Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 10-2007
Verkehrsverbünde
Im Nahverkehr gemeinsam mehr errei-chen. Dieses Ziel vor Augen, wurde im November 1997 der Zweckverband Ver-kehrsverbund Mittelsachsen (ZVMS) gegründet. Als Aufgabenträger für den ÖPNV gaben die Vertreter der acht Land-kreise Annaberg, Aue-Schwarzenberg, Chemnitzer Land, Freiberg, Mittweida, Mittlerer Erzgebirgskreis, Stollberg, Zwickauer Land sowie der kreisfreien Städte Chemnitz und Zwickau den Startschuss.
Bahnstrecken sanieren, Nahver-kehrsleistungen bündeln, Fahrpläne optimieren, einen einheitlichen Tarif einführen und Synergieeffekte nutzen, waren und sind die Ziele. Ein Jahr später übernahm der ZVMS die Aufgabenträger-schaft für den SPNV im Verbundgebiet. Es entstanden ideale Voraussetzungen, den Bus- und Bahnverkehr aufeinander abzustimmen und die Verkehrswege zu optimieren. Seither wurde kontinuier-lich das Schienennetz modernisiert, Parallelverkehre von Bussen und Bahnen abgebaut und Knotenpunkte geschaf-fen, die einen zügigen sowie bequemen Umstieg zwischen den Verkehrsmitteln ermöglichen. Im Juni 2004 gründeten die Mitglieder des ZVMS die Verkehrs-verbund Mittelsachsen GmbH (VMS), die als Servicegesellschaft und Dienstleister
Der Verkehrsverbund Mittelsachsen
Dr. Harald Neuhaus,Geschäftsführer,Verkehrsverbund Mittelsachsen GmbH, Chemnitz
alle strategischen und organisatori-schen Aufgaben für den ZVMS erledigt.
Moderne Schienen ins Erzgebirge und in die Innenstadt
Der seit zehn Jahren vom ZVMS konsequent durchgeführte Infrastruk-turausbau zeigt viele Erfolge. Die modernisierten Schienenwege, die ins Erzgebirge nach Aue und weiter nach Jo-hanngeorgenstadt, nach Annaberg- Buchholz und bis in die Tschechische Republik sowie nach Olbernhau führen, nutzen seit den Streckensanierungen wesentlich mehr Fahrgäste. 2002 fuhren rund 1 300 Menschen pro Tag mit den Zügen im Erzgebirgsnetz, 2006 waren es fast 4 400 und im nächsten Jahr werden mehr als 5 000 Fahrgäste pro Tag befördert. Neben den steigenden Pendlerströmen auf diesen Verbindun-gen hat sich der Ausflugsverkehr an den Wochenenden ebenfalls äußerst positiv entwickelt.
Auf allen Strecken wesentlich kürzere Fahrzeiten sowie der Einstundentakt montags bis freitags bilden attraktive Rahmenbedingungen für die Fahrgäste. Während beispielsweise die Bahnreise von Chemnitz nach Aue vor fünf Jah-ren noch 129 Minuten dauerte, sind es jetzt weniger als 80 Minuten. Sanierte
oder neue Bahnhöfe und Haltepunkte, ebenso wie optimierte Schnittstellen zwischen den Nahverkehrsmitteln (z. B. in Johanngeorgenstadt, Wilkau-Haßlau, Pockau-Lengefeld, Grünhainichen-Borstendorf) sind die Grundlage für günstige Zugangsbedingungen und kurze Umstiege für den Kunden. Parallel erfolgt der Ausbau des Busverkehrs, auch als Zubringer zur Bahn, durch mit den Taktzeiten der Züge abgestimmte Fahrpläne.
1992 als Idee geboren, 1995 mit einer Machbarkeitsstudie als sinnvoll bestätigt, ist das Chemnitzer Modell ein
Organisationsstruktur Zweck-verband Verkehrsverbund
Mittelsachsen.
