als zulässig vereinbarte Höchstsätze überschreiten. Tausende von Steuer beschlüs- sen, an denen ein Interesse des Reichs gar nicht besteht, könnten in Zukunft ohne Mitteilung ihre Erledigung finden. Auch sollten dadurch die erheblichen Verschiedenheiten des Verfahrens in den einzelnen Landesfinanzbezirken beseitigt werden. Weiterhin sah die Reichsratsvorlage eine kurzbemessene Frist vor, die der Beschleunigung des Verfahrens und damit den Interessen der Gemeinden dienen sollte, die unter der fortschreitenden Geldentwertung besonders zu leiden haben: Erhebt der Reichsfinanzminister binnen 2 Wochen keinen Einspruch, so kann der Erlass oder die Genehmigung der Steuerordnung erfolgen. Andernfalls haben Einigungsverhandlungen stattzufinden. Führen diese binnen einer Frist von 1 Monate nach Einlegung des Einspruchs zu keinem Ergebnis, so findet das Verfahren nach § 6 statt, das aber dem Erlass oder der Genehmigung von Steuer- ordnungen nicht im Wege steht.

Im Reichstag bemühte sich das Reichsfinanzministerium sehr, die auf- schiebende Wirkung des Einspruchsverfahrens durchzusetzen ; es befürchtete, dass, wenn alle Steuerordnungen, gegen die Bedenken zu erheben seien, ohne Rücksicht auf den Einspruch der Reichsfinanzbehörden alsbald in Kraft gesetzt werden dürften, weder das Reichsrecht noch das Interesse der Reichsfinanzen wirksam gewahrt werden könne; nachträgliche Kraftloserklärung von Steuerordnungen müsse schon vom Standpunkt der Gemeinden selbst nach Möglichkeit vermieden werden. Vor allem aber habe der Steuerzahler ein Recht darauf, mit neuen Steuern erst dann in Anspruch genommen zu werden, wenn ihre Zulässigkeit in jeder Beziehung sichergestellt sei. Auch eine Beeinträchtigung der Selbstverwaltung sei keineswegs beabsichtigt. Die doppelte Prüfung neuer Steuerordnungen soi zwar an sich unerwünscht, aber hier nicht zu vermeiden, da zwei verschiedene Interessen in Betracht kämen. Die Länder hätten neue Steuerordnungen vor- nehmlich unter dem Gesichtspunkte der Verhältnisse und Bedürfnisse der Ge- meinden zu beurteilen; die Unterstützung ihrer Gemeinden liege ihnen natur- gemäss näher als die Rücksicht auf das Reich. Das Reich müsse demgegenüber prüfen, ob die Steuer sich in sein Steuersystem einfüge. Als Beispiel wurden mehrere sächsische Gemeinden angeführt, die kürzlich eine „Sozialabgabe" be- schlossen hatten zur Erfüllung sozialer Aufgaben; sie sollte von allen Arbeit- gebern nach einem Hundertsatz der von ihnen gezahlten Arbeitslöhne erhoben werden. Die Landesbehörden hatten sie genehmigt. Das Reich musste sie aber als unzulässig ansehen, weil sie mit der Lohnsteuer kollidiert und bei einigermassen straffer Anspannung die Einkommensteuer geradezu aushöhlt. Das Reichsfinanz- ministerium befürchtete auch von der Vorlage des Reichsratsv dass sie zu zahl- reichen Streit- und Zweifelsfragen Anlass gebe, es sei nicht sicher zu sagen, wann eine „wesentliche" Abweichung von der Mustersteuerordnung vorliege, wogegen der Vertreter der preussischen Regierung meinte, sie sei gegeben, wenn die Steuer- ordnung die sachlichen oder persönlichen Voraussetzungen der Steuerpflicht anders regle oder die etwa vorgesehenen Höchstsätze der Steuer überschreite. Die Ab- kürzung der Einspruchsfrist von 1 Monat (im alten Gesetz) auf 2 Wochen, be- fürchtete die Reichsregierung, werde erfahrungsgemäss die Folge haben, dass die Landesfinanzämter in allen zweifelhaften Fällen vorsorglich Einspruch einlegten und die Zahl der Einsprüche daher eine unerwünschte Vermehrung erfahre1). Der Reichstag nahm aber die Fassung des Reichsrats unverändert an.

3. Beschränkung der Gemeinden in der Ausnützung der Ertragsteuern (§ 8). Der Umstand, dass den Ländern von den direkten Steuern unmittelbar nur die Ertragsteuern geblieben sind, hat dahin

i) Begründung S. 22; Ausschussbericht S. 6 f., 23 f. Finanzarchiv. XXXXÍ. Jahrg. 81 6

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geführt, dass diese in hohem Masse ausgebildet worden sind. Nach § 7 sollen ja auch die Länder und Gemeinden die ihnen zur Verfügung stehenden Steuern „nach Massgabe des Steuerbedarfs" ausnützen. Nun wurde aber im Reichstag eine Ueberspannung der Realsteuern behauptet, besonders bei der Gewerbesteuer, und von den bürgerlichen Parteien ein Schutz dagegen verlangt. Es wurde des- halb im § 8 vorgesehen, dass allgemein besondere Steuerordnungen der Gemeinden der Genehmigung der Landesregierung oder der von ihr beauftragten Behörden bedürfen, also auch in den Ländern, in deren Gemeindeverfassung ein Geneh- migungsverfahren nicht vorgesehen ist. Ferner haben die Landesregierungen über die Merkmale der Besteuerung Bestimmungen zu erlassen, um die grossen Ver- schiedenheiten in der Besteuerung einzuschränken, wie auch für die Besteuerung durch besondere Steuerordnungen Höchstgrenzen festzusetzen, hierbei sollen die Länder aber bezüglich der Höhe wie bezüglich der Bemessungsmerkmale freie Hand behalten. Ueber die Höchstgrenze kann mit Zustimmung der obersten Landesbehörde hinausgegangen werden, wenn Gemeinden aus den in ihnen unter- haltenen Gewerbebetrieben besondere Belastungen erwuchsen1).

Die Zweckmässigkeit der Aufstellung von Höchstsätzen wurde vielfach bezweifelt. Der Vertreter der preussischen Regierung meinte, sie wirken, wie die Erfahrung auf vielen Gebieten zeige, nicht etwa im Sinne einer Mässigung oder Beschränkung, sondern geben vielmehr den Anreiz, sie überall in vollem Umfang auszunützen2).

4. Die Klarstellung der Kompetenzen hinsichtlich der Vergnügungssteuer (§ 13). Nach der Fassung der §§ 12 u. 13 des L.St.G. konnte es zweifelhaft erscheinen, ob und inwieweit die inzwischen er- gangenen Bestimmungen des Reichsrats3) dem Landesrechte gemäss Art. 13 Abs. 1 der Reichsverfassung vorgehen oder aber hinter ihm zurückstehen müssen, d. h. im Wege der Landesgesetzgebung abgeändert oder aufgehoben werden können. Der Absicht des Gesetzes entsprach auch hier der unbedingte Vorrang des Reichs- rechts. Nur dieser Vorrang sichert zugleich die Rechtseinheit und die finanzielle Ergiebigkeit der Vergnügungssteuer, die der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 13 des L.St.G. ja gerade erreichen wollte. Wäre die Landesgesetzgebung in der Lage, die Bestimmungen des Reichsrats nach Belieben ausser Kraft zu setzen, so könnte sie durch grundsätzlich abweichende Vorschriften die Rechtseinheit und durch eine geringfügige Belastung etwa nur der Tanzlustbarkeiten selbst die finanzielle Wirksamkeit der Steuer jederzeit aufheben. Den Normalbestimmungen käme bei dieser Rechtslage nur noch die Bedeutung unverbindlicher Vorschläge zu, und es war kaum zu verstehen, weshalb der Gesetzgeber den Reichsrat über- haupt mit der Sache befasst haben sollte.

Demgegenüber hat das F.A.G. eine Neufassung der §§ 12 u. 13 desL-St.G., die allen beteiligten Interessen gleichmässig gerecht werden dürfte. Die Ver- gnügungssteuer den Gemeinden zu überweisen, war bei Erlass des L.St.G. der leitende Gedanke (vgl. die Begründung S. 15). Dementsprechend stellt der § 13 des F.A.G. die Verpflichtung der Gemeinde voran und fügt dem alsbald die Vor- schriften des bisherigen § 13 an (Abs. 1 Satz 2, Abs. 2). Im Anschluss daran gibt der § 13 der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers Ausdruck, indem er die Länder ermächtigt, im Rahmen der Bestimmungen des Reichsrats Abwei- chungen festzusetzen und zuzulassen, sowie die Vergnügungssteuer an Stelle der Gemeinden entweder durch das Land oder durch die Gemeindeverbànde erheben zu lassen. Die Zuweisung des Aufkommens der Vergnügungssteuer an Gemeinden, Gemeindeverbände oder Land stellt der § 13 gleichfalls in das Belieben der Länder (Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 4)4). Ein Antrag im Reichstag, Abs. 3 u. 4 zu streichen, um die Vergnügungssteuer ausschliesslich als eine Gemeindesteuer auszuprägen, wurde zurückgezogen auf die Aufklärung hin, dass kleine Gemeinden

i) Ausschussbericht S. 8, 9, 24. 2) Ausschussbericht S. 9. .. . _. . . .. „ ... . «. „ ,. 3) Vom 9 Juni 1921, mitgeteilt im Finanzarcürv »» (1921) ö. eeu. An oiene dieser

traten neue vom 7. Juni 1923, mitgeteilt ebenda 40 (1923) S. 601; ihre Abänderung vom 10. April 1924 siehe unten S. 236.

4) Siehe Begründung S. 23, 24. 82

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vielfach gar nicht über Persönlichkeiten verfügen, die die Steuer zu verwalten imstande wären; in diesen Fällen ergebe es sich von selbst, dass die Gemeinden sich wegen der Erhebung an die übergeordneten Verbände wendeten. Für die kleineren Länder und zumal im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse der Stadtstaaten müsse auch die Erhebung durch das Land offen gehalten werden1).

5. Beseitigung von Hindernissen in der Anpassung der Landes- und Gemeindesteuern an die Reichsabgaben- ordnung (§ 17). Schon nach dem § 14 des L.St.G. sollten die Länder darauf Bedacht nehmen, die Bestimmungen über die Veranlagung und Erhebung der Landes- und Gemeindesteuern mit den Vorschriften der Reichsabgabenordnung in Einklang zu bringen. Dem stand aber eine Schwierigkeit entgegen auf den Gebieten des materiellen Steuerstraf rechts und des Steuerstrafverfahrens. Für das Strafrecht ist auf § 5 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch zu ver- weisen, in dem Beschränkungen der Steuergesetzgebung enthalten sind. Ohne eine ausdrückliche reichsgesetzliche Ermächtigung würde es z. B. nicht zulässig sein, in Landesgesetzen die Strafe der öffentlichen Bekanntmachung (§ 363 R.A.O.) und Gefängnisstrafen von mehr als 2 Jahren, insbesondere beim Rückfall (§ 369 R.A.O.), anzudrohen. Auf dem Gebiete des Strafverfahrens, und zwar des gericht- lichen sowie des Verwaltungsstrafverfahrens kann durch Landesrecht die gleiche Regelung, wie sie die R.A.O. für die Reichssteuern geschaffen hat, nicht ohne weiteres eingeführt werden. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1, § 6 Abs. 2 Nr. 3 des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung in Verbindung mit den §§ 459-469 der St.P.O., die nur für den Bereich der R.A.O. aufgehoben worden sind (§ 449 R.A.O.). In § 17 Abs. 2 des F.A.G. wurde den Ländern deshalb die entsprechende Befugnis erteilt. Landesrechtliche Vorschriften der im § 17 Abs. 2 bezeichneten Art, die bereits erlassen sind, werden, soweit sie bisher mit dem Reichsrecht nicht in Einklang standen, mit dem Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 wirksam2).

6. Frage der Erweiterung des Zuschlagsrechts der Länder und Gemeinden. Ein Zuschlagsrecht hatte das L.St.G. den Ländern und Gemeinden nur hinsichtlich der Grunderwerbsteuer ge- währt (§ 40). Dabei hat es auch das F.A.G. belassen, aber das Zuschlagsrecht von 2 % auf 4 % des steuerpflichtigen Werts für solche Länder und Gemeinden erhöht, die eine Wertzuwachssteuer nicht erheben (§ 36 Abs. 2). Durch diese Vergünstigung sollte den Ländern und Gemeinden ermöglicht werden, auf eine unzulängliche Besteuerungsform, wie sie die Wertzuwachssteuer darstellte, zu ver- zichten, ohne doch damit Ausfälle in ihren Einnahmen auf sich zu nehmen8). Obwohl der Reichstag diese Unzulänglichkeit der Wertzuwachssteuer, insofern sie entweder infolge der Markentwertung Scheingewinne besteuerte und dadurch den Steuerpflichtigen ungerecht behandelte oder zu Umgehungen auf dem Grund- stücksmarkte führte, dadurch beseitigte, dass er einen Paragraphen (§ 16) ein- fügte, der für die Feststellung des Wertzuwachses fortan bei dem Erwerbs- und Verkaufspreis die Berücksichtigung der inneren4) Kaufkraft der Mark an den beiden Zeitpunkten vorschrieb, so blieb doch die Vergünstigung bestehen. Es wurde dadurch möglich gemacht, den Ausführungsschwierigkeiten des § 16 auszuweichen.

Gegen andere Zuschläge verhielt sich die Reichsregierung ablehnend. Die Begründung führte hierzu aus: „Ein unmittelbares Zuschlagsrecht zu den grossen Steuern vom Einkommen und vom Umsatz würde den Gemeinden nicht bloss ergiebige neue und selbständige Steuerquellen eröffnen, sondern vor allem auch das Gefühl der Selbstverantwortung für die eigene Finanzgebarung in den Ge- meindevertretungen wesentlich stärken. Bei voller Uebereinstimmung in der Würdigung dieses hochbedeutsamen Gesichtspunktes wird die Forderung eines derartigen Zuschlagsrechts doch weder von den Ländern noch von den Gemeinden selbst einhellig vertreten. Umso weniger könnte der Entwurf sie erfüllen. Die Sätze des Einkommensteuertarifs müssen aus ausser- wie innerpolitischen Gründen an sich schon stets das Höchstmass einer volkswirtschaftlich vertretbaren Be-

!) Ausschussbericht S. 11. ¿) .Begründung zum uesetzentwurr b. 20. 8) Begründung S. 14. *) Siehe unten 8. 112 Note 4.

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lastung des Einkommens in Anspruch nehmen, und dass der ursprüngliche Tarif über dieses Höchstmass hinausging und jedenfalls den seither eingetretenen Ver- änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr entsprach, hat die Reichs- gesetzgebung anerkannt, indem sie ihn bereits wiederholt dem Sinken des Geld- werts angepasst hat. Mit der Gewährung einer Zuschlagsbefugnis an die Ge- meinden würde die Reichsgesetzgebung aber nicht bloss sich selbst widersprechen, sondern in weitesten Bevölkerungskreisen zugleich eine Beunruhigung hervor- rufen, die mit dem blossen Hinweis auf die finanzielle Notlage der Gemeinden kaum zu beschwichtigen wäre. Der Grundgedanke der ganzen Einkommens - besteuerung durch das Reich ist zudem die Einheitlichkeit der steuerlichen Be- lastung nach der Leistungsfähigkeit. Zuschläge, die von Gemeinde zu Gemeinde wechseln, würden diesen Grundgedanken bei den schon jetzt bis zum äussersten angespannten Steuersätzen in sein Gegenteil verkehren. Dazu kommt, dass die besondere Regelung der Einkommensteuer vom Arbeitslohn einer Zuschlags - belastung die allergrössten technischen Schwierigkeiten entgegensetzen würde, deren teilweise vielleicht mögliche Ueberwindung doch nur dazu führen könnte, dass ein grosser Teil der mit der Neuregelung angestrebten Vorteile wieder ver- loren gehen müsste.

Für die Umsatzsteuer erweist sich der Zuschlagsgedanke vollends als un- durchführbar. Bei der einschneidenden Wirkung gerade dieser Steuer würde eine ungleichmässige Handhabung nach vorwiegend örtlichen Gesichtspunkten für das gesamte Wirtschaftsleben von unabsehbaren Folgen sein. Gleichmässigkeit ist hier in noch höherem Grade Voraussetzung der Tragbarkeit als bei den Einkommen- steuern1)."

7. Schaffung neuer Steuern für die Gemeinde. Eine neue Steuer, die ganz den Ländern zufliesst, ist die Börsensteuer, die auf den Börsenbesuch und die Börsenzulassung durch Verordnung vom 14. Februar 1924 2) eingeführt worden ist. Nach der Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 er- hält jedes Land von dem Gesamtaufkommen die Beträge, die von den Finanz- ämtern in seinem Gebiet erhoben werden3).