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zentrales Projekt im VMS. Angelehnt an das Karlsruher Modell startete dieses wichtige Verkehrsprojekt mit dem Ziel, dass die Eisenbahnen aus dem Umland direkt bis ins Chemnitzer Stadtzentrum komfortabel, schnell und umsteige-frei fahren. Auf der Strecke zwischen Stoll-berg und Chemnitz entstand das Pilotprojekt. Vielseitige Arbeiten an den Gleisanlagen und an der Leit- und Si-cherungstechnik waren notwendig. Parallel erfolgte die Entwicklung von Schienenfahrzeugen, die die techni-schen Eigenschaften von Eisenbahn und Straßenbahn vereinen. Nach ei-nem aufwendigen Verfahren wurde die Genehmigung zum Betrieb mit 100 % niederflurigen Variobahnen und ent-sprechenden Bahnsteighöhen erteilt. 2002 konnte die erste Direktverbindung vom Umland bis in die Chemnitzer In-nenstadt eingeweiht werden.
Heute bringt die Stadt-Umland-Bahn
Region laufen derzeit Arbeiten, um das Chemnitzer Modell weiter voranzubrin-gen. So werden zukünftig die Kunden direkt aus Burgstädt, Mitt-weida oder Flöha ins Chemnitzer Stadtzentrum fah-ren können. Hierfür ist der Umbau des Hauptbahnhofs in Chemnitz mit einer
Öffnung des Querbahnsteiggebäudes notwendig, um so die Stadtbahn- mit den Eisenbahngleisen zu verbinden.
Neues Tarifsystem, alte Sonderverkehrsmittel
Eine große Aufgabe des Verkehrsver-bundes Mittelsachsen bestand in der Entwicklung eines einheitlichen Tarifs
die Verkehrsunternehmen unter dem Motto „Ein Fahrplan, ein Fahrpreis, ein Fahrschein” einen Tarif an, mit dem die Fahrgäste alle Verkehrsmittel im Ver-bundgebiet mit einem Fahrschein nutzen können. Passende Tickets gibt es für alle Zielgruppen. Ob Schüler
oder Senioren, Familien oder Gruppen, Viel- oder Seltenfahrer, jeder kann Ein-zelfahrten, Tageskarten, Gruppenkarten sowie verschiedene Zeitkarten nutzen. Bei allen Fahrscheinarten sind die Preise entfernungsabhängig nach der Anzahl der durchfahrenen Tarifzonen gestaffelt. Für mehr als fünf Tarifzonen gibt es Verbundraumtickets, die beson-ders bei Ausflüglern sehr beliebt sind.
Lediglich in Zwickau, der zweitgrößten Stadt im Verbundgebiet, galt weiterhin der Tarif des dort ansässigen städtischen Verkehrsunternehmens. Im November 2004 schloss sich diese Lücke im Tarif-gebiet. Die Verkehrsbe-triebe der Stadt Zwickau werden in den Gemein-schaftstarif integriert. Das bis heute unveränderte Verbundgebiet ist 4 683 km2 groß und beherbergt etwa 1,26 Mio Menschen. Allein in Chemnitz, dem wirtschaftlichen Zentrum der Region, leben rund
245 000 Einwohner. Aktuell sind 31 Verkehrsunternehmen für den Ver-kehrsverbund im Einsatz. Sie bringen jährlich etwa 85 Mio Kunden mit zehn Straßenbahn-, 17 Eisenbahn- und 351 Buslinien an ihr Ziel.