Als zum Teil neue Steuern bringt das F. A. G. den Gemeinden die Getränke- steuern (§ 14). Mit Genehmigung der Landesregierung oder der von ihr beauftragten Behörden können sie auf den örtlichen Verbrauch (sowohl aus den Schankstätten als durch Vermittlung des Kleinhandels) von Schaumwein, schaum- weinähnlichen Getränken und Trinkbranntwein bis 15 v. H. (Gesetzentwurf: 30 v. H.) des Kleinhandelspreises, von Wein, Fruchtschaumwein, weinähnlichen und weinhaltigen Getränken, Mineralwässern und künstlich bereiteten Getränken bis 5 v. H. erheben. Für die Besteuerung nach der Menge, wie sie bei Bier und Wein schon bisher häufig war, hat der Reichsfinanzminister die Höchstsätze je- weils mit dem Reichsrat festzusetzen4).

Bei den Reichstagsverhandlungen wurden vielfach Versuche gemacht, eine Regelung in der Weise zu erlangen, dass das Reich zu den reichsgesetzlichen Ge- tränkesteuern für Zwecke der Gemeinde Zuschläge in der Höhe von 50 v. H. der Reichssteuersätze (beim Trinkbranntwein 15% der Grosshandelspreise) er- hebe und unverkürzt nach der Bevölkerungszahl an die Länder verteile, die sie nach gleichem Massstab an die Gemeinden verteilen sollten. Man scheute von dieser Seite den Aufbau eines neuen Veranlagungsapparates, der sich unverhältnis- mässig kostspielig gestalte. Die Regierungsvertreter wehrten sich aber sehr da- gegen. Sie betonten, dass man den verschiedenen örtlichen Verhältnissen nur durch die fakultative Sondersteuer Rechnung tragen könne, eine allgemeine Ver- teilung nach der Volkszahl sei ungerecht, Zuschläge zum Grosshandelspreise beim Trinkbranntwein insofern schwierig, als dieser Begriff infolge der vielen Zwischen-

*) Begründung S. 14. - Der Antrag aus dem Reichstag, die Gemeinden, in denen der Totalisator betrieben wird oder in denen Buchmacherwetten abgeschlossen werden, zu einer Zuschlagssteuer von 50 % der Reichssteuer zu berechtigen, wurde im Ausschuss in 1. Lesung angenommen, in 2. abgelehnt. Ausschussbericht S. 17, 32.

2) Dieselbe ist unten S. 225 mitgeteilt. °) öiene unten ö. iau jNoie i. 4) Die letzte Festsetzung siehe unten S. 112.

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glieder, die der Branntwein im Handel durchlaufe, sehr schwankend sei; wollte man als Grosshandelspreis den Verkaufspreis der Monopolverwaltung zugrunde legen, so würde der gesamte, von der Ablieferung befreite Branntwein - Obst- brand, Weinbrand, Kornl.rand - von der Steuer nicht erfasst werden1).

Durch Art. 14 Abs. 7 sind die bisher geltenden reichsgesetzlichen Vor- schriften2), die sich auf die Besteuerung der neu geregelten Getränkesteuern durch die Gemeinden bezogen, aufgehoben. Den Gemeinden, die solche Abgaben schon hatten, bleibt nichts anderes übrig, als nun eine Neuregelung im Sinne des § 14 vorzunehmen. Durch die Geldentwertung waren manche dieser Ab- gaben ohnehin wertlos geworden; die im Gesetzentwurf vom 25. Oktober 1921 vorgeschlagene Erhöhung der gemeindlichen Höchstgrenze von 65 Pf. pro Hekto- liter Bier auf 10 M. war vom Reichstag abgelehnt worden).

Eine Vergünstigung wurde durch Verordnung vom 21. Juli 1923 den Ge- meinden gewährt, die bis zum 15. August 1923 Getränkesteuerordnungen erliessen; sie konnten beschliessen, dass diese schon am 1. Juli 1923 in Kraft treten.

Schon bei dem Umsatzsteuergesetz war der Vorschlag zu Schank- verzehrsteuern gemacht, aber vom Reichstag abgelehnt worden. Der Entwurf zur Abänderung des Landessteuergesetzes machte einen neuen Versuch. Die Gemeinden (Gemeindeverbände) sollten mit Genehmigung der Landesregierung oder der von ihr beauftragten Behörde Steuern auf die Umsätze in Speise-, Schank- und Gastwirtschaften erheben dürfen. Sie sollte 10 v. H. und, falls eine Abstufung nach sachlichen Merkmalen, insbesondere nach der Art der steuerpflichtigen Speise-, Schank- und Gastwirtschaften, stattfand, 20 v. H. der Entgelte nicht übersteigen. Die Abgabe sollte unabhängig von der allgemeinen Umsatzsteuer erhoben werden. Natürlich dürfte sie nur solche Umsätze erfassen, die dem Be- trieb von Speise-, Schank- und Gastwirtschaften eigentümlich sind; betreibt der Inhaber neben der Speise-, Schartk- und Gastwirtschaft etwa noch Landwirtschaft, Wein- oder sonstigen Handel, so sollte sein Umsatz insoweit nicht unter die Schank- verzehrsteuer fallen. Für die Durchführbarkeit wurde auf einen Aufsatz des Hauptsteuerdirektors Lange in Berlin (Zeitschr. f. Kommunalwirtschaft für 1922 S. 661 f.) hingewiesen. Der Reichstag konnte sich aber nicht mit der Abgabe befreunden4). Man befürchtete sehr hohe Erhebungskosten und leichte Hinter- ziehung.

Der Entwurf hat den Gemeinden auch eine Zwecksteuer eröffnen wollen: Sie sollten zur Förderung der Landwirtschaft oder der Viehzucht mit Genehmigung der Landesregierung oder der von ihr beauftragten Behörden Steuern auf das Halten von Vieh erheben dürfen. Einer solchen Steuer stand bisher der § 13 des Zolltarifgesetzes vom 25. Dezember 1902 (R.G.B1. S. 303) entgegen, wonach für Rechnung von Kommunen oder Korporationen vom 1. April 1910 ab Abgaben auf Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl und andere Mühlenfabrikate, des- gleichen auf Backwaren, Vieh, Fleisch, Fleischwaren und Fett nicht mehr er- hoben werden dürfen6). Der Reichsfinanzhof hat nun zwar diese Vorschrift in einem Gutachten (Entsch. Bd. 8 S. 48) richtig dahin ausgelegt, dass der § 13 der Erhebung von Gemeindeabgaben auf das Halten von Vieh insoweit nicht entgegenstehe, als die Besteuerung nicht Vieh trifft, das, wie Mastvieh, lediglich gehalten wird, um dem Verbrauch als Nahrungsmittel zugeführt zu werden. Es liegt aber auf der Hand, dass die Praxis mit dieser Einschränkung schwer operieren kann. Der Entwurf wollte durch ihre Beseitigung ganz freie Bahn schaffen. Bei den Verhandlungen wurde von mancher Seite es begrüsst, wenn eine solche Ab- gabe die Lösung des Ernährungsproblems fördern helfe, weiterhin beantragt, neben der Viehzucht noch das Wort „Viehhaltung" einzufügen, um ausser Zweifel

!) Begründung zum Entwurf S. 15, 24, 25. Ausschussbericht S. 11, 26, 41. ¿) Siehe Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 Art. 6 § 7 (Bd. Ges.Bl. S. 81), dazu § 63

des Biersteuergesetzes vom 26. Juli 1918 (Finanzarchiv 86, 1919, 8. 515); § 50 des Weinsteuer- gesetzes vom 20. Juli 1918 (ebenda S. 485); Branntweinmonopolgesetz vom 8. April 1922/15. Fe- bruar 1923 § 175 (ebenda 40, 1923, 8. 167).

3) Finanzarchiv 40 (1923) S. 191. *) Begründung S. 15, 25. Ausschussbericht 8. 11, 12, 13, 26. b) bieùe dazu Fmanzarchiv 20 (1903) S. 232

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gß Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung.

zu stellen, dass auch diese, wie sie besonders in der Nähe grosser Städte betrieben werde, für eine Unterstützung aus den Erträgen der Steuer in Betracht komme. Auch sollte die Verwendung des Aufkommens nur nach Anhörung der öffentlich- rechtlichen Berufsvertretung der Landwirtschaft und nur der Zucht der Vieh- gattung zugute kommen, von der die Steuer erhoben werde. Andere meinten aber, die Steuer stelle im Gesetz einen Fremdkörper dar, sie bringe den Gemeinde- finanzen keinen Vorteil, sie erscheine als ein durchlaufender Posten, da ihre Ver- wendung gebunden sei; den Gemeindefinanzen könne sie nur nützen, wenn man den Verwendungszwang beseitige. Dem wurde regierungsseitig entgegengehalten, es käme nicht bloss darauf an, die Gemeinden mit den zur Erfüllung ihrer obliga- torischen Aufgaben erforderlichen Mitteln auszustatten, vielmehr sei es von grösster Wichtigkeit, dass sie auch zur Erfüllung von fakultativen Aufgaben, deren sie sich von jeher angenommen hätten, befähigt blieben. Das Endergebnis aber war, dass nicht nur der Paragraph gestrichen, sondern sogar ein Verbot dahingehend, dass Sondersteuern auf Betriebsmittel der Landwirtschaft oder des Gewerbes nicht zulässig sind, eingefügt wurde (§ 15)1).

Ein Mitglied des Reichstags griff die vom Vorstand des Städtetags in einer Eingabe an den Reichstag vom 29. November 1922 empfohlene „Ansiedlungs- s teuer" auf und stellte ihre Einführung zur Erwägung. Eine solche Steuer sei geeignet, der wachsenden Ueberfremdung des städtischen Grundbesitzes entgegen- zuwirken. Zum mindesten sichere sie den Gemeinden einen Anteil am Valuta- gewinn, der ausländischen Erwerbern in dem meist zu niedrigen Kaufpreise zugute komme. Es wurde aber dem entgegengehalten, dass sie unter Umständen eine Verletzung des Art. 276 c des Friedensvertrags bedeute und wohl auch gegen das Freizügigkeitsgesetz verstosse; auch möchte der zu versteuernde wirkliche Wert nicht leicht festzustellen sein. Die von mehreren preussischen Gemeinden beschlossenen Steuerordnungen ähnlicher Art wurden nicht genehmigt2).

8. Die Aenderung des Steuermassstabs bei der Weges teuer8) (§ 12). Das Kraftfahrzeugsteuergesetz vom 8. April 19224) hat im § 18 vorgeschrieben, dass in den Ländern „zu Zwecken der öffentlich- rechtlichen Wegeunterhaltung eine Steuer für die Benützung der Wege durch andere Fahrzeuge als Kraftfahrzeuge" zu erheben ist. Mit dem Inkrafttreten des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, frühestens mit dem 1. April 1923, wird die Er- hebung der Chaussee- und ähnlichen Wegegelder von Kraftfahrzeugen für die gewöhnliche Benützung öffentlicher Wege unzulässig; das gleiche gilt für sonstige Fahrzeuge mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Landessteuer im oben- erwähnten Sinn. Tritt eine solche Steuer in einem Lande in Kraft, so erhält das Land zum Zwecke der Wegeunterhaltung den Anteil am Aufkommen der Kraft- fahrzeugsteuer nach Verhältnis seines Gebietsumfangs und seiner Bevölkerungs- zahl zu denen des Reichs. Bis zu diesem Zeitpunkt erhalten die Länder nur 50 % des Aufkommens an Kraftfahrzeugsteuer.

Das F.A.G. hat daran nichts geändert5), auch nicht an der Zweckverwen- dung, wohl aber an dem Massstab der Besteuerung. Etwaige Zweifel, ob nicht auch andere Massstäbe als Fahrzeuge zulässig seien, sollten behoben werden. Der Entwurf wollte deshalb den Massstab ganz der Landesgesetzgebung überlassen, die damit auch die Möglichkeit erhielt, an schon vorhandene Besteuerungsformen anzuknüpfen. Der Reichstag hat aber eine Einschränkung vorgenommen, insofern als „bei landwirtschaftlichen Betrieben Fläche, Kulturart und Stärke der Be- nutzung der Wege durch die einzelnen Betriebe" berücksichtigt und Personen- fahrräder ohne motorischen Antrieb und Kraftfahrzeuge im Sinne des Kraft- fahrzeugsteuergesetzes von der Steuer freigelassen werden sollen.

i TÍAOTiitiHiiTiP' S 1ñr AïissoJiusshftrifiht S. 18. 27. 2) Ausschussbericht S 14. 16 3) Das F.A.G. hat sich mit Recht auf den Boden gestellt, dass alle Vorschriften des

Reichsrechts über Landes- und Gemeindesteuern, sowie sämtliche Vorschriften über Be- teiligung von Ländern und Gemeinden an dem Aufkommen von Reichssteuer/i im Interesse einheitlicher und übersichtlicher Regelung in ihr ihren Platz erhalten müssen. Sie hat deshalb die bezüglichen Bestimmungen des Kraftfahrzeug- und Rennwettsteuergesetzes heraus- und in sich aufgenommen.

<) Finanzarchiv 39 (1922) S. 628 &) Siehe jedoch S. 87 Abs. 3, 36

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Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. gj

Man machte geltend, die Landwirtschaft erfordere besondere Berücksichtigung, weil die Zahl der vorhandenen Fahrzeuge sehr gross sei, um den Anforderungen zur Zeit der Ernte in jedem Falle etwa bei drohendem Witterungsumschlage usw. genügen zu können, auch gebe es in landwirtschaftlichen Betrieben viele Fahrzeuge, die nur auf Feldern Verwendung fänden und zur Abnützung der Strasse gar nicht beitrügen. Von mancher Seite wurde demgegenüber die Befürchtung ausgesprochen, dass die für die landwirtschaftlichen Betriebe beschlossene Sonderbestimmung die Veranlagung sehr erschwere, wenn nicht unmöglich mache. Ein im Reichstag gestellter Antrag wollte geradezu, dass den Ländern überlassen bleibe, ob sie die Steuer einführen wollten. Dem wurde entschieden widersprochen, der Re- gierungsvertreter (P o p i t z) machte aber geltend, der Zwang sei schon nach dem Gesetz kein schlechthiniger, sondern nur ein indirekter, er bestehe lediglich darin, dass die Ueberweisung des vollen Ertrags der Kraftfahrzeugsteuer an das einzelne Land von der Einführung der Landesfahrzeugsteuer abhängig gemacht sei. Auch die Aufhebung der Chaussee- und Wegegelder sei schon in dem Kraft- fahrzeugsteuergesetz keine schlechthinige; man habe angesichts der finanziellen Bedrängnis der Gemeinden und der teuren Wegebaulasten die Möglichkeit einer Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten nicht ausschliessen wollen; nach § 12 Satz 6 sind Ausnahmen zulässig, deren Begrenzung dem Reichsrat vorbehalten ist1). „Grundsätze über Wegesteuern der Länder" hat er kürzlich aufgestellt2).

Einer Zugviehsteuer, um die Wegeunterhaltung zu sichern, soll, wie man annimmt, der § 15 nicht entgegenstehen3). Es scheint, dass auch der Reichsrat ßie für zulässig hält, weil er in seinen Bestimmungen hinter Fahrzeug immer („Zugtier") einschaltet.

Das Impelle zur Einführung einer Wegeunterhaltungssteuer ist nun über- haupt hinfällig geworden, indem die Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 die Kraftfahrzeugsteuer in voller Höhe (unter Abzug von 4 v. H. für die Verwaltung durch das Reich) auf die Länder verteilt, und zwar zur Hälfte nach der Volkszahl, zur Hälfte nach dem Gebietsumfang, ohne die Ueberweisung auch der zweiten Hälfte des Aufkommens der Kraf tfahrzeugsteuer an die Voraussetzung der Einfüh- rung einer Landesfahrzeug- oder ähnlichen Steuer zu binden. Die Länder haben ihren Anteil mindestens zur Hälfte für die öffentliche Wegeunterhaltung zu verwenden.

9. Die Erhöhung der Anteile der Länder und Gemein- den an Reichssteuern. Das F.A.G. vom 23. Juni 1923 hatte keine Aenderung in der Höhe der Beteiligung eintreten lassen bei der Erbschafts- steuer; es verblieb bei den 20% für die Länder (§ 32). Durch die Steuer- notverordnung vom 14. Februar 1924 wurde aber die Beteiligung der Länder an der Erbschaftssteuer aufgehoben. Siehe auch unten S. 89 Nr. 12.

Dagegen wurde der Anteil der Länder an der Einkommen- und Körperschaftssteuer von zwei Drittel auf drei Viertel des Aufkommens und durch die Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 vom 1. Februar 1924 an auf 90 v. H. erhöht.

Von der Umsatzsteuer erhielten zunächst die Länder nach wie vor 10%, die Gemeinden aber statt 5 % nun 15 %. Der Gesetzentwurf hatte für letztere 25 % vorgeschlagen, aber unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig der Steuer- fuss der Umsatzsteuer von 2 auf 2x/2 % erhöht werde4). Bis auf ein Zwanzigstel also sollte die bedeutende Mehrhilfe, die man den Gemeinden bieten wollte, durch eine steuerliche Mehrbelastung aufgebracht werden. Bei der trostlosen Finanzlage

!) Begründung zum Entwurf S. 83: Ausschussbericht S. 9. 25. 2) Siehe unten S. 110 Note 2; ihre Bekanntmachung vom 24. Februar 1924. d) »iene unten 8. 240 das sächsische Zugtiersteuergesetz vom 27. März 1923, das aller-

dings vor dem Finanzausgleichsgesetz erlassen, aber bisher durchgeführt wurde Vgl. auch daselbst die Entwurfsbegründung. - Es darf vielleicht daran erinnert werden, dass in Bayern 1808-1822 eine Zugviehsteuer als Ersatz lür das Wegegeld bestand Finanzarchiv 17 (1900) S. 652, 658.

*) Der gewöhnliche Umsatzsteuerfuss betrug vom l. Oktober 1916 bis 31. Juli 1918 0,1 0|0; vom 1 . August 1918 bis 31. Dezember 1919 0,50|0 ; vom 1. Januar 1920 Bis 31. Dezember 1921 1,5 °|0; seit l. Januar 1922 ü°|0. Dadurch, dass gleichzeitig alle Preise immer phantastischer wurden, wuchs das Aufkommen der Umsatzsteuer auch Immer mehr und wurde die wich- tigste Einnahme des Reichs.

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gg Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung.

des Reichs war dieser Standpunkt der Reichsregierung nur begreiflich, und zwar umso mehr, als die Zuschüsse, die das Reich zu den Besoldungen leistete, auch zu immer phantastischeren Summen sich auswuchsen und die Papiergeldinflation damit immer unheimlichere Dimensionen annahm. Dieser Punkt bildete denn auch das Kernstück der Vorlage und um ihn drehte sich der grösste Teil der Ver- handlungen. Die Parteien konnten sich absolut nicht zu der vorgeschlagenen Erhöhung der Umsatzsteuer verstehen. Ohne diese wollte aber die Reichsregierung von einem Anteil von 25 % für die Gemeinden nichts wissen, ebenso lehnte sie, da dies nur eine andere Form der Minderung der Reichseinnahmen bedeutet hätte, den Antrag der vereinigten sozialdemokratischen Partei ab, die statt der Er- höhung der Umsatzsteuer 10 % aus dem Aufkommen der Kohlensteuer bewilligen wollte, falls die Gemeinden verpflichtet würden, diese Beträge für soziale Zwecke, wie Sozialrentner-, Kleinrentner-, Erwerbslosenfürsorge, unentgeltliche Toten- bestattung usw., zu verwenden. Die Sache gestaltete sich immer verzweifelter. Die Reichsregierung erwog, ob sie die Vorlage nicht ganz zurückziehen sollte. Schliesslich kam es zu einem Kompromiss, indem die Erhöhung des Steuersatzes der Umsatzsteuer unterblieb, der Anteil der Gemeinden aber nur auf 15 % statt auf 25 % festgesetzt wurde1).

Nachdem seit 1. Januar 1924 die Umsatzsteuer auf 21/2v. H. erhöht worden ist, hat die dies anordnende Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 den Län- dern vom 1. Februar 1924 ab bis zum Schluss des Rechnungsjahrs 1924 für sie und ihre Gemeinden statt 10 + 15 = 25 v. H. nur mehr 20 v. H. belassen und der Landesgesetzgebung anheimgestellt, wie sie die Beteiligung der Gemeinden regeln will.

Aus dem Aufkommen der Grunderwerbsteuer erhielten nach dem Ge- setz vom 12. September 19192) die Länder bisher 50 %, und wenn es sich um das Steueräquivalent von gebundenem Besitz handelte, 25 %. Das F.A.G. überlässt den ganzen Ertrag nach Abzug von 4 % für die Verwaltung der Steuer durch das Reich den Ländern. Während bisher es den Ländern freigestellt blieb, wieviel sie von dem Anteil den Gemeinden überweisen wollten, sind sie jetzt verpflichtet, von ihrem Anteil diesen mindestens die Hälfte zu überlassen.

Das Ergebnis der Rennwettsteuer war nach dem Gesetz vom 8. April 1922 (§ 15) zu 50 % den Ländern überwiesen. Das F.A.G. (§ 46) überlässt auch hier den ganzen Betrag abzüglich 4 v. H. für die Verwaltung der Steuer durch das Reich den Ländern. Diese hatten bisher zwei Drittel ihres Anteils für Zwecke der Pferdezucht zu verwenden, fortan, da sich ihr Anteil verdoppelt, nur noch ein Drittel ihres Anteils.

10. Die Grunderwerb-, Rennwett-, Kraftfahrzeug- und Börsensteuer bleiben R e i c h s s t e u e r n im Sinne des § 1 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (§§ 34, 45, 46), obwohl ihr Erträgnis den Ländern, bei der Kraftfahrzeugsteuer allerdings bisher nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2, in voller Höhe zufliesst. Da die R.A.O. nur für Steuern gilt, die ganz oder zum Teil zugunsten des Reichs erhoben werden, es aber als zweifelhaft erschien, ob der Kostenabzug von 4 % des Aufkommens zugunsten des Reichs noch den Tatbestand des § 1 Abs. 2 R.A.O. zu begründen vermag, wurde, um die Weitergeltung der R.A.O. in jedem Falle zu sichern, diese ausdrücklich ausgesprochen.

11. Erweiterung der Rechte der Länder hinsichtlich derGrunderwerbsteuer(§36 Abs. 4, § 37). Aus dem § 19 der R.A.O. folgt, dass den Reichsbehörden nicht nur das Veranlagung-, sondern auch das Rechtsmittelverfahren erster und zweiter Instanz übertragen ist. Hiernach mussten bisher Fragen, die die landesrechtlichen Zuschläge zur Grunderwerbsteuer betreffen, auch in der zweiten Rechtsmittelinstanz von den Finanzbehörden des Reichs ent- schieden werden, auch wenn lediglich ein für die Zuschläge geltender Grund, z. B. die Gültigkeit der Gemeindebeschlüsse über die Erhebung, streitig war. Es erschien

i) Ausschussbericht S. 1 f., 28 f., 32 f., 38 f. 2) Finanzarchiv S7 (1920) S. 289. Das gleiche war der Fall naen dem Li.öt.i*. vom

30. März 15)20, § 87. 88

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Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. g()

zweckmässig, den Ländern die Möglichkeit zu geben, insoweit das Rechtsmittel auf einen lediglich für die Zuschläge geltenden Grund gestützt wird, das Ver- fahren über den Einspruch und die Berufung abweichend zu regeln, insbesondere ihren eigenen Verwaltungsgerichten die Entscheidung zu übertragen. Das preus» sische Gesetz vom 19. April 1922 ( Gesetzsamml. S. 89) hat diesen Weg bereits beschritten, war aber mit dem damals geltenden Reichsrechte nicht vereinbar. Die Vorschrift in § 36 Abs. 4 räumt dieses Bedenken aus. Zulässig würde es danach auch sein, dass in dem besonderen Rechtsmittelverfahren über die Zuschläge die Einspruchsinstanz wegfällt. Soweit die Länder nicht von der Befugnis des § 36 Abs. 4 Satz 2 Gebrauch machen, erschien es geboten, dass hinsichtlich der Zuschläge dasselbe Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wie für die Reichs- steuer selbst. Der Reichsfinanzhof hatte seine Zuständigkeit als letzte Instanz bisher verneint (vgl. Amtliche Samml. der Entsch. Bd. 4 S. 12). Die Fassung des § 36 Abs. 4 Satz 1 begründet nunmehr auch diese Zuständigkeit.

Mit der vollen Ueberweisung der Grunderwerbsteuer an die Länder und Gemeinden in voller Höhe wurde es auch möglich, einem dringend geäusserten Wunsche der Länder und Gemeinden, die Geschäfte der Finanzämter bei der Verwaltung der Grunderwerbsteuer den von den Landesbehörden bezeichneten Behörden zu übertragen, wenn eine Landesregierung dies beantragt ( § 37 Satz 1 ). Im Jahre 1922 habe ich im Finanzarchiv Jahrg. 39 S. 731 bereits darauf hinge- wiesen, wie eng diese Steuer mit den heimischen Einrichtungen verbunden ist, welche ausgezeichnete Vollzugsorgane man in den Notaren hat usw. Den Län- dern und Gemeinden die Verwaltung der Steuer zu eigenem Recht zu übertragen, verbot sich im Hinblick auf die §§8 Abs. 2 und 108 der R.A.O. sowie auf die Vorschriften über das Rechtsmittel verfahren1).

12. Abänderung der Verteilung der Anteile und schliess- liche Beseitigung der Beteiligung bei der Erbschafts- steuer. Bei der Erbschaftssteuer ist es allgemein geltendes Prinzip, dass für Grundbesitz sie dem Staat der Belegenheit zusteht. Das war auch in Deutsch- land der Fall, solange die Erbschaftssteuer Landessteuer war. Daran wurde auch festgehalten, als durch Gesetz vom 3. Juni 1906 die Erbschaftssteuer an das Reich überging, insoweit die Bundesstaaten an dem Ertrag beteiligt waren; denn es blieb der Belegenheitsstaat bei Grundstücken berechtigt. Das L.St.G. vom 30. März 1920 (§ 36) hat die Anteilsberechtigung (20%) bei Grund- und Betriebsvermögen ebenfalls dem Belegenheitsstaat zuerkannt ; für die Verteilung des Anteils unter mehrere anteilsberechtigte Länder war der steuerpflichtige Wert des Grund- oder Betriebsvermögens und der sonstigen Steuerobjekte mass- gebend.

Mit dieser Ordnung ist in dem F.A.G. vom 23. Juni 1923 gebrochen worden, der § 36 wurde gestrichen2). Die Begründung zum Entwurf (S. 19) machte hier- für geltend, dass die Verteilungsvorschriften die Finanzämter vor Schwierigkeiten stellen, die, zumal in verwickeiteren Fällen (grössere Erbschaft, zahlreiche Ver- mächtnisse), nahezu unüberwindlich sind und jedenfalls ausser allem Verhältnis zu der aufzuwendenden Arbeit stehen. Ihre Streichung liege daher im dringenden Interesse einer raschen und sachgemässen Veranlagung. Der Anteil jedes Landes war danach von den Steuern zu berechnen, die von den Finanzämtern im Bereiche des Landes veranlagt sind, soweit diese Steuern zur Erhebung gelangen (F.A.G. § 33). Die Zuständigkeit der Finanzämter war geregelt durch § 55 der A.O. und § 33 Abs. 2 des F.A.G. Dieses rohe, für die Länder wenig befriedigende Beteiligungs- verfahren wurde hinfällig durch die Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924, das, wie oben S. 87 schon erwähnt, die Erbschaftssteuererträgnisse nunmehr aus- schliesslich dem Reich vorbehält.

13. AenderungderVerteilungderAnteilederUmsatz- s t e u e r (§ 38 f., § 55 f.). Das L.St.G. (§42) verteilte die 10 %, welche die Länder vom Aufkommen der Umsatzsteuer zu erhalten hatten, nach Verhältnis der Be-

]) Begründung zum Gesetzentwurf S. 29. 2) Mit Wirkung vom 1. September 1919 ab (Art. X, Abs 1 des Abänderungsgesetzes vom 23. Juni 1923).

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go Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung.

völkerungszahl. Das F.A.G. hält an diesem Grundsatz fest. Was die zu ver- teilende Summe anlangt, so war und ist das Ist-Aufkommen massgebend.

Was die Verteilung der Anteile der Gemeinden anlangt, so war schon nach dem L.St.G. eine Verteilung nach der Volkszahl ausgeschlossen. Die Begründung zu diesem bezeichnete den Anteil der Gemeinden als Vergütung für die Hilfe- leistung bei der Verwaltung der Steuer, er betrug deshalb auch nur 5 %, und da nur die Sitzgemeinden für eine solche Hilfeleistung in Betracht kamen, hat das L.St.G. auch nur diesen einen Anteil zugebilligt; jede Gemeinde erhielt 5% von dem auf sie entfallenden Aufkommen an Umsatzsteuer (§ 43).

Ausgeschlossen waren dadurch alle Gemeinden, in denen das einzelne Unter- nehmen zwar eine Betriebsstätte, aber nicht den Sitz seiner Leitung hatte. Durch diese Regelung fühlten sich viele Gemeinden benachteiligt und von verschiedenen Seiten wurde der Wunsch geäussert, es möchte der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer nach ähnlichen materiellen Grundsätzen bemessen und verteilt werden, wie sie für die Einkommen- und Körperschaftssteuer aufgestellt sind. Die Begründung zum neuen Gesetzentwurf hat Bedenken hingegen ge- äussert (S. 19): „Inwieweit eine derart verfeinerte Berücksichtigung der wirt- schaftlichen Beziehungen zwischen dem steuerpflichtigen Unternehmen und der Ortsgemeinde bei der Umsatzsteuer in gleichem Masse wie bei der Einkommen- und der Körperschaftssteuer geboten oder auch nur mit ihrem Wesen vereinbar erscheint, kann hier dahingestellt bleiben. Ihre Durchführung im Wege eines entsprechenden neuen Verteilungsverfahrens unterliegt jedenfalls im Hinblick auf die ohnehin schon gespannte Geschäftslage der Finanzämter und den ordnungs- mässigen Fortgang der Veranlagung den ernstlichsten Bedenken." Gleichwohl glaubte man angesichts der besonderen finanziellen Schwierigkeiten der Belegen- heitsgemeinden diesen entgegenkommen zu sollen. Auch handelte es sich ja nun nicht mehr um 5 %, sondern um 15 %, nicht mehr um eine Vergütung, son- dern eine finanzielle Hilfe. Es ist die Regelung in dem § 42 des F.A.G. ge- schehen. Das Steuersoll eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs oder einer gewerblichen Unternehmung wird jedoch nicht der Belegenheitsgemeinde, sondern der Betriebsgemeinde oder dem Ort der Leitung zugeteilt. Die Zerlegung unter- bleibt, wenn der steuerpflichtige Umsatz nicht eine gewisse Grosse erreicht. Der Landesgesetzgebung bleibt im übrigen anheimgegeben, wie sie die auf die Ge- meinden des Landes entfallenden Anteile verteilen will (§ 43). Für Preußen hat das preussische Ausführungsgesetz vom 30. Oktober 1923 § 10 die Regelung gebracht1 )♦

Was die zu verteilende Summe anlangt, so wollte der Entwurf zu dem Ab- änderungsgesetze im Interesse möglichster Vereinfachung das Steuersoll (ein- schliesslich der Nachveranlagungen) zur Verteilung bringen, nicht das Steuer-Ist. Man wollte darüber wegsehen, dass hierbei das Reich an die Gemeinden Beträge ausschüttete, die es selber zum Teil gar nicht erhielt, wie es z. B. eintrat, wenn das veranlagte Soll im Rechtsmittelverfahren usw. herabgesetzt wurde oder in- folge Freistellung des Pflichtigen, Erlass oder Niederschlagung ganz wegfiel. Allein noch während der Ausschussberatungen im Reichstag änderte die Regierung ihren Standpunkt, weil die Gemeinden auch an den durch Novelle zum Umsatzsteuer- gesetze vom 8. April 1922 eingeführten Vorauszahlungen beteiligt sein wollten. Das war nach Ansicht der Reichsregierung mit den Soll-Beträgen nicht durch- zuführen, da diese sonst zweimal zur Ausschüttung gekommen wären, nämlich zunächst bei der Zahlung und sodann bei der Verteilung nach dem Soll, in dem sie enthalten sind. Der Wunsch liess sich nur erfüllen, wenn die Ueberweisungen aus dem Ist-Aufkommen erfolgten. Die Regierung suppeditierte dem Reichstag eine neue Fassung, die in das Gesetz überging und mit dem bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer gewählten Weg (siehe unten S. 91 f.)2) übereinstimmt. Der Verteilungsschlüssel richtet sich auch jetzt nach dem Steuersoll, das in dem voran- gegangenen Kalenderjahr jeweils veranlagt worden ist. Dieser Schlüsselanteil

i) Preuss. Gesetzsammlung 1923, Nr. 67, S. 489. Siehe dazu die Begründung des Ent- wurfs vom 7. Seotember 1923 (Drucks, des Preuss. Landtags 1921123, Nr. 6830).

3) Siehe die Begründung zum Gesetzentwurf S. 19; AusschuSábencht S. 15, 16 90

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Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. QJ

wird dann auf die Ist-Einnahme bezogen. Den Schlüsselanteil stellt der Reichs- finanzminister fest; die Finanzämter setzen das Soll der einzelnen Gemeinden fest.

In der Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 ist man aber wieder zu einem für das Reich einfacheren Verfahren zurückgekehrt: Die 20 v. H., die die Länder für sich und ihre Gemeinden vom Aufkommen an Umsatzsteuer vom 1. Februar 1924 bis 31. März 1925 erhalten, werden nach der Volkszahl verteilt und den Ländern die Regelung der Beteiligung der Gemeinden überlassen.