Bus, Straßenbahn und Zug bringen die Fahrgäste auf allen Wegen in die Chemnitzer Innen-stadt.
zwischen Chemnitz und Stollberg täg-lich bis zu 6 000 Fahrgäste an ihr Ziel. Vor der Streckensanierung waren es lediglich 450. In Chemnitz und in der
für die gesamte Region. Gemeinsam mit der Währungsumstellung auf den Euro wurde am 1. Januar 2002 der Verbundtarif eingeführt. Seither bieten
» Der seit zehn Jahren vom ZVMS konsequent
durchgeführte Infra-strukturausbau zeigt
viele Erfolge «
Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 10-2007
Für Touristen und Ausflügler be-sonders reizvoll sind die beiden Son-derverkehrsmittel im Verbundraum. Zwischen Cranzahl und dem Kurort Ober-wiesenthal verkehrt seit 110 Jah-ren die schmalspurige Fichtelbergbahn. Auf der 17,4 km langen Strecke rollen noch immer täglich Dampflokomoti-ven. Die Drahtseilbahn Erdmannsdorf-Augustusburg verbindet seit 96 Jahren den Bahnhof im Zschopautal mit der Stadt und dem Schloss Augustusburg. Notwendig gewordene umfangreiche Sanie-rungsarbeiten an der Standseil-bahn betreute der VMS in den letzten beiden Jahren und wurde 2007 deren Inhaberin. Jährlich zum Geburtstag der „Alten Dame” entwickelt sich der Berglauf „Mensch gegen Maschine” zu einem Höhepunkt. 62 Teilnehmer woll-ten 2007 wissen, ob sie die 1 500 m bergauf schneller überwinden als die Drahtseilbahn. Diese schafft die Strecke
von der Tal- zur Bergstation in etwa 7:50 Minuten. Und tatsächlich erreich-ten 19 sehr gut trainierte Läufer früher das Ziel.Zukunftsweisende
Kommunikation im VerkehrGemeinsam mit weiteren sächsischen
Verkehrsverbünden beteiligt sich der VMS am deutschlandweiten Pilotprojekt „HandyTicket”, dass Ende April 2007
» Diese vielfältigen Aktivitäten zei-
gen, dass die Verkehrsunternehmen im
VMS immer besser ihre Entwicklungen
koordinieren, um für die Fahrgäste mit
einem abgestimmten Gesamtangebot
... mehr zu erreichen «
startete. Der Fahrscheinkauf direkt über das Mobiltelefon ist seither in der Tarifzone Chemnitz möglich. In den ersten vier Monaten haben sich im VMS 325 Nutzer angemeldet, die regelmäßig diesen neuen, innovativen Vertriebska-nal nutzen. Moderne Technik und Daten-übertragung verwenden auch die Ver-kehrsunternehmen des VMS im Projekt „Verbundkommunikation”. Alle Busse der im Verbundgebiet tätigen Stadt- und Regionalverkehrsunternehmen haben dazu GSM-Komponenten erhalten. Damit sind Sprach- und Datenfunkver-bindungen sowohl zu ihren eigenen als auch zu allen Leitstellen der anderen
Unternehmen möglich, so dass die Fah-
rer und die Fahrzeuge bereits heute un-
ternehmensübergreifend kommunizieren
können. Zusätzlich ist mit dem System
die Grundlage für die künftige technisch
unterstützte Anschlussgewährung und
Fahrgastinformation geschaffen. In
wei-teren Ausbauschritten erfolgt eine
Kopplung zu Leitsystemen der Eisen-
bahn im Verbundgebiet und zum in
Vorbereitung befindlichen Aufbau eines ITCS (Intermodal Transport-Control-Sy-stem) bei der Chemnitzer Verkehrs-AG, deren Fahrzeuge mit Digitalfunkkom-ponenten ausgerüstet werden sollen.
Diese viel-fältigen Akti-vitäten zeigen, dass die Ver-kehrsunterneh-men im VMS immer besser ihre Entwick-lungen koordi-nieren, um für die Fahrgäste mit einem ab-
gestimmten Gesamtangebot von Bus und Bahn gemeinsam mehr zu erreichen.
e-mail: [email protected]
Die Stadt-Umland-Bahn vorbei am Karl-Marx-Monument auf dem Weg in die Innenstadt (Bilder: Verkehrsverbund Mittelsachsen).
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