14. Aenderung der Verteilung der Anteile bei der Ein- kommen- und Körperschaftssteuer1), a) Das bisherige Recht. Die Beteiligung der Länder (und der Gemeinden) an der Einkommensteuer und der Körperschaftssteuer des Reichs hat den Gesetzgeber vor ein völlig neues Problem gestellt. Das ältere Recht gestattete jedem Lande und innerhalb des Landes jeder einzelnen Gemeinde den unmittelbaren und selbständigen Zugriff auf die in ihrem Bereich erwachsenden Einkommen und Einkommensteile. Der Pflichtige wurde infolgedessen überall da veranlagt, wo er entweder einen Wohnsitz bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder aber Grundvermögen oder Gewerbe- betrieb hatte. Doppelbesteuerungen durch mehrere Länder wurde durch das Doppelsteuergesetz, Doppelbesteuerungen durch mehrere Gemeinden des einzelnen Landes wurde durch das Landesrecht vorgebeugt. Ein besonderes Verteilungs- verfahren war auf diese Weise nur in den Fällen notwendig, in denen es zu Ueber- forderungen einzelner Steuergläubiger und damit zu unbilliger Beschwerung des Pflichtigen kam. Seitdem die Einkommensteuer und die Körperschaftssteuer auf das Reich übergegangen sind, werden sie bei dem Pflichtigen nur noch einheitlich veranlagt und erhoben. Der Gesetzgebung erwuchs damit aber die ungleich schwierigere Aufgabe, dass sie nun nicht sowohl den Einkommensteil, als viel- mehr den Steueranteil zu bestimmen hatte, der auf die einzelne Gemeinde ent- fällt 2). Und zwar gliederte sich diese Aufgabe zunächst nach den beiden Haupt- fragen: Was wird verteilt, und wie wird verteilt?

Das L.St.G. hat diese Fragen in der Weise beantwortet, dass es als Gegen- stand der Verteilung das Aufkommen, d. h. die tatsächlich eingehenden Steuer- beträge bezeichnet und im Anschluss daran die Grundsätze feststellt, nach denen der einzelne Steuerbetrag in die Anteile der verschiedenen Berechtigten zu zer- legen ist. Die Vorschriften der §§ 17 ff. des L.St.G. waren auf das E.St.G. in seiner ursprünglichen Fassung vom 29. März 1920 (R.G.BL S. 359) abgestimmt. Danach sollte die Veranlagung jeweils für ein Rechnungsjahr erfolgen und zwar nach dem steuerpflichtigen Jahreseinkommen, das der Steuerpflichtige in dem dem Rechnungsjahr unmittelbar vorangegangenen Kalenderjahre bezogen hatte. Veranlagungszeitraum, d. h. derjenige Zeitabschnitt, nach dessen Ergebnis die Veranlagung erfolgen sollte, war also das jeweils letzte abgelaufene Kalenderjahr. Sowohl nach der Novelle vom 24. März 1921 wie nach der vom 20. Dezember 1921 ist es dabei auch geblieben. Abweichend von der ursprünglichen Fassung ist späterhin jedoch der sog. Erhebungszeitraum, d. h. derjenige Zeitabschnitt be- stimmt worden, für den die Steuer veranlagt wird. Während als Erhebungs- zeitraum nämlich nach der ursprünglichen Fassung des E.St.G. das beginnende Rechnungsjahr und nach der Novelle vom 24. März 1921 das abgelaufene Rech- nungsjahr vorgesehen war, erfolgt die Veranlagung nach der Novelle vom 20. De- zember 1921 für jedes Kalenderjahr nach dem steuerbaren Einkommen, das der Steuerpflichtige während der Dauer seiner Steuerpflicht in diesem Kalenderjahre bezogen hat, d. h. das Kalenderjahr, nach dessen Ergebnis die Veranlagung er- folgt, istrnunmehr zugleich Veranlagungs- und Erhebungszeitraum. Für die Durch- führung des L.St.G. bedeutete das einen wesentlichen Unterschied, und dieser

J) Vgl. hiezu jetzt unten S. 128 Note 1 die Artikel IV und IVa der Steuernotverord- nung vom 14. Februar 1924.

-0 Die Ausiührungen in der Gesetzentwurfsbegründung in diesem Absatz dürften vielfach nicht zutreffen. In den Staaten mit strengem Zuschlagsrecht der Gemeinden kam doch auch die Ausscheidung der staatlichen Einkommensteuer auf die einzelnen Ge- meinden vor. Vgl. das bayrische ümlagesteuergesetz vom 14. August 1910, Finanzarchiv 29 (1912) S. 414.

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g2 Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung.

Unterschied fiel umso schwerer ins Gewicht, als schon die Regelung des Gesetzes selbst zu gewissen Bedenken Anlass gab.

Das Aufkommen einer Steuer im ganzen ist innerhalb bestimmter zeitlicher Festpunkte ohne weiteres gegeben. Als solche kommen im Reiche der erste und der letzte Tag des Rechnungsjahrs, d. h. der 1. April des einen und der 31. März des folgenden Kalenderjahrs in Betracht. Was innerhalb dieses Zeitraums bzw. bis zum Abschluss der für ihn angelegten Einnahmebücher eingeht, stellt das Auf- kommen der Steuer in dem betreffenden Rechnungsjahre dar. Eine ganz andere Grosse ist dagegen das Ist-Aufkommen im einzelnen Steuerfall. Das Steuer- aufkommen des einzelnen Steuerfalls entwickelt sich in zwei Stufen, deren erste vom unberichtigten zum berichtigten Soll und deren * zweite vom berichtigten Soll zum Ist führt. Das Ist- Auf kommen steht also am Ende dieser Entwicklung als ein Betrag, der sich der endgültigen Feststellung unter Umständen auf Jahre hinaus entzieht, weil er im einzelnen durch Neu- und Nachveranlagungen und Rechtsmittelentscheidungen sowie durch Stundung, Erstattung, Erlass und sonstige Ausfälle immer wieder Veränderungen ausgesetzt ist. Indem das L.St.G. der Verteilung auf Länder und Gemeinden das Ist- Aufkommen des einzelnen Steuer- falles zugrunde legte, ergab sich im Zusammenhange mit jener ursprünglichen Fassung des E.St.G. zunächst das folgende Bild: Die Einkommensteuer etwa für 1925 wurde auf der Grundlage des Einkommens von 1924 zu Beginn des Rechnungs- jahrs 1925 veranlagt. Was auf Grund der Veranlagung im Rechnungsjahr 1925 einging, war in die Anteile der verschiedenen Berechtigten zu zerlegen und danach an Reich, Länder und Gemeinden auszuschütten. Wenn diese Regelung in tech- nischer Hinsicht auch mancherlei Lücken und Mängel aufwies, so ermöglichte sie es doch immerhin, den Ländern und Gemeinden die Ist- Eingänge für das betreffende Rechnungsjahr zu einem wesentlichen Teile auch schon in diesem Rechnungsjahre zuzuführen. Die Novelle zum E.St.G. vom 20. Dezember 1921 schloss das für die Zukunft aus, weil nun ja nicht mehr für das beginnende Rech- nungsjahr im voraus, sondern für das abgelaufene Kalenderjahr nachträglich veranlagt wurde. Würde das F.A.G. in der Weise diese Vorschriften durchgeführt haben, so hätten die Beteiligten niemals zu übersehen vermocht, mit welchen Steuerbeträgen sie für die jeweils laufende Wirtschaftsperiode zu rechnen hätten. An dem tatsächlichen Aufkommen beider Steuern hätten Länder und Gemeinden natürlich fortlaufend mit Ueberweisungen beteiligt werden müssen, aber diese Ueberweisungen hätten immer nur Vorschüsse dargestellt und daher ein Abrech- nungsverfahren erforderlich gemacht, das bei Zugrundelegung des Ist- Auf- kommens im einzelnen Steuerfall überhaupt niemals aufhört und auch niemals zu haushalts- und rechnungsmässig brauchbaren Ergebnissen hätte führen können.

b) Die neue Ordnung. Möglichst klare und einfache Verhältnisse zu schaffen, musste demgegenüber das Ziel eines Gesetzes sein, dessen Vorschriften zwischen Reich, Ländern und Gemeinden ohnehin völlig neue und verwickelte Beziehungen herstellen. Das F.A.G. beantwortet die Frage nach dem Gegenstande der Ver- teilung grundsätzlich anders als das L.St.G. und muss daher auch die Frage ihrer Durchführung auf eigene Weise lösen. Als Gegenstand der Verteilung ist das Ist- Aufkommen des einzelnen Steuerfalls an sich und von vornherein nicht geeignet, weil es nicht bloss mit seinem endgültigen Betrag erst sehr spät fest- stellbar wird, sondern vor allem die Auseinandersetzung zwischen Reich und Ländern in eine unübersehbare Zahl von Teilrechnungen auflöst, deren schliessliche Erledigung ganz verschiedene lange Fristen in Anspruch nimmt und damit eine Gesamtabrechnung überhaupt ausschliesst. Aus diesem Grunde legt das F.A.G. der Verteilung nicht mehr das Aufkommen des einzelnen Steuerfalls, sondern das Aufkommen im ganzen zugrunde. Damit ist jede Beziehung zum einzelnen Steuerfalle gelöst und die Durchführung einer Verteilung nach den materiellen Grundsätzen des bisherigen Rechtes zunächst unmöglich gemacht.

Der tragende Gedanke dieser Grundsätze ist der der sog. Forensalbesteuerung, d. h. die Berücksichtigung der im modernen Wirtschaftsleben immer häufiger zu beobachtenden Erscheinung, dass die wirtschaftlichen Beziehungen des einzelnen sich nicht mehr innerhalb einer einzelnen Gemeinde erschöpfen, sondern weit

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Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. 93

über seinen Wohnort hinaus in eine beliebige Vielzahl von Ländern und Gemeinden übergreifen. Auf der steuerlichen Auswertung dieser Beziehungen beruht die ganze moderne Finanzgebarung der Länder sowohl wie der Gemeinden. Hier eine grundlegende Aenderung eintreten zu lassen, geht also nicht an. Ist an die Stelle der selbständigen Einkommensteuer der Länder und Gemeinden die Be- teiligung an der Einkommen- und Körperschaftssteuer des Reichs getreten, so muss auch diese Beteiligung auf der Grundlage des Forensalgedankens geregelt werden. Das L.St.G. hatte diese Notwendigkeit ohne weiteres anerkannt, und das F.A.G. ist ihm darin lediglich gefolgt. Die Durchführung gestaltet sich nun- mehr aber wesentlich anders. Scheidet der einzelne Steuerfall mit seinem Er- gebnis als unmittelbarer Gegenstand der Verteilung auch aus, so bleibt er als M a s s s t a b der Verteilung doch in gleicher Weise verwendbar wie bisher, indem er nunmehr nur noch zur Gewinnung des erforderlichen Verteilungsschlüssels dient. Das F.A.G. sieht das in der Weise vor, dass das Soll - und zwar im Interesse tunlichster Annäherung an das tatsächliche Ergebnis der Veranlagung das be- richtigte Soll - des einzelnen Steuerfalls nach wie vor nach den materiellen Grundsätzen des bisherigen Rechtes zerlegt wird. Aus der Gesamtheit der hier- nach auf sie entfallenden Sollbeträge ergeben sich die Rechnungsanteile der ein- zelnen Gemeinden, auf die der Forensalgedanke in seiner Durchführung ja not- wendig abgestimmt werden muss. Das Soll des ganzen Reichs wird also zunächst in Rechnungsanteile der Gemeinden zerlegt, die ihrerseits dann wieder länder- weise zusammengefasst werden. Aus der Gesamtheit der Rechnungsanteile seiner Gemeinden berechnet sich der Anteil des einzelnen Landes am Soll des ganzen Reichs. Dieser Anteil ist aber ein blosser Schlüsselanteil; denn die Zerlegung des Gesamtsolls hat lediglich den Zweck, für die Verteilung des Ist- Aufkommens den Schlüssel zu liefern, an dem es andernfalls ja völlig fehlen würde.

Die Vorteile dieses Systems sind ohne weiteres klar. Auf der Grundlage des im Vorjahre veranlagten und berichtigten Solls wird der Verteilungsschlüssel in jedem Kalenderjahr von neuem festgestellt. Nach dem jeweils zuletzt fest- gestellten Verteilungsschlüssel erhalten die Länder für sich und ihre Gemeinden fortlaufend drei Viertel1) von sämtlichen Steuereingängen. Steuerbeträge, die nach den materiellen Grundsätzen der Forensalbeteiligung nicht auf eine bestimmte Gemeinde entfallen, stehen nach § 28 L.St.G. dem Reiche zu. Das F.A.G. ver- zichtet auf diesen Anspruch, so dass auch solche Beträge zu drei Viertel1) aus- geschüttet werden, obwohl sie bei der Feststellung des Verteilungsschlüssels gar nicht berücksichtigt sind. Für die auf Arbeitslohn entfallenden Steuerbeträge ist im § 21 Abs. 2 besondere Bestimmung getroffen. Soweit sie nicht als vor- schriftsmässig verwendet oder abgeführt nachgewiesen werden, erscheinen sie auch nicht als veranlagte Beträge und müssen bei der Feststellung des Verteilungs- schlüssels daher ebenfalls ausser Betracht bleiben. Gleichwohl entsteht den An- teilsberechtigten kein Schaden, denn der Markenerlös bildet einen Teil des Ge- samtaufkommens und wird mit diesem zu drei Viertel1) ausgeschüttet.

Für das materielle Recht der Beteiligung gelten auch in Zukunft die Grund- sätze der bisherigen §§ 20 lï. des L.St.G. über das örtliche Aufkommen. Das Wort selbst kann missverstanden werden und ist daher zweckmässig zu vermeiden. In Wahrheit soll die Steuer ja eben nicht so verteilt werden, wie sie örtlich auf- kommt, d. h. entrichtet wird, sondern nach den grundsätzlich abweichenden Ge- sichtspunkten der Belegenheit oder sonstiger örtlicher Beziehungen. Im einzelnen sind die Vorschriften der bisherigen §§ 17 ff. etwas anders gruppiert, um den logischen Aufbau des Ganzen stärker hervortreten zu lassen. Daneben waren Aenderungen und Ergänzungen erforderlich. Eine Ergänzung bringt das F.A.G. im Abs. 2 des § 22. Das L.St.G. stellte seine Beteiligungsvorschriften ausschliess- lich auf die Gemeinden ab. Die selbständigen Gutsbezirke, die es an anderer Stelle besonders erwähnte ( § 56 Abs. 4), blieben für die Berechnung der Landes- anteile ausser Betracht. Demgegenüber stellt das F.A.G. die selbständigen Guts- bezirke den Gemeinden im Sinne der §§ 22-30 sowie der §§,48-52 gleich, so

O Vom 1. Februar 1924 ab 90 v. H. Siehe oben S. 87. 93

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94. Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung.

dass auch die auf solche Gutsbezirke entfallenden Beträge bei der Feststellung des Verteilungsschlüssels mit zu berücksichtigen sind. Den selbständigen Guts- bezirken, wie sie unter anderen in Preussen und Sachsen vorkommen, entsprechen in anderen Ländern ähnliche Gebilde unter anderem Namen (z. B. in Bayern die ausmärkischen Bezirke, in Thüringen die Forstbezirke usw.). Da eine ein- heitliche Bezeichnung nicht gegeben ist, spricht der Entwurf nur von selbständigen Gutsbezirken, ohne jedoch die ähnlichen Rechtsgebilde anderen Namens damit ausschliessen zu wollen. Ob und inwieweit die Länder auch ihrerseits Gemeinden und Gutsbezirke gleichstellen wollen, bleibt ihrer Gesetzgebung vorbehalten. Ent- sprechende Voi'schriften enthalten die §§44 und 58.

Die Aenderungen gegenüber dem bisherigen Rechte zielen grundsätzlich auf Vereinfachung ab. Das war umso dringender nötig, als die Verteilung in Zukunft nicht mehr wie nach früherem Rechte bloss in einzelnen Streitfällen, sondern grundsätzlich überall da vorgenommen werden muss, wo überhaupt mehr als eine Gemeinde an einem Steuer-Soll beteiligt ist, weil ja nur danach die Aus» schüttung des Steuerbetrags an die verschiedenen Berechtigten erfolgen kann. Bei mehrfachem Wohnsitz sollte nach dem § 23 des L.St.G. der Gemeindeanteil auf die Wohnsitzgemeinden nach der Dauer des Aufenthalts verteilt werden. Dem Wohnsitz stand dabei der Aufenthalt gleich, wenn er innerhalb des Steuer- jahrs die Dauer von 3 Monaten überstieg. Das führte zu langwierigen Feststellungen und umfangreichen Berechnungen nicht bloss bei wiederholtem Ortswechsel im einzelnen, sondern vor allem da, wo die Bevölkerung im allgemeinen stark fluk- tuiert. Das Verteilungsverfahren musste aber entlastet werden, soweit es nur irgend angeht. Das F.A.G. sieht deshalb einen Stichtag vor, dessen Wohnsitz- oder Aufenthaltsverhältnisse für die Berechtigung der beteiligten Gemeinden ent- scheidend sein sollen ( § 23 Abs. 1 Nr. 1 ). Als solcher empfahl sich für natürliche Steuerpflichtige der Tag der allgemeinen Personenstandsaufnahme und für nicht physische Steuerpflichtige der Ablauf des Wirtschafts- (Geschäfts-) oder Kalender- jahrs, auf das sich die Veranlagung bezieht. Der Grundsatz der Beteiligung nach der örtlichen Beziehung wird dadurch teilweise aufgehoben, doch stehen über- wiegende Interessen der Länder und Gemeinden nicht entgegen, da alle gleich - massig betroffen und Benachteiligungen in einem Falle durch Vorteile in anderen ausgeglichen werden. Für die mehreren Sitzgemeinden ergab sich aus dieser Regelung, dass sie, wie nach preussischem Recht auch bisher schon, zu gleichen Teilen, d. h. nach der Zahl und nicht nach der Dauer des jeweiligen Aufenthalt* zu beteiligen waren. Der Ausdruck Sitzgemeinde bezeichnet im F.A.G. sowohl die bisher so genannten Wohnsitz- und die im Gesetze nicht besonders erwähnten Aufenthaltsgemeinden, wie auch diejenigen Gemeinden, in denen nicht physische, d. h. körperschaftssteuerpflichtige Personen den Ort ihrer Leitung haben. Dem Ortswechsel steht der Wechsel des Forensalverhältnisses insofern gleich, als auch er zeitraubende Feststellungen und Berechnungen erforderlich macht, wenn die beteiligten Gemeinden genau nach Verhältnis der Zeit berücksichtigt werden sollen, in der der Pflichtige Grundbesitz oder eine Betriebsstätte in ihrem Bezirk innehatte. Um das zu vermeiden, hat das F.A.G. im § 23 Abs. 1 Nr. 2 vorgeschrie- ben, dass als Belegenheitsgemeinden nur solche Gemeinden zu beteiligen sind, zu denen der physische Steuerpflichtige am Tage der letzten Personenstandsauf- nahme und der nichtphysische Steuerpflichtige bei Ablauf des massgebenden Veranlagungszeitraums im Forensalverhältnis stand, gleichviel wie lange das letztere innerhalb dieses Zeitraums gedauert hat. Auf Vereinfachung zielt ferner die neue Vorschrift des § 25 Abs. 2 des F.A.G. Es bedeutet eine weitere erhebliche Entlastung des Verteilungsverfahrens, für die betroffenen Gemeinden aber eine kaum fühlbare Benachteiligung, wenn Streubesitz von geringem Ausmass bei der Feststellung der beteiligten Gemeinden ausser Betracht bleibt. Dps L.St.G. sah diese Möglichkeit bereits in dem bisherigen § 22 Abs. 3 vor, überliess ihre Aus- nutzung aber der Landesgesetzgebung. Das starke Interesse aller Beteiligten an tunlichst weitgehender Vereinfachung des Verteilungsgeschäfts Hess eine all- gemeine Regelung geboten erscheinen. Im Hinblick auf die Schwankungen des Geldwerts wurde dabei von der Festlegung auf eine absolute Zahl abgesehen.

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Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. g 5

Als zweckmässig empfahl sich vielmehr eine Anknüpfung an den jeweils geltenden Tarif der Einkommensteuer, wie das F.A.G. sie vorsieht.

Wann und von wem die Anteile an den einzelnen Ueberweisungssteuern festzustellen sind, war im L.St.G. nicht gesagt. Das F.A.G. musste das schon des- halb nachholen (§§ 47, 54, 55), um daran Vorschriften über die Fälligkeit der Anteile knüpfen zu können (§ 57), die das L.St.G. bisher gleichfalls vermissen liess. Für die Einkommensteuer und die Körperschaftssteuer trifft der § 47 des F.A.G. Bestimmung. Nur auf den Rechtsakt der Feststellung, wie er hier dem Reichsminister der Finanzen übertragen ist, bezieht sich die Fälligkeitsvorschrift des § 57. Um den Unterschied hervorzuheben, ist für die Tätigkeit der Finanz- ämter nach §§ 48 ff. eine abweichende Bezeichnung gewählt. Der Verteilungs- schlüssel wird fest gestellt, der Rechnungsanteil der einzelnen Gemeinde wird festgesetzt. Im übrigen sucht das F.A.G. auch das Verfahren nach Möglichkeit zu vereinfachen. Ist an einem Steuerbetrage nur eine Gemeinde beteiligt, so stellt sich die Zerlegung in die Anteile des Reichs und des Landes als reiner Rechnungsakt dar. Besondere Rechtsmittel erscheinen in diesem Falle nicht erforderlich. Das Recht auf Auskunft und Einsicht wird hier zur Klar- stellung von Unstimmigkeiten genügen. Der § 45 des L.St.G. ist daher gestrichen. Dagegen liess das L.St.G. den Fall ungeregelt, dass das Finanzamt eine Gemeinde berücksichtigt, die nach dem materiellen Recht des § 23 F.A.G. gar nicht be- teiligt ist. Der benachteiligten Gemeinde musste in solchen Fällen ein Rechtsmittel gegen die Festsetzung gegeben werden. Nach § 48 Abs. 3 des F.A.G. soll ihr der Antrag auf Berichtigung der Festsetzung zustehen. Da es sich dabei im wesent- lichen nur um die tatsächliche Feststellung handeln kann, bei welcher der streitenden Gemeinden die Voraussetzungen des § 23 gegeben waren, kann der Instanzenzug in gleicher Weise verkürzt werden, wie der § 45 des L. St. G. es vorgesehen hat.

Indem das L.St.G. in den Verfahrens Vorschriften der §§ 44 ff. von „Anteilen der Gemeinden" redete, liess es der Auffassung Raum, als ob das Finanzamt den Rechnungsanteil der Gemeinde nicht bloss festzustellen, sondern weiterhin auch kraft Reichsrechts in die - landesrechtlichen - Anteile des Landes und der Gemeinde zu zerlegen, und als ob diese Zerlegung durchgehend an dem ganzen Verfahren nach §§ 46, 47 teilzunehmen habe. Was das bedeutet, möge ein Beispiel veranschaulichen: N. hat seinen Wohnsitz in A. im Lande X. und bezieht Ein- kommen aus Grundbesitz und Gewerbebetrieb in den Gemeinden B. des Landes Y. und C. des Landes Z. Veranlagt wird er also in A. Von dem Steuersoll hatte das Finanzamt als Anteil des Reichs zunächst ein Drittel auszuscheiden. Die übrigen zwei Drittel musste es nach dem Wortlaut des Gesetzes dann nicht weniger als viermal zerlegen, und zwar einmal nach Massgabe des Einkommens in A., B. und C. auf die Länder X., Y. und Z. und sodann nach Massgabe der verschiedenen landesrechtlichen Verteilungsgrundsätze auf A. und X., B. und Y., C. und Z. Je mehr Gemeinden und Lander beteiligt waren, desto grosser wurde auch die Zahl der Verhältnisrechnungen zwischen Land und Gemeinde. Und diese ganzen . landesrechtlichen Berechnungen belasteten nicht bloss den ersten Verteilungsplan , sondern gingen mit ihm auch durch den Verteilungsprozess nach § 46 Abs. 2, 3, § 47 und mussten wiederholt werden, wenn das ursprüngliche Soll späterhin Ver- änderungen unterlag. Es leuchtet ein, dass das praktisch ganz undurchführbar war. Ob ein derartiges Verfahren wirklich der Absicht des L.St.G. entsprach, kann dahingestellt bleiben. In jedem Falle musste das F.A.G. Vorsorge treffen, dass es nicht in die Praxis Eingang fand und dann das ganze Verteilungsverfahren mit schliesslichem Stillstand bedrohte. Die Fassung der §§ 49-52 stellt nun- mehr ausser Zweifel, dass in Verteilungsverfahren ausschliesslich der - reichs- rechtliche - Rechnungsanteil der Gemeinde festzusetzen, nicht aber die weitere Verteilung vorzunehmen ist, wenn sie nach Landesrecht zwischen Land und Ge- meinde stattzufinden hat. An Stelle aller jener Einzelrechnungen im obigen Beispiel bleibt nach dem F.A.G. also nur eine einzige übrig, nämlich diejenige zwischen A., B. und C. Vergrössert sich die Zahl der beteiligten Gemeinden, so bleibt die Rechnung doch immer nur eine. Für die Veranlagungsbehörden bedeutet das eine wesentliche Ersparnis an Zeit und Arbeit. Was aber die landesrechtliche

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gg Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F. A. Gesetzes und ihre Begründung.

Un ter Verteilung betrifft, so bleibt gleich dem Schlüssel auch ihre Durchführung der Bestimmung durch die Länder vorbehalten. Der reichsrechtliche Landesanteil kann daher im ganzen an die Landeshauptkasse abgeführt und von hier aus an die Gemeinden weiterverteilt werden, er kann aber auch von vornherein nur mit dem landesrechtlich vorgesehenen Betrag an das Land und im übrigen unmittelbar an die einzelnen Gemeinden ausgezahlt werden. Der Rechnungsanteil jeder Gemeinde setzt sich zusammen aus den Ergebnissen der örtlichen Veranlagung und den Ueber- weisungen aus anderen Gemeinden. Er ist in seinem Gesamtbetrage jederzeit nachzuweisen. Die Landesregierung braucht daher nur den Verteilungsschlüssel bekannt zu geben, wie er sich generell oder für die einzelne Gemeinde aus dem Landesrecht ergibt, um auch das zweite Verfahren ohne weiteres zu ermöglichen1).

Bedeutung des Stichtags für die Frage der Beteili- gung und seine nähere Regelung (§23). Dass für den gleichen Veranlagungszeitraum an einem Steuerbetrage mehrere Gemeinden neben- einander beteiligt sein können, ergibt sich aus der Konkurrenz von Sitz- und Belegenheitsgemeinden als unvermeidliche Folge. Dagegen kann und muss es im Interesse möglichst einfacher und rascher Abwicklung des Verteilungs- geschäftes vermieden werden, dass für den gleichen Veranlagungszeitraum an einem Steuer betrage mehrere Gemeinden nacheinander beteiligt werden. N. ist vom 1. Januar bis zum 31. Dezember unbeschränkt steuerpflichtig, wohnt aber am 1. Januar in A., verzieht am 1. Juli nach B. und verlegt am 1. Oktober seinen Wohnsitz abermals, nach C. Hier sollen nicht A., B., C. in dem Verhältnis von V¿ zu 1/4 zu y4 beteiligt sein, sondern der Steuerbetrag soll ausschliesslich auf C. entfallen, wo N. am Tage der Personenstandsaufnahme wohnte. Dies zu erreichen, ist der Zweck des Stichtages. Der Stichtag bleibt nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 auch dann massgebend, wenn N. etwa erst zwischen dem 1. Januar und dem Stichtage steuerpflichtig geworden ist, oder wenn seine Steuerpflicht nach dem Stichtage endet. Schwierigkeiten ergeben sich dagegen, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht am Stichtage überhaupt nicht bestanden hat, sei es, dass sie schon vorher weggefallen oder dass sie erst nachher eingetreten ist. In diesem Falle würde nach dem Grundsatz des § 23 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 überhaupt keine Sitz- gemeinde in Frage kommen, so dass die Steuerbeträge zwar nach dem Verteilungs- schlüssel auf die Gesamtheit der Länder und Gemeinden ausgeschüttet, aber nicht der zunächst beteiligten Gemeinde und ihrem Lande besonders zugute kommen, d. h. ihren Rechnungs- bzw. Schlüsselanteil erhöhen würden. Das entspricht aber weder der Billigkeit noch dem Zweckgedanken des Stichtages. Es war daher Vorsorge zu treffen, dass eine bestimmte Gemeinde und ihr Land in jedem Falle beteiligt wird, wenn innerhalb des Veranlagungszeitraumes überhaupt eine un- beschränkte Steuerpflicht durch Wohnsitz oder Aufenthalt im Inlande begründet war. Hält man an dem Zweckgedanken des Stichtages auch hier fest, so lässt sich das nur dadurch erreichen, dass der Stichtag anders bestimmt wird. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 führt das in der Weise durch, dass sie als Stichtag entweder den Beginn des Kalenderjahres oder aber den Beginn der Steuerpflicht entscheiden lässt. War N. also vom 1. Januar bis zum 1. Juli un- beschränkt steuerpflichtig, so ist die Gemeinde A. beteiligt, in der er am 1 . Januar wohnte. War er vom 1. April bis zum 30. September steuerpflichtig, so ist die Gemeinde B. beteiligt, wo er am 1. April wohnte. War er vom 1. November bis zum 31. Dezember steuerpflichtig, so ist die Gemeinde C. beteiligt, wo er am 1. November wohnte.

Das alles gilt zunächst nur für die Fälle des § 23 Abs. 1 Nr. la, d. h. für unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen und ihre Beziehungen zu der Sitzgemeinde. Es fragt sich, ob und inwieweit die gleichen Erwägungen auch in den übrigen Fällen des § 23 Abs. 1 Platz greifen. Für die niohtphysischen Steuer- pflichtigen ist das zu verneinen, und zwar sowohl für ihre Beziehungen zur Sitz- gemeinde ( § 23 Abs. 1 Nr. 1 b) wie für das Verhältnis zur Belegenheitsgemeinde (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 b). In jedem Falle, wo Steuerpflicht überhaupt bestanden

]) Begründung zum Gesetzentwurf S. 15-19. 96

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Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. 97

hat, ist hier auch eine bestimmte Wirtschaftsperiode gegeben, die der Veranlagung zugrunde zu legen ist, und dem Gedanken des Stichtages wird gleichmässig da- durch Rechnung getragen, dass die Verhältnisse (Ort der Leitung, Grundbesitz, Gewerbebetrieb) am Ende dieser Wirtschaftsperiode darüber entscheiden, auf welche Gemeinde der Steuerbetrag entfällt. Auf das Forensalverhältnis natürlicher Steuerpflichtiger ( § 23 Abs. 1 Nr. 2 a) treffen dagegen ähnliche Erwägungen zu wie auf ihre Beziehungen zur Sitzgemeinde. Hier ist indessen zu unterscheiden. N. ist während des ganzen Veranlagungszeitraums oder jedenfalls am Stichtag unbeschränkt steuerpflichtig gewesen und hat in A. gewohnt. Grundbesitz oder Gewerbebetrieb hat er in dieser Zeit zwar gehabt, aber gerade am Stichtag nicht, sei es, dass er ihn vorher aufgegeben oder erst später erworben hat. Hier fällt die betreffende Belegenheitsgemeinde zwar aus, weil sie die Voraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 a Satz 1 nicht erfüllt, d. h. eben gerade am Stichtag nicht Be- legenheitsgemeinde gewesen ist. Der Steuerbetrag bleibt aber bei der Feststellung des Verteilungsschlüssels nicht etwa unberücksichtigt, sondern kommt zu drei Viertel der Sitzgemeinde und ihrem Lande zugute. Hier kann und muss daher der Zweckgedanke des Stichtages ausschliesslich massgebend bleiben, und eine besondere Regelung erübrigte sich. Anders liegt die Sache dagegen, wenn N. im Veranlagungszeitraum überhaupt nur beschränkt steuerpflichtig gewesen ist (§ 2, II E.St.G.), aber gerade am Stichtag nicht. Da die betreffende Belegen- heitsgemeinde dann die Voraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 a Satz 1 nicht er- füllt, und eine andere Gemeinde auch nicht in Frage kommt, so würde der Steuer- betrag an sich bei der Feststellung des Verteilungsschlüssels ausfallen, also über- haupt keiner Gemeinde und ihrem Lande besonders zugute kommen. Um das zu verhindern, schreibt § 23 Abs. 1 Nr. 2 a Satz 2 vor, dass auch in diesen Fällen die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahrs oder der Steuerpflicht entscheiden sollen1).

Die Bestimmung des Anteils der Belegenheits- gemeinde (§ 25) war im Rahmen des L.St.G. insofern nicht ganz einfach, als es sich dabei um die Verteilung des Steuer- Solls handelte, während nach dem preussischen Kommunalabgabengesetze schon das Einkommen selber zu zerlegen war. Der Grundgedanke war allerdings klar: Der Teil des Steuer- Solls, der auf die Belegenheitsgemeinde entfällt, muss sich zu dem ganzen Steuer- Soll verhalten, wie das Einkommen aus der Belegenheitsgemeinde zu dem Gesamteinkommen des Pflichtigen. Das L.St.G. begnügte sich in § 22 Abs. 1 mit einer entsprechenden Feststellung, ohne auf die Einzelheiten der Berechnung näher einzugehen. Auch das preussische Kommunalabgabengesetz hat im gleichen Zusammenhange (§49) lediglich den Grundsatz ausgesprochen und alles weitere der Rechtsprechung überlassen. Die Rechtslage Hess sich infolgedessen schon früher in ihren Einzel- heiten nur schwer übersehen. Die reichsrechtliche Regelung der Einkommensteuer hat aber so wesentliche Aenderungen mit sich gebracht, dass jene Rechtsprechung des preussischen Oberverwaltungsgerichts sich für die hier auftauchenden Fragen unmittelbar gar nicht mehr verwerten lässt. Auf der anderen Seite ist eine möglichst erschöpfende und zweifelsfreie Regelung umso dringlicher geworden, als eine Verteilung nunmehr ja grundsätzlich in allen Fällen stattzufinden hat, wo überhaupt mehrmals eine Gemeinde in Frage kommt. In § 25 sieht das F.A.G. eine solche Regelung vor, bei der die Ergebnisse jener älteren Rechtsprechung mitverwertet ist. Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ist das steuerbare Einkommen, d. h. der Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die gesetzlich zulässigen Abzüge ( § 4 E.St.G.). Das gilt für die Festsetzung der Steuer gegenüber dem Pflichtigen und muss grundsätzlich auch insoweit gelten, als es sich um die Steueranteile der verschiedenen Berechtigten handelt. An sich müsste also für jede Belegenheitsgemeinde der Teil des Steuereinkommens, der auf sie entfällt, in der Weise ermittelt werden, dass die Einkünfte aus Grundbesitz und Gewerbe- betrieb nicht nur um die unmittelbaren Werbungskosten, sondern ausserdem auch um einen entsprechenden Teil der allgemeinen Abzüge gekürzt werden,

*) Begründung zum Gesetzentwurf S. 26. Finanzarchiv. XXXXI. Jahrg. 97 7

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9g Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung.

die nicht als Werbungskosten zu einer Einkommensquelle in Beziehung stehen.. Statt dieses schwerfälligen und umständlichen Verfahrens hat das F.A.G. ein sehr viel einfacheres gewählt. Das Einkommen aus Grundbesitz und Gewerbe- betrieb soll so berechnet werden, wie es nach den Vorschriften des E.St.G. zu berechnen wäre, wenn der Steuerpflichtige überhaupt nur mit Grundbesitz oder Gewerbebetrieb, d. h. also beschränkt steuerpflichtig im Sinne des § 2, II E.St.G. wäre. Damit sind die Verteilungsbehörden auf die Vorschrift des § 13 Abs. 2 des E.St.G. verwiesen, die ihnen aus dem Veranlagungsgeschäft ohnehin geläufig ist. Der unmittelbare Anschluss an diese Vorschrift des E.St.G. bedeutet daher einen wesentlichen praktischen Vorteil. Auf der anderen Seite macht er aber die Aufstellung einer anderen Verhältnisrechnung erforderlich. Denn da das Ein- kommen aus Grundbesitz oder Gewerbebetrieb auf diese Weise nicht rein als steuerbares Einkommen dargestellt wird, so kann ihm auch das Gesamteinkommen nicht in seinem steuerbaren Umfange gegenübergestellt werden. Die Abzüge nach § 13 Abs. 1 und § 59 Abs. 1 Buchstabe b des E.St.G., die nicht schon, sei es beim Einkommen aus Grundbesitz oder Gewerbebetrieb, sei es bei den sonstigen Ein- kommen als Werbungskosten berücksichtigt worden sind, müssen vielmehr beim Gesamteinkommen wieder zugesetzt werden1).

Die Beteiligung der Gemeinden an den Einkommen- steuer- und Körperschaftssteueranteilen der Länder (§ 29). Die Länder sind verpflichtet, an ihren Einkommensteuer- und Körper- schaftssteueranteilen die Gemeinden zu beteiligen. Ein reichsrechtlicher Anspruch auf Beteiligung - dessen Höhe die Landesgesetzgebung bestimmt - steht den Gemeinden daher ausschliesslich gegen ihr Land, nicht aber gegen das Reich zu. Es lag am Aufbau der §§ 17 ff. des L.St.G., wenn das vielfach verkannt wurde. Der Gesetzgeber konnte entweder die Verteilung auf die Länder regeln und das gleiche dann für die Beteiligung der Gemeinden vorschreiben oder aber um- gekehrt, zunächst auf die Gemeinden abstellen und Entsprechendes für die Länder gelten lassen. Indem er diesen zweiten Weg wählte, hat er sich den technischen Vorteil gesichert, dass er an die Vorschriften des bisherigen Gemeindeabgaben- rechts, vornehmlich in Preussen, unmittelbar anknüpfen konnte. So sind die grundlegenden Vorschriften der §§ 20 ff des L.St.G. ausschliesslich auf die Ver- hältnisse der Gemeinden zugeschnitten, und von den Anteilen der Länder wurde in § 27 nur gesagt, dass sie nach denselben Grundsätzen zu berechnen seien. Das F.A.G. hält an dieser Anordnung fest, sucht aber die Rechtsstellung der Gemeinden klarer zum Ausdruck zu bringen. Dazu dient nicht bloss die ausdrückliche Fest- stellung im § 29 Satz 2, sondern schon die Fassung des neuen § 22. Was rechnungs- mässig auf die einzelnen Gemeinden entfällt, ist kein Anteil, wie er dem Lande zusteht, sondern lediglich Unterlage für die Berechnung des Landesanteils oder in der Sprache des F.A.G. ein blosser Rechnungsanteil. Die Ausdrücke „An- spruch" und „Anteil", wie sie das L.St.G. in den §§ 20, 21, 44, 45 verwendete, sind in Beziehung auf die Gemeinden daher überall im F.A.G. vermieden.

Der § 18 des L.St.G. bezeichnete das örtliche Aufkommen als Massstab auch für die landesrechtliche Beteiligung der Gemeinden, und der § 19 unterstrich das, indem er die Länder noch einmal ausdrücklich verpflichtete, die Gemeinden unter Beachtung der §§ 20 ff. zu beteiligen. Das hatte den Zweck, an der Er- giebigkeit der Steuer vor allem die Gemeinden zu interessieren und ihre Mit- arbeit dafür zu gewinnen. Die Ausführungsgesetze Hessen die reichsrechtliche Bindung durch §§ 18, 19 des L.St.G. vielfach ausser acht, was sich wohl daraus erklärt, dass diese Gesetze zunächst nur eine vorläufige Regelung beabsichtigten. Demgegenüber hält das F.A.G. an jenem praktisch überaus bedeutsamen Grund- satz des L.St.G. fest, mildert ihn aber mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Verhältnisse in den einzelnen Ländern. Nach § 18 des L.St.G. bildete das örtliche Aufkommen „den" Massstab für die Beteiligung der Gemeinden. Ein anderer Massstab war daneben also nicht zulässig. Das Hess der Bewegungsfreiheit der Länder zu wenig Spielraum. Zumal die Durchführung des Lastenausgleichs.

!) Begründung zum Gesetzentwurf S. 27. 98

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wenn sie den Ländern in § 55 des L.St.G. zur Pflicht gemacht ist, kann neben dem örtlichen Aufkommen auch die Anwendung eines anderen Massstabs er- forderlich machen. Das F. A.G. ( § 29) verpflichtet daher die Länder lediglich dahin, dass sie an ihrem Anteil die Gemeinden wenigstens teilweise nach Massgabe der §§ 23-28 beteiligen sollen. Die Höhe dieses Teils bestimmt die Landesgesetz- gebung nach freiem Ermessen. Auch ist sie nicht gehalten, die Verteilung nach dem örtlichen Aufkommen generell, d. h. nach einheitlichem, für alle Gemeinden gleichem Verteilungssatz vorzunehmen, sondern kann ebensogut individuell ver- fahren, indem sie den einzelnen Gemeinden verschiedene Prozentsätze des ört- lichen Aufkommens überweist1).

Die Beteiligung mehrerer Gemeinden bei Einkom- menaus einheitlich bewirtschaftetem Grundbesitz e, der sich über diese Gemeinden erstreckt (§ 26). Während für Ge- werbe- und Bergbauunternehmungen, die sich über mehrere anteilberechtigte Gemeinden erstrecken, das preussische Kommunalabgabengesetz2) und ihm fol- gend das L.St.G. eine Regelung getroffen hatten, war dies nicht der Fall bei analog gelagertem Grundbesitz. Das F. A.G. hat diese Lücke dadurch ausgefüllt, dass es der Gemeinde, in der die Leitung des Gesamtbetriebs stattgefunden hat, ein Zehntel des beweglichen Einkommens vorab zuweist, die übrigen neun Zehntel nach dem Verhältnis des Flächeninhalts verteilen lässt. Auf die Verschiedenheiten der Landes - gesetzgebung ist dadurch Rücksicht genommen, dass für einheitlich bewirtschaf- teten Grundbesitz, der ausschliesslich im Gebiet eines Landes liegt, die Landes- gesetzgebung die Zerlegung der neun Zehntel nach einem anderen Massstab vor- schreiben kann.

Die Verfahrensvorschriften der Verteilung (§§ 48 bis 52) sind wie die materiellen Grundsätze der Verteilung (§§ 23 ff.) zunächst auf die Gemeinden abgestellt. Kommen lediglich Gemeinden des Landes in Frage, so kann ihnen die Auseinandersetzung unbedenklich allein überlassen bleiben; denn die Summe ihrer Rechnungsergebnisse verbleibt ja in jedem Falle dem Lande. Das F. A.G. trägt Sorge dafür, dass Gemeinden und Landesbehörden auf Ver- langen Auskünfte, sowie Einsicht in die Nachweisungen und Akten des Finanz- amts erhalten. Sind an einem Steuersoll dagegen Gemeinden mehrerer Länder beteiligt, so müssen auch die Länder an dem Verteilungsverfahren teilnehmen. Die Verteilung nach § 26 Abs. 3 wird vielfach eine genaue Kenntnis der Verhältnisse erfordern, wie sie den Landesbehörden näher liegt. § 50 Abs. 2 trägt dem Rechnung.

15. Zuschüsse des Reichs zu den Mehraufwendungen der Länder und Gemeinden für Beamte und Angestellte (§ 60) und Zuschüsse an Anstalten und Einrichtungen, die Aufgaben des öffentlichen Schul- und Bildungswesens erfüllen (§ 61). Wenn das Reich den Ländern und Gemeinden (Gemeinde- verbänden) neue Aufgaben zuweist, „soll" nach § 52 L.St.G. „die Beteiligung des Reichs an den Kosten gesetzlich geregelt werden". Es entsprach einem dringen- den Verlangen der Länder und Gemeinden, dass das F. A.G. dieser Vorschrift eine Fassung gebe, in der die Verpflichtung des Reichs, in allen solchen Fällen für Bereitstellung der erforderlichen Mittel Sorge zu tragen, klarer zum Ausdruck kommt als bisher.

Im Anschluss daran bringt das F. A.G. als § 60 eine völlig neue Vorschrift, die ihren Platz nach dem ganzen Aufbau des Gesetzes nur im Abschnitt über die Lastenverteilung, und zwar hinter § 59, finden konnte, obwohl es sich dabei nicht etwa um Massnahmen handelt, mit denen das Reich die Länder und Gemeinden beschwert hätte und ihnen infolgedessen ersatzpflichtig geworden wäre. Reich, Länder und Gemeinden sind durch die fortschreitende Geldentwertung gleich- massig gezwungen worden, die Bezüge ihrer Beamten und Angestellten wiederholt zu erhöhen. Schon die Mehraufwendungen, die durch Erhöhungen der Teuerungs- zuschüsse am 1. Januar und 1. August 1921 erwuchsen, hat das Reich den Ländern

*) Begründung zum Gesetzentwurf S. 27. *) ueoer eine Kegeiung dieses Falles in S. -Weimar bereits 1883 siehe meinen Aufsatz

„Zur Frage der Steuerpflicht0 Finanzarchiv 9 (1892) S. 390 f. 99

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ersetzen müssen, da die Länder sie aus eigener Kraft nicht mehr zu tragen ver- mochten. Bezüglich der vom 1. Oktober 1921 ab eingetretenen Besoldungs- erhöhungen hat die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats in der Sitzung des Reichstags vom 10. November 1921 (Stenogr. Berichte S. 4963) folgende Er- klärung abgegeben:

„1. Die Reichsregierung ist der Auffassung, dass die Mehrausgaben, die den einzelnen Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden durch eine Verbesserung der Beamtenbesoldung erwachsen, als unmittelbare Folge der Geldentwertung automatisch in einem diesen Mehrausgaben entsprechenden Teile der Mehrein- nahmen Deckung finden werden.

2. Da aber dieses Mehr an Einnahmen aller Wahrscheinlichkeit nach erst im Laufe des Rechnungsjahrs 1922 eingehen wird, also zu den Zeitpunkten, wo das Geld erforderlich ist, noch nicht zur Verfügung steht, ist das Reich bereit, zunächst für die Rechnungsjahre 1921 und 1922 den einzelnen Ländern, soweit ihnen die für die Besoldungsaufbesserung erforderlichen Beträge nicht ander- weitig zur Verfügung stehen, Vorschüsse in Höhe des Mehrbedarfs zu Besoldungs- z wecken schon jetzt in Anrechnung auf die später zu erwartenden Mehreinnahmen an Ueberweisungssteuern vierteljährlich im voraus zur Verfügung zu stellen.

Sollte die Erwartung nicht in Erfüllung gehen, dass der Mehrbedarf der Länder für Besoldungszwecke durch einen dem bisherigen Verhältnis der Besoldungs- ausgaben zu den gesamten Landesausgaben entsprechenden Teil der Mehrein- nahmen gedeckt wird, so wird das Reich den danach fehlenden Betrag im Falle eines auch bei vorsichtiger und der gemeinsamen Notlage Rechnung tragender Aufstellung des ordentlichen Haushaltsplans nicht vermeidbaren Defizits auf Grund von Richtlinien, die zwischen dem Reiche und den Ländern vereinbart werden, als Zuschuss überweisen.

3. Was die Mehrbelastung der Gemeinden (Gemeindeverbände) durch die Besoldungsaufbesserung betrifft, so ist es zunächst Sache der Länder, den Ge- meinden (Gemeindeverbänden), die nicht imstande sind, die ihnen aus der Neu- regelung der Beamtengehälter erwachsenden Mehrkosten selbst zu tragen, die erforderlichen Vorschüsse zu leisten.

Soweit den Ländern die dazu notwendigen Beträge nicht anderweitig zur Verfügung stehen, wird das Reich ihnen auch hierfür die erforderlichen Vorschüsse in Höhe des Mehrbedarfs für Besoldungszwecke schon jetzt in Anrechnung auf die später zu erwartenden Mehreinnahmen an Ueberweisungssteuern vierteljährlich zur Verfügung stellen.

Sollte bei Gemeinden (Gemeindeverbänden) die Erwartung nicht in Er- füllung gehen, dass der Mehrbedarf für Besoldungszwecke durch einen diese Mehr- ausgaben ersetzenden Teil der Mehreinnahmen gedeckt wird, und gewähren die Länder ihnen deshalb die erforderlichen Zuschüsse, so wird sich das Reich an diesen Zuschüssen nach Massgabe von Richtlinien, die zwischen ihm und den Ländern vereinbart werden, beteiligen. Voraussetzung ist dabei, dass sich nach Prüfung durch die Landesregierung der Haushaltsplan der betreffenden Gemeinde (Gemeindeverband) als vorsichtig und unter Berücksichtigung der gemeinsamen Notlage von Reich, Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) aufgestellt erweist."

Auf Grund dieser Erklärung hat das Reich den Ländern für sich und ihre Gemeinden Vorschüsse gewährt, die für die Zeit vom 1. Oktober 1921 bis zum 15. November d. J. bereits den Betrag von rund 130 Milliarden erreicht hatten und nach dem Stande von diesem Tage, d. h. also unter der Voraussetzung, dass weitere Besoldungserhöhungen nicht mehr in Frage kämen, bei einer Be- teiligung des Reichs mit 75 v. H. die Jahressumme von rund 230 Milliarden er- fordern mussten1). Es handelte sich also um Beträge, zu deren Deckung selbst sehr erhebliche Mehrüberweisungen aus Reichssteuern nicht mehr genügen konnten, zumal sie mit jeder weiteren Erhöhung der Gehälter und Vergütungen auch ihrer -

l) Nach dem ¡Stande vom 31. Dezember 1922 erreichten die uesoidungszuscnusse oe- reits den Jahresbetrag von l Billion Mark. Während der Ausschussverhandlungen schätzte man bereits i*!a Billionen (Ausschussbericht S. 3, 14).

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seits stiegen. Musste hiernach damit gerechnet werden, dass diese Zahlungen auf absehbare Zeit als besondere Zuschussleistungen des Reichs an Länder und Ge- meinden bestehen bleiben, so ergab sich daraus die Notwendigkeit, für sie die gleiche gesetzliche Grundlage zu schaffen wie für die Ueberweisungen aus den Reichssteuern.

Die Fassung des § 60 stellt das Ergebnis eingehender Erwägungen und Verhandlungen dar. Die getroffene Regelung geht von dem Grundsatz aus, dass der Personalbestand der Länder und Gemeinden nach Möglichkeit abgebaut werden muss1). Den Abbau können die Gemeinden rascher und stärker durchführen als die Länder, weil sie in sehr viel grösserem Umfange mit Angestellten arbeiten. Muß also das Schwergewicht des Druckes in dieser Richtung von den Ländern ausgehen (Abs. 5), so trägt das Gesetz dem Abbaugedanken doch auch seiner- seits Rechnung, indem es die zuschussfähigen Mehraufwendungen zunächst nach dem Personalbestande von einem bestimmten Stichtage, dem 1. April 1922, zu berechnen anordnet und damit eine Höchstgrenze festlegt, die auch später nicht überschritten werden darf (Abs. 2 Satz 3), soweit nicht die Voraussetzungen des Abs. 3 gegeben sind. In welchen Zeitabständen der Personalbestand weiterhin festzustellen sein wird, blieb besonderer Bestimmung vorbehalten, die der Reichs- minister der Finanzen im Einvernehmen mit dem Reichsrat treffen soll. Reichs- rechtliche Sondervorschriften über die Einstellung und Entlassung von An- gestellten dürfen den Abbau in den Verwaltungen der Länder und Gemeinden nicht hindern. Die Vorschrift des Abs. 6 stellt das sicher. Keiner weiteren Be- gründung bedarf auch die Vorschrift des Abs. 1 Satz 2. Bei der Feststellung des Personalbestandes sollen die Beamten und Angestellten der Betriebsverwaltungen, d. h. solcher Betriebe ausser Betracht bleiben, die sich nach gesetzlicher Vorschrift oder nach allgemeinen finanzwirtschaftlichen Grundsätzen zum mindesten selbst unterhalten sollen, gleichviel ob sie zur Zeit tatsächlich in dieser Weise bewirt- schaftet werden oder nicht. Die Aufbringung der Lasten für die Polizei wird durch diese Regelung nicht berührt, sondern durch besondere Vereinbarungen zwischen dem Reich und den Ländern geregelt werden. Grundsätzlich werden vier Fünftel, für besetzte und gefährdete Gebiete neun Zehntel der Lasten der vom Reich zu subventionierenden Polizei erstattet.

Die Mehraufwendungen selbst werden nach dem Unterschiede zwischen den jeweiligen Ausgaben für Besoldungen, Bezüge und Vergütungen und den Bezügen berechnet, die von Ländern und Gemeinden (Gemeinde verbänden) dafür vor dem 1. Januar 1921 aus eigenen Mitteln zu tragen waren3). Die Reichszuschüsse sind nicht bloss für die eigentlichen Beamtengehälter, sondern auch für die Versorgungs- bezüge der Ruhegehalts- und Wartegeldempfänger und der Beamtenhinterbliebenen sowie für die Vergütungen der Angestellten zu gewähren (Abs. 1 Satz 1). Dass dabei nur solche Besoldungen, Bezüge und Vergütungen berücksichtigt werden können, die den reichsrechtlichen Vorschriften über eine einheitliche Regelung der Beamtenbesoldung nicht widersprechen (Abs. 2 Satz 2), bedarf keiner näheren Begründung. Je weniger die Handhabung des § 60 zu Eingriffen in die Hoheits- rechte der Länder und in die Selbstverwaltung der Gemeinden führen kann und darf, umso weniger vermochte das Reich auf die Befugnisse zu verzichten, die ihm das Besoldungssperrgesetz gewährte. Die Geltungsdauer des Gesetzes zur Sicherung einer einheitlichen Regelung der Beamtenbesoldung vom 21. Dezember 1920 (R.G.B1. S. 2117) lief nach § 15 des Gesetzes mit dem 1. April 1923 ab. Sie wurde durch Gesetz vom 22. März 1923 bis zum 1. Juli 1923 und durch Gesetz vom 23. Juni 1923 bis zum 1. April 1925 verlängert3). Bei der in Art. IX Abs. 6 zunächst vorgesehenen zeitlichen Begrenzung musste jedoch vermieden werden,

!) Siehe jetzt die Personal-Abbau- Verordnung vom 27. Oktober 1923 (R.G.B1. 1923 I 2) Die Länder sollten vom 1. Januar 1921, die Gemeinden erst vom 1. Oktober 1921 an Zuschüsse erhalten. Der Entwurf wollte dann noch, dass das Altgehalt, das der einzelne Verbat d nach wie vor selber zu tragen hat, für die Länder nach dem Stande vom 31. De- zember 1920, für die Gemeinden vom 30. September 1921 sich berechnen sollte. Der Reichs-

tag stellte für beide Fälle den gleichen Termin. *) tt.tt.JSl. iy*3 l Kr. 23 ö. 215; Nr. 43 S. 419.

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dass die Länder, Gemeinden und sonstigen öffentlichen Körperschaften schon vor dem Ablauf der Geltungsdauer des Besoldungssperrgesetzes Bestimmungen, die nach dessen Grundsätzen unzulässig sind, mit Wirkung für eine Zeit nach dem Ablauf treffen. Die erwähnten Novellen zum Besoldungssperrgesetz sahen hierüber geeignete Vorschriften vor.

Die Vorschrift des Abs. 3 Satz 1 stellt die Verbindung mit § 59 her, soweit sie die Zuweisung neuer oder die wesentliche Erweiterung bereits bestehender Aufgaben berücksichtigt. Die gleichen Gesichtspunkte gelten für solche Fälle, in denen Länder und Gemeinden das Reich entlasten, indem sie freiwillig Auf- gaben übernehmen, die das Reich entweder bisher schon erfüllt hat oder aber auf Grund von § 19 der R.A.O. (Verwaltung von Landesabgaben und Landesvermögen) zu erfüllen verpflichtet wäre, wenn das Land einen entsprechenden Antrag stellen würde. Die Vorschriften des Abs. 2 sind in den Fällen des Abs. 3 insofern nicht ohne weiteres anwendbar, als es hier zunächst an einem bestimmten Stichtag für die Feststellung des Personalbestandes fehlt. Statt dessen soll die Zahl der Beamten und Angestellten und ihre Einreihung in die verschiedenen Besoldungs- und Vergütungsgruppen nach dem Stande bei der erstmaligen Durchführung der zugewiesenen oder übernommenen Aufgaben massgebend sein und es grundsätzlich auch fernerhin ein für allemal bleiben. Soweit es die Eigenart neuer Aufgaben im Sinne des § 60 mit sich bringt, dass der zu ihrer Durchführung erforderliche Apparat nur schrittweise und allmählich ausgebaut werden kann, wird im ge- gebenen Falle jeweils eine Erweiterung bestehender Aufgaben im Sinne des § 59 Abs. 2 anzunehmen und damit ein neuer Tatbestand gegeben sein, der dann auch die Berücksichtigung eines erhöhten Personalbestandes zu rechtfertigen vermag. Die Vorschrift des Abs. 3 Satz 2 stellt ausser Zweifel, dass die Verpflichtung des Reichs nach § 59 grundsätzlich unberührt bleibt.

Die Vorschriften der Abs. 1-3 erfordern eingehende Ausführungsbestim- mungen, die auch in Abs. 4 Satz 1 vorgesehen sind. Die Begründung spricht sich über die Gesichtspunkte näher aus: Es sollen die Vorschriften der Abs. 1-3 in bestimmtem Umfang auch auf solche Personalausgaben ausgedehnt werden, die zwar an sich nicht darunter fallen, aber letzten Endes doch gleichfalls von Ländern und Gemeinden zu tragen sind (Abs. 4 Satz 2). Grundsätzlich beziehen sich die Vorschriften der Abs. 1-3 nur auf die Ausgaben für hauptamtlich angestellte Kräfte. Soweit es sich um Dienste handelt, die in der Regel von solchen Kräften zu leisten sind, sollen die Zuschüsse des Reichs auf die dafür gezahlten Vergütungen auch dann erstreckt werden, wenn diese Dienste tatsächlich nur nebenberuflich geleistet werden, wie das z. B. beim Fortbildungsschulunterricht im weitesten Umfang der Fall ist. Die Vorschriften der Abs. 1-3 gelten ferner nur für die Besoldungen und Vergütungen der unmittelbar in Diensten der Länder und Ge- meinden stehenden Beamten und Angestellten. Es entspricht aber nicht bloss der Billigkeit, sondern vor allem auch den unabweisbaren Forderungen der all- gemeinen Finanznot einerseits und des öffentlichen Interesses anderseits, wenn nach den gleichen Vorschriften auch die Vergütungen für Angestellte solcher Anstalten und Einrichtungen behandelt werden, die öffentliche Aufgaben der Länder und Gemeinden zu erfüllen haben und ganz oder zu einem wesentlichen Teil zu Lasten, d. h. durch laufende Zuschüsse oder aber durch einmalige Kapital- zuwendungen der Länder und Gemeinden erhalten werden. Was den Kreis der hierher gehörigen Anstalten und Einrichtungen betrifft, so wird die Vorschrift des Abs. 4 Satz 2 durch formaljuristische Betrachtung des Einzelfalls in ihrer Anwendung nicht einzuschränken sein. Auf die Rechtsform der betreffenden Anstalt oder Einrichtung (Körperschaft, Verein, Stiftung usw.) kann es also nicht ankommen. Auch der Begriff der öffentlichen Aufgaben ist nicht so auszulegen, vdass es sich etwa nur um unmittelbare Staatsnotwendigkeiten handeln dürfte, vielmehr werden auch sonstige Aufgaben von öffentlichem Interesse, vor allem sozialer und kultureller Art, Berücksichtigung finden müssen. Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 gilt jedoch auch hier, so dass Betriebsverwaltungen in dem oben angedeuteten Sinne grundsätzlich ausgeschlossen sind. Auf der anderen Seite müssen die Fragen des Stichtags (Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3) und des Ausmasses

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-der Reichszuschüsse in diesen Fällen den Ausführungsbestimmungen überlassen bleiben, die dabei voraussichtlich auch ihrerseits nicht über allgemeine Richt- linien hinausgelangen werden. Als Stichtag wird grundsätzlich auch hier der 1. April 1922 und nur bei späterem Eintritt in die Unterstützung des Landes oder der Gemeinde der Zeitpunkt dieses Eintritts zu gelten haben. Neben dem Personalaufwande der entsprechenden Anstalt oder Einrichtung selbst wird bei der Bemessung des Reichszuschusses auch die Höhe der Zuschüsse zu berück- sichtigen sein, die sie von dem Lande oder der Gemeinde erhält. Soweit die hierher gehörigen Einrichtungen oder Anstalten bereits aus sonstigen Reichsmitteln Zu- wendungen erhalten, versteht es sich wiederum von selbst, dass diese bei der Bemessung der Zuschüsse aus § 60 zu berücksichtigen sind (Abs. 4 Satz 3). Die Ausführungsbestimmungen zu § 60 wurden am 21. Juli 1923 erlassen1).

Entsprechend dem Grundgedanken des ganzen Gesetzes stellt auch der § 60 unmittelbare Rechtsbeziehungen nur zwischen dem Reiche und den Ländern her. Die Zuschüsse aus § 60 sind jedem Lande daher für sich und seine Gemeinden sowie für den im Abs. 4 Satz 2 bezeichneten Bedarf in einer Summe auszuzahlen, und Streitigkeiten über ihre Bemessung im einzelnen sind vor dem Staatsgerichts- hofe gemäss Art. 19 der Reichs Verfassung ausschliesslich zwischen dem Reich und dem betreffenden Lande auszutragen. Die Weiterleitung der Reichszuschüsse an ihre Gemeinden ist hiernach Sache der Länder. Die Vorschrift des Abs. 5 ermöglicht es den Ländern, dem Abbaugedanken dabei in freier Anpassung an die örtlichen Verhältnisse Rechnung zu tragen.

Die eiserne Notwendigkeit, die Inflation einzustellen und die Währung zu festigen, haben dazu geführt, dass bereits die Personalabbauverordnung vom 27. Oktober 19232) eine Kürzung der Zuschüsse des § 60 um 15 % vom 1. April 1924 ab vorsah und eine weitere um 10 % für später in Aussicht nahm, dagegen wollte das Reich, soweit Länder und Gemeinden in Ausführung des § 60= Abs. 1 Warte- gelder und Abfindungssummen zu zahlen haben, den Ländern für diese und ihre Gemeinden Zuschüsse in Höhe von 75 % auch weiterhin gewähren. Durch die Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 werden die Zuschüsse des Abs. 1, 2 vom 1. Februar 1924 ab auf 50 %, vom 1. März 1924 auf 25 % herabgemindert und fallen vom 1. April 1924 ganz weg. (Siehe unten S. 124 Note 3.)

Eine Erleichterung für die Uebergangszeit gewährt schliesslich die Vorschrift des Abs. 7. Die Vorschüsse, die das Reich den Ländern für sich und ihre Ge- meinden seit dem 1. Oktober 1921 gezahlt hat, sind je nach der Finanzlage des einzelnen Landes und seiner Gemeinden in verschiedener Höhe angefordert und gewährt worden. Soweit dabei die Grenze von 75 v. H. überschritten worden ist, konnte auf Erstattung der überschiessenden Beträge grundsätzlich nicht verzichtet werden. Mit Rücksicht auf die besonderen Schwierigkeiten, die sich für die be- teiligten Länder und Gemeinden daraus ergeben, ist die Erstattung jedoch nur insoweit vorgesehen, als die bis 31. März 1923 zur Bestreitung der in Abs. 1 ge- währten Vorschüsse mehr als 80 v. H. der Mehraufwendungen des einzelnen Landes und seiner Gemeinden betragen. Zuschüsse, die die Länder für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September 1921 erhalten haben, sollen ihnen in voller Höhe bleiben.

Im Reichstag wurde schüchtern und vereinzelt dem Bedenken Ausdruck gegeben, dass, wenn der grösste Teil der Personalkosten auf das Reich übergehe, die wichtigsten Garantien für eine sparsame Wirtschaftsführung der Länder und Gemeinden entfielen. Die meisten Anträge gingen dahin, eine weitere Ausdehnung der Zuschüsse zu erreichen. Nicht beanstandet wurde der Hundertsatz von 75 %, der sich nach Erklärung eines Regierungsvertreters in der Weise ergeben hatte, dass man von den ursprünglich ins Auge gefassten 90 % die Mehreinnahme der Länder und Gemeinden aus der infolge der Besoldungserhöhungen eintretenden Steigerung des Einkommensteueraufkommens um 15 % in Abzug gebracht habe3);

l) R.G.B1. 1923 I Nr. 68 S. 731. 2) R.G.B1. 1923 I Nr. 108 S. 1007. 3) Den Ländern hat das Reich die Kosten, die ihnen aus den Erhöhungen der Teue-

rungs- und Kinderzuschläge ihrer Beamten und Versorgungsberechtigten in der Zeit vom 103

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dagegen wurde der Stichtag beanstandet und die Einbeziehung weiterer Kate- gorien versucht.

Der Stichtag, der bedeutet, dass für die Beamtenmehrungen, die nach dem 1. April 1922 erfolgten, keine Zuschüsse gegeben werden, wurde von der Reichs- regierung mit aller Macht verteidigt und als die einzige Bremse bezeichnet, die auf dem beschrittenen Wege noch einen Halt gebe. Der Reichstag lehnte zwar die meisten Anträge, die sich dagegen richteten, ab, nahm aber doch einen Antrag an, wodurch im Abs. 2 ein Zusatz gemacht wurde, wonach, soweit zur Erhaltung der Volkskultur die Weiterentwicklung von Anstalten und Einrichtungen, z. B. Schulen, die öffentlich-rechtlichen Charakter haben, notwendig ist, auch die nach dem 1. April 1922 neuerrichteten Stellen berücksichtigt werden. Die näheren Bestimmungen hierüber sollen durch die Ausführungsanweisung getroffen werden. Die Ausführungsbestimmungen vom 21. Juli 1923 berühren im § 7 Abs. 2 die Sache nur kurz. Die Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 macht die Sache vom 1. April 1924 gegenstandslos. (Siehe unten S. 124 Note 3.)

Durch den Abs. 8 des § 60 wurden auch die Kirchengemeinden unter die zuschussberechtigten Körperschaften aufgenommen1). Der Regierungsvertreter hatte sich bis zuletzt dagegen gewehrt, indem er besonders darauf hinwies, dass die Kirchengemeinden ihr Steuerrecht behalten hätten und sich durch dessen Ausnützung in weitem Umfang selber helfen könnten. Soweit die Kirchengemeinden die Mittel zur Besoldung des Geistlichen nicht aufbringen könnten, sei es Sache der Länder, zu helfen. Die unmittelbare Gewährung von Reichszuschüssen sei mit dem verfassungsmässigen Verhältnis zwischen Reich und Ländern unvereinbar, bei der verschiedenartigen Regelung der Besoldungsverhältnisse der Geistlichen auch technisch sehr schwer durchführbar. Durch die Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 wird der Abs. 8 vom 1. April 1924 wirkungslos. (Siehe unten S. 124 Note 3.)

Was die Einbeziehung weiterer Kategorien betrifft, so wollte ein Antrag die Zuschüsse auch ausgedehnt wissen auf staatliche und provinzielle Kredit- institute; die öffentlichen Verbände hätten diesen Instituten das Leben gegeben, also hätten sie auch für ihre Erhaltung zu sorgen. Der Regierungsvertreter trat dem entgegen: Grundsätzlich müsse daran festgehalten werden, dass keine Zu- schüsse für diejenigen Verwaltungen und Einrichtungen zu leisten seien, die sich selbst unterhalten müssten. Wie das Reich die Verkehrsverwaltungen in der Weise führen müsse, dass sie keine Zuschüsse mehr erforderten, so müssten auch die Länder und Gemeinden alle in Betracht kommenden Verwaltungen und Betriebe derart gestalten, dass sie jedenfalls keine Zuschüsse in Anspruch nähmen. Dass die öffentlichen Kreditinstitute im weiteren Sinne gemeinnützigen Zwecken dienten, könne an diesem Grundsatz nichts ändern. Lediglich die Sparkassen (und Leih- anstalten) seien nach den bisherigen Vereinbarungen mit den Ländern von diesem Grundsatz ausgenommen worden; auch wurde erklärt, dass Theater und Orchester nicht als werbende Betriebe angesehen und daher als zuschussberechtigt anerkannt werden sollten. Im übrigen hatte der Entwurf die Zuschüsse auch auf Vergütungen für Angestellte solcher Anstalten und Einrichtungen ausdehnen wollen, die öffent- liche Aufgaben der Länder oder Gemeinden (Gemeindeverbände) zu erfüllen haben und ganz oder zu einem wesentlichen Teile zu Lasten der Länder oder Gemeinden (Gemeindeverbände) erhalten werden. Darunter fielen z. B. auch Privattheater oder -Orchester, wenn Länder und Gemeinden sich an ihrer Erhaltung durch Zuwendungen beteiligten. Auf letztere Voraussetzung legte die Regierung den grössten Wert, weil das Interesse des Reichs zur Sache unmöglich grosser sein könne, als das der zunächst Beteiligten: der Länder oder der Gemeinden. Ausser- dem aber würde dem Reich damit nicht bloss die Prüfung der sozialen und kultu-

1. Januar bis SO. September 1921 erwachsen waren, abzüglich 10 Prozent für erhöhtes Steuer- aufkommen erstattet. Diese 90 Prozent der Mehraufwendungen sollen den Ländern be- lassen werden, daher der Satz 2 in Abs. 7 des § 60. Siehe auch Ausschussbericht S. 20.

*) Ausschussbericht S. 37, 39, 40, 43. Der Keicnstag ersucnte aucn den tteicnsnnanz- minister, der Notlage der Religionsgesellschaften durch Gewährung von ausreichenden Darlehen Rechnung zu tragen, die den Ländern in Höhe der jeweils zu bewertenden Steuer- eingänge der Religionsgesellschaften gegeben werden sollten.

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Page 28: Die Abänderungen des Landessteuergesetzes durch die Novelle vom 23. Juni 1923 und des Finanzausgleichgesetzes durch die Steuernotverordnung vom 14 Februar 1924 und ihre Begründung

Die Abänderungen des Landessteuer- sowie des F.A.Gesetzes und ihre Begründung. JQJ

relien Bedeutung der betreffenden Anstalt und der Notwendigkeit ihres Weiter- bestehens, sondern auch die ungleich bedenklichere Aufgabe zugewiesen, finanzielle Unterlassungen der Länder und Gemeinden auf sozialem oder kulturellem Gebiete von Reichs wegen oder aus Reichsmitteln gutzumachen. Das würde eine Ver- schiebung der verfassungsmässigen und politischen Verantwortlichkeiten bedeuten, gegen die seitens der Reichsregierung die schwersten Bedenken geltend gemacht werden müssten.

Allein im Ausschuss wurden bei den Beratungen immer wieder mehrfache Anträge gestellt, die Zuschüsse nicht bloss auf die bereits von Ländern und Ge- meinden unterstützten Anstalten zu beschränken, sondern auf möglichst alle der öffentlichen Wohlfahrts- und Kulturpflege dienenden Anstalten und Einrichtungen (sog. halböffentliche Anstalten) auszudehnen, um sie vor einer übermächtigen Konkurrenz der mit Reichszuschüssen bedachten Anstalten der Länder und Ge- meinden zu schützen. Die Regierung gab schliesslich ihren Widerstand auf, ver- suchte aber zu verhüten, dass eine zu starke, möglicherweise ins Uferlose gehende Inanspruchnahme des Reichs stattfinde. Es wurde die Vorschrift im Entwurf, wonach nur von Ländern und Gemeinden schon unterstützte Anstalten Zuschüsse erhalten könnten, gestrichen und ein anderer Paragraph (§61) vorgesehen, nach dem im Reichshaushaltsplan besondere Mittel zur Unterstützung der nicht mit Besoldungszuschüssen bedachten Anstalten und Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, soweit sie Aufgaben der öffentlichen Wohlfahrtspflege oder des Schul- und Bildungswesens erfüllen und auf die keine Zuschüsse nach § 60 ent- fallen. Durch diese Vorschrift sollte an die bereits vorhandenen zahlreichen Etat- ansätze angeknüpft werden, die Unterstützungsbeträge für derartige Anstalten und Einrichtungen enthalten, und die Gefahr einer doppelten Bezuschussung vermieden werden. Die Reichsregierung soll mit Zustimmung des Reichsrats und eines Ausschusses des Reichstags die Grundsätze für die Auswahl der zu unter- stützenden Anstalten und Einrichtungen aufstellen1). Vertreter der preussischen, bayrischen und sächsischen Regierung waren mit dieser von der Reichsregierung angeregten Lösung nicht einverstanden; der Paragraph sei nicht geeignet, den notleidenden Anstalten und Einrichtungen die Hilfe zu bringen, die die Reichs- regierung im Reichsrat auf Grund der dort geführten Verhandlungen zugesagt habe. Die Gewährung von Unterstützungsbeträgen aus besonderen im Reichs - Haushaltsplan zur Verfügung gestellten Mitteln gebe den Anstalten und Ein- richtungen nicht die Möglichkeit, einen Etat aufzustellen und eine geordnete Wirtschaft zu führen. Damit sei das Ende zahlreicher wertvoller Anstalten, die mit viel Sorgfalt und Kosten ins Leben gerufen seien, besiegelt. Die Reichs- regierung vertrat aber die Ansicht, dass mit der Vorschrift des § 61 tatsächlich die Absichten des Reichsrats verwirklicht würden.

21. DieDurchführungderGrundgedankender §§ 20-22 auch für dieUebergangszeit (Art. II- IV). Das L.St.G. ist in wesent- lichen Punkten überhaupt nicht zur Anwendung gekommen. Da seine materiellen Grundsätze über die Beteiligung der Länder und Gemeinden durch die verschie- denen Novellen zum E.St.G. vielmehr schon damals überholt waren, mussten sie bei der Veranlagung für 1920 unberücksichtigt bleiben. Der Steueranteil ist infolgedessen lediglich dort ausgeschüttet worden, w o die Steuer entrichtet wurde, d. h. an die Sitzgemeinden und ihre Länder. Für die Belegenheitsgemeinden und ihre Länder bedeutete das eine Benachteiligung, die in zahlreichen Fällen schwer ins Gewicht fiel und mit den Absichten des Gesetzgebers keinesfalls zu vereinigen war. Ein nachträglicher Ausgleich war nach Lage der Dinge nur in wesentlich vereinfachter Form zu erreichen, aber grundsätzlich nicht zu um- gehen. Wie dieser Ausgleich gedacht ist, ergeben Art. II u. III des Abänderungs- gesetzes vom 23. Juni 1923 (siehe unten S. 127). Danach soll der Verteilungs- schlüssel für die Rechnungsjahre 1920, 1921 u. 1922 einheitlich und zwar für die Einkommensteuer auf der Grundlage des Solls für 1921 und der Veränderungen

i) Solche Grundsätze sind bis jetzt nicht festgesetzt worden, doch wurden für die Verwendung der im Reichshaushalt zur Verfügung gestellten Vorschüsse Richtlinien am 10. August und 26. Oktober 1923 erlassen (mitgeteilt im Kommentar von Markull S. 568 f.)-

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festgestellt werden, die darin bis zum 31. März 1923 eingetreten sind. Um das zu erreichen, sind die Veranlagungsbehörden angewiesen worden, bei der Ver- anlagung für 1921 bereits nach den neuen Vorschriften zu verfahren. Bei der Körperschaftssteuer machte das Fehlen eines gesetzlichen Veranlagungszeitraums - das in der Folgezeit nach der Fassung des § 21 nicht mehr ins Gewicht fällt - für die Uebergangszeit die besondere Vorschrift des Art. III erforderlich. Hier war die Veranlagung für 1921 nicht verwendbar, weil damit alle diejenigen nicht physischen Steuerpflichtigen ausgefallen wären, deren Wirtschafts- oder Geschäfts- jahr zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 1922 ablief. Ein Verteilungs- schlüssel auf dieser Grundlage würde zahlreiche Gemeinden, aber auch einzelne Länder wesentlich benachteiligt haben. Es wurde daher für die Körperschafts- steuer die Veranlagung für 1920 zugrunde gelegt, die ein volles Jahr umfasst. Die Bestimmung der Gemeindeanteile für die Zeit vom 1. April 1920 bis zum 31. Dezember 1921 musste der Landesgesetzgebung überlassen bleiben.

Was die Länder für die Zeit bis zum 31. Dezember 1921 tatsächlich erhalten haben, deckt sich nicht mit dem, was ihnen rechtlich für diesen Zeitraum zusteht. Nach Feststellung der Anteile sollen die Unterschiedsbeträge daher ausgeglichen werden. Art. II Abs. 5 und Art. III Abs. 4 sprechen das aus, ohne des näheren darauf einzugehen. Die Durchführung des Ausgleichs im einzelnen bleibt zweck- mässig besonderer Vereinbarung überlassen. Art. IV trägt der Notwendigkeit Rechnung, die im ersten Kalendervierteljahre 1923 noch für 1921 veranlagten oder veränderten Steuerbeträge bei der Feststellung des Verteilungsschlüssels im Jahre 1924 auszuscheiden, um ihre doppelte Berücksichtigung zu verhüten1).

Zu bemerken ist noch, dass der Entwurf den Ländern von dem Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftssteuer in den Rechnungsjahren 1920 u. 1921 zwei Drittel und im Jahre 1922 drei Viertel zuteilen wollte, was aber der Reichstag dahin änderte, dass er den Zweidrittelanteil auf das Jahr 1920 beschränkte, da- gegen den Dreiviertelanteil auch auf das Jahr 1921 ausdehnte. Auch wurde von ihm in Art. II Abs. 5 der Satz 2 eingefügt2).

22. ZeitlicheBegrenzungderDauerdesAbänderungs- gesetzes bis 1. Aprili 92 5. Die Anregung zu einer Befristung ging von dem Finanzminister Dr. Hermes aus, der, weil der Vorschlag der gleichzeitigen Erhöhung der Umsatzsteuer keine Aussicht auf Annahme hatte, bat, wenigstens keine dauernde gesetzliche Bindung zur Ueberweisung erhöhter Steueranteile an Länder und Gemeinden dem Reiche aufzuerlegen. Der Gedanke der Befristung wurde gerne im Reichstag aufgenommen. „Damit werde ein neuer Anreiz zur Aenderung des Systems gegeben, dessen Mängel immer offener zutage träten3)." Anfänglich dachte man an den 1. April 1924, stand aber davon ab, als der Regierungsvertreter darauf aufmerksam machte, dass, da die Verteilung sowohl der Einkommen- und Körperschaftssteuer wie der Umsatzsteuer künftig nach dem im Vorjahr festgestellten Soll erfolgen solle, bei zu kurzer Befristung des Gesetzes - zumal bei der Umsatzsteuer, bei der der erste Verteilungsschlüssel erst im Kalenderjahr 1924 gebildet wurde - es dahin kommen würde, dass zwar ein Verteilungsschlüssel festgestellt, eine Verteilung nach diesem Schlüssel nie- mals erfolgen würde4) 6).

Das F.A.G. bedeutet in finanztechnischer Hinsicht unstreitig einen Fort-

J) Siehe jetzt auch unten S. 128 die Abänderung des Art. IV und den neuen Art. IV a. *) Aussciiussbencüt s. 20 t., 37. °) Ausscnussbericnt ö. öS. «) Ausschussbericht S. 39. ß) Eine Anregung aus dem Reichstag, eine Bestimmung aufzunehmen, nach der ein

Lastenausgleich auch zwischen den Gemeinden verschiedener Länder stattzufinden habe, wenn einer Gemeinde des einen Landes daraus, dass sie Wohnsitzgemeinde zahlreicher in einer Gemeinde des anderen Landes arbeitender Personen sei, unverhältnismässige Auf- wendungen entstünden, und in Streitfällen darüber der Staatsgerichtshof entscheiden solle, wurde abgelehnt. Die Erfahrungen, die Preussen mit dem § õ3 des Kommunalabgaben- gesetzes (Finanzarchiv 10 1 1893] S. 828) gemacht habe, seien derart, dass vor einer ähnlichen Vorschrift für das Reichsrecht nur gewarnt werden könne. Mit dem Austrag solcher Streitigkeiten sollte der Staatsgerichtshof nicht befasst werden, der gegebene Weg in diesen Fällen sei der der zwischenstaatlichen Vereinbarung, wie sie zwischen Hamburg und Altona angebahnt sei. Ausschussbericht S. 20.

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schritt, die finanzielle Mediatisierung der Länder und Gemeinden hat es nicht behoben. Die Inflation hat es mit sich gebracht, dass erstere immer grosser ge- worden ist. Die Länder und Gemeinden sind Kostgänger des Reichs in einem Masse geworden, wie es früher bei der ärmsten Gemeinde nicht gegenüber ihrem Staat vorkam. Zur einer grundlegenden Aenderung des finanziellen Verhältnisses zwischen Reich, Ländern und Gemeinden war das Jahr 1923 nicht angetan. Einen «raten Ansatz zu einer wirklichen Besserung bedeutet aber die kürzlich ergangene Steuernotverordnung vom 14. Februar 19241). Sie bahnt einerseits wieder eine schärfere Scheidung des Aufgabenkreises zwischen Reich und Ländern an, sie beseitigt anderseits, wenn auch mit Zuhilfenahme des empfindlichen, aber wohl unvermeidlichen Mittels des Beamtenabbaues und der erheblichen Schmälerung aller Gehälter die Besoldungszuschüsse vom 1. April 1924 ab. Durch die gleich- zeitige Ueberlassung des Gesamtaufkommens der Einkommensteuer an die Län- der - die zurückbehaltenen 10 % können als Entgelt für die dem Reich für die Veranlagung und Erhebung erwachsenden Kosten angesehen werden - und einiger anderen kleineren Steuern, denen freilich der Einzug des Anteils an der Erbschaftssteuer gegenübersteht, sucht sie dahin zu wirken, dass die Länder und ihre Gemeinden wieder zu geordneten Haushalten gelangen.

!) R.G.B1. 1924 I Nr. 11 S 94. Der § 42 bestimmt: „(') Die Aufgaben der Wohlfahrtspflege, des Schul- und Bildungswesens und der Polizei

werden den Ländern nach Massgabe näherer reichsrechtlicher Vorschriften zur selbständi- gen Regelung und Erfüllung überlassen. Die Länder bestimmen, in wieweit die Gemeinden (Gemeindeverbände) an der Erfüllung der einzelnen Aufgaben zu beteiligen sind. Vor der ueberlassung an die Länder werden die reichsrechtlichen Vorschriften, die dem Grundsatz des Satzes 1 entgegenstehen, aufgehoben werden.

(a) Zu den Aufgaben der Wohlfahrtspflege im Sinne des Abs. 1 gehören 1. die Fürsorge für die Rentenempfänger der Invaliden- und Angestelitenversicnerung,

soweit sie nicht den Verjicherungsträgern obliegt, 2. die Fürsorge îur die Kleinrentner und die innen gieicngesteiiten rersonen, 3. die soziale Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene und die Urnen

auf Grund der Versorgungsgesetze gleichgestellten Personen, 4. die Fursorere îur niiisbedurîtiere Minderiaüriee, ». die Wochenfürsorge, 6. die Flüchtlingsfürsorge, 7. die Leistungen nach dem Gesetze über die durch innere Unruhen verursachten

Schäden vom 12. Mai 1920 (R.G.B1. S. 941) in der Fassung der Verordnung vom 8. Januar 1924 (R.G.B1. I S. 23).

(3) Mit der üebernahme der Aufgaben der Wohlfahrtspflege gehen ihre Lasten auf die nach Maßgabe einer besonderen Verordnung zu bildenden Fürsorgeverbände über. - Siehe Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 (R.G.B1. 1924 I Nr. 12 S. 100). - Mit zur Deckung des Aufwands aus § 42 ist den Ländern und Gemeinden eine Steuer im Zusammenhange mit der Regelung des Mietwesens von dem bebauten Grund- besitz eingeräumt (§§ 26- 32). In Hessen wurde bereits durch VO. v. 24. März 1924 eine BOlche für das Rechnungsjahr eingeführt (Hess. Regsbl. 1924 Nr. Il S. 175). Die Kosten der Erfüllung der sonstigen in Abs. 1 bezeichneten Aufgaben fallen mit ihrer üebernahme den Ländern und nach näherer Bestimmung des Landesrechts den Gemeinden (Gemeinde- verbänden) zur Last. Die Vorschriften des § 59 des Finanzausgleichsgesetzes bleiben un- berührt."

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